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Serie 36 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 12-2007 Hohe volkswirtschaftliche Bedeutung Der Detailhandel spielt neben seiner gesell- schaftlich wichtigen Versorgerfunktion auch für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Schweiz eine wichtige Rolle. Trotz einer seit 1980 tendenziell leicht abnehmenden Bedeu- tung trug der Detailhandel im Jahr 2005 im- mer noch rund 5% zum Schweizer Bruttoin- landprodukt (BIP) bei. Hierzu beschäftigte der Detailhandel rund 350 000 Erwerbstätige, was einem Anteil von rund 8% entspricht. Die effektive volkswirtschaftliche Bedeu- tung wird allerdings mittels einer solchen reinen Partialbetrachtung unterschätzt. Der Detailhandel als klassischer Intermediär zwi- schen Produzenten und Verbrauchern weist eine sehr hohe Verflechtung mit anderen Branchen der Schweizer Wirtschaft auf. Diese Verflechtungen führen dazu, dass die effek- tive volkswirtschaftliche Bedeutung des De- tailhandels deutlich grösser ausfällt, als die Zahl der Erwerbstätigen oder die Bruttowert- schöpfung der Branche vermuten lassen. Neben der grossen wirtschaftlichen Bedeu- tung kommt dem Detailhandel zusätzlich für bestimmte soziodemografische Gruppen eine wichtige soziale Rolle zu: Der Detailhandel weist die höchste Teilzeit- und Frauener- werbsquote aller Branchen des privaten Sek- tors auf und stellt die meisten Ausbildungs- plätze. Zudem übt der Detailhandel eine wichtige soziale Integrationsfunktion aus, in- dem er vielen niedrig Qualifizierten und aus- ländischen Einwohnern eine berufliche Chan- ce gibt. Branchenstruktur Der Lebensmitteldetailhandel stellt den bedeutendsten Sektor im Detailhandel dar. Rund 36% der Beschäftigten sind im Detail- handel mit Hauptausrichtung Nahrungs- und Genussmittel beschäftigt. Hinzu kommen Der Schweizer Detailhandel – moderner Intermediär mit hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung Michael Grass Senior Economist BAK Basel Economics Der Detailhandel hat in den letz- ten 20 Jahren den Wandel von einer «Lowtech»- in eine moder- ne Informationsbranche voll- zogen. Mit Hilfe von überdurch- schnittlichen Produktivitäts- gewinnen konnte die Wachstums- lücke zum westeuropäischen Durchschnitt der Branche ge- schlossen werden. Dazu beigetra- gen haben die Effizienzgewinne infolge der Technologisierung der Branche, der Realisierung von Skaleneffekten durch den Wandel der Formatstruktur sowie die ge- stiegene Wettbewerbsintensität. Der Detailhandel weist die höchste Teilzeit- und Frauenerwerbsquote aller Branchen des privaten Sektors auf und stellt die meisten Ausbildungsplätze. Zudem bekommen viele niedrig Qualifizierte sowie Ausländerinnen und Ausländer im Detailhandel eine berufliche Chance. Bild: Keystone

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36 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 12-2007

Hohe volkswirtschaftliche Bedeutung

Der Detailhandel spielt neben seiner gesell-schaftlich wichtigen Versorgerfunktion auch für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Schweiz eine wichtige Rolle. Trotz einer seit 1980 tendenziell leicht abnehmenden Bedeu-tung trug der Detailhandel im Jahr 2005 im-mer noch rund 5% zum Schweizer Bruttoin-landprodukt (BIP) bei. Hierzu beschäftigte der Detailhandel rund 350 000 Erwerbstätige, was einem Anteil von rund 8% entspricht.

