DER WEG NACH MEKKA Die Reise des Muhammad Asad · Muhammad Asad zu Beginn hauptsächlich in der...

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DER WEG NACH MEKKA Die Reise des Muhammad Asad vorläufiges Presseheft Kinostart: 27.11.2008 im Verleih von

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DER WEG NACH MEKKADie Reise des Muhammad Asad

vorläufiges Presseheft

Kinostart: 27.11.2008im Verleih von

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Inhalt

technische Daten, Verleih- und Presse-Kontakt 2Credits 3Pressenotiz, Kurzinhalt 4Synopsis 5Biographie & Hintergrundinformationen: Muhammad Asad 7Zeittafel 11Georg Misch (Buch & Regie) 12Georg Misch über seinen Film 13Festivals & Auszeichnungen 20Pressestimmen 21

Österreich 200892 min.16:9, Stereo

Verleih:mindjazz pictures GbRHolger Recktenwald und Manuel StremmelLandgrafenstr. 10550931 KölnTel.: +49.221.301 4988Fax: +49.221.301 [email protected]

Disposition:Arsenal Filmverleih GmbHBernd Kuhn, Tel. +49.7071.929 6-17Bettina von Streit, Tel. +49.7071.929 6-16Hintere Grabenstr. 2072070 TübingenFax. [email protected]

Pressekontakt:interface film prAntje KrummTel.: +49.221.925 28 90Fax: +49.221.925 28 [email protected]

„Trotz aller Rückschläge durch die Schwächen und Fehler der Muslime ist der Islam auf spiritueller und sozialer Ebeneimmer noch die großartigste Antriebskraft, die die Menschheit je erlebt hat.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

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Stab

Buch & Regie: Georg Misch

Kamera: Joerg Burger

Ton: Hjalti Bager-Jonathansson

Schnitt: Marek Kralovsky

Musik: Jim Howard

Wissenschaftliche Berater: Miriam Ali de Unzaga, Günther Windhager

Produzent: Ralph Wieser

Produktionsleitung: Peter Janecek

Produktion: Mischief Films

In Zusammenarbeit mitORF, arte, NMO (NL)

Gefördert vonFilmfonds Wien, Fernsehfond Austria

„Der Islam schien nicht so sehr eine Religion im üblichen Sinne als ein Lebensgesetz zu sein; kein metaphysischesSuchen, sondern diesseitige Lehre - auch dann, wenn vom Jenseits die Rede war; nicht nur ein theologisches System,sondern auch Führung in allen persönlichen und gesellschaftlichen Belangen. Gottesbewußtsein schien das Ziel zu sein.Das menschliche Leben war positiv aufgefaßt und bejaht. Nirgends im Koran konnte ich einen Hinweis auf dieNotwendigkeit einer mystischen >Erlösung< finden; keine Erbsünde stand da zwischen dem Menschen und seinemSchicksal - denn, wie der Koran betonte, jeder Mensch ist nur für das verantwortlich, was er selbst tut und erstrebt.Keine Askese war da erforderlich, um eine geheime Pforte zur Reinheit aufzutun - denn Reinheit sei dem Menschen beiGeburt beschieden: und >Sünde< bedeutete demnach nichts anderes als ein Abfall von den eingeborenen positivenEigenschaften, die Gott jedem Menschen zuteil werden läßt. Auch sah ich im Koran keine Spur von Dualismus in Bezugauf die Natur des Menschen: Seele und Körper erschienen in dieser Lehre als zwei Aspekte einer unverbrüchlichenEinheit.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

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Pressenotiz

Leopold Weiss alias Muhammad Asad, der vergessene Visionär: Er war einösterreichischer Jude aus Lemberg, der zum Islam konvertierte und zu einem derbedeutendsten muslimischen Denker des 20. Jahrhunderts wurde. Er war einAbenteurer, Diplomat und Träumer. Als Autor und Koranübersetzer hat er dasmoderne theologische Denken im Islam beeinflusst und wurde so zu einembedeutenden Kulturvermittler und Wegbereiter für einen Dialog zwischen Islam unddem Westen.Georg Mischs Dokumentarfilm DER WEG NACH MEKKA – Die Reise des MuhammadAsad zeichnet Asads bewegten Lebensweg von den Randgebieten derDonaumonarchie über Israel, Palästina, Saudi-Arabien, Pakistan und New York bisnach Marokko und Spanien nach.

Kurzinhalt

In den 1920er Jahren tritt der österreichische Jude Leopold Weiss in Palästina zumIslam über. Er nimmt den Namen Muhammad Asad an und reist, fasziniert von derSpiritualität dieser Religion, auf einem Kamel durch die Wüste nach Mekka. Er studiertden Koran und lebt als Berater am Hof des Saudischen Königs. Nachdem er sich mitden Arabern überwirft, reist er nach Indien, wo er sich der Bewegung zur Gründungdes pakistanischen Staats anschließt. Die Verfassung Pakistans stammt zum Teil ausseiner Feder, und er vertritt den jungen Staat bei den Vereinten Nationen in NewYork. Und damit ist Muhammad Asad noch lange nicht am Ende seines Wegesangekommen.Noch heute gilt Muhammad Asad als einer der bedeutendsten islamischen Autorenseiner Zeit und seine Koran-Übersetzung als richtungsweisend.

„Bekenntnisbuch des zum Islam übergetretenen Nahost-Korrespondenten der früheren "FrankfurterZeitung", Leopold Weiss, der an prominenter Stelle am Aufbau des Staates Pakistan mitwirkte. Ohnejeden Konvertiten-Fanatismus erläutert Weiss-Asad die beiden stärksten Wesensmerkmale des Islam,Patriarchentum und Brüderlichkeit, ohne die Verknöcherung der Mohammed-Religion in der Gegenwart zuvertuschen.“Buchkritik zu "Der Weg nach Mekka" von Muhammad Asad inDER SPIEGEL Nr. 1/1956 vom 04.01.1956

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“Ich konnte nicht mehr daran zweifeln, daß gerade der Islam die Muslims zu ihren einstigen kulturellen Großtatenbefähigt hatte, indem er alle ihre Kräfte zu bewußtem Denken lenkte: denn er lehrte sie, daß man nur durchs Denkenund Beobachten die Wesensart der Schöpfung Gottes und deshalb auch Seinen Willen begreifen könnte. Der Islam legtdem Menschen nicht die Verpflichtung auf, um angeblicher Erlösung willen an schwer begreifliche oder garunbegreifliche Dogmen zu glauben; in der Tat, die Botschaft des Propheten enthielt überhaupt kein Dogma, und sohatte der Wissensdurst der frühen Muslims es auch gar nicht nötig gehabt, sich erst - wie anderswo in der Welt - inbitterm Kampfe gegen den herkömmlichen Glauben durchzusetzen: im Gegenteil, er verdankt sein Daseinausschließlich dem Glauben. Der arabische Prophet lehrte: Streben nach Wissen ist die heilige Pflicht eines jedenMuslims, Mann und Frau - und so begriffen seine Anhänger, daß man Gott in vollem Maße nur dann dienen könnte,wenn man Wissen besaß.Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

Synopsis

Leopold Weiss wurde 1900 in Lemberg geboren, damals Teil des K&K ReichesÖsterreich-Ungarn, heute in der Ukraine. In seiner streng religiösen Familie wuchsWeiss in Lemberg und Wien auf; 1922 führten ihn seine Reisen nach Palästina. Dortlernt er den Islam kennen und ist fasziniert von der Religion und ihrer Spiritualität. Erkonvertiert und nimmt den Namen Muhammad Asad an. Auf seinen Reisen vertiefensich seine Kenntnisse des Korans; durch seine Schriften macht er sich einen Namenals Reformist.

DER WEG NACH MEKKA – Die Reise des Muhammad Asad folgt dem Lebenswegvon Leopold Weiss alias Muhammad Asad von den Randgebieten der ehemaligenDonaumonarchie über das heutige Israel, Palästina, Saudi-Arabien, Pakistan und NewYork bis nach Marokko und Spanien. Er besichtigt heute die Orte, an welchen Asadsich einst aufgehalten hat und beleuchtet so das Leben dieses außergewöhnlichenReisenden. Parallel entblättert sich dabei ein vielschichtiges Bild des Islams damalsund heute.

