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* DIE WELT DONNERSTAG, 11. FEBRUAR 2021 12 WIRTSCHAFT D ie Geschichte, wie Kirill Dmitrijew auf den Impf- stoff Sputnik V gekom- men ist, hat fast etwas Poetisches an sich. Und ist vermutlich aber doch prosaischer, als sie klingt. Seine Frau, Natalja Popowa, die russischen Medien zufolge schon lange mit Alexander Ginzburg bekannt war, der als Chef des Gamaleja-For- schungsinstituts die Entwicklung des Covid-19-Impfstoffs leitete, soll diesen Prozess mit besonderem Interesse per- sönlich verfolgt haben VON EDUARD STEINER AUS MOSKAU Am Ende war sie sogar eine der Ers- ten, die sich schon im vergangenen Jahr mit ihm habe impfen lassen. Und Popo- wa soll auch ihren Mann Dmitrijew da- von begeistert haben, als Chef des milli- ardenschweren Russischen Fonds für Direktinvestitionen (RFPI) die wirt- schaftlichen Belange und die Vermark- tung des Impfstoffs zu übernehmen. Was genau im Hause Dmitrijew geredet wurde, ist im Detail nicht bekannt. Um- so bekannter ist dafür, und hier wird es prosaisch, dass Frau Popowa mit Kateri- na Tichonowa an der Moskauer Staats- universität studiert hat. Die einst in Dresden geborene Tichonowa ist wohl- gemerkt nicht irgendwer. Hinter dem unscheinbaren Namen verbirgt sich die Tochter von Kreml-Chef Wladimir Pu- tin. Inzwischen leitet Tichonowa mit Popowa als Stellvertreterin einen um- strittenen, 1,7 Milliarden Dollar schwe- ren universitären Innovationsfonds. Die Jungfamilien verbrachten auch di- verse Urlaube gemeinsam. Der 45-jährige Dmitrijew war jeden- falls ganz offensichtlich begeistert vom Vakzin, für das seine Frau schwärmte. Am Ende gab er ihm höchstselbst die Bezeichnung Sputnik V, um so an den ersten Satelliten zu erinnern, den die Sowjetunion im Jahr 1957 vor den USA gestartet hatte. Das Signal: Auch beim Corona-Impfstoff haben die Russen die Nase vorn. Heute, einige Monate später, weiß man, dass Dmitrijew und sein Fonds RFPI tatsächlich auf das richtige Pferd gesetzt haben, indem sie den Vek- torimpfstoff Sputnik V anderen russi- schen Covid-Vakzinen vorgezogen ha- ben. Inzwischen nämlich steht auch fest: Nachdem der Impfstoff im Westen anfänglich belächelt worden ist, wird er nun mit jedem Tag auch dort – und nicht mehr nur in Schwellenländern – salonfähiger. Die vor einer Woche in der Fachzeit- schrift „The Lancet“ publizierte vorläu- fige Analyse, der zufolge nach der zwei- ten Impfdosis eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent erreicht wird, brachte den Wendepunkt. Schon zeigen sich Kanzle- rin Angela Merkel (CDU) und EU-Kom- missionspräsidentin Ursula von der Leyen offen für das Vakzin, sofern Russ- land die Daten dazu offenlege. Inzwi- schen wird über eine Produktion in Deutschland diskutiert. Und Öster- reichs Kanzler Sebastian Kurz brachte dieser Tage in einem Interview für die WELT AM SONNTAG auch eine mögli- che Herstellung in Österreich ins Spiel. Dass Russland, das in anderen Berei- chen ständig mit dem Westen kollidiert, gerade in der Medizin ebendort einen raren Erfolg landen könnte, wird in Russland klar dem Finanzmanager Dmi- trijew zugeschrieben. Er war es, der die Vermarktung angefacht und Bedenken gegen das Vakzin ausgeräumt hat. Er war es, der dem Kreml diesen Image- erfolg beschert hat. „Dmitrijew war auch vorher einflussreich“, sagt Alexej Makarkin, Vizechef des Moskauer Zen- trums für politische Technologien, im Gespräch mit WELT: „Jetzt aber gilt er als Mr. Sputnik V.“ Natürlich habe ihm dabei geholfen, dass er einen direkten Draht zu Putin – oder, wie man in Russ- land sagt, „einen Zugang zu seinem Kör- per“ – habe, so Makarkin. „Aber ent- scheidend ist auch gewesen, dass Dmi- trijew gemeinsam mit dem Wissen- schaftler Ginzburg den im Land unübli- chen Mut gehabt hat, eine beschleu- nigte Impfstoffentwicklung zu wagen.