DER TIGER - Anadi Bank...VON YORK WINERY IM NASHIK 54 N 04 MAI / 2017 SPIRIT SPEZIAL – INDIEN...
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Manchmal liegen der südsteirische Sau-
sal und das westindische Nashik nur
einen Sektkorkenflug voneinander
entfernt. Rund 6.000 Kilometer sind
es in der Luft, im Daily Business re-
duziert sich die Distanz möglicherweise bald auf
einen Handshake. Oder eine Verbeugung. Namas-
té! Die Entscheidung fällt im Herbst. Im September
werden die beiden Inder Ravi und Kailash Gurnani
dem Sausaler Weingut von Hannes Harkamp einen
Besuch abstatten. Die Besitzer von York Winery,
einem der größten Weingüter Indiens, treffen den
bekannten steirischen Winzer in prickelnder Mis-
sion: Am Programm stehen Kooperationsgesprä-
che über eine gemeinsame Sektproduktion am
Weingut der Gurnanis in Nashik. „Noch sind wir in
einer frühen Phase der Geschäftsbeziehung, aber die
Richtung stimmt“, verrät Hannes Harkamp nach
einem ersten Kennenlernen in Indien vor wenigen
Wochen. York Winery plant, in die Sektproduktion
zu investieren, und braucht steirisches Know-how
in der Flaschenvergärung. Harkamp wiederum, ei-
ner der führenden Sektproduzenten Österreichs,
sucht seit Längerem Exportwege nach Indien. Die-
se scheiterten bislang an den hohen Importzöllen
für Genussmittel. „Bei einer Einigung wäre ein ge-
meinsames Joint-Venture der logische Schritt“, so
der Südsteirer. Das Ziel: Eine Sektproduktion für
den indischen Markt, aber auch für den Export
nach Europa.
NAMASTÉ IN INDIEN! DER WACHSTUMSMARKT AM SUBKONTINENT LOCKT MIT GROSSEN CHANCEN AUCH IMMER MEHR STEIRISCHE UNTERNEHMEN. WELCHE ROLLE EINE GRAZER RECHTSANWALTSKANZLEI ALS BUSINESS-HUB NACH INDIEN SPIELT UND WARUM INDER SCHON BALD STEIRER-SEKT GENIESSEN UND ÖKO-STROM AUS EINER STEIRISCHEN TECHNOLOGIE PRODUZIEREN KÖNNTEN.
DER T IGER I S T E R WA C H T
BUSINESS FACTS INDIEN
Bevölkerung: 1,31 Milliarden
Fläche: 3.287.260 km2
Währung: Indische Rupie
Amtssprachen: Hindi, Englisch, andere
BIP pro Kopf: 1.582 USD
(Vgl. Österreich 43.439 USD)
T E X T WOLFGANG SCHOBERF O T O S BEIGESTELLT, KANIŽAJ
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Ein indischer Arbeiter verdient im Schnitt
150 Euro pro Monat.Das Wirtschafts- wachstum 2016
lag bei 7,6 %, auch für 2017 & 2018
werden ähnlichen BIP-Zuwächse
erwartet.Inflationsrate: 5,5 %
Staatsverschuldung in Prozent des BIP: 68,5 %
Auch Gerhard Zehentner wird künftig wohl häufi-
ger Flugtickets nach Dehli oder Mumbai buchen.
Der Business Angel ist Investor beim Grazer Star-
tup „doro Turbinen“. Gründer Stefan Strein entwi-
ckelte eine innovative Kleinwasserkraft-Turbine,
die auch bei geringen Fallhöhen eine hohe Effizienz
bei der Energiegewinnung erlaubt. Eine jüngste
Business-Mission nach Indien verlief für das Öko-
Unternehmen vielversprechend. Der Markt scheint
wie geschaffen für die steirische Innovation. „Der
Energiebedarf ist hoch und damit auch die Energie-
kosten. Zugleich verfügt das Land über eine extrem
hohe Dichte an Bewässerungskanälen, die sich ideal
für die Verwendung unserer Turbine eignen“, erklärt
Zehentner. Vor Ort führte der Unternehmer Gesprä-
che mit großen Energiegesellschaften, darunter
Tata Consulting Engineers Limited, mit denen Be-
treibermodelle für die Stromerzeugung in Indien
diskutiert wurden. „Eine andere Möglichkeit ist die
Kooperation mit Industriepartnern, die unsere Tur-
binen in Lizenz produzieren. Das Potenzial für den
indischen Markt schätze ich auf bis zu 50.000 Stück“,
verrät er.
Zwei Beispiele steirischer Unternehmen aus un-
terschiedlichen Branchen, aber mit einer gemein-
samen Vision: Going to India! Auch die indischen
Business-Kontakte haben einen gemeinsamen
Ursprung. Sowohl Harkamp als auch Zehentner
nahmen zuletzt an einer privat organisierten In-
dienreise teil, zu der „Leitner&Hirth Rechtsanwälte“
geladen hatte. Seit Jahren hat die Grazer Rechtsan-
waltskanzlei von Markus Leitner und Michael Hirth
einen Schwerpunkt auf Geschäftstätigkeiten in Süd-
ostasien, allen voran Indien. Eine enge Kooperation
mit „India Law Offices“ (ILO) mit sechs Standorten
im Land ermöglicht fundierte Firmenkontakte in
den Hotspots Delhi, Mumbai, Bangalore, Chennai,
Pune und Hyderabad. Die persönliche Bekannt-
schaft mit ILO-Managing Partner Gautam Khura-
na ebnete den Weg in die wachstumsstarke Nische.