Auf den Stationen dieser Reise werden Asads Überlegungen zum Islam und zu denunterschiedlichen Kulturen den heutigen Problemen zwischen Orient und Okzidentgegenübergestellt. Das Filmteam tritt gleichsam in seine Fußstapfen und begegnet aufdem rekonstruierten Lebenspfad Menschen aus Asads Umfeld: Familie und Freunde,Experten und Wissenschaftler, Verehrer seines Werks sowie Zufallsbekanntschaften,die von dem Reformisten viel, noch nichts oder nur wenig wissen.

Dass ein Österreicher der Schlüssel zu einem besseren Verständnis dieser konträrenWelten sein kann, überrascht. Muhammad Asad war ein Visionär, der mit seinemGedankengut beinahe zum Martin Luther des Islam geworden wäre. Der Autor,Philosoph, Träumer sowie Gründervater und UN-Botschafter Pakistans, der nebenseinen Schriften über das Weltbild, Recht und die Philosophie des Islam mit seinerKoranübersetzung das moderne theologische Denken dieser Religion immensbeeinflusste, ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Doch muslimischeIntellektuelle sind mit seinem Werk auch heute noch bestens vertraut; seine Koran-Übersetzung gilt unter Wissenschaftlern und Akademikern als die beste überhaupt. Erverstand sich als „Mittler“, auch wenn seine religiösen Überzeugungen und politischenSympathien klar verteilt waren - im Film werden sie auch wiederholt problematisiert.Durch sein Wirken wurde Asad zu einem der bedeutendsten Kulturvermittler zwischender abendländischen Kultur und jener des Orients. So ist es letztlich erstaunlich, dassMuhammad Asad heute nur noch wenigen ein Begriff ist.

Rede und Gegenrede sind Strukturprinzip des Films DER WEG NACH MEKKA – DieReise des Muhammad Asad; der Film verweigert sich einfachen Lösungen. So

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zeichnet ihn aus, dass er auf Widersprüchlichkeiten beharrt. Die heutigen Kontakt-und Konfliktpunkte werden aus einem neuen Blickwinkel untersucht und gezeichnet.Neben biographischen Einzelheiten sind auf berührende Weise Textzitate, privateFotografien und Filmaufzeichnungen eingewebt, die die Lebenswelten verschiedensterMenschen sichtbar machen: einfache, saudische Beduinen und palästinensischeFlüchtlinge kommen ebenso zu Wort wie Sharons Berater, pakistanische Asadianerund Wegbegleiter und Zeitgenossen Asads.

Asads Gedankengut immer im Hintergrund, räumt der Film mit tief verwurzeltenVorurteilen auf und macht anschaulich, wie weit sich fundamentalistische,terroristische Kräfte vom grundsätzlich höchst menschlichen Islam entfernt haben. Einpalästinensischer Protagonist bringt es auf den Punkt: „Asad lehrte den wahren Islam:Dass es falsch ist, dass der Islam Terrorismus sei. Der Islam ist Frieden. Der Islam istBrüderlichkeit.“ Während sich DER WEG NACH MEKKA – Die Reise desMuhammad Asad zu Beginn hauptsächlich in der arabischen Welt bewegt, wirdspätestens bei Szenen von den 9/11-Feierlichkeiten in New York klar, dass Fanatismusein globales Problem darstellt.

Zuletzt erzählt der Film auch die Geschichte eines tragischen Scheiterns.Archivaufnahmen von Leopold Weiss alias Muhammad Asad zeigen einen betagten,weisen, immer noch hellwachen Mann. So naiv er als junger Mensch vielleicht war, sokritisch wurde später sein Bild von der Menschheit: „Ich hab mich in den Islamverliebt“, resümierte er in einem Gespräch kurz vor seinem Tod im Jahr 1992 lapidar,„aber ich habe die Muslime überschätzt.“

Es gelingt Regisseur und Autor Georg Misch, Schönheiten und Abgründe beider Weltensensibel und sachlich darzustellen. Nichts wird ausgelassen, auch nicht die Tatsache,dass Asad gegen Ende seines Lebens vom Zustand der islamischen Welt, derenintellektueller Abschottung und der Intoleranz der Extremisten enttäuscht war.DER WEG NACH MEKKA – Die Reise des Muhammad Asad zeigt auf, wie zeitlosund nach wie vor höchst relevant das Leben und Werk dieses herausragendenÖsterreichers ist.

„Es ist eine geschichtliche Ironie, daß die Feindschaft des Abendlandes gegen den Islam - eine Feindschaft, die ja inihren Anfängen religiös bedingt war - immer noch fortlebt zu einer Zeit, in welcher der religiöse Glaube einen sogeringen Platz im Denken und Fühlen des Abendländers einnimmt.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

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„“Was ist gut, und was ist böse?“ fragten wir uns. Die Wissenschaft sagte: „Erkenntnis ist alles“ - und vergaß dabei,daß Erkenntnis ohne ein sittliches Ziel nur zum Chaos zu führen vermag. Die Gesellschaftserneuerer, dieRevolutionäre, die Kommunisten - die doch alle zweifellos eine bessere, glücklichere Welt aufbauen wollten - dachtenin ihrem Bestreben nur an äußere, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse; und um diesen Mangel zu überbrücken,erhoben sie ihre >materialistische Geschichtsauffassung< zu einer Art neuen, antimetaphysischen Metaphysik. Dieherkömmlich-religiösen Menschen, andererseits, wußten nichts Besseres zu tun als ihrem Gott Eigenschaftenzuzuschreiben, die sie ihren eigenen Denkgewohnheiten entnommen hatten - Denkgewohnheiten, die schon längststarr und inhaltlos geworden waren -; und als es uns Jungen zu Bewußtsein kam, daß jene angeblich göttlichenEigenschaften im schärfsten Widerspruch zu allem standen, was um uns herum vorging, da dachten wir uns: „DieKräfte, die des Menschen Schicksal treiben und gestalten, sind ersichtlich von den Eigenschaften, die man Gottzuschreibt, weit verschieden; also - gibt es keinen Gott.“ Und es kam nur ganz wenigen von uns in den Sinn, daß dieUrsache all dieser Verwirrung vielleicht nur in der Überheblichkeit jener selbstgerechten >Glaubenshüter< lag, die fürsich das Recht in Anspruch nahmen, Gott in ihre selbstgeschaffenen Begriffe zu zwängen, und Ihn solcherart, mit ihreneigenen Gewändern bekleidet, vom Menschen und vom Menschenschicksal trennten.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

Biographie & Hintergrundinformationen:

Muhammad Asad

Österreich-Ungarn, Deutschland

1900 wird Leopold Weiss in Lemberg (im K&K Reich,heute Ukraine) geboren, er wächst in Lemberg und Wienauf. Seine Familie stammte von einer langen Linie vonRabbinern ab, doch sein Vater, der von der Wissenschaftträumte, war gegen den Willen der Eltern Anwaltgeworden. Leopold Weiss genießt eine sehr religiöseErziehung und sein Vater versucht, ihmNaturwissenschaften näherzubringen. Mit 13 Jahrenkann er fließend Hebräisch lesen und sprechen, er ist sogar mit Aramäisch vertrautund studiert das Alte Testament, den Talmud mit seinen Kommentaren sowie diebiblische Exegese Targum. Trotzdem entfremdet er sich zunehmend von seinerReligion, da es ihm kaum glaubhaft erscheint, dass Gott sich um sein kleinesauserwähltes Volk der Hebräer kümmere, nicht aber um die gesamte Menschheit.Auch wenn seine religiösen Studien ihn vom Glauben seiner Vorfahren entfernen, soverschaffen sie ihm doch ein grundlegendes Verständnis vom Sinn und Wesen derReligion an sich, unabhängig von ihrer Form.Leopold Weiss las die historischen Romanen von Sienkiewicz, die Fantasien von JulesVerne, Karl May und J.F. Cooper, Rilkes Verse sowie Nietzsches „Also sprachZarathustra“. Er lernt Latein und Griechisch, doch vor allem sucht er in dieser Zeitnach Aufregung und Abenteuern. So tritt er 1914 unter falschem Namen und mit derBehauptung, er sei schon 18 Jahre alt, der Österreichischen Armee bei, doch baldholen sein Vater und die Polizei ihn nach Wien zurück. Mit 18 wird er eingezogen, dochwenige Wochen später bricht das Österreichische Kaiserreich zusammen; der Krieg istvorbei.Etwa zwei Jahre lang studiert er nach dem Krieg Kunstgeschichte und Philosophie inWien, doch er träumt von einer Karriere als Journalist, wovon sein Vater nichts wissenwill. 1920 reist er heimlich nach Prag, macht den Diamantring seiner ein Jahr zuvorverstorbenen Mutter zu Geld; dann geht es weiter nach Berlin, wo er in denKaffeehäusern Kontakte zu knüpfen versucht und in das wilde Berliner Partylebeneintaucht.Nach unzähligen vergeblichen Vorstellungsgesprächen bei Berliner Zeitungen undPhasen des Hungers und der Obdachlosigkeit, schreibt Weiss mit einem Freund zwei