“ Die traditio- nellen russischen und teilweise noch sowjet- geschulten Wissen- schaftler hätten ein so riskantes Unterfangen nicht gewagt. Wird Dmitrijew der breiteren Öffent- lichkeit erst jetzt durch Sputnik V be- kannt, so ist er es in Wirtschaftskreisen schon längst. Im Jahr 2010 wurde der gebürtige Ukrainer, der im Alter von 14 Jahren zum Leben bei Freunden der Fa- milie nach Kalifornien geschickt wor- den war, vom World Economic Forum in die Liste der aussichtsreichen Young Global Leader aufgenommen. In den Vereinigten Staaten hatte er zuvor in Stanford Wirtschaft studiert und in Harvard seinen MBA gemacht. Später heuerte er bei Goldman Sachs als In- vestmentbanker an, arbeitete bei der Unternehmensberatung McKinsey, ehe er sich später in die Dienste des ukrai- nischen Top-Oligarchen Viktor Pint- schuk begab und dessen Offshore-Kon- struktionen auf Zypern verwaltete. Zurück in Russland, wurde Dmitri- jew im Jahr 2011 von Putin mit der Lei- tung des zehn Milliarden Dollar schwe- ren RFPI betraut, der aus dem staatli- chen Budget genährt wird und auslän- dische Co-Investoren in russische Pro- jekte locken soll. Schritt für Schritt ha- be er sich mit seinem Talent, Beziehun- gen aufzubauen und die Menschen für sich zu gewinnen, durch die Schaltstel- len der russischen Macht gearbeitet und sich im Establishment einen Na- men gemacht, erzählt ein ehemaliger Geschäftspartner Dmitrijews im Ge- spräch mit WELT. Putins Personalpolitik besteht zu- nehmend darin, die Menschen aus der übernächsten Generation als Verant- wortungsträger aufzubauen. Das hängt auch damit zusammen, dass er in der ihm nachfolgenden Generation nie- mand hochkommen ließ. Dmitrijew gilt als einer der jungen Experten, die sich in den vergangenen Jahren an den Schaltstellen breitzumachen begannen. Sie kennen genau die Spielregeln und wissen, dass politische Ambitionen tabu sind. Sie wissen aber auch, dass Profes- sionalität in ihrem Detailbereich oben geachtet wird und dass im Rahmen des- sen Entscheidungsfreudigkeit er- wünscht ist. Der 49-jährige Alexander Nowak, langjähriger Energieminister und heute Vizepremier mit Zuständigkeit für den Rohstoffsektor, etwa gehört zu dieser Kategorie und hat dies unter Beweis ge- stellt, indem er 2016 gemeinsam mit Saudi-Arabien das erweiterte Opec-Kar- tell Opec+ zur Regulierung des für Russ- land so entscheidenden Ölmarktes gründete. Dmitrijew beweist es, indem er mit dem Geld des Staatsfonds „mehr oder weniger erfolgreich“ arbeitet, wie der Ökonom Igor Nikolajew, Direktor des Moskauer Instituts für strategische Analysen, erklärt. 90 Prozent der Di- rektinvestitionen in Russland kommen heute auf den RFPI und seine ausländi- schen Partner, die vor allem aus dem Nahen Osten und Asien stammen. Eu- ropa spielt dabei allerdings aufgrund der Zerwürfnisse nach der Krim-Anne- xion 2014 keine große Rolle. Die Gräben wurden seither nicht nur nicht kleiner, sondern sogar größer. Dennoch sei Dmitrijew auch Rich- tung Westen für Russland wichtig, da er – abgesehen von seinem fließenden Englisch – die westliche Mentalität ver- stehe, erklärt der erwähnte ehemalige Geschäftspartner Dmitrijews. Politolo- ge Makarkin formuliert es so: „Dmitri- jew kann mit beiden Seiten und genießt zudem das Vertrauen Putins.“ Nicht zu- fällig war es Dmitrijew, der 2017 einen inoffiziellen Gesprächskanal zum enge- ren Kreis um US-Präsident Donald Trump aufzubauen versuchte, zumal US-Handelsminister Wilbur Ross in den 1990er-Jahren als Geschäftsmann mit einem russischen Private-Equity-Fonds zu tun hatte, in dessen Management Dmitrijew gesessen hatte. Aus dem Ge- sprächskanal wurde aber nichts – er flog in den USA im Zuge der Ermittlungen wegen mutmaßlicher russischer Ein- flussnahme auf die US-Wahlen auf. Der Mann hinter dem IMPFSTOFF Mit jedem Tag wird das russische Vakzin Sputnik V gefragter – auch im Westen. Das liegt vor allem am Engagement eines 45-jährigen Finanzmanagers mit guten Verbindungen zu Wladimir Putin Ein Container mit Sputnik-V-Impfstoff wird in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires abgeladen. Das Vakzin wird für Russland zum lukrativen Geschäft GETTY IMAGES/ MARCOS BRINDICCI; SPUTNIK/ AFP VIA GETTY IMAGES/ SERGEI GUNEYEV Kirill Dmitrijew, Chef des Russi- schen Fonds für Direktinvestitionen Mit der Top-50-To-Watch-Liste zeichnet die Diversitätsinitiative BeyondGenderAgenda in 2021 erstmalig ihre Top 50 Diversity Drivers aus. 50 Persönlichkeiten, die das Potenzial haben, in die- sem Jahr die Themen Diversity, Equity & Inclusion in