Der Stern Des Abgrund

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  • Der Stern des Abgrundes.

    Das Medium Adolf Hitler

    im Lichte Sri Aurobindos und Der Mutter.

    Er ist ein Genie. Das selbstverstndlich schaffende

    Instrument eines gttlichen Schicksals. Aus tiefer

    Bedrngnis leuchtet ein Stern ! Ihm fhle ich mich bis

    zuletzt verbunden. Nun ist in mir der letzte Zweifel

    geschwunden.

    Joseph Goebbels, Tagebcher.

    Texte zusammengestellt

    und kommentiert

    von

    Satparam.

    ALLE RECHTE BEIM AUTOR

    1

  • ZU DIESEM BUCH

    Dieses Buch geht von der Hypothese aus, dass Adolf Hitler ein Medium war, dass er bei spiritistischen Seancen mit einem Wesen, das ihm erschien und Weisungen gab, in Kontakt gekommen ist. Es geht weiter davon aus, dass dieses Wesen, hinduistisch gesprochen, ein Asura, christlich ein Teufel war, dass Hitler das aber nicht erkannte und in gutem Glauben gewissenhaft dessen Weisungen folgte. Dieses Wesen aber nahm ihn und die Menschen berhaupt nicht ernst, es spielte mit ihm wie die Katze mit der Maus und zerschmetterte ihn schlielich. Diese auf den ersten Blick unglaublich anmutende These sttzt sich in erster Linie auf die Aussagen Sri Aurobindos und Der Mutter, zweier verwirklichter Weisen Indiens und Europas, deren Meisterschaft auf allen Ebenen des Seins ihnen erlaubte, unabhngig von ihrer physischen Gegenwart die Vorgnge um Hitler zu beobachten, zu analysieren und zu beeinflussen. Ihnen allein verdanken wir sogar die detaillierte Beschreibung des Aussehens von Hitlers Gott. Der Text untermauert diese These mit einer Flle von zeitgenssischen Zeugnissen, darunter Hinweise wie sie deutlicher nicht sein knnten Lanz von Liebenfels, Karl Strnckmann, Arthur Dinter, Rudolf Olden, Abraham Poljak, Mathilde Ludendorff sprechen vom spiritistischen Engagement Hitlers, Rudolf Hess, Paul Goebbels und viele andere bezeugen seine mediale Disposition, die besonders deutlich in seinen Reden zum Ausdruck kam. Bereits 1943 hat brigens der Bostoner Psychoanalytiker Walter Langer im Auftrag der US-Regierung aufgrund umfassender Unterlagen, Dokumente und Zeugnisse ein psychologisches Profil Hitlers entwickelt. Er schreibt: Eine Zusammenschau aller Evidenz zwingt uns zu dem Schluss, dass Hitler glaubte bestimmt zu sein, ein unsterblicher Hitler zu werden, von Gott auserwhlt, der neue Befreier Deutschlands und der Begrnder einer neuen Sozialordnung fr die Welt zu sein. Er glaubt fest daran und ist sicher, dass trotz aller Prfungen und Betrbnis durch die er gehen muss, er letztlich das Ziel erreichen wird. Die einzige Bedingung ist, dass er den Diktaten der inneren Stimme folgt, die ihn schon in der Vergangenheit fhrte und beschtzte. Langer deutet sogar mgliche Szenarien fr den Fall von Hitlers Niederlage an. Klarsichtig nennt er es das hchstwahrscheinliche Szenarium, dass Hitlers Glauben an den gttlichen Schutz ihn dazu zwingen wird, bis zum bitteren Ende zu kmpfen, eine Welt mit in die Flammen ziehend, und dass er sich letztlich umbringen werde. Unsere Untersuchung wird Langers Analyse bis ins Detail besttigen. Nach einem vollen Zyklus von 60 Jahren mit unzhligen Deutungs- und Erklrungsversuchen zahlreicher Autoren aller Schulen und Richtungen, sehen wir, dass die erste umfassende Analyse wohl auch die zutreffendste war. Wenn wir den Versuch machen, das Phnomen Hitler mit der mediumistischen Hypothese zu erklren, stellen wir fest, dass alles passt besser als jeder andere Erklrungsversuch ist sie geeignet, die Gesamtheit des Phnomens Hitler zu beschreiben und zu erhellen. Die anderen Dimensionen historisch, wirtschaftlich, ideologisch, gesellschaftlich usw. behalten ihre Bedeutung, werden aber in ihrer Wichtigkeit stark relativiert. Machen wir uns nun auf die Reise und entdecken wir aufs Neue eine alte, alte, alte Geschichte (Die Mutter) aus dem vergangenen Jahrtausend, ziehen wir aus ihr unsere Lehren, bevor wir sie mit befreitem verstehendem Aufatmen fr immer in der Mottenkammer der Geschichte verschwinden lassen

    SATYAM EVA JAYATE

    ALLEIN DIE WAHRHEIT SIEGT

    2

  • Inhaltsverzeichnis

    Seite 2 Zu diesem Buch 3 Inhaltsverzeichnis

    5 Vorwort 6 Im Dritten Jahrtausend

    7 Ungelste Rtsel 9 Der historische Hitler 10 Irgendein trauriger Mensch... 13 Ein sterreichischer Oberoffizialssohn 16 Frhe Berufung 17 Ein Sonderling in Wien 20 Im Bannkreis des Ordo Novi Templi

    - Lancz von Liebenfels 27 Der armanische Eingeweihte

    - Guido von List 33 Der Hohe Armanen-Orden 37 Gegen eine internationale Welt von Feinden 48 Die Heilige Johanna von Pasewalk 50 Der Arier 55 Der Jude - Lancz von Liebenfels 56 - List 57 - Hitler wird Antisemit 63 - Arthur Dinter 67 - Dietrich Eckart 73 - Holocaust

    76 Das grosse Massaker - der Rassenkampf ums Dasein 83 Der bermensch

    91 Evolution 97 Das Hakenkreuz 105 Houston Stewart Chamberlain 110 Richard Wagner 116 Der Ritter vom Heiligen Gral 118 Germanenorden und Thulegesellschaft 127 Okkultbrder im arischen Gewand 130 Okkulte Verbldung 136 Der Zauberlehrling 142 Im Dschungel des Okkulten 148 Der Fhrer des Fhrers 150 Erste Schritte in die Politik 152 Politiker wider Willen 155 Die Partei 166 Putsch und Gefangenschaft 171 Auf dem Weg zum `Fhrer'

    3

  • 178 Spiritismus 191 Im Banne Segenbringers 192 - Rudolf Olden 201 - Abram Poljak 204 - Die Mutter 206 -Arthur Dinter 216 Geheimnis Seele 221 Der deutsche Messias oder Wotans Wiederkehr 227 Der Redner 238 Das Miasma der Unterwelt 240 Direkter Draht zu Gott 244 Die innere Stimme 250 Berchtesgaden 259 Das Volk, das im Dunkeln wandelt, es sieht ein grosses Licht 266 Der Starke von Oben 273 Das Dritte Reich 284 Dass ihr mich gefunden habt ! 299 Ein infantiles Monster 304 Die Unperson 308 Von Gttern und Dmonen 321 Die Erstgeborenen der Schpfung 326 Der Herr der Falschheit 333 Anschlag des Antichrist 336 King Kong 338 Der Besessene 354 Ein Feind Gottes, der Menschen und der Deutschen 366 Avatare des Supramentalen 370 Der Krieg Der Mutter 387 Der Untergang 397 Verwandelt Euch ! 405 Anhang 417 Zeittafel 434 Bibliographie

    4

  • Vorwort

    Der Autor dieses Buches wurde in den letzten Kriegsjahren in Sddeutschland geboren, besuchte dort ein

    Internat und entdeckte kurz vor dem Abitur das Werk des indischen Yogaphilosophen Sri Aurobindo,

    das seiner stndigen Suche nach dem Sinn Erfllung bescherte. Spter entdeckte er auch Sri Aurobindos

    Mitarbeiterin Die Mutter und ihre Schriften. Mit Erstaunen las er ihre Beschreibungen der medialen Natur

    Hitlers, jenes Wesens hinter ihm, das Hitler und die Welt in die Finsternis fhrte. Weder in der Schule

    und in keinem der Bcher, die ihm zugnglich waren, wurde die Tatsache der dmonischen Besessenheit

    Hitlers erwhnt und doch schillert dieses Faktum hinter allen vermeidenden Umschreibungen

    unbersehbar hervor, sobald wir die kryptohistorischen Scheuklappen ablegen.. Je mehr man sich in die

    Materie vertieft, um so mehr Besttigungen findet man fr Der Mutter und Sri Aurobindos Deutung des

    Phnomens Hitler. Ja, letztlich erkennt man, dass ihre Erklrung diesem Phnomen mit all seinen offenen

    Fragen am besten gerecht wird.

    Als Angehriger der Generation der Kinder aus der Nazizeit lernte der Autor manches von der

    Atmosphre kennen, die das Leben der Vter, selbst noch nach Jahren, nach der Rckkehr aus Krieg und

    Gefangenschaft prgte.

    Dieses Buch mchte helfen die Augen zu ffnen fr eine ignorierte Wirklichkeit, jene dmonische Welt

    hinter Hitler und seinen Verbrechen, und dazu beitragen, dass sich hnliches nie wieder in Deutschland

    und der Welt ereignet.

    Auroville, Indien

    Im 60. Jahr nach der Befreiung.

    5

  • Im Dritten Jahrtausend

    Vor kurzem trat die Welt ins dritte Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung ein. Erwarteten viele das

    Weltenende bereits im bergang zum zweiten, so blieben uns doch weitere tausend Jahre vielfltiger

    Erfahrungen nicht erspart. Auch dem neuen bergang sahen nicht wenige mit gemischten Gefhlen

    entgegen, man hrte von Prophezeiungen immer neuer verheissungsvoller oder schrecklicher

    Ereignisse, und gross war die Erleichterung oder die Enttuschung - je nachdem, was erwartet wurde -,

    als der verhngnisvolle Zeitpunkt wieder einmal sang- und klanglos verstrich. Auch heute ist viel vom

    Zeitenwandel die Rede, Benedikt XVI soll nach den Prophezeiungen des Malachias der vorletzte Papst

    sein, der Tsunami Weihnachten 2005 verrckte die Erdachse bereits ein wenig, was dem von vielen

    erwarteten Polsprung und dem bergang in eine neue Dimension frderlich sei usw. usw. Die stndige

    Bereitschaft zum Wunder ist im Menschen angelegt. Er ist ein Entwurf hin zur Zukunft, ein Seil ber den

    Abgrund, eine Hoffnung wider alle Hoffnung. Gott wurde Mensch, damit wir Gtter werden. Paulus

    spricht von der Sehnsucht aller Kreatur nach der Offenbarung der Shne Gottes. Jesus lehrt uns das

    Beten um das Kommen des Reiches der Himmel.

    In Indien spricht man von den Avataren, den Herabsteigenden. Seit Anbeginn der Zeiten verkrpert sich

    das Hchste Bewusstsein auf Erden, in immer bewussteren Formen, dem jeweiligen Entwicklungsstand

    angemessen. Von zehn Avataren ist die Rede, sinnigerweise ist der erste ein Fisch, das Leben hat ja im

    Wasser angefangen, ber Schildkrte, Eber, Menschenlwe, Zwerg, Rama mit der Axt, Rama, Krishna

    und Buddha hin zum Vollender der Zeiten, Kalki. Wir finden Kalki in der Offenbarung des Neuen

    Testamentes im Reiter der Apokalypse wieder. Kalki kommt auf einem weissen Ross, ein Schwert in

    der Hand. Er wird endgltig mit den widergttlichen Mchten aufrumen - der Schleier der Lge, der

    Verhllung der Wahrheit wird fallen. Satyayuga, das Zeitalter der Wahrheit wird den schmerzlichen

    Gang der Zeit durch die Meere von Blut beenden. Die Schpfung die nichts anderes ist als Gott selbst

    im Spiel seiner Verhllung, wird ihre Maske abwerfen, sein leuchtendes Antlitz sichtbar werden.

    Auf dem Weg zur gttlichen Selbstoffenbarung hat es sich der Eine, der Alles ist, nicht nehmen lassen,

    auch sonderbare Formen seiner selbst ins Dasein zu rufen. Formen, die eher Fratzen sind als Gesichter,

    Formen, die den in der Unwissenheit gefangenen Wesen, den Gesetzen der Welt und der Menschen

    unterworfen, schrecklich erscheinen, furchtbar, denen sie hilflos ausgeliefert zu sein glauben. Vieh sind

    6

  • die Menschen fr die Gtter der Griechen und Vieh sind sie auch fr jene, die sich den Gttern hnlich

    oder ebenbrtig fhlen. Vieh, das man dahinmetzeln kann, das ruhig auf den Schlachtfeldern des

    Wahns verbluten darf, zur grsseren Ehre irgendeines blutgierigen Dmons, Herrschers oder Fhrers.