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Drehbücher; das erste verkaufen sie an F.W. Murnau, für den Weiss dann zwei Monatelang als Assistent arbeitet.1921 kommt er als Telefonist bei einer Amerikanischen Nachrichtenagentur in Berlinunter, und seine Chuzpe bringt ihm seine erste journalistische Veröffentlichung ein:Eine große Hungersnot in Sowjet-Russland beherrscht die Schlagzeilen, und derSchriftsteller Maxim Gorky führt eine internationale Hilfs-Kampagne an. Seine Frauwar inkognito und bis dato unerkannt nach Berlin gereist, was ein befreundeterHotelpage Weiss steckt. Über seine Agentur besorgt er sich einen Presseausweis undstellt sich Frau Gorky in der Lobby in den Weg. So ergattert er ein Exklusiv-Interview,das er nachts als Eilnachricht an die Abnehmer seiner Agentur verschickt. Es wirdgedruckt, seine Arbeitgeber verzeihen die Eigenmächtigkeit und befördern ihn zumJournalisten.

Palästina, Saudi-Arabien

1922 reist Weiss in das Britische Hoheitsgebiet von Palästina, um in Jerusalem seinenOnkel, den Psychoanalytiker Dorian Weiss, zu besuchen und als freiberuflicherKorrespondent für die Frankfurter Zeitung zu schreiben. Seine Berichte erstaunendurch Weiss’ Verständnis für die Sorgen und Befürchtungen der Araber angesichts desaufkommenden Zionismus. Er führt Streitgespräche mit Chaim Weizman, demPräsidenten der Zionistischen Weltorganisation, und ist fasziniert von seinen erstenKontakten mit Arabern, Muslimen und dem Islam.Als die Frankfurter Zeitung ihn als Vollzeit-Korrespondenten engagiert, beginnt er,sich immer tiefgreifender mit dem Islam zu beschäftigen, wobei besonders derKontakt mit Beduinen für ihn bedeutsam ist. Nach sorgfältigen Überlegungen trittWeiss 1926 zum Islam über - gerade für einen Juden ein außergewöhnlicher Schritt.Seinen Namen ändert er auf Muhammad Asad - in Anlehnung an seinen VornamenLeopold; „Asad“ bedeutet „Löwe“. Die Komplexität und Spiritualität des Islam stellt fürihn einen Gegenpol zu dem von ihm verabscheuten Materialismus der westlichen Weltdar. Auf dem Rücken eines Kamels begibt er sich 1926/1927 erstmal auf die Hajj, diePilgerreise nach Mekka.Auf dieser ersten Pilgerreise stirbt Asads erste Frau. Abd al-Aziz ibn Saud, derGründer Saudi Arabiens, lädt den Trauernden ein, als Gast an seinem Hof zu leben.Zwischen den Männern entwickelt sich eine Freundschaft; Asad bleibt für mehr alssechs Jahre als Gast und Berater am saudischen Hof. Er vertieft sich in Koranstudienund begeistert sich für die Wiederbelebung des Islam.Seine Reisen als Korrespondent führen ihn mitten in kriegerischeAuseinandersetzungen zwischen Beduinenstämmen und in den Kampf um dieUnabhängigkeit in Lybien. Auf seinen Reisen heiratet Asad Beduinen-Frauen, um sichbald wieder von ihnen scheiden zu lassen. In Medina heiratet er eine Araberin undversucht, sesshaft zu werden; die beiden bekommen einen Sohn. Doch bald schonbegibt Asad sich wieder auf Reisen. Dabei fühlt er sich zunehmend weiter von denintellektuellen Interessen Europas entfernt; es fällt ihm immer schwerer, seine Artikelzu verfassen, da sie ihm wenig geeignet erscheinen, die Wahrnehmung seiner Leservom Nahen Osten zu verändern.Er bereist Ägypten, Saudi-Arabien, den Iran, wo er viele einsichtige Artikel über dieSchiiten schreibt, sogar Afghanistan und die südlichen Sowjet-Staaten. DieKolonialmächte betrachten ihn stets mit Misstrauen; tatsächlich interessiert er sichsehr für die Bewegungen, die zu dieser Zeit die Befreiung der muslimischen Ländervon der Kolonialherrschaft anstreben. Ein englischer Diplomat am Saudischen Hofbeschreibt ihn in einem Report als „Bolschewik“.Immer wieder pilgert er nach Mekka; 1932 reist er ein letztes Mal auf einemDromedar von Arabien durch die Wüste nach Mekka. Diese Pilgerfahrt dauert 23 Tage

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und wird später im Zentrum seines autobiographischen Buchs „Der Weg nach Mekka“stehen.

Indien, Pakistan, USA

Nachdem er den Königshof nach zunehmenden Kontroversen verläßt, geht Asad nachIndien. Wegen seines österreichischen Passes wird er für die Dauer des ZweitenWeltkriegs zusammen mit Nazis in einem „camp for enemy aliens“ interniert, währendfast seine gesamte Familie in Europa im Konzentrationslager ermordet wird.Nach seiner Internierung lernt er den Poeten und Philosophen Muhammad Iqbalkennen, der mit der Muslim League die Gründung des ersten islamischen Staates beider indischen Unabhängigkeit und Teilung 1947 anstrebt: Pakistan. Nach derStaatsgründung arbeitet Asad für die Regierung im Department of IslamicReconstruction an den ideologischen Islamischen Konzepten, die dem Staat zugrundeliegen sollen. Dabei schreibt er einen später veröffentlichten Entwurf einerpakistanischen Verfassung, der bei der Gesetzgebung keine konkrete Verwendungfindet. In der Präambel des ersten Grundgesetzes, das später verboten wurde, werdeneinige seiner Vorschläge übernommen. Asad besteht auf die im Koran verankerteGleichstellung der Frau, und so ermöglicht sein Verfassungsentwurf die Wahl einesweiblichen Staatsoberhauptes, was den Weg für Benazir Bhutto, die erste Präsidentineines islamischen Staates, ebnete.1949 tritt Asad in den diplomatischen Dienst von Pakistan ein und leitet für dasAußenministerium die Nahost-Abteilung. Im selben Jahr wird er der erstepakistanische Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York.1952 tritt Asad von seinem Posten zurück, um sich verstärkt dem Schreiben zuwidmen. In den USA beginnt er mit der Arbeit an „Der Weg nach Mekka“, das 1954 inNew York veröffentlicht wird. Mit dem Buch möchte er dazu beitragen, dietiefverwurzelten Vorurteile, die das Bild des Westens vom Islam schon seit denKreuzzügen prägen, auszuräumen.

Marokko, Spanien

Mit dem Plan, umgeben von liberaleren Muslimen in zwei Jahren den Koran neu zuübersetzen, zieht Asad nach Marokko. Allerdings braucht er 17 Jahre für sein magnumopus, seine kommentierte englische Koranübersetzung „The Message of The Qur'an“,die neben seiner umfassenden Sprachkenntnis des klassischen Arabisch auch aufseiner genauen Kenntnis der klassischen Koran-Kommentare basiert. Sie trägt dieWidmung „to people who think“ und wird von Akademikern als die derzeit akkuratesteKoranübersetzung angesehen, auch wenn sie von einzelnen Traditionalistenangegriffen wurde und wird.1992 stirbt Asad in Andalusien.