der deutschen Wirtschaft maßgeblich voran- zutreiben. Die Gründe für die Auswahl dieser Top 50 sind so vielfältig, wie die Menschen selbst, aber was sie alle eint, ist ihr außerordentliches Engagement für Diversität und Chancengerechtigkeit. www.BeyondGenderAgenda.com/top50 ANZEIGE N ehmen, aber nicht geben – das ist offenbar die Strategie von ei- nem großen Teil der Nutzer der Corona-Warn-App. Jeder dritte Nutzer der App gibt zu, im Fall einer Infektion keine Meldung in der Anwendung vor- nehmen zu wollen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auf- trag des Digitalverbands Bitkom. VON THOMAS HEUZEROTH „Wir sehen hier das Ergebnis einer in allen Bereichen der Gesellschaft ver- breiteten Verängstigung rund um den Datenschutz“, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg. Wer die App zu seinem ei- genen Schutz nutze und die tödliche Gefahr des Coronavirus erkenne, seine Mitmenschen aus Angst um seine Daten aber dennoch vor einer akuten Anste- ckungsgefahr nicht warnen wolle, sei of- fenkundig zutiefst verunsichert. Fast 70 Prozent der Personen, die bei einem po- sitiven Testergebnis keine Meldung ma- chen wollen, geben die Sorge um den Datenschutz als ihr persönliches Argu- ment gegen das Teilen an. Vier von zehn dieser Personen wollen grundsätzlich keine Gesundheitsdaten kommunizie- ren. Dabei ist die Meldung über die App zentraler Bestandteil des Konzepts. Nur wenn Infizierte ihr positives Testergeb- nis in die App eingeben, können Perso- nen gewarnt werden, die mit ihnen en- geren Kontakt hatten. Diese gewarnten Personen sollen sich dann in der Folge selbst testen lassen und isolieren. Ent- fällt nun die Warnung, verliert die App ihre Wirkung. Trotz allem nimmt die Bereitschaft zur Nutzung der App wei- ter zu. Jeder dritte Befragte ab 16 Jahre hat der Studie zufolge die App auf sei- nem Smartphone installiert. Weitere 17 Prozent wollen dies in Zukunft machen. Zusammen wären das dann 33 Millionen Menschen in Deutschland, von denen sie entweder genutzt wird oder die ent- sprechende Pläne dazu haben. Zum Ver- gleich: Im vergangenen Juli umfasste diese Gruppe 28 Millionen Menschen. Obwohl jeder dritte Nutzer der App den wichtigsten Teil ihrer Funktion boykottiert, spricht Bitkom von einem „großartigen Erfolg“. Inzwischen haben mehr als 240.000 Personen ihre positi- ven Testergebnisse über die App einge- geben. Tatsächlich ist das aber nur ein kleiner Teil der 2,3 Millionen Deut- schen, die sich bisher nachweislich mit dem Coronavirus infiziert haben. Der Bitkom-Präsident fordert daher zu stär- kerer Nutzung der App auf: „In der Pan- demie sollten wir uns alle in der Pflicht fühlen, die Corona-Warn-App zu instal- lieren und aktiv einzusetzen.“ Jeder App-Nutzer verbessere so seinen Selbstschutz und könne zudem einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit seiner Mitmenschen leisten. Wer die Corona-Warn-App nutzt, macht dies der Umfrage zufolge häufig – fast 90 Prozent sogar mindestens einmal am Tag, mehr als jeder Fünfte sogar mehr- mals täglich. Bitkom fordert nun eine Änderung der Corona-Warn-App und plädiert da- für, Kontaktpersonen von Infizierten künftig automatisch zu warnen, wenn ein Nutzer der Warnung nicht wider- spricht. Denn derzeit gebe es keinerlei Anreiz, ein positives Testergebnis über die App zu teilen. „Durch eine automa- tische Warnmeldung mit Wider- spruchsmöglichkeit würden die Hürden für jeden Einzelnen gesenkt, und die Wirksamkeit der App würde weiter stei- gen“, sagte Bitkom-Präsident Berg. Mehr als jeder zweite Bundesbürger würde das automatische Teilen von Testergebnissen befürworten, heißt es in der Studie. 14 Prozent wollen eine solche automatische Warnung ohne je- de Widerspruchsmöglichkeit. Es gibt je- doch auch Nutzer der Corona-Warn- App, die davon wieder Abstand nehmen. So hätten sieben Prozent der Befragten die App von ihrem Smartphone wieder gelöscht. Jeder fünfte Befragte will die App nicht installieren, obwohl er ein ge- eignetes Smartphone dafür besitzt. Nutzer boykottieren Corona-Meldung Studie: Jeder Dritte will seine Infektion aus Angst nicht in die Warn-App eingeben © WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung

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  • * DIE WELT DONNERSTAG, 11. FEBRUAR 202112 WIRTSCHAFTD ie Geschichte, wie KirillDmitrijew auf den Impf-stoff Sputnik V gekom-men ist, hat fast etwasPoetisches an sich. Undist vermutlich aber doch prosaischer, alssie klingt. Seine Frau, Natalja Popowa,die russischen Medien zufolge schonlange mit Alexander Ginzburg bekanntwar, der als Chef des Gamaleja-For-schungsinstituts die Entwicklung desCovid-19-Impfstoffs leitete, soll diesenProzess mit besonderem Interesse per-sönlich verfolgt haben

    VON EDUARD STEINERAUS MOSKAU

    Am Ende war sie sogar eine der Ers-ten, die sich schon im vergangenen Jahrmit ihm habe impfen lassen. Und Popo-wa soll auch ihren Mann Dmitrijew da-von begeistert haben, als Chef des milli-ardenschweren Russischen Fonds fürDirektinvestitionen (RFPI) die wirt-schaftlichen Belange und die Vermark-tung des Impfstoffs zu übernehmen.Was genau im Hause Dmitrijew geredetwurde, ist im Detail nicht bekannt. Um-so bekannter ist dafür, und hier wird esprosaisch, dass Frau Popowa mit Kateri-na Tichonowa an der Moskauer Staats-universität studiert hat. Die einst inDresden geborene Tichonowa ist wohl-gemerkt nicht irgendwer. Hinter demunscheinbaren Namen verbirgt sich dieTochter von Kreml-Chef Wladimir Pu-tin. Inzwischen leitet Tichonowa mitPopowa als Stellvertreterin einen um-strittenen, 1,7 Milliarden Dollar schwe-ren universitären Innovationsfonds.Die Jungfamilien verbrachten auch di-verse Urlaube gemeinsam.