„Durch den ständigen Austausch und die regelmäßi-
gen Aufenthalte vor Ort verfügen wir heute über ein
weitreichendes Netzwerk, das wir der heimischen
Wirtschaft zur Verfügung stellen können.“ Mit einem
eigenen „Corporate Matching Program“ selektiert
Leitner&Hirth exportwillige Firmen in der Heimat
und kooperationsbereite Betriebe in Indien bereits
vorab und bringt diese auf Wunsch für Gespräche
zusammen. Analoges Partner-Matching zwischen
den Kontinenten. „Eine Methode, die Interessenten
lange Sondierungsphasen und damit hohe Kosten
DER STEIRISCHE WINZER UND EDEL-VERSEKTER HANNES HARKAMP MIT KAILASH GURNANI VON YORK WINERY IM NASHIK
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ersparen kann“, so Markus Leitner. „In Indien läuft
nun mal viel über persönliche Beziehungen. Denn als
kompletter Neuling wird man in Indien vielfach erst
mal mit Skepsis betrachtet. Man darf auch das Selbst-
bewusstsein der Inder nicht unterschätzen.“ Die
Rollen sind dabei meist klar verteilt: Indische Un-
ternehmen mit Kapital suchen Kooperationen mit
westlichen Firmen mit Know-how und Technologie.
Am Ende stehen bei einer Einigung Win-win-Chan-
cen für beide Seiten. Leitner: „Im Lauf der Jahre ha-
ben wir ein gutes Gespür für die Bedürfnisse am indi-
schen Markt entwickelt. Daher versuchen wir auch,
heimische Firmen mit interessanten Produkten für ei-
nen Markteintritt in Indien zu motivieren.“ Ganz im
Sinne der staatlichen „Make in India“-Kampagne,
die Indien verstärkt als globalen Produktionsstand-
ort positionieren will. Demnach soll der Anteil des
produzierenden Sektors im Land von derzeit 16%
am BIP bis zum Jahr 2022 auf 25% gesteigert werden.
Die geografische Entfernung sollte jedenfalls nie-
manden von einem Engagement abhalten. „Viele ha-
ben wenig bzw. falsche Vorstellungen von dem Land“,
bestätigt Michael Hirth. „Klar, es ist ein Land voller
Gegensätze – es gibt große Armut, aber auch eine
immer größere Anzahl an Millionären.“ Der große
GROSSE MARKTCHANCEN IN INDIEN: GERT PRÜGGER, STEFAN STREIN UND JOSEF STREIN VON 'DORO TURBINEN' (v.l.)
STEIRISCHER INDIEN-HUB: MARKUS LEITNER (R.) UND MICHAEL
HIRTH VON LEITNER&HIRTH RECHTSANWÄLTE MIT GAUTAM
KHURANA VON ' INDIA LAW OFFICES'
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„STEIRISCHE KNOW-HOW-TRÄGER SIND IN INDIEN GEFRAGT. GERNE
BEGLEITEN WIR UNTERNEHMEN AUF IHREM WEG IN EINEN SPANNENDEN
WACHSTUMSMARKT.“F R A N Z T A U S C H M A N N AUSTRIAN ANADI BANK GRAZ
Vorteil: Das europäisch geprägte Rechtssystem und
die Amtssprache Englisch machen das Land weni-
ger exotisch als vermutet. Sein Tipp: „Sich am bes-
ten ohne vorgefertigtes Bild auf den Markt einlassen
und sich selbst einen Eindruck vor Ort verschaffen.
Förderungs- und Finanzierungsprogramme machen
das Risiko überschaubar.“
Strategischer Partner ist die ebenfalls auf das In-
dien-Geschäft spezialisierte Austrian Anadi Bank.