„Mein Weg zum Islam war ja in einem gewissen Sinne einzigartig gewesen: ich war nicht etwa Muslim geworden, weilich unter Muslims lebte - sondern im Gegenteil, ich hatte mich entschlossen, unter ihnen zu leben, weil ich Muslimgeworden war. Wäre es denn nicht möglich, meinen persönlichen Erfahrungsweg abendländischen Lesern zu schildernund auf diese Weise vielleicht behilflich zu sein, die dunklen Schleier, die den Islam und seine Kultur immer demwestlichen Denken verhüllen, etwas zu heben? Würde nicht so ein Beitrag zur Verständigung zwischen der islamischenund der westlichen Welt vielleicht von größerem Wert sein als meine Arbeit im diplomatischen Dienst? Unter meinenpakistanischen Landsleuten gab es wohl viele, die den Posten eines Gesandten bei den Vereinten Nationen ebensogutbekleiden konnten wie ich - aber wie viele Muslims waren wie ich in der Lage, den Islam dem Abendland verständlichzu machen? Ich war ein Muslim - aber ich entstammte dem Abendland: und so sprach ich die geistige Sprache sowohldes Islam als auch des Abendlandes.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

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Muhammad Asad war einer der bedeutendsten islamischen Autoren seiner Zeit undschrieb richtungsweisende Bücher und hunderte Essays über Weltbild, Recht undPhilosophie des Islam. Ein Welterfolg war das autobiographische Buch „Der Weg nachMekka (The Road to Mecca)“, in dem Asad seine Nahost-Reisen und seinen Übertrittzum Islam schildert.

Über fünfzehn Jahre nach seinem Tod ist er für islamische Intellektuelle eine Ikone,der breiten Öffentlichkeit aber völlig unbekannt.

Asad war einer der außergewöhnlichsten Grenzgänger zwischen der islamischen Weltund dem Westen: Weltreisender, Journalist, Linguist, Übersetzer, Sozialkritiker,Reformist, Diplomat, Politologe, Theologe und Philosoph. Was seinen vielfachenAktivitäten gemein ist, ist sein stetes Streben nach einem gegenseitigen Verständniszwischen der islamischen Welt und dem Westen und seine intellektuelleHerangehensweise an den Islam, die im scharfen Gegensatz zum Fundamentalismussteht. Gerade dies macht sein Leben und Werk so zeitlos und heute so relevant.

Leopold Weiss alias Muhammad Asad

„Wohlgemerkt, ich hatte nichts an der Forderung nach moralischer Rechtlichkeit auszusetzen, die sich so stark undfeurig durch die heiligen Schriften des Judentums zog; auch mißfiel mir nicht das erhabene Gottesbewußtsein derhebräischen Propheten. Es schien mir jedoch, daß der Gott des Alten Testaments und des Talmud sich viel zu viel mitdem Ritual befaßte, nach welchem Er sich von Seinen Gläubigen anbeten ließ. Es kam mir auch in den Sinn, daß dieserGott sich fast ausschließlich und mit seltsamer Voreingenommenheit um die Geschicke eines einzigen Volkes, nämlichder Hebräer, kümmerte und den Rest der Menschheit vernachlässigte.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

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„Von allem Anfang an hatte ich die Empfindung, daß der Gedanke einer jüdischen Besiedlung Palästinas etwasKünstliches an sich hatte und den wahren Bedürfnissen des Judentums nicht entgegenkam; noch viel schlimmerjedoch war die Aussicht, daß das zionistische Unterfangen die ganze unlösbare Gesellschaftsproblematik Europas in einLand verpflanzen würde, das ohne sie weitaus glücklicher wäre. Denn die Juden kamen ja nicht nach Palästina als einVolk, das in sein Heimatland zurückkehrt: sie waren vielmehr entschlossen, es zu einem Heimatland zu machen - undzwar ein Heimatland nach europäischen Vorbildern und mit europäischen Zielen. Mit andern Worten, sie kamen alsFremde, als Eindringlinge her. Ich empfand es deshalb als selbstverständlich, daß die Araber den Gedanken einerjüdischen Heimatstätte aufs bitterste bekämpften; sie waren ja in ihren wesentlichsten Belangen bedroht und mußtensich gegen eine solche Bedrohung zur Wehr setzen.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

Zeittafel

1900 Leopold Weiss (später Muhammad Asad) wird in Lemberg geboren

1922 Leopold Weiss reist nach Palästina

1924 Weiss’ Buch “Unromatisches Morgenland” wird veröffentlicht

1926 Leopold Weiss konvertiert zum Islam und wird Muhammad Asad; er reist erstmalsnach Mekka

1927 Asad trifft den saudischen König Abd al-Aziz Ibn Saud in Mekka

1932 Gründung des Einheitsstaates Saudi-Arabien als absolute Monarchie

1941-1945 Zweiter Weltkrieg

1945 Die Charta der Vereinten Nationen wird unterzeichnet; Gründung der VereintenNationen

1945 Gründung der Arabischen Liga

1947 Unabhängigkeit und Teilung Indiens; Gründung des Staates Pakistan

1948 Gründung des Staates Israel

1949 Muhammad Asad tritt in den diplomatischen Dienst Pakistans ein und geht als UN-Botschafter nach New York

1954 Asads “Der Weg nach Mekka (The Road To Mecca)” wird veröffentlicht

1963 Muhammad Asad geht nach Marokko und beginnt seine Koran-Übersetzung

1980 Asads Koran-Übersetzung “The Message of The Qur'an” wird veröffentlicht

1992 Muhammad Asad stirbt in Spanien

„Wie war es nur möglich, wunderte ich mich, daß geistig so begabte Menschen wie die Juden den zionistisch-arabischen Widerstreit nur vom jüdischen Standpunkt aus betrachteten? Sahen sie denn gar nicht ein, daß dasProblem der Juden in Palästina letzten Endes nur durch friedliche Zusammenarbeit mit den Arabern zu lösen war?Waren sie denn so hoffnungslos verblendet, nicht zu erkennen, welch eine schmerzliche Zukunft sich in ihren Plänenbarg? - wieviel Kämpfe, wieviel Bitternis und Haß dem jüdischen Volk bevorstanden, wenn es solcherart ein Inselleben- und sei es zeitweilig auch noch so erfolgreich - inmitten eines Meeres feindlicher Araber führen würde?Und wie seltsam, dachte ich mir, daß ein Volk, welches im Verlauf seiner langen, tragischen Diaspora so viel Unrechterlitten hatte, nunmehr bereit war, einem andern Volke elendes Unrecht anzutun - und noch dazu einem Volke, dasgar keine Schuld am vergangenen jüdischen Leiden trug.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

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Georg Misch (Buch & Regie)

Geboren 1970

Regisseur und Produzent.Ausbildung an der University of Stirling und der National Film School, NFTSGroßbritannien.Bisherigen Arbeiten umfassen Dokumentarfilme für BBC, Channel 4 und ARTE.

Filmographie

2004 CALLING HEDY LAMARR2002 I AM FROM NOWHERE1999 LINES1998 ERE WE GO1997 TRAUTONIUM1997 INSIGHT

„Vielleicht war es eine Vorahnung der kommenden Umwandlung meines eigenen Seins, die mich an jenem ersten Tagin einem arabischen Lande beim Anblick der Beduinen ergriff und nie wieder losließ: Ahnung von einer Welt, die keineBegrenzung kennt und dennoch niemals formlos ist; die in sich geschlossen und dennoch allseits offen ist: Eine Welt,die mit der Zeit meine eigene werden sollte. Ich kann natürlich nicht behaupten, daß eine solche Vorstellung mir schonin jenem Augenblick bewusst geworden wäre, nein, das gewiß nicht. Es war vielmehr so, wie wenn man zum erstenMal ein fremdes Haus betritt und durch einen plötzlichen Geruch im Flur eine Ahnung dunkel empfängt von denDingen, die die da drinnen geschehen werden, und uns geschehen werden; und wenn es glückhafte Dinge sein sollen,so ist es ein Stich des Entzückens ins Herz - und man erinnert sich seiner viel später, da alles schon Wirklichkeitgeworden ist, und sagt sich: „All dies habe ich vorausgeahnt, so und nicht anders, in jenem ersten Augenblick imFlur.““Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

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Georg Misch über...

... die Idee zum Film:Die Idee zu dem Film kam ursprünglich von der Ko-Autorin des Films, Miriam Ali deUnzaga. Sie hat damals in London Islamic Humanities studiert, und da kam AsadsIslam-Übersetzung mehrfach zum Einsatz. Es war ihr damals nicht bewusst, dass dasein Österreicher ist; bei dem Namen Muhammad Asad denkt man nicht wirklich daran,dass das ein Österreicher sein könnte. Als sie im Gespräch mit einem Lehrer daraufgekommen ist, dass das ein konvertierter Jude, ein Österreicher ist, da hat sie zu mirgesagt: Das ist ja eine unglaubliche Geschichte; da muss man einen Film drausmachen.