Die effektive volkswirtschaftliche Bedeu-tung wird allerdings mittels einer solchen reinen Partialbetrachtung unterschätzt. Der Detailhandel als klassischer Intermediär zwi-schen Produzenten und Verbrauchern weist

eine sehr hohe Verflechtung mit anderen Branchen der Schweizer Wirtschaft auf. Diese Verflechtungen führen dazu, dass die effek- tive volkswirtschaftliche Bedeutung des De-tailhandels deutlich grösser ausfällt, als die Zahl der Erwerbstätigen oder die Bruttowert-schöpfung der Branche vermuten lassen.

Neben der grossen wirtschaftlichen Bedeu-tung kommt dem Detailhandel zusätzlich für bestimmte soziodemografische Gruppen eine wichtige soziale Rolle zu: Der Detailhandel weist die höchste Teilzeit- und Frauener-werbsquote aller Branchen des privaten Sek-tors auf und stellt die meisten Ausbildungs-plätze. Zudem übt der Detailhandel eine wichtige soziale Integrationsfunktion aus, in-dem er vielen niedrig Qualifizierten und aus-ländischen Einwohnern eine berufliche Chan-ce gibt.

Branchenstruktur

Der Lebensmitteldetailhandel stellt den bedeutendsten Sektor im Detailhandel dar. Rund 36% der Beschäftigten sind im Detail-handel mit Hauptausrichtung Nahrungs- und Genussmittel beschäftigt. Hinzu kommen

Der Schweizer Detailhandel – moderner Intermediär mit hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung

Michael GrassSenior EconomistBAK Basel Economics

Der Detailhandel hat in den letz-

ten 20 Jahren den Wandel von

einer «Lowtech»- in eine moder-

ne Informationsbranche voll-

zogen. Mit Hilfe von überdurch-

schnittlichen Produktivitäts-

gewinnen konnte die Wachstums-

lücke zum westeuropäischen

Durchschnitt der Branche ge-

schlossen werden. Dazu beigetra-

gen haben die Effizienzgewinne

infolge der Technologisierung der

Branche, der Realisierung von

Skaleneffekten durch den Wandel

der Formatstruktur sowie die ge-

stiegene Wettbewerbsintensität.

Der Detailhandel weist die höchste Teilzeit- und Frauenerwerbsquote aller Branchen des privaten Sektors auf und stellt die meisten Ausbildungsplätze. Zudem bekommen viele niedrig Qualifizierte sowie Ausländerinnen und Ausländer im Detailhandel eine berufliche Chance. Bild: Keystone

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jene Beschäftigten in Geschäften, bei denen Lebensmittel nur einen kleinen Teil des Sorti-ments ausmachen. Hierzu gehören Waren-häuser und kleinere Gemischtwarenläden, deren Anteil an der gesamten Beschäftigung im Detailhandel insgesamt 7% beträgt. Im Non-Food-Sektor ist der Detailhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen der grösste Arbeitgeber: Rund 12% der Angestellten im Schweizer Detailhandel finden hier eine Be-schäftigung. Daneben sind die Segmente elektronische Konsumgüter (7%), Print-Me-dien (5%), Möbel und Wohnungseinrich-tungsgegenstände (4%), Do-it-yourself (3%) sowie Körperpflegeprodukte (2%) bedeutend vertreten.

Regionale Verteilung: Starke Konzentra-tion in den Agglomerationen

Die regionale Bedeutung des Detailhandels hängt entscheidend mit der räumlichen Sied-lungsstruktur zusammen. In grossen Zentren und deren inneren Agglomerationsgürteln liegt der Beschäftigungsanteil des Detailhan-dels über dem gesamtschweizerischen Durch-schnitt, da sie eine hohe Versorgungsdichte für ein grosses Einzugsgebiet sicherstellen müs-sen. In den ländlichen Gebieten spielt der Detailhandel eine weniger wichtige Rolle. Eine Ausnahme bilden diesbezüglich die touristi-schen Gemeinden, wo der Anteil des Detail-handels an der Gesamtwirtschaft überdurch-schnittlich hoch ausfällt.

