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Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Sachstand zum „Galileo“-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 21809 A Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21809 B Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21810 A Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21810 A Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21811 C Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21811 D Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21812 A Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21812 A Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21812 B Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21812 B Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 14/8318, 14/8353) . . . . . . . 21813 A Änderung bei der Arbeitslosenstatistik DringlAnfr 1 Eckart von Klaeden CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 21813 B ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 21813 C ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 21814 B ZusFr Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . 21814 C ZusFr Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU 21815 B ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 21815 C ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 21816 A ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . 21816 C ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21816 D ZusFr Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . 21817 C ZusFr Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . 21818 B ZusFr Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . 21819 A ZusFr Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . 21819 D ZusFr Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . 21820 A ZusFr Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . . 21820 B Änderung bei der Arbeitslosenstatistik DringlAnfr 2 Eckart von Klaeden CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 21820 D ZusFr Eckart von Klaeden . . . . . . . . . . . . . . . 21821 A ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 21821 D ZusFr Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . 21822 C ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21823 A ZusFr Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . 21823 C ZusFr Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . 21824 A Stärke des Kommandos Spezialkräfte im Aus- landseinsatz DringlAnfr 5 Wolfgang Gehrcke PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21824 D ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 21824 D ZusFr Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . 21825 C Plenarprotokoll 14/220 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 220. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002 Inhalt:

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Tagesordnungspunkt 1:Befragung der Bundesregierung: Sachstandzum „Galileo“-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 21809 A

Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21809 B

Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21810 A

Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21810 A

Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21811 C

Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21811 D

Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21812 A

Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21812 A

Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21812 B

Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21812 B

Tagesordnungspunkt 2:

Fragestunde(Drucksachen 14/8318, 14/8353) . . . . . . . 21813 A

Änderung bei der Arbeitslosenstatistik

DringlAnfr 1Eckart von Klaeden CDU/CSU

Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 21813 B

ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 21813 C

ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 21814 B

ZusFr Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . 21814 C

ZusFr Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU 21815 B

ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 21815 C

ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 21816 A

ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . 21816 C

ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21816 D

ZusFr Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . 21817 C

ZusFr Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . 21818 B

ZusFr Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . 21819 A

ZusFr Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . 21819 D

ZusFr Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . 21820 A

ZusFr Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . . 21820 B

Änderung bei der Arbeitslosenstatistik

DringlAnfr 2Eckart von Klaeden CDU/CSU

Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 21820 D

ZusFr Eckart von Klaeden . . . . . . . . . . . . . . . 21821 A

ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 21821 D

ZusFr Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . 21822 C

ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21823 A

ZusFr Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . 21823 C

ZusFr Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . 21824 A

Stärke des Kommandos Spezialkräfte im Aus-landseinsatz

DringlAnfr 5Wolfgang Gehrcke PDS

Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21824 D

ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 21824 D

ZusFr Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . 21825 C

Plenarprotokoll 14/220

Deutscher BundestagStenographischer Bericht

220. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002

I n h a l t :

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Stärke des Kommandos Spezialkräfte im Aus-landseinsatz

DringlAnfr 6Wolfgang Gehrcke PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21826 AZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 21826 AZusFr Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . 21826 CZusFr Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . 21826 D

Beteiligung deutscher Spezialeinheiten an Ver-haftungen und Gefangennahmen im Rahmender Operation „Enduring Freedom“

DringlAnfr 7Carsten Hübner PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21827 AZusFr Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . 21827 B

Informationen über das Vorgehen der Bundes-wehrsoldaten gegenüber amerikanischen Sol-daten in Kandahar

DringlAnfr 8Carsten Hübner PDSAntw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21828 AZusFr Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . 21828 AZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 21828 B

Änderungen der Strafandrohung für die Störungdes öffentlichen Friedens analog dem deutschen§ 126 Strafgesetzbuch (Trittbrettfahrer) in denMitgliedstaaten der EU

MdlAnfr 1Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 21828 DZusFr Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . 21828 D

Änderungen im deutschen Strafrecht als Folgeder Erklärung der Staats- und Regierungschefsder EU vom 19. Oktober 2001

MdlAnfr 2Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 21829 AZusFr Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . 21829 C

Rückwirkende Heranziehung der Betreuungs-vereine zur Zahlung von Umsatzsteuer

MdlAnfr 3Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 21830 AZusFr Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . 21830 BZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21831 C

Mögliche Existenzgefährdung der Betreuungs-vereine durch rückwirkende Heranziehung zurZahlung von Umsatzsteuer

MdlAnfr 4Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU

Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 21831 D

ZusFr Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . 21832 A

ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21832 D

Aufenthalt von al-Qaida-Kämpfern im zu Ge-orgien gehörenden Pankisi-Tal

MdlAnfr 7Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU

Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21833 B

ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21833 B

Beteiligung Georgiens an einer Militäraktiongegen die al-Qaida-Kämpfer und andere Ter-rorgruppen

MdlAnfr 8Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU

Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21833 C

ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21833 C

Schikanen und Benachteiligungen der deut-schen Minderheit in der Tschechischen Repu-blik

MdlAnfr 9Georg Janovsky CDU/CSU

Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21834 A

ZusFr Georg Janovsky CDU/CSU . . . . . . . . . 21834 B

Wahrung bzw. Verbesserung der Rechte derdeutschen Minderheit in der TschechischenRepublik

MdlAnfr 10Georg Janovsky CDU/CSU

Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21834 C

ZusFr Georg Janovsky CDU/CSU . . . . . . . . . 21834 D

Klärung der nach den Äußerungen des tsche-chischen Ministerpräsidenten Zeman entstan-denen Irritationen in den deutsch-tschechischenBeziehungen durch den Bundesaußenminister

MdlAnfr 11Hartmut Koschyk CDU/CSU

Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21835 A

ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 21835 B

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002II

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Bewertung der Auffassung des tschechischenAußenministers zu den Benesch-Dekretendurch die BundesregierungMdlAnfr 12Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21835 DZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 21836 A

Äußerung des Oberlandesgerichts Düsseldorfzur Rechtmäßigkeit des Vertrages mit derFirma efp zur Abwicklung der EU-Fördermit-tel EQUALMdlAnfr 13, 14Dirk Niebel FDPAntw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 21836 CZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 21836 D

Nachforderung von Sozialversicherungs-beiträgen auf nicht zugeflossene Arbeitsent-gelte (so genannter Phantomlohn)MdlAnfr 15, 16Dr. Heinrich L. Kolb FDPAntw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 21837 DZusFr Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . 21838 A

Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun-desregierung zum Vorschlag des Bun-desarbeitsministers, 1,2 Millionen Ar-beitslose aus der Arbeitslosenstatistikherauszustreichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21839 A

Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 21839 BGerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 21840 CDirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21842 ADr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21843 CDr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21844 BDoris Barnett SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21845 CDr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU . . 21846 CWolfgang Grotthaus SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 21848 APeter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . . 21849 ARenate Rennebach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 21850 CWolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . 21851 AFranz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21852 CDorothea Störr-Ritter CDU/CSU . . . . . . . . . . 21853 C

Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21854 D

Anlage 1Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 21855 A

Anlage 2

Auslandseinsatz des Kommandos Spezial-kräfte

DringlAnfr 3, 4Heidi Lippmann PDS

Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21855 C

Anlage 3

Bedeutung der Siliciumherstellung in Bayernfür den Wirtschaftsstandort Deutschland;Stromkosten von Siliciumproduzenten

MdlAnfr 5, 6Dr. Klaus Rose CDU/CSU

Antw PStSekr’in Margareta Wolf BMWi . . . . 21855 D

Anlage 4

Investitionsmittel zur Schaffung der infra-strukturellen Voraussetzungen im Bundes-wehrstandort Rotenburg/Fulda zur Aufnahmedes Divisionskommandos „LuftbeweglicheOperationen“ im Bundeshaushalt 2003 sowieZeitpunkt des Umzuges von Veitshöchheimnach Rotenburg/Fulda

MdlAnfr 17, 18Helmut Heiderich CDU/CSU

Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21856 C

Anlage 5

Zukunft des Truppenübungsplatzes Münsingen

MdlAnfr 19, 20Dr. Helmut Haussmann FDP

Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21856 D

Anlage 6

Schließung des Truppenübungsplatzes Mün-singen

MdlAnfr 21, 22Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) CDU/CSU

Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21857 A

Anlage 7

Schließung von Truppenübungsplätzen imRahmen des neuen Truppenübungsplatzkon-zeptes; Kürzung des Auslandsverwendungszu-schlags für die im Kosovo und in Mazedonieneingesetzten Soldaten der Bundeswehr

MdlAnfr 23, 24Werner Siemann CDU/CSU

Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21857 B

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002 III

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Anlage 8Baustopp in der Fernmeldeschule des HeeresFeldafing sowie Schließung des StandortesMurnau zugunsten des Standortes Dillingen

MdlAnfr 25, 26Ilse Aigner CDU/CSU

Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21857 D

Anlage 9Überprüfung der Kostenschätzungen für die Sanierung der Generaloberst-Beck-Kaserne inSonthofen und der Erhebung der Investitions-und Verlegungskosten in der Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover durch einen un-abhängigen Gutachter

MdlAnfr 27, 28Dr. Gerd Müller CDU/CSU

Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21858 A

Anlage 10

Vorlage wehrtechnischer Beschaffungsvorha-ben in den parlamentarischen Gremien; Ver-besserung der persönlichen Schutzausrüstungaller im Auslandseinsatz befindlichen Bundes-wehrangehörigen

MdlAnfr 29, 30Günther Friedrich Nolting FDP

Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21858 C

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002IV

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Guten Tag, liebe Kol-leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Sachstand zum „Galileo“-Projekt.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-wesen, Herr Bodewig. Bitte sehr.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-ginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat heutebeim Projekt „Galileo“ einen Durchbruch erzielt. Ichmöchte kurz auf die Historie eingehen.

Ziel der Bundesregierung war von Anfang an, das Pro-jekt als PPP-Modell, also als privat-öffentliche Partner-schaft – unter wesentlicher Beteiligung privater Finanz-mittel –, zu realisieren. An diesem Ziel halten wir fest.Gleichwohl war ein neuer Kabinettsbeschluss notwendig,weil eine Studie von Price Waterhouse Coopers eine stärkere öffentliche Beteiligung an den Investitionen und – bis 2015 zeitlich begrenzt – auch an der Betriebsphasefür erforderlich hält. Der Verkehrsministerrat im Dezem-ber konnte der Fortsetzung des Projektes noch nicht zu-stimmen, weil diese Studie erst wenige Tage vor der Ver-kehrsministerratssitzung eingebracht wurde.

Die Finanzierung möglicher Mehrkosten musste ge-klärt werden. Nach den Schätzungen könnten aufDeutschland für den Zeitraum bis 2015 circa 600 Mil-lionen Euro zukommen. Ich sage ausdrücklich „könnten“;denn die EU-Kommission hat zugesagt, Mehrkostendurch echte Umschichtungen im EU-Haushalt ohne zu-sätzliche Belastung der nationalen Haushalte zu finan-zieren. Für den Fall, dass dennoch Mehrbelastungen fürdie nationalen Haushalte entstehen, war im Vorhinein eineLösung zu suchen.

„Galileo“ stiftet außer im Verkehrsbereich auch für diegesamte Luft- und Raumfahrt, für viele Bereiche desWirtschaftslebens, wie etwa die Finanzdienstleistungenoder die Geodäsie, die Umweltbeobachtung und dieLandwirtschaft erheblichen Nutzen. Nicht zuletzt ist esnatürlich ein außen-, europa- und industriepolitisch be-deutendes Projekt.

Price Waterhouse Coopers hat im Übrigen einen Nut-zen-Kosten-Quotienten von 4,6 ermittelt. Das ist mehr alsbei vielen anderen europäischen Projekten. Das Kabinetthat sich deshalb darauf geeinigt, eventuell anfallendeMehrkosten auf mehrere Schultern zu verteilen. Ich geheaber davon aus, dass die EU-Kommission die eigene Ver-pflichtung, nämlich im Falle von Mehrkosten Umschich-tungen im EU-Haushalt vorzunehmen, realisieren wird.

Damit die Kosten beherrschbar bleiben, wird das gemeinsame Unternehmen, das in den nächsten vier Jah-ren die Entwicklungsphase umsetzt, die Errichtung undden Betrieb von „Galileo“ im Wettbewerb ausschreiben.Der Kabinettsbeschluss fordert ausdrücklich die Konzes-sion, den Vertrag mit einer Deckelung, einer Obergrenze,abzuschließen. Ausschreibungsergebnisse werden für En-de 2003 erwartet. Auf dieser Basis wird dann endgültigüber „Galileo“ zu entscheiden sein.

Der Kabinettsbeschluss ermöglicht eine Zustimmungzum Projekt im Verkehrsministerrat Ende März. Damitwäre die Bedingung erfüllt, dass Deutschland am ESA-Programm einen entsprechenden Anteil zeichnen kann,um die deutsche Industrie in eine Führungsrolle für diesesProjekt zu bringen. Die Bundesregierung erwartet dannallerdings umgekehrt ein massives Engagement der deut-schen Industrie. Die Privatwirtschaft ist aufgefordert, sicham Standort Deutschland mit dem Ziel der Schaffung vonzusätzlichen Arbeitsplätzen in besonderem Maße zu en-gagieren.

Die jetzt benötigten Mittel für die Zeichnung des ESA-Anteils an der Entwicklungsphase sind im Bundeshaus-halt 2002 mit 155 Millionen Euro veranschlagt. Die Ent-sperrung dieser Mittel wird nach der Entscheidung desVerkehrsministerrates vorbereitet.

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220. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002

Beginn: 13.00 Uhr

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Vizepräsidentin Anke Fuchs: Vielen Dank, HerrBundesminister.

Wird dazu das Wort gewünscht? – Bitte sehr, Frau Kol-legin.

Ilse Aigner (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Herr Mi-nister, Sie haben in Bezug auf „Galileo“ ein ganz neuesProjekt angesprochen: Es besteht eine Vermischung zwi-schen der EU und der ESA. Hier gibt es, gerade was dieIndustriepolitik betrifft, unterschiedliche Finanzierungs-kriterien. Bei der EU steht ganz klar der Wettbewerb imVordergrund, dem ein Rückflussprinzip entgegensteht. ImGegenzug gibt es bei der ESA pro Projekt ganz klareRückflusskriterien. Wie werden Sie dies aus industrie-politischer Sicht miteinander vereinbaren?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Sie wissen ja, dass beide Räte, derESA-Ministerrat und der Verkehrsministerrat, in dichterzeitlicher Abfolge getagt haben. Die Grundentscheidungwar, dass es im Rahmen des ESA-Programms Zeichnun-gen gibt und dass auf der Verkehrsseite über die TEN-Mit-tel ein ähnlich hoher Beitrag, der ja schon im EU-Haus-halt eingestellt worden ist, eingesetzt wird.