... die Entscheidung, den Film zu machen:Ich habe anfänglich etwas gezögert, weil ich keine reine Biographie über eineverstorbene historische Persönlichkeit machen wollte. Das war mir rein vomThematischen ein bisschen zu wenig. Seine Lebensgeschichte ist ja unglaublich; wennman des jemandem erzählt, heißt es immer gleich: „Das ist ja der ÖsterreichischeLawrence of Arabia“, aber mir war ein reiner Film über sein Leben, über ein Leben imvergangenen Jahrhundert etwas zu wenig.Es war aber im Jahr 2000, als wir das Thema diskutiert haben. Und dann kam der 11.September 2001, und plötzlich hat das der ganzen Thematik einen völlig neuenBlickwinkel gegeben. Und da ist mir klargeworden, dass das mitnichten eineGeschichte über einen verstorbenen Denker aus dem letzten Jahrhundert ist, sonderndass eben sein Leben und sein Werk und sein Einfluss extrem zeitlos sind und sehr,sehr wichtig sein können für die Jetzt-Zeit, für das, was jetzt vor sich geht und vorsich gehen wird.

... Asad als Reiseführer durch den Film:So habe ich beschlossen, dass wir einen Film machen, der durch die westliche und dieislamische Welt reist - auf den Spuren von Asads Lebensstationen, mit Asadsozusagen als unserem Reiseführer. Ein Reiseführer aus der Vergangenheit, der unsdurch das Jetzt führt und durch den wir sowohl sein Leben verstehen können, als auchneue Zugänge und neues Verständnis erlangen können für das, was jetzt passiert.Dabei lag mir nichts ferner, als dass ich durch die Welt reise und den Islam erkunde.Das hatte ein Redakteur von einem Fernsehsender in England mir ursprünglichvorgeschlagen, der meinte: „Fuck Asad, just travel around the world yourself.“ Aberwer bin ich, dass ich den Islam erkläre? Das wäre eine Anmaßung gewesen.

... die Struktur des Films:Für mich hatte sich relativ schnell ergeben, wie dieser Film funktionieren muss:Nämlich ein Film auf den Spuren von Muhammad Asad, der sozusagen die wichtigstenStationen seines Lebens als Roadmovie abklappert, wo eben Mohammad Asad unserstiller Reisebegleiter aus der Vergangenheit ist. Und er ist es auch, der den Filmzusammenhält. Der Film ist ja fast ein bisschen so etwas wie eine Nummernrevue; datauchen ständig neue Leute, neue Orte auf. Der Film steht nie still; der bewegt sichdauernd vorwärts. Und Asad ist der, der das Ganze im Stillen zusammenhält, der demGanzen Form und Struktur gibt.

... die Erzählform:Das Reisemotiv ist natürlich sehr dominant; das Ganze ist ein Roadmovie; und mirwird immer gesagt, dass der Film sehr schön vor sich hinfließt und immer wiederetwas neues erscheint. Dabei ist die Struktur ja relativ einfach: Es gibt halt die siebenOrte: die Ukraine, Wien, Palästina, Pakistan, New York, Marokko und Spanien. Undzwischendurch wird immer gereist, Photoalbum geschaut und erzählt, und es gibtZitate von Asad. Das ist eine relativ einfache Struktur, die aber funktioniert. Das istallerdings etwas, was nicht von Anfang an genauso geplant war. Es war schon klar,

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dass der Film die Lebensstationen abklappert, aber diese strenge Struktur mit denFotoalben dazwischen, mit der Erzählstimme dazu - das war nicht so geplant, das hatsich während des Schnitts so entwickelt.

... die Bedeutung unterschiedlicher Aspekte für den Film:Für mich war das allerwichtigste an Asad seine Relevanz für die Gegenwart, seinEinfluss auf andere Leute - wie er sie inspiriert hat, wie er der Geschichte einenStempel aufgedrückt hat und inwiefern sein Denken und sein Werk helfen können, indiesem großen Spannungsfeld zwischen der sogenannten westlichen und dersogenannten islamischen Welt heute zu vermitteln - das war mir eigentlich daswichtigste. In Bezug auf biographische Details ist das schwieriger. Generell tendiereich bei meinen Filmen dazu - und ich habe jetzt einige Filme gemacht, die einenbiographischen Stoff als Thema haben - mit den biographischen Fakten zu geizen. Ichversuche also, von der Biographie nur das in den Film hineinzupacken, was unbedingtnotwendig ist, weil mich oft die tangentialen Aspekte, die Randaspekte mehrinteressieren als Aspekte der Biographie, die vielleicht einen Biographen oderjemanden mit eher historischem Interesse mehr interessieren. Zum Beispiel haben wirdas Thema Frauen, also Ehefrauen, hier völlig ausgeklammert. Das wäre relativkomplex gewesen und war im größeren Kontext, also vor allem im zeitgeschichtlichenKontext von Asad, nicht wirklich wichtig.

... Interviewpartner und Randaspekte:Mir ist es wesentlich wichtiger, Aspekte zu finden, die im Vergleich eigentlich wenigmit Asad zu tun haben, aber mehr über den Effekt von ihm aussagen. Wenn man alsBeispiel den Beduinen in Palästina hernimmt - und Arnon Soffer, diesenDemographen: Diese beiden dürften eigentlich in einem strikt biographischenDokumentarfilm nicht vorkommen, weil sie relativ wenig Wissen über Asad haben. Anderen Stelle müsste man in einem normalen, brav biografischen Dokumentarfilmeinen Historiker sprechen lassen oder eine Biographen und vielleicht einen, der sich inder Geschichte der jüdischen Besiedlung Palästinas auskennt, oder einenZeitgeschichtler - also diese ‚üblichen Verdächtigen.’ Für mich war es aber wesentlichstärker, eben mit diesem Beduinen zu sprechen, der nur so ein bisschen von Asadgehört hat, aber der damals und heute vergleicht und dann in dieser unglaublichenSzene vom Kamel fällt und mit Erschütterung feststellt, dass, wenn Asad heutehierher kommen würde, er gleich wieder wegfahren würde, weil die Situation jetztfürchterlich ist.

... das Interview mit dem Beduinen:Diese Lateral-Zeugen, falls man das sagen kann, diese Tangential-Zeugen, -Menschen, die nur ganz wenig eindeutige Berührungspunkte haben, die einen aber aufandere interessante Spuren führen, recherchiere ich sehr gründlich. Die Beduinen sindschon in Asads Buch über den „Unromantischen Orient“sehr wichtig - das Buch halteich übrigens für eins von seinen besten Büchern, besser fast als „The Road to Mecca“;er schreibt über das Palästina-Problem schon damals, in den 20er Jahren, mit einerWeitsicht, mit einer Voraussicht, die visionär ist; das liest man und denkt, das seigestern geschrieben worden - da hat er damals eigentlich alles schon vorausgesehen.Und im gleichen Buch schreibt er auch über seine ersten Begegnungen mit Beduinen,und wie unglaublich das war. Die Beduinen waren sozusagen das, was ihn einbisschen naiv, mit fast orientalistischer Faszination, in diese arabische Welt unddadurch in den Islam gezogen hat. Diese Begegnungen waren irgendwie einKnackpunkt, ein In-diese-Welt-sich-verlieben. Und da hab ich die Researcher inPalästina gefragt: „Gibt’s eigentlich noch Beduinen?“ Und ich hab mir eigentlichvorgestellt, dass es da nur noch Beduinen gibt, die als Touristenattraktion da sind, dieein Kamel vermieten, um Fotos drauf zu machen. Und dann haben mir die Researchergesagt: „Nein, es gibt eigentlich noch viele Beduinen.“ Aber dass die eben das

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Problem haben, dass sie nicht mehr reisen können; dass sie in Flüchtlingscampsstecken - und dann wusste ich sofort: Genial, das ist es.