Die regionale Verteilung des Detailhandels erfolgt gemäss der Logik der Versorgungs-funktion: Rund drei Viertel der Schweizer Bevölkerung wohnen in den fünf grossen me-tropolitanen Agglomerationen Basel, Bern, Genf/Lausanne, Lugano und Zürich. Dem-entsprechend ist auch der Hauptanteil der Beschäftigung im Detailhandel in diesen Grossagglomerationen konzentriert. Insge-samt sind in den metropolitanen Agglomera-tionen rund 75% der Arbeitsplätze im Schwei-zer Detailhandel angesiedelt.

Überwindung der Wachstumsschwäche

Zwischen 1980 und 2000 lag der Zuwachs der realen Bruttowertschöpfung im Schweizer Detailhandel signifikant unterhalb des ge-samtwirtschaftlichen Wachstums. Die Grün-de hierfür sind zum einen Sättigungstenden-zen beim Konsum von Gütern des täglichen Bedarfs sowie eine überdurchschnittliche Be-troffenheit von der Rezession in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre. Zum anderen führte der grosse Erfolg der Schweizer Export-branchen in der zweiten Hälfte der Neunziger-jahre zu einer ansteigenden Wachstumsdiver-genz zwischen Binnen- und Exportsektor.

Zwischen 2000 und 2005 kam es im Detail-handel infolge einer beschleunigten Produkti-vitätsentwicklung seit der Jahrtausendwende zu einem ansteigenden realen Bruttowert-schöpfungswachstum. Damit lag das Wachs-tum sogar leicht über dem gesamtwirtschaft-lichen Durchschnitt, bei dem sich das Platzen der Dotcom-Blase und der darauf folgende Einbruch bei einigen Exportbranchen deut-lich bemerkbar machte.

Wachstumslücke zum westeuropäischen Durchschnitt geschlossen

Die Wachstumsschwäche des Detailhan-dels in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre fiel in der Schweiz überdurchschnittlich stark aus. Dies zeigt ein internationaler Vergleich der realen Wertschöpfungsentwicklung im Detailhandel. Mit Ausnahme Italiens konnte in den grössten Ländern Westeuropas ein deutlich höheres Wachstum erreicht werden. Der westeuropäische Durchschnitt lag bei 1,8%, der durchschnittliche Wachstumsbei-trag zum nationalen BIP-Wachstum bei 0,1%. Herausragend präsentierte sich der US-ame-rikanische Detailhandel mit einem durch-schnittlichen jährlichen Zuwachs um 5,4% und einem Wachstumsbeitrag von 0,3 Pro-zentpunkten pro Jahr. Für den Schweizer De-tailhandel ergibt sich für die Periode 1990 bis 2000 ein leichter Rückgang von 0,4% und ein Wachstumsbeitrag von minus 0,02 Prozent-punkten.

1980 2005

ErwerbstätigeNominale Bruttowertschöpfung

In %

0

2

4

6

8

10

12

Quelle: BFS, BAK Basel Economics / Die Volkswirtschaft

Grafik 1

Anteil des Detailhandels an der Gesamtwirtschaft, 1980 und 2005

Sonstiger Detailhandel

Nicht stationärer Detailhandel

Apotheken

Körperpflege

Do-it-yourself

Möbel, Wohnungseinrichtung

Print-Medien

Warenhäuser, Waren versch. Art

Consumer Electronics

Textilien, Bekleidung und Schuhe

Nahrungs- und Genussmittel

2%

4%3%

2%5%

16%

36%

7%

12%

7%

5%

Grafik 2

Zahl der Beschäftigten in den einzelnen Sektoren des Schweizer Detailhandels, 2005

Quelle: BFS, BAK Basel Economics / Die Volkswirtschaft

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Seit der Jahrtausendwende konnte der Schweizer Detailhandel wieder das Wachs-tumsniveau des westeuropäischen Durch-schnitts erreichen. Im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2005 betrug der jährliche Zuwachs 1,2%. Einige grosse kontinentaleuropäische Länder – wie beispielsweise Deutschland oder Frankreich – wurden damit überflügelt. Wie eine Wachstumszerlegung zeigt, konnte der Schweizer Detailhandel die Wachstumslücke der Neunzigerjahre gegenüber dem west-europäischen Durchschnitt durch eine über-

durchschnittliche Produktivitätsentwicklung schliessen. Im Trendverlauf der realen Stun-denproduktivität zeigt sich hier seit der zwei-ten Hälfte der Neunzigerjahre ein Wachs-tumsvorsprung des Schweizer Detailhandels.