    Vieh, das es sich zur Ehre anrechnen darf, den Kompost abzugeben fr den Edelmenschen, der aus

    seinem Knochenmehl gezchtet werden soll. Solange der Mensch nicht geworden ist, wozu er berufen

    ist, ein Sohn Gottes - ihr seid Gtter, sagt Jesus -, solange er in seinem begrenzten und begrenzenden

    mentalen Bewusstsein als abgesondertes Individuum sich einer ihn bedrohenden bermchtigen Umwelt

    gegenbersieht, solange er das grosse Geheimnis, das Mysterium Magnum, nicht verwirklicht, dass alles

    Eins ist, dass es nur Eines und nur Einen gibt, dass wir nichts anderes sind als Er, solange wird er ein

    Wurm bleiben, der unter der Harke des Schicksals und der Gtter sich windet, vergeblich Schutz und

    Zuflucht suchend bei den Krcken, mit deren Hilfe sich das Menschengeschlecht in illusionrer

    Sicherheit whnt - Geld, Macht und Sex, den drei Mchten, die die Erde regieren und wie Binden ber

    den Augen liegend die wahre Sicht versperren.

    Von der Schwelle des neuen Jahrtausends aus drfen wir es wagen, einen Blick auf jenes sonderbare

    Phnomen zurckzuwerfen, welches vielen als Hhepunkt und Vollendung der Zeiten erschien, in seiner

    eigenartigen Faszination jenes 20. Jahrhundert berschattend. Heute ist es fr uns eher zum

    Schreckgespenst geworden, und wenn wir den kreischenden Stimmen lauschen, die seine Gegenwart zur

    Exstase trieb und seinen eigenen krchzenden Exaltationen, so fllt es uns schwer, das alles nicht

    lcherlich zu finden. Abgesehen von einigen entrckten Gewaltfanatikern, deren Gehirnen von Bier,

    Nikotin oder Drogen umnebelt der Spass an Qual und Sex es wert ist, das ohnehin schwierige Bemhen

    vollstndig aufzugeben, sich aus dem Schlamm, in den hinein wir alle geboren sind, herauszuarbeiten,

    kann heute keiner mehr sich jenem erstaunlichen Phnomen als mit befremdeten Verwundern nhern.

    Dieses Phnomen heisst Adolf Hitler.

    Warum berhaupt denn sich noch mit ihm befassen? Was hat uns diese merkwrdige Gestalt heute

    noch zu sagen? Sind nicht ber sie schon mehr Bcher geschrieben, mehr Filme gedreht, mehr Dramen

    verfasst worden als ber die meisten anderen historischen Gestalten? Wozu noch ein Buch mehr? Jenes

    Jahrhundert kann man sich ohne Hitler nicht vorstellen. Hitler gehrt zu ihm wie die Beule zur Pest.

    Hitler ist ein Symptom dieses Jahrhunderts. Hitler ist ein Symptom unserer eigenen Befindlichkeit.

    Hitler ist in uns noch...

    Sinnigerweise in der Vorweihnachtszeit des Jahres 1995 liess es sich das ZDF nicht nehmen, das

    unterhaltungshungrige deutsche Publikum mit der grossen Serie ber jenes behaglich-gruselige

    Monstrum zu erfreuen. Bequem im Fernsehsessel zurckgelehnt, die Schale mit den Chips und den

    Erdnssen auf den Knien, das gekhlte Bier in Reichweite, rollte das Panorama des sogenannten Dritten

    Reiches vor den weitgeffneten Augen der wonnig erschauernden noch kaum gebeutelten Bundesbrger

    ab. Gross waren lediglich die Erwartungen, viel Neues hat die Serie nicht gebracht. Wohlbekanntes

    wurde in buntem Reigen wohlfeil dargeboten, vergebens harrte man auf jene unterdrckten Fakten, die

    einzig der schillernden Gestalt jenes Abenteurers gerecht wrden. Diese dem Image des ZDF als einer

    ernstzunehmenden Anstalt der ffentlichen Unterhaltung und Fortbildung nicht entsprechenden

    7

  • kryptohistorischen Fakten wurden erst gar nicht erwhnt. Dass doch - so ganz nebenbei, wie

    versehentlich- in Interviews etwas davon zur Sprache kam, belegt, dass sich jenes Faktum, von dem in

    diesem Buche vor allem die Rede sein soll, aus eigener Kraft geltend macht, zu stark ist, um

    totgeschwiegen oder ignoriert zu werden. Dieses Faktum ist die sich jedem aufmerksamen Beobachter

    aufdrngende Tatsache, dass mit Hitler eine wie auch immer geartete Transzendenz in eine scheinbar

    wohlgeordnete dreidimensionale Welt eingebrochen ist.

    Ungelste Rtsel

    Fr den franzsischen Botschafter Andr Franois-Poncet birgt die Geschichte des Nationalsozialismus

    1947 noch dunkle Seiten, ungelste Rtsel in verborgenen Abgrnden. 1 Friedrich Meinecke rechnet

    `das Werk Hitlers zu den Durchbrchen eines satanischen Prinzips in der Weltgeschichte.2

    Es fllt auf, dass Autoren, welche die Wirklichkeit des Dritten Reiches bewusst erlebt hatten und unter

    dem Eindruck des Zusammenbruches schrieben, den dmonischen Charakter Hitlers und des

    Nationalsozialismus betonen. So weist Georges van Vrekhem, Aurovilianischer Autor profunder Bcher

    ber Sri Aurobindo und Die Mutter, in seinem neuen Werk Hitler and his God : the backgrund of the

    Hitler phenomenon, auf die Arbeit von Gnter Scholdt3 hin, der beeindruckt gewesen sei von der grossen

    Zahl zeitgenssischer Autoren, die in Hitler und seinem Handeln ein abgrundtief Bses gesehen und

    Ausdrcke wie Satan, Dmon und dmonisch benutzt htten, um ihn zu charakterisieren.

    Der geistigen Wirklichkeit in diesem Titanismus gegenber versage alles vernnftelnde Spiessertum, das

    nur mit den ihm begreiflichen Gedanken und alltglichen Dingen des Lebens rechne. Ausser den

    christlichen Denkern und Propheten seien es nur wenige grosse und fr das Abendland reprsentative

    Geister, die hier in die Tiefen geschaut und erkannt htten, dass die mchtigsten Krfte der Geschichte

    eben nicht jene begreiflichen, rational erfassbaren sind, sondern andere, die diesen Rahmen vllig

    sprengen, und fr die ein anderer Begriff als der des nur `Vernnftigen gilt, nmlich der Begriff des

    Dmonischen : Dante, Shakespeare, Pascal, Leibniz, Hamann und andere, an deren tiefsten

    Erkenntnissen freilich auch die gewhnliche `Bildung vorbergehe. 4

    Sri Aurobindo, der Yogi aus Pondicherry, dem wir im Vorwort schon kurz begegneten, hatte es zu

    Beginn des Krieges klar erkannt:

    Die Intervention des Gttlichen kann wirksam werden, und in dieser deutschen und

    Stalinangelegenheit handelt es sich um die Herabkunft der ganzen vitalen Welt auf die Erde. Das

    ist es, was die meisten Leute verwirrt hat, besonders jene intellektuellen Leute, die in

    idealistischen Begriffen dachten. Sie erwarteten niemals so etwas und jetzt, wo es gekommen ist,

    verstehen sie es nicht, wie es kommen konnte und was getan werden kann; sie sind alle

    1 Franois-Poncet, Andr: Als Botschafter in Berlin. 1931-1938. 1947. 2 Meinecke, Friedrich: Die deutsche Katastrophe. 2.Aufl. 1947, 26 3 Scholdt, Gnter: Autoren ber Hitler. Bonn 1993. 4 Schmid, Heinrich: Apokalyptisches Wetterleuchten. 1947, 416

    8

  • verwirrt. 5

    Aber auch der christliche Zeitzeuge Schmid beobachtet:

    `Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kmpfen, sondern mit Frsten und Gewaltigen,

    nmlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bsen

    Geistern unter dem Himmel (Eph.6,12). Wem einmal - vielleicht gerade durch die Schrecken

    unserer Zeit - aufgegangen ist, was fr finstere Krfte unter dem so wrdevollen Namen `Idee

    oder `Weltanschauung sich verborgen halten knnen, der hat seinen Kommentar zu jenem

    Pauluswort, und ihm vergeht der Dnkel des Spiessbrgers, in dieser und anderen Schriftstellen

    nur den Niederschlag eines lngst abgetanen Weltbildes zu belcheln. Es besteht ein ganzer

    verborgener Kosmos des Trotzes gegen die ewigen Ordnungen, dessen Lebensgesetz es ist, den

    einzelnen, ganze Geschlechter, die Menschheit und ihre Geschichte unwiderstehlich ins

    Verderben zu reissen. Diese heimlich-unheimliche Welt ist es, die wieder einmal sich

    manifestiert hat, nicht zum ersten Mal in der Weltgeschichte und kaum zum letzten Mal.6

    Die Vlkerwelt ist ins Dunkel des antichristlichen Verderbers geraten und alle ihre eigenen

    Lichter haben sich als trgerisch erwiesen oder sind erloschen. Wer kann ihr ein neues, rettendes

    Licht bringen?7

    Ich bin weder Okkultist noch Phantast, ich bin mit all meinen Ahnungen ein Kind meiner Zeit

    und halte mich nur an das, was ich sah und was mir immer wieder sich aufdrngt als des Rtsels

    einzige Lsung. Nein, dieser, den ich da vorberziehen sah, im Gehege seiner Mameluken, wie

    den Frst dieser Welt, er ist kein Mensch. Er ist eine Figur aus einer Gespenstergeschichte. 8

    Der historische Hitler

    Baldur von Schirach schreibt kurz vor der `Machtergreifung:

    Naive Menschen meinen, Adolf Hitler fhre ein Leben in Sorglosigkeit und Ruhe, mit

    Achtstundentag und Cafbesuch. Von der ganzen Schwere der Brde, die auf den Schultern

    dieses Mannes ruht, ahnen die wenigsten etwas. Unsere Zeit wird diesen berragenden

    vielleicht verehren und lieben, aber sie wird ihn nicht in seiner grossen Tiefe ermessen knnen.

    Das braucht sie auch nicht. Sie soll nur immer wieder im Hinschauen auf die gewaltige

    Persnlichkeit des Fhrers ehrfrchtig werden und Gott im Himmel danken, dass er uns auch

    dieses Mal nicht verlassen hat.

    5 Sri Aurobindo in Purani, Evening Talks; 20.5.40 6 Schmid, 418 7 Schmid, 448 8 Reck-Malleczewen, Friedrich Percyval: Tagebuch eines Verzweifelten. Lorch 1947, 11.8.36

    9

  • Was Adolf Hitler der Fhrer fr sein Volk bedeutet, wird heute von Millionen gewusst oder

    gefhlt. Diesem Fhlen und Wissen Gestalt zu geben, wird Aufgabe der Geschichtsschreibung

    sein, die den historischen Hitler den Enkeln zu berliefern hat. Das Buch ber den Fhrer wird

    somit erst in einer ferneren Zeit geschrieben werden knnen, die mit dem grsseren Abstand

    zugleich die grssere Urteilskraft erlangt haben wird.9

    Toland nennt Hitler ein `Mysterium. 10 Robert G.L. Waite frgt: `Wie war es diesem sonderbaren

    kleinen Mann mglich, eine grosse Nation in einer grausamen, aber immerhin populren Tyrannei

    gefangen zu halten und einen Kontinent zu erobern? 11

    Und K. Cornish stellt fest:

    Hitlers Erfolge von 1920 bis 1940 knnen unter die erstaunlichsten unter allen Persnlichkeiten

    der Weltgeschichte gezhlt werden. Ein einsamer, gasgeschdigter Veteran - ein sterreichischer

    Auslnder - stieg aus dem Nichts zum Fhrer einer grossen Nation auf. Er schuf Millionen von

    Jobs und befreite das Land aus der Armut. Nation nach Nation fiel ohne Blutvergiessen an ihn.

    Und als Blut floss, erlag Frankreich innerhalb von Wochen einem militrisch unterlegenen

    Gegner. Hitlers eigene Karriere ist daher der experimentelle Nachweis, dass Magie tatschlich

    urschlich wirksam ist. Sie wurde im Phnomen des Nationalsozialismus fortdauernden

    experimentellen Tests unterworfen und funktionierte.12

    Irgendein trauriger Mensch...