    Der 45-jährige Dmitrijew war jeden-falls ganz offensichtlich begeistert vomVakzin, für das seine Frau schwärmte.Am Ende gab er ihm höchstselbst dieBezeichnung Sputnik V, um so an denersten Satelliten zu erinnern, den dieSowjetunion im Jahr 1957 vor den USAgestartet hatte. Das Signal: Auch beimCorona-Impfstoff haben die Russen dieNase vorn. Heute, einige Monate später,weiß man, dass Dmitrijew und seinFonds RFPI tatsächlich auf das richtigePferd gesetzt haben, indem sie den Vek-torimpfstoff Sputnik V anderen russi-schen Covid-Vakzinen vorgezogen ha-ben. Inzwischen nämlich steht auch

    fest: Nachdem der Impfstoff im Westenanfänglich belächelt worden ist, wird ernun mit jedem Tag auch dort – undnicht mehr nur in Schwellenländern –salonfähiger.

    Die vor einer Woche in der Fachzeit-schrift „The Lancet“ publizierte vorläu-fige Analyse, der zufolge nach der zwei-ten Impfdosis eine Wirksamkeit von

    91,6 Prozent erreicht wird, brachte denWendepunkt. Schon zeigen sich Kanzle-rin Angela Merkel (CDU) und EU-Kom-missionspräsidentin Ursula von derLeyen offen für das Vakzin, sofern Russ-land die Daten dazu offenlege. Inzwi-schen wird über eine Produktion inDeutschland diskutiert. Und Öster-reichs Kanzler Sebastian Kurz brachte

    dieser Tage in einem Interview für dieWELT AM SONNTAG auch eine mögli-che Herstellung in Österreich ins Spiel.

    Dass Russland, das in anderen Berei-chen ständig mit dem Westen kollidiert,gerade in der Medizin ebendort einenraren Erfolg landen könnte, wird inRussland klar dem Finanzmanager Dmi-trijew zugeschrieben. Er war es, der dieVermarktung angefacht und Bedenkengegen das Vakzin ausgeräumt hat. Erwar es, der dem Kreml diesen Image-erfolg beschert hat. „Dmitrijew warauch vorher einflussreich“, sagt AlexejMakarkin, Vizechef des Moskauer Zen-trums für politische Technologien, imGespräch mit WELT: „Jetzt aber gilt erals Mr. Sputnik V.“ Natürlich habe ihmdabei geholfen, dass er einen direktenDraht zu Putin – oder, wie man in Russ-land sagt, „einen Zugang zu seinem Kör-per“ – habe, so Makarkin. „Aber ent-scheidend ist auch gewesen, dass Dmi-trijew gemeinsam mit dem Wissen-schaftler Ginzburg den im Land unübli-chen Mut gehabt hat, eine beschleu-nigte Impfstoffentwicklungzu wagen.“ Die traditio-nellen russischen undteilweise noch sowjet-geschulten Wissen-schaftler hätten ein

    so riskantes Unterfangen nicht gewagt.Wird Dmitrijew der breiteren Öffent-

    lichkeit erst jetzt durch Sputnik V be-kannt, so ist er es in Wirtschaftskreisenschon längst. Im Jahr 2010 wurde dergebürtige Ukrainer, der im Alter von 14Jahren zum Leben bei Freunden der Fa-milie nach Kalifornien geschickt wor-den war, vom World Economic Forumin die Liste der aussichtsreichen YoungGlobal Leader aufgenommen. In denVereinigten Staaten hatte er zuvor inStanford Wirtschaft studiert und inHarvard seinen MBA gemacht. Späterheuerte er bei Goldman Sachs als In-vestmentbanker an, arbeitete bei derUnternehmensberatung McKinsey, ehe

    er sich später in die Dienste des ukrai-nischen Top-Oligarchen Viktor Pint-schuk begab und dessen Offshore-Kon-struktionen auf Zypern verwaltete.

    Zurück in Russland, wurde Dmitri-jew im Jahr 2011 von Putin mit der Lei-tung des zehn Milliarden Dollar schwe-ren RFPI betraut, der aus dem staatli-chen Budget genährt wird und auslän-dische Co-Investoren in russische Pro-jekte locken soll. Schritt für Schritt ha-be er sich mit seinem Talent, Beziehun-gen aufzubauen und die Menschen fürsich zu gewinnen, durch die Schaltstel-len der russischen Macht gearbeitetund sich im Establishment einen Na-men gemacht, erzählt ein ehemaligerGeschäftspartner Dmitrijews im Ge-spräch mit WELT.