Ich gehe davon aus, dass dieses Projekt den Kriteriender ESA, also den technologischen Kriterien, entspricht,dass gleichzeitig aber auch ein großes wirtschaftliches Interesse vorhanden ist; denn mit diesem Satellitensystemist wirtschaftlicher Nutzen zu erzielen. Das heißt, hierkönnen Zusatzdienstleistungen durch Gebühren, die er-hoben werden, refinanziert werden. Gleichzeitig sage ichaber: Das Basissignal für „Galileo“ bleibt frei.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Bitte sehr.

Ilse Aigner (CDU/CSU): Herr Minister, ich mussnachhaken, weil Ihre Ausführungen meine Frage nichtganz beantwortet haben.

Die Hälfte der Mittel stammt aus der ESA. Hier istganz klar festgelegt: Wenn die deutsche Beteiligung25 Prozent beträgt, dann werden bis zu 98 Prozent an Auf-trägen wieder an die Industrie zurückgespielt. Das ist ganzklar geregelt. Dies widerspricht aber eigentlich den EU-Kriterien, nach denen die Ausschreibung ganz klar nachWettbewerbsgesichtspunkten erfolgt, – dass also der bil-ligste Anbieter den Zuschlag bekommt. Wie wollen Siedies miteinander verbinden?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Wenn ESA-Mittel eingesetzt werden,dann gelten für diese Mittel natürlich auch die Regeln derESA. Das heißt, hier werden Mittel aus der Techno-logieförderung eingesetzt. Sie wissen ja, dass jedes Landeinen Anteil zeichnet. Wir tun dies entsprechend demdeutschen Sozialprodukt. Dies sind rund 165 Milli-onen Euro. 10 Millionen Euro sind ja schon eingesetzt.Das bedeutet, dass wir dann über eine Haushaltsentschei-dung 155 Millionen Euro zeichnen würden. Daran können

Sie erkennen, dass dieser Betrag auch wieder zurück-fließt; denn das Ziel ist, dass die hoch entwickelte Luft-und Raumfahrt in Deutschland an diesem Projekt beteiligtwird.

Bei diesem gemeinschaftlichen Unternehmen geht esja darum, den vor allem für die Betriebsphase notwen-digen Aufwand in hohem Maße privatwirtschaftlich er-folgen zu lassen. Bisher gingen wir davon aus, dass dieEntwicklungs- und Validierungsphase öffentlich ist unddass die Finanzierung der Betriebsphase ausschließlichprivat erfolgt. Jetzt aber zeigt uns dieses Gutachten auf,dass es hier zu einer Mischung kommt. Das heißt, dassmehr öffentliches Kapital in der Errichtungsphase einbe-zogen werden muss, dass aber auch in der Betriebsphaseöffentliches Kapital notwendig ist. Dieses gemeinschaft-liche Unternehmen, das in der EU das erste Unternehmendieser Art nach Art. 171 EG-Vertrag ist, wird ja durch-geführt, um genau diese Fragen zu klären. Deswegen fin-det die Ausschreibung statt. Aber für alle Entwicklungen,für die ESA-Mittel eingesetzt werden, gelten auch dieESA-Kriterien.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Kollegin Aigner,Sie dürfen weiter fragen. Bitte sehr.

Ilse Aigner (CDU/CSU): Sie haben schon angespro-chen, dass es drei Phasen gibt, vor allem die Betriebs-phase, in der auch die Refinanzierung insbesondere derprivatwirtschaftlichen Mittel erfolgen soll. Hier bestehteine Unterteilung in drei Bereiche: Der erste Bereich be-steht aus den frei zugänglichen Diensten, die jeder, derschon jetzt GPS nutzt, dann kostenlos nutzen kann, derzweite Bereich ist im Wesentlichen der für den Bahn- undFlugverkehr, und der dritte Bereich besteht aus solchenDiensten, die der Staat in Anspruch nehmen kann. Kannich daraus schließen, dass zukünftig für diese Dienste andie später zu gründende Betreiberfirma bezahlt wird?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Dies wäre ein Vorgriff auf ein Projekt,das zurzeit in der Entwicklung ist. Darüber hinaus gibt esnoch eine ganze Reihe von anderen Diensten – von demErkennen der Bestellung von Feldern in der Landwirt-schaft bis hin zu deren betriebswirtschaftlicher Nutzungdurch große landwirtschaftliche Betriebe. All dies ist ja inder Entwicklung. Deswegen, glaube ich, macht es Sinn,heute an die deutsche Wirtschaft zu appellieren und zu sa-gen: Wir haben kein großes Interesse daran, dass sichDeutschland als Staat materiell einbringt, sondern daran,dass sich die deutsche Wirtschaft frühzeitig beteiligt, um Zusatznutzen zu erhalten und zusätzliche Dienstleis-tungen zur Verfügung zu haben.

Lassen Sie mich aber auch auf das von Ihnen ange-sprochene GPS-System zu sprechen kommen. Es ist nochkostenlos. Natürlich ist die Kostenlosigkeit dieses Sys-tems vor dem Hintergrund einer europäischen Alternativezu sehen. Sie wissen, dass die Nutzung zurzeit kostenfreiist, dass es aber keine Garantie gibt für diejenigen, die dieses System in Anspruch nehmen, dass die Nutzung je-derzeit und längerfristig möglich ist. Das sollten wir in-

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dustriepolitisch vor dem Hintergrund, dass Leistungenüber GPS laufen, zumindest zur Kenntnis nehmen.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Möchten Sie nocheine Frage stellen? – Bitte sehr.

Für diejenigen, die später gekommen sind: Es geht umdas „Galileo“-Projekt.

Ilse Aigner (CDU/CSU): Damit kein falscher Zun-genschlag in die Sache kommt: Ich bin zu 100 Prozent da-von überzeugt, dass „Galileo“ sinnvoll ist und zwingendumzusetzen ist. Ich weiß, dass GPS auf Dauer nicht unein-geschränkt und nicht in der Qualität wie der von „Galileo“zur Verfügung stehen wird. Ich bitte Sie deshalb, meineFragen nicht falsch zu interpretieren.

Es wird nun ein Joint Undertaking gegründet. Wie ste-hen die Chancen, dieses Projekt nach Deutschland zu ho-len? Es sind wohl Standorte in Brüssel oder in Italien imGespräch. Welche Aktivitäten planen Sie, damit das Pro-jekt nach Deutschland kommen kann?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Dieses gemeinsame Unternehmen wirderst durch Rechtsverordnung gebilligt, wenn wir es imMinisterrat beschließen. Wir sind bei den Vorbereitungenschon sehr weit. Es gibt aber noch keine Entscheidungüber Vorsitz und Sitz. Das Projekt wird in einem europä-ischen Prozess entwickelt. Von unserer Seite gibt es Vor-stellungen. Ich glaube aber, es macht Sinn, den Prozess imVerkehrsministerrat so zu organisieren, dass nicht nurWünsche geäußert werden, sondern dass man sich auchdarauf verständigt, wie sie realisiert werden können. In-sofern ist es jetzt noch zu früh, darüber zu sprechen.

Ilse Aigner (CDU/CSU): Wollen Sie als Bundesregie-rung das Projekt in Deutschland haben?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Ich möchte als Erstes, dass wir das Pro-jekt „Galileo“ im Verkehrsministerrat voranbringen unddie zwingenden Voraussetzungen für die Realisierung re-geln. Diese Entscheidung sollte nicht mit anderen The-men, die zu gegebener Zeit zu klären sind, befrachtet wer-den.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Sie haben noch eineFrage? – Bitte sehr.

Ilse Aigner (CDU/CSU): Das angesprochene JointUndertaking ist die eine Sache, die die Kundenseite be-trifft. Der zweite Punkt ist: Wenn das Projekt im weiterenVerlauf in die Betreiberphase übergeht, in der ein wirt-schaftlicher Nutzen entsteht, soll eine Betreiberfirma ge-gründet werden. Es sind mehrere Firmen angesprochen;meines Wissens sind Alcatel, Alenia und Astrium mit da-bei. Es handelt sich um mehrere Firmen, die an verschie-denen Enden ziehen. Jeder will die Betreiberfirma in seinLand holen. Es gibt auch Bestrebungen, die Betreiber-

firma nach Deutschland zu holen. Wie planen Sie diesesVorhaben zu forcieren oder zu unterstützen und was ha-ben Sie gegebenenfalls schon eingeleitet?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Sie wissen, dass es sich um ein europä-isches Projekt handelt. Ich müsste jetzt die gleiche Ant-wort geben wie auf Ihre vorhergehende Frage: Wir müs-sen dies in Gesprächen klären. Ich werde nicht vor einerVerkehrsministerratssitzung die Grundentscheidung, fürdie wir heute im Kabinett wichtige Voraussetzungen ge-schaffen haben, mit anderen Fragen befrachten. Natürlichgibt es über dieses Thema Gespräche und ich bin mir si-cher, dass wir über hervorragende Industrieunternehmensowie ein Know-how, das in eine solche Betreiberfirmahineingehört, verfügen. Darin stimmen wir direkt überein.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Gibt es zu diesemThema weitere Fragen? – Herr Kollege Koppelin, bittesehr.

Jürgen Koppelin (FDP): Herr Minister, darf ich Siein diesem Zusammenhang fragen, ob bei der Kabinettsbe-ratung die am Wochenende bekannt gegebene Finanzie-rung des Transrapid in Bezug auf die Länder Bayern undNordrhein-Westfalen eine Rolle gespielt hat und ob Sie imKabinett für die Art der Finanzierung gelobt worden sind?Es handelt sich ja um das Modell Scharping: Bestellen,ohne Geld zu haben. Dieses Modell kann durchaus nochvon anderen Ministern übernommen werden.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Herr Kollege Koppelin, über die posi-tiven Reaktionen im Kabinett rede ich nur im Kabinettund nicht außerhalb. Ich will Ihnen aber etwas anderes sa-gen: Sie selber wissen aufgrund der Anmerkungen zu dementsprechenden Titel des Haushalts, dass wir alle diesesProjekt wollen. Das war immer der Sinn, den der Haus-haltsgesetzgeber verfolgt hat. Dies ist aus den Erläute-rungen zu erfahren. Deswegen geht es heute nicht um eineBewertung, sondern darum, festzustellen, dass auch die-ses von Ihnen angesprochene Projekt ein sehr wichtigestechnologisches Projekt ist. Ich glaube, darin stimmen wirüberein.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr KollegeKoppelin, Sie haben eine weitere Frage.

Jürgen Koppelin (FDP): Herr Minister, da Sie geradegesagt haben, dass wir alle das Projekt wollen – für dieFDP kann ich das unterstützen –, darf ich Sie fragen, obdas auch auf den grünen Koalitionspartner zutrifft. Wiekann ich mir sonst erklären, dass der Ministerpräsidentvon Nordrhein-Westfalen, Herr Clement, zu HerrnMöllemann von der Oppositionspartei FDP geht und drin-gend um Unterstützung bittet, weil er sich der Zusiche-rung der Grünen nicht sicher sei?

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Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Ich glaube nicht, dass die Regierungs-befragung Auftakt von Wahlveranstaltungen sein soll mitMutmaßungen, die vielleicht wahltaktischen Hintergrundhaben. Ich glaube, wir sollten über das reden, was ist.

Ich kann Ihnen sagen, dass in Nordrhein-Westfalen aufder Basis dieser Finanzentscheidung zurzeit an Finanzie-rungskonzepten gearbeitet wird. Es gab ja einen klarenZeitplan, nämlich zunächst die Feststellung des Plafondsund dann eine Entscheidung darüber, wie die Mittel aufbeide Länder so aufgeteilt werden, dass beide Projekte zurealisieren sind. Das war die Grundvoraussetzung und dasist erfolgt. Jetzt können die beteiligten Bundesländer wei-ter planen. Ich glaube, das ist die richtige Reihenfolge.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Das fordert nun dieKollegin Katrin Göring-Eckardt zu einer Frage heraus.

Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Minister, können Sie bestätigen, dass wederIhnen noch mir Uneinigkeiten in Bezug auf dieses Projektbekannt sind, weder in NRW noch im Bund?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Ich kann das bestätigen.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Kollegin Aignerhat noch eine Frage. – Bitte sehr.

Ilse Aigner (CDU/CSU): Das Projekt „Galileo“ istzwar Ihrem Ressort zugeordnet, aber es ist letztendlichnatürlich auch ein forschungspolitisches Projekt und wirdsehr stark von dieser Seite unterstützt. Die Raumfahrtspielt hier natürlich eine ganz wesentliche Rolle. In die-sem Bereich stellt sich immer wieder die Frage, ob es Nut-zungen über alle Ressorts gibt; das hat jetzt offensichtlichFrüchte getragen. Aber es geht natürlich auch in den Be-reich Dual use, es stellt sich also die Frage der militäri-schen Nutzung. Wie stellen Sie sich dazu, dass man „Ga-lileo“ durchaus auch militärisch nutzen und es vielleichtauf andere Projekte übertragen könnte?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Im Rat gibt es einen großen Konsensdarüber, dass es sich hierbei um ein ziviles Projekt mit ei-ner zivilen Nutzung handelt. Das ist die Grundvorausset-zung.

Ich kann aber bestätigen – das betrifft den ersten TeilIhrer Frage –, dass dieses Projekt über den Verkehrsbe-reich hinaus für viele Bereiche von Bedeutung ist, bis hinzur Zeitsynchronisierung oder Finanzdienstleistung. Siealle wissen, was passieren würde, wenn GPS nicht zurVerfügung stünde, welch hohe Risiken etwa für die Volks-wirtschaft entstünden. Deswegen wird das Projekt auch inder Risikoabsicherung von der Bundesregierung in Gänze– unter Beteiligung vieler Ressorts – getragen. Ich kannIhnen auch auflisten, wer sich wie beteiligt.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Noch eine Frage derKollegin Aigner. – Bitte sehr.