... den Beduinen in Palästina und den Mauerbauer in Israel:Da es eben auch Fotos von Asad auf dem Kamel gibt und das Kamel diesesorientalistische Ikon für die Wüste ist, habe ich gesagt, wir müssen Beduinen finden,die noch Kamele haben. Das war ebenfalls etwas, wo ich gedacht habe, dass es davonnicht mehr viele gibt - und es gibt tatsächlich nicht mehr viele. Wir haben dannverschiedene gefunden, die ich besucht und kennengelernt habe. Und dieserbesondere Beduine lebt in einer wirklich unglaublichen Situation, gerade außerhalbvon Jerusalem, und sein Dorf ist wirklich eingezingelt von einer Mauer. Und es gabdort gerade noch eine Mauerbaustelle; diese Baustelle ist nicht für den Film irgendwiekonstruiert, sondern sie ist in direkter Nachbarschaft; da liegen 100 Meterdazwischen. Die Symbolik war sofort klar. Und dann habe ich eben gewusst, das wirbei dieser Mauerbaustelle auch jemanden brauchen, der die andere Seite erklärenkann.Beim recherchieren bin ich auf diesen Arnon Soffer gestoßen, und ich hatte eigentlichgedacht, dass der nie an dem Film teilnehmen wird, weil ich mit den Leuten ehrlichbin. Das heißt, ich habe ihm genau gesagt, worum es in dem Film geht, dass ich eswichtig finde, dass jemand auch die andere Seite erklärt und ob er Lust hätte, dortteilzunehmen. Und überraschenderweise hat er ja gesagt. Und er war extrem offenvor der Kamera und hat auch kein Blatt vor den Mund genommen - das war natürlichein Geschenk. So ist diese Szene entstanden.

...Planung und Umsetzung:Die Szene mit dem Beduinen an sich war eigentlich ursprünglich ganz anders geplant:Ich wollte eigentlich, dass der auf sein Kamel steigt und an der Mauer entlangreitet -schwer symbolisch, wie dieser Beduine kilometerlang vor dieser Mauer dahinreitet.Und dann hatte ich eigentlich geplant, dass er versucht, durch einen IsraelischenCheckpoint zu gehen, mit seinem Kamel, sozusagen der Beduine auf dem Weg nachMekka. Das wäre für ihn natürlich unmöglich gewesen, weil er gar nicht die nötigenBerechtigungen von diesen tausend Berechtigungen hatte, die man braucht, um sichdort überhaupt zu bewegen. Das wäre ein bisschen so etwas gewesen wie der Spruchmit dem Kamel, das durch das Nadelöhr geht - ein Spruch, der sowohl in der Bibel alsauch im Koran existiert. Da war also eigentlich eine schwere, symbolische, sehrkonstruierte Sequenz mit tiefer Bedeutung geplant. Und während des Aufwärmens -das Aufsteigen war nur als Auftakt zu dieser Sequenz geplant - ist etwas passiert, wasviel besser war als das, was ich geplant hatte und mit dem wir dann mitgegangensind, nämlich dass der Beduine überhaupt nicht mehr reiten konnte. Er konnte sogarnicht einmal mehr mit dem Kamel gehen; das hat sich immer losgerissen und istsofort in den Stall zurückgetrabt, weil diese Freiheit, draußen zu sein, zuviel für dasTier war; das hat es überhaupt nicht mehr gepackt. Auch diese Szene war einunglaubliches Geschenk.

... das Arrangieren von Wirklichkeit:In meinen Dokumentarfilmen habe ich sehr häufig eine Mischung aus nicht unbedingtinszenierten, aber doch etwas arrangierten Szenen: Der Beduine wäre ohne uns nichtunbedingt von sich aus aufs Kamel gestiegen. Das heißt, im Prinzip war es schonarrangiert, dass er aufs Kamel steigt. Und ich lass dann eben immer komplett laufen,was dann vor der Kamera passiert, weil dann eben Sachen passieren können, die vielbesser sind, als das, was man geplant hat. Aber man muss eben teilweise Sachenplanen, damit überhaupt etwas passieren kann. Wir hatten diese ganze aufwändigeSzene mit dem Entlangreiten an der Mauer geplant; ich hatte die entsprechendenKoranstellen recherchiert, wir hatten mit den Israelischen Behörden verhandelt, dasswir mit einem Kamel kommen durften, damit sie den Beduinen nicht gleich

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erschießen, weil sich die Soldaten eventuell bedroht gefühlt hätten. Das war alles einirrsinniger Aufwand, und nichts davon ist im Film, aber was dadurch entstehenkonnte, sind die Geschenke, die die Wirklichkeit im Dokumentarfilm ausmachen. Aberman muss eben auch den Boden dafür bereiten.Ich sage immer, das ist ein bisschen wie das Chemielabor im Dokumentarfilm: Manmuss immer die Ingredienzen zusammenbringen und dann schauen, was da passiert.Oft, wenn’s schön ist, passiert was Schönes. Manchmal stinkt das Ergebnis; dakracht’s und stinkt’s im Chemielabor. Und manchmal passiert überhaupt nichts; dasgibt’s natürlich auch.

... Beobachtung und Inszenierung:Im Prinzip ist der Film eigentlich extrem beobachtend - das ist vielleicht das falscheWort: Das, was darin passiert, ist in den Szenen einfach passiert. Gerade in Österreichgibt’s immer die Diskussion um Inszenierung im Dokumentarfilm. Und es gibt immerviele Leute , die glauben: „Das ist einfach zu gut, das kann gar nicht passiert sein.“Wobei für mich die ultimative Inszenierung der ‚Talking Head’ im Dokumentarfilm ist,also das Interview: Wer sitzt sonst auf einem Sofa vor der Kamera und spricht an derKamera vorbei ins Nichts - das ist die ultimative Inszenierung, die aber als solchenicht wahrgenommen wird.Früher habe ich wesentlich mehr Einstellungen wirklich inszeniert, auch imDokumentarfilm. Und bei diesem Film war es einfach so, durch das Thema und dasReisen und wo wir unterwegs waren, dass das überhaupt nicht notwendig war. Ichhatte immer Inszenierungen geplant, aber das war eigentlich nur der Ausgangspunkt,von dem aus dann Sachen passieren konnten, die wir dann völlig beobachtend drehenkonnten.

... die Asadianer in Lahore/Pakistan:So war es auch mit den Asadianern in Lahore in Pakistan. Es gibt sie, wobei sie nichtso organisiert sind. Das heißt, wir haben vorher gefragt, ob sie Treffen abhalten, undsie haben gesagt, dass sich meistens die Älteren treffen, die noch aus derUnabhängigkeitsbewegung stammen. Die einen oder der andere wären nicht dabei;einige haben sich auch gar nicht gekannt, da sie mehr separat unterwegs sind. Dereine lebt nicht in Lahore, war aber gerade zu dem Zeitpunkt in den Ferien dort. Siehätten es sonst wahrscheinlich nicht zustande gebracht, selbst einen Ort zu finden,um sich zu treffen. Die treffen sich schon an diesem Unabhängigkeitstag, aber diehaben sozusagen etwas logistische Unterstützung gebraucht. Sonst wäre das Treffenwahrscheinlich an einen unmöglichen Ort gewesen, wo man nichts hätte machenkönnen.Es war relativ schwierig, einen Ort zu finden, wo wir drehen konnten, wo es ruhig war,wo es auch noch Licht gab und man irgendwie arbeiten konnte. Aber sobald danndiese Leute zusammentrafen, und das war das erste Mal, dass die sich alle in dieserForm getroffen haben, hat man wirklich nur noch auf Aufnahme drücken müssen. Unddas Gespräch ist einfach passiert - und es ist herrlich.