    Putins Personalpolitik besteht zu-nehmend darin, die Menschen aus derübernächsten Generation als Verant-wortungsträger aufzubauen. Das hängtauch damit zusammen, dass er in derihm nachfolgenden Generation nie-mand hochkommen ließ. Dmitrijew giltals einer der jungen Experten, die sichin den vergangenen Jahren an denSchaltstellen breitzumachen begannen.Sie kennen genau die Spielregeln undwissen, dass politische Ambitionen tabusind. Sie wissen aber auch, dass Profes-sionalität in ihrem Detailbereich obengeachtet wird und dass im Rahmen des-sen Entscheidungsfreudigkeit er-wünscht ist.

    Der 49-jährige Alexander Nowak,langjähriger Energieminister und heuteVizepremier mit Zuständigkeit für denRohstoffsektor, etwa gehört zu dieserKategorie und hat dies unter Beweis ge-stellt, indem er 2016 gemeinsam mitSaudi-Arabien das erweiterte Opec-Kar-tell Opec+ zur Regulierung des für Russ-land so entscheidenden Ölmarktesgründete. Dmitrijew beweist es, indemer mit dem Geld des Staatsfonds „mehroder weniger erfolgreich“ arbeitet, wieder Ökonom Igor Nikolajew, Direktordes Moskauer Instituts für strategischeAnalysen, erklärt. 90 Prozent der Di-rektinvestitionen in Russland kommenheute auf den RFPI und seine ausländi-schen Partner, die vor allem aus demNahen Osten und Asien stammen. Eu-ropa spielt dabei allerdings aufgrundder Zerwürfnisse nach der Krim-Anne-xion 2014 keine große Rolle. Die Gräbenwurden seither nicht nur nicht kleiner,sondern sogar größer.

    Dennoch sei Dmitrijew auch Rich-tung Westen für Russland wichtig, da er– abgesehen von seinem fließendenEnglisch – die westliche Mentalität ver-stehe, erklärt der erwähnte ehemaligeGeschäftspartner Dmitrijews. Politolo-ge Makarkin formuliert es so: „Dmitri-jew kann mit beiden Seiten und genießtzudem das Vertrauen Putins.“ Nicht zu-fällig war es Dmitrijew, der 2017 eineninoffiziellen Gesprächskanal zum enge-ren Kreis um US-Präsident DonaldTrump aufzubauen versuchte, zumalUS-Handelsminister Wilbur Ross in den1990er-Jahren als Geschäftsmann miteinem russischen Private-Equity-Fondszu tun hatte, in dessen ManagementDmitrijew gesessen hatte. Aus dem Ge-sprächskanal wurde aber nichts – er flogin den USA im Zuge der Ermittlungenwegen mutmaßlicher russischer Ein-flussnahme auf die US-Wahlen auf.

    Der Mann hinter dem IMPFSTOFFMit jedem Tag wird das russische Vakzin Sputnik V gefragter – auch im Westen. Das liegt vor allemam Engagement eines 45-jährigen Finanzmanagers mit guten Verbindungen zu Wladimir Putin

    Ein Container mit Sputnik-V-Impfstoff wird in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires abgeladen. Das Vakzin wird für Russland zum lukrativen Geschäft

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    Kirill Dmitrijew,Chef des Russi-schen Fonds für

    Direktinvestitionen

    Mit der Top-50-To-Watch-Liste zeichnet die Diversitätsinitiative BeyondGenderAgenda in 2021 erstmalig ihre Top 50 Diversity Drivers aus. 50 Persönlichkeiten, die das Potenzial haben, in die-sem Jahr die Themen Diversity, Equity & Inclusion in der deutschen Wirtschaft maßgeblich voran-zutreiben. Die Gründe für die Auswahl dieser Top 50 sind so vielfältig, wie die Menschen selbst, aber was sie alle eint, ist ihr außerordentliches Engagement für Diversität und Chancengerechtigkeit.

    www.BeyondGenderAgenda.com/top50

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    N ehmen, aber nicht geben – dasist offenbar die Strategie von ei-nem großen Teil der Nutzer derCorona-Warn-App. Jeder dritte Nutzerder App gibt zu, im Fall einer Infektionkeine Meldung in der Anwendung vor-nehmen zu wollen. Das ist das Ergebniseiner repräsentativen Umfrage im Auf-trag des Digitalverbands Bitkom.