    Ein bleiches mageres Gesicht.13

    In dem von Neumann geschenkten Kaiserrock, einen steifen, speckigen, schwarzen Melonenhut

    auf dem Kopf, das Haar in Zotteln ber den Kragen hngend und den Bartflaum in dicker

    Krause rund ums Kinn - so bot Hitler nach Hanischs Zeugnis damals selbst einen Anblick, `wie

    er eigentlich bei uns Christen selten vorkommt.14

    Der berzeugte Republikaner und Nazigegner Konrad Heiden verfolgte jede Spur Hitlers, seit er in

    Mnchen Zeuge seines Aufstiegs geworden war. Er emigrierte 1933 in die USA, wurde von den Nazis

    ausgebrgert, und starb dort 1966. Heiden nennt Hitlers Dasein 1913 in Mnchen

    noch einsamer als in Wien, verkrochen und abseits mitten im Gerusch einer schnen, heiteren

    Stadt. Hager, krnklich, unfrisch, unsportlich wirkt der Vierundzwanzigjhrige unter

    9 Hoffmann, Heinrich: Hitler, wie ihn keiner kennt. Berlin ca 1932. 10 Toland, John: Adolf Hitler. 1977, 10. 11 Waite, Robert G.C. : The Psychopathic God Adolf Hitler. New York 1978. 12 Cornish, K., 150 13 Orzechowski,Peter: Schwarze Magie - Braune Macht. Ravensburg ca. 1980, 23 14 Heiden, Konrad: Adolf Hitler. Bd 1.2. 1936/1937, 40 f

    10

  • Gleichaltrigen. `Anfangs direkt unsympathisch, bei nherer Bekanntschaft netter, schildert ihn

    ein Beobachter dieser Zeit.15

    Im Februar 1932 wartet Walter Mehring im `Hotel Kaiserhof in Berlin neben Adolf Hitler, den er seit 11

    Jahren nicht mehr gesehen hatte, auf den Fahrstuhl. Seine Portrtskizze in Worten erscheint am 1.Mrz

    1932 in der Weltbhne Carl von Ossietzkys, dann am 15.Mrz 1940 in der Zukunft:

    Portrt nach der Natur

    Ein Schritt von mir! Tuchfhlung fast -- da

    steht er! Bumm!

    Aura von Waih-Geschrien und Heil-Gezeter!

    - Um ihn fnf Bullen, zackig, Seele angewinkelt,

    nackenkrumm -

    Zwei Falten, mundabwrts gesteilt, verhalten;

    vom Schicksal eingeplttet;

    Die rechte Schulter hngt, krampfhaft-lssig

    Stimme knarrt

    hart einen Anpfiff

    sddeutsch eingefettet -

    Kinn flieht! Gehacktes Brtchen trommelt

    forsch zum Angriff.

    *

    Nachts aber trumt das...

    Bodenloses ffnet sich dem Falle

    Der Wille irrt durch Trmmer ohne Zweck --

    Der Traum, kraftangewandet, spreizt die Kralle:

    Judas Rache!

    Den Albdruck weg!

    Den Albdruck weg!

    Deutschland, Erwache...!

    15 Heiden, 52

    11

  • *

    Die Linke in der Tasche, rechte Hand mahnt!

    All-Deutschlands Ober

    -Haupt

    Versetztes Lcheln; ein getretener grober

    Schani, der eines Juden ekles Trinkgeld klaubt.

    `Verfluchte Drohnen! Faust stsst vor

    Der Wunderattentter -- Mittelstandsheiland...

    Den Kopf im Mythos -- kncheltief durchs Blutmeer

    der Verrter

    Zum Rasse-Eiland!

    ... Hat er getrumt? Er sieht sich um: Millionen

    folgen! Bumm! Da steht er!

    Herrmann Wilhelm fasst Schilderungen des Auftretens Hitlers in seinen ersten Mnchner Jahren wie folgt

    zusammen:

    So trgt er die ersten Jahre zwar - hnlich wie Christian Weber - meist eine Reitpeitsche aus

    Rhinozerushaut bei sich, ansonsten aber sind seine Bekleidungsstcke und Akzessoires hchst

    unterschiedlich und widersprchlich. So ist er hufig in einem zerknitterten Trenchcoat zu sehen,

    zu dem er einen Schlapphut , wie ihn damals viele Knstler schtzen, trgt. Darunter kleidet er

    sich gerne mit einem blauen Anzug, den er allerdings mit den seltsamsten Bekleidungsstcken

    kombiniert. Ein Augenzeuge weiss zu berichten, dass Hitler einmal zu seinem blauen Anzug ein

    violettes Hemd, eine braune Weste und eine knallrote Krawatte trug. Als Pfeffer von Salomon,

    spter sein oberster SA-Fhrer, Hitler zum ersten Mal begegnete, trug Hitler einen alten

    Cutaway, gelbe Lederschuhe und auf dem Rcken einen Rucksack. Pfeffer war so sprachlos,

    dass er auf eine persnliche Vorstellung verzichtet.

    Die Wagner-Enkelin Friedelind erinnert sich an den Besucher

    in bayrischen Lederhosen, kurzen, dicken Wollsocken, einem rotblau gewrfelten Hemd und

    einer kurzen blauen Jacke, die ihm wie ein Sack um die knochige Schulter hing. Scharfe

    Backenknochen ragten aus hohlen, teigigen Wangen hervor, darber stand ein Paar unnatrlich

    leuchtender blauer Augen. Er sah halbverhungert aus, aber in seinem Blick lag etwas

    Fanatisches.16

    Karl Alexander von Mller beschreibt eine Szene in der Wohnung der Schwester von Ernst Putzi

    Hanfstaengl:

    12

  • ...durch die offene Tr sah man, wie er auf dem schmalen Gang die Gastgeberin fast unterwrfig

    hflich begrsste, wie er Reitpeitsche, Velourhut und Trenchcoat ablegte, schliesslich einen

    Grtel mit Revolver abschnallte und gleichfalls am Kleiderhaken aufhngte. Das sah kurios aus

    und erinnerte an Karl May. Wir wussten alle noch nicht, wie genau jede dieser Kleinigkeiten in

    Kleidung und Benehmen schon damals auf Wirkung berechnet war. 17

    Joseph Kessel beschreibt Hitler als `einen in ein rmliches schwarzes Gewand gekleideten Menschen,

    ohne Eleganz, noch Kraft, noch Charme, irgendein Mensch, traurig und recht gewhnlich.

    Der franzsische Botschafter Franois-Poncet beobachtet:

    Die Zge Hitlers sind verschwommen. Eine mittelhohe Stirn, eine mittelgrosse Nase, ein

    ebensolcher Mund. Der Ausdruck des Gesichtes ist verkrampft, dster, gewhnlich. Die Augen,

    leicht hervortretend, sind von einem trben Grau, nur im Zorn oder in der Erregung zeigen sie

    Glanz. Die Gesichtsfarbe ist auffallend blass, die Stimme rauh, heiser, tief, mit stark rollendem

    R. Sein Gang ist steif und feierlich, zeigt wenig Beweglichkeit. Man sieht ihn nur selten lachen

    oder auch nur lcheln. 18

    Der bayerische Konservative Reck-Malleczewen konstatiert verwundert:

    Letzthin in Seebruck sah ich Herrn Hitler, bewacht von seinen vorausfahrenden Scharfschtzen,

    beschirmt von den Panzerwnden seines Autos, langsam vorbergleiten: versulzt, verschlackt,

    ein teigiges Mondgesicht, in dem wie Rosinen zwei melancholische Jettaugen stecken.

    So traurig, so ber die Massen unbedeutend, so tief missraten, dass noch vor dreissig Jahren, in

    den trbsten Zeiten des Wilhelmismus, dieses Antlitz schon aus physiognomischen Grnden

    unmglich gewesen wre und, auf einem Ministersessel, sofort die Gehorsamsverweigerung...

    nicht der vortragenden Rte, nein, selbst die des Portiers und der Reinmachfrauen zur Folge

    gehabt htte.19

    Ich habe ihn spter vor Gericht gesehen, als sein Name die Reichweite des Mnchener

    Burgfriedens schon berschritten hatte und er sich wegen irgend einer Versammlungsstrung

    verantworten sollte.. Ich habe ihn in Berlin beobachtet, wenn er, schon ein berhmter Mann, die

    Halle seines Hotels betrat: im ersten Falle wartete sein Blick wie der eines oft Vorbestraften auf

    ein gutes Wort jenes kleinen und hchst subalternen Amtsrichters, der die Verhandlung leitet, im

    anderen Falle trat er dem Hotelportier gegenber mit dem krummen Rcken eines Mannes, der

    in einer Hoteloffice einen Pumpversuch machen will und des Hinauswurfes gewrtig ist.

    Ungeachtet seiner kometischen Laufbahn hat sich an dieser Diagnose, die ich vor nun zwei

    Jahrzehnten gewann, absolut nichts gendert. Auch heute noch hlt sie bei der Erkenntnis, dass

    er, jedes natrlichen Selbstbewusstseins und jeder Freude an sich selber bar, im Grunde sich

    selber hasst und dass seine politische Polipragmasie, sein massloses Geltungsbedrfnis, seine

    16 Bullock, 123 17 Wilhelm, Hermann: Dichter, Denker, Fememrder. 1989, 160 f. 18 Franois-Poncet, 299 19 Reck-Malleczewen, 11.8.36

    13

  • schon apokalyptisch zu nennende Eitelkeit nur dem einen Wunsche entspringt, alle seine

    schmerzlichen Erkenntnisse, die Selbsterkenntnis eines aus Kehricht und Jauche gefertigten

    Missgeborenen zu berdonnern. 20

    Ein sterreichischer Oberoffizialssohn S. Ostrander und L. Schrder wiesen darauf hin, dass der Parapsychologe Schrenck-Notzing seine

    Medien aus Hitlers Waldviertel bezog. Sein Geburtsort Braunau am Inn habe mehrere Medien

    hervorgebracht, so die bekannten Rudi und Willy Schneider. Hitler habe dieselbe Amme wie Willy

    Schneider gehabt.21 Der Medienforscher Harry Price hielt 1924 Seancen mit Willy im Wohnzimmer

    seiner Familie in Braunau ab. Ende Mrz 1925 nimmt Price an drei Sitzungen Baron von Schrenck-

    Notzings mit Willy Schneider teil.

    F.A. Kramer beschreibt Hitlers Kindheit 1945 rckblickend wie folgt:

    Adolf Hitler wird im Gasthaus "Zum Pommern" geboren. Vater hatte nach zwei bereits recht

    absonderlichen Ehen in dritter Ehe seine um 23 Jahre jngere Pflegetochter geheiratet, mit der er

    zudem noch verwandt ist. Sie lsst spter Zeichen schwerer Neurose erkennen. Ihre Schwester

    Johanna gilt als nicht ganz normal.

    Die Abstammung des Vaters ist nicht eindeutig. Vorfahren waren Kleinhusler im

    niedersterreichischen Waldviertel, das als Inzuchtgebiet bekannt ist.

    In der Familie der Eltern Lungenleiden. Adolfs Geschwister sterben mit 2 (Gustav, Ida), 6

    (Edmund) Jahren, nur Paula bleibt am Leben. Die Halbgeschwister aus der zweiten Ehe: Kellner

    Alois zweimal wegen Diebstahl im Kerker, in Deutschland wegen Bigamie verurteilt.

    Halbschwester Angela, die Mutter von Angelika Raubal.

    Fllt in Linz schon in der ersten Klasse Realschule durch, absolviert nur die ersten drei Klassen

    (bis zur Quarta). In Deutsch mehrfach 'nicht gengend', Interesse nur fr neueste Geschichte,

    Zeichnen und Turnen. Franzsisch oft 'nicht gengend', Mathe hufig `nicht gengend'. Von der

    vierten Klasse der Realschule Steyr geht er nach dem Tod des Vaters im Herbst 1905 pltzlich

    ab. Bummelte mit Sahnehrnchen und Mohrenkpfen. Muttershnchen.22

    Der kleine Adolf sei schneidig gewesen, ein stiller Fanatiker, verantwortungsbewusster als andere. Auf

    der Realschule htten ihn alle gemocht. Seine Lieblingsbeschftigung in Steyr war Lesen, Zeichnen und

    Rattenjagd. Im Turnen `vorzglich, im Zeichnen `lobenswert.