Die Steigerung der Produktivität erweist sich auch in den anderen – insbesondere den erfolgreichen – Ländern als zentrale Quelle für mehr Wachstum. In den USA kam es beispiels-weise in den letzten 15 Jahren zu einem regel-rechten «Produktivitätswunder», welches in den meisten Ländern Westeuropas ausblieb, insbesondere in den grossen süd- und mittel-europäischen Ländern.

Technologische Transformation ist Erfolgsfaktor Nummer 1

Als kritischer und wichtigster Erfolgsfak- tor für steigende Produktivitätszuwächse im Detailhandel erwies sich in den erfolgrei-chen Ländern der technologische Fortschritt. Die neuen Informations- und Kommunika-tionstechnologien (IKT) verwandelten den Detailhandel in den letzten zwei Dekaden von einer «Lowtech»-Branche in eine moder-ne Informationsindustrie. Ein Vergleich der Wachstumsperformance im Detailhandel zeigt, dass dieser unter Berücksichtigung struktureller Faktoren (Marktstruktur, wirt-schaftliche Rahmenbedingungen, allgemeine Konsumnachfrage usw.) in jenen Ländern am erfolgreichsten war, in denen am frühesten und stärksten in die Anwendung der IKT in-vestiert wurde.

Die Erfahrungen anderer Länder zeigen zudem, dass das Produktivitätspotenzial nur dann optimal ausgeschöpft werden konnte, wenn – verbunden mit den technologischen Weiterentwicklungen – auch ein Wandel in der Organisationsstruktur der Handelsunter-nehmen stattfand. Für die Realisierung der Effizienzgewinne durch die Anwendung der IKT sind also – komplementär zu Investitio-nen in IKT-Kapital – Investitionen in «Orga-nisationskapital» und Humankapital notwen-dig.1 Insbesondere in den USA kamen weitere Produktivitätsgewinne durch den strukturel-len Wandel hin zu grösseren Formaten zustan-de.

Überdurchschnittliches Produktivitäts-niveau im internationalen Vergleich

Neben der Analyse des realen Produktivi-täts- und Wertschöpfungswachstums spielt für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit das Niveau der Stundenproduktivität eine zentra-le Rolle. Hier liegt der Schweizer Detailhandel im internationalen Vergleich mit einem Wert von 42,5 Franken pro Stunde im Jahr 2005 deutlich über dem westeuropäischen Durch-

< = 4 < = 5 < = 6 < = 7 > 7

Quelle: BFS, BAK Basel Economics / Die Volkswirtschaft

Grafik 3

Anteil der Bruttowertschöpfung im Detailhandel an der Gesamtwirtschaft in den Schweizer MS-Regionen, 2006

Nom. Bruttowertschöpfung

in Mio. CHF1 730,04

550,0085,00

Quelle: BAK Basel Economics / Die Volkswirtschaft

Grafik 4

Verteilung der nominalen Bruttowertschöpfung im Detailhandel in den Schweizer MS-Regionen, 2006

MS = Mobilité spatiale

MS = Mobilité spatiale

1 Vgl. BAK Basel Economics (2007d).2 Vgl. BAK Basel Economics (2006).3 Vgl. BAK Basel Economics (2007c).

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schnitt, welcher bei rund 26 Franken pro Stunde liegt. Dieser Vorsprung bleibt im Durchschnitt auch dann bestehen, wenn man die Umrechnung der nationalen Werte in Schweizer Franken anstatt mit Devisenwech-selkursen mit Konvertierungsfaktoren durch-führt, welche den spezifischen Preisen im De-tailhandel Rechnung tragen (so genannte «Industry-of-Origin-PPP»).