Ilse Aigner (CDU/CSU): Weil GPS ursprünglich einrein militärisches Vorhaben war und die Nutzung nur frei-gegeben wurde, ist bei diesem Projekt schon noch einmaldie Frage zu stellen: Was spricht eigentlich dagegen, auch„Galileo“ für die militärische Nutzung zur Verfügung zustellen?

Kurt Bodewig (SPD): Ich glaube, wir wissen aus derNutzung anderer Systeme, dass solche Systeme in be-stimmten Krisensituationen eben nicht für die Zwecke,für die sie konzipiert wurden, zur Verfügung stehen. Inso-fern sage ich noch einmal ausdrücklich: Es ist ein zivilesProjekt unter ziviler Kontrolle. Das ist die Intention die-ses Projektes. Wir wollen eine große Anzahl an wichtigensatellitengestützten Dienstleistungen hierüber laufen las-sen. Es darf nicht sein, dass das System in Krisensituatio-nen aufgrund militärischer Nutzung nicht mehr zur Ver-fügung steht. Das ist auch der Hintergrund für den großenKonsens, der sich im Verkehrsministerrat in dieser Frageabzeichnet.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Noch eine Frage? –Bitte sehr, Frau Kollegin Aigner. Wir sind nicht in der Fra-gestunde; insofern können Sie so viele Fragen stellen, wieSie wollen.

Ilse Aigner (CDU/CSU): Frau Präsidentin, das istmeine letzte Frage.

Ich kann das insofern nicht ganz nachvollziehen, als esrein technisch natürlich möglich ist, dies auf einem Satel-liten zu trennen, indem sich dort unterschiedliche Trans-ponder befinden, von denen der eine militärisch und derandere zivil genutzt werden kann. Das ist auch eine Fragevon Transportkapazitäten; denn jedes Kilogramm, dasman hochschießt, kostet viel Geld. Insofern könnte mannatürlich ohne die Gefahr von NutzungseinschränkungenSynergieeffekte nutzen.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Ich will es noch einmal deutlich sagen:Es geht hier um die Frage der zukünftigen Struktur dieseswichtigen Systems. Wir wollen eine zivile Nutzung.Wenn wir jetzt militärische Strukturen einbetten, hat diesAuswirkungen auf die Dienstleistungen in anderen Berei-chen. Im Verkehrsministerrat ist deutlich geworden, dasses sich hierbei um ein jederzeit zugängliches ziviles Sys-tem handelt, das dann genutzt werden kann und das genaudiese Dienstleistungen – zum Beispiel die Zeitsynchroni-sation oder die Frage des Umweltmonitoring – ermög-licht. Gleichzeitig werden aber auch verkehrslenkendeMaßnahmen bzw. alles, was im Bereich Telematik satelli-tengestützt ist, möglich. Im Rahmen des Prinzips einer öf-fentlich-privaten Partnerschaft muss für diejenigen, die indas System einsteigen, jederzeit die Nutzung möglichsein.

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Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun ist das Themawohl erschöpfend behandelt worden. Die Anregung vonHerrn Koppelin lautete ja, dass sich die beiden noch ein-mal treffen, um sich weiter auszutauschen,

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wenn Sieals Anstandsdame teilnehmen!)

und dass, wenn entscheidungsreife Ergebnisse erzieltworden sind, diese dem Deutschen Bundestag mitgeteiltwerden. Ich bitte Sie allerdings, dies nur als Anregung zuverstehen.

Gibt es noch Fragen an die Regierung zu anderen The-men? – Das ist nicht der Fall.

Jetzt käme eigentlich die Fragestunde. Da aber nochnicht alle Beteiligten anwesend sind, unterbreche ich dieSitzung bis 13.30 Uhr.

(Unterbrechung von 13.21 bis 13.30 Uhr)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Die unterbrocheneSitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:Fragestunde– Drucksachen 14/8318, 14/8353 –

Es gibt mehrere dringliche Fragen; zunächst zu denenaus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums fürArbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht derParlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfü-gung.

Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Eckart vonKlaeden auf:

Treffen Meldungen („Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom26. Feburar 2002, „Die Welt“ vom 25. Februar 2002) zu, nach denen der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, WalterRister, rund 1,2 Millionen in der Arbeitslosenstatistik geführtenArbeitslose, die „an einer Vermittlung nicht interessiert seien odernicht ernsthaft nach einer Stelle suchten“, künftig aus der Statistikherausrechnen, in einer gesonderten Rubrik erfassen und dieseneue Statistik erstmals im Sommer dieses Jahres verwenden will(Reuters vom 23. Februar 2002)?

Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr von Klaeden, ichmöchte Ihre erste dringliche Frage mit Nein beantworten.

Da es möglicherweise der Befriedigung des Informa-tionsbedürfnisses dient, möchte ich als offizielle Er-klärung hinzufügen: Die Bundesregierung hat nicht dieAbsicht, die gegenwärtige Praxis der Erhebung der Ar-beitslosenstatistik und der Arbeitslosenzahlen in dieserLegislaturperiode zu verändern. Ich wiederhole: Die Bun-desregierung hat nicht die Absicht, die Arbeitslosenstatis-tik in dieser Legislaturperiode zu verändern. Dafür gibt eseinen wichtigen Grund: Wir gehen davon aus, dass sichdie wirtschaftliche Lage erholen wird und dass im Früh-jahr die Arbeitsmarktzahlen deutlich besser sein werden.Wir wollen nicht, dass dann die verbesserten Arbeits-marktzahlen öffentlich und im Parlament durch den Vor-

wurf diskreditiert werden, wir hätten die Statistik verän-dert. Wir verändern die Statistik nicht.

(Peter Dreßen [SPD]: Sehr gut! Jetzt ist erplatt! Jetzt muss er nur noch Danke sagen!)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage,bitte sehr, Herr Kollege.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Herr Staatssekre-tär, da wir insgesamt über Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere der Arbeitsvermittlungsprechen wollen, möchte ich Sie fragen, ob die Presse-meldungen richtig sind, wonach für den neuen Vorstands-vorsitzenden der Bundesanstalt für Arbeit bzw. der Nach-folgeeinrichtung ein Jahresgehalt von – cum grano salis –250 000 Euro vorgesehen ist.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was hatdas damit zu tun?)

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr von Klaeden, ichsehe überhaupt keinen Zusammenhang zwischen IhrerZusatzfrage und der von Ihnen schriftlich eingereichtendringlichen Frage.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Eindeu-tig kein Zusammenhang!)

Letztere bezieht sich auf die Arbeitslosenstatistik und auföffentliche Äußerungen darüber. Ich vermag nicht zu er-kennen, was diese Frage mit dem möglichen Jahresgehaltdes künftigen Vorstandsvorsitzenden der Bundesanstaltfür Arbeit, das selbst mir nicht bekannt ist, zu tun habensoll. Ich bitte die Frau Präsidentin um Hilfe.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich stimme Ihnen zu,Herr Staatssekretär. Ich glaube, wir sollten erst gar keineSchärfe in die Debatte bringen: Es ist richtig, dass die vonIhnen mündlich geäußerte Zusatzfrage in keinem Zusam-menhang zu den von Ihnen schriftlich eingereichtendringlichen Fragen steht.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das sehe ich,ehrlich gesagt, anders, Frau Präsidentin!)

– Ich habe das jetzt so entschieden. Sie dürfen aber eineweitere Zusatzfrage zu Ihrer ersten dringlichen Frage stel-len.

Bitte sehr.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Herr Staatssekre-tär, Sie haben mit Ihrer Bemerkung, Ihnen seien etwaigeGehaltsvorstellungen nicht bekannt, meine Frage – so-zusagen von hinten durch die Brust ins Auge – ja doch be-antwortet.

Darf ich Sie fragen, ob entsprechende Reformen an derSpitze der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt werden

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und, falls ja, ob sie sich auch auf die Landesämter aus-wirken werden?

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hatauch nichts mit der Statistik zu tun!)

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr von Klaeden, ichweise Ihre Unterstellung, ich hätte durch die Brust insAuge geantwortet, ganz entschieden zurück.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie habengesagt, Ihnen sei das nicht bekannt!)

Ich habe Ihnen auf Ihre schriftlich eingereichte dringlicheFrage geantwortet, die sich auf die Arbeitslosenstatistikbezieht. Ich wiederhole es noch einmal: Die Bundesre-gierung hat nicht die Absicht, die Arbeitslosenstatistik vordem Wahltermin zu verändern. Über mögliche Gehalts-vorstellungen des neuen Vorstandsvorsitzenden der Bun-desanstalt für Arbeit ist mir nichts bekannt. Zu Pressespe-kulationen – damit das klar ist – nehme ich keine Stellung.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das warein Schuss in den Ofen, Herr von Klaeden!)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Mir liegen mehrereWortmeldungen vor. Ich lese noch einmal die dringlicheFrage 1 des Kollegen Eckart von Klaeden vor, damit allewissen, worum es geht: Treffen Meldungen zu, nach de-nen der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung,Walter Riester, rund 1,2 Millionen in der Arbeitslosensta-tistik geführte Arbeitslose, die „an einer Vermittlung nichtinteressiert seien oder nicht ernsthaft nach einer Stellesuchten“, künftig aus der Statistik herausrechnen, in einergesonderten Rubrik erfassen und diese neue Statistik erst-mals im Sommer dieses Jahres verwenden will?

Nächster Fragesteller ist der Kollege Niebel.

Dirk Niebel (FDP): Herr Staatssekretär, offenkundighandelt es sich hierbei um eine Falschmeldung der„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Ich meine mich zuerinnern, am Montag auf n-tv in der Sendung „Grüner Sa-lon“ den Bundesarbeitsminister gesehen zu haben. Erging auf exakt diese Fragestellung dezidiert ein und stelltefest, dass er, der Bundesarbeitsminister, diese Statistikenso verändern will. Gehe ich recht in der Annahme, dassder Bundesarbeitsminister im Kabinett überstimmt wor-den ist, oder hat er dort keine Rückendeckung mehr?

(Widerspruch bei der SPD)

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Erstens. Ich habe dieSendung, die Sie, Herr Abgeordneter Niebel, ansprechen,nicht gesehen.

Zweitens. Nach meinem Kenntnisstand hat im Kabi-nett keinerlei Abstimmung stattgefunden.

Drittens. Ich wiederhole noch einmal – ich bin für jedeFrage dankbar –: Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, in dieser Legislaturperiode die Arbeitslosenstatis-

tik zu ändern. Die Bundesregierung geht davon aus, dassdie Arbeitsmarktlage im Frühjahr wegen der wirtschaftli-chen Erholung deutlich besser sein wird.

(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Prinzip Hoffnung!)

Wir möchten nicht, dass die Arbeitsmarktlage durch De-batten über die Statistik – im Parlament oder außerhalb –belastet wird. Wir werden die Arbeitslosenstatistik in die-ser Legislaturperiode daher nicht ändern. Ist das nichtschön, Herr Niebel?

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat der KollegeMeckelburg das Wort.

Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Möglicher-weise handelt es sich hierbei wieder um einen Punkt, beidem alle etwas gewusst haben, nur der Minister nicht.

Herr Staatssekretär, die Zahl von 1,2 Millionen in derStatistik Geführten, die im Raum steht, habe ja nicht icherfunden, sondern ist von Ihrer Seite an die Presse heran-getragen worden. Können Sie zumindest zu der Zahl, dievon Ihrer Seite lanciert worden ist, etwas sagen?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Diese Zahl ist wedervon mir selbst noch von unserer Seite lanciert worden.

Ich möchte Ihnen, Herr Meckelburg, aber eine Aus-kunft, die sich auf das Gesetz bezieht, geben. In§ 16 SGB III – das ist die Grundlage der Arbeitslosenver-sicherung – ist festgelegt, wer arbeitslos ist. Dort ist defi-niert, dass arbeitslos ist, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, eine versiche-rungspflichtige Beschäftigung sucht und dabei den Ver-mittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügungsteht und sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat.Das ist die Rechtsgrundlage. Das ist nicht neu und hat sichgegenüber Ihrer Regierungszeit nicht verändert. Das istdie Definition.

Dieser Definition liegen mehrere Kriterien zugrunde.Ein Kriterium ist, dass man den Vermittlungsbemühungendes Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Die Bundesanstaltfür Arbeit hat Infas beauftragt, eine breit angelegte Unter-suchung im Jahre 2000 darüber durchzuführen, wie zeit-nah und wie unmittelbar arbeitslos gemeldete Personenum eine Arbeit nachsuchen.

Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich Ihnen die Er-gebnisse der Untersuchung nicht im Einzelnen nennenkann; ich bin aber gerne bereit, Ihnen das zur Verfügungzu stellen. Fazit dieser Studie jedenfalls war, dass rund60 Prozent der arbeitslos gemeldeten Personen sehr nach-dringlich und nachhaltig eine Beschäftigung suchen.28 Prozent der Personen kann man unterstellen, dass deren Suche nach einer Beschäftigung nicht so nachhaltigist. Untersucht man diese Gruppe, stößt man auf ganz unterschiedliche Untergruppen.

Ich möchte den Versuch unternehmen, diese Gruppendarzustellen. In dieser Gruppe findet man Personen, die

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arbeitslos gemeldet sind, weil sie dadurch einen Kinder-geldanspruch aufrechterhalten.

(Dirk Niebel [FDP]: Dann muss man das Kin-dergeldgesetz ändern!)

Diese Personen suchen möglicherweise keine neue Ar-beit, sondern sind arbeitslos gemeldet, weil sie Kinder-geld beziehen wollen. Außerdem findet man in dieserGruppe Personen, die zwar arbeitslos gemeldet sind undals solche gezählt werden, aber möglicherweise schonlängst eine neue Arbeit haben, auf die Einberufung zumWehrdienst warten oder ein Studium aufnehmen wollen.Sie sind arbeitslos gemeldet, damit sie ihren Anspruch aufArbeitslosengeld, auf Leistungen der Arbeitslosenversi-cherung, aufrechterhalten. Man findet darunter auch Per-sonen, die sich im Vorruhestand oder in einer ähnlichenSituation befinden und davon ausgehen, dass sie der Ver-mittlung eigentlich gar nicht mehr zur Verfügung stehenmüssen. Dem Rechte nach müssen sie das aber, weil ih-nen ansonsten die Leistungen aberkannt werden. All dieseGruppen befinden sich darunter.