    Schon als Schler schwrmt er, angeregt von einem `Volksbuch ber den Krieg von 1870/71, fr alles,

    was mit Krieg und Soldatentum zusammenhngt. Er inszeniert mit Kameraden die Mayschen

    Indianergeschichten und Burenkmpfe gegen die Englnder.23

    20 Reck-Malleczewen, 11.8.36 21 Ostrander, Sheila u. Lynn Schrder: PSI. Bern 1971, 272 22 Kramer, F.A.: Vor den Ruinen Deutschlands. 1945. 23 Toland, 31

    14

  • Die Kinder nannten Adolf `spinnet, weil er auf einem Fleck oben am Hgel, wo ein paar Obstbume

    stehen, ohne Zuhrer zu predigen pflegte. Nicht nur am Tage, sondern besonders an mondhellen Nchten,

    daher auch der Ausdruck mondschtig.24

    Schon frh zeigte sich bei Hitler eine Neigung zur Transzendenz. In der elterlichen Kche stieg er auf

    einen Stuhl, tat sich als liturgisches Gewand die Schrze um und predigte. Er hatte als kleiner Junge den

    glhenden Wunsch, Pfarrer zu werden, wie er Helene Hanfstaengl spter erzhlen wird. 25 Chorknabe

    war er, Abt wollte er gerne werden. Glorie, Macht und Anspruch der Kirche hatten es ihm angetan. Der

    Nachbarsohn Trauner, der fr Hitler in Leonding Ministrant spielen sollte, verdrosch ihn allerdings

    lieber. Er ist es auch, der Hitlers Begeisterung fr Wagneropern weckt. Mit 12 sieht Adolf als erste

    Wagneroper den Lohengrin.

    Adolf habe oft Arzt gespielt, Holzinstrumente wie Pinzetten geschnitzt und die Kinder mit seinen

    Untersuchungen genervt.

    Mit leuchtenden Augen erzhlt er spter seinem Freund Hanisch von den Bauernraufereien in seiner

    obersterreichischen Heimat. Ein lterer Freund habe ihm einmal im Gerichtsgebude zu Ried eine

    Sammlung von Mordinstrumenten gezeigt, die raufenden Bauern abgenommen worden waren. Das sei fr

    den Kaben Hitler ein glcklicher Tag gewesen. 26

    Bei der Plnderung von Birnbumen und anderen Streichen war er gewhnlich der Anfhrer, ein kleiner

    Schlingel, der sich berall dort einfand, wo etwas passierte. In Fischlham galt er als Rdelsfhrer.

    Ambition und Fantasie waren vorhanden, der Sohn des Oberoffizials Alois Hitler, der sich aus rmlichen

    Verhltnissen emporgearbeitet hatte, wollte auch etwas werden. Dass er autoritr erzogen wurde, prgte

    ihn. Sein Vater pfiff ihm auf zwei Fingern, fluchte und schimpfte stndig. Der Bub durfte nicht ungefragt

    sprechen und verstand sich schlecht mit dem Vater. Als er von ihm geprgelt wurde, zhlt er kaltbltig

    die Schlge mit. Hitler erzhlt in einem Tischgesprch, wie er als Knabe ohnmchtig zu Boden gesunken

    sei, als er bei der Gartenarbeit gegenber seinem Vater nicht das letzte Wort behalten habe. Hitler habe

    in seinem Leben niemals nachgegeben, solange noch ein Funken Leben in ihm war. Jeder Widerspruch

    habe ihm das Blut in die Schlfen getrieben.27

    Die Schule hat ihm keinen grossen Spass gemacht, die Zeugnisse sind danach. Versetzt wurde er auch

    nicht immer. Beamter wie sein Vater zu werden widerstrebte ihm schon mit elf und zwlf Jahren, was

    den `Alten Herrn verbitterte und ihn auch. Auf die Frage, was er werden wolle, lautete die Antwort stets

    `ein grosser Knstler.

    Den strubbeligen kleinen Spitzbuben mit wildem ungestmen Betragen zeigt ein Klassenbild von 1900

    aus Leonding in der Position des Anfhrers: das Kinn nach vorne gestreckt, die Arme vor der Brust

    verschrnkt, mit leicht rebellischem Gesichtsausdruck und keck zur Schau getragener Selbstsicherheit. 28

    Sein Lehrer Prof. Dr. Hmer nannte ihn `widerborstig, eigenmchtig, rechthaberisch und jhzornig. Er

    24 Peter an Rudolf Olden, 4.1.36 25 Toland, 17 26 Heiden, 47 27 Dietrich, Otto: Zwlf Jahre mit Hitler. Kln ca 1955, 27. 28 Toland, 30

    15

  • verlange von seinen Mitschlern unbedingte Unterwerfung und gefalle sich in der Fhrerrolle. Auch

    manchen weniger harmlosen Streich habe er sich, wie andere unreife Jungen auch, nicht selten geleistet.

    Hitler erhielt privat und unentgeltlich Unterricht in deutscher Sprech- und Redekunst von seinem Paten

    und Lehrer Dr. Leopold Ptsch in Linz.29

    Der eisernen Zucht des Vaters entwand er sich durch die Flucht in die Welten der Fantasie. Maler wollte

    er werden, einen Traum, den seine zrtlich geliebte Mutter mittrug. Schon im Frhjahr 1906 hlt er sich

    zu Studienzwecken einen ganzen Monat in Wien auf.

    Hitler entstammt einer Gegend, die bereits Medien hervorgebracht hat. Seine Kameraden

    hielten ihn fr mondschtig, da er nachts Reden vor einem imaginren Publikum hielt.

    Seine religise Ader ist bereits angedeutet er will Priester werden. Schon damals ist er

    der Anfhrer, schneidg, rechthaberisch und jhzornig. Der knstlerische Anspruch wird

    ihn sein Leben lang begleiten.

    Frhe Berufung

    Hitlers Freund Kubizek erinnert sich an ein beeindruckendes Erlebnis 1906 in Linz.

    An einem nasskalten Novemberabend sahen sie Wagners Rienzi. Der Aufstieg und Fall des rmischen

    Volkstribuns beeinflusste Hitler in merkwrdiger Weise. Entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten

    usserte er anschliessend keine Kritik, und als Kubizek ihn nach seinem Urteil ber die Auffhrung

    fragte, herrschte er ihn mit einem fremden, fast feindseligen Blick an: `Schweig! Die beiden jungen

    Mnner verliessen die Oper, und Hitler, noch bleicher als sonst und den Kragen seines schwarzen

    Mantels hochgeschlagen, lenkte ihre Schritte auf den Weg zum Freinberg. Kubizek wagte keine Fragen

    mehr zu stellen. Auf dem Gipfel angekommen, ergriff Adolf Kubizeks Hnde, - seine Augen fieberten

    vor Erregung -, und redete mit rauher und heiserer Stimme auf den Gefhrten ein. Es schien Kubizek, als

    spreche ein anderes Ich aus Hitler, ein ekstatischer Zustand, ein Zustand vlliger Entrckung, in dem er

    das Geschehen um Rienzi auf eine andere Ebene transponierte. Adolf habe von einer besonderen Mission

    gesprochen, die ihm dereinst zuteil werden wrde, einem Auftrag des Volkes, es zu den Hhen der

    Freiheit zu fhren. Als sie gegen drei Uhr nachts Kubizeks Wohnung erreicht hatten, strebte Adolf mit

    der Bemerkung `Ich will allein sein! erneut dem Berge zu. Der nchtlichen Ekstase auf dem Freinberg

    sei eine verstimmte Phase gefolgt, in der sich Hitler gekrnkt und zurckgestossen fhlte. Kubizek

    bemerkt:

    Etwas ganz Merkwrdiges, das ich frher, wenn er in erregter Form zu mir gesprochen hatte,

    nie an ihm beobachtet hatte, fiel mir in dieser Stunde auf: Es war, als wrde ein anderes Ich aus

    ihm sprechen, von dem er selbst mit gleicher Ergriffenheit berhrt wurde wie ich. Keineswegs

    war es so, wie man von einem mitreissenden Redner mitunter sagt, dass er sich an den eigenen

    29 Mllern-Schnhausen, Johannes von: Die Lsung des Rtsels Adolf Hitler.[c. 1960],113

    16

  • Worten berausche. Im Gegenteil! Ich hatte eher den Eindruck, als wrde er mit Staunen, ja mit

    Ergriffenheit selbst miterleben, was da mit elementarer Kraft aus ihm herausbrach.30

    Es scheint fr Hitler eine Art Berufungserlebnis gewesen zu sein. Sehr spt noch erinnert er sich

    an es. In einem Gesprch mit Frau Wagner sagte Hitler in Gegenwart Kubizeks, `In jener Stunde

    begann es.31

    Ein Sonderling in Wien

    Der Schock war tief, als die Kunstakademie in Wien den jungen Aspiranten Hitler ablehnte. Architektur

    konnte er auch nicht studieren, da ihm dazu der Schulabschluss fehlte. Trotzdem hat er Zeit seines Lebens

    gebaut, die Architektur war immer seine grosse Leidenschaft. Selbst im Bunker der letzten Tage trumte

    er vor den Modellen der Umgestaltung seines lieben Linz, wo er die Mittelschule besucht und bei

    Schlagsahne und Mohrenkpfen gebummelt hatte. In Wien ist er nach den sorglosen Jahren in Linz und

    Steyr ernst und still geworden, oft deprimiert und in sich gekehrt. Heiden beschreibt sein Aussehen in

    jener Zeit als `fast schnen Knstlerkopf mit ekstatisch brennenden Augen, breitem buschigem

    Schnurrbart; zarte Gestalt, hastiger, springender Gang. Fhrt oft Selbstgesprche. Ein Sonderling. In

    Mein Kampf berichtet Hitler von den Auseinandersetzungen mit der roten Arbeiterbewegung, dem

    Umgang mit den Mnnerheimbewohnern, der Entdeckung der Juden. Sie muss ihn wirklich umgeworfen

    haben, wenn wir seinen Worten Glauben schenken drfen:

    Widerwrtig war mir das Rassenkonglomerat, das die Reichshauptstadt beherrschte;

    widerwrtig dieses ganze Vlkergemisch von Tschechen, Polen, Ungarn, Ruthenen, Serben,

    Kroaten usw., zwischen allem aber als ewiger Spaltpilz der Menschheit - Juden und wieder

    Juden. Mir erschien die Riesenstadt als Verkrperung der Blutschande.32

    Zunchst lebte Adolf zusammen mit seinem Freund Kubizek in einer Studentenbude, wo er sich seinen

    `Studien hingibt, eifrig Bibliotheken benutzt und bereits von grossen Vernderungen der Gesellschaft

    trumt. Hitler fiebert fr Richard Wagner, der auch wie er gegen eine verstndnislose Umwelt habe

    ankmpfen mssen. Wagner entrckt ihn. Wagner sollte neben der Architektur Hitlers grosse

    Leidenschaft werden. In der Musik galten fr Hitler nur deutsche Art und deutsches Wesen. Er versucht

    eine Oper, Wieland der Schmid, in der wilde, entfesselte Leidenschaften das Geschehen

    vorwrtspeitschen, mit Hilfe des Konservatoriumsstudenten Kubizek zu Papier zu bringen, scheitert aber

    daran. Adolfs dramatischer Versuch spielt in der germanischen Mythologie und Geschichte und htte

    aufwendige Inszenierungen mit Bhnenbildern aller mglichen Schaupltze zwischen Himmel und Hlle

    erfordert, auch original germanische Musikinstrumente waren vorgesehen.

    Im Erscheinungsjahr von Lists Armanenschaft der Ariogermanen, 1908 arbeitet Hitler an einem Drama

    ber den Konflikt zwischen christlichen Missionaren und den germanischen Priestern eines heidnischen

    Schreins in den bayerischen Alpen.

    30 Toland, 140 ff

    17

  • Musikausbenden Frauen steht er als `musikalischem Weibsgezcht kritisch gegenber, wie berhaupt

    das weibliche Studium sinnlos sei.

    Kubizek, der sich frgt, was Gott mit diesem Menschen wollte, verdanken wir eine Flle von Einsichten

    in Hitlers Charakter. Er sei allem auf den Grund gegangen, bis er vor dem Nichts stand. Ungehorsam,

    fest, starr, unbeweglich und ungeduldig, lesend, malend, zeichnend, dichtend, immer von Bchern

    umgeben sei sein Freund mit selbst gestellten Aufgaben rastlos dmonisch ttig gewesen, ohne

    praktischen Nutzen.

    Im Mrz und Juni 1906, ebenso im Herbst 1907 war Adolf allein in Wien. Tage- und nchtelang sei er

    einsam umhergewandert. Kubizek berichtet, Hitler sei tagelang verschwunden. Im Mrz 1908 wieder fr

    drei Tage, danach redet er vom `Sturm der Revolution, vom deutschen Idealstaat, von Sozialreform und

    erklrt `die Zinskasernen werden abgebrochen. In der folgenden Nacht habe er Plne fr eine

    mustergltige Arbeitersiedlung entworfen. Er besucht ffentliche Wrmestuben, wo Zeitungen

    ausliegen, fhlt mit den kleinen Leuten und hlt sie sich vom Leibe. Die Frage, wo er zu Mittag isst, weist

    er schroff zurck.

