Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart...

44
www.publicus-boorberg.de Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012.8 ENERGIEGENOSSENSCHAFTEN – Gemeinsam stärker ENERGIEWENDE – Klimaschutz nicht vergessen MELDERECHT – „Shitstorm“ und Realität BAUGESETZBUCH – Novelle 2012

Transcript of Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart...

Page 1: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

www.publicus-boorberg.de

Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012.8

ENERGIEGENOSSENSCHAFTEN – Gemeinsam stärker

ENERGIEWENDE – Klimaschutz nicht vergessen

MELDERECHT – „Shitstorm“ und Realität

BAUGESETZBUCH – Novelle 2012

Page 2: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 2 PUBLICUS 2012.8 editorialINHALT

ENERGIEWENDE – GLOBAL UND LOKAL

Christine Kreitmeier

Redaktion PUBLICUS

Liebe Leserin, lieber Leser, der Begriff der „Energiewende“ ist momentan in aller Mun-de. Auch bei uns kommt dieses Thema nicht zu kurz – ist damit doch ein fundamentaler Umbau der Energieversor-gungssysteme verbunden, der die unterschiedlichsten Akteure betrifft.

Diese Ausgabe beleuchtet den Komplex aus unterschiedli-chen Perspektiven.Im Rahmen der öffentlichen Diskussion der Gefahren des Klimawandels ist ein Umsteuern in der Energiepolitik nötig. In diesem Zusammenhang befasst sich Professor Dr. Thors-ten Attendorn mit der Kollision zwischen dem Interesse an regenerativer Energieerzeugung und den „klassischen“ ökologischen Belangen des Gewässer-, Habitat- und Arten-schutzes und nimmt konkret die Abwägung zwischen Ökolo-gie und Klimaschutz in den Blickpunkt.

Die Energiewende wird wesentlich auf kommunaler oder regionaler Ebene vorangetrieben. Hier bieten sich gerade für Kommunen und kommunale Unternehmen Chancen sowohl als Erzeuger als auch als Netzbetreiber. Wie dies konkret aussehen kann, beschreiben Dr. Ines Zenke und Dr. Christi-an Dessau. Sie weisen bereits darauf hin, dass Energieerzeu-gung zusammen mit den Bürgern erfolgen muss.

Inwiefern der Einzelne einen Beitrag zur nationalen Ge-meinschaftsaufgabe leisten kann, zeigen Dr. Michael Lingen-berg und Katja Fleschütz. Allein in den letzten fünf Jahren wurden etwa 300 Genossenschaften im Bereich der Erneu-erbaren Energien gegründet. Lokale Energiewendeinitiati-ven gehören zu den wichtigsten Übersetzern der Konzepte der Energiewende. Oft kann die Kommune ein Projekt nicht allein finanzieren und Bürgerinnen und Bürger beteiligen

sich. Wie die Maxime von F.W. Raiffeisen „Was dem Einzel-nen nicht möglich ist, das vermögen viele“ gelebt werden kann, können Sie in diesem Beitrag erfahren.

Die Finanzsituation der Kommunen beschäftigt uns auch in anderem Zusammenhang: Was den Kommunen als Zins-optimierung verkauft wurde, entpuppte sich später als Glücksspiel, und nicht zuletzt mangels Transparenz als großer Schaden. Inzwischen ist eine Tendenz in der Recht-sprechung der Landgerichte erkennbar, die bei derartigen Swap-Geschäften eine Nichtigkeit annehmen. Mehr dazu in dem Beitrag von Dr. Jochen Weck und Georg Jäger.

Transparenz ist auch das Stichwort beim jüngst heiß diskutierten Bundesmeldegesetz. Dr. Eugen Ehmann stellt sich die Frage, ob dieser mediale „Shitstorm“ nicht an der Realität vorbeigeht und dabei ignoriert, dass das Einwohner-meldewesen Kernbestandteil einer modernen Verwaltung ist.

Um die Bewältigung einer regionalwirtschaftlichen Her-ausforderung andere Art geht es bei der Frage, wie Kommu-nen mit Konversionsflächen umgehen können und welche Fallstricke sich hier ergeben. Dr. Stefan Pützenbacher gibt Antworten.

Genießen Sie den Sommer mit weiteren spannenden Themen dieser PUBLICUS-Ausgabe. Das Redaktions-Team wünscht Ihnen eine interessante und anregende Lektüre.

Mit besten GrüßenChristine Kreitmeier

Page 3: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 3 PUBLICUS 2012.8 inhalt

EDITORIAL

Energiewende – global und lokal 2

NATUR / UMWELT / ENERGIE

Klimaschutz im Zeichen der Energiewende –Teil 1: Grundlagen und Wasserrecht 4Prof. Dr. Thorsten Attendorn, Dortmund

Energiewende: Dezentral! –Chance für kommunale Unternehmen 7Dr. Ines Zenke und Dr. Christian Dessau, Berlin

Gemeinsam stärker –Die eingetragene Genossenschaft im Bereich der Erneuerbaren Energien 10Dr. Michael Lingenberg und Katja Fleschütz, München

ABGABEN / FINANZEN / STEUERN

Kommunale Swap-Abschlüsse nichtig(?) –Anspruchsgrundlagen für geschädigte Kommunen: Ultra vires 12Dr. Jochen Weck und Georg Jäger, München

VERGABERECHT

Licht und Schatten –Die EU-Vorschläge zum Vergaberecht aus kommunaler Sicht – Teil II 15Beigeordneter Norbert Portz, Bonn

PERSONENORDNUNG / DATENSCHUTZ

Medialer „Shitstorm“ verhüllt Realität –Das Bundesmeldegesetz – ein großer Fortschritt für die Gesellschaft 18Dr. Eugen Ehmann, Ansbach

BAU / BODEN / PLANUNG

Novelle des Baugesetzbuchs 2012 –Überblick und Bewertung der wichtigsten geplanten Änderungen 22Dr. Franz Dirnberger, München

Konversion ehemaliger Militärflächen –Wie bleibt die Gemeinde Herrin des Verfahrens? 25Dr. Stefan Pützenbacher, Frankfurt am Main

BUND / LÄNDER / KOMMUNEN

Globales Denken lokal verankern –Aktuelle Studie zur Nachhaltigkeitssteuerung in den Kommunen 28Dr. Ferdinand Schuster und Stefanie Beck, Berlin

Gesetzgebungsspiegel 31

rechtsprechungsspiegel 32

Veranstaltungsspiegel 33

Zeitschriftenspiegel 36

literaturspiegel 39

Strategische Partner 40

impressum 41

INHALT

Page 4: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Praxisseminarwww.publicus-boorberg.de

PraxisseminarDonnerstag, 18. Oktober 2012

von 9 bis 16.30 Uhr

Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart

ProgrammVorträge und Diskussion

Rechtsgrundlagen der Pflicht zur ZusatzversorgungRalf-Dietrich Tiesler, Lars Kuchenbecker, Menold Bezler Rechtsanwälte

VersorgungseinrichtungenVertreter einer ZVK

Gestaltungsüberlegungen, rechtliche und wirtschaftliche RahmenbedingungenRalf-Dietrich Tiesler, Lars Kuchenbecker, Menold Bezler Rechtsanwälte, Vertreter einer ZVK

Angebote der privaten VersicherungswirtschaftFrank Buschmann, Geschäftsführer der Deutsche Vorsorge Pensionsmanagement GmbH

Vergabe von Leistungen der öffentlichen AltersversorgungDr. Beatrice Fabry, Menold Bezler Rechtsanwälte

Abschlussdiskussion und Get-together

Teilnahmebeitrag: € 90,–

Anmeldung unter: [email protected] bzw. www.publicus-boorberg.de/alias/veranstaltungen

PUBLICUS-Praxisseminar

In Zusammenarbeit mit Menold Bezler Rechtsanwälte

Altersversorgung in Unternehmen der öffentlichen Hand und kirchlichen Einrichtungen

– Grundlagen und aktuelle Entwicklungen in der Praxis –

Wohin entwickelt sich die Zusatzversorgung? Werden die Mitglieder der VBL und der Zusatzversorgungskassen mit stetig steigenden Umlagesätzen und Pfl ichten zur Zahlung von Sanierungsgeldern konfrontiert? Welche recht-lichen Möglichkeiten bestehen, innerhalb einer Zusatzversorgungseinrichtung vom umlagefi nanzierten System in einen kapitalgedeckten Abrechnungsver-band zu wechseln? Wie kann Flexibilität für Umstrukturierungen und Priva-tisierungen erlangt werden? Wie viel kostet ein Ausstieg und was sagt die Rechtsprechung zu den Gegenwertregelungen in den Satzungen der VBL und der Zusatzversorgungskassen? Welche Alternativen bietet die private Versicherungswirtschaft?

Die Entwicklung und Ausgestaltung der Zusatzversorgung hat für Unterneh-men der öffentlichen Hand und kirchliche Einrichtungen große wirtschaft-liche und strategische Bedeutung. Die Entscheidungsträger sind gefordert, Gestaltungsspielräume zu erkennen und zu nutzen.

Das PUBLICUS-Praxisseminar bieten als exklusive Veranstaltung den Entscheidungsträgern aus den Kommunen und kommunalen Unternehmen eine Plattform zum Austausch und zur Dis kussion. Hochkarätige Refe renten und führende Praktiker berichten über aktuelle Themen.

In Zusammenarbeit mit unserem strategischen

Partner

ANZEIGE

Page 5: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 4 NATUR / UMWELT / ENERGIE KlimaSchutZPUBLICUS 2012.8 INHALT

KLIMASCHUTZ IM ZEICHEN DER ENERGIEWENDETeil 1: Grundlagen und Wasserrecht

Regenerative Energieerzeugung und „klassische“ ökologische Belange lassen sich nicht so leicht unter einen Hut bringen.

Die stetig zunehmende Gefahr des Klimawandels und der beschlossene Atomausstieg machen nicht nur die absolute, sondern in drängendem Maße auch die zeitgerechte Steige-rung des Anteils erneuerbarer Energien an der Energieer-zeugung notwendig. Zur Umsetzung der Energiewende bedarf es faktisch u.a. der vermehrten und zeitgerechten Zulassung von Anlagen zur regenerativen Energieerzeu-gung.

Bei Zulassungsentscheidungen insb. für Windenergie- und Wasserkraftanlagen kollidieren die Interessen der regenera-tiven Energieerzeugung mit „klassischen“ ökologischen Belangen wie dem Gewässer-, Habitat- und Artenschutz. Wie haben die Zulassungsbehörden mit diesen Zielkonflikten umzugehen? Welches Gewicht haben die Klimaschutzbelan-ge in den anzustellenden Abwägungen?

Klimaschutz als unions- und verfassungsrechtlich hochrangiges umweltgutDie unions- und verfassungsrechtlichen Vorgaben verpflich-ten die Behörden zu Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Klima-schutz und zur Förderung erneuerbarer Energien: Art. 11 und 191 ff. AEUV sowie Art. 37 Grundrechtecharta zum Umweltschutz unter besonderer Betonung der Nachhaltig-keit. Art. 194 I c AEUV benennt ausdrücklich das Ziel der Förderung erneuerbarer Energien; Art. 191 I AEUV schreibt Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels vor. Hieran sind die mitgliedstaatlichen Behörden gerade bei der An-wendung der in Umsetzung des EU-Rechts erlassenen

Aus dem Kyoto-Protokoll, dem der Bund mit Vertragsge-setz vom 27.04.2002 zugestimmt hat, ist die Bundesrepublik Deutschland zum Klimaschutz verpflichtet. Das Ziel der Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien an der Strom-versorgung ist in § 1 EEG und § 1 Abs. 1 EnWG Gesetz geworden. Das EEG macht zwar die Einspeisevergütung von

nationalen Rechtsvorschriften (hier: WHG und BNatSchG) gebunden. Im nationalen Verfassungsrecht ist es Art. 20 a GG, der den Umweltstaat unter Betonung der Nachhaltigkeit u.a. auf den Klimaschutz verpflichtet und die Behörden unter die Verantwortung stellt, Aktivitäten zu entfalten, um das Staatsziel Umweltschutz zu verwirklichen.

Page 6: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 5 NATUR / UMWELT / ENERGIE KlimaSchutZPUBLICUS 2012.8 INHALT

schen Eigenschaften eines Gewässers erfolgt (Nr. 1) und weitere Voraussetzungen erfüllt sind: – Gründe von übergeordnetem öffentlichem Interesse (Nr. 2,

1. Alt.): Die Energieerzeugung an sich stellt einen Gemein-wohlbelang dar. Insbesondere weist die dem Klimaschutz dienende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien einen herausgehobenen Gemeinwohlbezug auf (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3+5, Satz 2 WHG). Diese herausgehobe-ne Stellung der regenerativen Energieerzeugung gilt nach der Energiewende in besonderem Maße. Jede einzelne Gewässerbenutzung/Gewässerausbaumaßnahme für ein Wasserkraftwerk trägt dazu bei, den möglichen Folgen des Klimawandels vorzubeugen. Welches konkrete Ge-wicht dieser Belang in der jeweiligen Abwägung gegen-über den jeweils betroffenen ökologischen Erhaltungszie-len hat, ist freilich im Einzelfall zu entscheiden.

– Alternativ: Nutzenabwägung (Nr. 2, 2. Alt.): Die Nutzenab-wägung belässt den Behörden nach Einschätzungen in der Literatur „kaum eingrenzbare Beurteilungsspielräume“. Es steht dabei fest, dass die Wasserkraftnutzung einen was-serrechtlich berücksichtigungspflichtigen Abwägungsbe-lang von Verfassungsrang darstellt; dessen Gewichtung und Abwägung mit der Wasserversorgung und den ökolo-gischen Erhaltungszielen muss stets im Einzelfall erfolgen.

– Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit (Nr. 3): Die Ziele, die mit der Veränderung des Gewässers erreicht werden sollen, dürfen nicht mit anderen geeigneten Maßnahmen erreicht werden können, die wesentlich geringere nachtei-lige Umweltauswirkungen haben, technisch durchführbar und nicht mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbun-den sind (Nr. 3). In die Alternativenprüfung für die Zulas-sung einer Wasserkraftanlage sind grds. nicht alternative Energieformen wie Windkraft- oder Biomasseanlagen in den Blick zu nehmen, sondern – gemäß dem Verfahrens-gegenstand und dem Anwendungsbereich des WHG – alternative Gewässerbenutzungen, die einen direkten Sachzusammenhang mit dem beantragten Vorhaben aufweisen. Dabei kommen nur solche Maßnahmen in Betracht, die deutliche umweltbezogene Vorteile aufwei-sen. Schließlich darf die Alternative für den Vorhabenträ-ger keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern.

– Minimierungsgebot (Nr. 4): Schließlich gilt ein Minimie-rungsgebot, d.h. Ausnahmen können nur dann akzeptiert

ches sowie ihr tatsächliches, seit der Energiewende ge-stiegenes Gewicht.

– Abwägungsdisproportionalität: Die Behörde stellt den Arten- oder Habitatschutz absolut voran oder gewichtet im Einzelfall die Wasserkraftnutzung gegenüber der Gewässerökologie nicht angemessen.

Berücksichtigung des Klimaschutzes im WasserrechtIm Rahmen des wasserrechtlichen Bewirtschaftungsermes-sens haben die Wasserbehörden gem. §§ 1, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 5 + Satz 2 WHG zu berücksichtigen, dass – die Gewässer auch zur Energieerzeugung zu nutzen sind, – sowohl die öffentliche Energieversorgung als auch gerade

die dem Klimaschutz dienende regenerative Energieerzeu-gung dem Wohl der Allgemeinheit dienen,

– die Zielvorgabe der Vorbeugung gegenüber den mögli-chen Folgen des Klimawandels nicht nur durch Gewässer-unterhaltungsmaßnahmen, sondern auch durch Entschei-dungen über Art und Maß der Gewässernutzung verfolgt werden muss und

– die Berücksichtigung der Erfordernisse des Klimaschutzes im Rahmen einer nachhaltigen Gewässerbewirtschaftung auch eine verstärkte Bereitstellung der Gewässer für die Wasserkraftnutzung erfordert.

Bei der Anwendung der §§ 27, 34 und 35 WHG (Einstufung von Gewässern; Zulassung von Wasserkraftanlagen) ist schon bei der Anwendung der grundsätzlich bindenden Bewirtschaftungsgrundsätze eine Abwägung zwischen Ökologie und Klimaschutz anzustellen; dabei ist das Verhält-nismäßigkeitsprinzip zu beachten. Hierbei sind neben dem ökologischen Schutzziel auch die privaten Interessen des Betreibers sowie – mit verfassungsrechtlichem Gewicht – auch die Belange des Klimaschutzes und der Förderung erneuerbarer Energien zu berücksichtigen. Die Vorgaben der Bewirtschaftungsgrundsätze (Bewirtschaftungsziele, Maßnahmenprogramm) weisen zudem tatbestandliche Beurteilungsspielräume im Hinblick auf die fachliche Beur-teilung auf; auch die gewässerabschnittsweise Betrachtung gewährt Spielräume.

ausnahmeregelung nach § 31 abs. 2 WhG

§ 31 Abs. 2 WHG lässt Ausnahmen von den Bewirtschaf-tungszielen zu, sofern eine neue Veränderung der physi-

der Erreichung von Umweltstandards abhängig (§§ 23 Abs. 4; 31 Abs. 5 EEG), regelt allerdings nicht die Zielkonflikte, die bei der Anwendung des materiellen Umweltrechts ent-stehen.

Diese unterliegen vielmehr den Regelungen des WHG bzw. des BNatSchG. Beide Gesetze enthalten aktuell sowohl im programmatischen als auch im normativen Teil etliche Vorschriften, die den Klimaschutz ausdrücklich zu einem (auch wasser- und naturschutzrechtlich) berücksichtigungs-pflichtigen Belang erheben und die Förderung der regenera-tiven Energieerzeugung bezwecken (s. nur §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2, 28 Nr. 1 lit. d) WHG; 1 Abs. 3 Nr. 4; 2 Abs. 1 Nr. 2 LG NRW).

Behördliche BerücksichtigungspflichtGenerell ist eine Berücksichtigung der Erfordernisse der Energiewende erforderlich, wenn Rechtsnormen auf Tatbe-standsseite unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten und/oder Ermessensspielräume bestehen, die nach der Gesetzessyste-matik diese Belange einschließen. Dies gilt namentlich für die zahlreichen Gemeinwohlklauseln, die die Exekutive nachdrücklich auf das Wohl der Allgemeinheit, das öffentli-chen Interesse etc. verpflichten. Sofern eine Berücksichti-gung von Belangen nach dem Normprogramm möglich ist, ist sie auch notwendig, um keine Ermessens-/Abwägungs- oder Beurteilungsfehler zu produzieren.

Nach der Abwägungsfehlerlehre des BVerwG kommen im Umgang mit den Belangen des Klimaschutzes verschiedene Abwägungsfehler in Betracht, z.B.: – Abwägungsausfall: Die Behörde fühlt sich wasserrechtlich

gebunden. – Abwägungsdefizit: Die Behörde meint, im Rahmen einer

naturschutzrechtlichen Entscheidung spiele der Klima-schutz keine Rolle.

– Abwägungsfehleinschätzung: Die Behörde berücksichtigt zwar die Interessen an einer regenerativen Energieerzeu-gung, verkennt aber ihr unions- und verfassungsrechtli-

Ì Welches Gewicht haben die Klimaschutzbelange

in den anzustellenden Abwägungen?

Page 7: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

ANZEIGE

WWW.BOORBERG.DE

RICHARD BOORBERG VERLAG FAX 07 11 / 73 85-100 · 089 / 43 61 564 TEL 07 11 / 73 85-343 · 089 / 43 60 00-20 [email protected]

Leitfaden Windenergie Planung, Finanzierung und Realisierung von Onshore-Windkraftanlagen

hrsg. von Dr. Marius Boewe, Rechtsanwalt, und Matthias J. Meckert, Rechtsanwalt

2012, ca. 256 Seiten, ca. € 28,–

ISBN 978-3-415-04863-8

Der Leitfaden gibt Kommunen und Investoren einen umfassenden Einblick in die komplexen Zusammen-hänge der Planung, Finanzierung und Realisierung von Windenergieanlagen.

Zu den Themen des Buches gehören: �� die Gestaltung des Projektablaufs aus juristischer und wirtschaftlicher Sicht

�� mögliche Beteiligungsformen – von der kommunalen Zweckgesellschaft über Joint Ventures bis hin zu Bürgerbeteiligungsmodellen

�� vergaberechtliche Besonderheiten bei der Auftrags-vergabe

�� die Ausgestaltung von Pachtverträgen

Checklisten, Muster und zahlreiche Abbildungen verdeutlichen den praxisnahen und detaillierten Über-blick zum Thema Windenergieanlagen.

Die Autoren sind ausgewiesene Experten und verfügen über langjährige einschlägige berufliche Erfahrungen.

SZ0712

JETZT VORMERKEN!

Weitere Informationen und Vorbestellung unter

www.boorberg.de/alias/662243

Seite 6 NATUR / UMWELT / ENERGIE KlimaSchutZPUBLICUS 2012.8 INHALT

werden, wenn alle praktisch geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die nachteiligen Auswirkungen auf den Gewässerzustand zu verringern (Nr. 4). Dies erfordert eine Beurteilung der Umstände des Einzelfalls.

Im Ergebnis kommt die Ausnahme von den Bewirtschaf-tungszielen für die Zulassung von Wasserkraftanlagen grundsätzlich in Betracht, bedarf jedoch der genauen Beur-teilung des Einzelfalls.

hinweis der redaktion: Der Beitrag wird in der nächsten Ausgabe PUBLICUS 2012.9 fortgesetzt und abgeschlossen mit Teil 2: Naturschutzrecht.

Prof. Dr. Thorsten Attendorn, FHÖV NRW, Dortmund

[email protected]

Page 8: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 7 NATUR / UMWELT / ENERGIE enerGieWende in KommunenPUBLICUS 2012.8 INHALT

ENERGIEWENDE: DEZENTRAL!Chance für kommunale Unternehmen

Keine Energiewende ohne Kommunen; sie sind die zentralen Akteure der neuen Energieversorgungsstruktur.

Ein Jahr nach ihrer Verabschiedung durch den Deutschen Bundestag ist die Energiewende in aller Munde. Und sie wird es wohl noch eine Weile bleiben. Denn ihre Realisie-rung setzt das für deutsche Verhältnisse größte Modernisie-rungs- und Infrastrukturpaket der nächsten Jahrzehnte voraus. Kommunale Unternehmen wie Stadtwerke sind gleichermaßen betroffen wie gefragt.

Kommunale unternehmen als erzeugerDie Energiewende ist zunächst einmal eine Stromerzeu-gungswende. Die Erzeugungslandschaft soll nicht mehr durch zentrale Großkraftwerke, sondern durch dezentrale und regenerative Modelle geprägt werden. Dies passt zum Geschäftsmodell der kommunalen Unternehmen wie Stadt-werke, die per definitionem dezentral agieren.

Ein Baustein sind die sogenannten Kraft-Wärme-Kopplungs-anlagen (KWK), die in hocheffizienter Weise Strom- mit Wär-meerzeugung verbinden. Anreize für die KWK setzt die KWK-Gesetzesnovelle, die voraussichtlich im August 2012 in Kraft treten wird. Sie bringt Verbesserungen in drei Bereichen: – Die KWK-Zuschläge werden z. B. für alle Leistungsklassen

erhöht und das Zulassungsverfahren für kleinere KWK-An-

lagen erleichtert. Zudem wurden u. a. die Förderbedin-gungen auch für nachgerüstete und modernisierte Anla-gen verbessert.