Die Bundesanstalt für Arbeit hat damit begonnen, dieErgebnisse dieser Untersuchung zu diskutieren – mangeht Einzelfragen noch nach –, sodass man davon ausge-hen kann, dass nicht alle der gegenwärtig registriertenrund 4,3 Millionen Arbeitslosen nach der gesetzlichenDefinition Arbeitslose in dem Sinne sind, dass sie allesdaransetzen, unmittelbar und schnell vermittelt zu wer-den.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat der KollegeGerald Weiß das Wort zu einer Zusatzfrage.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Herr Staats-sekretär, ich habe noch eine Nachfrage. In dem Artikel der„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ mit der Überschrift„Jede geschönte Statistik ist ein Skandal“ ist eine Äuße-rung von Ihnen wiedergegeben, nach der es Hunderttau-sende von älteren Arbeitslosen gibt, die zu 90 Prozent garkeine Beschäftigung mehr anstreben. Woher haben Siediese beiden Werte? Worauf beziehen Sie sich dabei?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterWeiß, ich muss das anders beantworten. Die Zeitung, dieSie zitiert haben, hat mit mir gar nicht gesprochen. DieAussage, es gebe Hunderttausende, die zu 90 Prozent die-ses oder jenes täten, kann nicht von mir stammen. Damitwird es relativ einfach. Ich antworte nicht auf irgend-welche Spekulationen, die irgendwo formuliert werden.Die Frage nach den Quantitäten habe ich eben beantwor-tet. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Erhebungs-ergebnisse, die Infas bei einer Befragung von mehr als20 000 arbeitslos gemeldeten Personen ermittelt hat, nochim Einzelnen untersucht werden – das muss eigentlichauch Ihr Interesse sein –; damit werden wir uns dann be-fassen.

Herr Abgeordneter Weiß, ich sage ganz ausdrücklichnoch einmal, weil das der Gegenstand der Frage war – ichkann das noch fünfmal wiederholen; das hilft Ihnen beider Entscheidungsfindung bezüglich Ihrer AktuellenStunde –: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Ar-beitslosenstatistik in dieser Legislaturperiode zu verän-dern.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat der KollegePeter Dreßen eine Zusatzfrage.

Peter Dreßen (SPD): Herr Staatssekretär, Sie habengerade von verschiedenen Gruppen arbeitslos gemeldeterPersonen gesprochen, bei denen fragwürdig ist, ob die Be-treffenden überhaupt noch Arbeit wünschen. Meinen Sienicht, dass eine solche Statistik in Zukunft doch transpa-renter gestaltet werden müsste, sodass man aus ihrtatsächlich erkennen kann, wer nun wirklich intensiv nachArbeit sucht, um die entscheidenden politischen Weichen-stellungen vorzunehmen, wobei man die Gesamtzahl, wiesie heute ausgewiesen wird, natürlich auch in Zukunftnoch haben muss?

(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Den Kanzler dringend anrufen! – Weiterer Zuruf vonder CDU/CSU: Aha!)

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterDreßen, alle die, die in diesem Raume sitzen und sich mitder Frage befasst haben, wissen, dass wir in den letztenWochen wegen der Stichhaltigkeit der Vermittlungs-statistik der Bundesanstalt für Arbeit erhebliche Aus-einandersetzungen hatten. Ich wiederhole: Sowohl eineUntersuchung des Bundesrechnungshofs als auch eineUntersuchung der Innenrevision der Arbeitsverwaltung inzehn Arbeitsämtern in zehn unterschiedlichen Landesar-beitsamtsbereichen haben ergeben, dass rund 35 bis36 Prozent der angegebenen Vermittlungen nicht nach-vollziehbar sind. Für die Bundesregierung sage ich aus-drücklich, dass wir natürlich nur an solchen Statistiken In-teresse haben, die etwas Reales wiedergeben.

(Ulrich Heinrich [FDP]: Das wäre das ersteMal!)

– Gerade hat ein Abgeordneter dazwischengerufen: „Daswäre das erste Mal!“ Herr Abgeordneter Heinrich, ichkann Ihnen gern aufzählen – deswegen macht es auchSinn, eine Aktuelle Stunde durchzuführen –,

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie habenaber Angst vor der Aktuellen Stunde!)

wie oft in der Zeit von 1982 bis 1998, unter Ihrer Regie-rungsbeteiligung, die Statistik verändert worden ist. Aufdie Auseinandersetzung und die Argumentation dazulasse ich mich gern ein.

Ich komme nun aber auf das zurück, was Herr Dreßengefragt hat. Selbstverständlich ist es jetzt notwendig, dieVermittlungsstatistik der Arbeitsverwaltung zu untersu-chen und zu Statistikergebnissen zu kommen, die die Rea-lität widerspiegeln. Deswegen ist im Zweistufenkonzept

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der Bundesregierung im Zusammenhang mit kurzfristi-gen Veränderungen festgehalten – ich will das gern zitie-ren – : Die Vermittlungsstatistik der Bundesanstalt für Ar-beit wird neu konzipiert, um aussagekräftige und valideDaten zu liefern.

Das ist aber zunächst einmal Angelegenheit der Bun-desanstalt für Arbeit. Wie bekannt, werden wir eine Kom-mission von 15 Persönlichkeiten aus unterschiedlichenBereichen einberufen, die unter dem Vorsitz von HerrnPeter Hartz Vorschläge für eine Reform der Arbeitsver-waltung entwickeln soll. Diese Kommission wird sich si-cherlich auch mit Fragen der Statistik und ihrer Verän-derung befassen. Ich sage aber noch einmal ausdrücklichdazu: Diese Veränderungen sind erst für die nächste Le-gislaturperiode vorgesehen.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt hat der KollegeWolfgang Gehrcke das Wort zu einer Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (PDS): Herr Staatssekretär, ichrufe mir Ihre erste Anwort in Erinnerung. Darin haben Siegesagt, dass eine Veränderung der Statistik in diesem Jahrschon aus dem Grund nicht infrage kommt, da dieBundesregierung im Sommer mit einer Verbesserung aufdem Arbeitsmarkt rechnet und nicht möchte, dass dieseVerbesserung ins Zwielicht der Statistik gezogen wird.

(Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Das habenSie gut verstanden!)

– Das heißt doch aber, dass Sie einen Zusammenhangzwischen der Höhe der Arbeitslosigkeit und den statisti-schen Grundlagen herstellen. Heißt das im Umkehrs-chluss auch, dass die Statistiken dann, wenn Ihre Pro-gnose nicht eintrifft, die Arbeitslosenzahlen sich alsonicht so wie von Ihnen erwartet entwickeln, verändertwerden könnten? Sie haben eine Kopplung zwischen denstatistischen Zahlen und der Höhe der Arbeitslosigkeithergestellt.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-nister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Abgeordneter,darf ich das noch einmal wiederholen? Ich habe das näm-lich bereits fünfmal gesagt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dadurch wird esauch nicht besser!)

Ich bin für jede Wiederholung außerordentlich dankbar.

Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, in dieserLegislaturperiode die Statistik zu verändern.

(Unruhe)

Es wird öffentlich unterstellt – vielleicht darf ich das nochzu Ende führen –, insbesondere von dieser Seite, mög-licherweise aber auch von anderen, wir würden die Sta-tistik ändern, um zu geschönten Arbeitsmarktdaten zukommen. Da besteht auch der Zusammenhang, nach demSie gefragt haben. Wir haben weder ein Interesse an ge-schönten Arbeitsmarktdaten noch an geschönten Vermitt-lungsstatistiken noch an sonstigen geschönten Statistiken,die irgendetwas mit Beschäftigung zu tun haben. Da ein

solches Interesse bei uns nicht vorhanden ist, werden wirdie Statistik nicht ändern. Wir sind der Auffassung, dassbeispielsweise bei den Vermittlungsstatistiken Verände-rungen notwendig sind. Das muss aber die Arbeits-verwaltung selbst machen, damit reale Daten zustandekommen. Mit möglichen Veränderungen hinsichtlich derAussagekraft der Arbeitslosenstatistiken wird sich dieKommission befassen und werden wir uns in der nächs-ten Legislaturperiode befassen.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun stellt der KollegeDr. Seifert eine Frage.

Dr. Ilja Seifert (PDS): Herr Staatssekretär Andres, Siewiesen bereits darauf hin: Das Ganze ist dadurch ins Rol-len gekommen, dass deutlich wurde, dass die Vermitt-lungsstatistik nicht das aussagt, was man eigentlich vonihr erwartet. Ich möchte in diesem Zusammenhang fra-gen, wie es mit der Vermittlungsstatistik für schwerbehin-derte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aussieht.Durch die Novellierung im Zusammenhang mit demSchwerbehindertengesetz vom Oktober 2000 sollten ja50 000 Menschen in Arbeit gebracht werden. Immerhinhaben Sie und auch der Minister bereits beeindruckendeZwischenergebnisse bekannt gegeben. Sind diese Ergeb-nisse immer noch valide oder muss man davon ausgehen,dass auch das nicht ganz so positiv aussieht, wie es bisherdargestellt worden ist?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Sozialordnung: Die Bundesregie-rung geht davon aus, dass diese Zahlen valide sind unddass die Erfolge, die da mitgeteilt worden sind, reale Er-folge sind.

Herr Abgeordneter Seifert, wenn Sie sich die Aus-einandersetzung zwischen dem Bundesrechnungshof undder Arbeitsverwaltung über die Kriterien dafür anschauen,was denn als Vermittlung zählt und was nicht, dann wer-den Sie auf den großen Block der elektronischen Infor-mationssysteme, SIS und AIS, stoßen. Da Sie Fachmannin diesem Bereich sind, wissen Sie sicherlich, dass dieVermittlung von Schwerbehinderten häufig sehr nachhal-tige Vermittlungsbemühungen, persönliche Gespräche,Akquisition beim Arbeitgeber und Gespräche mit demBetroffenen und Ähnliches nach sich zieht. Das funktio-niert nicht so einfach, dass man sich nur an den SIS oderAIS zu wenden braucht und schon ist der Vermittlungs-vorschlag klar. Wir gehen davon aus, dass die erhobenenZahlen überall da, wo konkrete Leistungen der Arbeits-verwaltung erbracht werden – beispielsweise bei ABModer SAM –, außerordentlich valide sind.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat der KollegePeter Weiß eine Frage.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): HerrStaatssekretär, Sie werden mir doch sicherlich zustim-men,

(Zuruf von der SPD: Bestimmt nicht!)

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dass die Meldungen in der „Frankfurter Allgemeinen Zei-tung“ vom 26. Februar und in der „Welt“ vom 25. Februar,die Grundlage der Frage des Kollegen von Klaeden waren,überhaupt nie entstanden wären und auch nicht eine der-art breite Resonanz gefunden hätten, wenn die Erklärung,die Sie hier abgegeben haben, nämlich dass die Bundes-regierung in dieser Legislaturperiode, die bald zu Endegeht, nicht mehr beabsichtigt, die Arbeitslosenstatistik zuändern, in den vergangenen Wochen und Monaten un-strittig im Raum gestanden hätte. Wenn diese Überlegun-gen nicht stattgefunden hätten, hätte auch der KollegeDreßen Ihnen hier nicht noch einmal so freundlich dieÜberlegungen zu angeblicher Transparenz in der Arbeits-losenstatistik vorgetragen. Irgendwo müssen also dochdiese Äußerungen herkommen.

Deshalb frage ich Sie: Dass es in der Bundesregierungund in den Koalitionsfraktionen Überlegungen gegebenhat, die Arbeitslosenstatistik zu ändern, können Sie dochnicht bestreiten?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Zunächst einmal ist von1998 bis heute keine Statistik verändert worden. Die Listeder zwischen 1982 und 1998 vorgenommenen Änderun-gen trage ich Ihnen gerne vor; das sollten wir aber an-schließend in der Aktuellen Stunde machen. Wir habennichts geändert.

Alle Fachleute, zu denen ich Sie wie auch die anderenKolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Arbeitund Sozialordnung, die hier sitzen, rechne, wissen, dass es gewisse Probleme gibt, wenn man sich mit der Ver-mittlungstätigkeit beschäftigt. Ich habe Ihnen ja vorge-lesen, wie die Rechtsgrundlage für Arbeitslosigkeit aus-sieht: Man muss eine sozialversicherungspflichtigeBeschäftigung von mehr als 15 Stunden suchen, manmuss der Vermittlung zur Verfügung stehen und man mussarbeitslos gemeldet sein. Es wäre sehr sinnvoll, da sehrviel mehr Transparenz hineinzubringen. Das werden wirauch tun; das wird auch die Kommission untersuchen. Beider Vermittlungsstatistik wird die Bundesanstalt für Ar-beit entsprechende Veränderungen vornehmen, aber ander statistischen Erhebung der Arbeitslosenzahlen – dasdarf ich jetzt zum sechsten Male, wie ich glaube, wieder-holen; dafür bin ich Ihnen dankbar –

(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Siebten Mal!)

werden wir in dieser Legislaturperiode nichts ändern,auch wenn wir der Meinung sind, dass solche Änderun-gen sinnvoll wären. Da wir aber nicht wollen, dass dieseÄnderungen in einer von Ihnen oder von anderen bewusstherbeigeführten oder geschürten öffentlichen Diskussionvöllig untergehen, in der uns unterstellt würde, wir wür-den auf diese Weise die Arbeitsmarktdaten schönen odermanipulieren – das haben wir gerne anderen überlassen –,werden wir in diesem Bereich an der Statistik nichts ändern.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]:Aber die Vorlage haben Sie geliefert!)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun fragt der KollegeKarl-Josef Laumann.

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Herr Staatssekre-tär, am Wochenende gab es ja verschiedentlich auchTickermeldungen, die das Begehren, die Arbeitslosensta-tistik zu verändern, mit Ihrem Namen verbunden haben.Was haben Sie denn unternommen, um diesen anschei-nend falschen Tickermeldungen entgegenzutreten?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Ich will Sie darauf hin-weisen, dass ich für Tickermeldungen nicht verantwort-lich bin und ich sie auch nicht schreibe. Aber ich kannIhnen einen möglichen Hintergrund dafür nennen: Ichhatte am Freitag im Ministerium eine Besuchergruppe; siebestand aus einer größeren Anzahl von Redakteuren der„Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Mit diesen Re-dakteuren der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“wurde natürlich über die Pressekonferenz, die kurz vorhermit dem Bundeskanzler und dem Bundesarbeitsministerstattgefunden hatte, diskutiert. Ich habe dabei darauf hin-gewiesen – das habe ich ja eben hier auch schon getan –,dass in unserem Zweistufenkonzept ausdrücklich unterdem Punkt „Kurzfristige Maßnahmen“ steht, dass dieBundesanstalt für Arbeit ihre Vermittlungsstatistik ändernmuss. Das ist ja zwischen uns wahrscheinlich unstreitig.Oder muss ich feststellen, dass das zwischen uns beiden,Herr Laumann, streitig ist? Nein, dazu sind Sie zu sehrFachmann, Herr Laumann, als dass das streitig seinkönnte.