Seit vier Jahren steht diese im Eigentum einer bri-
tisch-indischen Unternehmerfamilie, eine Indien-
Affinität liegt dem Kreditinstitut damit praktisch
in den Genen. Franz Tauschmann, Filialleiter der
2015 eröffneten Filiale am Grazer Joanneumring:
„Um unseren Kunden Zugang zum Wachstums-
markt Indien zu erleichtern, haben wir einen eige-
nen KMU-Standard entwickelt. Damit stellen wir
gerade kleinen und mittleren Unternehmen in der
Steiermark einfach und schnell Betriebsmittelkre-
dite für eine Internationalisierung zur Verfügung.“
Gemeinsam mit Exportförderungen der WKO las-
sen sich die Risiken eines Markteintritts auf die-
se Weise deutlich reduzieren. „Die Chancen, die
der indische Markt bietet, sind riesig. Der Tiger ist
längst erwacht“, so Tauschmann. „Gerade die vie-
len innovativen Firmen in der Steiermark mit ihren
tollen Ideen und Produkten sind gefragt“, motiviert
Tauschmann heimische Know-how-Träger zur In-
dien-Phantasie. „Von Öko-Technik bis zur Genuss-
branche – die Kompetenzen steirischer Firmen, die
sich in Indien vermarkten lassen, sind vielfältig“,
so der Banker. „Gerne unterstützen wir diese Unter-
nehmen auf ihrem Weg in einen überaus spannen-
den Markt.“
Steirische Industrie- unternehmen mit
Niederlassungen in Indien:
GAW technologies AVL List
Andritz Hydro AHT Cooling
Pewag International
55,4millionen
euroBETRUGEN DIE STEIRISCHEN EXPORTE IM ERSTEN HALBJAHR 2016 NACH INDIEN
(EIN PLUS VON 11,1 %)
DAMIT LIEGT INDIEN AUF PLATZ 25 IM EXPORT-LÄNDERRANKING
DER STEIERMARK 70,8millionen
euroBETRUGEN DIE IMPORTE AUS INDIEN IN DIE STEIERMARK (EIN PLUS VON 9,2 %)
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CLAUS TÜCHLER, GESCHÄFTSFÜHRER DES INTERNATIONALISIERUNGS- CENTER STEIERMARK (ICS), IM INTERVIEW ÜBER STEIRISCHE MARKT- POTENZIALE IN INDIEN.
Welche Chancen bietet der indische Markt steirischen Unternehmen? Der indische Markt bietet gerade für Maschinenbau-
erzeugnisse und Fahrzeuge enormes Potenzial und
die größten Exportchancen – dies reicht von Produk-
tionsanlagen, Arbeits- und Spezialmaschinen bis zu
Elektrotechnik und -geräte. Aber auch Eisen/Stahl/
Metallwaren, Waren aus mineralischen Stoffen so-
wie chemische Erzeugnisse, Kunststoffe, Pharma-
zeutika und Mess-, Prüf- und Kontrollgeräte sind
erfolgreiche Exportartikel. Immer mehr Chancen
gibt es aber auch für hochwertige Konsumgüter und
Lifestyleprodukte.
Indischer Tiger versus chinesischer Drache: Welche Vorzüge bietet der Subkontinent gegenüber der Volksrepublik China?Grundsätzlich ist Indien ein vielversprechender
Markt, der aufgrund wirtschaftlicher und politischer
Stabilität und einer kaufkräftigen, laufend wachsen-
den Mittelschicht enorme Geschäftschancen birgt.
Im Vergleich zu Indien ist die Infrastruktur in China
allerdings besser aufgestellt. Eine Stärke Indiens ist,
dass rund 70 Prozent der 1,3 Mrd. Einwohner un-
ter 30 Jahre alt sind; in China sind es nur knapp 40
Prozent der Bevölkerung. Eine Millionenzahl Inder
drängt jährlich neu auf den Arbeitsmarkt, während
in China die Gesellschaft zu überaltern droht.
Worauf ist beim Eintritt in den indischen Markt speziell zu achten?Man sollte beachten, dass Hast und Hektik in Ver-
handlungen unangebracht sind. Es wird empfohlen,
alles in schriftlicher Form genau darzulegen bzw.
festzuhalten. Von heimischen Geschäftspartnern
wird, wie auch bei den Indern üblich, erwartet, viel
und gerne zu sprechen bzw. zu korrespondieren.
Gastgeschenke sind in Indien im Allgemeinen nicht
üblich, bereiten aber trotzdem Freude. Bei mögli-
chen Projekten klaffen Wunschdenken und Realität
oft weit auseinander und daher ist es unumgäng-
lich, sich ein eigenes Urteil über die Machbarkeit
zu bilden. Auch sind bürokratische Hindernisse in
Indien nicht zu unterschätzen. Administrative Ab-
läufe nehmen viel Zeit in Anspruch.
Wie kann das ICS Unternehmen mit Indien-Ambitionen unterstützen?Das ICS informiert und berät, als Vertriebspartner
der Außenwirtschaft Austria, interessierte export-
orientierte steirische Unternehmen in allen Fragen
rund um das Thema Internationalisierung. Die Ex-
portserviceorganisation der steirischen Wirtschaft
unterstützt heimische Betriebe dabei, neue Märkte
wie beispielsweise Indien zu erschließen und Aus-
landsaktivitäten zu intensivieren. Sowohl steirische
Unternehmen, die ihr Exportgeschäft ausbauen
möchten, aber auch Export-Neueinsteiger können
sich im ICS im Rahmen von persönlichen Bera-
tungsgesprächen, gezielten Info-Veranstaltungen
wie Workshops, branchen- und länderspezifischen
Seminaren, Sprechtagen von Wirtschaftsdelegier-
ten, Fachtrainings etc. über Themen wie Finan-
zierung und Exportförderung, Interkulturelles,
Markteintrittsszenarien, Exportabwicklung etc. in-
formieren.
www.ic-steiermark.at
WACHSENDE K AUFKR ÄF T IGEMIT TELSCHICHT
Foto
: IC
S, M
ilat
ovic
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