– Neben der Anlagenförderung sieht das Gesetz dann auch eine stärkere Förderung von Wärme- und Kältenetzen vor. Die teils fehlende Infrastruktur behinderte die bessere

Nutzung von Fernwärme als effiziente Heizungsalternati-ve. Erstmals wurde eine Förderung für den Umbau beste-hender Wärmenetze von Heizdampf auf Heizwasser vorge-sehen.

– Ebenfalls gefördert wird der Neu- und Ausbau von Wärme- und Kältespeichern. Voraussetzung dieser Förderung ist

Ì Für den Umbau der deutschen Energieversorgung

wird man viel Geld in die Hand nehmen müssen.

Page 9: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 8 NATUR / UMWELT / ENERGIE enerGieWende in KommunenPUBLICUS 2012.8 INHALT

regelnde Strukturen (Zellen) bilden. Innerhalb dieser Zellen sollen Verbrauch und Erzeugung automatisiert durch vor-handene Regelkreise gesteuert werden, die jedoch weiterhin über eine zentrale Netzführungsinstanz verbunden sind. Die einzelnen Zellen sollen sich dabei im Wesentlichen autark verhalten, so dass möglichst wenig Energie physisch zwi-schen den Zellen ausgetauscht werden muss. Erste Ver-suchsprojekte (z. B. in Mannheim) wurden bereits erfolg-reich gestartet.

Schließlich wird auch der Einsatz von intelligenten Strom-zählern (Smart Meter) stärker forciert. Diese können als Schnittstelle zwischen Verbrauchern und Netz zwar den intelligenten Netzausbau nicht ersetzen, sollen aber die Aufgabe übernehmen, über sichere Kommunikation attrakti-ve Tarife im Wettbewerb, Energieeinsparungen und Ver-brauchstransparenz zu ermöglichen, Kleinerzeugungsanla-gen in ein Energiemonitoring zu integrieren und bei Bedarf Netzbetreiber mit wichtigen Netzzustandsdaten zu versor-gen. Im Laufe des Jahres 2012 will das BMWi, um den Ein-satz von Smart Metern zu ermöglichen, gesetzliche Rahmen-bedingungen festlegen und hat Anpassungen der Messzugangsverordnung angekündigt, wobei wie so oft im Leben besonderes Augenmaß erforderlich wird, um auch wirklich zu erreichen, was dem Markt guttut.

neue aufgaben im rahmen der energieeffizienz Nicht zuletzt schafft auch die neue EU-Energieeffizienzricht-linie, auf die sich nach langen und schwierigen Verhandlun-gen das Europäische Parlament, die dänische Ratspräsident-schaft und die Europäische Kommission am 14.06.2012 einigen konnten, neue Aufgaben für kommunale Unterneh-men. Sie sind dann nämlich als Spezialist für Energieeffizi-enz gefordert. Die Einigung sieht im Kern eine nicht verbind-liche Steigerung der Energieeffizienz um 20% bis 2020 vor. Anders als erwartet ist eine Renovierungspflicht für öffentli-che kommunale Gebäude aber nicht mehr vorgesehen. Dennoch erfordert die Energieeffizienzrichtlinie Tätigwer-den auf dezentraler Ebene. Denn die Richtlinie sieht die Verpflichtung von Energieunternehmen (vor allem Energie-vertrieben und/oder -netzen) vor, mittels Energieeffizienz-maßnahmen Energieeinsparungen bei ihren Endkunden in Höhe von 1,5% p.a. ihres Energieabsatzvolumens durchzu-setzen. Wie dies in der Praxis erreicht werden soll, bleibt

Projekte aufmerksamer Umsetzung bedürfen, ist eine Selbstverständlichkeit.

Kommunale unternehmen als netzbetreiberAber auch auf der Netzebene wird sich in Zukunft einiges tun. Wenngleich konkrete gesetzgeberische Maßnahmen hier noch rar sind, so ist jetzt schon klar, dass sich die Rolle der kommunalen Unternehmen als Verteilnetzbetreiber in Zukunft ändern wird. Aktuell werden immer stärker Lö-sungsansätze für das Gelingen der Energiewende „von unten“ diskutiert.

Zunächst geht es um Fragen rund um Netzausbau und vor allem Netzertüchtigung. Gerade auf Verteilnetzebene müs-sen Netze „intelligent“ gemacht werden, um den künftigen Herausforderungen gerecht zu werden. In diesem Zusam-menhang muss ganz besonders die Frage der (Re-)Finanzie-rung der im Rahmen der Netzertüchtigung zu tätigenden Investitionen geklärt werden. Vor allem der in der Anreizre-gulierungsverordnung (ARegV) angelegte Zeitverzug bei der Anerkennung von Investitionen sorgt für Diskussionsstoff, ist doch die Verordnung nur auf eingeschwungene Systeme zugeschnitten. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat durch eine Änderung des § 23 ARegV das Problem auf der Übertragungsnetzebene beseitigt, für die Verteilnetz-ebene sind die Möglichkeiten eingeschränkter. Das Ministe-rium will nun den Um- und Ausbaubedarf bis Mitte 2013 in einer Studie untersuchen lassen, um den voraussichtlichen Investitionsbedarf bestimmen zu können. Die nächste Ände-rung der ARegV ist zu erwarten.

Da Wind- und Sonnenenergie nicht steuerbar sind, zu-gleich aber immer mehr Bedeutung erlangen, wird die Steuerung des Verbrauchs – auch für Verteilnetzbetreiber – immer wichtiger. Die bereits in § 14a EnWG vorgesehene Möglichkeit der Steuerung unterbrechbarer Verbrauchsein-richtungen auf der Niederspannungsebene soll weiter kon-kretisiert werden, um Rahmenbedingungen für ein intelli-gentes Lastmanagement zu schaffen. Parallel wird in Fachkreisen nach Lösungen gesucht, wie bereits bestehende flexible Lastpotenziale z. B. von Kühlhäusern in Zukunft besser genutzt werden können.

Ein verbindender Lösungsansatz im Rahmen von dezent-ralen Lösungen ist das sogenannte „zelluläre Netz“. Die Idee dahinter: Im Rahmen des Netzbetriebs sollen sich selbst

aber u. a., dass der Speicher die KWK-Anlage in die Lage versetzen muss, mit der durch die Speicherung von Wärme bzw. Kälte möglichen Entkopplung von Strom und Wär-meerzeugung flexibel gefahren zu werden. Damit unter-stützen die (relativ billigen) Wärmespeicher die Integration der volatilen regenerativen Energie wie Wind und Sonne.

Auf dem Gebiet der regenerativen Energien selbst ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) novelliert worden. Die in der Presse breit dokumentierte Diskussion um das EEG endete (vorerst) damit, dass rückwirkend ab dem 01.04.2012 die Förderung für Solaranlagen (Photovoltaik – PV) je nach Anlagengröße zwischen 20 und 30% redu-ziert wird. Zudem soll ab einer installierten Gesamtleistung von 52 GW (ungefähr das Doppelte von heute) die Förde-rung für Solarstrom vollständig eingestellt werden. Diese – u. a. zum Zwecke der Netzentlastung – eingeführte Höchstgrenze könnte in den kommenden Jahren jedoch genau den gegenteiligen Effekt bewirken: Um noch in den Genuss der Förderung zu kommen, dürften viele PV-Anla-genbetreiber den Ausbau recht kurzfristig vornehmen, was zunächst zu einer enormen Zusatzbelastung der Stromnet-ze führen kann.

Für den Umbau der deutschen Energieversorgung wird man viel Geld in die Hand nehmen müssen. Kommunale Unternehmen denken in letzter Zeit zu Recht immer häufi-ger über alternative Finanzierungsmethoden wie z. B. die Finanzierung durch Bürgerbeteiligung nach. Dies bringt den Gedanken der Energiewende auf den Punkt: Lokale Energieerzeugung – gemeinsam mit den Bürgern vor Ort. Erste Projekte zeigen, dass viele Bürger das Engagement in der Heimat freut. „Meine“ Anlage und nicht „irgendein Wohnanteil“, das ist oft zu hörende Aussage. Dass diese

Ì Die Energiewende verändert die

Energie landschaft. Für die Energieunternehmen

bedeutet dies erhöhte Anstrengungen

und viel Flexibilität.

Page 10: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

ANZEIGE

Besser Beraten Handeln

Becker Büttner Held berät nach eigenem Selbstverständnis interdis-ziplinär. Selten ist ein Problem nur auf eine rechtliche Fragestellung zurückzuführen. Das Markenzeichen von BBH ist deshalb das Suchen und Finden von Lösungen, die den Anforderungen des Rechts, der Wirtschaft und der Technik gleichzeitig genügen. Dazu kommt eine umfassende Kenntnis der Branche, der beteiligten Interessen und der politischen Entwicklung – begründet in der zwanzigjährigen Verwur-zelung in der Energie- und Kommunalwirtschaft. Nur dies zusammen ermöglicht die herausragende Qualität der Tätigkeit von BBH, von der ihre Mandanten profitieren. Beratungsschwerpunkte liegen u.a. im Be-reich der Rekommunalisierung, Regulierung des Energiemarktes, Un-ternehmensgründung sowie des Wettbewerbs- und Kartellrechts. Kom-munalwirtschaftliche Beratung der gesamten Versorgungswirtschaft und Unternehmen des Health-Care-Bereiches stehen zudem im Fokus. Das Medien- und Urheberrecht bildet einen weiteren Schwerpunkt.

Den Kern der Mandantschaft bilden zahlreiche Energie- und Versor-gungsunternehmen, vor allem Stadtwerke, Verkehrsbetriebe, Kom-munen, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen der Privatwirtschaft. Diese berät BBH sowohl in allen Rechts- und Steuer-fragen als auch betriebswirtschaftlich und strategisch bei ihrem wirtschaftlichen Engagement. Gerne stehen wir auch Ihnen mit Rat und Tat erfolgreich zur Seite.

Rechtsgebiete

• Energierecht

• Infrastrukturrecht

• Rekommunalisierung

• Kommunalberatung

• Unternehmensgründung/ Umstrukturierung

• Urheberrecht/ GewerblicherRechtsschutz

• Compliance

• InternationaleRechts- undSteuerberatung

• Steuerberatung

• Wirtschaftsprüfung

• ÖffentlicheAuftragsvergabe

• Wettbewerbs-und Kartellrecht

• Wasser-/Abwasserrecht

• HealthCare

• Zivil-undArbeitsrecht

BBH Berlin Magazinstraße 15-1610179 Berlin

BBH Brüssel Avenue Marnix 281000 Brüssel

BBH Köln KAP am Südkai/Agrippinawerft 3050678 Köln

BBH München Pfeuferstraße 7 81373 München

BBH Stuttgart Industriestraße 3 70565 Stuttgart

www.bbh-online.de

www.DerEnergieblog.de

inVra treuhand agWirtschaftsprüfungsgesellschaft

Becker Büttner Held ist einer der führenden deutschen Berater für die Ener-gie- und Kommunalwirtschaft. Bei der Sozietät und der BBH Consulting AG arbeiten über 200 Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater sowie Ingenieure und andere Experten an den Standorten Berlin, Brüssel, Köln, München und Stuttgart. Insgesamt sind über 400 Mitarbeiter im Interesse der Mandanten im Einsatz.

www.invra.de

Seite 9 NATUR / UMWELT / ENERGIE enerGieWende in KommunenPUBLICUS 2012.8 INHALT

noch unklar, denn genauere Vorgaben sind den Mitgliedstaa-ten überlassen.

FazitDie Energiewende verändert die Energiewirtschaft. Der Gesetzgeber hat bereits grundsätzliche Schritte eingeleitet. Weitere werden (und müssen) folgen. Für die Energieunter-nehmen bedeutet dies erhöhte Anstrengungen und viel Flexibilität. Aus der Entscheidung für die Dezentralität ergeben sich aber auch viele Chancen – gerade für kommu-nale Unternehmen.

Dr. Christian Dessau, Rechtsanwalt Becker Büttner Held, Berlin

[email protected] www.bbh-online.de

Dr. Ines Zenke, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Partner Becker Büttner Held, Berlin

[email protected] www.bbh-online.de

Page 11: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 10 NATUR / UMWELT / ENERGIE GenoSSenSchaFtenPUBLICUS 2012.8 INHALT

GEMEINSAM STÄRKERDie eingetragene Genossenschaft im Bereich der Erneuerbaren Energien

„Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.“ (F.W. Raiffeisen)

Bedeutung im Bereich der erneuerbaren energienIn Zeiten, in denen Shareholder-Value-Systeme in Verruf geraten, gewinnen Genossenschaften mit ihren flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten für gemeinschaftliches Engage-ment zur Erreichung gemeinsamer Ziele zunehmend an Attraktivität.

Seit der Novellierung des Genossenschaftsgesetzes 2006 ist die eingetragene Genossenschaft als so unbürokratische wie flexible Rechtsform, die Gesellschaft, um kommunale Dienstleistungen und Infrastruktur durch ein breites Bünd-nis von Bürgern, örtlicher Wirtschaft und Kommune interes-sengerecht zu gestalten. Genossenschaften kombinieren die Vorteile des öffentlichen und privaten Sektors und erfreuen sich speziell für Projekte im Bereich der Erneuerbaren Energien großer Beliebtheit. Allein in den letzten 5 Jahren wurden – mit steigender Tendenz – etwa 300 Genossen-schaften in diesem Bereich gegründet.

Die Genossenschaft ist eine Gesellschaft ohne geschlosse-ne Mitgliederzahl mit dem Zweck, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs zu fördern. Das ursprüngliche Ziel der Genossenschaft ist also die Selbsthilfe der Mitglieder durch gegenseitige Förderung. Entsprechend diesem Grundgedanken finden sich in der Genossenschaft Menschen zusammen, um in ihrer Region für ihre Region Projekte zu realisieren. Die Gestaltungsmög-lichkeiten des Genossenschaftsgesetzes erlauben dabei einen individuellen Zuschnitt der Satzung auf die jeweiligen Erfordernisse der Genossenschaft und der Interessen ihrer

aus eigener Kraft tätig zu werden. Dann nehmen immer öfter die Bürger die Sache selbst in die Hand Die Genossenschaft ist demokratisch strukturiert, das heißt, alle Mitglieder haben unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung nur eine Stimme und damit das gleiche Mitspracherecht. Sie kann somit auch nicht von einem externen Investor aufgekauft

Mitglieder. So wird gerade im kommunalen Bereich die Leistungsfähigkeit eines privaten Unternehmens mit der Verantwortung für die Gewährleistung öffentlicher Aufgaben verbunden. Oft kann die Gemeinde allein den für ein Projekt erforderlichen Betrag nicht finanzieren und auch regionale Stadtwerke und Energieversorger sind oft nicht in der Lage,

Page 12: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 11 NATUR / UMWELT / ENERGIE GenoSSenSchaFtenPUBLICUS 2012.8 INHALT

gebieten - können entsprechende Anreize geschaffen wer-den. So profitieren alle Einwohner von den zusätzlichen Steuereinnahmen, den Aufträgen für Planung und Hand-werk, den nachfolgenden Investitionen und nicht zuletzt dem Klimaschutz. Auch die Gründung flankierender Förder-vereine hat sich bewährt.

haftungFür Verbindlichkeiten haftet grundsätzlich nur das Vermö-gen der Genossenschaft. Jedoch besteht eine Nachschuss-pflicht für den Insolvenzfall, wenn Gläubiger aus dem vor-handenen Vermögen der Genossenschaft nicht befriedigt werden können. Die Satzung kann jedoch die Nachschuss-pflicht ausschließen oder zumindest beschränken.

Besteuerung Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sind unbe-schränkt körperschaftssteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG) und unterliegen in vollem Umfang der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Von der Steuer befreit sind jeweils nur Sonderformen wie Vermietungsgenossenschaften (§ 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG, § 3 Nr. 15 GewStG) sowie land- und forstwirtschaftliche Nutzungs- und Verwertungsgenossen-schaften (§ 5 Abs. 1 Nr. 14 KStG; § 3 Nr. 8 GewStG).

Da Genossenschaften meist den Unternehmerbegriff erfüllen, sind sie umsatzsteuerpflichtig. Es kommen die Regelungen des UStG zur Anwendung; besondere Vorschrif-ten für Genossenschaften enthält das UStG nicht.

aber nicht aus einem „Topf“ finanziert. Gerade die Kombina-tion mit Genussscheinen hat sich bewährt, z.B. indem aus der Gemeinderücklage Genussscheine von der Genossen-schaft gekauft werden, die zu verzinsen und spätestens nach 20 Jahren zurückzuzahlen sind. Durch die extrem sichere Rechtsform der Genossenschaft sind diese auch als äußerst kreditwürdig angesehen.

Jede Genossenschaft muss sich einem Prüfungsverband anschließen, dem die turnusmäßige Pflichtprüfung des Jahresabschlusses und der Vorstandstätigkeit obliegt. Über-dies hat der Prüfungsverband im Rahmen einer Gründungs-prüfung zu untersuchen, ob nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere der Vermö-genslage der Genossenschaft, eine Gefährdung der Belange der Mitglieder oder der Gläubiger der Genossenschaft zu besorgen ist.

Struktur einer GenossenschaftIn der Regel hat die Genossenschaft drei Organe: General-versammlung, Aufsichtsrat und Vorstand. Alle Organe sind mit eigenen Mitgliedern zu besetzen (Prinzip der Selbstor-ganschaft).

In der Generalversammlung üben die Mitglieder ihre Rechte in den Angelegenheiten der Genossenschaft aus.

Der Aufsichtsrat wird von der Generalversammlung ge-wählt und besteht aus mindestens drei Mitgliedern. Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats besteht in der Überwa-chung des Vorstands. Bei Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern kann durch Satzung auf einen Aufsichts-rat verzichtet werden.

Der grundsätzlich von der Generalversammlung zu wäh-lende Vorstand führt die Geschäfte der Genossenschaft und vertritt sie nach außen. Der Vorstand besteht aus mindes-tens zwei Mitgliedern. Bei Genossenschaften bis zu 20 Mitgliedern genügt jedoch ein Vorstandsmitglied.

Kommunen können auch ohne eigenes Engagement als Genosse wertvolle Beiträge für den Erfolg einer Energiege-nossenschaft liefern, indem sie als oder zusammen mit Experten die notwendige Vorarbeit leisten und durch Veran-staltungen informieren und insbesondere infrastrukturelle Unterstützung bieten oder operativ Projekte anschieben, etwa durch Bereitstellung geeigneter großer Dachflächen etwa auf Schulen, Schwimmbädern oder vergleichbaren Gebäuden. Auch über die Bauleitplanung – z.B. in Gewerbe-

werden. Die Genossenschaft ist mit einer Insolvenzquote von nur 0,1 Prozent die sicherste Rechtsform in Deutschland.

Gründung einer GenossenschaftDie Initiative zur Gründung einer Energiegenossenschaft kann von ganz unterschiedlichen Personengruppen ausge-hen. Neben engagierten Bürgern, die sich vor Ort für eine saubere und sichere Energieversorgung einsetzen möchten, geht der Impuls häufig von der Kommune oder dem örtli-chen Energieversorger aus. Auch die vor Ort ansässigen Landwirte oder die lokale Wirtschaft werden oft aktiv. In vielen Fällen schließen sich auch Vertreter unterschiedlicher Bereiche zusammen, um gemeinsam eine Energiegenossen-schaft zu gründen. Es ist zu erwarten, dass unter dem Stich-wort „Regionalstrom“ Genossenschaften künftig auch im Bereich der Netzstruktur und Versorgung an Bedeutung gewinnen werden. Denn der Vorteil der Genossenschaft liegt auf der Hand: Es werden nicht nur verschiedene Interessen gebündelt, sondern auch kaufmännisches oder technisches Wissen mit eingebracht.

Nach dem Genossenschaftsgesetz (GenG) und dem Han-delsgesetzbuch (HGB) ist die eingetragene Genossenschaft eine juristische Person und somit selbst Träger von Rechten und Pflichten. Für ihre Gründung bedarf es der Aufstellung eines Finanzplans und einer Satzung durch mindestens drei Mitglieder. Diese können natürliche oder juristische Personen (z.B. Kommunen) sowie jede Personengesellschaft, darunter auch die BGB-Gesellschaft, sein. Für die Satzung genügt die privatschriftliche Form, notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich. Hier sind bei kommunaler Beteiligung allerdings regelmäßig die Vorgaben aus der Gemeindeordnung zu beachten – speziell in Bezug auf finanzielle Engagements.

Jedes Mitglied zeichnet einen oder mehrere Geschäftsan-teile, deren jeweilige Höhe für alle Mitglieder gleich ist; Einzelheiten regelt die Satzung. Die Zeichnung erfolgt entweder im Rahmen der Gründung oder eines späteren Beitritts. Da sich das Kapital aus den Einlagen der Mitglieder zusammensetzt, ist es abhängig von der Mitgliederzahl.

Zu den Geschäftsanteilen haben sich nachrangige Darle-hen als ergänzendes Finanzierungsmittel bewährt. Damit können sich einzelne Mitgliedergruppen gezielt an bestimm-ten Energieprojekten beteiligen. Vorteil: Die unterschiedli-chen Projekte mit ihren unterschiedlichen Chancen und Risiken werden zwar unter dem Dach der Genossenschaft,

Katja Fleschütz, Rechtsanwältin BTU Simon, München

[email protected]

Dr. Michael Lingenberg, LL.M. oec. Rechtsanwalt/Fachanwalt f. SteuerR BTU Simon, München

[email protected]

Page 13: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 12 ABGABE / FINANZEN / STEUERN ultra VireS und ZinSSWaPSPUBLICUS 2012.8 INHALT

KOMMUNALE SWAP-ABSCHLÜSSE NICHTIG(?)Anspruchsgrundlagen für geschädigte Kommunen: Ultra vires

Was als Zinsoptimierung verkauft wurde, entpuppte sich als Glücksspiel.

Gemeinden sind zur Wahrnehmung der örtlichen Angelegen-heiten verpflichtet. Das heißt, sie dürfen keine Whisky-Bren-nereien in Schottland kaufen oder Windparks in einem anderen Bundesland. Was zudem nicht zu den Aufgaben einer Gemeinde zählt, ist die Absicherung von (Landes-)Banken. Das hört sich zunächst banal an. Umso erstaunli-cher, dass diese Erkenntnis jetzt erst und auch sehr zäh seinen Weg in die Rechtsprechung findet. Konkret geht es um das aktive Zinsmanagement der Kommunen, die Grenzen der Finanzhoheit und die Rechtsfolgen eines Handelns „ultra vires“, also außerhalb des konkreten Aufgabenbereichs oder Wirkungskreises.

Was damals geschah…Verstärkt ab dem Jahr 2000 wurden von Banken Vorschläge für ein aktives Zinsmanagement an Kommunen herangetra-gen. Das Versprechen damals: durch eine fortlaufende Anpassung der Zinskonditionen an die aktuelle Marktlage mittels Derivaten sollten Zinseinsparungen zu erzielen sein. Vielfach wurden Gemeinden von Rechtsaufsichtsbehörden ermutigt, sich einem solch aktiven Zinsmanagement nicht zu verschließen. Es wurde darauf verwiesen, dass die Sparsam-keit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung es auch erfordern würde, mögliche Mittel der Zinsersparnis auszu-schöpfen. Langjährige Zinsfestschreibungen, wie sie bis dahin in der kommunalen Haushaltswirtschaft gebräuchlich waren, trügen die Gefahr in sich, dass Niedrigzinsphasen verpasst würden. Es sei also wirtschaftlich sinnvoll, während

der Laufzeit der Darlehen, die Verzinsung je nach Marktlage mittels Derivaten – zumeist Swaps – von fest auf variabel oder umgekehrt umzustellen.