... aufgezeichnete Gespräche statt Interviews:Die beiden sephardischen jüdischen Damen in Casablanca, die dort in einem Zimmersitzen und von Asad erzählen, haben sich zwar vorher gekannt, aber nie miteinanderüber das Thema Asad gesprochen - die hatten sich soviel gegenseitig zu erzählen. Ichhabe eigentlich gedacht, dass das ein Interview mit den beiden wird. Ich hab nurgesagt: „So zum Warmwerden: Vielleicht können Sie gegenseitig sich ein bisschenwas erzählen zu dem Asad.“ Und dann haben die beiden zwei Stunden non stopgeredet, ohne dass ich eine Frage stellen musste - eben weil die Chemie gestimmthat. Die waren sehr sorgfältig ausgesucht und recherchiert; ich nehm mir immer vielZeit, die Leute vorher zu treffen, mit ihnen Tee zu trinken, zu plaudern und genau zuerzählen, was wir vorhaben, Vertrauen aufzubauen, ich lasse sie das Team treffen und

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so weiter. Und wenn man dann dreht, dann kann man es laufen lassen. Das hatwirklich super funktioniert.Genauso war es mit der Szene am Friedhof am Schluss; die war auch so einGeschenk. Der Imam war eigentlich hauptsächlich deswegen da, weil man sonst nichtin den Friedhof hineinkommt, weil er eben den Schlüssel haben sollte. Den hat erdann ja nicht gehabt, und wir mussten durch den Zaun krabbeln und so weiter. Dassind einfach Sachen, die kann man überhaupt gar nicht planen; die sind unglaublich.Und die Diskussion zwischen den beiden - das war Wahnsinn.

... Begegnungen während der Dreharbeiten:Eins von diesen Klischees über die arabische Welt ist die Gastfreundschaft. Das istauch etwas, worüber Asad immer wieder schreibt, das auch zu dem gehört hat, wasihn in diese Welt hineingezogen hat: Dass man da mit offenen Armen empfangen wirdund gleich einer von der Familie ist. Und das stimmt ‚leider’.In einer Zeitung haben sie, was mich sehr gefreut hat, geschrieben, dass der Filmaufwändig produziert ist, als wäre das eine National Geographic-Produktion oder so.Als ich das gelesen habe, habe ich herzlich lachen müssen, weil wir den Film mit Mini-Budget und schwerster Selbstausbeutung gemacht haben. Das sieht man gottseidanknicht, aber wir haben den Film eigentlich um ein Taschengeld und hauptsächlich mitviel Liebe und Eifer gemacht. Etwas, was uns auf der Reise, die dieser Film war,immer entschädigt hat, waren die Orte, in die wir gekommen sind, und die Leute, diewir getroffen haben. Das war immer so ein Geschenk, dass es uns eigentlich nichtsgemacht hat, dass wir so wenig daran verdient haben. Das war wirklich einunglaubliches Erlebnis: die Freundlichkeit und Aufnahme, die wir gefunden haben,besonders von Muslimen der unterschiedlichsten Ausrichtungen.Und immer wieder wurde uns ein freundlicher Wunsch mit auf den Weg gegeben,nämlich dass wir, wenn wir Glück haben, auf dieser Reise selbst zu Muslimen werden.Das ist nicht eingetreten; wir haben dieses Glück nicht gehabt, aber das wurde uns oftgewünscht. Aber nicht mit einem missionarischen Eifer oder mit etwas Belehrendem,sondern immer nach der Art: „Wir wünschen Euch eine gute Reise, und wenn IhrGlück habt, dann findet Ihr selbst auch sozusagen den Weg nach Mekka.“ Das fand ichwirklich schön.

... die verzerrte Wahrnehmung der muslimischen Welt im Westen:Die sogenannte islamische Welt ist ja etwas, was für viele Menschen im Westen sofremd und abstrakt ist - das sind diese Leute mit den Bärten und die Frauen mit denSchleiern, die reden unverständliches Zeug und rennen durch die Straßen und rufen„Allah Hu Akbar.“ Das ist ja irgendwie dieses Zerrbild, das doch sehr, sehr viele Leuteim Kopf haben.Wir sind jetzt nicht gerade mit diesem Zerrbild losgefahren, aber uns hat sich durchdie Reise, die diese Dreharbeiten waren, wirklich eine Welt eröffnet.Und ich würde mir wünschen, das genau das auch dem Zuschauer widerfährt: Dass ersieht, wie weit gefächert diese Welt ist, und dass sich der Horizont ein bisschenerweitert.

... das Lernen der arabischen Sprache:Etwas war für mich interessant zu erleben: Ich habe mir die Mühe gemacht, für diesenFilm ein bisschen Arabisch zu lernen, weil ich mir gedacht habe, dass man auch selbstsozusagen einen aktiven Schritt zu dieser Kultur hin machen muss, um eben nicht nurTourist zu sein oder jemand, der Sehenswürdigkeiten abklappert. Und allein lesen undschreiben zu lernen, ist, als wenn man eine Tür aufmacht. Weil diese unverständlichenKringel und Schnörkel, von denen man keine Ahnung hat, wie das funktioniert undwas das alles heißen soll, plötzlich verständlich sind. Und dadurch die ganze Kulturplötzlich verständlich wird. Ich stand am Flughafen und habe mich wie ein Kindgefreut, als ich irgendwie lesen konnte: „strbks - strbks? - Ah: Starbucks!“ Vor allem

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war ein interessanter Effekt, wenn die Leute gesehen haben, dass ich mich sozusagenbemüht habe, auch ihnen einen Schritt näherzukommen - man erwartet ja immer nur,dass die anderen uns näherkommen, Stichwort Integration, Einbürgerung, also dassdie sich eben mehr den westlichen Idealen annähern. Man hat es wirklich gemerkt:Wenn die gesehen haben, dass ich zehneinhalb Wörter auf Arabisch sprechen, etwaslesen oder auch meinen Namen auf Arabisch schreiben konnte, hat das einenRiesenunterschied gemacht, selbst in Ländern, wo Muslime eigentlich kein Arabischsprechen, etwa in Pakistan, dort sprechen sie ja Urdu. Zum Beispiel bei denPostermalern gab’s welche, die haben kein Englisch gesprochen, sondern nur Urdu;mit denen konnte ich dann irgendwie dreieinhalb Sätze auf Arabisch sprechen, weil dieein bisschen Arabisch konnten. Und das hat für die ganze Sache einen enormenUnterschied gemacht. Das ist zwar eine Anekdote, die nicht direkt etwas mit dem Filmzu tun hat, aber das war für mich wirklich ein Erlebnis.Das Problem ist nur, dass ich sehr faul bin, und als es dann mit der Grammatikstrenger wurde und Vokabelnpauken anstand, hat’s dann nicht mehr gereicht. Ichmüsste wohl nochmal anfangen.

... geplante Kinostarts:Der Film wird demnächst in Teheran gezeigt, und das ist eigentlich nach Saudi-Arabien der unwahrscheinlichste Ort, von dem ich mir vorstellen konnte, dass der Filmdort gezeigt werden könnte. Der läuft dort bei dem Cinéma Verité-Festival in Teheranim Oktober.Der Film wird auch in Saudi-Arabien gezeigt, das haben mir relativ hoheRegierungsmitglieder zugesagt. Auch wenn es Sachen in dem Film gibt, mit denen sienatürlich nicht übereinstimmen, möchten sie den Film trotzdem in Saudi-Arabienzeigen. Das hat mich sehr überrascht und beeindruckt, und man muss sagen:Respekt. Das Problem ist allerdings, dass es in Saudi-Arabien keine Kinos gibt; damuss man irgendwie einen Ort finden, wo man ihn zeigen kann.Viele Muslime haben den Film schon bei Vorführungen im sogenannten Westengesehen, es waren zum Beispiel viele Pakistaner und Saudis bei der Vorführung inToronto, und die waren durch die Bank begeistert von dem Film. Es gibt sicherKonservativere, die Probleme mit der einen oder anderen Aussage im Film haben.Eigentlich finde ich fast interessanter, dass der Film einen Kinostart in den USA habenwird. Und ich glaube, dass es eigentlich eher interessant sein wird, wie die Reaktionenauf diesen Film in einem Land wie den USA sind. In gewisser Weise sind die USAmittlerweile ja so fundamentalistisch, wie es vielen Ländern der arabischen Weltvorgeworfen wird.

... Reaktionen bei Vorführungen:Negative Reaktionen auf den Film habe ich bislang keine erlebt, was mich sehrverwirrt. Meine bisherigen Filme waren von der Form her eher unüblich, und da gab’simmer wieder Leute, die davon irritiert waren, vor allem formell oder von der Art, wieder Film erzählt ist, weil sie sich oft normale Dokumentarfilme erwartet haben, mitanderem Informationsgehalt.Bei diesem Film hat es mich wirklich verwirrt, dass ich bislang nur positiveRückmeldungen gehabt habe. Ich habe gesehen, dass bei Vorführungen in Sarajevoeinige Herren mit Bart im Publikum waren, die nach der Vorführung sehr schnellgegangen sind und auch nicht zur Diskussion blieben; die hatten offensichtlich einigeder Aussagen im Film nicht so goutiert. Das sind natürlich gerade Sachen, die von denbeiden Journalisten in dem Zug in Saudi-Arabien gesagt werden, oder auch besondersvon Scheich Ahmed Zaki Yamani - das sind explosive Sachen, das steckt Zündstoffdrin; das ist wirklich revolutionär.Dabei ist es sicher hilfreich, dass die kontroversesten Aussagen in dem Film nicht vonmir getätigt werden, sondern eben von Saudis und auch von Asad selbst, gerade am

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Schluss. Das macht es vielleicht den konservativeren Kräften schwer, den Film zukritisieren.

