Der mit dem Tee tanzt - teeweg.de · VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED EKKEHARD ROEPERT Igensdorf —...

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VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED EKKEHARD ROEPERT Igensdorf Den Baum vorm Haus hat Gerhardt Staufenbiel von einem Bonsai-Experten be- schneiden lassen. Seit Jahrzehn- ten beschäftigt sich der 76-Jähri- ge mit der japanischen Kultur, alles in seinem Umfeld ist davon durchdrungen. Schon in den 60er Jahren, lan- ge bevor der Zen-Buddhismus in Deutschland Mode wurde, fühlte sich Gerhardt Staufenbiel von diesem Thema fasziniert: „So etwas springt einen an, wo- her das kommt, ist schwer zu sa- gen. Ich denke aber, es hat mit meinem Großvater zu tun.“ Der sei als 14-jähriger Waise von sei- nem Onkel in die Welt hinausge- schickt worden. Die Weltoffen- heit des Großvaters, gepaart mit seiner Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, das habe ihn, den En- kel, geprägt. Geboren in einem Dorf in Thüringen, zog es Gerhardt Staufenbiel nach München: Er studierte Physik und Philoso- phie; arbeitete am Max-Planck- Institut und in der Bildungsar- beit an der Münchner Volks- hochschule. Staufenbiel erinnert sich an die zwei Ereignisse, die ihn für immer mit der Kultur Japans verbinden sollten. Als 25-Jähri- ger ließ ihn jemand auf der Sha- kuhachi spielen, jener aus Bam- bus gefertigten Zen-Flöte. Und 1972 sah Staufenbiel das Tee- haus, das die Japaner anlässlich der Olympischen Spiele der Stadt München geschenkt hat- ten. „Das war an einem Sonntag, und am Montag begann ich mei- nen Unterricht in der Tee-Zere- monie“. Später vertiefte er diese Kunst im „Westlichen Licht- Tempel“, dem letzten Tempel in Japan, wo die alte Tradition ge- lehrt wird. Eleganz, Schlichtheit, Effek- tivität: Das sind Prinzipien des Zen. Sie spiegeln sich auch in der Sprache von Gerhardt Staufen- biel: Statt lange die komplizierte Formen-Geschichte der Teeze- remonie zu erklären, sagt er: „Seit 40 Jahren mache ich Tee.“ Dann lädt er mit einer freundli- chen Geste in sein aus Tatami, Bambus und Holz gearbeitetes Teehaus. Vom Fluss mitziehen lassen Egal, ob beim Flötenspiel, beim Putzen, Kalligraphieren oder beim Zubereiten von Tee: Im- mer zielt die Zen-Kunst auf die Achtsamkeit im Augenblick. Wenn Staufenbiel mit der Kelle, den Tongefäßen und den Tü- chern hantiert, ist das wie ein Tanz. Die Hände scheinen ohne jede Anstrengung und zugleich dynamisch durch den Raum zu gleiten. „Die Teeschale nehme ich, ohne sie zu fassen“, erklärt der Tee-Lehrer dem erstaunten Gast. Im Daoismus, wo Zen sei- ne Wurzeln hat, werde das Wu wei genannt: „Ich höre auf zu tun. Die Bewegung und die At- mung werden ein Fluss – wie Wasser. Ich lasse mich in den Fluss fallen und er zieht mich weiter.“ Während Zen in Japan auf dem Rückzug ist, wurde es in Europa Mode. Wobei sich Ger- hardt Staufenbiel über einige Begleiterscheinungen dieser Mode nur wundern kann. Zen sei keine Mystik, wie oft be- hauptet werde: „Zen ist ganz praktisch, eine Verbundenheit mit den alltäglichen Dingen.“ Die irrige Vorstellung, Erleuch- tung sei ein Zustand, den man plötzlich erreichen und behalten könne, sei im Westen zum Ge- schäft geworden. „Dabei geht es nur um den Übungsweg und der endet nie“, sagt der Tee-Lehrer aus Oberrüsselbach. Die viel zitierte Buddha-Natur könne auch in unvollkommenen Handlungen erfahren werden. Als Beispiel erzählt Staufenbiel die Ge- schichte, als er seinem Meister eine Tee-Form vorführen woll- te. „Plötzlich fiel mir der Ablauf nicht mehr ein. Ich sagte dem Meister, dass ich alles vergessen hätte. Und er antwortete mir: Das ist gut, fang an.“ Sieht man von seinem Er- scheinungsbild und seinem Na- men ab, scheint Gerhardt Stau- fenbiel japanischer zu sein als die meisten Japaner. Er kocht Japa- nisch, baut Teehäuser in der ganzen Republik, meditiert (und übersetzt) japanische Tex- te, fertigt Keramiken, schreibt Bücher über Zen und lehrt einen Schülerkreis die Tee-Zeremonie und das Spiel auf der Shakuha- chi. Was ihm an dieser Tradition am meisten imponiere, das sei die Körperlichkeit. „Wir im Westen wissen alles und handeln auch, aber unser Körper ist nicht dabei.“ Auf dem Zen-Weg gehe es darum, „die Dinge durch den Körper im Rhythmus der At- mung in einen harmonischen Ablauf zu bringen“. Als der Tee-Lehrer seine Gäs- te zum Tor bringt, verweilt er mit den nackten Füßen im Schnee und blickt in die Land- schaft rund um Igensdorf. Dank einer Schülerin sei er auf diese wunderschöne Gegend auf- merksam geworden. Das Tal er- innere ihn an japanische Tusche- zeichnungen, sagt Staufenbiel. Während er schwärmt, jagt sein kleiner Hund durch den Zen-Garten. Natürlich hat das Hündchen einen japanischen Namen. Es heißt Kin, auf Deutsch: Gold. Gerhardt Staufenbiel bei der Zeremonie in seinem Teehaus Fotos: Barbara Herbst Seit 20 Jahren spielt Gerhardt Staufenbiel die Shakuhachi. Jeder Griff verlangt Achtsamkeit. Pulverisierte Teeblätter Gerhardt Staufenbiel Tee-Lehrer Die Teeschale nehme ich, ohne sie zu fassen. LEBENSKUNST Gerhardt Staufenbiel hat ein Stück Japan nach Igensdorf importiert: In Oberrüsselbach lebt und lehrt er den Teeweg und das Spiel auf der Shakuhachi. Der mit dem Tee tanzt