Die Bundesanstalt für Arbeit muss sich also mit ihrerVermittlungsstatistik auseinander setzen; das habe ich beidiesen Gesprächen zum Ausdruck gebracht. Ich habe da-rüber hinaus erklärt, dass man sich auch mit der Frageauseinander setzen muss, was mit Gruppen geschehensoll, die der Vermittlung nicht zur Verfügung stehen. Mirliegen hier eine ganze Reihe von Zeitungsartikeln vonheute vor, die hierfür gute Beispiele bringen. Beispiels-weise wird in der „Frankfurter Rundschau“ berichtet, wasder Chef des Arbeitsamtes Frankfurt tut: Er bietet Frauen,die eine Halbtagsbeschäftigung suchen, mithilfe vonfreien und privaten Vermittlern entsprechende Stellen an.Diese Aktivitäten sind vernünftig und bewegen sich völ-lig im Rahmen des Gesetzes. Natürlich müssen die Statis-tiken, insbesondere im Vermittlungsbereich, transparenterund aussagekräftiger werden.

Ich füge aber noch einmal hinzu, Herr KollegeLaumann, zur wunderbaren Wiederholung: Die Bundes-regierung hat nicht die Absicht, in dieser Legislaturpe-riode die Arbeitslosenstatistik zu verändern, weil sie da-von ausgeht, dass die Arbeitsmarktdaten ab Frühjahrbesser werden. Wir wollen diese Verbesserung nicht da-durch diskreditieren, dass man uns unterstellen kann, wirwürden die Statistik manipulieren. Die Manipulation vonStatistiken überlassen wir gerne anderen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

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Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eigentlich ist einezweite Zusatzfrage nicht zulässig, aber beim KollegenLaumann mache ich eine Ausnahme. Sie bekommen vonmir sozusagen eine zweite Frage geschenkt.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Das ist ein sehr ordent-licher Mann, Frau Präsidentin. Ihm können Sie auch dreioder vier zusagen.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt ist der diskredi-tiert!)

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Herr Staatssekre-tär, wenn ich richtig informiert bin, gibt es bei der Selbst-verwaltung in Nürnberg einen Fachausschuss für Statis-tik, dem auch ein Vertreter der Bundesregierung angehört.Ich würde gerne von Ihnen wissen: Wann hat sich dieserAusschuss das letzte Mal mit der Art und Weise, wie beider Bundesanstalt für Arbeit Statistiken erstellt werden,insbesondere die Vermittlungsstatistik, beschäftigt? IstIhnen das bekannt?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterLaumann, das kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand nicht sa-gen. Sie wissen natürlich aus der Diskussion – auch ausden Beratungen im Ausschuss –, dass sich dieser Aus-schuss in den letzten Jahren mehrmals mit Statistikfragenund auch mit Verordnungen dazu auseinander gesetzt hat.Aber freuen Sie sich nicht zu früh; der Bundesrechnungs-hof hat eine Untersuchung in Bezug auf die Arbeitsver-mittlung bei den Arbeitsämtern, bei der man real der Fragenachgegangen ist, was an Vermittlung unmittelbar vor Ortauf der Grundlage welcher Verordnung konkret stattfin-det, zum ersten Mal durchgeführt. Das ist zum ersten Malgeschehen, das müssen Sie zugeben. Die Bundesanstaltfür Arbeit hat dann, ebenfalls zum ersten Mal, zehn Ar-beitsämter ausgesucht, bei denen das Ergebnis überprüftwerden sollte, um es valide zu machen. Das Interessanteist: Die Innenrevision der Bundesanstalt für Arbeit ist zudem gleichen Ergebnis gekommen wie der Bundesrech-nungshof bei der Untersuchung von fünf Arbeitsämtern.

Das ist für uns Anlass, sehr nachhaltig darauf zu drin-gen, dass die Praxis der Vermittlung bei der Bundesanstaltfür Arbeit verändert wird. Wir wollen, dass die Vermitt-lungsoffensive, das Job-Aqtiv-Gesetz, umgesetzt wird.Die Statistik soll auch in der Form verändert werden – dashabe ich eben zitiert und kann das gerne noch einmal tun –,dass uns reale Vermittlungen mitgeteilt werden und keinefiktiven Zahlen. – Ich sehe an Ihrem Nicken, dass das aufIhr Einverständnis trifft.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat der KollegeKlaus Brandner eine Frage.

Klaus Brandner (SPD): Herr Staatssekretär, Statis-tiken dienen ja der Vergleichbarkeit und der Zielgenauig-keit der Arbeit. Auf europäischer Ebene wird von Eurostatregelmäßig eine Statistik erstellt und veröffentlicht. Kön-

nen Sie eine Aussage zu der Bewertung der Arbeitslosig-keit auf europäischer und auf deutscher Ebene treffen? Istsie nach der Statistik auf europäischer Ebene höher oderniedriger und sind die Bewertungskriterien von Eurostatangemessen und sachgerecht?

(Dirk Niebel [FDP]: Hat das was mit der Aus-gangsfrage zu tun?)

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Das hat etwas mit Sta-tistiken zu tun, Herr Abgeordneter Niebel, das werden Siedoch nicht bestreiten; es hat nichts mit Gehältern oderEinkommen zu tun.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Es hat sicher mehr mitder Ausgangsfrage zu tun als die Frage nach den Gehalts-vorstellungen des neuen Vorsitzenden der Bundesanstalt.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Sehr richtig. – Herr Ab-geordneter Brandner, momentan wird öffentlich darüberdiskutiert und spekuliert – auch der Erste Geschäftsführerder Unionsfraktion hat sich dazu geäußert –, wie man zueiner besseren europäischen Vergleichbarkeit kommenkann. Wenn wir die Eurostat-Kriterien zugrunde legenwürden, dann wäre die Arbeitslosenquote der Bundesre-publik Deutschland niedriger als nach unserer Zählung;denn nach dem Verfahren unserer Datenerhebung wird so-zusagen konkret gezählt. Jeder, der sich gemeldet hat,wird registriert. Das heißt, nach der Statistik von Eurostatsähen unsere Zahlen besser aus.

Ich sage gleich dazu: Wir werden das Verfahren vonEurostat nicht übernehmen; sonst sagt die rechte Seite desHauses wieder, wir würden Statistiken manipulieren. Dastun wir nicht. Im Übrigen gab es in früheren Jahren Ver-suche, die Erhebungshäufigkeit in Deutschland zu verän-dern und sie der von Eurostat anzupassen. Dazu darf ichmitteilen, dass die Regierung Kohl, an der auch die FDPbeteiligt war, wie alle wissen, darauf bestanden hat, dassdie gegenwärtig praktizierte Statistikerstellung bei unsjährlich erfolgt. Wir sind bis 2006 durch das Mikrozen-susgesetz daran gebunden, unsere Statistik so zu erstellen,wie es gegenwärtig der Fall ist.

Das ist also nicht von uns, sondern von der Vorgänger-regierung beschlossen worden. Vielleicht können wir dasja anschließend in einer Aktuellen Stunde ausführlicherörtern, damit auch die interessierte Öffentlichkeit da-rüber informiert wird. Wir erstellen unsere Statistik nichtunterjährig, also nicht einmal pro Quartal, weil die Fest-legung es anders vorsieht. Ich habe hier bereits dargestellt,wie wir die Daten erheben. Ich denke, das beantwortetIhre Frage weitgehend.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich erlaube mir denHinweis, dass ich, da wir noch immer bei der dringlichenFrage 1 sind, nach dem Aufruf der nächsten vier Wort-meldungen zur dringlichen Frage 2 komme. Ich hoffe, da-mit sind Sie einverstanden; wir müssen ein bisschen vonder Eingangsfrage und -diskussion wegkommen.

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Ich gebe dem Kollegen Klaus Grehn das Wort zu einerFrage.

Dr. Klaus Grehn (PDS): Herr Staatssekretär, – –

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Das klingt aber müh-sam, Herr Grehn.

Dr. Klaus Grehn (PDS): So mühsam wie Ihre Aussa-gen zur Statistik.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Meine Aussagen sindalle glasklar.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr Staatssekretär,bitte nicht zu viele Zwiegespräche.

Dr. Klaus Grehn (PDS): Meine Frage lautet, HerrStaatssekretär: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischender Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit unter der Rubrik In-dividualisierung, Bagatellisierung, Schuldzuweisung an dieBetroffenen – Stichwort: Faulheitsdiskussion – abgehandeltwird, und der Diskussion um die zu verändernde Statistik?In welche Rubrik ordnen Sie jene ein, die sich drei, fünf odersieben Jahre vergeblich um einen Arbeitsplatz bemüht ha-ben? In welche Rubrik ordnen Sie jene ein, die 300, 500 oder700 Bewerbungen geschrieben haben und physisch sowiepsychisch am Ende sind, weil sie keinen Arbeitsplatz be-kommen haben? Sind Sie der Meinung, dass diese Men-schen nicht an einer Arbeitsstelle interessiert sind und dasssie der Vermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen?

Planen Sie – natürlich erst in der nächsten Legislatur-periode, weil Sie in dieser Legislaturperiode keine Verän-derungen wollen, da sich die Zahlen nach Ihrer Meinungverbessern werden –, auch diejenigen in der Statistik zuberücksichtigen, die jetzt unter die Dunkelziffer fallen,also die Berücksichtigung derjenigen, die noch nicht er-fasst werden, aber arbeitslos sind?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterGrehn, ich fange mit dem letzten Teil Ihrer Frage an. Wirerfassen keine Dunkelziffern. Ich habe die Kriterien ge-nannt, wer unter welchen Umständen in die Arbeitslosen-statistik aufgenommen wird.

Zum ersten Teil Ihrer Frage möchte ich Ihnen sagen,dass das Kernproblem nicht statistischer Art ist. DasKernproblem ist vielmehr, dass wir in unserem Land einausgeprägtes Ungleichgewicht zwischen dem Angebot anArbeitsplätzen und der Nachfrage an Arbeitsplätzen ha-ben. Um es etwas deutlicher zu sagen: Das Kernproblemist nicht die Statistik, sondern die Tatsache, dass es in die-sem Land zu wenig Arbeitsplätze gibt.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Oh! Spätkommt die Einsicht, aber sie kommt!)

Diesen Tatbestand muss man zunächst einmal festhalten.

Wenn man aber auf die Feinheiten schaut, dann wirdman feststellen, dass es Regionen gibt, in denen eine sehrstarke Nachfrage nach Arbeitskräften besteht und Ar-beitsstellen nicht besetzt werden können. Daneben gibt esandere Regionen, in denen es genau andersherum ist. DieBundesregierung hat ein Interesse daran, auch in der öf-fentlichen Diskussion klar zu machen, dass man das eineProblem nicht sozusagen mit dem anderen Problem er-schlagen kann.

Es gibt ohne Zweifel viele Menschen, die bis zu 100 Bewerbungen geschrieben haben und die darüberverzweifelt sind, dass sie trotzdem keinen Arbeitsplatzfinden. Es gibt aber umgekehrt sicherlich auch Menschen,die möglicherweise gar kein Interesse daran haben, un-mittelbar eine Arbeit zu finden. Sie werden zugeben – daszu leugnen wäre Unsinn –, dass beide Sachverhalte Rea-lität sind. Man kann aber das eine Problem nicht mit demanderen Problem konterkarieren.

Wir müssen ein Interesse daran haben, dass es einebestmögliche Vermittlung gibt. Wir müssen ferner einInteresse daran haben, dass wir so schnell wie möglichneue Arbeitsplätze schaffen, um arbeitslose Menschenin Arbeit zu bringen. Mit beiden real bestehenden Pro-blemen müssen wir uns in der Praxis auseinander set-zen.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun eine Frage derKollegin Christine Ostrowski.

Christine Ostrowski (PDS): Herr StaatssekretärAndres, Sie haben mehrmals auf charmanteste Art hier be-gründet, dass Sie in dieser Legislaturperiode die Kriterienfür die Statistik nicht mehr ändern wollen. Ich bitte Siehöflichst um Verzeihung, dass ich etwas verwirrt bin. IhreKriterien, mit denen zukünftig festgelegt werden soll, wereigentlich durch die Arbeitslosenstatistik erfasst wird, be-deuten im Umkehrschluss, dass Sie bis zum Ende der Legislaturperiode eine Statistik weiter fortführen, die Sie– ich sage es einmal freundlich – für unkorrekt halten.Wenn ich bösartig wäre, würde ich sagen, dass Sie sie fürfalsch halten.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Nein, das ist nicht dasProblem, Frau Kollegin. Da haben Sie meine Aussagefalsch verstanden.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Eigentlich würde ich Ihnen gerne charmant den Gesetzes-text noch einmal vorlesen. Darin ist festgelegt, wer beiuns als arbeitslos gilt. Ich nenne Ihnen noch einmal dieKriterien: Der Betroffene muss einen sozialversiche-rungspflichtigen Job mit einer Arbeitszeit von mehr als 15 Stunden die Woche suchen und er muss der Vermitt-lung zur Verfügung stehen. Das ist ein ganz wichtigesMerkmal.

Ich habe vielmehr über die so genannte Vermittlungs-statistik gesprochen. Die sagt nämlich etwas darüber aus, wie viele Menschen von den Arbeitsämtern bzw. der

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Bundesanstalt für Arbeit aus der Arbeitslosigkeit in dieBeschäftigung vermittelt werden. Da sind ohne ZweifelÄnderungen notwendig, weil uns fiktive Statistiken nichtsnutzen.

Eine Folge ist übrigens – darauf muss ich hinweisen;auch das steht im Gesetz –: Wer der Vermittlung der Bun-desanstalt für Arbeit nicht zur Verfügung steht, der verliertauch den Anspruch auf Leistung und würde dann, wenn erweder der Vermittlung zur Verfügung steht noch eineLeistung bekommt, auch nicht mehr als Arbeitsloser ge-zählt. Auch das ist klar.

