Der Niedriglohnsektor in Österreich und europäische Entwicklungstendenzen Hedwig Lutz

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Der Niedriglohnsektor in Österreich und europäische Entwicklungstendenzen Hedwig Lutz Tagung „In der Mitte der Gesellschaft“ AK und ÖGB Salzburg 27.1.2010

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Der Niedriglohnsektor in Österreich und europäische Entwicklungstendenzen Hedwig Lutz Tagung „In der Mitte der Gesellschaft“ AK und ÖGB Salzburg 27.1.2010. Themenaufriss. Hintergrund Definition und Abgrenzung Empirische Befunde im internationalen Kontext - PowerPoint PPT Presentation

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Der Niedriglohnsektor in Österreich und europäische Entwicklungstendenzen

Hedwig Lutz

Tagung „In der Mitte der Gesellschaft“ AK und ÖGB Salzburg 27.1.2010

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Themenaufriss

1. Hintergrund

2. Definition und Abgrenzung

3. Empirische Befunde im internationalen Kontext

4. Zusammenfassende Skizzierung der Situation in Österreich

5. Schlussfolgerungen

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1/1 Hintergrund: 1950er bis 1970er Jahre

Beschäftigungsausweitung, geprägt vom Bild des Normarbeitsplatzes: auf Dauer angelegte Vollzeitbeschäftigung im industriellen oder gewerblichen Bereich von Männern, die mit ihrem Verdienst ihre Familien zu ernähren hatten.

Bei Arbeitskräfteknappheit – Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte (weniger von im Inland ansässigen Frauen)

Ölpreisschocks und Krise der verstaatlichten Industrie leiteten Ende dieser Ära ein

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1/2 Hintergrund: 1980er bis 1990er Jahre

Politik der Arbeitskräfteverknappung, dennoch Anstieg der Arbeitslosigkeit

Globalisierung der Wirtschaft führte zu verstärktem Wettbewerb, gleichzeitig Beschleunigung des technologischen Wandels und Bildungsexpansion

Produktivitätssteigerungen hatten dämpfenden Effekt auf Beschäftigung in Sachgütererzeugung

Hin zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft

Steigender Flexibilitätsbedarf der Unternehmen und steigende Flexibilitätsanforderungen an Arbeitskräfte

Raschere Veraltung von Know how, Entwertung von Erfahrungswissen

Steigende Erwerbsneigung von Frauen

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1/3 Hintergrund

Frauenerwerbstätigkeit als Zuverdienst – trotz zunehmender Destabilisierung von Partnerschaften und steigender Männerarbeitslosigkeit

Erosion des Normarbeitsverhältnisses: atypische Beschäftigungen, Arbeitslosigkeit

Fehlende Erwerbsarbeit speziell für gering Qualifizierte – geringe Verdienstchancen, niedrigere Erwerbsbeteiligung und hohes Arbeitslosigkeitsrisiko

Hohe Entgeltunterschiede zwischen den Wirtschaftsbereichen

Sozialsysteme auf diese Veränderungen nicht eingestellt (langfristiger Anstieg von Armut)

Gewerkschaft vertritt nur mehr einen Teil der Arbeitskräfte – Herausforderungen durch Atypisierung, Frauenbeschäftigung und Migration

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1/4 Hintergrund

Strategie Europas – auf hochproduktive gut entlohnte Arbeitsplätze zu setzen, wurde

von zunehmender Arbeitslosigkeit begleitet

OECD Jobs Study 1994 forderte eine Reform der Arbeitsmärkte und Beschäftigungssysteme, Beginn der Diskussion “making work pay”

Spätestens seit Beschluss der Lissabon Strategie auf EU-Ebene das Ziel, mehr Beschäftigung auch im niedrig entlohnten Bereich zu schaffen

In der europäischen Armutsdiskussion fand ab Mitte der 1990er Jahre der Begriff der “working poor” Eingang

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2. Definition und Abgrenzung – Niedriglohn und working poor

Niedriglohnbeschäftigung (low pay) keine allgemein anerkannte Definition,

verschiedene Operationalisierungen:• über bestimmtes Verteilungsmaß (1., 2 Dezil), als

Prozentsatz von Median oder arithm. Mittel, häufig als 60% oder 2/3 der (Stunden-)Verdienste einer Vollzeitarbeitskraft

Working poor bzw. In work poverty: Trotz Erwerbstätigkeit fällt eine Person unter

Armutsgefährdungsschwelle; Ursachen • geringe Entlohnung: individuelle Entlohnung unter

Armutsschwelle (Armut bei Leben allein) – Einkommen anderer Haushaltsmitglieder oder Transfers kompensieren dies nicht

• Haushaltskontext: für sich selbst ausreichendes Einkommen, fällt aber wegen Haushaltskontext unter Armutsgrenze

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3/1 Die ersten vergleichbaren empiri-schen Befunde: Mitte der

90er Jahre Niedriglohn – Mitte der 90er Jahre laut

ECHP EU 12 laut EU: 14,8% (nur Vollzeitbesch.) oder

15,8% (alle Besch.), EU 13: laut OECD (nur Vollzeitbesch.) 12,6%

Österreich laut EU: 12,5% (nur Vollzeitbesch.) oder 13,2% (alle Besch.), EU 13: laut OECD (nur Vollzeitbesch.) 13,5%

Niedriglohn und working poor 1995: EU 13 in % aller Unselbständig Beschäftigten:

Niedriglohnbeziehende 15%; working poor 8% Österreich in % aller Unselbständig Beschäftigten:

Niedriglohnbeziehende 16%; working poor 6% EU 13: working poor in % aller Niedriglohn 20%,

Niedriglohn in % aller working poor 37% Österreich : working poor in % aller Niedriglohn

16%, Niedriglohn in % aller working poor 40%

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3/2 Niedriglohnbeziehende im internationalen Vergleich 2006

Konzentration der SES auf Vollzeitbeschäftigte – Untergrenze, weil Stundenverdienste von Teilzeitkräften tendenziell noch niedriger

Niedriglohnsegment laut SES 2006 (2/3 des Medians) für Österreich:

Jahreseinkommen 20.564 € Betroffene Arbeitskräfte 219.400 (14,5% aller

Vollzeitbeschäftigten) Besonders stark betroffen gering Qualifizierte

(40%) – höher nur mehr in D, Slowakei, Lettland, Litauen, Rumänien und UK – mittleres Segment nur mehr rund 10% - damit liegt Ö im untersten1/3 der EU27

Österreich die höchsten geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Stundenverdiensten nach Estland und Tschechien

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3. Anteil der Niedriglohnbeziehenden an den Vollzeitbeschäftigten

Q: EUROSTAT, basierend auf Verdienststrukturerhebung 2006

Reihung nach Anteil der niedrigverdienenden Frauen

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3. Anteil der Niedriglohnbeziehenden an den Vollzeitbeschäftigten

Q: EUROSTAT, basierend auf Verdienststrukturerhebung 2006

Reihung nach Anteil der niedrigverdienenden Männer

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3 Beschäftigungsquoten der Frauen 2006

Q: EUROSTAT

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full time employment rate employment rate

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3 Ausdruck der allgemeinen Arbeitsmarktintegration oder

geschlechtsspezifischer Unterschiede?

Q: EUROSTAT

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FTE-Beschäftigung der Frauen in % der Männer Beschäftigungsquote der Frauen in % jener der Männer

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3/3 Funktion von Niedriglohnarbeitsplätzen

Negativ: Niedriglohnfallen / Armutsfallen / Prekarisierung, low-pay / no-pay Kreisläufe

Positiv: Rolle von Übergangsarbeitsmärkten (Einstieg ins Berufsleben, Ausstieg aus dem Berufsleben)

Bisherige emprische Befunde: Als Sprungbrett primär für junge Menschen

und für höher Qualifizierte, eher in durchschnittlich besser entlohnenden Branchen und Betrieben,

Verfestigung insbesondere bei Älteren, weniger Qualifizierten und Frauen, in Niedriglohnbranchen und Kleinbetrieben

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3 Niedriglohn und gleichzeitige Armutsgefährdung: in % der niedrigverdienenden

Arbeitskräfte 2006 nach OECD

Q: OECD

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4/1 Niedriglohnverdienst in Österreich

Österreich im internationalen Vergleich insgesamt im Durchschnitt, was Niedriglohnverdienst betrifft

... Ist aber Folge der relativ guten Verdienstchancen der Männer und der niedrigen Verdienste der Frauen (dementsprechend überdurchschnittlich hoher Niedriglohnanteil bei Frauen, unterdurchschnittlich bei Männern

Berufliche Segmentierung (horizontal und vertikal) Geringe Bewertung primär von Frauen erbrachter

Leistungen

Ausgleich durch Transfers und Einkommen anderer Haushaltsmitglieder -> deshalb unterdurchschnittliches Armutsrisiko von Erwerbstätigenhaushalten

Laut Lohmann 2008: Reduktion der Armutsquote durch öffentliche Transfers in Ö um 35%; liegt kaum über dem Durchschnitt der 20 betrachteten Länder (33%)

Haushaltsrolle bedeutsam: Verfestigung von traditionellen Haushalts-Rollenmodellen (Frauen als Zuverdienende)

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4/2 Working poor in Österreich 2007

Niedriglohnbezug laut ILO 2009: 12,7% aller unselbständig Beschäftigten (7,2% der Männer, 20,3% der Frauen) – im Vergleich dazu SES 2006 14,5% aller Vollzeit-USB (9,2% der Männer und 28,7% der Frauen)

Working poor: 6,0% aller Erwerbstätigen (6,3% der Männer, 5,6% der Frauen), das sind 220.000

Auch 175.000 ganzjährig Erwerbstätige armutsgefährdet (5% der Gruppe; wobei 1.156 Mio. Personen einen Bruttolohn unter der Armutsgefährdungsschwelle aufweisen)

Größtes Armutsrisiko: Nicht ganzjährig Erwerbstätige (11%), oder durchgängig Teilzeitbeschäftigte (8%);

Erhöhtes Risiko von Alleinerziehenden und Alleinverdienenden

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5. Schlussfolgerungen

Niedriglohnsgement ist wesentlicher Teil des Beschäftigungssystems

Ausweitung von weniger produktiven sowie geringer entlohnter Arbeitsplätzen und höhere verfügbare Einkommen von Niedriglohnbeziehenden -> durch geänderte Finanzierungsbasis der Sozialabgaben möglich

Verbesserung der finanziellen Absicherung bei Arbeitslosigkeit (längere Bezugsdauer)

Überprüfung der Implementierung der Mindestsicherung und entsprechende gesetzliche Adaptierungen

Mindestlohnpolitik als Ergänzung zur Mindestsicherung

Weiteres Augenmerk der Interessensvertretungen auf Einbeziehung neue / atypischer Gruppen in den KV

Maßnahmen zur Durchbrechung der beruflichen Segregation von Frauen, Arbeitsbewertungen