Hohe Kostennachteile im internationalen Vergleich

Die Abschottung der Schweizer Märkte vom Ausland gilt als Hauptgrund für das hohe Kosten- und Preisniveau im Schweizer Detail-handel. Tatsächlich hat der Schweizer Detail-handel im internationalen Vergleich mit Deutschland, Frankreich, Österreich und Ita-lien (EU4) beim Warenimport die grössten Kostennachteile. Im Durchschnitt liegen die Warenbeschaffungskosten beim Import in den vier analysierten Ländern um 39% tiefer als in der Schweiz. Über die Hälfte der Preisun-terschiede von 15% zwischen dem Schweizer Detailhandel und dem EU4-Durchschnitt im Jahr 2005 kann mit diesem Kostennachteil erklärt werden.2

Für die höheren Beschaffungskosten des Schweizer Detailhandels beim Warenimport gibt es eine Vielzahl von Ursachen, die teilwei-se unmittelbar mit dem staatlichen Eingriff im Bereich der Warenbeschaffung zusammen-hängen: Hierzu gehören Zölle, zollrechtliche Deklarationsbestimmungen, technische Han-delshemmnisse oder patentrechtliche Rege-lungen. Hinzu kommt die Problematik, dass sich allfällige Sanktionen der Schweizer Wett-bewerbsbehörden im Falle internationaler Vertikalabreden kaum durchsetzen lassen. Gemäss Simulationsrechnungen3 würde die komplette Beseitigung sämtlicher Importbar-rieren beim Schweizer Detailhandel zu einem Kostensenkungspotenzial von rund 4% füh-ren. Betrachtet man lediglich Nahrungsmittel, beträgt der Kostensenkungsspielraum 8%. Hiermit werden allerdings lediglich die kom-parativ-statischen Effekte einer Liberalisie-rung des Warenhandels gemessen. Zusätzliche dynamische Effekte entstünden durch den verstärkten Markteintritt ausländischer An-bieter und damit verbundener Wettbewerb-seffekte.

Weitere Kosten- und Preissenkungen las-sen sich bei einer zusätzlichen Deregulierung des Schweizer Binnensektors erwirken. Bei einer parallel zur Liberalisierung des Waren-verkehrs durchgeführten umfänglichen Libe-ralisierung der Schweizer Produktmärkte be-trägt das Preissenkungspotenzial gemäss den durchgeführten Simulationsrechnungen im Schweizer Detailhandel 15%.

Grafik 5

Entwicklung der realen Bruttowertschöpfung im Schweizer Detailhandel im Vergleich zur Gesamtwirtschaft (ohne Detailhandel), 1980–2005

Index 1980 = 100

Detailhandel Gesamtwirtschaft ohne Detailhandel

19801981

19821983

19841985

19861987

19881989

19901991

19921993

19941995

19961997

19981999

20052004

20032002

20012000

20

40

60

80

100

120

140

160

Quelle: BFS, BAK Basel Economics / Die Volkswirtschaft

Wachstum Bruttowertschöpfung real, 1990–2000 bzw. 2000–2005 p.a.

Durchschnittlicher Anteil am BIP, nominal, 1990–2000 bzw. 2000–2005

–1%

0%

1%

2%

3%

4%

5%

6%

7%

7%6%4% 5%3%2%

Wachstums-beitrag p.a.1990–2000 bzw. 2000–2005

1990–2000

2000–2005

0.5

0.25

0.1

USA

Spanien

Westeuropa (17)

UK

Italien

Deut schland

SCHWEIZ

Schweden

NiederlandeÖsterreich

Frankreich

Grafik 6

Entwicklung der realen Bruttowertschöpfung des Schweizer Detailhandels im internationalen Vergleich, 1990–2005