Wir haben kein Interesse daran, dieses Problem aufeine solche Art und Weise zu beseitigen. Ich sage nocheinmal: Wir haben ein Interesse an mehr Arbeitsplätzenund an real stattfindenden Vermittlungen. Das ist wichtigund muss vorangetrieben werden.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun fragt die Kolle-gin Fischbach.

Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,ich komme kurz auf Ihre Antwort auf die Frage des Kol-legen Weiß zurück. Es geht um Ihre angebliche Äußerungin der „FAZ“. Dort werden Sie mit dem Satz zitiert:90 Prozent der älteren Arbeitslosen sind gar nicht daraninteressiert, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. – Siehaben geantwortet, dass die Zeitungsmacher nicht mit Ih-nen gesprochen haben. Kann ich Ihre Antwort so verste-hen, dass diese Äußerung nie von Ihnen gemacht wurde?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Ja.

(Dirk Niebel [FDP]: Das steht doch in der Zeitung!)

– Sie alle als Beteiligte wissen doch: Nicht alles, was inder Zeitung steht, muss auch so sein, wie es in der Zeitungsteht.

(Dirk Niebel [FDP]: Darf ich das bei Gelegen-heit zitieren?)

– Ja, das dürfen Sie bei Gelegenheit zitieren.

Frau Präsidentin, können wir die nächste Frageaufrufen?

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt hat die KolleginClaudia Nolte eine letzte Frage zu diesem Komplex. Dannwerde ich die dringliche Frage 2 aufrufen.

Claudia Nolte (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, ichhoffe, Sie haben im Hinterkopf, dass eine Behauptung, dieman ständig wiederholt, die Ursprungsbehauptung umsomehr stützt. Ich würde also bei Ihren vielmaligen Beteue-rungen, die Statistik werde erst in der nächsten Legisla-turperiode geändert, etwas aufpassen.

Vor dem Hintergrund, dass damals auch wir alsCDU/CSU-FDP-Regierung darüber nachgedacht haben,dass wir in Europa eine vergleichbare Arbeitslosenstatis-

tik brauchen, und es auf der anderen Seite dieses Hausessofort einen Aufschrei dahin gehend, dass dies zu Be-schönigungen führe, gab, frage ich Sie, ob Sie sich für denFall, dass wir in der nächsten Legislaturperiode wiedereine von CDU/CSU und FDP geführte Bundesregierunghaben werden – das ist sehr wahrscheinlich –, mit dergleichen Vehemenz, wie Sie das jetzt tun, um eine Ände-rung der Arbeitslosenstatistik bemühen werden.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Frau AbgeordneteNolte, als ehemaligem Mitglied der Bundesregierungmuss ich Ihnen zunächst einmal unterstellen – Sie habendas ja immerhin mit beschlossen –, dass Sie besondersdarin geübt sind, statistische Grundlagen zu verändern. Esgab bei Ihnen neun Änderungen der Arbeitslosenstatistik.Dabei mache ich – damit wir uns richtig verstehen –gleich eine Einschränkung: Seit 1990 gab es fünf Ände-rungen.

(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Ich hätte gerneine Antwort auf meine Frage!)

Das, was Sie unterstellt haben, ist von mehreren An-nahmen unterlegt. Auf mehrere Annahmen möchte ichnicht antworten. Ich gehe übrigens davon aus, dass dieBundesregierung, die erfolgreich gearbeitet hat, diese Ar-beit auch in der nächsten Legislaturperiode fortsetzenwird, sodass eine wichtige Grundlage Ihrer Frage völligentfallen ist.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun rufe ich diedringliche Frage 2 des Abgeordneten von Klaeden auf:

Wird die Bundesregierung die Statistik auch dahin gehend än-dern, alle Teilnehmer an Beschäftigungs- und Qualifizierungs-maßnahmen künftig neu in die Statistik aufzunehmen, weil es sichauch bei dieser Gruppe um Arbeitssuchende handelt, und wennnein, warum nicht?

Herr Staatssekretär.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr Abgeordneter vonKlaeden, zunächst einmal möchte ich feststellen: AlleTeilnehmer an Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaß-nahmen werden bereits heute in den Statistiken der Bun-desanstalt für Arbeit erfasst; das muss man wissen.

(Peter Dreßen [SPD]: So ist es! Das kann manüberall nachlesen! – Claudia Nolte [CDU/CSU]: Nicht als Arbeitslose!)

Wir zählen sie nicht als Arbeitslose, so wie sie in den16 Jahren Ihrer Regierung auch nicht als Arbeitslose ge-zählt wurden. Denn ihnen fehlt eine wichtige Grundlage:Wer sich in solchen Maßnahmen befindet, steht der Ver-mittlung nicht zur Verfügung.

(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Die würden sofort weggehen!)

Das habe ich im Zusammenhang mit meinen Antwortenauf die erste dringliche Frage schon mehrmals gesagt. Ichkann es gerne noch einmal tun: Da sie nicht der Vermitt-

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lung zur Verfügung stehen, werden sie auch nicht so ge-zählt, wie Sie das gerne wollen. Wir werden das auchnicht ändern.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zusatzfrage.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Die Fragen, diesich auf die Pressemitteilung vom Wochenende bezogenhaben, sind von Ihnen samt und sonders damit beantwor-tet worden, dass es sich um Falschmeldungen handelt.Können Sie mir noch einmal ausdrücklich bestätigen,dass es an der Spitze Ihres Hauses am Ende der letztenWoche oder am Wochenende

(Dirk Niebel [FDP]: Oder am Montag!)nicht die Absicht gab, die Arbeitslosenstatistik zu verän-dern, und dass die diesbezüglichen Nachrichten samt undsonders Falschmeldungen sind?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Man muss bei Ihnen im-mer aufpassen, wenn Sie fragen,

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie solltenauch sonst aufpassen, Herr Staatssekretär!)

weil Sie in Ihre Frage etwas hineingepackt haben, das hierso überhaupt nicht gesagt worden ist.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie habengesagt, das Zitat sei falsch!)

Ich habe an keinem Punkt erklärt, Herr von Klaeden, dassalle Meldungen, die es gab,

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ich frageSie das ja!)

samt und sonders falsch sind. Das war Ihre Frage, Herrvon Klaeden. Vielleicht darf ich jetzt auch einmal ant-worten.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das istmeine Frage, genau!)

Dass es keine Grundlage für eine solche Berichterstattunggebe, habe ich ebenfalls nicht gesagt.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir kom-men der Wahrheit ja näher!)

Ich habe ausdrücklich erklärt, dass ich ein Gesprächgeführt habe, und habe Ihnen auch erklärt, was in diesemGespräch gesagt worden ist. Ich kann Ihnen das noch ein-mal sagen: Wenn Sie sich das Zwei-Stufen-Programm derBundesregierung anschauen, finden Sie unter „kurzfris-tige Maßnahmen“ eine Veränderung der Vermittlungssta-tistik. Das ist sogar auf der Bundespressekonferenz amletzten Freitag vorgestellt worden. Der Text ist verteiltworden. Dass man daraus Veränderungen in der Statistikableitet, mag ja alles sein.

Ich erkläre Ihnen noch einmal: Die Bundesregierunghat nicht die Absicht, die Arbeitslosenstatistik in dieserLegislaturperiode zu ändern, Herr von Klaeden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie tut das deswegen nicht, weil sie davon ausgeht, dasssich die Arbeitsmarktlage bessert und wir diese Besserungnicht dadurch desavouieren wollen, dass uns unterstelltwerden könnte, wir würden die Arbeitsmarktstatistik ma-nipulieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und wenn sieschlecht ist?)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine weitere Nach-frage des Kollegen von Klaeden.

(Peter Dreßen [SPD]: Bald ist das Dutzendvoll!)

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Herr Staatssekre-tär, fühlt sich denn die Bundesregierung an die Aussagedes amtierenden Bundeskanzlers gebunden, dass sie esnicht verdient, wieder gewählt zu werden, wenn 3,5 Mil-lionen Arbeitslose – auf der Grundlage der jetzigen Sta-tistik, nehme ich einmal an – nicht erreicht werden?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Das ist wieder so einDing, das ich Ihnen gleich zurückgebe. Eine solche Aus-sage hat der Bundeskanzler nie getroffen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Nein. Eine solche Aussage – Sie können Ihre Fragenachlesen – hat der Bundeskanzler nie gemacht.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Als Kandidat!)

Deswegen antworte ich auf diese Frage auch nicht. Fik-tive Fragen beantworte ich nicht.

(Widerspruch bei der CDU/CSU – Dr. UweKüster [SPD]: Vorsicht, da drüben! Sonst gibtes eine Rüge der Präsidentin! – Eckart vonKlaeden [CDU/CSU]: Ein beeindruckenderUmgang mit der Wahrheit!)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt kommt eineFrage des Kollegen Niebel.

Dirk Niebel (FDP): Herr Staatssekretär, ich möchtenoch einmal auf die Ausgangsfrage zurückkommen, diedringliche Frage 2. Der Arbeitsminister hat in der Sen-dung, die Sie nicht gesehen haben und die ich mir offen-kundig eingebildet habe, im „Grünen Salon“ auf n-tv,nicht nur gefordert, die Statistik sofort, das heißt wirksamab dem Sommer dieses Jahres, um die vorhin erwähntenPersonengruppen zu bereinigen, sondern er hat auch ge-sagt, dass er das aus einem bestimmten Grund tut: Ermöchte mehr Ehrlichkeit in die Statistik hineinbringen.

(Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch was Gutes!So etwas wie Ehrlichkeit kennt die FDPnicht!)

Wenn wir einer Meinung sind, dass es nicht unbedingtfalsch ist, diese Vorschläge in Ruhe zu durchdenken, wäre

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es dann nicht ein Gebot der Ehrlichkeit – wann auch im-mer es eine entsprechende Änderung gibt –,

(Zuruf von der SPD: Niebel, wenn du von Ehr-lichkeit sprichst, dann fallen mir deine Zahlenein! Arbeitslosenzahlenfälscher!)

dass man die Personengruppen, die einen Arbeitsplatz ha-ben möchten, die aber in dem Moment zur Überbrückungetwas anderes machen, zum Beispiel ABM, SAM, Quali-fizierungsmaßnahmen, oder auch Sozialhilfebezieher, diearbeitsfähig sind, als Arbeitssuchende bzw. Arbeitslose indiese Statistik aufnimmt? Ich frage das vor dem Hinter-grund der Tatsache, dass auch während der Teilnahme aneiner Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Arbeitsvermitt-lung und der Aufnahme einer beitragspflichtigen, unge-förderten Beschäftigung immer noch grundsätzlich derVorrang zukommt.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterNiebel, Ihre Fragen beantworte ich immer gern,

(Dirk Niebel [FDP]: Das freut mich!)

insbesondere wenn sie mit einer Einleitung versehen sind.Es stimmt, dass ich die Sendung nicht gesehen habe. Esstimmt aber nicht, dass ich Ihnen unterstellt hätte, Sie hät-ten sich die Sendung nur eingebildet. Selbstverständlichmuss ich davon ausgehen, dass Sie, wenn Sie aus der Sen-dung zitieren, sie auch gesehen haben.

Die spannende Frage, die Sie jetzt gestellt haben, be-zieht sich darauf, wie man bestimmte Leute zählt.

(Peter Dreßen [SPD]: Der Niebel macht hierdoch nur Show!)

Darauf gebe ich Ihnen noch einmal eine Antwort: Wirzählen sie so, wie die Regierung Kohl – an der Sie betei-ligt waren – sie von 1982 bis 1998 ohne jede Änderunggezählt hat. Wir zählen sie so, wie es im Gesetz steht. DenGesetzestext habe ich Ihnen vorgetragen. Da Sie als ehe-maliger Arbeitsvermittler das Gesetz besonders genaukennen müssten, wissen Sie, wie die gesetzliche Grund-lage ist. Deswegen haben wir nicht die Absicht, hier etwaszu verändern.

(Peter Dreßen [SPD]: Aber gefälscht hat erauch!)

Ich verbinde das noch einmal mit der Erklärung, dassdiese Bundesregierung nicht die Absicht hat, die Arbeits-marktstatistik in dieser Legislaturperiode zu verändern,weil wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, wirwürden die Arbeitsmarktdaten mithilfe einer Statistikver-änderung verfälschen oder bewusst verbessern.

(Peter Dreßen [SPD]: Jetzt ist das Dutzend derWiederholungen bald voll!)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun fragt der KollegeMeckelburg.

Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Herr Staatsse-kretär, ich möchte gerne noch einmal auf die Infas-Studie,die Sie eben erwähnt haben, zurückkommen. Diese Stu-die trägt den Titel: Struktur der Arbeitslosigkeit. Sie istseit Mai letzten Jahres, wie man in der Presse im Januarnachlesen konnte, in internen Zirkeln diskutiert worden.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Davonweiß er bestimmt nichts!)

Diese Studie ist um den 20. Januar herum von HerrnBundesarbeitsminister Riester und dem damaligen Noch-Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit Jagoda vorge-stellt worden. Halten Sie es für reinen Zufall, dass die Stu-die genau zu dem Zeitpunkt veröffentlicht wurde, als auchSie zugaben, dass Sie Ihr Versprechen nicht mehr einhal-ten konnten und es im Schnitt des Jahres 4 Millionen Ar-beitslose würden?

Der Tenor dieser Studie, der auch letztes Wochenendewieder aufkam, war nämlich: Nicht alle Arbeitslosen kön-nen tatsächlich als Arbeitslose gewertet werden; 1,2 Mil-lionen davon sind gar nicht arbeitslos. Auch wenn Sie dieStatistik dieses Jahr nicht ändern wollen, sollte der Ein-druck vermittelt werden, dass die Statistik nicht stimmtund Sie besser sind, als die Menschen gedacht haben. Die-ser Eindruck ist doch nicht zu vermeiden.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-nister für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterMeckelburg, ich bin kein Anhänger irgendwelcher Ver-schwörungstheorien. Daher kann ich aus dem Ablauf vonTerminen keinen durch eine Verschwörung zustande ge-kommenen Zusammenhang sehen.