Wie es heute aussieht…Heute, rund zehn Jahre nach diesem Aufbruch in eine Zu-

kunft der finanziellen Entlastungen der Kommunen, stehen bundesweit schätzungsweise mehr als 200 Kommunen mit gravierenden zusätzlichen finanziellen Belastungen aus eben diesen Geschäften da. Es sind Fälle bekannt, in denen der Schaden einzelner Kommunen dreistellige Millionenhöhe angenommen hat. „Wie konnte es dazu kommen?“, fragen

Page 14: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 13 ABGABE / FINANZEN / STEUERN ultra VireS und ZinSSWaPSPUBLICUS 2012.8 INHALT

nämlich sowohl der der isolierten Einnahmeerzielung die-nende Finanzgeschäfte ohne objektiven Bezug zur Haus-haltswirtschaft als auch der der Haushaltswirtschaft objektiv zuzuordnenden Finanzgeschäfte, die aber z. B. nicht spar-sam und wirtschaftlich und deshalb mit den haushaltsrecht-lichen Vorschriften unvereinbar sind.

Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil die Rechts-folgen der beiden beschriebenen Fallgruppen sehr unter-schiedliche sind.

Sofern Finanzgeschäfte der Haushaltswirtschaft zuzuord-nen sind, sind sie grundsätzlich wirksam. Eventuelle Anzei-ge- und Genehmigungsanforderungen sowie daran anknüp-fende Unwirksamkeiten sind in den verschiedenen Gemeindeordnungen unterschiedlich geregelt.

Sofern Finanzgeschäfte keinen objektiven Bezug zur Haushaltswirtschaft aufweisen, gehört der Abschluss nicht zu den Aufgaben einer Kommune. Eine Kommune hat – dies ist in allen Bundesländern gleich – die örtlichen Angelegen-heiten wahrzunehmen. Dazu gehört auch die Finanzierung dieser Aufgabenerfüllung und – soweit für diese Finanzie-rung Darlehen aufgenommen werden müssen – die Gestal-tung der Kreditkonditionen. Die Erwirtschaftung losgelöster Erträge gehört hingegen nicht zu den Aufgaben einer Kom-mune. Schließt eine Gemeinde ein derartiges Finanzgeschäft trotzdem ab, handelt sie außerhalb des eigenen Wirkungs-kreises und Aufgabenbereichs.

Die Rechtsfolgen eines derartigen Handelns ultra vires ergibt sich aus der ständigen höchstrichterlichen Rechtspre-chung. Der Bundesgerichtshof hat bereits in seinem Grund-satzurteil (BGH, Urt. v. 28.02.1956, Az.: I ZR 84/54 = BGHZ 20, 119 [124]) die Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte von juris-tischen Personen des öffentlichen Rechts außerhalb ihres gesetzlich begrenzten Wirkungsbereichs ausdrücklich bejaht und im Folgenden mehrfach bestätigt (BGHZ 52, 283 [286], BGHZ 119, 237 [239]). Auch die instanzgerichtliche Recht-sprechung ist dem gefolgt (vgl. z. B. BayOLG, Urt. v. 21.07.1997, Az.: 1Z RR 558/95; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.09.2007, Az.: 6 U 122/06).

Ausdrücklich hervorzuheben ist, dass der BGH die Unwirk-samkeit mit der Verbandsunzuständigkeit und einer daraus resultierenden Beschänkung der Rechtsfähigkeit einer juristi-schen Person des öffentlichen Rechts begründet. Für Fragen eines Vertrauensschutzes ist also bei einem Handeln ultra

übernehmende Risiken ab. Empfohlen jedoch wurden die Produkte als Mittel zur Gestaltung von Kreditkonditionen, zur Flexiblisierung und letztlich sollte man damit sparen.

Umgekehrt waren die betreffenden sogenannten struktu-rierten Swaps zwar überwiegend nach Laufzeit und Bezugs-betrag einem Darlehen zugeordnet, allerdings geschah dies willkürlich, ohne inneren sachlichen Zusammenhang. Ange-sichts des oben beschriebenen Verkaufs von Optionen über-rascht es nicht, dass in praktisch keinem Fall das mit einem festverzinslichen Darlehen einhergehende Risiko eines Absinkens des Zinsniveaus homogen abgebildet wurde.

Also haben die Gemeinden mit den abgeschlossenen Swaps entgegen den Darstellungen der Banken tatsächlich ohne objektiven Bezug zu der Haushaltswirtschaft die ent-geltliche Absicherung der Banken übernommen.

Dies erklärt die Größenordnung der nun drohenden Schä-den. Mit dem Verkauf einer Option ist eine asymmetrische Verteilung von Chancen und Risiken verbunden. Der Verkäu-fer einer Option kann maximal die Optionsprämien verdie-nen, wenn die Option nicht ausgeübt wird. Umgekehrt kann der Optionsverkäufer als Stillhalter typischerweise einen unbegrenzten Verlust erleiden, wenn die Option zur Aus-übung gelangt.

ultra vires – die unwirksamkeit von rechtsgeschäften außerhalb des aufgabenbereichsWelche Rechtsfolgen ergeben sich nun aus dem Befund in Bezug auf die Frage der Wirksamkeit der Geschäfte?

In den vergangenen Jahren wurde die Frage der Unwirk-samkeit von Derivatgeschäften im kommunalen Bereich in erster Linie unter dem Begriff des „Spekulationsverbots“ diskutiert. Dabei blieb in den Auseinandersetzungen vor Gericht ebenso wie in den diversen Derivateerlassen der Länder zumeist relativ unklar, was überhaupt unter dem sogenannten „Spekulationsverbot“ zu verstehen ist. Letzte-res nicht von Ungefähr: Dem Begriff kommt kein weiterge-hender Aussagewert zu, als dass eine Kommune mit den kommunalrechtlichen Vorschriften unvereinbare Derivate nicht abschließen darf. Es handelt sich also um eine Negati-vumschreibung für die nach den kommunalrechtlichen Bestimmungen für die Haushaltswirtschaft nicht zulässigen Derivatgeschäfte. Mit anderen Worten fallen aber sehr unterschiedliche Sachverhalte unter das Spekulationsverbot,

sich nun alle und schütteln fassungslos den Kopf.Seit dem Jahr 2007 gab es aus diesem Grund diverse

Schadensersatzklagen von Kommunen und kommunalen Versorgungsunternehmen wegen Fehlberatung. Der Blick auf die Umstände des Vertriebs erklärt die eingetretene Situation aber nicht vollständig. Klar ist , wie es zu den getätigten Abschlüssen kommen konnte. Nicht klar ist, wie die getätigten Abschlüsse zu solchen Schäden führen konn-ten. Die folgende Ausführung setzt mit einem bislang zu wenig beachteten Aspekt des sogenannten aktiven Zinsma-nagements auseinander. Er wird sich mit den finanzmathe-matischen Eigenschaften der eingesetzten Swaps befassen. Es wird zu beleuchten sein, dass es sich tatsächlich um keine Mittel zur Gestaltung von Kreditkonditionen, sondern ledig-lich um ein Mittel zur Absicherung von Banken handelte. Das bedeutet gleichzeitig, dass die abschließenden Kommunen außerhalb ihres Aufgabenbereichs handelten. Dies führt zur Nichtigkeit der Abschlüsse.

inhalt eines solch schadhaften Swaps?Wir haben diverse sogenannte strukturierte Swaps, die von (Landes-)Banken als Mittel einer Zinsoptimierung empfohlen worden waren, durch verschiedene Finanzmathematiker untersuchen lassen. Darunter waren ehemalige Mitarbeiter des Vorstandsstabes einer Bank ebenso wie ein Universitäts-professor für Finanzmathematik und ein Treasury-Bera-tungsunternehmen. Das Ergebnis war übereinstimmend, dass die variablen von der jeweiligen Kommune zu zahlen-den „Zinsen“ tatsächlich die Zahlströme nachbildeten, die dem Verkauf von Optionen von der Kommune an die Bank gleichkommen. Der Befund war frappierend, handelt es sich doch um mehr als ein Dutzend untersuchter Swaps verschie-dener Banken auf gänzlich unterschiedlichen Basiswerten, die in verschiedenen Jahren empfohlen worden waren. Tatsächlich beinhaltete die weit überwiegende Anzahl der sogenannten Swaps wirtschaftlich den Verkauf von Optionen von der Gemeinde an die Bank.

Nun ist aber der Kauf einer Option ein klassisches Siche-rungsmittel. Der Verkäufer einer Option hingegen über-nimmt gegen ein Entgelt in Form einer Optionsprämie die Versicherung des Optionskäufers gegen ein Risiko. Mit anderen Worten: Die Kommunen sichern die Handelsbücher der Banken gegen bestehende oder zukünftig von diesen zu

Page 15: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

ANZEIGE

WWW.BOORBERG.DE

RICHARD BOORBERG VERLAG FAX 07 11 / 73 85-100 · 089 / 43 61 564 TEL 07 11 / 73 85-343 · 089 / 43 60 00-20 [email protected]

Kronawitter

Jahresabschluss und Lagebericht kommunaler Unternehmen

Jahresabschluss und Lagebericht kommunaler Unternehmenmit Rechtsformvergleich und allen Änderungen durch das BilMoG

von Martin Kronawitter, Dipl.-Handelslehrer, Dipl.-Volkswirt und Dipl.-Betriebswirt (FH)

2011, 480 Seiten, € 49,80

ISBN 978-3-415-04706-8

Das Buch bietet eine umfassende und aktuelle Dar-stellung der Rechnungslegung nach HGB für sämt-liche gemeindlichen Betriebe – vom Eigenbetrieb über das Kommunalunternehmen bis hin zur Kapital-gesellschaft. Die Erläuterungen sind bundesweit in der Praxis anwendbar. Sämtliche Änderungen im HGB durch das BilMoG sind in das Buch eingearbeitet.

Besonders wertvoll ist der neue Leitfaden durch die erstmalige Erläuterung aller für gemeindliche Betriebe erforderlichen Rechnungslegungsregeln nach HGB in einem Werk.

SZ0412

PRAXISLEITFADEN.

Mit BilMoG.

Seite 14 ABGABE / FINANZEN / STEUERN ultra VireS und ZinSSWaPSPUBLICUS 2012.8 INHALT

vires rechtlich ebenso wenig Raum wie für eine Frage der Haftung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht.

Mit Blick darauf, dass es sich bei den oben beschriebenen sogenannten strukturierten Swaps tatsächlich um den Ver-kauf von Optionen, also um eine isolierte Einnahmeerzielung durch eine Optionsprämie für die Absicherung der Bank ohne objektiven Bezug zu den Zinskonditionen der Aufga-benfinanzierung handelt, handelten die Kommunen bei Abschluss besagter Swaps ultra vires.

Fazit im KlartextKommunen haben Geschäfte abgeschlossen, die sie nicht hätten abschließen dürfen und nicht abgeschlossen hätten, wenn sie richtig deklariert gewesen wären und die Kommune vollständig informiert gewesen wäre. Die Swaps, die keine waren (es waren nämlich Optionen), dienten nicht der Einspa-rung von Geldern der öffentlichen Hand, sondern waren die risikoreichen Hinterlassenschaften des gescheiterten Aus-flugs der vertreibenden Landesbanken in das Investmentban-king in den Jahren zuvor. Letztlich haben die Landesbanken sich ihrer Risiken mittels der Kommunen entledigt.

Urteile liegen zur beschriebenen Argumentation noch nicht vor. Allerdings ist eine Tendenz der Landgerichte in den mündlichen Verhandlungen erkennbar – sie tendieren zur Nichtigkeit der Geschäfte. Damit stünde einer generel-len, von individuellen Beratungsgesprächsverläufen losge-lösten Rückabwicklung nichts mehr im Wege.

Georg Jäger, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarkt-recht, Kanzlei Rössner Rechtsanwälte, München

[email protected] www.roessner.de

Dr. Jochen Weck, Senior-Partner Kanzlei Rössner Rechtsanwälte, München

[email protected] www.roessner.de

Page 16: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 15 VERGABERECHT eu-VerGaBerechtSreFormPUBLICUS 2012.8 INHALT

LICHT UND SCHATTEN Die EU-Vorschläge zum Vergaberecht aus kommunaler Sicht – Teil II

Soll die EU auch die Vergabe von Konzessionen regeln?

Am 20.12.2011 hat die EU-Kommission ihre Richtlinienvor-schläge zur Reform des EU-Vergaberechts vorgelegt. Voran-gegangen war ein umfangreiches Konsultationsverfahren interessierter Kreise, insbesondere von Vertretern öffentli-cher Auftraggeber und von Auftragnehmern. Basis der Konsultationen war das Anfang 2011 von der Kommission veröffentlichte „Grünbuch über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftrags-wesens“. Der nachfolgende Beitrag gibt – in Fortsetzung des in Ausgabe 2012.07 auf den Seiten 4 ff. erschienenen Arti-kels – eine Bewertung der geplanten Reform aus kommuna-ler Sicht.

Besserer marktzugang für Kleine und mittlere unternehmen (Kmu)Der Vorschlag, künftig insbesondere bei der Prüfung der Un-ternehmenseignung verstärkt auf Eigenerklärungen zu setzen (s. Art. 57 des EU-Richtlinienvorschlags), ist zu unterstützen. In Übereinstimmung insbesondere mit den bereits existierenden deutschen VOL/A-Vorgaben kann auf diese Weise der Verwaltungsaufwand reduziert werden. Art. 57 sieht vor, von den Unternehmen dann keine erneute Vorlage einer Bescheinigung etc. zu verlangen, wenn dem öffentlichen Auftraggeber in den vergangenen vier Jahren für ein früheres Verfahren eine solche übermittelt wurde und diese nach wie vor gültig ist. Auch dieser Vorschlag ist aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung grundsätzlich richtig. Allerdings dürfte die den Auftraggebern obliegende

Aufbewahrung und Prüfung dieser „4-Jahres-Bescheinigun-gen“ mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden sein.

Art. 57 des Richtlinienvorschlags sieht darüber hinaus vor, dass die Auftraggeber vor der Auftragsvergabe von dem Bieter, an den der Auftrag vergeben werden soll, Unterlagen abfordern müssen. Der Vorschlag ist in dieser umfassenden

Form zu einengend. Hier sollte im Sinne der deutschen VOL/A-Regelung ein Vertrauen auf die Eigenerklärung auch bei der Zuschlagserteilung ohne zusätzliche Abforderung von Unterlagen möglich sein.

Der „Europäische Pass für die Auftragsvergabe“ (Art. 59) ist als Ersatz für die Beibringung ansonsten erforderlicher

Page 17: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 16 VERGABERECHT eu-VerGaBerechtSreFormPUBLICUS 2012.8 INHALT

Rückzahlung der tatsächlichen Kosten der Leistungen be-treffen“, beinhalten (Buchstabe d).

Diese Begrenzung ist zu einengend und nach der bisheri-gen EuGH-Rechtsprechung auch nicht im Sinne einer allge-mein geltenden Voraussetzung begründbar.

Die durch die kommunalfreundliche EuGH-Rechtspre-chung des Großen Senats (EuGH, Stadtreinigung Hamburg vom 9. Juni 2009) nicht gerechtfertigten EU-Vorschläge verkennen die Bedeutung der interkommunalen Kooperation für die Daseinsvorsorgen. Sie berücksichtigen nicht, dass die interkommunale Zusammenarbeit eine reine Verlagerung von Organisationszuständigkeiten innerhalb von Kommunen ist und keine externe und damit ausschreibungspflichtige Beschaffung auf dem Wettbewerbsmarkt darstellt.

Überflüssig: die eigenständige richtlinie über KonzessionenDie EU-Kommission hat eine eigenständige Richtlinie über die bisher vom förmlichen Vergaberecht nicht erfassten (Dienstleistungs-) Konzessionen vorgelegt.

Die kommunalen Spitzenverbände lehnen mit dem Ver-band kommunaler Unternehmen (VKU) eine eigene Richtli-nie zur Vergabe von Konzessionen ab.

In der 893.Sitzung am 02.03.2012 und der 894. Sitzung am 30.03.2012 hat sich der Bundesrat deutlich gegen einen EU-Legislativakt für (Dienstleistungs-)Konzessionen ausge-sprochen und die Subsidiaritätsrüge erhoben. Der Bundesrat hat seine ablehnende Position am 30.03.2012 bekräftigt. Er ist der Auffassung, dass die Vergabe von Dienstleistungs-konzessionen ausreichend auf nationaler Ebene geregelt werden könne und es dazu keiner Regelung auf Unionsebene bedürfe: Insbesondere sei die EU-Kommission den Nachweis der Notwendigkeit einer EU-Regelung schuldig geblieben. Jedenfalls ist die von der Kommission behauptete „Rege-lungslücke“ sowie „eine schwerwiegende Verzerrung des Binnenmarktes“, also ein aktuell bestehendes Marktversa-gen, das eine eigene (Dienstleistungs-) Konzessionsrichtlinie erfordert, bisher in keiner Weise von der Kommission sub-stanziiert dargelegt. Eine ablehnende Haltung vertritt bisher auch die Mehrheit des EU-Parlaments.

Die kommunalen Spitzenverbände sehen im Bereich der Dienstleistungskonzession keine Notwendigkeit für eine Gesetzgebung auf europäischer Ebene. Neue EU-Vorgaben

Der Vorschlag wird der Vielgestaltigkeit der Beziehungen zwischen öffentlichen Stellen und den – bisher mit gutem Grund nicht kodifizierten – Voraussetzungen einer Vergabe-rechtsfreiheit nicht gerecht.

Die Kommission greift mit ihrem Vorschlag zu kurz, wenn sie auf der Grundlage der bisherigen, aber nicht abschlie-ßenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) den Versuch unternimmt, die vom EuGH getroffenen Einzelfallentscheidungen in generalisierender Form in das allgemeine Vergaberecht zu übernehmen.

Zudem sind die vorgeschlagenen Regelungen unverhält-nismäßig. Den Mitgliedstaaten obliegt es in eigener Verant-wortung, die Erbringung ihrer Leistungen zu organisieren und durchzuführen.

Die Kritik betrifft u. a. sowohl die generelle Mindestfest-setzung von 90 % für das Wesentlichkeitsmerkmal in Art. 11 Nr. 1b und Nr. 3b des Richtlinienvorschlags als insbesondere auch die vorgeschlagene Begrenzung des Kontrolltatbestan-des in Art. 11 Nr. 3 Unterabsatz 2 Buchstabe c und d. Wenn dort als Voraussetzung für das Kontrollkriterium bestimmt ist, dass „die kontrollierte juristische Person keine Interes-sen verfolgen darf, die sich von mit ihr zusammenarbeiten-den öffentlichen Behörden unterscheiden“ (Buchstabe c), findet sich dieses Kriterium in dieser generell einengenden Form nicht in der EuGH-Rechtsprechung wieder.

Auch wenn im Weiteren die kontrollierte juristische Per-son „keine anderen Einnahmen als diejenigen erzielen darf, die sich aus der Rückzahlung der tatsächlich entstandenen Kosten in Zusammenhang mit den von den öffentlichen Auftraggebern vergebenen Aufträgen ergeben“, finden diese Vorgaben ebenfalls weder eine zwingende und allgemein gültige Voraussetzung in der Rechtsprechung des EuGH noch sind diese rechtlich und tatsächlich sachgerecht. Vielmehr beschneiden die vorgeschlagenen Vorgaben der EU-Kommission die den Kommunen bisher möglichen In-house-Vergaben. Sie schränken damit (inter-)kommunale Handlungsspielräume über Gebühr ein.

Auch die in dem EU-Vorschlag (Art. 11 Nr. 4 a-e) genann-ten Voraussetzungen für eine Vergaberechtsfreiheit bei horizontalen interkommunalen Kooperationen sind zu einen-gend. So darf nach dem EU-Richtlinienvorschlag „die Ver-einbarung keine anderen Finanztransfers zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern als jene, die die

konkreter Nachweise im Sinne einer Präqualifikation gerade von kleineren und mittleren Unternehmen zwar grundsätz-lich zu begrüßen. Mit dem „Europäischen Pass für die Auf-tragsvergabe“ darf jedoch kein zusätzlicher Verwaltungsauf-wand (Aufbau einer „Pass-Bürokratie“) verbunden werden.

direkte Bezahlung von unterauftragnehmernDie vorgeschlagene Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, wonach Unterauftragnehmer vom Auftraggeber eine direkte Zahlung verlangen können (s. Art. 71 Nr. 2), entspricht nicht der rechtlichen Vorgabe in Deutschland. Danach hat der Auftraggeber ein unmittelbares Vertragsverhältnis nur mit seinem Generalunternehmen. Dieser Vorschlag ist daher abzulehnen, weil hiermit rechtliche Komplikationen im Drei-ecksverhältnis zwischen Auftraggeber, Generalunternehmer und Subunternehmer verbunden sind. Zudem betrifft der EU-Vorschlag nicht das Vergabeverfahren, sondern die vom EU-Vergaberecht nicht erfasste Vertragsabwicklung.

Governance – nationale aufsichtsstelleDie in Art. 84 für einen Mitgliedstaat vorgeschlagene und von diesem zu benennende „einzige unabhängige Stelle, die für die Beaufsichtigung und Koordinierung der Durchfüh-rungstätigkeiten verantwortlich ist“ („Aufsichtsstelle“), entspricht nicht dem föderalen deutschen Staatsaufbau und greift damit in staatsrechtliche Organisationsstrukturen ein. Es ist nicht vorstellbar, dass eine einzige „Superaufsichtsins-tanz“ in Deutschland etwa die Vergaben der Städte und Gemeinden im Rahmen des dreigliedrigen deutschen Staats-aufbaus beaufsichtigen können soll.

regelungen der Beziehungen zwischen öffentlichen StellenDie vorgeschlagene Regelung in Art. 11 über die Abgrenzung zur Anwendung bzw. Nichtanwendung des Vergaberechts bei „Beziehungen zwischen öffentlichen Stellen“ betrifft sowohl die vertikale In-House-Vergabe als auch die horizontale Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern.

Der hier unternommene Versuch, durch eine abschließen-de Aufzählung die Voraussetzungen einer ausschreibungs-freien (vertikalen) In-House-Vergabe sowie eine ausschrei-bungsfreie horizontale Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern zu regeln, ist abzulehnen.