    Wir wissen inzwischen, dass Hitler zwischen 1908 und 1913 einen okkulten Zirkel in Wien frequentierte,

    zu dem neben Willy Thaler, einem Vetter Wiliguts, seiner Frau Marie Thaler, eine bekannte

    Schauspielerin, auch mehrere Brder von Lanz Orden des Neuen Tempels (ONT) gehrten. Wiligut

    war der sogenannte Rasputin Himmlers und hielt sich fr den hellsichtigen Erben archaischer Traditionen

    und germanischen Knigtums. 33

    Kubizek nennt seinen Freund ein Doppelwesen, widerborstig, manchmal unheimlich, rechthaberisch,

    jhzornig, rcksichtsvoll, Reden wie vulkanische Entladungen, Zornesausbrche, besitzergreifend mit

    erschreckenden Augen, in vielem immer ein Rtsel.

    Sein Lieblingsbuch sei Schwabs Deutsche Heldensagen gewesen, deren heroische Geschichten bereits

    Adolfs Lehrer Leopold Ptsch in Linz mit Lichtbildern veranschaulicht hatte. Einmal sei Adolf aufgeregt

    mit einem Buch ber Hexenprozesse und die Inquisition aus der Bibliothek nach Hause gekommen.

    Bcher waren seine Welt, Schopenhauer und Nietzsche intimste Angelegenheit, die er mit niemand teilen

    wollte. Unerhrt viel habe er gelesen.

    Riesenprojekte nahmen ihn in Anspruch. Er ertrug es nicht, wenn man an der Verwirklichung seiner

    Ideen zweifelte. In seiner Traumwelt fand er sich besser zurecht als in der realen Welt. Er konnte in die

    Luft hinein fantasieren und zugleich seine Sache hieb- und stichfest machen, ein Visionr. Je weiter ein

    Projekt von der Verwirklichung entfernt war, desto intensiver habe sich Adolf in es hineingesteigert,

    z.B. das `mobile Reichsorchester', das ihn nachdrcklich beschftigte. Was der 15jhrige plante, htte der

    50jhrige ausgefhrt. Traum und Wirklichkeit griffen ineinander, wurden austauschbar. Kubizek bangte

    mitunter, Adolf fnde nicht mehr in die Wirklichkeit zurck. Gewisse Ahnungen trgen selten,

    aussergewhnliche Menschen verstnden einander eben durch Intuition, wie Hitlers Schwarm Stephanie,

    31 Daim, 54 32 Hitler, Adolf: Mein Kampf, 51 33 Goodrick-Clarke, Nicholas: The occult roots of Nazism. 1985, 180. Zu Wiligut: Rudolf J. Mund: Der Rasputin Himmlers. Wien 1982.

    18

  • den er aus der Ferne anhimmelte. In der Beziehung suchte er absolute Ausschliesslichkeit. Die `Flamme

    des Lebens msse rein erhalten bleiben.

    Die Linzer Jahre htten im Zeichen der Kunst, die in Wien der Politik gestanden. Seine vllige

    Bedeutungslosigkeit htte Hitler durch entschiedene Stellungnahme ausgeglichen, berall sah er

    Hemmung und Hindernisse, alle verkannten ihn. Kubizek meint, Antisemit sei Adolf schon in Linz durch

    den Einfluss von Vater und Schule gewesen. Nun wird er zum Zeugen gegen Juden, tritt dem

    Antisemitenbund bei und studiert mit Eifer die Judenfrage. Von Krieg und Soldatentum wollte er nichts

    wissen. Er ballte im Parlament in Wien als Zuhrer die Fuste, seine Augen brannten. Er emprt sich

    ber Flugzeuggeschtze, Militrs sind fr ihn eitle Hohlkpfe.

    Schon die Schule htte er mit elementarem Hass verlassen. Allmhlich sei er ganz aus dem

    Gleichgewicht gekommen, habe berall Hass und Feindseligkeit gesehen. `Gustl musste Hasstiraden

    ber sich ergehen lassen, Hass loderte in Adolfs Augen, deren ungewhnlicher Glanz Zornesausbrche

    einzuleiten pflegte. Seine ussere Gestalt htte einem indischen Asketen entsprochen. Anfang Juli 1908

    verschwindet er aus Kubizeks Leben. `Er wollte keinen Freund mehr haben.34 Die Bereitschaft zum

    Hass sollte Hitler als Werkzeug fr jene Krfte prdestinieren, die ihn mehr und mehr beeinflussen

    werden.

    Am 18.11.1908 meldet Hitler sich in die Felberstrasse ab, ohne seinem Freund Lebwohl zu sagen. Gustls

    Bemhungen, Adolf ausfindig zu machen, bringen ihm nur die spitze Bemerkung von Adolfs Schwester

    Angela ein - die selbst nichts ber Adolfs Verbleib wusste -, er leiste der Flucht ihres Bruders aus der

    Realitt Vorschub. Adolfs Spur verliert sich fr Gustl, bis er ihm als Reichskanzler wiederbegegnet.

    Die folgenden Jahre sind geprgt vom Leben im Mnnerheim in der Meldemanngasse.

    Im Asyl gibt er sich als Boheme mit flaumigem Backenbart, schwarzem Hut und abgewetztem

    schwarzen Gehrock, den sein jdischer Asylgenosse Neumann ihm geschenkt hat. Am liebsten

    brtet er stundenlang vor sich hin.

    Olden fand heraus, dass Hitler so laut politisierte, dass sich andere beklagten und der Portier um mehr

    Ruhe und leiseres Sprechen bitten musste. Hitler sei sehr scheu, geradezu verschchtert gewesen, wenn

    einer auf seine Zeichnungen gucken wollte, legte er den Arm ber sie. Er habe schrecklich ausgesehen,

    schwarzer Rock mit Pelerinenkragen, auf dem die ungeschnittenen schwarzen Haare auflagen, Pickel im

    Gesicht, von Ungeziefer bevlkert. Er pflegte Hut und Mantel auch beim Arbeiten im Zimmer nicht

    abzulegen. Er sei faul gewesen, ber die Habsburger hergezogen, antisemitisch und Lgerbewunderer.35

    Im Mnnerheim lernt Ade reden. Hier findet er seine grossen rhetorischen Mittel: kein

    Argument, sondern Angriff; keine Folgerung, sondern Wiederholung; kein Beweis, sondern

    Stimmstrke. Er sieht, dass nicht die kleine, sondern die grosse, die phantastische Unwahrheit

    geglaubt wird. Er erfhrt, dass sein Rausch sich wie mit physischer Gewalt auf unkritische

    Zuhrer bertrgt. Hier lernt er zu bellen und zu schumen, bis die Augen glasig sind und die

    34 Kubizek, August: Adolf Hitler, mein Jugendfreund. 4. Aufl. 1975, passim 35 Olden, Rudolf: Hitler. Amsterdam 1935, 28.

    19

  • Haare ihm nass in die Stirn hngen. Hier lernt er den Appell an eine im Grunde unendlich

    verachtete Masse.36

    Nach Ravenscroft hat Hitler 1913 im Mnnerheim Drogen genommen und in den Wldern der Wachau

    Ausflge ins Reich der Bewusstseinserweiterung durchgefhrt. 37

    In die Wiener Zeit fallen die Kontakte Hitlers mit mindestens einem okkulten Zirkel, zu dem ein

    Vetter Wiliguts und mehrere Brder des Ordo Novi Templi Lanz von Liebenfels gehrten. 1909

    sucht Hitler Lanz selbst auf, um von ihm fehlende Ostara-Hefte zu bekommen. Die entscheidenden

    Weichen fr seine okkulte Entwicklung drften in dieser Zeit gestellt, Kontakte zu den Orden von

    Lanz und List angebahnt und vertieft worden sein. Er wird mit einem Empfehlungsschreiben der

    List-Gesellschaft nach Mnchen gehen. Nach dem Krieg und dem Intermezzo im Lager Traunstein

    finden wir Hitler bei einer spiritistischen Sitzung Lanzens wieder. In Wien werden auch die

    Weichen fr seine antisemitische Entwicklung gestellt.

    Im Bannkreis des Ordo Novi Templi

    Lancz von Liebenfels (1874 - 1954)

    Der Ordensgrnder Lanz erzhlt dem Historiker Daim 1951 in seiner Wiener Wohnung, Hitler habe ihn

    1909 in seinem Breau aufgesucht und ihm erzhlt, dass er in der Felberstrasse wohne, und in einer nahen

    Tabak-Traffik die Ostara- Hefte Lanzens fast regelmssig gekauft htte. Zur Vervollstndigung fehlten

    ihm noch einige Nummern, die ihm Lanz doch berlassen mge. Da Hitler ausgesprochen arm

    ausgesehen habe, schenkte ihm Lanz die Hefte und gab ihm darberhinaus das Geld fr die Rckfahrt.

    Lanz sei sich klar gewesen, dass seine Ideen Hitler als politische Grundlagen dienten. Er habe sich deren

    Verwirklichung allerdings anders vorgestellt. Auch habe sich Hitler ihm gegenber durch das sptere

    Schreibverbot von 1938 als sehr undankbar erwiesen.38 Hitler verkehrte also schon zur Zeit der Blte der

    ariosophischen Bewegung in Wien in den Kreisen von Anhngern Lists und Lanzens. 1909 entsteht

    Hitlers Gemlde `Burg Utopia. In jene Zeit fllt auch die Bekanntschaft mit `Franzl, dem Hitler ein

    Gemlde einer Ordensburg mit der Widmung `Meinem lieben Freunde Franzl zum Zeichen der

    Dankbarkeit. Wien zu Weihnachten 1911 schenkte.39 Das Gemlde knnte Burg Werfenstein im

    Strudengau an der Donau, wo der Ordenskonvent tagte, darstellen. In einem Brief an `Franzl v. 26.7.11

    fhrt Hitler aus, dass die Welt einen Verlust erlitten hat, weil er nicht an die Akademie gehen konnte,

    oder hat mich das Schicksal zu etwas anderem ausersehen? 40 Ein Franz Herndl gehrte dem Kreis

    um Lanz an, er verewigte die Neutempler im sozial-reformatorischen Roman Die Trutzburg (Leipzig

    36 Kramer, F.A., 14 37 Ravenscroft, 95 38 Daim, 25 f 39 Mllern-Schnhausen, Johannes von: Die Lsung des Rtsels Adolf Hitler. Wien ca 1960, 92 40 Mllern-Schnhausen, Johannes von: Die Lsung des Rtsels Adolf Hitler. Wien ca 1960, 195

    20

  • 1908). Es ist durchaus mglich, dass Hitler bereits damals an den Anrufungen der arischen Geister

    Lanzens auf Werfenstein teilgenommen hat.

    Mit 19 Jahren war Lanz 1893 ins Zisterzienserstift Heiligenkreuz eingetreten, das er 1899 wieder verliess,

    um 1907 seinen eigenen Orden, den Ordo Novi Templi auf Burg Werfenstein als erster Ordensburg, der

    Heimat der Gattin des Hunnenknigs Etzel, als ein Gemisch vlkischer Ideologie und esoterischen

    Okkultismus zu grnden.

    Dort wehte die zum Hakenkreuz abgewandelte Krukenkreuzfahne. Bis zum Ausbruch des ersten

    Weltkrieges folgten noch drei weitere Burgen, so dass der Orden 1920 bereits 4 Burgen, ein Haus in

    Salzburg und eine Zelle in Ungarn besass. Das eigentliche Ziel des Ordens, - wie angeblich des 1312 von

    Philipp IV. aufgelsten Templerordens und der Katholischen Kirche des Mittelalters berhaupt -, war,

    die Rassenreinheit der Blonden zu erhalten oder durch Rassenentmischung wiederherzustellen. Der

    Mnchener Grossindustrielle Wannieck finanziert den ONT und die List-Gesellschaft.

    Der aus dem gleichen sterreichischen Raum wie Hitler stammende Lanz sah sich als `ario-germanischen

    Weistumsknder, nahm in seinen Orden nur blau-blonde Mnner auf, die sich zur Reinzucht

    verpflichteten, war Mitarbeiter der Monumenta Judaica mit wissenschaftlicher Qualifikation und steckte

    tief im Okkultismus. Reiche Gnner ermglichten den Erwerb mehrerer Gralsburgen, ber denen die

    Hakenkreuzfahne wehte, und Felsenkapellen, wo in weissen Gewndern mit dem Templerkreuz

    Gralsfeiern abgehalten wurden. Viel an diese Neutemplerbruche Anklingendes findet sich brigens im

    Weiheritual der Hitlerjugend und der Junkerschaft der nationalsozialistischen Ordensburgen wieder.