Sie wissen, dass in Mannheim die Fachhochschule derBundesanstalt für Arbeit ihren Sitz hat. Dort hat eine Ver-anstaltung stattgefunden, in der man sich mit dieser Stu-die auseinander gesetzt und befasst hat. Diese Studiewurde über einen längeren Zeitraum erhoben. An ihr ha-ben mehr als 20 000 Personen teilgenommen. Deshalb giltdie Studie als besonders repräsentativ und hat bestimmteErgebnisse hervorgebracht. Teilaspekte dieser Ergebnissemuss man weiter untersuchen. Daran ist nichts zu ändern.

Sie haben Recht: Ich habe Anfang dieses Jahres erklärt,dass wir im Winter eine Arbeitslosigkeit von etwa 4,3 Mil-lionen Arbeitslosen haben würden. Ich will nur die Zah-len richtig stellen, die Sie genannt haben. Die Zahl der Ar-beitslosen betrug im Januar 4,29 Millionen. Wie viel es imFebruar sein wird, wird abzuwarten sein. Aber aus der Er-fahrung der Jahre kann man davon ausgehen – Januar undFebruar sind bei der Arbeitslosigkeit immer dieSpitzenmonate, was mit Saison, Schneefall, Witterungund vielen anderen Dingen zu tun hat –, dass es entspre-chende Veränderungen geben wird.

Sie haben gefragt, ob dies alles ein Zufall sei. Ichglaube, dass diese terminliche Zusammenstellung Zufallwar. Sie wissen aus den Ausschussberatungen, dass derBundesarbeitsminister bei diesem Termin den Präsiden-ten der Bundesanstalt erstmalig mit den Ergebnissen desBundesrechnungshofes konfrontiert hat und dass darausdie Debatte geworden ist, die wir weder geplant noch an-gelegt haben. Sie wissen aus den Ausschussberatungen,

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dass der Bundesrechnungshof schon im letzten Frühjahrdie Untersuchung der Vermittlungsstatistik in den fünf Ar-beitsämtern geplant hat.

(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Oder derArbeitsminister hat nichts mitbekommen!)

Sie dürfen nicht davon ausgehen, dass die aus IhrerSicht böse und aus meiner Sicht erfolgreiche Bundes-regierung das mit einer langfristigen Strategie geplant hat.Das ist nicht der Fall.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun fragt der KollegePeter Weiß.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): HerrStaatssekretär, Herr Rürup, Mitglied im Sachverstän-digenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichenEntwicklung, hat in einem Gespräch mit der Tageszeitung„Die Welt“, abgedruckt am 26. Februar dieses Jahres, er-klärt:

Wenn man schon die Statistik bereinigt, dann solltenauch die rund 1,7 Millionen verdeckten Arbeitslosennachrichtlich ausgewiesen werden.

Da Sie entweder vor Ende der Legislaturperiode oder – falls Sie dann noch regieren – in der nächsten Legis-laturperiode eine Änderung der Arbeitslosenstatistik vor-nehmen werden, frage ich Sie: Überlegt die Bundes-regierung derzeit, diese Anregung von Herrn Rürupaufzugreifen? Nach dem heutigen Stand hätten wir dannnicht 4,3, sondern 6 Millionen Arbeitslose in der Statistikauszuweisen.

(Peter Dreßen [SPD]: Wer hat die höchste Zahlzu bieten?)

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-nister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Abgeordneter,ich weiß nicht, wie Sie auf die Zahl von 6 Millionen kom-men.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: 1,7 plus 4,3!)

Ich möchte es wiederholen: Wir haben die Zählweise, dieSie 16 Jahre lang und mit einer Reihe von Veränderungender Statistik fleißig betrieben haben, nicht geändert.

(Zuruf von der SPD: Kollege Weiß freut sicham meisten über seinen Einwand!)

Ich sage Ihnen noch einmal: Diejenigen, die an ABM-,Strukturanpassungs- oder Qualifizierungsmaßnahmenteilnehmen, werden gesondert ausgewiesen. Die „stilleReserve“ im weiteren Sinne wird geschätzt und kann sta-tistisch nicht erfasst werden.

Die spannende Frage, um die es geht, ist nicht, ob sieausgewiesen werden. Denn das werden sie längst. Diespannende Frage, um die es geht, ist, ob man sie als Ar-beitslose zählt. Ich habe schon mehrfach gesagt, wieArbeitslose gezählt werden und welche rechtliche Grund-lage, die wir übrigens auch nicht geändert haben, es dafürgibt. Sie werden es nicht glauben, aber zu Ihrer Regie-

rungszeit war sie genauso. Daher haben wir nicht die Ab-sicht, die Arbeitslosenstatistik bis zum Ende dieser Legis-laturperiode zu ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Im Übrigen darf ich Ihnen sagen, dass wir die Einset-zung einer Kommission unter Vorsitz von Herrn Dr. PeterHartz beschlossen haben, die bis zum 15. August diesesJahres Vorschläge vorlegen muss. Ich gehe davon aus,dass die Kommission solche Fragen diskutieren und ent-sprechende Vorschläge machen wird. Dann werden wiruns damit auseinander setzen.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun fragt der KollegeKlaus Grehn.

Dr. Klaus Grehn (PDS): Herr Staatssekretär, Ihnen istja sicher bekannt, dass der Bundesarbeitsminister wieder-holt, auch in diesem Hause, erklärt hat, dass er die Statis-tik treffsicherer machen will. Sie können sich aus der Zeit,als Sie beim Deutschen Gewerkschaftsbund waren, sichererinnern, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund die Zahlderjenigen, die verdeckt arbeitslos sind, benannt hat.

Erst in dieser Woche haben wir über Schwarzarbeit undillegale Beschäftigung diskutiert. Hier besteht ein ähn-liches Verhältnis. Denn auch hier wissen wir etwas, ob-wohl wir nichts wissen. Die Frage ist einfach: Beabsich-tigen Sie, dies als real existierendes Problem aufzugreifenund die Arbeitslosenstatistik treffsicherer zu machen? TunSie dies, indem Sie auch die Tatsache aufgreifen, dasszum Beispiel Kranke während ihrer Krankheit nicht mehrarbeitslos sind und aus der Statistik herausfallen usw.?Beabsichtigen Sie auch dies, um ganz genau deutlich zumachen, welche Anstrengungen dieses Land auf sich neh-men muss, um das reale Problem der Arbeitslosigkeit undnicht ein Scheinproblem zu bekämpfen?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-nister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Grehn, ich habeden Eindruck, dass sowohl die linke als auch die rechteSeite dieses Hauses möglicherweise ein Interesse daranhat, dass die Arbeitslosigkeit viel höher beschrieben wird,als wir es gegenwärtig tun.

(Dr. Klaus Grehn [PDS]: Nein, real! – Zurufvon der CDU/CSU: Unverschämt!)

Ich kann Ihnen sagen: Die Bundesregierung hat ein In-teresse daran, dass die Arbeitslosigkeit real dargestelltwird.

Jetzt nenne ich Ihnen ein Problem, zu dem auch Siesich verhalten müssen: Wenn sich jemand allein aus demGrund arbeitslos meldet, um eine Kindergeldzahlung auf-rechtzuerhalten, muss man die Frage beantworten, ob diesein Arbeitsloser ist oder ob er sich aus einem anderenGrund meldet.

(Dirk Niebel [FDP]: In der Konsequenz, ja!)

Oder wenn sich jemand arbeitslos meldet, der zwar längsteinen Job in der Tasche hat, aber, was ich verstehen kann,seine Versicherungsleistung aufrechterhalten möchte,

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muss man die Frage beantworten: Muss ich diese Personals Arbeitssuchenden bzw. Arbeitslosen zählen odermüsste ich mit diesem Problem nicht eigentlich andersumgehen? All diese Fragen sind zu erörtern. Dafür wirddie Kommission eingesetzt.

Ich nutze diese Gelegenheit, um noch einmal darzule-gen, dass diese Bundesregierung nicht die Absicht hat, dieArbeitslosenstatistik in dieser Legislaturperiode zu än-dern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie desAbg. Dr. Klaus Grehn [PDS] – Dr. Klaus Grehn[PDS]: Ich kann es jetzt auswendig! – PeterDreßen [SPD]: Es war der Sinn, dass Sie es aus-wendig können!)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun folgt die letzteFrage des Kollegen Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Staatssekretär, Siehaben jetzt wiederholt vorgetragen, dass es keiner Än-derung der Statistik bedarf, weil Sie in allernächster Zeitgroßartige Erfolge auf dem Arbeitsmarkt erwarten.

(Peter Dreßen [SPD]: Sehr gut, Herr Kolb!)

Nun war es aber so, dass wir mit den Arbeitslosenzahlenvom Januar dieses Jahres zum 16. Mal in Folge einen sai-sonbereinigten Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Kenntnisnehmen mussten. Alles spricht dafür, dass die saison-bereinigte Arbeitslosigkeit im Februar dieses Jahres er-neut und damit zum 17. Mal in Folge steigen wird. Nam-hafte Forschungsinstitute gehen davon aus, dass sichdieser Zustand, die Zunahme der saisonbereinigten Ar-beitslosigkeit, bis zum Sommer dieses Jahres fortsetzenwird,

(Detlev von Larcher [SPD]: Weil die Regierungunter Ihnen vorher Rekorde verzeichnet hat!)

und zwar auch deswegen, weil die Erwerbstätigkeit, an-ders als dies vorher der Fall gewesen ist, zurzeit nichtmehr zunimmt.

Herr Staatssekretär, meine Frage ist: Wann genau rech-net die Bundesregierung mit der Wende auf dem Arbeits-markt? Es ist nicht mehr viel Zeit bis zur Ablösung dieserRegierung. Es sind noch sieben Monate. Daher müsste esdoch möglich sein, den genauen Zeitpunkt etwas engereinzugrenzen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-nister für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterKolb, eigentlich ist es schade, wie sehr Sie Ihre Fragedurch Ihre Schlussbemerkung selbst desavouiert haben,weil die Bundesregierung die Arbeitslosenstatistik nichtim Zusammenhang mit der Ablösung der Bundesregie-rung sieht. Wie kämen wir darauf? Der Zusammenhang,den Sie da herstellen, ist völlig absurd.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann sagen Siedoch einfach genau, wann die Wende kommt!)

Wenn ich korrekt sagen könnte, wann dieser Zeitpunktsein wird, würde ich dies tun. Ich habe keine Absicht, michfestzulegen. Ich bin auch nicht das Orakel von Delphi.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Diesen Eindruck hatten wir gerade eben!)

Sie können aber davon ausgehen – auch Sie als ehe-maliger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium,der über viele Jahre die Verantwortung in der Vorgänger-bundesregierung mitgetragen hat und der sich mit ökono-mischen Daten befasst, wissen dies –, dass es eine Reihevon Indikatoren gibt, die in der Tat eine wirtschaftlicheBelebung bestätigen. Wir gehen auch davon aus, dass sichdie Situation auf dem Arbeitsmarkt bessert.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Damit haben wir diedringlichen Fragen 1 und 2 beantwortet. Wir danken demHerrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.

Die Fraktion der CDU/CSU hat im Anschluss an dieFragestunde eine Aktuelle Stunde beantragt. Diese Aktu-elle Stunde ist nach den Richtlinien zulässig. Sie wird imAnschluss an die Fragestunde stattfinden; das ist ungefährin einer Stunde.

Wir kommen nun zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung. Zur Beantwor-tung steht die Parlamentarische Staatssekretärin BrigitteSchulte zur Verfügung. Die dringlichen Fragen 3 und 4sind schriftlich zu beantworten.

Ich rufe die dringliche Frage 5 des Kollegen WolfgangGehrcke auf:

Treffen Meldungen zu, wonach wesentliche Änderungen ander zahlenmäßigen Aufgliederung für den Einsatz der deutschenStreitkräfte unter Punkt 5 des Antrags der Bundesregierung (sieheBundestagsdrucksachen 14/7296 und 14/7447, 100 Soldaten Spe-zialkräfte) vorgenommen wurden (dpa-Meldung vom 24. Februar2002 zu den Aussagen des Vorsitzenden des Verteidigungsaus-schusses, Helmut Wieczorek, in der ARD), und wenn ja, wie er-klärt dies die Bundesregierung?

Frau Staatssekretärin, bitte sehr.

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Herr Kollege Gehrcke, die imBundestagsbeschluss vom 16. November 2001 für dieeinzelnen Streitkräfte im Rahmen der Operation „En-during Freedom“ aufgeführten Personalstärken wurdenund werden nicht überschritten. Also: Zu keiner Zeit wa-ren bis zum heutigen Tage mehr als 100 Soldaten der Spe-zialkräfte eingesetzt.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zusatzfrage? – Bittesehr.

Wolfgang Gehrcke (PDS): Frau Staatssekretärin,könnten Sie mir vielleicht den Widerspruch zu den Pres-seerklärungen des Vorsitzenden des Verteidigungsaus-schusses, Herrn Wieczorek, der deutlich über 200 KSK-Kräfte genannt hat, erklären? Herr Wieczorek gehört jaauch der Regierungskoalition an. Sie nennen immer eineZahl von weniger als 100, er dagegen spricht von mehr als

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200. Sie müssen daher verstehen, dass die Öffentlichkeitoder ein armer Abgeordneter, der nicht informiert wird,nachfragt, was nun stimmt.

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Selbstverständlich. Ich ver-stehe auch, dass Sie als Oppositionspolitiker, nachdemdas Thema in die Öffentlichkeit gelangt ist, danach fra-gen. Es handelt sich um nicht einmal 100 Kräfte. Der Kol-lege Wieczorek hat erklärt, er habe, als eindringlich da-nach gefragt wurde, offensichtlich diese Zahl mit anderenZahlen, die aufgeführt sind, verwechselt. Ich will einesder Korrektheit halber sagen: Innerhalb der festgelegtenObergrenze von 3 900 Soldaten hätte in Abhängigkeit vonden Erfordernissen natürlich der Bundesminister der Ver-teidigung, weil er vom Parlament ermächtigt worden ist,in Abstimmung mit dem Außenminister die Zahl verän-dern können. Es ist aber eindeutig so, dass die Zahl unter100 liegt. Herr Wieczorek hat das dann auch so dar-gestellt. So ist das in die Öffentlichkeit gelangt. Er hat ge-sagt, er habe es verwechselt. Ich kann das nur so zurKenntnis nehmen und entsprechend wiedergeben. Richtigist auf jeden Fall meine Zahl.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Noch eine Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (PDS): Ich möchte nachfragen:Der Herr Bundeskanzler hat am 8. November 2001 imParlament erklärt:

Mir ist besonders wichtig festzuhalten: Es geht we-der um eine deutsche Beteiligung an Luftangriffennoch um die Bereitstellung von Kampftruppen amBoden.