    VON THOMAS HEUZEROTH

    „Wir sehen hier das Ergebnis einer inallen Bereichen der Gesellschaft ver-breiteten Verängstigung rund um denDatenschutz“, sagte Bitkom-PräsidentAchim Berg. Wer die App zu seinem ei-genen Schutz nutze und die tödlicheGefahr des Coronavirus erkenne, seineMitmenschen aus Angst um seine Datenaber dennoch vor einer akuten Anste-ckungsgefahr nicht warnen wolle, sei of-fenkundig zutiefst verunsichert. Fast 70Prozent der Personen, die bei einem po-sitiven Testergebnis keine Meldung ma-chen wollen, geben die Sorge um denDatenschutz als ihr persönliches Argu-ment gegen das Teilen an. Vier von zehndieser Personen wollen grundsätzlichkeine Gesundheitsdaten kommunizie-ren.

    Dabei ist die Meldung über die Appzentraler Bestandteil des Konzepts. Nurwenn Infizierte ihr positives Testergeb-

    nis in die App eingeben, können Perso-nen gewarnt werden, die mit ihnen en-geren Kontakt hatten. Diese gewarntenPersonen sollen sich dann in der Folgeselbst testen lassen und isolieren. Ent-fällt nun die Warnung, verliert die Appihre Wirkung. Trotz allem nimmt dieBereitschaft zur Nutzung der App wei-ter zu. Jeder dritte Befragte ab 16 Jahrehat der Studie zufolge die App auf sei-nem Smartphone installiert. Weitere 17Prozent wollen dies in Zukunft machen.Zusammen wären das dann 33 MillionenMenschen in Deutschland, von denensie entweder genutzt wird oder die ent-sprechende Pläne dazu haben. Zum Ver-gleich: Im vergangenen Juli umfasstediese Gruppe 28 Millionen Menschen.

    Obwohl jeder dritte Nutzer der Appden wichtigsten Teil ihrer Funktionboykottiert, spricht Bitkom von einem„großartigen Erfolg“. Inzwischen habenmehr als 240.000 Personen ihre positi-ven Testergebnisse über die App einge-geben. Tatsächlich ist das aber nur einkleiner Teil der 2,3 Millionen Deut-schen, die sich bisher nachweislich mitdem Coronavirus infiziert haben. DerBitkom-Präsident fordert daher zu stär-kerer Nutzung der App auf: „In der Pan-demie sollten wir uns alle in der Pflichtfühlen, die Corona-Warn-App zu instal-lieren und aktiv einzusetzen.“ JederApp-Nutzer verbessere so seinen

    Selbstschutz und könne zudem einenwichtigen Beitrag für die Gesundheitseiner Mitmenschen leisten. Wer dieCorona-Warn-App nutzt, macht diesder Umfrage zufolge häufig – fast 90Prozent sogar mindestens einmal amTag, mehr als jeder Fünfte sogar mehr-mals täglich.

    Bitkom fordert nun eine Änderungder Corona-Warn-App und plädiert da-für, Kontaktpersonen von Infiziertenkünftig automatisch zu warnen, wennein Nutzer der Warnung nicht wider-spricht. Denn derzeit gebe es keinerleiAnreiz, ein positives Testergebnis überdie App zu teilen. „Durch eine automa-tische Warnmeldung mit Wider-spruchsmöglichkeit würden die Hürdenfür jeden Einzelnen gesenkt, und dieWirksamkeit der App würde weiter stei-gen“, sagte Bitkom-Präsident Berg.

    Mehr als jeder zweite Bundesbürgerwürde das automatische Teilen vonTestergebnissen befürworten, heißt esin der Studie. 14 Prozent wollen einesolche automatische Warnung ohne je-de Widerspruchsmöglichkeit. Es gibt je-doch auch Nutzer der Corona-Warn-App, die davon wieder Abstand nehmen.So hätten sieben Prozent der Befragtendie App von ihrem Smartphone wiedergelöscht. Jeder fünfte Befragte will dieApp nicht installieren, obwohl er ein ge-eignetes Smartphone dafür besitzt.

    Nutzer boykottieren Corona-Meldung Studie: Jeder Dritte will seine Infektion aus Angst nicht in die Warn-App eingeben

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