Page 18: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 17 VERGABERECHT eu-VerGaBerechtSreFormPUBLICUS 2012.8 INHALT

te Eignungsprüfung, verbesserte Fristenregelungen und eine Ausweitung des Verhandlungsverfahrens zielgerichteter und weniger formal auszugestalten. Nachdrücklich zu kriti-sieren sind die weitgehende Aufgabe der Unterscheidung bzw. die Angleichung zwischen den sog. „A“- und „B“-Dienstleistungen, die geplante Ausschreibungspflicht für kommunale Kreditgeschäfte, die zusätzlichen und einengen-den Regeln für die Inhouse-Geschäfte und die interkommu-nale Zusammenarbeit und die geplante eigene Richtlinie über die (Dienstleistungs-) Konzessionen.

angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherstellen muss, stattzufinden hat (s. u. a. EuGH „Parking Brixen“);

– die Kriterien der In-House-Vergabe auch auf Dienstleis-tungskonzessionen mit der Folge anzuwenden sind, dass bei ihrem Vorliegen auch das EU-Primärrecht nicht zur Anwendung kommt (EuGH „Parking Brixen“ sowie EuGH „Coditel“);

– an das wirtschaftliche Risiko, das der Konzessionär zu tragen hat, keine allzu großen Anforderungen zu stellen sind. Dies bedingt, dass von dem Vorliegen einer Dienst-leistungskonzession selbst bei einem Anschluss- und Benutzungszwang, etwa im Bereich der Wasserversor-gung, ausgegangen werden kann (EuGH Rs. C-206/08 vom 10.09.2009 „Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha“).

Insbesondere mit der EuGH-Rechtsprechung „Gotha“, wonach selbst bei einem Anschluss- und Benutzungszwang und einer dadurch bedingten erheblichen Reduzierung des Risikos für den Konzessionär eine bis dato vergaberechts-freie Dienstleistungskonzession und gerade kein ausschrei-bungspflichtiger Dienstleistungsauftrag vorliegt, ist der Erwägungsgrund Nr. 7 in der Begründung zum EU-Richtlini-envorschlag über die Konzessionsvergabe nicht vereinbar.

Darin heißt es, dass zur Definition des Begriffs „Konzessi-on“ insbesondere auf das „wesentliche Betriebsrisiko“ des Konzessionärs zu verweisen ist. Dieses „wesentliche Be-triebsrisiko“ ist aber von der EuGH-Rechtsprechung als Voraussetzung für das Vorliegen einer Dienstleistungskon-zession erheblich gelockert worden.

Der EU-Kommissionsvorschlag mit seinem in keiner Weise „schlanken Ansatz“ grenzt daher den weiten und durch den EuGH in seiner Rechtsprechung gesetzten Rechtsrahmen für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession über Gebühr ein. Der Vorschlag beinhaltet daher kein „Vergaberecht light“ und er beschränkt die Flexibilität und die kommunalen Handlungsspielräume. Er ist daher aus kommunaler Sicht ab-zulehnen.

FazitDie Richtlinienvorschläge der EU-Kommission zum Vergabe-recht enthalten sowohl Licht als auch Schatten. Zu begrüßen sind die Ansätze, die Vergabeverfahren im Ablauf vom formellen Ballast zu befreien und etwa durch eine erleichter-

würden nicht zu einem Mehr an Rechtssicherheit, sondern allenfalls zu einer weiteren Verrechtlichung der Dienstleis-tungskonzession führen, gefolgt von zusätzlichem Verwal-tungsaufwand, kostenintensivem Rechtsberatungsbedarf und zeitlichen Verzögerungen für alle Beteiligten. Konse-quenz wäre eine unangemessene Einschränkung kommuna-ler Handlungsspielräume.

Zudem sind viele Regelungen der geplanten Richtlinie in ihrem jetzt vorgelegten Umfang und der Komplexität unver-hältnismäßig und zeugen von einer in keiner Weise erforder-lichen Detailtiefe.

Dienstleistungskonzessionen berühren viele kommunale Bereiche der Leistungen von allgemeinem (wirtschaftlichem) Interesse (Daseinsvorsorgeleistungen), wie z. B. die Wasser-versorgung, Abwasserentsorgung, Rettungs- und Gesund-heitsdienstleistungen, die Essensversorgung in Schulen, den Breitbandausbau sowie die öffentliche Parkraumbewirt-schaftung. Gerade für diese Dienstleistungen würde eine europäische Konzessionsregelung keinen Mehrwert bringen, da sie nach ihrer Art und aufgrund ihres Umfangs sowie wegen der kommunal zugeordneten Aufgabenverantwortung zum großen Teil nicht grenzüberschreitend erbracht werden. Speziell im Bereich der Wasserversorgung droht zudem die Gefahr, dass durch vergaberechtliche Wettbewerbsregeln eine Liberalisierung durch die Hintertür eintritt. Dies ist nachdrücklich abzulehnen.

Der Vertrag von Lissabon gibt den Kommunen im Übrigen mit der Anerkennung der regionalen und lokalen Selbstver-waltung sowie mit dem Protokoll zu den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse einen weiten Ermessensspielraum zur Aufgabenwahrnehmung von Leis-tungen der Daseinsvorsorge. Diesen gilt es, auch in Zukunft zu erhalten. Deshalb muss den Kommunen die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben, ob sie die Leistungen der Daseinsvorsorge in eigener Regie, durch ihre Unternehmen oder durch Dritte erbringen lassen.

Weiterhin hat die EuGH-Rechtsprechung ausreichende und praxisgerechte Leitlinien für die Vergabe von Dienstleis-tungskonzessionen aufgestellt. Diese ergeben sich insbeson-dere daraus, dass – die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen nach dem

EU-Primärrecht und damit in einem transparenten und nicht diskriminierenden Verfahren, das immer einen

Beigeordneter Norbert Portz, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Bonn

[email protected]

Page 19: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 18 PERSONENORDNUNG / DATENSCHUTZ BundeSmeldeGeSetZPUBLICUS 2012.8 INHALT

MEDIALER „SHITSTORM“ VERHÜLLT REALITÄT Das Bundesmeldegesetz - ein großer Fortschritt für die Gesellschaft

Die aktuelle Diskussion ignoriert die zentrale Bedeutung des Einwohnermeldewesens für eine moderne Verwaltung.

Die aktuelle Diskussion um das Bundesmeldegesetz greift eine in der täglichen Praxis relativ unbedeutende Teilfrage heraus, nämlich die Erteilung „einfacher Melderegisteraus-künfte“ an Unternehmen der Werbung und des Adresshan-dels. Sie ignoriert die zentrale Bedeutung des Einwohnermel-dewesens für eine moderne Verwaltung. Der Beitrag skizziert an einigen konkreten Beispielen, worin diese Bedeutung liegt und warum das Bundesmeldegesetz einen wesentlichen Beitrag zur Rationalisierung der Staats- und Kommunalver-waltungen und für mehr Bürgerservice leisten wird.

der 28. Juni 2012 – ein denkwürdiger tag für das einwohnermeldewesenDen 28. Juni 2012 würde mancher Parlamentarier am liebs-ten nachträglich aus dem Kalender tilgen. Am Abend dieses Tages wurde nämlich von einem sehr mäßig besetzten Deutschen Bundestag in weniger als einer Minute das Bun-desmeldegesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet (Gesetzentwurf gemäß BT-Drs. 17/7746 vom 16.11.2011 unter Einbeziehung der Änderungen gemäß Beschlussemp-fehlung des Bundestags-Innenausschusses, BT-Drs. 17/10158 vom 27.06.2012).

ein medialer „Shitstorm“ in seinem GefolgeZunächst interessierte das kaum jemanden. Doch mit gut einer Woche Verzögerung brach ein medialer Sturm der Entrüstung los, für den die bei bestimmten Internetkampag-nen übliche Bezeichnung „Shitstorm“ durchaus passend

erscheint. Die Einwohnermeldeämter wurden als Datenhänd-ler hingestellt, die Bundesregierung distanzierte sich von einzelnen Punkten ihres eigenen Gesetzentwurfs und auch die Europäische Kommission fand scharfe Worte: „Wie will der Staat glaubhaft von Unternehmen wie Facebook und Google verlangen, dass sie sich an strenge Datenschutzauf-

lagen halten, während er selbst einen Ausverkauf des Daten-schutzes an die Privatwirtschaft betreibt?“, fragte EU-Justiz-kommissarin Reding in Richtung Deutschland.

die realität hinter der öffentlichen diskussion Mit der täglichen Praxis in den Einwohnermeldeämtern

Page 20: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 19 PERSONENORDNUNG / DATENSCHUTZ BundeSmeldeGeSetZPUBLICUS 2012.8 INHALT

dung der Bescheide mit dem Datenbestand des Einwohner-meldeamts abzugleichen. Veränderungen oder Fehler fallen so sofort auf und können bereinigt werden. Das künftige Bundesmeldegesetz lässt diese Praxis, die bisher auf ent-sprechende landesrechtliche Regelungen gestützt wird, in seinem § 37 als „Datenweitergabe innerhalb der Verwal-tungseinheit, der die Meldebehörde angehört“ ausdrücklich auch weiterhin zu.

Absatz 2 der Vorschrift legitimiert dabei auch die „Ein-richtung automatisierter Verfahren zur Datenübertragung“. Es wird also möglich sein, Datenabgleiche der beschriebe-nen Art auch automatisiert abzuwickeln. Die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens, die bisher da und dort noch be-zweifelt wird, ist damit geklärt.

Belange des betroffenen Bürgers werden dabei in keiner Weise negativ berührt. Es wird lediglich – automatisiert und ohne eigenes Zutun des Betroffenen – etwas erledigt, wozu er im Allgemeinen ohnehin rechtlich selbst verpflichtet wäre: die Aktualisierung seiner Anschrift in einer Dienststelle, der er seine neue Anschrift sonst selbst mitteilen müsste. Kritik ist deshalb allenfalls gegenüber Kommunalverwaltungen angezeigt, die solche Möglichkeiten bisher nicht nutzen, obwohl sie es könnten.

die „rückmeldung“ – ein segensreiches instrument mit tücken und lückenDer beschriebene Datenabgleich funktioniert bisher aller-dings nur dann völlig reibungslos, wenn der Betroffene innerhalb der Gemeinde umgezogen ist, in der er schon bisher gewohnt hat. Insbesondere bei mehreren Umzügen kurz hintereinander in verschiedene Gemeinden in unter-schiedlichen Bundesländern kommt es dagegen durchaus vor, dass der Betroffene mehr oder weniger „verloren geht“, also jedenfalls mit zumutbarem Aufwand kaum noch zu ermitteln ist.

Das liegt daran, dass zwar jede neue Zuzugsgemeinde eine „Rückmeldung“ gegenüber der bisherigen Wohnge-meinde durchführen muss, in der sie auch die neue Anschrift mitteilt. Dadurch entstehen dann zumindest in der Theorie „Meldeketten“, mit deren Hilfe man unter Einschaltung aller beteiligter Gemeinden letztlich die jetzt aktuelle Anschrift des Bürgers ermitteln kann. In der Praxis funktioniert das bisher jedoch teils nur ungenügend oder in einer doch

weiteren Gang der Gesetzgebung hier Einschränkungen durchsetzen. Solange dabei praktisch umsetzbare Regelun-gen entstehen, ist dagegen aus Sicht der Einwohnermelde-ämter nichts einzuwenden. Kaum leben könnten sie aller-dings wegen des dabei entstehenden Aufwands mit Regelungen, die Abwägungen im Einzelfall oder aufwendige Rückfragen beim Bürger erfordern. Dann sollte man Aus-künfte für Unternehmen dieser Branchen besser gleich ganz untersagen.

daten für Behörden als klassisches „Kerngeschäft“Das „Kerngeschäft“ der Einwohnermeldeämter würde da-durch nicht berührt. Es besteht nämlich in der Belieferung von Kommunal- und Staatsverwaltungen mit Daten, die dort für die tägliche Arbeit benötigt werden, und nicht in der Erteilung von Auskünften an private Unternehmen oder Einzelpersonen.

Servicefunktion „im eigenen rathaus“Die Einwohnermeldeämter sind bekanntlich in den Kommu-nalverwaltungen angesiedelt und dies wird auch nach In-krafttreten des Bundesmeldegesetzes (BMG), mit dem für Ende 2014 zu rechnen ist (das genaue Datum kann sich im Rahmen des Zustimmungsverfahrens im Bundesrat noch ändern), so bleiben. § 1 BMG überlässt nämlich die Bestim-mung der Meldebehörden auch weiterhin dem jeweiligen Landesrecht.

Bereits innerhalb der Kommunalverwaltungen, zu denen sie gehören, erfüllen die Einwohnermeldeämter eine wesent-liche Servicefunktion. Ein alltägliches Beispiel dafür bildet die Versendung etwa von Steuer- und Gebührenbescheiden durch Dienststellen einer Stadtverwaltung. Jeder Praktiker kennt das Problem, dass zumindest einige Prozent solcher Bescheide als unzustellbar zurückkommen. Die Nachbear-beitung verursacht erheblichen Aufwand, der dem einzelnen Betroffenen gar nicht oder nicht vollständig in Rechnung gestellt werden kann – der also von der Allgemeinheit aller Steuerzahler zu tragen ist.

abgleich von adresslisten vor dem Versand von BescheidenDeshalb ist es in gut organisierten Verwaltungen schon seit Jahren üblich, die entsprechenden Adresslisten vor Versen-

haben solche Diskussionen kaum etwas zu tun. Allerdings werden dort – wie gesetzlich vorgesehen – Auskünfte auch an Privatunternehmen und einzelne Privatpersonen erteilt. Fast durchweg handelt es sich dabei um „einfache Meldere-gisterauskünfte“, die kein berechtigtes Interesse oder der-gleichen voraussetzen. Sie sind im Rahmenrecht des Bundes in § 21 MRRG geregelt, der durch Bestimmungen in den Meldegesetzen der Bundesländer ausgefüllt bzw. umgesetzt wird.

Bei solchen Auskünften geht es darum, die Gültigkeit einer Anschrift zu bestätigen oder – insbesondere nach einem Umzug des Betroffenen – seine neue Anschrift zu ermitteln und dem Antragsteller mitzuteilen. Dafür wird eine Gebühr gefordert (je nach Bundesland in der Höhe etwas unterschiedlich, meist handelt es sich um 8 – 10 Euro) – eine Tatsache, die teils polemisch als „Datenhandel“ interpretiert wurde.

erneute diskussion um die eigentlichen aufgaben der einwohnermeldeämterUnd selbstverständlich kann man die Frage stellen, ob es zu den Aufgaben einer staatlichen Behörde gehören soll, Pri-vatpersonen und Privatunternehmen mit aktuellen Anschrif-ten von Bürgern zu versorgen. Wer dies generell nicht dulden möchte, muss dann allerdings auch die Folgefrage beantworten, was beispielsweise ein Unternehmen tun soll, wenn es eine bestellte Ware nicht ausliefern kann, weil der Besteller inzwischen verzogen ist oder wenn es eine Mah-nung verschicken möchte, jedoch die ihm bekannte An-schrift des Betroffenen nicht mehr stimmt. Es verwundert deshalb nicht, dass ein kritischer Beschluss der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder aus dem Jahr 2001, in dem die Erteilung solcher Auskünfte grundsätzlich in Frage gestellt wurde, ohne jedes Echo geblieben ist.

absehbare Änderungsforderungen des BundesratsDie Kritik aus Brüssel und die öffentliche Entrüstung wird Anlass zum Nachdenken darüber sein, ob solche Auskünfte auch Unternehmen der Werbung und des Adresshandels zur Verfügung stehen sollen, deren Geschäftszweck naturgemäß darin besteht, Daten zu „streuen“, also an zahlreiche Dritte weiterzugeben. Wahrscheinlich wird der Bundesrat im

Page 21: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 20 PERSONENORDNUNG / DATENSCHUTZ BundeSmeldeGeSetZPUBLICUS 2012.8 INHALT

erheblich. Zugleich bleibt die Verknüpfungsmöglichkeit zwischen dem Meldewesen und dem kommunal Kurbeitrags-wesen erhalten. Wäre diese Verknüpfung gelöst worden, hätten die betroffenen Kommunen mit erheblichem Aufwand ein paralleles System aufbauen müssen.

der „vorausgefüllte meldeschein“Die Neuregelung der Hotelmeldepflicht ist nur ein Beispiel dafür, dass der sinnvolle Einsatz von EDV-Systemen auch den betroffenen Bürgern selbst Vorteile bringt. Mindestens genauso bedeutsam ist in dieser Hinsicht die Regelung über den „vorausgefüllten Meldeschein“. Gemeint ist damit, dass bei einem Umzug die Wegzugsmeldebehörde der Zuzugs-meldebehörde auf deren Anforderung hin die Daten des Bürgers auf elektronischem Weg übermittelt. Mit ihrer Hilfe wird dann in der Zuzugsgemeinde ein bereits ausgefüllter Meldeschein erstellt. Der Meldepflichtige muss lediglich noch die Angaben prüfen und gegebenenfalls korrigieren und dann den Meldeschein unterschreiben. An dieser Rege-lung sollte eigentlich lediglich überraschen, dass sie nicht schon bisher Standard in allen Bundesländern war. In den Kommunen, in denen der vorausgefüllte Meldeschein schon Anwendung findet, hat er sich hervorragend bewährt.

rolle der Führungskräfte in den VerwaltungenInsgesamt gesehen sollten sich gerade die Führungsebenen in den Kommunal- und Staatsverwaltungen von der kurzzei-tig heftigen öffentlichen Diskussion über das Bundesmelde-gesetz nicht verunsichern lassen. Vielmehr sollten sie sich darauf konzentrieren, die durch dieses neue Gesetz eröffne-ten Möglichkeiten – wie etwa den vorausgefüllten Melde-schein – in ihrem Zuständigkeitsbereich auch zu nutzen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Bürger in den nächs-ten Jahren mit Unverständnis reagieren, wenn ein Service dieser Art in ihrer Gemeinde noch nicht angeboten wird. Und zu oft muss man in Einwohnermeldeämtern noch den Satz hören: „Wir haben das längst vorgeschlagen, aber unsere Meinung interessiert die da oben kaum“.

Künftige dienstleistungen bei umzug und KfZ-ummeldungNur die volle Nutzung aller Möglichkeiten des neuen Rechts schafft die Basis dafür, dass künftig den Bürgern etwa bei

bringt das neue Gesetz eine dringend notwendige Verein-heitlichung (siehe § 27 BMG).Sie bezieht sich auch auf die Insassen von Justizvollzugsanstalten (siehe § 28 Abs.4), für die bisher je nach Bundesland teils deutlich abweichende Regelungen gelten.

das mobile „dritte drittel“ der Bevölkerung Die Bedeutung solcher harmonisierter Regelungen darf keinesfalls unterschätzt werden. Zwar ziehen auch heute noch etwa zwei Drittel der Bevölkerung nur ein oder zwei-mal in ihrem Leben um. Sie verursachen daher in den Melde-ämtern auch kaum Aufwand. Das „dritte Drittel“ mit Umzü-gen in teils kurzer Folge über mehrere Bundesländer hinweg oder mit Umzügen ins Ausland und aus dem Ausland zurück bindet dagegen erhebliche Ressourcen. Angesichts des ständigen Drucks zur Personaleinsparung haben bundesweit harmonisierte Regelungen in diesem Kontext einen erhebli-chen Rationalisierungseffekt.

hotelmeldepflicht und FremdenverkehrsabgabenBesonders in Kommunen, für die der Fremdenverkehr wich-tig ist, sind die Regelungen über die „Hotelmeldepflicht“ stets Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit. Auch hier bringt das Bundesmeldegesetz eine dringend notwendige bundesweite Harmonisierung. Sie geht von folgenden Eck-punkten aus (siehe §§ 29 und 30 BMG): – Beherbergte Personen sind verpflichtet, einen besonderen

Meldeschein handschriftlich zu unterschreiben (§ 29 Abs. 2 BMG). Die bisherige Verpflichtung zum handschriftlichen Ausfüllen des gesamten Meldescheins entfällt dagegen.

– Die Daten, die der besondere Meldeschein enthalten muss, sind bundesweit abschließend festgelegt (§ 30 Abs. 2 BMG).

– Durch Landesrecht kann bestimmt werden, dass weitere Daten auf dem Meldeschein erhoben werden dürfen, um Fremdenverkehrs- und Kurbeiträge erheben zu können (§ 30 Abs.3 BMG).Diese scheinbar rein formalen Regelungen klären Punkte,

die in der Praxis bisher immer wieder zu Schwierigkeiten führen. Insbesondere ermöglichen sie es, vorausgefüllte Meldescheine aus den EDV-Systemen der Hotels zu erzeu-gen, die dem Gast dann zur Unterschrift vorgelegt werden. Das rationalisiert die Abwicklung beim Einchecken im Hotel

relevanten Zahl von Einzelfällen auch gar nicht. Die Folge sind dann beispielsweise auch Ausfälle bei Steuern und Gebühren, weil die rechtzeitige Zustellung von Bescheiden misslingt.

unterschiedliche edV-infrastrukturen der BundesländerGrund für die beschriebenen Schwierigkeiten sind zum

einen von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche technische Infrastrukturen. So verfügen keineswegs alle Bundesländer über zentrale Datenbestände, mit deren Hilfe eine Person landesweit und gemeindeübergreifend in einem einzigen Datenbestand gesucht werden kann. An diesem Problem kann auch das neue Gesetz kaum etwas ändern. Es überlässt auch weiterhin den Ländern selbst die Entschei-dung, ob und in welcher Ausprägung sie zentrale Meldeda-tenbestände einrichten wollen (siehe § 55 Abs. 3 BMG). Eine andere Regelung wäre nach den Vorgaben des Grundgeset-zes auch kaum machbar.

Bisher abweichende rechtsvorgaben der BundesländerAber auch die rechtlichen Vorgaben weichen zum Teil

deutlich ab. Und hier kann der Bundesgesetzgeber, der inzwischen über die alleinige Gesetzgebungskompetenz im Meldewesen verfügt (siehe Art. 73 Abs.1 Nr. 5 i.V. m. Art. 71 GG), mit harmonisierten Regelungen im Bundesmeldegesetz ansetzen und tut es auch umfassend.

So kennen die bisherigen landesrechtlichen Bestimmun-gen unterschiedliche Ausnahmen von der Meldepflicht. Damit hängt es vom jeweiligen Landesrecht ab, ob eine „Meldekette“ im Einzelfall fortgeführt wird oder eben auch nicht, weil der Betroffene zwar an einen anderen Ort zieht, dort aber nach dem dortigen Landesrecht aus irgendwel-chen Gründen nicht meldepflichtig ist. In diesem Punkt

Ì Das Bundesmeldegesetz leistet einen

wesent lichen Beitrag zur Rationalisierung der

Staats- und Kommunalverwaltungen und für

mehr Bürgerservice.

Page 22: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

ANZEIGE

WWW.BOORBERG.DE

RICHARD BOORBERG VERLAG FAX 07 11 / 73 85-100 · 089 / 43 61 564 TEL 07 11 / 73 85-343 · 089 / 43 60 00-20 [email protected]

Mit Meldedaten richtig umgehenvon Dr. Eugen Ehmann, Regierungsvizepräsident, hrsg. von der Bayerischen Verwaltungsschule

2009, 2. Auflage, 276 Seiten, € 23,80

Reihe »Fortbildung & Praxis«, Band 10

ISBN 978-3-415-04188-2

Zweifelsfragen, die z.B. bei der Erteilung von Auskünf­ten oder der Weitergabe und Übermittlung von Melde­daten auftreten, lassen sich mit diesem Handbuch zutreffend einordnen und lösen. Zahlreiche Beispiele und Schau bilder erleichtern die professionelle und effektive Bear beitung des Einzelfalls.

Der Leitfaden bietet darüber hinaus ausführliche Erläu­ terungen u.a. zu den Auskunfts­ und Übermitt lungs ­sperren, der Auskunftserteilung am Telefon, per Tele­fax oder E­Mail sowie zu den Haftungsrisiken bei Falsch auskünf ten.