... Publikums-Reaktionen in Toronto:Ich hatte sehr schöne Erlebnisse mit Reaktionen von den Zuschauern. Zum Beispiellief der Film in Toronto zusammen mit einem Kurzfilm über eine zum Islamkonvertierte Engländerin, die von der strengeren Partie ist - die nur noch Handschuheträgt und auch Männern nicht mehr die Hand schüttelt, das wird in dem Film erzählt.Nach dem Film kam eine Zuschauerin zu mir, die auch ein Kopftuch trug, und hatgesagt: „Wissen Sie, Ihr Film hat mir wirklich gut gefallen, und als Muslimin möchteich ihnen jetzt herzlich die Hand schütteln.“ Und sie nahm meine Hand und hat sie mirgeschüttelt. Bei so etwas denkt man sich: „Herrlich, das ist wunderbar; dafür zahlt essich aus, Filme zu machen.“Eine andere Geschichte passierte bei der zweiten Vorführung in Toronto. Die warnachts um elf Uhr aus, und nach der Publikumsdiskussion standen im Foyer ein paarältere jüdische Damen und haben mit mir gesprochen. Außerdem stand da auch eineGruppe von emigrierten Palästinensern, die ebenfalls mit mir gesprochen haben unddie dann angefangen haben, auch miteinander zu diskutieren, besonders über dieMauer und Palästina. Um zwölf wurden wir aus dem Foyer gebeten, da das Kinozugeschlossen wurde. Und dann hat diese Gruppe bis ein Uhr in der Früh in der Kälteauf der Straße in Toronto gestanden und sehr zivilisiert, auf wirklich gute Weise überdas Palästina-Thema diskutiert, zweieinhalb Stunden nach dem Film.

... Publikums-Reaktionen in Sarajewo:Auch in Sarajewo gab es etwas Wunderbares: Die Vorstellung war komplettausgebucht; die Leute sind Schlange gestanden, sind am Boden gesessen, auf denStiegen, in jedem Eck. Draußen war eine Frau mit Kopftuch, die keinen Platz mehrgekriegt hat. Sie hat ganz traurig geschaut und gesagt, dass sie jetzt nicht nachHause gehen will, weil sie extra wegen des Films gekommen ist. Ich habe ihr gesagt,sie kann sich auf meinen Sessel setzen, weil ich den Film schon kenne und ihn mirnicht nochmal ansehe. Sie hat sich herzlich bedankt und gesagt: „Wissen Sie, das istnämlich das erste Mal in meinem Leben, dass ich in ein Kino gehe.“ Das heißt, dieseFrau, die ungefähr vierzig war, war noch nie in einem Kino und ist also nur wegendieses Asad-Films zum ersten Mal in ihrem Leben ins Kino gegangen. Das ist dochherrlich, oder?Bei jeder Vorführung dieses Films passieren solche schönen, kleinen Geschichten. InSarajewo haben mir auch zwei, drei Personen erzählt, dass sie während derBelagerung von Sarajewo, während der Angriffe im Kerzenlicht „Der Weg nach Mekka“von Asad gelesen haben.Man hätte schon wieder einen ganz neuen Film nur über die Vorführungen des Filmsund die Geschichten, die dabei passieren, machen können.Wenn der Film in Saudi-Arabien gezeigt wird, möchte ich auch gerne in die Wüstefahren und den Beduinen in der Wüste eine Leinwand aufbauen und den Film zeigen.

„In den Arabern begann sich mir etwas zu offenbaren, wonach ich immer unbewußt gesucht hatte: eine gefühlsmäßigeUnmittelbarkeit in allem Erleben, eine instinktive Offenheit für alle Fragen des Daseins - eine Vernunft des Herzens,möchte man beinah sagen.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

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„Europa hat sich schon seit langem daran gewöhnt, alles Geschehen in der islamischen Welt nur vom Standpunktabendländischer >Interessensphären< aus zu beurteilen; Blindheit gegenüber nicht-europäischen Kulturbelangen isteben seit jeher für die europäische Haltung kennzeichnend gewesen. Während die öffentliche Meinung des ganzenAbendlandes (mit Ausnahme Englands) den Freiheitskampf der Irländer oder (mit Ausnahme Rußlands undDeutschlands) denen der Polen immer reichliche Sympathie entgegenbrachte, erstreckt sich diese Sympathie kaum jeauf die durchaus wesensverwandten Bestrebungen der Muslims. Als Entschuldigung dient hierbei die politischeUneinigkeit und wirtschaftliche Rückständigkeit des Morgenlandes; und jede, auch noch so gewalttätigeabendländische Intervention wird von ihren Urhebern scheinheilig damit begründet, daß man ja nicht nur um eineWahrung >legitimer< europäischer Interessen, sondern auch um eine Sicherung des Fortschritts unter denEinheimischen selbst bestrebt sei. (...) Vergessend, daß jedes unmittelbare und noch so >wohlwollend< verbrämteEingreifen ins Leben eines anderen Volkes unweigerlich die innere Entwicklung dieses Volkes hemmen muß undmitunter auch vernichtet, sind abendländische Beobachter fast immer bereit, die salbungsvollen Erklärungen derKolonialpolitiker widerspruchslos zu schlucken.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

Festivals & Auszeichnungen

Diagonale, Festival des Österreichischen FilmsApril 2008, Graz/ÖsterreichPreis für Beste Bildgestaltung Dokumentarfilm 2007/08

Sarajevo Film FestivalAugust 2008

Toronto Film FestivalSeptember 2008

Vancouver International Film FestivalSeptember/Oktober 2008

Iran Int. Documentary Film FestivalOktober 2008

São Paulo International Film FestivalOktober 2008

Kasseler DokFestNovember 2008

Duisburger FilmwocheNovember 2008

Belgrad Int. Film Festival-FESTMärz/April 2009

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„In der Härte und Kargheit beraubt die Wüste unsere Sehnsucht, das Leben zu begreifen, aller Vorwände und wischtall die Trugbilder hinweg, mit denen eine reichere Landschaft zuweilen unser Denken verführt und uns veranlaßt,unsere eigenen Vorstellungen in die Welt um uns hineinzustellen. Die Wüste ist nackt und leer und rein, und weißnichts von Kompromissen. Sie fegt aus dem Herzen des Menschen all die lieblichen Phantasien, die seinenWunschträumen als Masken dienen könnten, und macht ihn dergestalt frei, sich einem bildlosen Absoluten hinzugeben,in welchem das Allerfernste mit dem Allernächsten widerspruchslos vereint ist.“Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka (New York, Berlin/Frankfurt am Main 1955)

Pressestimmen

DER FALTER„Die wohl verblüffendste Perspektive auf den Themenkomplex Migration undmultikulturelle Identitäten eröffnet DER WEG NACH MEKKA.Ein zutiefst lebhafter, unterhaltsamer und aktueller Film.“

DER STANDARD„Es ist Georg Mischs besondere Leistung, auf jene von Muhammad Asad neugierig zumachen.“

THE CANADIAN JEWISH NEWS„A Road To Mecca: The Journey of Muhammad Asad von Georg Misch ist absolutfaszinierend. Es ist die Geschichte von Leopold Weiss (1900-1992), einem Nachfahrevon Rabbis und zum Islam konvertierten Europäischen Juden, der Bestseller-Memoiren (The Road to Mecca) und gelehrte Texte über den Islam geschrieben hatund der als Pakistans erster Botschafter bei den Vereinten Nationen fungierte.“

NYON NOTES„Indem dieser Film uns auf eine großartige Klang- und Kino-Reise mitnimmt, zeichneter Asads Leben in den Ländern, in denen er gelebt hat, nach.“