    Ab 1894 entwickelte Lanz die `Ariomantik,

    indem ich an St. Bernhard und die mittelalterliche Gralsmystik der Templeisen anknpfte. Ihr,

    meine Freunde, seid die Vorkmpfer, die ersten Trger und Mrtyrer der neuerwachten

    arischchristlichen Mystik gewesen, und Ihr und Eure Kinder werdet die Sieger dieser einst die

    Menschheit und die Welt erobernden Bewegung sein. Das walte Gott!,

    so Lanz 1927 an seine Schler.41

    In seiner Praktischen Einfhrung in die arisch-christliche Mystik, als Handschrift gedruckt 1927, stellt er

    den mystischen Weg seiner Schler dar - ber Vorbereitung, Luterung und Beschauung zur mystischen

    Verzckung und Hochzeit. Der komplette Titel des V. Teiles, als Handschrift gedruckt 1934, lautet z.B.:

    Die mystische Verzckung und Hochzeit (Ekstasis und Unio)

    Das Gehirn als Strahlensender, alle Naturkrfte eigentlich Geister (Intelligenzen), Mystik ist

    nichts anderes als die Heranbildung des Menschen zum Strahlenempfnger, Strahlensender und

    zum Magier, der mit nahezu gttlicher Allmacht die Reiche der Materie und des Geistes

    beherrscht und zum Schluss sich selbst und seine Rasse berformt, d.h. zum irdischen Gott

    umbildet, was geschieht in der mystischen unio cum Deo. Mit Gott vllig eins wird der

    Mystiker allmchtig in und mit Gott, unterwirft sich Materie und Geister, irdische Umgebung,

    Dinge und Menschen und bestimmt sein irdisches Schicksal in den kommenden

    21

  • Wiederverkrperungen, Mystik ist die einfachste und sicherste Anleitung zu materiellem und

    geistigem Erfolg. Die neun Chre der Engel und ihr Wirkungskreis, die Erfllung der

    verschiedenen Wnsche durch Anrufung der entsprechenden Engelarten. Der Mystiker dringt

    `durch Mauern aus Stahl und wird durch die mystische Hochzeit und durch die Taufe im hl.

    Geist zum Herrn der Welt und zum allmchtigen Gottmenschen.

    Lanz zitiert Bernhard von Clairveaux, Meister Ekkehart, Tauler, indische, magische und neuplatonische

    Quellen. Aufopferung, Entsagung, intensives Gebet in Isolation an einsamem Ort, schweigende Anbetung

    in Demut und Liebe werden empfohlen, detaillierte Anweisungen fr Farben, Gerche und Laute zur

    Verwendung bei den bungen gegeben. Die Schrift kursierte nur im Freundeskreis, sie war im Handel

    nicht erhltlich. Wie Johannes Walthari Wlfl im Vorwort beklagt, nehme die Zahl der rein blonden

    Menschen, die doch allein die Kultur erhalten mssen, in unheimlicher Weise ab. Zufolge des verlorenen

    Rassenbewusstseins werden sie dabei auf Schritt und Tritt von den tckischen Urrassen in hinterhltigster

    Weise verfolgt und schonungslos im Kampf ums Dasein zertreten.

    Die anderen mystischen Systeme fhrten

    uns nicht zu unserem Ziel, zu Gott, zu den guten Geistern, zu unseren Ahnherren und zu den

    Geistern unserer Ahnen, im Gegenteil, sie fhren uns weg, zum Teufel, zu den Dmonen, zu

    den unserer Rasse vom Anbeginn feindlichen Geistern und zu den Ahnen unserer heutigen

    geschworenen Feinde, zu den Ahnen der Tschandalen und der Satanssynagoge.

    Zur Unterscheidung der Geister verhelfe vor allem Demut.

    Wir knnen seinen Schriften eindeutig entnehmen, dass auf seinen Ordensburgen Geisterbeschwrungen

    stattfanden, eine ausgefeilte mystische Lehre indoktrinierte seine Schler, Adepten auf dem Wege zur

    `arioelektrischen Erneuerung.

    Lanz berichtet im Ariomantischen Brief Nr.7, `ein Spirit sagte mir einmal schn und tiefsinnig..., und im

    Ariomantischen Brief Nr 8 erwhnt er `einen uns oft erschienenen Spirit Gieronimo de Belmonti, einen

    Hieronymitenmnch, gestorben im Anfang des XIV. Jahrhunderts im Kloster Fiesole bei Florenz, den er

    in einer mystischen bung befragt habe.

    Durch die mystischen bungen bekomme der arische Mystiker

    `die bioelektrische, theozoische Organisation seiner gttlichen Ahnen wieder zurck. `Wir

    werden zu Wissenden, zu Innenschauenden, zu `Esoterikern, die in hchster und verzckter

    Wonne die Geheimnisse Gottes, der Engel, der Geister, des Weltalls, der Natur, des Lebens

    und der Menschheit in vollster reinster Klarheit, nicht in erdgebundener Krperlichkeit und

    Stofflichkeit schauen. `Durch die mystischen bungen der Intentio, Purgatio, Contemplatio

    und Illuminatio wird Gott in uns wahrhaftig geboren, und wir drfen nun an seinem Leben,

    41 Lanz, Prakt. Einfhrung, 1927

    22

  • Denken und Schauen wesenhaft und mit unseren transmutierten krperlichen Organen

    teilnehmen.

    `Wir werden zu neuen, zu gttlichen Menschen wiedergeboren, indem wir durch bewusste und

    planmssige mystische bungen die in uns schlummernden und verkmmerten gttlichen

    Urorgane wieder wecken, entwickeln und funktionsfhig machen.42

    Und im Brief Nr 9 heisst es, `Mystik ist nichts anderes als die Herausbildung des Menschen zum

    Strahlenempfnger.

    Die `Mnner des Aufklrichts, die die Mystiker verhhnten, verspotteten und schlecht machten und aus

    der Erinnerung der Menschheit austilgen wollten, seien `bewusste Flscher und besoldete Knechte der

    Satanssynagoge gewesen, deren schmachvolle Aufgabe es war, `dem arisch-heldischen Menschen nicht

    nur seine gttliche Abstammung zu unterschlagen, sondern ihm auch den Wiederaufstieg zum

    mystischen, magischen und gttlichen Menschen zu verrammeln.

    J. Besser in seiner wegweisenden Studie von 1949:

    Der in gttlichen Dingen hellsehend und wissend gewordene Mann wird doch die irdischen

    Dinge umso eher klar erfassen und dementsprechend zielbewusster und erfolgreicher formen

    und gestalten knnen als denkungebte, nichts wissende Nichtmystiker. Deswegen will

    Rosenberg ganz folgerichtig das Dritte Reich auf einen neuen Deutschen Orden fundieren.

    Und darin liegt eben der ussere und praktische Erfolg des Mystikers, dass er durch die

    mystischen bungen der vollendete Kenner und dadurch auch der vollendete Meister des

    Lebens und der Menschheit wird. Er suchte nichts als Gott und wird ungewollt der Herr der

    Welt und der Menschen.

    Wer Freude an den Abnormitten menschlichen Denkens hat, mag sich mit Lanzens Werken

    beschftigen, so z.B. mit seiner Theozoologie, nach der die Arier von elektrischen Urwesen

    abstammen, Geschpfen, deren Leib aus einem elektrischen Fluidum bestand. Das letzte

    Wesen dieser Art war Jehowa, der Gott der Juden.43

    Zu Lanzens umfangreichem Werk gehren u.a die sogenannten Deutschen Psalmen, ein Brevier der

    Neuen Templer und das Bibliomystikon, eine rassistische Bibelauslegung in 10 Bnden. Christus, den er

    `Frauja nennt, habe als eigentlichen Sinn des Evangeliums die Rassereinheit verkndigt.

    Lanz Zeitschrift `Ostara - `Bcherei der Blonden und Mannesrechtler zielte darauf, `arische Artung

    und Herrenrecht als Ergebnisse der Rassenkunde in Anwendung zu bringen, um sozialistische und

    feministische Umstrzler zu bekmpfen und die arische Edelrasse durch Reinzucht vor dem Untergang zu

    bewahren. 1905 gegrndet erschien sie ungefhr monatlich in einer Auflage bis zu 100 000 Exemplaren

    42 Lanz, Ariomantischer Brief Nr 5 43 Besser, J.: Die Vorgeschichte des Nationalsozialismus in neuem Licht. In: Die Pforte, 2 (1949-1950), 763-784

    23

  • und war ein in rechtsradikalen Okkultistenkreisen anerkanntes Magazin. Sie sollte`dem von den

    Affenmenschen zu Tode gehetzten Arier ein sicheres Asyl im gleichrassigen Milieu gewhren.

    Die Ostara ist die erste und einzige illustrierte arisch-aristokratische Schriftensammlung, die in

    Wort und Bild den Nachweis erbringt, dass der blonde heldische Mensch der schne, sittliche,

    adelige, idealistische, geniale und religise Mensch, der Schpfer und Erhalter aller

    Wissenschaft, Kunst und Kultur und der Haupttrger der Gottheit ist. Alles Hssliche und

    Bse stammt von der Rassenvermischung her, der das Weib aus physiologischen Grnden

    mehr ergeben war und ist als der Mann. Die Ostara ist daher in einer Zeit, die das Weibische

    und Niederrassige sorgsam pflegt und die blonde heldische Menschenart rcksichtslos

    ausrottet, der Sammelpunkt aller vornehmen Schnheit, Wahrheit, Lebenszweck und Gott

    suchenden Idealisten geworden.44

    Bronder stellt die Rassenkultreligion des Lanz wie folgt dar:

    Sie betont die berlegenheit der arischen Herrenrasse ber alle anderen und niederen Rassen

    und ist z. T. in ein arisiertes Christentum eingekleidet oder ergeht sich in altmodischer

    Germanenvergtterung. `Die Rasse ist Gott, der Gott ist gereinigte Rasse, so heisst es. Im

    rassenreinen Paradiese geschah der Sndenfall der Rassenmischung, obwohl es im Grunde nur

    eine Rasse gebe, die kulturschpferisch sei, eben die `arioheroische, die nordische. `Die

    blonde heroische Rasse ist der Gtter Meisterwerk, die Dunkelrassen der Dmonen

    Pfuschwerk. Nach der Austreibung aus dem Garten Eden verkam die Rasse - bis dann der

    Held Jesus-Frauja erschien, um den arischen Menschen von der Erbsnde der `Sodomie zu

    erlsen, von der Vermischung der Heroen der Paradieseszeit mit den Tieren; hieraus

    entsprangen dann die Urrassen, die Tschandalen. Um das Dogma von den Blonden, den

    `Asingen als Abkmmlingen des germanischen Gttergeschlechtes der Asen, zu erhalten,

    erscheint Frauja-Jesus als Erlser der `Heldlinge, der edelrassigen `Arioheroiker und grndet

    die Rassenkulturreligion - die spter wieder verloren geht und von Lanz-Liebenfels neu

    gestiftet wird: im ONT. Diese Edelmenschen htten natrlich ber die Tschandalen (ein aus

    der indischen Kastenlehre falsch abgeleitetes Wort) zu herrschen, ber die `fflinge und

    `Schrttlinge, wie sie bezeichnet werden. Lanz behauptet, man habe die katholische Kirche

    noch im Mittelalter als ein ariosophisches Institut angesehen, das derartige sakrale und

    heroische Rassenzucht getrieben habe. Fraujas Opfer und Lehre aber reichten nicht aus, um die

    Erlsung zu vollenden, da die Blutschande mit den `fflingen weiter fortschritt - bis dann der

    ONT gegrndet wurde. Nun werden radikale Methoden gefordert, um dem Einhalt zu gebieten:

    angefangen von der Reinzucht der hherrassigen Blonden bis hin zur Kastration, Sterilisation

    und direkten Liquidation der niederrassigen Juden ist hier der ganze Katalog sogenannter

    nationalsozialistischer `Rassenpflege enthalten, wie er spter praktiziert wurde.45

    44 Balzli, Johannes: Guido von List, der Wiederentdecker uralter arischer Weisheit, sein Leben und sein Schaffen.1917, S. 205 f 45 Bronder, 229 f.

    24

  • Lanzens Lehren und Forderungen lassen sich im Einzelnen in Hitlers Staat wiederfinden, so setzt

    Himmler die Rckzchtungsmodelle in die Praxis um und in den Statuten der SS finden sich

    Anlehnungen an Lanzens Ordensregel.