Echo der Fachpresse

»Entsprechend dem angesprochenen Adressatenkreis ist das Werk einfach und verständlich, aber auch präzise formuliert und bietet durch Schaubilder und eine Unzahl von Beispielfällen ein sehr anschauliches Material, um die Lesbarkeit zu erhöhen. Dabei hat der Verfasser die Tätigkeitsberichte der Datenschutz­Auf­sichtsbehörden nicht nur ausgewertet. Er setzt sich bei kritischen Punkten auch mit deren Meinung kritisch auseinander und macht ggf. eigene Vorschläge. [...]Insoweit bietet das Werk eine gute handwerkliche Basis für die alltägliche Praxis.«Hans-Hermann Schild, Vorsitzender Richter am VG Wiesbaden, in ZD-Aktuell 2011, 120

SZ0712

Bayerische Verwaltungsschule (Hrsg.)

EHMANN

Mit Meldedaten richtig umgehen

2. Aufl age

Fort

bild

ung

& P

raxi

s

10

MIT MELDEDATEN RICHTIG UMGEHEN.

Seite 21 PERSONENORDNUNG / DATENSCHUTZ BundeSmeldeGeSetZPUBLICUS 2012.8 INHALT

einem Umzug noch weitere Dienstleistungen angeboten werden können. So ist derzeit in der Diskussion, ob bei einem Umzug das bisherige Kfz-Kennzeichen des eigenen Fahrzeugs beibehalten werden kann. Dies setzt dann natür-lich eine entsprechende Meldung über die neue Anschrift des Halters an die Kfz-Zulassungsstelle voraus, die das Kennzeichen ausgegeben hat. Natürlich könnte man dem Bürger zumuten, diese Meldung selbst vorzunehmen. Für ihn wesentlich bequemer wäre es jedoch, wenn dies auf seinen Wunsch hin die Zuzugsmeldebehörde unmittelbar veranlassen würde. Und genau in diese Richtung gehen auch die aktuellen Überlegungen für eine entsprechende Rege-lung. Die Servicefunktion der Einwohnermeldeämter würde dadurch weiter gestärkt.

Dr. Eugen Ehmann, Regierungsvizepräsident, Regierung von Mittelfranken,

Ansbach

[email protected]

Page 23: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

WWW.BOORBERG.DE

RICHARD BOORBERG VERLAG FAX 07 11 / 73 85-100 · 089 / 43 61 564 TEL 07 11 / 73 85-343 · 089 / 43 60 00-20 [email protected]

Sch

rift

en z

um R

echt

der

In

nere

n Si

cher

heit

He

ck

ma

nn

u.a

. Si

cher

heit

sniv

eau

bei d

er e

lekt

roni

sche

n K

omm

unik

atio

n B

and

21

Heckmann · SeIDL · maIScH

Adäquates Sicherheitsniveau bei der elektronischen Kommunikation

Der Einsatz des E-Postbriefs bei Berufsgeheimnisträgern

21

Sch

rift

en z

um R

echt

der

In

nere

n Si

cher

heit

BonIn

Grundrechtsschutz durch ver fahrensrechtliche Kompensation bei Maßnahmen der polizeilichen Informationsvorsorge

20

Sch

rift

en z

um R

echt

der

In

nere

n Si

cher

heit

Schütte

Der Rechtsrahmen für polizeiliche Maßnahmen bei Staatsbesuchen

19

AKTUELL IN DER SCHRIFTENREIHE.

Heckmann · Seidl · Maisch

Adäquates Sicherheitsniveau bei der elektronischen Kommunikation Der Einsatz des E-Postbriefs bei Berufsgeheimnis-trägern

2012, 122 Seiten, € 22,–; ISBN 978-3-415-04843-0

Schriften zum Recht der Inneren Sicherheit, Band 21

Obwohl es Vorschriften zum Geheimnisschutz gibt, fehlten bislang juristische Analysen zum adäquaten Sicherheitsniveau bei der elektronischen Kommuni-kation. Diese Lücke schließt dieses Buch. Am Beispiel des Einsatzes des E-Postbriefs durch Berufsgeheim-nisträger untersuchen die Autoren die verfassungs-rechtlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedin-gungen der Kommunikationssicherheit in elektro- nischen Prozessen.

Bonin

Grundrechtsschutz durch verfahrens-rechtliche Kompensation bei Maßnah-men der polizeilichen Informationsvor-sorge 2012, ca. 368 Seiten, € 39,–; ISBN 978-3-415-04838-6

Schriften zum Recht der Inneren Sicherheit, Band 20

Ausgehend von einer Reihe jüngerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts greift die Darstel-lung den Gedanken des Grundrechtsschutzes durch Verfahren auf und untersucht ihn auf seine Bedeu-tung für die Informationsvorsorge. Zentraler Unter- suchungsgegenstand ist die Möglichkeit, Defizite auf Ebene des materiellen Grundrechtsschutzes durch verfahrensrechtliche Anforderungen an die Informationsvorsorgemaßnahmen zu kompensieren.

Schütte

Der Rechtsrahmen für polizeiliche Maßnahmen bei Staatsbesuchen 2012, 250 Seiten, € 36,–; ISBN 978-3-415-04831-7

Schriften zum Recht der Inneren Sicherheit, Band 19

Der Autor behandelt die allgemeinen und speziellen Schutzgüter des Polizeirechts, die Befugnisse und Zuständigkeitsbereiche der Polizeibehörden des Bundes und der Länder sowie die Zusammenarbeit der Beteiligten. Schließlich wird der rechtliche Rahmen der Einzelmaßnahmen betrachtet, die regelmäßig zur Gefahrenabwehr bei einem Staatsbe-such getroffen werden.

Weitere Informationen zur Reihe unter

www.booorberg.de/alias/84725

ANZEIGE

Page 24: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

www.publicus-boorberg.de

RoundtableMittwoch, 13. November 2012

von 16 bis 19 Uhr

Frankfurt

Programm

Begrüßung und Einführung Franz-Reinhard Habbel, Direktor für politische Grundsatzfragen, DStGB

Vorträge und Diskussion

Strategische Kommunikation in Krisensituationen

Was ist presserechtlich angreifbar?

Der Umgang mit der (drohenden) Verdachtsberichterstattung

Presserechtliches Instrumentarium – Nutzen und Möglichkeiten der Durchsetzung

Vorbereitung und Ablauf der presserechtlichen Auseinandersetzung

Aus der Praxis: »Wenn der Shitstorm da ist ...«

Abschlussdiskussion und Get-together

Kosten: € 98,– plus Umsatzsteuer

Anmeldung unter: [email protected] bzw. www.publicus-boorberg.de/alias/veranstaltungen

PUBLICUS-Roundtable

Presserechtliches Krisenmanagement – Umgang mit kritischer MedienberichterstattungDie richtige Reaktion im Falle einer (drohenden) kritischen Berichterstattung der Medien verlangt journalistisches und juristisches Fingerspitzengefühl.Insbesondere Kommunen haben hier nicht immer den erforderlichen Erfah-rungsschatz. In dem Roundtable-Gespräch soll erörtert werden, wie die journalistische Bewältigung in Form einer klugen Öffentlichkeitsarbeit durch presserecht liche Analysen und Schritte ergänzt werden kann.

Referenten:

Gernot Lehr Rechtsanwalt und Partner Redeker Sellner Dahs Rechtsanwälte, Bonn

Thomas KnippSenior Partner, Brunswick Group GmbH, Frankfurt

Dr. Christian Mensching, LL.M. Rechtsanwalt, Redeker Sellner Dahs Rechtsanwälte, Bonn

Die PUBLICUS-Roundtables bieten als exklusive Veranstaltung den Entscheidungsträgern aus den Kommunen und kommunalen Unternehmen eine Plattform zum Austausch und zur Dis kussion. Hochkarätige Refe renten und führende Praktiker berichten über aktuelle Themen.

In Zusammenarbeit mit:

und

ANZEIGE

Page 25: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 22 BAU / BODEN / PLANUNG BauGB-noVelle Zur StÄrKunG der innenentWicKlunGPUBLICUS 2012.8 INHALT

NOVELLE DES BAUGESETZBUCHS 2012Überblick und Bewertung der wichtigsten geplanten Änderungen

Auch eine gemeindliche Tochtergesellschaft sollte Vertragspartnerin eines Erschließungsvertrags sein können.

Bereits im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP vom 26.10.2009 war vorgesehen, das BauGB im Sinne einer verstärkten Innenentwicklung und einer verbesserten Einbe-ziehung des Klimaschutzes zu überarbeiten. In einer Exper-tenrunde, den sogenannten «Berliner Gesprächen», wurden im Herbst 2011 in diesem Zusammenhang die wesentlichen Änderungsbedarfe herausgearbeitet. Nach der Reaktorkata-strophe von Fukushima wurden aus diesem Pool die ohnehin geplanten energie- und klimapolitischen Regelungen vorge-zogen, die als Teil der „Atomausstiegsgesetze» am 30.07.2011 in Kraft getreten sind.

Der jetzt vorliegende Kabinettsentwurf eines Gesetzes „zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebau-rechts“ soll nun die übrigen schon länger beabsichtigten Änderungen des BauGB und der BauNVO umsetzen und enthält darüber hinaus noch einige weitere vergleichsweise geringfügige Fortschreibungen des Bauplanungsrechts. Der Entwurf soll im Spätsommer in den Bundestag eingebracht werden. Offen ist, ob im federführenden Ausschuss des Deutschen Bundestages eine Expertenanhörung stattfinden soll. Ziel ist, das Gesetzgebungsverfahren bis Ende 2012 abzuschließen und das Gesetz zum 01.01.2013 in Kraft treten zu lassen.

Nachfolgend sollen nur die wichtigsten geplanten Ände-rungen in einem gerafften Überblick vorgestellt und eine erste Bewertung vorgenommen werden. Selbstverständlich ist es denkbar und sogar überwiegend wahrscheinlich, dass

der Bundestag oder der Bundesrat noch Modifikationen im Entwurf beschließen wird bzw. dass noch zusätzliche Rege-lungen aufgenommen werden.

ergänzung des § 1 und des § 1 a BauGB

In §§ 1 und 1 a BauGB sollen nochmals Hinweise auf die

Vorrangigkeit von Maßnahmen der Innenentwicklung gegenüber Maßnahmen der Außenentwicklung aufgenom-men werden. Eine echte inhaltliche Rechtsänderung dürfte damit nicht verbunden sein, da diese Punkte ohnehin seit je zum Abwägungsmaterial in der Bauleitplanung gehört haben.

Page 26: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 23 BAU / BODEN / PLANUNG BauGB-noVelle Zur StÄrKunG der innenentWicKlunGPUBLICUS 2012.8 INHALT

mäßig in einem Misch- oder Dorfgebiet problemlos möglich; der Anwendungsbereich der Vorschrift muss also dort liegen, wo eine entsprechende Nutzungsänderung am Einfü-gungsgebot scheitern würde, also etwa in einem Gewerbe-gebiet. Hier ist jedoch die Aufnahme einer Wohnnutzung städtebaulich kaum vertretbar.

Eine begrüßenswerte Flexibilisierung wird allerdings die angedachte Möglichkeit enthalten, dass nun auch bei Sat-zungen im Sinne des § 34 Abs. 4 BauGB Ausnahmen und Befreiungen möglich sind. Zwar dürfte dies wegen der Kleinteiligkeit einer solchen Satzung eher selten vorkom-men; die Anwendung des § 31 BauGB entspricht aber den Bedürfnissen der Praxis.

Änderungen des § 35 BauGB

Auch in § 35 BauGB sollen zwei Änderungen vorgenommen werden: – Zum einen soll eine Intensivtierhaltung, die der Pflicht zur

Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, nicht mehr nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sein.

– Darüber hinaus soll im Rahmen der Umnutzungsmöglich-keit land- und forstwirtschaftlicher Bausubstanz nach § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB im Einzelfall auch eine Neuerrich-tung des Gebäudes infrage kommen.

Die Absicht des Gesetzgebers, gewerbliche Tierhaltungsbe-triebe, die bislang im Prinzip unbeschränkt gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert sind, im Außenbereich zu begren-zen, ist sicher begrüßenswert. Ob die Abgrenzung zwischen den privilegierten und den nicht privilegierten Betrieben, die der Gesetzentwurf sucht und in der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung finden will, sinnvoll ist, muss aber zumindest bezweifelt werden. Dies ergibt sich daraus, dass das UVPG die Umweltverträglichkeitsprüfungs-pflicht nicht (nur) an feste Grenzen bindet, sondern auch Instrumente kennt, die eine solche Pflicht lediglich bei Vor-liegen bestimmter Umstände des Einzelfalls fordern (allge-meine Vorprüfung im Einzelfall, standortbezogene Vorprü-fung im Einzelfall). Damit würde durch die geplante Fassung des Gesetzes eine alles andere als präzise Grenze für die Anwendung dieses Privilegierungstatbestands gezogen.

Auch über die zweite geplante Änderung des § 35 BauGB wird noch zu diskutieren sein. Bislang ist ein Vorhaben nach

BauGB als Spezialvorschrift gegenüber § 11 BauGB angese-hen, was in der Konsequenz bedeutet, dass außerhalb des klassischen Erschließungsvertrags in der Konstellation des § 124 BauGB keine anderen Formen der vertraglichen Be-handlung von Erschließungsanlagen und -kosten (z. B. Kostenübernahmevertrag) möglich wären. Zum anderen hat das Gericht – kurz gefasst – Erschließungsverträge mit gemeindlichen Eigengesellschaften verboten.

Der Gesetzentwurf korrigiert – völlig zu Recht – die erst-genannte Folge und reiht die Erschließungsverträge in den Kanon der städtebaulichen Verträge ein. Damit würden beispielsweise Kostenübernahmeverträge problemlos zuläs-sig. Ob die hergebrachte Konstruktion des § 124 BauGB nicht im Gesetz hätte beibehalten werden sollen, wäre aber zumindest überlegenswert gewesen. Bedauerlich ist aber, dass die Problematik, ob nicht auch eine gemeindliche Tochtergesellschaft Vertragspartner eines Erschließungsver-trags sein kann, jedenfalls nicht ausdrücklich angesprochen und im Sinne einer grundsätzlichen Zulässigkeit gelöst wird. Dies sollte im Gesetzgebungsverfahren noch unbedingt nachgeholt werden.

Änderungen des § 34 BauGB

In § 34 BauGB sind zwei Änderungen geplant: – § 34 Abs. 3a BauGB soll zukünftig ein Abweichen vom

Einfügungsgebot im Einzelfall auch dann erlauben, wenn ein Gewerbe- oder Handwerksbetrieb zu einem Wohnzwecken dienenden Gebäude umgenutzt werden soll.

– Darüber hinaus soll § 31 BauGB (Ausnahmen und Befrei-ungen) auch auf Innenbereichssatzungen i.S.d. § 34 Abs. 4 BauGB angewandt werden dürfen.

Die erste Änderung ist nicht unproblematisch. § 34 Abs. 3a BauGB erlaubt in bestimmten Konstellationen eine Abwei-chung vom Einfügungsgebot, wenn – kurz gefasst – eine befreiungsähnliche Lage gegeben ist. Bisher hatte die Vor-schrift eine Erweiterung, Änderung oder Nutzungsänderung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Hand-werksbetriebs und diejenige einer zulässigerweise errichte-ten baulichen Anlage zu Wohnzwecken geregelt. Nun soll auch die Umnutzung eines bislang gewerblich oder hand-werklich genutzten Gebäudes in eine Wohnnutzung erfasst werden. Eine solche Umnutzung wäre allerdings ganz regel-

einfacher Bebauungsplan für Vergnügungsstätten (§ 9 abs. 2b BauGB)In einem neuen § 9 Abs. 2b BauGB soll den Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt werden, in einem Bebauungsplan festzusetzen, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Das Gesetz selbst listet dann die Gründe auf, die ein solches Vorgehen rechtfertigen sollen: – eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen

schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder

– eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Ge-biets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten.

Die geplante Neuregelung bietet damit für die Gemeinde zwei Vorteile: – Zwar wiederholt die Regelung im Grunde lediglich die in

der Rechtsprechung bereits als tragfähig erachteten Rechtfertigungsgründe zur Steuerung von Vergnügungs-stätten, allerdings ist jedenfalls der Hinweis auf die Beein-trächtigung sensibler Nutzungen eine gegenüber den vorhandenen Judikaten zumindest konkretisierende Rege-lung.

– § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO gibt der Gemeinde zwar bereits jetzt die Möglichkeit, über eine Feinsteuerung der Art der baulichen Nutzung Vergnügungsstätten oder sogar Spiel-hallen speziell zu steuern, allerdings ist dazu die Festset-zung eines Baugebietstyps der BauNVO notwendig. Dies ist gerade in bebauten Bereichen nicht immer unproble-matisch. § 9 Abs. 2b BauGB würde eine Steuerung von Vergnügungsstätten auch ohne eine solche Festsetzung zulassen.

Vereinbarungen über die erschließung werden zu städte-baulichen VerträgenDer Gesetzentwurf beabsichtigt, die Regelung über den Erschließungsvertrag in § 124 BauGB zu streichen und eine solche Vereinbarung in den Katalog der städtebaulichen Ver-träge nach § 11 BauGB aufzunehmen. Dies ist eine Reaktion auf eine Entscheidung des BVerwG (Urteil vom 01.12.2010, BVerwGE 138, 244). Das Gericht hat darin zum einen § 124

Page 27: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

WWW.BOORBERG.DE

RICHARD BOORBERG VERLAG FAX 07 11 / 73 85-100 · 089 / 43 61 564 TEL 07 11 / 73 85-343 · 089 / 43 60 00-20 [email protected]

Jäde · Dirnberger · Weiß

BauGB · BauNVO context 6 Online-Dienst mit Kommentierungen – Vorschriften – Entscheidungen – Materialien

Online-Dienst, kontinuierlich fortgeführt mit 4 Updates jährlich

Grundlizenz mit 3 Simultanzugängen € 198,– jähr-lich; jeder weitere Simultanzugang € 100,– jährlich

Der Online-Dienst bietet:

�� die praxisgerechten, kompetenten Erläuterungen der Printausgabe, kontinuierlich aktualisiert,

�� über 6.000 baurechtliche Entscheidungen aller Instanzen im Volltext,

�� über 200 Vorschriften, darunter alle LBOen, alle Fassungen der BauNVO etc.

�� dynamischer Versionsvergleich von Vorschriften-fassungen,

�� die vollständige Verlinkung aller Inhalte und Ver-weise,

�� zielführende Trefferlisten,�� klar gegliederte Oberfläche und vieles mehr.

SZ0712

UMFASSEND.

Dreimonatiger Testzugang und Registrierung unter:www.baugb-context.de www.baunvo-context.de

ANZEIGE

Seite 24 BAU / BODEN / PLANUNG BauGB-noVelle Zur StÄrKunG der innenentWicKlunGPUBLICUS 2012.8 INHALT

energie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen lediglich über eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden können. Dies folgt daraus, dass der von diesen Anlagen erzeugte Strom hauptsächlich in das öffentliche Netz einge-speist wird, so dass es sich bei den Anlagen nicht um Neben-anlagen im Sinne des § 14 BauNVO, sondern um gewerbli-che (Haupt)Anlagen handelt. § 14 Abs. 3 BauNVO n.F. will diese Anlagen jetzt in den Katalog der Anlagen nach § 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO aufnehmen. Dies würde bedeuten, dass sie in allen Baugebieten regelmäßig zulässig wären. Diese Änderung entspricht einem dringenden Bedürfnis der Praxis und ist daher uneingeschränkt begrüßenswert.

§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB nur dann zulässig, wenn es «einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausub-stanz» dient. Zwar ist die Rechtsprechung in diesem Zusam-menhang vergleichsweise großzügig, ein Abriss und Neubau des Gebäudes wird aber von der Vorschrift sicherlich nicht mehr gedeckt. Genau dies soll jedoch durch den vorliegen-den Gesetzentwurf ermöglicht werden. Damit wird der «Bestandsschutz» für ehemals landwirtschaftlich genutzte bauliche Anlagen nochmals deutlich ausgeweitet. Unabhän-gig von der Frage, ob dies sinnvoll ist oder nicht, ist zumin-dest der beabsichtigte Wortlaut der Vorschrift dringend verbesserungswürdig. Er arbeitet mit einer Vielzahl unbe-stimmter Rechtsbegriffe (z. B. mit dem kaum klar konturier-ten Begriff „in begründeten Einzelfällen») und dürfte in der Praxis nur schwer handhabbar sein.

Kinderbetreuungseinrichtungen in reinen WohngebietenAnlagen zur Betreuung von Kindern – Kindergärten, Kinder-krippen, Horte – sind nach der Begrifflichkeit der BauNVO „Anlagen für soziale Zwecke“. In reinen Wohngebieten sind solche Anlagen bislang nur ausnahmsweise zulässig. Die Vorgängerfassungen der BauNVO enthalten diese Regelung in den jeweiligen Bestimmungen über das reine Wohngebiet überhaupt nicht, woraus folgt, dass Kinderbetreuungsein-richtungen dort nur über eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB realisiert werden können. Hier will die Änderung des § 3 Abs. 2 BauNVO helfen, die vorsieht, dass in reinen Wohn-gebieten Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnis-sen der Bewohner des Gebiets dienen, in Zukunft allgemein zulässig sein sollen. Die Regelung soll nach dem beabsich-tigten § 245a BauGB auch für alte Bebauungspläne gelten. Diese Klarstellung ist uneingeschränkt zu begrüßen.

anlagen zur nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen als nebenanlagenVor allem in reinen Wohngebieten tritt im Augenblick das Problem auf, dass Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungs-

Dr. Franz Dirnberger, Direktor beim Bayerischen Gemeindetag Referat Baurecht und Landesplanung, München

[email protected]

Ì Über die geplanten Änderungen des

§ 35 BauGB wird noch zu reden sein.

Page 28: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 25 BAU / BODEN / PLANUNG KonVerSionSFlÄchenPUBLICUS 2012.8 INHALT

KONVERSION EHEMALIGER MILITÄRFLÄCHENWie bleibt die Gemeinde Herrin des Verfahrens?

Bei der Bewältigung der Folgen des Bundeswehrabbaus werden Kommunen zu Hauptakteuren von Konversionsprojekten.

In Deutschland existieren noch immer viele ehemalige Militärflächen. Nicht nur in den bekannten Garnisonsstäd-ten, sondern über die gesamte Republik verteilt befinden sich vormals militärisch genutzte Liegenschaften der Bun-deswehr und der verbündeten Streitkräfte. Die vorgenom-mene Truppenreduzierung und der Abzug der alliierten Streitkräfte brachten es seit den 1990er Jahren mit sich, dass zahlreiche militärische Liegenschaften in Deutschland für eine zivile Nutzung freigegeben wurden. Seit 1990 hat der Bund, zuletzt über die Bundesanstalt für Immobilienauf-gaben (BIMA), rund 50.000 ehemalige Militärflächen mit einem Gesamtverkehrswert von über 15 Milliarden € ver-kauft und einer zivilen Nutzung zugeführt. Im Jahre 2009 verfügte die Bundeswehr noch über weitere 2500 abzuge-bende Liegenschaften mit einer Grundstücksfläche von mehr als 300.000 ha.