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VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED

EKKEHARD ROEPERT

Igensdorf — Den Baum vormHaus hat Gerhardt Staufenbielvon einem Bonsai-Experten be-schneiden lassen. Seit Jahrzehn-ten beschäftigt sich der 76-Jähri-ge mit der japanischen Kultur,alles in seinem Umfeld ist davondurchdrungen.

Schon in den 60er Jahren, lan-ge bevor der Zen-Buddhismusin Deutschland Mode wurde,fühlte sich Gerhardt Staufenbielvon diesem Thema fasziniert:„So etwas springt einen an, wo-her das kommt, ist schwer zu sa-gen. Ich denke aber, es hat mitmeinem Großvater zu tun.“ Dersei als 14-jähriger Waise von sei-nem Onkel in die Welt hinausge-schickt worden. Die Weltoffen-heit des Großvaters, gepaart mitseiner Fähigkeit, Geschichten zuerzählen, das habe ihn, den En-kel, geprägt.

Geboren in einem Dorf inThüringen, zog es GerhardtStaufenbiel nach München: Erstudierte Physik und Philoso-phie; arbeitete am Max-Planck-Institut und in der Bildungsar-beit an der Münchner Volks-hochschule.

Staufenbiel erinnert sich andie zwei Ereignisse, die ihn fürimmer mit der Kultur Japansverbinden sollten. Als 25-Jähri-ger ließ ihn jemand auf der Sha-kuhachi spielen, jener aus Bam-bus gefertigten Zen-Flöte. Und1972 sah Staufenbiel das Tee-haus, das die Japaner anlässlichder Olympischen Spiele derStadt München geschenkt hat-ten. „Das war an einem Sonntag,und am Montag begann ich mei-nen Unterricht in der Tee-Zere-

monie“. Später vertiefte er dieseKunst im „Westlichen Licht-Tempel“, dem letzten Tempel inJapan, wo die alte Tradition ge-lehrt wird.