    Lanz schreibt in der Ostara:

    Gewiss, es muss auch die niedereren Rassen geben, auch sie haben ihren Zweck im Haushalt

    der Natur zu erfllen. Dieser Zweck ist eben: dem arischen Menschen zu dienen, ihm die

    groben Arbeiten abzunehmen und ihm Handlangerdienste bei der Fortbildung und

    Weiterentwicklung der Gesittung zu leisten. Die soziale Frage, die doch mehr oder weniger die

    Frage: `wer soll oben, wer soll unten sein? ist, wird dadurch mit einem Schlage in gerechter

    und unanfechtbarer Weise gelst. Ja, es ist eine Schmach und Schande, wenn ein Ario-

    Germane ein Hundeleben im Lohndienst fhren soll, whrend er doch zum Herrn geboren ist.

    Dieses edle Rasseblut soll und wird nicht untergehen. Es wird der Tag kommen, wo man diese

    Menschen suchen wird, wo man Prmien auf ihre Zeugung aussetzen wird, an dem man die

    Mischlingsbrut, die Staat, Gesittung, Religion und Gesellschaft zerstrt, vom Erdboden

    hinwegvertilgen wird mssen.

    Lanz sieht einen alles entscheidenden Krieg und ein kommendes rassistisches tausendjhriges Reich

    voraus, das in Wien seinen Ursprung nehmen wird. Weltweise mit hellen Augen werden die Kirche des

    Heiligen Geistes aufrichten. 46

    Nicht mehr Parlamente [] sondern weise Priesterfrsten, geniale, ariosophisch-mystisch

    geschulte Patrizier und Fhrer ritterlich-geistlicher Geheimorden werden die Geschichte der

    Vlker leiten.47

    Der arische Held ist fr Lanz auf diesem Planeten die vollstndigste Verkrperung Gottes und des

    Geistes. Sein Feind ist der Tschandala, der Untermensch, dessen politische Organisation die Demokratie

    ist, der freien Wettbewerb und Materialismus frdert. Im nun anbrechenden Wassermannzeitalter wrde

    der arische Held von der Snde der Blutvermischung mit dem Affenmenschen gereinigt werden. Einem

    Freund gemss stand Lanz in Kontakt mit Annie Besant und H.P. Blavatsky, von der er sagte, sie sei

    ihrer Zeit eine Generation voraus.48

    1925 fhrt Lanz in seiner Ariosophischen Bibliothek aus:

    Schon zeigen sich die Umrisse einer neuen ariosophischen, ariochristlichen Internationale: der

    Faschismus in Italien, die erwachenden Ungarn, die spanischen Faschisten, die

    46 Orzechowski, 83 47 Ostara III,4 (1928) 48 Webb, James: The occult establishment.1981, 280 f

    25

  • nordamerikanischen Kukluxklan und zum Schluss die von der Ariosophie direkt

    ausgegangene Hakenkreuzbewegung49 in Deutschland.

    Lanz selbst erklrt mehrfach, Hitlers Bewegung sei ein Werk der Geister, ja Gottes. So in seiner

    Praktischen Einfhrung in die arisch-christliche Mystik von 1934, S. 12:

    Das, was wir durchlebt und durchlitten hatten, war nicht mehr Menschenwerk, es war das

    Werk der Geister. Es war sogar - Du wirst staunen! - Gottes Werk! [...] Nur eine kleine

    Schar von demtigen, bescheidenen und vor allem frommen Menschen begriff mich, und

    diese kleine Schar war es, die der erste Trger der Bewegung wurde, die nunmehr, nach

    dem Strafgericht Gottes, als die gewaltigste Bewegung der Geschichte unaufhaltsam ber

    die Welt rollt!50

    Hitlers Bewegung - der brigens ebenso wie Dinter und Eckart von ihm abgeschrieben habe - sei also von

    Lanz ausgegangen.

    1932 heisst es in einem Brief an einen Freund:

    `Du warst einer unserer ersten Anhnger und Templeisen! Weisst du, dass Hitler einer

    unserer Schler ist! Du wirst es noch erleben, dass er und dadurch auch wir siegen und

    eine Bewegung entfachen werden, die die Welt erzittern macht!51

    Dennoch lehnt er `alle laute ffentliche Propaganda besonders in Sachen unserer arisch-christlichen

    Bewegung entschieden ab und ersucht seine Freunde, in allen Fllen dasselbe zu tun.

    Je bedeutender die Mystiker, desto ttiger seien sie auch gewesen. Sie htten Menschheitsgeschichte

    grssten Stils und von Ewigkeitsdauer geschaffen,

    nicht so jmmerliches Pfuschwerk wie die verbldeten oder verlottert-bestechlichen

    Staatsmnner der Neu- und Jetztzeit, deren einzige Leistung in der `Schpfung stets neuer und

    berflssiger, fetter Amtspfrnden und in der Ausplnderung und Vernichtung der

    schaffenden Menschen besteht. Diese schlauen Schurken kennen genau die Niedrigkeit ihrer

    eigenen krperlichen und rassenhaften Herkunft, und die Unzulnglichkeit ihrer krperlichen

    und geistigen Organisation. Sie wollen der ihnen drohenden Vernichtung entgehen, indem sie

    in pfiffiger Weise dem Arier den natrlichen und gttlichen Adel seiner Abstammung stehlen

    und ihm dadurch die Mglichkeit nehmen, sich seiner magischen, gttlichen Krfte bewusst zu

    werden und sie auszunutzen. Ja umgekehrt. Sie wollen mit Hilfe der Dmonen die arisch-

    heldische Menschheit ausrotten, fast ist es ihnen bereits gelungen! 52

    49 Diese und alle folgenden Hervorhebungen vom Autor. 50 Daim, 64 f 51 Bronder, Bevor Hitler kam.1964, 231 52 Lanz, Praktische Einfhrung, Teil V, 1934

    26

  • Lanz scheint hier ganz auf die Linie Mathilde Ludendorffs einzuschwenken, die von okkulter

    Verbldung der fhrenden Staatsmnner ihrer Zeit gesprochen und vor deren Faszination mit Dmonen

    gewarnt hat. Die Machtergreifung ist es, die auch den Armanenfhrer Strnckmann warnend seine

    Stimme erheben lsst. Selbst Rudolf Hess wird seinen preisgekrnten Aufsatz von 1922, in dem Hitler

    indirekt zur Selbstbeschneidung seiner Macht aufgefordert wird, 1933 neu verffentlichen - wie Hipler

    meint, weil Haushofer und Hess ihre Felle ihnen entgleiten sehen Wir werden darauf zurckkommen.

    In Gesprchen mit der Leiterin des Mnchner Gausippenamtes, Elsa Schmidt-Falk, erwhnt Hitler, dass

    ihm Lanzens Schriften und die Ostara bekannt sind und dass ihre Lektre fr die Parteigenossen verboten

    ist.

    Hitler, gemss dem Motto `Du sollst keinen anderen Gott ausser mir haben lsst - wie die meisten

    Okkultgruppen - auch den ONT verbieten und erteilt 1938 Lanz Schreibverbot.

    `Lists Bcher muss jeder Mystiker gelesen haben. Es ist eine Schmach fr das deutsche

    Schrifttum, dass Guido von List noch immer totgeschwiegen, aber von 100 Geschftemachern

    schamlos ausgebeutet wird, stellt Lanz, dessen Werke `an Absurditt die des Herrn von List bei

    weitem bertreffen,53 1927 fest.

    Die ariosophische Traumwelt Lanz von Liebenfels erffnete Hitlers ehrgeiziger Phantasie ein

    weites Bettigungsfeld. Verbrgt ist seine Lektre der Schriften Lanzens und sein Verkehr mit an

    ihm orientierten okkulten Kreisen bereits in Wien. Lanz behauptet, Hitler war sein Schler, seine

    Bewegung das Werk Gottes. Es ist wahrscheinlich, dass Hitler bereits vor dem Ersten Weltkrieg

    auf Burg Werfenstein von Lanz in spiritistische Praktiken eingefhrt wurde. Lanz Ideen finden

    sich im Dritten Reich in die Praxis umgesetzt wieder. Hitlers Vertrautheit mit dem ONT und seinen

    Praktiken erklrt nahtlos, warum er kurz nach dem Krieg an einer Sance Lanzens teilnimmt.

    Sein Aufstieg als Gottgesandter beginnt unmittelbar danach.

    Der armanische Eingeweihte

    Guido von List (1848-1919)

    Ein anderer Okkultist der vlkischen Bewegung in Wien war der am 21.5.19 in Berlin verstorbene

    `Mystagoge und leicht verrckte Schriftsteller ber vlkische Themen (Howe) Guido von List.

    Bereits im Knaben war das intuitive `Erb-Erinnern erwacht und liess ihn zum bersinnlichen

    vordringen. Er fhrte seine Bekehrung auf einen Besuch als Vierzehnjhriger in den Katakomben unter

    der Stephans-Kathedrale in Wien zurck, wo er niederkniete und schwor, sobald er erwachsen sei, Wotan

    einen Altar zu bauen. 1875 feiern List und seine Freunde die Sommersonnenwende auf einem Hgel bei

    Wien mit einem Bruderschaftsfest, bei dem sie die Sonne als den sichtbaren Leib des wiedergeborenen

    27

  • Baldurs anbeten und acht in der Form eines Hakenkreuzes ausgelegte Weinflaschen sorgfltig vergraben.

    List benutzte das Swastika-Zeichen, das in Skandinavien auch als Thors Hammer bekannt war, als

    Emblem seiner wiederbelebten Germanen-Religion.

    1888 beginnt Lists schriftstellerische Laufbahn mit dem die Germanen vergtternden Roman Carnutum.

    1902 ist er infolge eines Katarakts fast vllig erblindet, erfreut sich aber des Hellgesichts und einer regen

    Ttigkeit des Gedchtnisses und der Intuition. In diesen Monaten enthllt sich Gewaltiges: Das

    Geheimnis der Runen (1908), Die Bilderschrift der Ariogermanen und Die Religion der Ario-Germanen

    in ihrer Esoterik und Exoterik (1910) entstehen. Im letzteren Werk behauptet List unter anderem, dass die

    Priesterinnen (Hagedissen, Thruden, Walen) ausgerottet wurden, weil das mediale und divinatorische

    ariogermanische Weib den Rmlingen verhasst gewesen sei.

    Dem exoterischen `Wotanismus stellt er den esoterischen `Armanismus zur Seite. Ist der erste

    polytheistisch, so ist letzterer monotheistisch und kennt statt Himmel und Hlle die Lehre von

    Reinkarnation und Karma. Seine Bcher sollen der Wiederbelebung der altgermanischen Religion und

    Mythologie dienen und finden viele Bewunderer, welche die Guido-von-List-Gesellschaft zur

    Verbreitung seiner Bcher und Lehre grnden. Die Gesellschaft gibt sich als das geistige Zentrum allen

    antisemitischen., rassischen Denkens aus, die Anzeigen in den Bchern bezeugen die okkulten

    Verbindungen. List nannte seine Lehre Arminianismus, abgeleitet von den bei Tacitus erwhnten

    Hermionen, einer Kultgemeinschaft, aus der - nach List - ein Geheimbund hervorgegangen sein soll:

    diese weisen heidnischen Priester htten die alte germanische Religion zu Zeiten des Christentums

    bewahrt, und List sei das letzte lebende Mitglied. Spuren von Tempeln und Heiligtmern des

    Geheimbundes findet er in den Namen von Hgeln, Flssen und Tlern. Seine Etymologien sind ebenso

    absonderlich wie seine brigen Ideen. Herminonische Ideen htten ihre Spuren auch in Theologie und

    Alchemie hinterlassen, Paracelsus und Jakob Bhme zu ihrer Tradition gehrt.

    Vom Gebiet des uralten arischen Venusheiligtums Vindobona, Wien, das ungeheure rassenmetaphysische

    Bedeutung habe, soll laut List gemss alten Prophezeiungen die kommende Arier-Kirche des Heils-

    Geistes (der Armanismus, der Hohe Armanenorden) ausgehen. Pannonien wird neu erstehen, nachdem

    der Tschandalenkrieg 1914/17 die `Flle der Zeit gebracht habe.

    Lists Deutsch-Mythologische Landschaftsbilder, Die Armanenschaft der Ariogermanen, Die Rita der

    Ariogermanen, Die Vlkerstmme der Germanen und Der Unbesiegbare waren Hitler bekannt Schon in

    Wien habe er diese Werke gelesen, auch General Ludendorff schtze sie sehr. Die Intuitionen Lists seien

    frappant, es bestnden Parallellen zu Wagner.54

    List hat mit Medien zu tun, empfngt Offenbarungen und Eingebungen. Sein ganzes Werk wird ausser

    von seinen Anhngern auch nicht recht ernst genommen. Wie Lanz grndet auch er einen Orden, dessen

    Mitglied Hitler nach dem Zeugnis des spteren Ordensmeisters Dr Carl Strnckmann war, eines

    Nervenarztes, der Anfang der 20er Jahre zu den Christrevolutionren und spter zur `Stillen Front

    Rudolf Walbaums gehrte55.