Grundsätzlich unterliegen militärische Flächen nicht der Planungshoheit der Gemeinde und können daher nicht einfach durch einen Bebauungsplan überplant werden. Zuvor ist zur Freigabe der Liegenschaft eine Abgabeerklä-rung des Bundesministers der Verteidigung erforderlich; erst danach erfolgt der Wechsel zurück zur kommunalen Planungshoheit. Anders als bei eisenbahnrechtlich gewid-meten Flächen ist hierfür eine förmliche Entwidmung nicht erforderlich.

Flächen, die demnach aufgegeben und von der Nutzung durch Bundeswehr oder alliierte Streitkräfte geräumt wur-den, verbleiben zunächst im Eigentum der BIMA. Für die

Dabei sind die Zielsetzungen der Gemeinden häufig klar: Viele Gemeinden sind bestrebt, die Entwicklung von neuen, lebendigen Stadtteilen mit gemischten Nutzungen struktu-riert zu fördern. Gerade auch für Gelände, die grundsätzlich für verschiedene Nutzungen geeignet sind, wollen Gemein-den eine geordnete städtebauliche Entwicklung vollziehen.

Kommunen als Träger der Planungshoheit stellt sich dann die Frage, wie diese Flächen, die oftmals in zentralen inner-städtischen Lagen oder auf „Filetgrundstücken“ im Gemein-degebiet liegen, künftig einer angemessenen und zukunfts-weisenden städtebaulichen Entwicklung zugeführt werden können.

Page 29: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 26 BAU / BODEN / PLANUNG KonVerSionSFlÄchenPUBLICUS 2012.8 INHALT

die Gefahr, dass die Gemeinde an dem prognostizierten künftigen Bedarf „vorbeiplant“, jedenfalls aber Kosten auf-wendet, die sie dann wohl nicht auf die späteren Eigentümer umlegen kann.

Kombinierte lösungSchließlich kann eine Gemeinde auch eine reine Bebauungs-planlösung nur für diejenigen Flächen treffen, deren künfti-ge Nutzung bereits feststeht und im Übrigen städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen für das restliche Konversionsareal einleiten. Wenn und soweit bereits für einzelne Grundstücke konkrete Planungsvorstellungen der Investoren vorliegen und sich damit für diese Grundstücke der verfolgte Entwick-lungszweck nicht realisiert, das heißt, dass das Gemeinwohl ihre Einbeziehung in den Entwicklungsbereich nicht mehr fordert, kann sich die Möglichkeit der Gemeinde, solche Grundstücke aus dem Entwicklungsbereich auszunehmen, sogar zu einer Rechtspflicht verdichten. Für solche Grund-stücke kann es zweckmäßig sein, in einem Durchführungs-vertrag zu einem Vorhaben- und Erschließungsplan die Beteiligung an den Kosten der Gebietsaufwertung ein-schließlich der Erschließungsanlagen zu vereinbaren oder dies im Rahmen eines „klassischen“ städtebaulichen Vertra-ges zu regeln. Der Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass trotz des Wegfalls der Wertabschöpfung im Wege von Aus-gleichsbeiträgen die Kommune im Rahmen von städtebauli-chen Verträgen die Kosten der Gebietsentwicklung als Folgekosten auf den Grundstückseigentümer umlegen kann. Folgekostenfähige Maßnahmen sind demnach auch Aufwen-dungen für soziale Einrichtungen, die der Versorgung des Gebietes dienen. Hierzu gehören unter anderem die Errich-tung oder Erweiterung von Kindergärten oder Kindertages-stätten, Grundschulen, Kinderspielplätzen, Bolzplätzen oder anderer Sportanlagen sowie von Freizeit- und Erholungsflä-chen.

Entwickelt die Gemeinde einen ganzen Stadtteil neu, kann der Kreis der städtebaulichen Maßnahmen unter Umständen noch weiter gefasst werden und auch ÖPNV-Anschlüsse für neue Bus- oder Stadtbahnlinien, Bürgerzentren und Kultur-zentren enthalten. Solche Kostenvereinbarungen in städte-baulichen Verträgen würden dazu führen, dass die Gebiets-aufwertungskosten einschließlich der Erschließungskosten weitgehend auf den Grundstückseigentümer abgewälzt

deren Käufer, umzulegen. Damit kann die Erhöhung des Bodenwertes der Grundstücke abgeschöpft werden. Hier tritt die Bodenwertabschöpfung an die Stelle des Umle-gungs- und Erschließungsbeitragsrechts. Die Abschöpfung würde diejenigen Eigentümer treffen, die ihre Grundstücke im Entwicklungsbereich behalten, an denen also die Kommu-ne selbst kein Eigentum erwirbt. Sie haben deshalb einen Ausgleichsbeitrag in Höhe der entwicklungsbedingten Wertsteigerung an die Gemeinde zu entrichten. Nachteil solcher städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen ist jedoch grundsätzlich ihre längere Verfahrensdauer. Regelmäßig laufen solche Maßnahmen bis zum vollständigen Abschluss im gesamten Entwicklungsgebiet und erfordern zusätzlich die Aufstellung von Bebauungsplänen. Einzelne Grundstücke können nach der förmlichen Einleitung des Verfahrens nur ausnahmsweise vor Beendigung der Gesamtmaßnahmen wieder aus dem Entwicklungsgebiet entlassen werden. Auch sind Baugenehmigungen für Eigentümer, die Umnutzungen vornehmen wollen, grundsätzlich genehmigungsbedürftig; die Genehmigung ist am Ziel der Entwicklungsmaßnahmen zu messen.

reine BebauungsplanlösungAlternativ kann die Gemeinde eine reine Bebauungsplanlö-sung für das gesamte Konversionsareal umsetzen, um die Entwicklungsziele zu erreichen. Die Durchführung eines solchen „klassischen“ städtebaulichen Mittels kann häufig ausreichen, um die Planungsvorstellungen der Gemeinde ohne Durchführung eines zeitintensiven Entwicklungsverfah-rens umzusetzen. Nachteil dieser Lösung ist jedoch, dass aufgrund einer noch nicht feststehenden Eigentümervielzahl häufig Bebauungsplanverfahren nicht allen künftigen Pla-nungsvorstellungen gerecht werden können. Konversionsflä-chen ermöglichen häufig flächenintensive Nutzungen. Es ist eine große Herausforderung, solche Flächen vollständig zu entwickeln, ohne förmliche Instrumente städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen heranzuziehen. Die Entwicklung eines Konversionsareals zieht zumeist auch erhebliche Kos-ten nach sich, insbesondere für die Altlastensanierung und Schaffung von Verkehrsinfrastruktur. Wenn im Rahmen eines reinen Bebauungsplanverfahrens nicht alle Eigentümer-interessen, insbesondere die Interessen künftiger Eigentü-mer als Rechtsnachfolger der BIMA, bekannt sind, besteht

Dabei ist primäres Ziel, „Herrin“ des Planungsverfahrens zu sein und damit die städtebauliche Entwicklung auch in Zukunft koordinieren zu können. Hierfür ist zu entscheiden, ob die Kommunen sich die Option sichern wollen, Flächen des Konversionsareals selbst zu erwerben und sie dann einer Entwicklung und Erschließung zuzuführen oder ob sie ledig-lich die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine künftige nichtmilitärische Nutzung durch private Investoren schaffen wollen.

Insofern können sich die Kommunen auch die weitere Option offenhalten, mit dem jeweiligen Eigentümer der Flächen im Zuge von Vereinbarungen auch ohne einen Erwerb sicherzustellen, dass die kommunalen Entwicklungs-ziele umgesetzt werden. Wichtig für Kommunen ist regelmä-ßig, dass die Entwicklung der Konversionsfläche nicht zu unvertretbaren Kosten führt bzw. dass die aus der Entwick-lung entstehenden Kosten im gesetzlich zulässigen Rahmen auch unter den Verfahrensbeteiligten aufgeteilt werden können. Die Planungsvorstellungen der übrigen Verfahrens-beteiligten sind ebenfalls häufig identisch: Aus Sicht der BIMA ist ein kurzfristiger Verkauf der Grundstücke ange-strebt. Für private Nutzer, die von der BIMA erwerben, gilt es regelmäßig, möglichst schnell Baurecht für neue Projekte zu schaffen.

Städtebauliche entwicklungsmaßnahmenAus Sicht der betroffenen Kommunen kommen städtebauli-che Entwicklungsmaßnahmen nach BauGB für das gesamte Konversionsareal in Betracht. Städtebauliche Entwicklungs-maßnahmen sind Instrumente für besonders gelagerte städtebauliche Situationen, insbesondere auch für Konversi-onsflächen, in denen die übrigen städtebaulichen Instrumen-te voraussichtlich nicht zum angestrebten Erfolg führen. Der Einsatz städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen muss daher grundsätzlich zurückhaltend erfolgen, wenn auf der Grundlage von Beschlüssen der Gemeinde für das gesamte örtliche Konversionsareal ein Satzungsbeschluss über die förmliche Festlegung und Bezeichnung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs zu treffen ist. Vorteil dieses Verfah-rens ist die Möglichkeit für die Kommunen, Kosten für Maß-nahmen, die der Vorbereitung und Durchführung der Ge-bietsentwicklung dienen, im Wege von Ausgleichsbeiträgen auf die Grundstückseigentümer, also auch auf die BIMA bzw.

Page 30: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

ANZEIGE

Kapellmann und Partner ist die führende deutsche Kanzlei im Bau-, Vergabe- undImmobilienrecht. Gegründet im Jahr 1974 beschäftigen wir heute rund 100 An-wälte an sieben Standorten im In- und Ausland.

Unsere praxiserfahrenen Teams betreuen große Immobilien- und Bauprojekte öffentlicher und privater Investoren. Neben unserer ausgewiesenen Expertise imBaurecht vertreten wir Auftraggeber, öffentlich-rechtliche Körperschaften und Un- ternehmen auf den Gebieten des Vergabe-, Immobilien- und Wirtschaftsrechts.Hierbei stehen wir unseren Mandanten im Bereich des Öffentlichen Rechts mitden Aspekten Planung, Regulierung und Umwelt zur Verfügung. Bei der Beratung und Vertretung in bau- und immissionsschutzrechtlichen Planungs-und Genehmigungsverfahren, ÖPP-Projekten, städtebaulichen Verträgen, Altlasten- undUmwelthaftungsfragen gehört das öffentliche Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsrecht zuunseren Kernkompetenzen.

Tätigkeitsgebiete:� Baurecht� Immobilienrecht � Vergaberecht� Wirtschaftsrecht

www.kapellmann.de

Rechtsberatung, die Maßstäbe setzt.

� BerlinAnna-Louisa-Karsch-Str. 210178 BerlinTel. 030/39 97 69-0

� Brüssel41, Rue de la ScienceB-1040 BrüsselTel. +32 (0)2 234 11 60

� DüsseldorfStadttor 140219 DüsseldorfTel. 02 11/60 05 00-0

� Frankfurt/MainUlmenstraße 37–3960325 Frankfurt/MainTel. 069/71 91 33-0

� HamburgAlstertor 920095 HamburgTel. 0 40 / 30 09 160-0

� MönchengladbachRheinbahnstraße 28–3841063 Mönchen gladbachTel. 0 21 61/811-8

� MünchenJosephspitalstraße 1580331 MünchenTel. 089/24 21 68-0

Büroimmobilie THE SQUAIRE, Ostkopf 1

© R

olan

d H

orn

AZ_159x172_2-3_publicus:AZ_210x148 07.11.2011 12:28 Uhr Seite 1Seite 27 BAU / BODEN / PLANUNG KonVerSionSFlÄchenPUBLICUS 2012.8 INHALT

werden könnten, so dass dieser mit den Eigentümern im förmlich festgesetzten Entwicklungsgebiet wirtschaftlich gleichgestellt wäre.

Fazit Im Ergebnis bestehen für Kommunen, in deren Gemeindege-biet Konversionsflächen liegen, verschiedene Möglichkeiten, ihre städtebaulichen Ziele umzusetzen, Herrin des Verfah-rens zu bleiben und gleichermaßen den Interessen der weiteren Verfahrensbeteiligten Rechnung zu tragen. Für welchen Weg sich die Kommune entscheidet, hängt maßgeb-lich von den Planungsvorstellungen der Kommune selbst, aber auch von den Nutzungsinteressen der Investoren ab. Allen Maßnahmen ist gemein, dass die Kommune – über kurz oder lang – rechtliche Möglichkeiten hat, die ihr für die Entwicklung des Areals entstehenden Kosten ganz oder zum großen Teil auf die späteren Grundstückseigentümer umzu-legen. In einer solchen komfortablen Situation bleibt genü-gend Raum für eine geordnete städtebauliche Planung.

Dr. Stefan Pützenbacher, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungs-recht, Kanzlei Kapellmann und Partner, Frankfurt am Main, Lehrbeauftragter an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung,Frankfurt am Main

[email protected]

Page 31: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 28 BUND / LÄNDER / KOMMUNEN nachhaltiGKeitPUBLICUS 2012.8 INHALT

GLOBALES DENKEN LOKAL VERANKERNAktuelle Studie zur Nachhaltigkeitssteuerung in den Kommunen

Nachhaltigkeit ist bereits ein kommunales Thema – Nachhaltigkeitssteuerung sollte es werden.

Nachhaltigkeit ist nicht erst seit dem UN-Jubiläumsgipfel „Rio +20“ im Juni dieses Jahres in aller Munde und obwohl die Enttäuschung über die Ergebnisse zum Teil groß ist, sollte nicht vernachlässigt werden, dass seit dem Weltgipfel in Rio de Janeiro 1992 doch einiges geschehen ist. Neben zahlreichen zivilgesellschaftlichen Bewegungen, zum Bei-spiel den Agenda-21-Gruppen, wurden in den letzten 20 Jahren Ansätze zur Förderung von Nachhaltigkeit und einer nachhaltigen Entwicklung auf allen föderalen Ebenen (Bund, Länder und Kommunen) etabliert.

Beispielhaft seien hier nur die 2002 auf Bundesebene verabschiedete nationale Nachhaltigkeitsstrategie, die kontinuierlich evaluiert und fortentwickelt wird, sowie die Verabschiedung von weiteren Nachhaltigkeitsstrategien in einigen Bundesländern genannt. Am vielfältigsten sind die Entwicklungen wohl auf der kommunalen Ebene. „Think global, act local“ ist eines der Schlagwörter der globalen Nachhaltigkeitsbewegung. Auch im Abschlussdokument der diesjährigen „Rio +20“-Konferenz wurde die Bedeutung der

Kommunen an verschiedenen Stellen erneut hervorgehoben und dazu aufgefordert, gerade auf dieser Ebene das Thema Nachhaltigkeit weiter voranzutreiben. Wie weit sind hier die deutschen Kommunalverwaltungen? Dieser Frage widmet sich die jüngst veröffentlichte Studie „Kommunale Nachhal-tigkeitssteuerung – Umsetzungsstand bei großen Städten

und Landkreisen“ des Instituts für den öffentlichen Sektor e.V. in Kooperation mit der Leuphana Universität Lüneburg sowie der Stadt Freiburg im Breisgau.

Für die Studie wurden Ende 2011/Anfang 2012 erstmalig die (Ober-) Bürgermeister und Landräte der 371 größten deutschen Kommunen (Städte über 40.000 Einwohner,

Ì Das Thema Nachhaltigkeit wird weiter

vorangetrieben. Wie weit sind hier die

deutschen Kommunalverwaltungen?

Page 32: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 29 BUND / LÄNDER / KOMMUNEN nachhaltiGKeitPUBLICUS 2012.8 INHALT

angeben, welche externen Akteure sie bei diesem Thema mit einbeziehen. Hier zeigt sich, dass die meisten kommunalen Unternehmen selbst Nachhaltigkeitsvorhaben durchführen, worüber sie jedoch nur selten berichten. Über zwei Drittel der Kommunen integrieren ihre kommunalen Unternehmen auch in eigene Nachhaltigkeitsprojekte und -vorhaben. Bei der Hälfte werden Hochschulen und andere Forschungsein-richtungen beteiligt und immerhin bei über einem Drittel auch privatwirtschaftliche Unternehmen. Die größte Rolle bei den externen Akteuren spielt dessen ungeachtet die Zivilgesellschaft, deren Einbindung jedoch bei einem Groß-teil der Kommunen eher informell über bürgerschaftliches Engagement, Bürgerbefragungen, etc. erfolgt.

Um den Stand der integrativen Nachhaltigkeitssteuerung bei den deutschen Kommunen abschließend besser einord-nen zu können, entwickelte das Autorenteam ein Set der wichtigsten Kriterien für eine gute kommunale Nachhaltig-keitssteuerung. Eine Einstufung der teilnehmenden Kommu-nen nach diesen Kriterien zeigt, dass derzeit nur eine Min-derheit bereits große Fortschritte verzeichnen kann. Dies korrespondiert durchaus mit der Selbsteinschätzung der Kommunen, wobei sich mehr als die Hälfte beim Vergleich mit anderen Kommunen selbst mit der Note drei oder schlechter bewertet. Die Kommunen sehen somit durchaus Verbesserungspotenzial bei sich selbst. Dieses gilt es zu nutzen. Basierend auf der Tatsache, dass viele Kommunen bereits einen Teil der Kriterien des Autorenteams erfüllen, ist davon auszugehen, dass eine integrative Nachhaltigkeits-steuerung zumindest teilweise bereits in die deutsche Kom-munalverwaltung Einzug gehalten hat und sich weiter durch-setzen wird.

ausblickDiese Bestandsaufnahme bestätigt also die Abschlusserklä-rung der „Rio +20“-Konferenz, dass das Thema Nachhaltig-keit auf der kommunalen Ebene bereits vorangetrieben wurde und wird. Der Statusquo zeigt jedoch auch deutlich, dass hier noch weitere Anstrengungen erforderlich sind, um eine integrative Nachhaltigkeitssteuerung in der Kommunal-verwaltung fest zu etablieren. Hierzu wird das Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk, dem das Institut für den öffentli-chen Sektor e.V., die Leuphana Universität Lüneburg sowie die Städte Lüneburg und Freiburg im Breisgau angehören, in

Um Nachhaltigkeit langfristig in der Kommunalverwaltung zu verankern, bedarf es der Etablierung von Instrumenten zur Nachhaltigkeitssteuerung. Um deren Umsetzungsstand zu erfahren, wurden die Kommunen in der Studie nach der Nutzung folgender Steuerungsinstrumente befragt: Control-ling/Monitoring, Zielsystem, Indikatoren/Kennzahlen, nach-haltige Beschaffungsrichtlinie, Personalbereitstellung/Personalentwicklung, Weiterbildung/Schulung, Verwal-tungsanweisung, Nachhaltigkeitsstrategie, Evaluation sowie öffentlicher Nachhaltigkeitsbericht. Wie die Ergebnisse zeigen, werden Monitoring/Controlling, Zielsysteme sowie Indikatoren/Kennzahlen weitaus häufiger bereits von den Verwaltungen genutzt als Evaluationen oder die Veröffentli-chung eines Nachhaltigkeitsberichts. Auch hier bleibt also noch einiges zu tun. Wenn Kommunen Nachhaltigkeit in bereits bestehende verwaltungsinterne Steuerungsinstru-mente integriert haben, geschieht dies hauptsächlich im Haushaltswesen bzw. bei den Ziel- und Leistungsvereinba-rungen.

Das Vorantreiben der Nachhaltigkeitsthematik in der Kommunalverwaltung wird wesentlich von den Rahmenbe-dingungen geprägt, in denen kommunales Handeln stattfin-det. Um deren Relevanz besser einschätzen zu können, wurden die Teilnehmer gebeten, bestimmte Rahmenbedin-gungen hinsichtlich ihrer kurz-, mittel- und langfristigen Bedeutung für die eigene Kommune zu bewerten. Als kurz-fristige und somit akute Themen werden von den Kommunen die Haushaltskonsolidierung, die Wirtschaftsförderung und Arbeitsplätze sowie die Bildung angeführt. Klassische Nach-haltigkeitsthemen wie Naturschutz und demografischer Wandel werden demgegenüber eher als langfristig wichtig eingestuft. Neben den Rahmenbedingungen ist es auch noch wichtig, wie und vor allem von wem das Thema Nachhaltig-keit in den einzelnen Kommunen vorangetrieben wird bzw. welche Hindernisse bewältigt werden müssen. Derzeit sehen die Kommunen die Verwaltungschefs, die Fach- und Res-sortleiter, die Zivilgesellschaft sowie die Kommunalpolitik und den Gemeinderat als wesentliche Treiber für das Thema Nachhaltigkeit in ihrer Kommune an. Als Hindernis wird neben der Bundes- und Landespolitik vor allem die Haus-haltslage wahrgenommen.

Da für die kommunale Nachhaltigkeitssteuerung nicht nur die Kernverwaltung relevant ist, sollten die Kommunen auch

Landkreise über 200.000 Einwohner) zum Statusquo der Nachhaltigkeitssteuerung in ihren Kommunen befragt. Hierbei geht es vor allem darum, dass die Kommunalverwal-tungen selbst ihr eigenes nachhaltiges Handeln durch eine systematische Steuerung verbessern. Zu einer integrativen Nachhaltigkeitssteuerung zählen für die Autoren dieser Studie unter anderem ein in einem Zielsystem konkretisier-tes Leitbild, ein aussagekräftiges Berichtswesen, ein indika-torengestütztes Monitoring sowie eine systematische Integ-ration von Nachhaltigkeitsanforderungen in Aufbau- und Ablauforganisation der Verwaltung (vergleiche Oppenrieder/Heinrichs (2011): Nachhaltige Verwaltung – Ein integratives Konzept in PublicGovernance Sommer 2011). Ziel der Studie war neben einer Bestandsaufnahme auch die Identifizierung von wertvollen Ansätzen, um das Thema auch in Zukunft voranzutreiben.

Zusammenfassung der StudienergebnisseDie Aussagen der 118 teilnehmenden Kommunen zeigen deutlich, dass Nachhaltigkeit in der Kommunalverwaltung ein wichtiges oder sehr wichtiges Thema ist, wobei in fast allen Kommunen in den letzten Jahren nach eigener Aussage eine Bedeutungszunahme zu beobachten war. Für eine Mehr-heit der Teilnehmer zählen zu einer nachhaltigen Verwaltung die wirtschaftspolitische Leistungsfähigkeit, die Sozialpolitik, die vorausschauende Bearbeitung neuer Herausforderungen sowie die Verfolgung von fachbereichsübergreifenden Zie-len. Trotz des breiten Verständnisses von Nachhaltigkeit hat nur eine Minderheit eine fachbereichsübergreifende Koordi-nierungsstelle eingerichtet. Dies mag darin begründet sein, dass bei über der Hälfte der Städte und Landkreise die politische Führung ([Ober-] Bürgermeister, Landräte sowie die Fach- und Ressortleiter) die Verantwortung für das Thema Nachhaltigkeit trägt. Bei kleineren Kommunen mag daher eine zusätzliche Koordinierungsstelle nicht zwingend notwendig sein, wenn die Verantwortung bei den Verwal-tungschefs angesiedelt ist. Derzeit findet die Umsetzung von Nachhaltigkeitsvorhaben und -projekten den Studienergeb-nissen nach vor allem in den Fachbereichen Umwelt, Stadt-planung/Stadtentwicklung und Verkehr sowie in den Quer-schnittsbereichen Beschaffung und Finanzen statt. In anderen Bereichen wie Bildung und Soziales sowie Personal und IT scheint hingegen noch Nachholbedarf zu bestehen.