Quelle: BAK Basel Economics / Die Volkswirtschaft

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Wachstumspotenzial: Beschränkte Impulse von der Nachfrageseite

Das Potenzial für das Nachfragewachs- tum im Detailhandel ist auch in Zukunft be-grenzt. Zum einen wird aufgrund soziode-mografischer Trends auch in Zukunft eine Verlagerung des Konsums von Gütern hin zu Dienstleistungen zu beobachten sein. Die Ausgabenposten, welche Grundbedürfnisse abdecken, werden in den kommenden Jahren weiterhin eine unterdurchschnittliche Ent-wicklung aufweisen.

Zum anderen wirkt sich langfristig die ab-nehmende Bevölkerungsdynamik dämpfend auf den privaten Konsum aus. Mit der zuneh-menden Alterung der Bevölkerung nimmt al-lerdings auch der Beratungs- und Servicebe-darf tendenziell zu, wovon der Detailhandel profitieren kann. Die stärkere Fokussierung auf die kommende Zielgruppe der «Genera-tion Gold» stellt diesbezüglich eine besondere Herausforderung und Chance dar.

Auf der Seite der Anbieter sind in den kommenden Jahren weitere Produktivitäts-steigerungen infolge der fortschreitenden Technologisierung und damit verbundener Effizienzgewinne zu erwarten. Ebenfalls posi-tive Impulse für die Wertschöpfungsdynamik werden von einer zunehmenden Wettbe-werbsintensität sowie von sinkenden Beschaf-fungskosten (s.o.) erwartet, welche sich im Falle einer Liberalisierung des internationalen Warenhandels ergeben würden.

Kasten 1

Quellen

– BAK Basel Economics (2006): Internationaler Ver-gleich der Kosten und Preis bestimmenden Faktoren im Schweizer Detailhandel, Basel.

– BAK Basel Economics (2007a): CH-PLUS – Analysen und Prognosen für die Schweizer Wirtschaft, Basel.

– BAK Basel Economics (2007b): CH-KONSUM – Analy-sen und Prognosen für Konsum und Detailhandel in der Schweiz, Basel.

– BAK Basel Economics (2007c): Auswirkungen einer Liberalisierung des internationalen Warenhandels auf den Schweizer Detailhandel, in: Brunnetti, Aymo und Sven Michal (Hrsg.): Services Liberalization in Europe: Case Studies, Bd. 2, SECO Strukturbericht-erstattung Nr. 35/2.

– BAK Basel Economics (2007d): Die Performance des Schweizer Detailhandels im internationalen Ver-gleich, Basel.

Durchschnittliches jährliches reales Ausgabenwachstum 2007-2020

Nominaler Anteil am privaten Konsum 2006

0%

1%

2%

3%

4%

0% 5% 10% 15% 20% 25%

Ø Wachstums-beitrag p.a.2007–2020

0.5%

0.2%

0.1%

Restaurants und Hotels

Unterrichtswesen

Freizeit und Kultur

Kommunikations-dienstleistungen

Verkehr

Gesundheitspflege

Wohnungseinrichtungen Wohnen und Energie

Bekleidung und Schuhe

Alkoholische Getränke undTabakwaren

Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke

Grafik 8

Beitrag der einzelnen Konsumuntergruppen am realen Wachstum der privaten Konsumausgaben, 2007–2020

Grafik 7

Nominale Stundenproduktivität im Detailhandel und in der Gesamtwirtschaft im internationalen Vergleich, 2005

Nominale Stundenproduktivität, in Fr.

Niederlande

Schweiz

Schweden

Vereinigtes Königreich

Frankreich USA

Österreich

Deutschland

Westeuropa (17)

Spanien

Italie

n

Detailhandel Gesamtwirtschaft

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Quelle: BAK Basel Economics / Die Volkswirtschaft

Quelle: BAK Basel Economics / Die Volkswirtschaft