    53 Besser, J., 773 54 Daim, 282 f. 55 Nauko, 53

    28

  • Die Armanenmitgliedschaft liefert einen Schlssel fr Hitlers Fhrungsanspruch als Seher und

    Priestereingeweihter, zurckgehend auf die alte indoeuropische Lehre von der Gliederung der

    Gesellschaft in Kasten, wobei die Priester, die Brahmanen, die Fhrer sein mssen. Joachim Besser weist

    darauf hin, dass das erfolgreichste Wirken der Kreise um Lanz und List, denen die Rasse den Schlssel zu

    jeder Lebenserscheinung bedeutete, ins Wien von 1909 bis 1912 fllt, eben die Zeit, in der auch Hitler

    dort lebte. Der ideologische Hintergrund von Lanz und List, verbunden mit der Erfahrung des Armanen

    Hitler, dass er wie wir noch sehen werden - fhig ist, medial in okkulte Welten zu schauen, fhrt zum

    gern akzeptierten Schluss, dass er, der Seher, natrlich Fhrer sein muss. Damit waren die Tore zur

    zuknftigen Entwicklung Hitlers geffnet.

    List hat sich, wie spter viele Nazis auch, intensiv mit Mrchen beschftigt. Seine Forschungen ber die

    altgermanische Kultordnung, Gesellschaftsverfassung, das Recht, knigliche Knste und Zauberei, die

    germanische Lehre der ewigen Wiederkehr, Glasberge und Wunschgewalten geben seinen Anhngern die

    Schlssel zu ihrer Deutung in die Hand. Auch Philipp Stauff, der Herausgeber des Semi-Krschner -

    eines Lexikons aller in Deutschland in allen Stnden, Klassen und Berufen hervorgetretenen Juden und

    mit Juden verheirateten Nichtjuden - schreibt ber Sinn und Deutung der deutschen Volksmrchen.

    1902 erblindete List fast vllig. Whrend dieser Zeit ist er hellsichtig und hat zahlreiche Intuitionen. Am

    11.11.11 offenbart sich ihm per Handschreiben der Hohe Tarnhari, das Oberhaupt des noch lebenden

    Vlsungen-Stammes und teilt List mit, dass sich seine Forschungsergebnisse vllig mit der berlieferung

    seines Stammes decken. 1911 erscheint Der bergang vom Wuotanismus zum Christentum.

    In der Armanenschaft der Ariogermanen (1911) findet sich die Losung `Hinauf zum Armanentum. Das

    Buch fasst Lists Denken ber aktuelle politische Fragen zusammen und macht Vorschlge fr den

    Aufbau eines `ario-germanischen Staates. An der Spitze stehen die `Armanen, die eigentlichen

    Eingeweihten. ber die Stellung im Staat entscheidet nicht die Qualifikation, sondern `das rassekundliche

    Ergebnis ber die Zugehrigkeit zur arischen Rasse deutschen Stammes.

    `Kein Nicht-Ario-Germane darf irgendwelche Fhrerstellen bekleiden.` Der ganzen

    Entwicklungsordnung muss die strenge, unberbrckbare Scheidung zwischen

    Herrenmenschen und Herdenmenschen zur Grundlage dienen, und zwar derart, dass die

    Sonderung schon von der Schule ab zu beginnen hatte: fr den Herrensprssling Erziehung, fr

    den Herdensprssling Drill.

    Den Armanen stehe es zu, die politische Herrschaft ber die Welt anzutreten. Am 21.04.1915 fand die

    erste `Armanenzusammenkunft als innerer Kreis der List-Gesellschaft statt.

    Lanz bespricht in der Ostara Lists 1915 erschienenes Werk Die Ursprache der Ario-Germanen und ihre

    Mysteriensprache. 1917 liegt im Manuskript Armanismus und Kabbala vor. Dr Altschler, der

    Herausgeber der Vierteljahresschrift fr Bibelkunde, hatte List darauf hingewiesen, dass alle von ihm

    aufgestellten Stze auch in der Kabbala enthalten seien. List erwidert, die Kabbala sei eben kein jdisches

    Erzeugnis, sondern Armanenweistum, das arische Esoteriker vor der Verfolgung in die Synagoge gerettet

    htten.

    Hitler, der Lists Werke eindringlich studiert hat, kam mit einem Empfehlungsschreiben der 1908

    gegrndeten Guido-von-Listgesellschaft nach Mnchen. Paul Zillmann, Herausgeber der Metaphysischen

    29

  • Rundschau und Meister einer okkulten Loge in Berlin gehrte neben anderen Esoterikern und

    Nationalisten zu den Grndern. Ihr Hauptfrderer war der glhende Spiritist und die theosophischen

    Mahatmas verehrende Friedrich Wannieck, der im Dezember 14 ber ein spiritistisches Medium Trost bei

    List sucht, das Lists Werke empfahl und durch das Wanniecks Sohn und Franz Hartmann - selbst

    Mitglied der Gesellschaft - sprachen.56 Nach Ravenscroft wurde Hitler in Wien ber den mit List

    bekannten Antiquar Pretzsche mit dem Armanenorden in Verbindung gebracht. Die Ordensrituale htten

    sexuelle Perversionen und Schwarze Magie beinhaltet. Pretzsche soll Hitler Peyote gegeben haben.

    Dr Babette Steininger, eines der ersten NSDAP-Mitglieder, trgt 1921 die Widmung `Fr Adolf Hitler,

    meinen lieben Armanenbruder in Tagores Essay ber den Nationalismus als Geburtstagsgeschenk fr

    Hitler ein.57

    Am 25.5.16 hlt Oberlehrer Bruno Thomas zur Knigs-Geburtstags-Feier im Leipziger Lehrerseminar

    eine Rede, in der er im Sinne Lists das Wesen des Armanentums in begeisterten Worten beschreibt.

    Demnach waren die Urahnen der Adelsgeschlechter Armanen. Sie seien durch planmssige Ausbildung

    zu hherer Erkenntnis der Natur- und Geistesgesetze und zu allseitiger Vollkommenheit gelangt und

    dadurch die geborenen Fhrer als Inkarnationen des urarisch-gttlichen Rassengeistes gewesen. Ihre

    jetzigen Nachkommen seien sich selbst und dem fhrerbedrftigen Volk gegenber verpflichtet, diesen

    hohen heiligen Armanengeist wieder zu entwickeln. Klarblickende, mit hellen Seheraugen begabte weise

    Mnner und Frauen versuchten, das deutsche Volk unter klarem Hinweis auf kurz bevorstehende,

    schreckliche Weltkatastrophen einige Jahre vor dem Krieg aufzurtteln. Es sei nun vllig klar, dass das

    deutsche Volk wieder zu den Quellen urarischen Weistums emporgefhrt werden msse, zur Hhe

    bewussten, plan- und zielvollen Strebens nach dem hohen Ideal arischer Rassenreinheit. Die arischen

    Vorfahren, die Asen - d.h. Gttershne - legten `mit dem goldigen Blond ihres Haares, dem lichten

    Himmelsblau ihrer Augen, dem reinen blutigen Weiss ihrer Haut Zeugnis ab vom reinen arischen

    Rassenblut. Die hochentwickelten Sinne, besonders der als Gttinnen und Priesterinnen verehrten Frauen

    und die heiligen Tugenden bekundeten den Hochstand in seelischer Beziehung. Da durch die

    Vermengung mit tieferstehenden Rassen die arische Rasse degenerierte, muss jeder, der auch nur ein paar

    Tropfen arisch-adeligen Blutes in seinen Adern fliessen fhlt, alle fremden, unreinen Bestandteile

    hinausschaffen, selbst wieder Adeliger werden, Armane, Walter urarischen Weistums. Um wieder

    Germanen (Arier, Asen oder Gttershne) werden zu knnen muss auch die Herrschaft der Affekte, der

    niederen sinnlichen Leidenschaften abgeschttelt werden. Das Wort `Germane hnge mit `germinare,

    hervorwachsen, zusammen und dies wiederum mit dem altarischen `garma, das `Schicksal, Kausalitt'

    bedeute. Germanen seien also ihr eigenes Schicksal schaffende Mnner. 58

    Bronder stellt fest:

    Die Armanen bekmpften das Judentum und predigten mit fanatischer Besessenheit die Lehre

    von der Gotthnlichkeit und Einzigartigkeit der sogenannten ariogermanischen Rasse. Ihr

    allein wird nach okkultistischem Standpunkt die Fhigkeit zur Erkenntnis der wahren

    56 Webb, 279 57 Orzechowski, 73 58 Guido-von-List-Bibliothek, Einf. Bd., 96 ff.

    30

  • Geheimnisse der Welt zuerkannt und daraus das Recht abgeleitet, den Armanen allein die

    politische Herrschaft ber alle Vlker zuzugestehen. Lists ariogermanischer Staat beruht auf

    einem Sippenrecht, das vorsieht: Zweck der Sippe ist die Reinerhaltung der ariogermanischen

    Rasse. Strenge Ehegesetze verhindern jede Vermischung; nur der Hausvater hat volle

    brgerliche Rechte - die wiederum nebst allen Freiheiten nur den Angehrigen der Edelrasse

    zugestanden werden. Es sind unteilbare Erbgter einzurichten, sowie von jedem Hausvater ein

    Sippenarchiv und eine Sippenchronik. Die Erziehung des Menschen sei die wichtigste Aufgabe

    des Staates, die er nie aus den Hnden legen drfe. Dafr wird ein neues Schulsystem ntig,

    das 10 Klassen umfasst - fr die 9. und 10. ist die `Knigs- und Gottwaltungsebene

    vorgesehen. Dieser Staat ist ein Ordensbund von Mnnern mit einer okkulten Spitze, in dem

    die Frauen rechtlos sind. List selbst nannte sich den `Hohen arischen Lehrer, Ariowiz Aithari,

    und erfand einen okkultistischen Runenzauber.59

    Lists Erziehungssystem dient also einem Staat, der ein Ordensbund von Mnnern mit okkulter Spitze ist.

    Whrend des ganzen Lebens darf der Staat die Menschen nicht mehr aus den Fingern lassen. Ein neues

    Schulsystem auf zehn Ebenen bricht mit dem Gedchtniswissen. Zugang zu den beiden letzten, nur

    Wenigen vorbehaltenen Ebenen hat nur, wer die okkulten Seelenkrfte mobilisieren kann.

    Durch die Pflege der okkulten Geistes-, Seelen- und Krperkrfte vermgen nur

    Hchstbegabte ihren Geist, ihr Gemtsempfinden in jene zehnte Ebene zu erheben und auf

    derselben in geistiger Vertiefung als Adepten zu arbeiten. Okkultisten nennen dies sich mittels

    Kontemplation in die noumenale oder mentale Ebene versetzen. Den, der diese Eigenschaft

    besitzt, hat der Staat bis in die achte Ebene zu heben, um nur also Begabte in den Stab des

    Kaisers oder Knigs eintreten zu lassen.

    Joachim Besser, dem wir diese Hinweise verdanken, wies schon 1950 eindringlich auf die Parallelen

    zwischen Lists Ideen und dem Hitlerstaat hin und frgt nach mglichen personellen Beziehungen

    zwischen beiden Kreisen. Inzwischen wissen wir, dass sie bestanden haben.

    Schlagartig wird nun deutlich, warum Hitler sich mit Okkultisten und Besessenen umgeben hat: der

    Kaiser oder Knig hat okkult begabte `Adepten um sich zu scharen - Mnner wie Goebbels, Streicher

    oder Hess.

    List-Biograph Balzli stellt fest:

    Der Hohe Armanen-Orden aber ist berufen, eine Sammelstelle aller jener geistigen Krfte zu

    werden, welche nach Friedensschluss das neue Geistige Deutschland aufbauen werden und die

    sich berufen fhlen, auf Grundlage armanischer Urkenntnis eine armanisch-ariogermanische

    Kultur zu begrnden.60

    59 Bronder, 226 60 Balzli, 147

    31

  • Johannes Balzli war auch Herausgeber von Prana, Zentralorgan fr Praktischen Okkultismus und

    Redakteur der Theosophie, des Organs der Theosophischen Bewegung in den deutschsprachigen Lndern.

    Er ist der Verfasser der Okkultistischen Unterrichtsbriefe zur `Entwickelung der Willenskraft und der

    okkulten Fhigkeiten. Sie sollen zur echten, wahren Esoterik, zur Geisteswissen