Page 33: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

ANZEIGE

WWW.BOORBERG.DE

RICHARD BOORBERG VERLAG STUTTGART MÜNCHEN HANNOVER BERLIN WEIMAR DRESDEN [email protected] BOORBERG VERLAG FAX 0 800 / 73 85 700 TEL 0 800 / 73 85 800 [email protected] BOORBERG VERLAG FAX 089 / 43 61 564 TEL 089 / 43 60 00-0 [email protected] BOORBERG VERLAG FAX 07 11 / 73 85-100 · 089 / 43 61 564 TEL 07 11 / 73 85-343 · 089 / 43 60 00-20 [email protected]

DÖRNER

Strategieentwicklung –Kompass im Veränderungsprozess

Cha

nge

Man

agem

ent

RN

ER

S

trat

egie

entw

ickl

ung

– K

ompa

ss im

Ver

ände

rung

spro

zess

HARTWICH

Grundlagen Change Management

Cha

nge

Man

agem

ent

HA

RT

WIC

H

Gru

ndla

gen

Cha

nge

Man

agem

ent

TOPTITEL FÜR FÜHRUNGSKRÄFTE.

Grundlagen Change Management Organisationen strategisch ausrichten und zur Exzellenz führen

von Dr. Erwin Hartwich

2011, 152 Seiten, € 19,80; ab 50 Expl. € 17,90; ab 100 Expl. € 15,90

Mengenpreise nur bei Abnahme durch einen Endabnehmer zum Eigenbedarf.

Schriftenreihe der Führungsakademie Baden-Württemberg

ISBN 978-3-415-04622-1

Das Buch gibt einen Überblick über Veränderungspro-zesse in Organisationen und vermittelt die grundlegen-den Vorgehensweisen im Change Management. Dabei wird sowohl auf die strategische Ausrichtung als auch auf die konkrete Umsetzung bei professioneller Beglei-tung eingegangen. Darstellungen bewährter Verbesse-rungsansätze und Exzellenz-Modelle runden das Gesamtbild ab. Leseprobe unter www.boorberg.de/alias/212470

Strategieentwicklung – Kompass im Veränderungsprozess von Dr. Christine Dörner

2011, 138 Seiten, € 19,80

Schriftenreihe der Führungsakademie Baden-Württemberg

ISBN 978-3-415-04714-3

Der Leitfaden beginnt zunächst mit einer Einführung in die Strategieentwicklung. Die Autorin beschreibt dann die verschiedenen Elemente einer Strategie, deren Methoden und Instrumente und geht auf den Prozess der Strategieentwicklung näher ein. Beispiele und Projektdesigns sowie ein Ausblick beschließen den Band. Leseprobe unter www.boorberg.de/alias/322654

Seite 30 BUND / LÄNDER / KOMMUNEN nachhaltiGKeitPUBLICUS 2012.8 INHALT

den nächsten Monaten einen weiteren Beitrag leisten. In einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförder-ten dreijährigen Projektvorhaben werden sie den Ansatz der integrativen Nachhaltigkeitssteuerung beispielhaft in den Modellstädten Lüneburg und Freiburg im Breisgau weiter-entwickeln und erproben. Interessierte Städte und Gemein-den sowie andere Akteure sind herzlich dazu eingeladen, an diesem Diskussions- und Entwicklungsprozess teilzuneh-men. Nähere Informationen hierzu sowie die vollständige Studie sind unter www.publicgovernance.de/nachhaltigkeit zu finden.

Stefanie Beck, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut für den öffentlichen Sektor e.V.,

Berlin

[email protected]

Dr. Ferdinand Schuster, Geschäftsführer Institut für den öffentlichen Sektor e.V.,

Berlin

[email protected]

Page 34: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 31 PUBLICUS 2012.8 GeSetZGeBunGSSPieGelINHALT

Informationszugang | Bürgerbeteiligung

GESETZGEBUNGSSPIEGEL

hamburg: Städtische Stellen müssen Bürger informieren

In der Freien und Hansestadt Hamburg tritt ab dem 07.10.2012 das neue Hamburgische Transparenzgesetz (HmbTG) an die Stelle des Informationsfreiheitsgesetzes. Am 06.07.2012 wurde das Gesetz im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht (S. 271). Zukünftig müssen grundsätzlich alle Informationen – antragsunabhän-gig – in einem allgemein zugänglichen elektronischen Infor-mationsregister veröffentlicht werden. Der Veröffentli-chungspflicht für die städtischen Stellen ist weit gefasst; ihr unterliegen nach § 3 des HmbTG 15 Arten von Dokumenten. Verträge, die unter die Veröffentlichungspflicht fallen, sind so zu schließen, „dass sie frühestens einen Monat nach Veröffentlichung wirksam werden und die Behörde inner-halb dieser Frist vom Vertrag zurücktreten kann“ (§ 10). Dabei müssen städtischen Stellen die Dokumente „unverzüg-lich im Volltext“ in elektronischer Form im Informationsre-gister veröffentlichen; sie müssen „leicht auffindbar, maschi-nell durchsuchbar und druckbar sein“. Geregelt ist auch, dass der Zugang zum Informationsregister kostenlos und anonym sein muss. Zugang zum Informationsregister „wird in ausreichendem Maße in öffentlichen Räumen gewährt“ (§ 10 Abs. 4).

Unverändert erhalten bleibt der voraussetzungslose allgemeine Informationszugangsanspruch, den jede Person gegenüber städtischen Stellen geltend machen kann.

Ausgelöst wurde die Reform durch die aus den Vereinen Transparency International und Mehr Demokratie sowie dem Chaos Computer Club bestehende Volksinitiative „Transpa-renz schafft Vertrauen“. Sie hatte für den August ein Volks-begehren angekündigt, das nun hinfällig geworden ist. (jb)

Baden-Württemberg: Bürgerbeteili-gungspflicht für landesbehörden

Baden-Württemberg will als erstes Bundesland den Landes-behörden feste Regeln für Bürgerbeteiligung vorschreiben. Das Kabinett soll die Eckpunkte für einen Leitfaden kurz nach der Sommerpause absegnen. Dies kündigte Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteili-gung, am 20.07.2012 an. In dem Leitfaden soll unter ande-rem festgelegt werden, welche Bürger wann und wie in die Verfahren einbezogen werden. Zudem will das Land regel-mäßig erfragen, ob die Bürger mit der Demokratie und der Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg zufrieden sind.

Bislang gibt es Erler zufolge Vorgaben für Bürgerbeteili-gung nur auf kommunaler Ebene oder ohne Verbindlichkeit. Erler will von 2013 an verpflichtende Regeln für Ministerien, Regierungspräsidien und Landratsämter einführen.

Vorgesehen ist, bestehende Verfahren zu erweitern: So sollen etwa Unterlagen besser aufbereitet und zugänglich gemacht werden. Daten müssten so zur Verfügung gestellt werden, dass auch Laien sie verstehen können. Bei der Finanzierung der Bürgerbeteiligung fordert Erler eine stär-kere Einbeziehung der Investoren zu planender Projekte.

Das Amt der Staatsrätin wurde in Baden-Württemberg eingerichtet, um die bestehenden Bürgerbeteiligungsverfah-ren auf kommunaler Ebene gemeinsam mit den Kommunen zu fördern und für die Landesebene nutzbar zu machen. Ihr obliegt insbesondere die Koordination der Fachministerien bei der Integration der Bürgerbeteiligung in das Verwal-tungshandeln. Zu diesem Zweck hatte das Kabinett in Ba-den-Württemberg auch einen interministeriellen Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft einberufen. (jb)

Page 35: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 32 PUBLICUS 2012.8 INHALT rechtSPrechunGSSPieGel

RECHTSPRECHUNGSSPIEGELStrom- und Gaskonzessionen | Abwassergebührenrecht

Vergabe von Strom- und Gaskonzessionsverträgen

Mit Beschluss vom 17. Juli 2012 hat das VG Oldenburg (1 B 3594/12) dem Antrag der Gemeinde Bunde und mit Be-schlüssen vom 18. Juli 2012 den Anträgen 14 weiterer Städte und Gemeinden im Landkreis Leer auf Gewährung vorläufi-gen Rechtsschutzes gegen Beanstandungsverfügungen des Landkreises Leer stattgegeben.

Die Kommunen planten, die Ende des Jahres 2012 auslau-fenden Strom- und Gaskonzessionen an die im Kreisgebiet gegründete Netzgesellschaft (insgesamt 18 Städte und Gemeinden) Südliches Ostfriesland mbH (NSO) neu zu vergeben. Die entsprechenden Ratsbeschlüsse hat der Landkreis kommunalaufsichtlich beanstandet, da er neben kommunalrechtlichen Vorschriften auch energie- und kar-tellrechtliche Gesetze als verletzt ansieht. Es bestehe zudem die Gefahr, dass die Gemeinden ihre wirtschaftliche Leis-tungsfähigkeit übersteigen und die Sicherung der Energie-versorgung gefährdet werde.

Nach Meinung der Richter des VG ergebe sich aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Artikel 28 Abs. 2 GG die Befugnis der Gemeinde, eine grundlegende Systementscheidung darüber zu treffen, ob sie die zur örtli-chen Daseinsvorsorge gehörende Aufgabe des sicheren und effizienten Betriebes der öffentlichen Energienetze in eige-ner Regie oder durch private Dritte erfüllen will. Entscheide sich eine Gemeinde für die Aufgabenerfüllung in eigener Regie, besitze sie bei der Festlegung der Auswahlkriterien und der Bewertung der Angebote einen weiten Gestaltungs-, Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei.

Gegen die Beschlüsse ist Beschwerde an das Niedersäch-sische Oberverwaltungsgericht möglich. (ck)

abwassergebührensatz unwirksamEine Stadt muss bei Festlegung der Gebührensätze für ein bestimmtes Jahr auch Überschüsse oder Defizite aus ande-ren Jahren ermitteln und ausgleichen. Versäumt sie dies, ist keine ordnungsgemäße Kalkulation erfolgt, die darauf beru-henden Gebührensätze sind unwirksam. Ebenso unzulässig ist es, in der Gebührenkalkulation zulasten der Gebühren-zahler einen Gewinnzuschlag von z.B. 3 % in den Betriebs-führungskosten der Stadtwerke in Ansatz zu bringen, wenn die Stadtwerke zu 100 % eine Tochter der Stadt sind.

Damit hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Gebührensätze, die die Stadt Osnabrück für die Jahre 2006 und 2007 für die Schmutz- und Niederschlagswasser-beseitigung festlegte, für unwirksam erklärt (9 LB 187/09). Die Klägerin rügte bereits im Verfahren vor dem VG die Gebührenkalkulation, insbesondere die Höhe der in die Kalkulation eingestellten Kosten, die im Wesentlichen auf einem Betriebsführungsvertrag mit den Stadtwerken beru-hen. Das VG hatte die Gebührenkalkulation für rechtmäßig befunden und die Klage abgewiesen.

Nach Auffassung der Richter des OVG waren die Gebüh-rensätze unwirksam und nicht durch eine ordnungsgemäße Kalkulation gerechtfertigt, da die Stadt die Überschüsse oder Defizite aus dem Jahr 2003 nicht ermittelt bzw. ausge-glichen hatte. Zudem war die Kalkulation fehlerhaft, weil die Aufschlüsselung der Personalkosten nicht aussagekräftig war und weil der in Ansatz gebrachte Gewinnzuschlag von3 % in den Betriebsführungskosten in diesem Fall unzuläs-sig war. (ck)

Page 36: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 33 PUBLICUS 2012.8 VeranStaltunGSSPieGelINHALT

tagungsbericht 19. Baden-Württembergischer Verwaltungsrechtstag

Am 4. Juli 2012 fand in Karlsruhe der 19. Baden-Württem-bergische Verwaltungsrechtstag statt, der mit 170 Rechtsan-wälten, Mitgliedern der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Landes- und Kommunalverwaltung großes Interesse gefun-den hat.

Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Verwaltungs-recht im Deutschen AnwaltVerein, Landesgruppe Baden-Württemberg, Frau Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht Alexandra Fridrich, begrüßte alle Teilneh-mer. Sie gedachten dem im Jahr 2011 plötzlich und unerwar-tet verstorbenen Dr. Weingärtner. Er hatte sich bis zu seiner Pensionierung Ende 2010 als Präsident des Verwaltungsge-richtshofs Baden-Württemberg für den fachlichen Austausch zwischen der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Anwalt-schaft eingesetzt und den Verwaltungsrechtstag regelmäßig mit Berichten „vom Hofe“ bereichert.

Der Justizminister des Landes Baden-Württemberg, Herr Rainer Stickelberger, gab einen Einblick in die neuen Entwick-lungen in der Gesetzgebung und berichtete von dem Entwurf des Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, der verschiedene technische Erleichterungen vorsehe und die Verfahrensweise in den nächsten 10 bis 15 Jahren massiv verändern werde. Es schloss sich ein Überblick über geplante Regelungen zur Mediation, den Rechtsbehelfen bei überlan-gen Verfahrensdauern, dem Richtervorbehalt für polizeiliche Eingriffe und der Landesverfassungsbeschwerde an.

Herr Volker Ellenberger, Präsident des Verwaltungsge-richtshofs Baden-Württemberg, gab einen „Werkstattbe-richt“ und konnte einen leichten Zugang der Verfahrenszah-len bei gleichzeitiger Verringerung der Verfahrensdauern

berichten. Er stellte kurz wichtige Entscheidungen zu Stutt-gart 21, dem Ausbau von Block 9 des Großkraftwerks Mann-heim sowie dem Richtervorbehalt bei polizeilichem Gewahr-sam dar. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr die Ankündigung des ersten verwaltungsgerichtlichen Moot-Courts beim VGH, in dem sich Studenten der baden-würt-tembergischen Universitäten in der Rechtsdiskussion zu der Polizeiverordnung der Stadt Konstanz über das Mitführen von Glasflaschen messen.

Die Themen für die Referate waren gut gewählt. Herr Georg Schefzik, Vorsitzender Richter am Verwaltungsge-richtshof Baden-Württemberg, stellte die aktuelle Recht-sprechung zum Beamtenrecht dar. Ihm gelang es nicht nur, die manchmal als spröde bezeichnete Materie nachvollzieh-bar und anschaulich zu schildern, sondern anhand von Konkurrentenstreitverfahren bei der Besetzung eines OLG-Präsidenten sowie anderer aufsehenerregender Fälle die bemerkenswerten Judikate der Verwaltungsgerichtsbarkeit und des Bundesverfassungsgerichts nachzuzeichnen, nach denen bei künftigen Stellenbesetzungen detaillierte Kriteri-en abgearbeitet werden müssen, die von der Unterrichtung des unterlegenen Bewerbers bis zum Verstreichenlassen von Rechtsmittelfristen und einer Frist für eine Verfassungsbe-schwerde reichen. In der anschließenden Diskussion wurden die Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der Judikate thematisiert, die gerade bei Behörden mit zahlrei-chen Ernennungen zu einheitlichen Zeitpunkten erheblich sind.

Frau Professorin Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann LL.M. (Georgetown Universität) stellte die „Verfassungsrechtlichen Anforderungen beim Umgang mit unbestimmten Rechtsbe-griffen“ dar. Sie erläuterte den Sinn und Zweck von Ent-

VERANSTALTUNGSSPIEGELTagungsbericht Verwaltungsrechtstag

Page 37: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 34 PUBLICUS 2012.8 VeranStaltunGSSPieGelINHALT

scheidungsspielräumen der Verwaltung, die nicht vollstän-dig überprüft werden könnten, und ordnete den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu einer Entscheidung zum Investitionszulagengesetz vom 31. Mai 2011 in die verwal-tungsrechtliche Systematik ein. Die Gerichte müssten, so Spiecker, ihre Prüfungskompetenz nicht reduzieren, sondern im Einzelfall herausfinden, ob der Gesetzgeber den Verwal-tungen einen Spielraum eingeräumt habe, der eine Ein-schränkung der gerichtlichen Prüfungskompetenz zur Folge hat. Hierdurch würden die Schwerpunkte verlagert und die Bedeutung der Gerichte aufgewertet. Sie müssten jeweils herausarbeiten, ob tatsächlich ein unbestimmter Rechtsbe-griff vorliege, was in vielen klassischen Fällen zurückhaltend bewertet werden müsse, da die Rechtsprechung und die Literatur bereits die notwendige Konkretisierungsarbeit geleistet hätten.

In der Diskussion wurde die notwendige Abgrenzung zu den unbestimmten Rechtsbegriffen mit Beurteilungsspiel-räumen hervorgehoben und das Fazit gezogen, dass abge-wartet werden müsse, ob aus der Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts tatsächlich viel Neues für die Praxis abgeleitet werden könne.

Das zentrale Thema war der „Neue Planungsrahmen für die Windkraft in Baden-Württemberg“, zu dem Frau Kristin Keßler, Ministerialdirigentin beim Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg, einen Überblick über die Änderungen des Landesplanungsgesetzes gab, nach dem die Regionalpläne keine Ausschlussflächen, sondern nur noch Vorrangflächen enthalten dürfen. Regionalverbände können künftig die Ansiedlungsmöglichkeiten von Wind-kraftanlagen steuern, aber nur noch durch positive Planun-gen. Demgegenüber können Gemeinden durch ihre Flächen-nutzungspläne sowohl positive als auch negative Planungen vornehmen.

Herr Hubert Schnurr, Oberbürgermeister der Stadt Bühl, erläuterte die Auswirkungen der Änderungen des Landes-planungsgesetzes aus kommunaler Sicht. Er stellte die Kriterien für die Entscheidungen der Gemeinde dar und gab Beispiele für die faktischen Anforderungen an Windkraftan-lagen (WKA). Erfahrungen einzelner Kommunen zeigten, dass WKA von Bürgergenossenschaften, deren Ertrag den Bürgern zugutekomme, deutlich weniger stören als Projekte überregionaler Investoren.

Herr Dr. Gerd Hager, Verbandsdirektor des Regionalver-bands Mittlerer Oberrhein, berichtete, dass der bisherige Schutzschirm der Regionalpläne zugunsten der Gemeinden wegfalle. Die Gemeinden müssten künftig selbst planen, um die Ansiedlung von WKA zu steuern. Viele windhöffige Standorte lägen auf Gemarkungsgrenzen, so dass sich kommunale Windplanungsgemeinschaften gebildet hätten, um ein Windhundrennen einzelner Gemeinden zulasten benachbarter Gemeinden zu verhindern. Die Windnovelle 2012 werfe eine Reihe interessanter Rechtsfragen auf, die von geeigneten Formen interkommunaler Flächennutzungs-planung über die Voraussetzungen für die Zurückstellung, der Zielbindung an Freiraumfestlegungen der Regionalpläne bis zum Abarbeiten des speziellen Artenschutzes reiche. Der Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg werde bis 2020 in substanzieller Weise vorankommen, allerdings sei das 10 %-Ziel nicht leicht zu erreichen.

In der teilweise auch emotional geführten Diskussion bestand Einigkeit darin, dass die Gemeinden vor großen Aufgaben bei ihrer Flächennutzungsplanung stehen, um die Ansiedlung von WKA positiv und negativ zu steuern. Aller-dings müssen baden-württembergische Kommunen erst ihre Erfahrungen mit derartigen Planungen sammeln, die in anderen Bundesländern bereits seit vielen Jahren gemacht wurden. Ob den Kommunen im Einzelfall die nicht einfache Planung gelingt, bleibt abzuwarten. Zahlreiche Streitverfah-ren entweder von Investoren, Nachbarn, aber auch von benachbarten Gemeinden werden erwartet.

Den Verwaltungsrechtstag rundete Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Winfried Porsch, Stutt-gart, mit seinem Referat zu der „Aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Umweltrecht“ ab. Er schilderte die Trianel-Entscheidung des EuGH vom 12. Mai 2011, die sich nicht nur auf den Zugang zum Gericht erstre-cke, sondern auch auf den gerichtlichen Prüfungsumfang. Erforderlich sei eine objektive Kontrolle aller Umweltvor-schriften, die auf dem Umweltrecht der Union beruhen. Auf die zulässige Verbandsklage sei die Rechtmäßigkeit der Entscheidung aber nicht unter jedem Aspekt zu prüfen. Porsch erläuterte ferner das Urteil des EuGH vom 15. Sep-tember 2011 in der Rechtssache Müksch. Bei der Zulassung eines Bauvorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB, das an einen Störfall-Betrieb heranreicht, sei innerhalb der sogenannten

Achtungsgrenzen eine Risikobewertung erforderlich, für die in Baden-Württemberger die Regierungspräsidien zuständig seien. Überzeugend arbeitete Porsch auch die weiteren Besonderheiten bei solchen Vorhaben heraus und skizzierte die Maßstäbe für die Erfüllung des Abstandsgebots, die für die Praxis von großer Bedeutung sind.

Dank der aktuellen Themen, der überzeugenden Referen-ten und der weiterführenden Diskussionsbeiträge war der 19. Baden-Württembergische Verwaltungsrechtstag eine sehr gelungene Veranstaltung. Alle Teilnehmer sind auf die Jubiläumsveranstaltung im Jahr 2013 in Stuttgart gespannt.

Dr. Hartmut Fischer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht,

RITTERSHAUS Rechtsanwälte,

Mannheim

[email protected]

Page 38: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 35 PUBLICUS 2012.8 VeranStaltunGSSPieGelINHALT

Windenergie und netzausbau im Planungsrecht

Veranstalter: Zentralinstitut für Raumplanung an der Uni-versität Münstertermin: 06. September 2012Veranstaltungsort: MünsterDer Ausbau der Erneuerbaren Energien ist eine wichtige Herausforderung der Zukunft. Nicht zuletzt wegen des von der Bundesregierung beschlossenen stufenweisen Atomaus-stiegs bis 2020, nach dem bis dahin knapp die Hälfte des Stroms aus Erneuerbaren Energien gewonnen werden soll.