Eleganz, Schlichtheit, Effek-tivität: Das sind Prinzipien desZen. Sie spiegeln sich auch in derSprache von Gerhardt Staufen-biel: Statt lange die komplizierteFormen-Geschichte der Teeze-remonie zu erklären, sagt er:„Seit 40 Jahren mache ich Tee.“Dann lädt er mit einer freundli-chen Geste in sein aus Tatami,Bambus und Holz gearbeitetesTeehaus.

Vom Fluss mitziehen lassen

Egal, ob beim Flötenspiel, beimPutzen, Kalligraphieren oderbeim Zubereiten von Tee: Im-mer zielt die Zen-Kunst auf dieAchtsamkeit im Augenblick.Wenn Staufenbiel mit der Kelle,den Tongefäßen und den Tü-chern hantiert, ist das wie einTanz. Die Hände scheinen ohnejede Anstrengung und zugleichdynamisch durch den Raum zugleiten. „Die Teeschale nehmeich, ohne sie zu fassen“, erklärtder Tee-Lehrer dem erstauntenGast. Im Daoismus, wo Zen sei-ne Wurzeln hat, werde das Wuwei genannt: „Ich höre auf zutun. Die Bewegung und die At-mung werden ein Fluss – wieWasser. Ich lasse mich in denFluss fallen und er zieht michweiter.“

Während Zen in Japan aufdem Rückzug ist, wurde es inEuropa Mode. Wobei sich Ger-hardt Staufenbiel über einigeBegleiterscheinungen dieserMode nur wundern kann. Zensei keine Mystik, wie oft be-hauptet werde: „Zen ist ganzpraktisch, eine Verbundenheitmit den alltäglichen Dingen.“Die irrige Vorstellung, Erleuch-tung sei ein Zustand, den manplötzlich erreichen und behaltenkönne, sei im Westen zum Ge-schäft geworden.

„Dabei geht es nur um denÜbungsweg – und der endetnie“, sagt der Tee-Lehrer ausOberrüsselbach. Die viel zitierteBuddha-Natur könne auch inunvollkommenen Handlungen

erfahren werden. Als Beispielerzählt Staufenbiel die Ge-schichte, als er seinem Meistereine Tee-Form vorführen woll-te. „Plötzlich fiel mir der Ablaufnicht mehr ein. Ich sagte demMeister, dass ich alles vergessenhätte. Und er antwortete mir:Das ist gut, fang an.“

Sieht man von seinem Er-scheinungsbild und seinem Na-men ab, scheint Gerhardt Stau-fenbiel japanischer zu sein als diemeisten Japaner. Er kocht Japa-nisch, baut Teehäuser in derganzen Republik, meditiert

(und übersetzt) japanische Tex-te, fertigt Keramiken, schreibtBücher über Zen und lehrt einenSchülerkreis die Tee-Zeremonieund das Spiel auf der Shakuha-chi.

Was ihm an dieser Traditionam meisten imponiere, das seidie Körperlichkeit. „Wir imWesten wissen alles und handelnauch, aber unser Körper ist nichtdabei.“ Auf dem Zen-Weg gehees darum, „die Dinge durch denKörper im Rhythmus der At-mung in einen harmonischenAblauf zu bringen“.

Als der Tee-Lehrer seine Gäs-te zum Tor bringt, verweilt ermit den nackten Füßen imSchnee und blickt in die Land-schaft rund um Igensdorf. Dankeiner Schülerin sei er auf diesewunderschöne Gegend auf-merksam geworden. Das Tal er-innere ihn an japanische Tusche-zeichnungen, sagt Staufenbiel.

Während er schwärmt, jagtsein kleiner Hund durch denZen-Garten. Natürlich hat dasHündchen einen japanischenNamen. Es heißt Kin, aufDeutsch: Gold.

Gerhardt Staufenbiel bei der Zeremonie in seinem Teehaus Fotos: Barbara Herbst

Seit 20 Jahren spielt Gerhardt Staufenbiel die Shakuhachi.

Jeder Griff verlangt Achtsamkeit.

Pulverisierte Teeblätter

Gerhardt StaufenbielTee-Lehrer

Die Teeschalenehme ich, ohne

sie zu fassen.

LEBENSKUNST Gerhardt Staufenbiel hat einStück Japan nach Igensdorf importiert: InOberrüsselbach lebt und lehrt er den Teeweg unddas Spiel auf der Shakuhachi.

Der mit demTee tanzt