Die Veranstaltung befasst sich mit den Auswirkungen der Sicherung von Höchstspannungsleitungen sowie den Proble-men, die der Ausbau der Windenergie bei Raumordnung und Bauleitplanung mit sich bringt. Zudem werden die dabei auftretenden umweltrechtliche Aspekte diskutiertmehr infos: http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/jura_zir/sympozir_programm2012.pdf

Verwaltungsmodernisierung – Bilanz und Perspektiven

Veranstalter: Deutsche Universität für Verwaltungswissen-schaften Speyertermin: 24. bis 26. Oktober 2012Veranstaltungsort: SpeyerDer Begriff Verwaltungsmodernisierung meint, auf die Herausforderungen der Gegenwart und sich abzeichnende Entwicklungen zu reagieren, um eine Verwaltung zu schaf-fen, die auch künftig als leistungsfähiger Ansprechpartner gerne in Anspruch genommen wird.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen neue Beispiele aus der Verwaltungspraxis zum Umgang mit Information, zur Nutzung moderner Techniken und zur Bürgerbeteili-gung. Außerdem beschäftigt sich die Tagung mit dem wichti-gen Thema Personalmanagement.mehr infos: http://192.124.238.252/FORTBILD/011312.pdf

Page 39: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 36 PUBLICUS 2012.8 ZeitSchriFtenSPieGel

ZEITSCHRIFTENSPIEGELVerwaltungsblätter

INHALT

Der Zeitschriftenspiegel Verwaltungsblätter gibt Ihnen einen Überblick über Abhandlungen und Berichte, die in einer der sechs Landesausgaben der Zeitschrift erschienen sind, deren Relevanz jedoch über ein Bundesland hinausgeht. Dies betrifft neben Europa- und Bundesrecht auch Landesrecht – insbeson-dere die Regelungsgegenstände der Abweichungsgesetzge-bung nach Art. 72 Abs. 3 GG, Regelungsgegenstände, die den Ländern nach der Föderalismusreform neu zugewachsen sind oder spezifisches Landesrecht, das jedoch in anderen Bundes-ländern vergleichbar geregelt ist.

europa, internationalesKonkrete normenkontrolle à la française - die neue rolle des französischen Verfassungsrats. Die Franzosen haben kein Verfassungsgericht, sondern einen Verfassungsrat (conseil constitutionnel), der aber materielle Verfassungs-rechtsprechung ausübt. Vizepräsident VG i. R. Dr. Werner Heermann. ThürVBl. 8/2012

allg. Verwaltungsrecht, Verfahrens- und Prozessrecht

Vorsitzendenvollstreckung mit auslandsbezug. Hindernis-reiche Vollstreckung zugunsten der öffentlichen Hand nach § 169 VwGO gegen ein niederländisches Unternehmen. Man-fred Braatz, VorsRiVG Oldenburg. NdsVBl. 8/2012

abgaben, Finanzen, Steuernrechtliche maßstäbe für die Fördermittelvergabe und den gerichtlichen rechtsschutz in der Praxis. Angesichts knapper Haushaltskassen wird es immer schwieriger, zur Verfügung stehende Haushaltsmittel unter der Vielzahl eingegangener Anträge sachgerecht zu verteilen. Dazu kommt das Problem, wie effektiver Rechtsschutz auf ange-messene Teilhabe sachgerecht zu gewähren ist, dies auch unter Berücksichtigung der haushaltsrechtlichen Vorgaben, z.B. des Jährlichkeitsprinzips und der Erschöpfung von Haushaltstiteln. Der Beitrag entwickelt und erläutert über die Grenzen der einzelnen Förderprogramme hinweg die rechtlichen Maßstäbe und kann zugleich als Richtschnur für

die Gestaltung von rechtskonformen und rechtsschutz-freundlichen Fördermittelvergabeverfahren dienen. RAE Klaus Füßer und Natalie Wolfrum, Leipzig. SächsVBl. 8/2012

ausländer- und asylrechtdie neufassung des art. 4 des Bayerischen aufnahmege-setzes (aufnG). Die Neufassung statuiert erstmals in Bayern bestimmten Personengruppen ein „Recht auf Auszug“ aus einer Gemeinschaftsunterkunft. Der Beitrag gibt einen systematischen Überblick, welche Ausländer unter welchen Voraussetzungen in Privatwohnungen umziehen dürfen. Rolf Merk, München. BayVBl. 15/2012

Bau, Boden, Planung, VergabeBürgerbeteiligung bei Großprojekten. Der Widerstand gegen Großprojekte wächst. Der Ruf nach mehr Bürgerbetei-ligung bei der Planung solcher Projekte wird lauter. Der Beitrag zeigt typische Ursachen für Protest und Widerstand gegen Großprojekte auf, skizziert die Beteiligungsmöglich-keiten nach geltendem Recht und erörtert aktuelle Vorschlä-ge zur Verwirklichung von mehr direkter Demokratie. Dr. Michael Bertrams, Präs. des VerfGH und des OVG NRW. NWVBl. 8/2012

Steine statt Brot – das neue „Konzessionsmodell“ im niedersächsischen rettungsdienstgesetz. Nachdem der EuGH mit U. v. 10.03.2011 die Erbringung von Rettungs-dienstleistungen im sog. Konzessionsmodell in Bayern als grundsätzlich zulässig angesehen hat, hat der niedersächsi-sche Landesgesetzgeber im Februar 2012 das Rettungs-

Page 40: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Aus dem Inhalt:

Den Wechsel gelingen lassen – Faktoren für ein erfolgreiches Management

des Übergangs in die Optionskommune

Jahresinhaltsverzeichnis

Zeitschrift für das Fürsorgewesen

ISSN 0342-3379H 7463

62. Jahrgang . Dezember 2010

12

ISSN 0341-3888

AKTUELLESSoziales Gesundheits- und Medizinrecht _________16AbschlussberichtFürsorgetag/ConSozial 2009 ____________________148. Deutscher Hörfilmpreis __________________________ 14Berechnung der Ausgleichsabgabe2009 ____________________________________________________________________________________16Rundfunkgebührenbefreiung __________________30Internes Qualitätsmanagement ___________30Neuer Internetauftrittder Berufsbildungswerke ______________________________ 30Schriftl. Anfragen an dieBundesregierung ___________________________________________________ 30Bücher __________________________________________________________________ II/32

Prof. Dr. E.-W. Luthe

Die Leistungenzur Teilhabe amLeben in derGemeinschaft imSGB IX (Teil I)

Dr. Monika Exner/Franz Dillmann

»Mit heißemBemühn . . .«,Voraussetzungenund Grenzen derGewährung einerHochschulhilfefür behinderteMenschen

49. Jahrgang Heft 7/2010 Dezember 2010

FACHZEITSCHRIFT FÜR FRAGEN DER REHABILITATION

Unter Mitwirkung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellenmit besonderer Berücksichtigung der Gebiete

Schwerbehindertenrecht – Kriegsopferversorgung – Kriegsopferfürsorge

7/20

10

Seite 181 Seite 190 Seite 197

B 2753

Vertrauenspersonen fragen ____________________201

Aus der Rechtsprechung

Auswärtige Unterbringung beh.Auszubildender (BVerwG) _____________________205Kosten der Schwerbehinderten-vertretung (BAG) _____________________________________________ 210Verteilung der verringertenArbeitszeit (LAG) ____________________________________________ 212Benachteiligung eines schwerbeh.Bewerbers (ArbG) ____________________________________________ 214Pflichtarbeitsplatz für schwer-beh. Menschen (LSG) __________________________________ 216

AKTUELLESSoziales Gesundheits- und Medizinrecht _____203Integrationsprojekte inDeutschland _________________________________________________________ 189Deutsche im Ausschuss zur UN-Behindertenrechtskonvention _________202Kosten und Nutzen der beruf-lichen Reha ____________________________________________________________ 204Reha-Bericht 2010 __________________________________________ 204Rechtsprechungin Leitsätzen _________________________________________________________ 219Bücher _________________________________________ II/204/220

Dr. Mecke

Tagungsberichtdes 3. DeutschenSozialgerichtstags:Hartz IV-Reform –Experten bezwei-feln Verfassungs-festigkeit

Seite 37 PUBLICUS 2012.8 ZeitSchriFtenSPieGel

dienstgesetz novelliert, um auch das Konzessionsmodell als dritten Typ der Aufgabenerledigung zuzulassen. Der Beitrag untersucht, ob es sich bei dem neuen Modell nach den Kriterien des EuGH überhaupt um eine Dienstleistungskon-zession handelt. Herbert Freese und Dr. Joachim Schwind, Nds. LKT, Hannover. NdsVBl. 8/2012

die Windenergienovelle des landesplanungsgesetzes: chancen und risiken für die Kommunen (2. teil). Die Kommunen in BW sind hiernach aufgerufen, mittels eines (Teil-)FNP Konzentrationszonen für Windenergieanlagen mit Ausschlusswirkung für die übrigen Gemarkungsteile darzu-stellen oder die ungelenkte Einzelansiedlung von Windkraft-anlagen als privilegierte Außenbereichsvorhaben zu akzep-tieren. Der Beitrag stellt die Planungserfordernisse und -schritte für eine erfolgreiche Steuerung der Windenergie-nutzung im Gemeindegebiet vor und beleuchtet vermeidbare Fehlerquellen. Dr. Carol Nonnenmacher, Karlsruhe. VBlBW 8/2012

Polizei, Sicherheit und ordnungrückwirkung im (luft-)Sicherheitsrecht. § 4 LuftVG und § 7 LuftSiG sind die „Schaltstellen“ für die Frage der Zuver-lässigkeit von Luftfahrern. Daran schließt sich eine sehr uneinheitliche obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Bestimmung von Inhalt und Reichweite des Tatbestands-merkmals des „Nicht-mehr-Vorliegens“ der Zuverlässigkeit an. Der Beitrag nimmt zwei aktuelle Urteile des BVerwG zum Anlass, die bisher hierzu ergangene obergerichtliche Recht-sprechung kritisch zu analysieren und den Ausführungen des BVerwG gegenüberzustellen; zudem setzt er sie zur einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG zum LuftSiG ins Verhältnis. ORR Anton Meyer, München. BayVBl. 15/2012

Öffentlicher dienst, PersonalStrafverfahren und sachgleiches disziplinarverfahren. Der Beitrag beschäftigt sich aus disziplinarrechtlicher Sicht mit den Wechselwirkungen zwischen Strafverfahren und auf den gleichen Sachverhalt bezogenem Disziplinarverfahren. Ausgehend von dem grundsätzlichen Verhältnis zwischen Straf- und Disziplinarverfahren werden Fragen des Maßnah-

INHALT

Der Zeitschriftenspiegel Sozialrecht gibt Ihnen einen Überblick über Themen und Abhandlungen, die von Herausgebern und Schriftleitung der Zeitschriften ZfF (Zeitschrift für das Fürsor-gewesen) und br (Behindertenrecht) aufgegriffen werden..

SOZIALRECHT

Sonstigesdie neuen Sozialleistungen auf der Grundlage des § 6 b BKGG – Bildung und teilhabe außerhalb „klassischer“ existenzsichernder transferleistungssysteme – neuigkei-ten im Kindergeldrecht. Stefan Gerlach. ZfF 7/2012

meverbots, der Bindungswirkung der im Strafverfahren getroffenen Feststellungen und der disziplinarrechtlichen Bedeutung des dortigen Rechtsfolgenausspruchs erörtert. Besondere Berücksichtigung erfahren Verständigungen im Strafverfahren und die Zulässigkeit von Verständigungen im Disziplinarverfahren. ORR Dr. Ulrich Pflaum, München. BayVBl. 16/2012

Straßen, Wege, VerkehrVerkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers für Bäume auf benachbarten Grundstücken – eine abgren-zung. Die Rechtsprechung geht zwar mehrheitlich von einem prinzipiellen Nichtbestehen einer Verkehrssiche-rungspflicht aus. Allerdings gibt es auch Urteile, die bei Nichteinschreiten gegen offensichtliche von Nachbargrund-stücken ausgehende Gefahren eine allgemeine Amtspflicht-verletzung bejahen oder sogar die Straßenverkehrssiche-rungspflicht generell auf angrenzende Grundstücke erstrecken möchten. Der Beitrag beabsichtigt eine Klärung des räumlichen Umfangs der Straßenverkehrssicherungs-pflicht. RegDir. Rainer Hilsberg, Neusäß. BayVBl. 16/2012

Page 41: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 38 PUBLICUS 2012.8 ZeitSchriFtenSPieGelINHALT

Ass. jur. Klaus Kohnen, Lektor, Richard Boorberg Verlag, München

[email protected]

Zu den kompletten inhaltsverzeichnissen der Zeitschriften:

Bayerische Verwaltungsblätter (BayVBl.)

Niedersächsische Verwaltungsblätter (NdsVBl.)

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.)

Sächsische Verwaltungsblätter (SächsVBl.)

Thüringer Verwaltungsblätter (ThürVBl.)

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (VBlBW)

Behindertenrecht (br)

Zeitschrift für das Fürsorgewesen (ZfF)

Ausbildung – Prüfung – Fachpraxis (apf)

AUSBILDUNG /PRÜFUNG

Der Zeitschriftenspiegel Ausbildung/Prüfung gibt Ihnen einen Überblick insbesondere über ausbildungs- und prüfungsrele-vante Inhalte der Zeitschrift „apf – Ausbildung – Prüfung – Fachpraxis“. Die Zeitschrift ist konzipiert für den mittleren und gehobenen Dienst und zeichnet sich durch die didaktisch aufbereitete Darstellung der Beiträge aus.

aufsatz: Grundstrukturen des neuen dienstrechts im Bund und in den ländern (teil 13). Grundrechtsbeschrän-kungen im Beamtenverhältnis. Abteilungsdirektor a. D. Dr. Günter Hilg, Wolfratshausen. apf 8/2012

Prüfungsklausuren: die Stellplatzverpflichtung. Regie-rungsdirektor Jürgen Hartmann. apf 8/2012

Wissens-check: Fallübung: Beitragsrecht und nachtrags-haushaltssatzung. Dr. Michael Grimberg, Hochschule Harz. apf 8/2012

Fachpraxis: Public relations – externe und interne Kom-munikation für Führungskräfte im öffentlichen Sektor. Prof. Dr. Volkmar Kese, Hochschule für öffentliche Verwal-tung und Finanzen Ludwigsburg. apf 8/2012

Page 42: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 39 PUBLICUS 2012.8 literaturSPieGelINHALT

Postier: das nachbarrecht in Berlin

nachbarrecht

das WerkDie 45. Auflage der bewährten Broschüre enthält die seit 1. März bzw. ab 1. August 2012 geltenden Tabellen der Besoldungsbe-züge.

Das Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen 2012 sowie über die Einmalzahlung in 2011 in Baden-Württemberg (BVAnpGBW 2012) vom 14. Februar 2012 beinhaltet das zeitliche Hinausschieben der Anpassung der Besol-dung und Versorgung im Vergleich zum Tarifbereich. Damit sollen rund 100 Millio-nen Euro eingespart werden. Für die Anwär-ter und die Beamten der Besoldungsgruppen A 5 bis A 10 erfolgte die Anpassung zum 1. März 2012, für die übrigen Besoldungsgrup-pen (ab Besoldungsgruppe A 11) greift sie zum 1. August 2012.

Der Autor erläutert das Anpassungsgesetz im Detail. In einer vorangestellten Einfüh-rung gibt er einen Überblick über die Ent-

wicklung der Besoldungshöhen und grundle-gende Informationen zur Besoldung und zu den Tabellen, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Dienstrechtsreformge-setzes.

die autorenbegründet von Gerhard Müller, Landrat a.D., und Erwin Beck, Regierungsdirektor a.D., fortgesetzt von Gerald Ludy, Oberregie-rungsrat

Besoldungstabellen für Landesbeamte und Kommunalbeamte in Baden-Württemberg (einschließlich Landräten, Bürgermeistern, Beigeordneten) mit den Erhöhungen zum März und August 2012 2012, 45. Auflage, 96 Seiten, € 15,50 – nach jeder Besoldungserhöhung neu – ISBN 978-3-415-04850-8 edition moll

das WerkDie zweite Auflage des Kommentars des bekannten Nachbarrechts-Experten Rüdiger Postier erschließt dem Leser nicht nur die Regelungen des Berliner Nachbarrechtsge-setzes, sondern stellt auch die Verbindung zu anderen wichtigen Vorschriften des Nachbarrechts her. Das gilt insbesondere für den öffentlich-rechtlichen Bereich der Baugesetze und des Naturschutzes. Dem Autor gelingt es, Licht in diese „Gemengela-ge“ zu bringen, indem er die Systematik der Rechtsstrukturen aufzeigt und die einschlä-gige Rechtsprechung mit einbezieht.

Ziel der Darstellung ist es, dem Benutzer stets den schnellen, praxisorientierten Zugriff auf die maßgeblichen Gesichtspunk-te des Nachbarrechts in Berlin zu ermögli-chen. Darüber hinaus sind die Erläuterungen allgemein verständlich gehalten, sodass sich auch der Nichtjurist unkompliziert informie-ren kann.

Informieren Sie sich über weitere Werke zum Nachbarrecht der verschiedenen Bun-desländer unter www.boorberg.de.

der autorRüdiger Postier, Präsident des Verfassungs-gerichts des Landes Brandenburg

Das Nachbarrecht in Berlin Kommentar 2012, 2., überarbeitete Auflage, 244 Seiten € 24,80 ISBN 978-3-415-04848-5 Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG

ludy: Besoldungstabellen für landesbeamte und Kommunalbeamte in Baden-Württemberg

aktuell

LITERATURSPIEGELBesoldungstabellen Baden-Württemberg | Nachbarrecht Berlin

Page 43: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 40 PUBLICUS 2012.8 StrateGiSche Partner

UNSERE PARTNER

White & case llPKurfürstendamm 3210719 BerlinTelefon: +49 (0)30 880911-0Fax: +49 (0)30 880911-297Ansprechpartner: Prof. Dr. Norbert [email protected]

Kapellmann und Partner rechtsanwälteUlmenstraße 37–3960325 Frankfurt/Main Telefon: +49 (0)69 719133-0 Fax: +49 (0)69 719133-91Ansprechpartner: Dr. Stefan Pü[email protected]

luther rechtsanwalts gesellschaft mbh Anna-Schneider-Steig 22

50678 KölnTelefon: +49 (0)221 9937 25761Fax: +49 (0)221 9937 25774Ansprechpartner: Prof. Dr. Hans-Georg [email protected]

Becker Büttner heldMagazinstraße 15–16 10179 BerlinTelefon: +49 (0)30 611 284 0-90Fax: +49 (0)30 611 284 0-99Ansprechpartnerin: Dr. Ines [email protected] www.bbh-online.de

rechtsanwälte rWP Wassermann & PartnerHofgarten PalaisBleichstraße 8–1040211 DüsseldorfTelefon: +49 (0)211 86790-0Fax: +49 (0)211 132785Ansprechpartner: Dr. Clemens [email protected]

rÖSSner rechtSanWÄlteRedwitzstr. 4D-81925 MünchenTelefon +49-(0) 89-99 89 22-0Telefax +49-(0) 89-99 89 22-33Ansprechpartner: Dr. Jochen [email protected]

menold Bezler rechtsanwälte PartnerschaftRheinstahlstraße 370469 StuttgartTelefon: +49 (0)711 86040-00Fax: +49 (0)711 86040-01Ansprechpartnerin: Dr. Beatrice [email protected]

SKW Schwarz rechtsanwälteKurfürstendamm 2110719 BerlinTelefon: +49 (0)30 8892650-0Fax: +49 (0)30 8892650-10Ansprechpartner: Ermbrecht [email protected]

Strategische Partner

KooperationspartnerdateV eGPaumgartnerstr. 6–14 90429 NürnbergTelefon: +49 (0)911 319-0Fax: +49 (0)911 3196Ansprechpartner: Dr. Tobias [email protected]

INHALT

Page 44: Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht 2012 · Haus der Katholischen Kirche, Stuttgart Programm Vorträge und Diskussion Rechtsgrundlagen der Pflicht zur Zusatzversorgung

Seite 41 PUBLICUS 2012.8 INHALT ÌimPreSSum

IMPRESSUMherausgeber Prof. Dr. Thomas Wegerich

redaktionProf. Dr. Thomas Wegerich, Rechtsanwalt (tw, verantwortlich)Johannes Buschbeck (jb)Franz Königsperger (fk)Klaus Kohnen (koh)Christine Kreitmeier (ck)Susanne Sonntag, Rechtsanwältin (so)E-Mail: [email protected]

VerlagRichard Boorberg Verlag GmbH & Co KGGeschäftsführung: Dr. Berndt Oesterhelt, RA Markus OttScharrstr. 2, 70563 StuttgartAG Stuttgart HRA 3076Telefon: (0711) 7385 – 0 /Fax: (0711) 7385 – 100E-Mail: [email protected]: www.publicus-boorberg.de

Wissenschaftlicher BeiratProf. Dr. Martin Burgi, Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Öffentliches Recht, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschafts-verwaltungsrecht, Ruhr-Universität Bochum

Prof. Dr. Christoph Degenhart, Richter am Verfassungsgerichtshof des Freistaats Sachsen, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Direktor des Instituts für Rundfunkrecht, Universität Leipzig

Prof. Dr. Dirk Heckmann, Mitglied des Bayerischen Verfassungs-gerichtshofes, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht, Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik, Universität Passau

Prof. Dr. jur. Peter M. Huber, Minister a. D., Richter des Bundes-verfassungsgerichts, Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie, Forschungsstelle für das Recht der Europäischen Integration, Ludwig-Maximilian-Universität München

Prof. Dr. Markus Möstl, Lehrstuhl für Öffentliches Recht II, Universität Bayreuth

FachbeiratDr. Günter Burmeister, Stellv. Vorsitzender Richter am BVerwG

Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistages (DLT)

Georg Herbert, Vorsitzender Richter am BVerwG

Dr. Alexander Jannasch, Richter am BVerwG

Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer und Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

Professor Klaus Notheis, Präsident der Gemeindeprüfanstalt Baden- Württemberg

Dr. Klaus Schönenbroicher, Referatsleiter Ressortübergreifende Normprüfung Verwaltungsrecht, Justiziariat usw., Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen

Dr. Andreas Zuber, Verband kommunaler Unternehmen (VKU), Geschäfts-führer Abteilung Recht, Steuern, Finanzen

manuskriptangeboteManuskriptangebote werden an die Redaktion erbeten. Für unaufgefor-dert eingesandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen.

Graphische KonzeptionThomas Scheer

ProduktionChristine Stanger, Stefanie Wisse

anzeigenverkaufRoland SchulzRichard Boorberg Verlag GmbH & Co KGScharrstr. 2, 70563 StuttgartTelefon: (0711) 7385–238E-Mail: [email protected]

SatzGreenTomato, Stuttgart, www.greentomato.de

Bezug, erscheinungsweiseBezug kostenlos, erscheint monatlich

FotosS. 1: typomaniac© www.fotolia.de, S. 2: Carmen Teltscher, Foto Kurz, S. 4: toa555 © www.fotolia.de, S. 7: N-Media-Images © www.fotolia.de, S. 10: iQoncept © www.fotolia.de, S. 12: Janina Dierks, S. 15 : finecki © www.fotolia.de, S. 18 : Ben Chams © www.fotolia.de, S. 22 : Martin Finkbeiner © www.fotolia.de, S. 25: pb press © www.fotolia.de, S. 28: DOC RABE Media, S. 31: ChaotiC_PhotographY © www.fotolia.de, S. 32: ChaotiC_PhotographY © www.fotolia.de, S. 33: glo5 © www.fotolia.de

urheber- und VerlagsrechteAlle Urheber- und Verlagsrechte bleiben vorbehalten. Die Auswertung für Datenträger, die Vervielfältigung jeder Art und der Nachdruck von Beiträgen und Gerichtsentscheidungen sind nur mit vorheriger Genehmi-gung des Verlags gestattet. Die Genehmigung ist in jedem Fall einzuholen.Mit der Annahme des Beitrags zur Veröffentlichung erwirbt der Verlag das ausschließliche Nutzungsrecht im Rahmen der gesetzlichen Bestim-mungen. Der Urheber darf das Werk nach Ablauf eines Jahres seit Erscheinen anderweitig vervielfältigen und verbreiten (§ 38 Abs. 1 Satz 2 UrhG). Vor Ablauf eines Jahres hat er die Zustimmung des Verlags einzuholen.Der Verlag erwirbt insbesondere auch das Recht zur Herstellung elektro-nischer Versionen und die Befugnis zur Einspeicherung des Beitrags in eine Datenbank, verbunden mit dem Recht zu deren Vervielfältigung (online oder offline) zu gewerblichen Zwecken ohne zusätzliche Vergü-tung. Das ausschließliche Recht an einer elektronischen Version des Beitrags erwirbt der Verlag ohne zeitliche Begrenzung; die Nutzung durch den Urheber bleibt innerhalb der genannten Grenzen vorbehalten (§ 31 Abs. 3 Satz 3 UrhG).

INHALT

hinweisSämtliche mit Verfasserangabe versehene Beiträge stellen die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt der Redaktion dar.