Hat sich auch der Herr Bundeskanzler in seinen Aussagen,ebenso wie der Kollege Wieczorek bei der Nennung derZahlen, geirrt? Heute habe ich mir im Auswärtigen Aus-schuss von Ihrem Kollegen Stützle erklären lassen, dassdie KSK-Kräfte weder am Boden noch in der Luft nochim Wasser operieren. Es muss sich also um himmlischeWesen handeln. Können Sie mir wenigstens bestätigen,dass es Kampftruppen sind?

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Ich kann auch bestätigen, dassder Deutsche Bundestag mit einer großen Zahl von Stim-men der Abgeordneten – leider nicht mit Ihrer Stimme –in seinem Beschluss festgelegt hat:

Der Einsatz militärischer Mittel ist unverzichtbar,um die terroristische Bedrohung zu bekämpfen undeine Wiederholung von Angriffen wie am 11. Sep-tember 2001 nach Möglichkeit auszuschließen. DerDeutsche Bundestag stimmt daher der Beteiligungbewaffneter deutscher Streitkräfte an der OperationEnduring Freedom zu ...

(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das hatte ich nichtgefragt! Ich hatte gefragt, ob es Kampftruppensind!)

Damit ist ganz klar, Herr Kollege – der deutsche Bun-deskanzler hat am 16. November mit uns gestimmt –,dass die deutschen Streitkräfte im Rahmen der Operation„Enduring Freedom“ die gesamte Palette der Aufgabenwahrnehmen müssen. Eingegrenzt ist das Gebiet, aufwelchem sich die Truppen bewegen.

Ich kann das, was Sie hier gesagt haben, nicht nach-vollziehen. Ich muss es Ihnen glauben, aber entscheidendist der Beschluss des Bundestages.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat der KollegeHübner eine Frage.

Carsten Hübner (PDS): Frau Staatssekretärin, die Er-regungen der letzten Tage sind ja vor allem durch eine ausunserer Sicht nicht hinreichende Informationspolitik derBundesregierung zustande gekommen. Wie können Sie esaus Ihrer Sicht erklären, dass bereits am 18. Januar diesesJahres, also vor mehr als einem Monat, der US-amerika-nische Oberbefehlshaber in Afghanistan öffentlich darü-ber Auskunft gegeben hat, dass deutsche, britische, türki-sche und amerikanische Spezialeinheiten gemeinsam imSüden Afghanistans tätig sind, während eine Aussage derBundesregierung gegenüber dem Parlament, aber auchgegenüber der deutschen Öffentlichkeit erst einen Monatspäter zustande gekommen ist, obwohl es in der Zwi-schenzeit häufig Nachfragen in dieser Richtung gegebenhat?

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Ich kann Ihnen das damit er-klären, dass diese Gruppe von Soldaten mit Zustimmungdes deutschen Parlaments 1995 aufgestellt wurde unddiese Truppe nun einmal Aufgaben im Rahmen desGrundgesetzes wahrzunehmen hat, über die nicht unbe-dingt die Diskussion in der Öffentlichkeit geführt werdenmuss. Auch nur zum Schutz der Soldaten und ihrer An-gehörigen bin ich gewillt, Ihnen diese klare Aussage hierzu geben.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine weitere Nach-frage gibt es nicht.

(Abg. Carsten Hübner [PDS] meldet sich zueiner weiteren Zusatzfrage)

– Sie selber haben die ursprüngliche Frage nicht gestellt;deswegen können Sie nur eine Nachfrage stellen. Wirkommen aber noch einmal zu diesem Thema. Bitte habenSie Geduld.

Ich rufe die dringliche Frage 6 des Kollegen WolfgangGehrcke auf:

Wenn ja, warum wurde diese wesentliche Veränderung, dielaut Ziffer 5 des Beschlusses des Deutschen Bundestages zumMandat vom 16. November 2001 zwar möglich, aber nach der zu-gehörigen Protokollerklärung vom 15. November 2001 an Kon-sultationen gebunden wird, durchgesetzt, ohne die vorgesehenenKonsultationen mit den Fachausschüssen oder Fraktionen desDeutschen Bundestages durchzuführen?

In dieser Frage geht es um dasselbe Thema in Variatio-nen.

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Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Diese Frage beantworte ich miteinem klaren Nein.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage?

Wolfgang Gehrcke (PDS): Selbstverständlich ergibtsich daraus eine Zusatzfrage. Frau Staatssekretärin, ichbitte, mir wirklich zu beantworten, ob Sie zumindest be-stätigen können, dass die KSK eine Kampftruppe ist.

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Die KSK haben wir – daskonnten Sie nachlesen und das kann man, im Gegensatzzu anderen Bereichen, auch der Öffentlichkeit sagen –nach den Erkenntnissen internationaler Einsätze aufge-stellt. Sie hat in erster Linie die Aufgabe, Konflikte mög-lichst ohne Kampfeinsatz zu lösen.

(Zuruf des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS])

Sie soll Menschen retten. Sie ist aber in der Lage, auch mi-litärische Kampfeinsätze wahrzunehmen; sie ist wirklichkeine Caritas-Einrichtung. Sie steht unter dem Primat derPolitik des Deutschen Bundestages und der Bundesregie-rung und sie steht unter dem Schutz des Grundgesetzes.Deswegen habe ich nicht das geringste Problem, zu sagen:Ja, unsere Spezialkräfte können natürlich auch militärischeAufgaben wahrnehmen, wie übrigens alle 300 000 Solda-ten, sofern es sich nicht um Wehrpflichtige handelt.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage,bitte sehr.

Wolfgang Gehrcke (PDS): Mir ist ja schon klar: Wersich beschwert, wird belehrt. Aber ich komme noch ein-mal auf die Aussage des Bundeskanzlers zurück,

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das lohntnicht!)

der gesagt hat: Es sind keine Kampfeinsätze am Bodenvorgesehen. Sie haben mir jetzt bestätigt: Es ist eineKampftruppe, sie operiert am Boden, in der Luft und imWasser.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist bestimmt eine Chefsache!)

Kann ich jetzt festhalten, dass die Aussage des Bundes-kanzlers in seiner Regierungserklärung am 8. November,die für viele Abgeordnete für ihre Entscheidung, ob siezustimmen oder nicht zustimmen, wichtig war, falsch ge-wesen ist?

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das muss erstzur Chefsache gemacht werden!)

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Das können Sie nicht fest-stellen. Ich wiederhole noch einmal: Der deutsche Bun-deskanzler hat das nicht nur im Kabinett – derKabinettsbeschluss sah nicht anders aus als das, was das

deutsche Parlament anschließend am 16. November be-schlossen hat – erklärt. Uns allen war klar, dass dies einschwieriger Einsatz wird und dass die Terrorismus-bekämpfung – wir sind schließlich schlimmsten Verbre-chern auf der Spur – natürlich auch militärische Mittelund deren Einsatz verlangt.

(Dr. Barbara Höll [PDS]: Hat er also doch gelogen!)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun kommt der Kol-lege Hübner mit einer Zusatzfrage.

Carsten Hübner (PDS): Frau Staatssekretärin, ichmag ja gerne einsehen, dass es in der Frage, wo und wannSpezialkräfte mit welchem Auftrag eingesetzt sind,durchaus Aspekte gibt, die der Geheimhaltung unterlie-gen. Die Frage des Ob wird jedenfalls in allen anderenLändern, die an diesen Operationen beteiligt werden, an-ders gehandhabt als in der Bundesrepublik. Das gebietetaus meiner Sicht auch die Möglichkeit demokratischerKontrolle. Sind Sie deshalb der Auffassung, dass die an-deren Staaten – die Türkei, die USA, damit der zitierteUS-Oberbefehlshaber, oder die Briten – sehr viel wenigerfürsorglich mit den von ihnen eingesetzten Soldaten um-gehen als die Bundesregierung?

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Herr Hübner, ich wiederhole,was ich bereits erwähnt habe. Im Beschluss des Bundes-tags ist dezidiert von 100 Spezialkräften die Rede gewe-sen. Darüber hinaus hat das Parlament die Bundesregie-rung ermächtigt, dass unterhalb der festgelegtenObergrenze von 3 900 Soldaten in Abhängigkeit von denErfordernissen des Einsatzes Abweichungen von der je-weils genannten Größenordnung möglich sind.

Das deutsche Parlament verfügt über geschlosseneAusschüsse, in denen die Parlamentarier selbstverständ-lich Auskunft bekommen. Bei Einhaltung der Geheimhal-tungsstufen ist eine Unterrichtung über den Einsatz derStreitkräfte, ihren Aufenthaltsort und die Zahl der Solda-ten an den jeweiligen Aufenthaltsorten erfolgt.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat der KollegeDr. Seifert eine Zusatzfrage.

Dr. Ilja Seifert (PDS): Frau Staatssekretärin, Sie spra-chen vorhin ausdrücklich davon, dass der Auftrag derdeutschen Streitkräfte und ihr Einsatzort genau umschrie-ben seien. Ich kann mich recht gut daran erinnern, dassimmer wieder von Kabul und Umgebung gesprochenwurde, wenn von Afghanistan die Rede war. Jetzt aber istin Meldungen die Rede davon, dass die KSK ganz woan-ders in Afghanistan eingesetzt ist. Können Sie das be-stätigen? Ich frage Sie auch, wann und vor allem unterwelchem Kommando diese Truppe erstmalig dortgekämpft hat. Denn bekanntlich läuft neben dem von unsbeschlossenen Einsatz gleichzeitig auch der amerikani-sche Einsatz, der nichts mit „Enduring Freedom“ zu tunhat.

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Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Herr Kollege Seifert, Einsatz-gebiet im Rahmen von „Enduring Freedom“ ist gemäßArt. 6 Nordatlantikvertrag die arabische Halbinsel, Mit-tel- und Zentralasien und Nordostafrika sowie die an-grenzenden Seegebiete. Was Sie jetzt gemeint haben, istder Friedenseinsatz, der als Folge der Petersberger Be-schlüsse mit ISAF verbunden ist. Das hat nichts mit „En-during Freedom“ zu tun, sondern ist eine Folgeoperation,an der die Bundeswehr in Kabul bzw. auf dem Weg nachKabul in der Tat noch an anderen Stellen operiert. Aber für„Enduring Freedom“, worüber wir gerade reden, ist dasEinsatzgebiet in dem Beschluss umfassend definiert wor-den.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun kommt diedringliche Frage 7 des Abgeordneten Carsten Hübner:

Haben bundesdeutsche Spezialeinheiten bei ihrem Einsatz imRahmen von „Enduring Freedom“ Personen verhaftet bzw. gefan-gen genommen, und wie ist mit diesen Personen, gegebenenfallshinsichtlich einer möglichen Überstellung in das GefangenenlagerGuantanamo in Kuba, weiter verfahren worden?

Frau Staatssekretärin.

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Nein, Herr Kollege Hübner,die Bundesregierung kann diese Behauptung nicht be-stätigen.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage.

Carsten Hübner (PDS): Es handelt sich um eineFrage, die formuliert worden ist, und nicht um eine Be-hauptung, die es zu bestätigen gilt oder nicht. In diesemSinne bitte ich um die Beantwortung der Frage.

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Entschuldigung. – Kann die Bun-desregierung Informationen der Nachrichtenagentur – –

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Das ist die Frage 8,Frau Staatssekretärin. Wir sind noch bei Frage 7.

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Nein, die habe ich schon be-antwortet.

(Carsten Hübner [PDS]: Nein!)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Es geht zwar um den-selben Komplex, aber wir sind noch bei der dringlichenFrage 7. Ich wiederhole sie:

Haben bundesdeutsche Spezialeinheiten bei ihremEinsatz im Rahmen von „Enduring Freedom“ Perso-nen verhaftet bzw. gefangen genommen, und wie istmit diesen Personen, gegebenenfalls hinsichtlich ei-ner möglichen Überstellung in das GefangenenlagerGuantanamo in Kuba, weiter verfahren worden?

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bun-desminister der Verteidigung: Meine vorangegangeneAntwort darauf war ein klares Nein.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Die Staatssekretärinhat die Frage also verneint.

Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Carsten Hübner (PDS): Aus welchen militärischenAktivitäten speist sich dann, wenn es nicht zum Beispielum Verhaftungen oder militärische Auseinandersetzun-gen im eigentlichen Sinne geht, das Lob verschiedenerStreitkräfte gegenüber den Einsatzaktivitäten der Bun-deswehr, auf das der Bundesverteidigungsminister inmehreren Pressemitteilungen hingewiesen hat?

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Wollen Sie darauf eine ernsteAntwort haben?

Carsten Hübner (PDS): Ich würde die Frage sonstnicht stellen.

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bun-desminister der Verteidigung: Die Frage nach der Über-stellung in das Gefangenenlager Guantanamo in Kuba,die Sie gestellt haben, enthält doch eine Unterstellung.

(Carsten Hübner [PDS]: Das haben Sie garnicht festzustellen!)

Erstens wird dieses Lager nicht von uns geführt. Zweitens– das sage ich deutlich – haben unsere Soldaten entspre-chende Personen nicht verhaftet bzw. gefangen genom-men.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun rufe ich dieFrage 8 des Kollegen Carsten Hübner auf.

(Carsten Hübner [PDS]: Nein, ich habe nocheine Nachfrage!)

– Bitte sehr, noch zur Frage 7.

Carsten Hübner (PDS): Sie können also hier definitvfeststellen, dass bei dem Einsatz der KSK-Einheiten derBundeswehr in den letzten Monaten keine Gefangenengemacht wurden und dass auch keine Personen, die imGewahrsam der Bundeswehr waren, nach GuantanamoBay überführt worden sind?

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bun-desminister der Verteidigung: Ich habe Ihre Frage miteinem klaren Nein beantwortet.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun kommen wir zurdringlichen Frage 8 des Kollegen Carsten Hübner:

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Kann die Bundesregierung Informationen der Nachrichten-agentur Reuters vom 24. Februar 2002 unter Verweis auf Angabender „Stuttgarter Zeitung“ bestätigen, nach denen deutsche Bun-deswehrsoldaten auf dem US-Stützpunkt in Kandahar gegenüberamerikanischen Soldaten einschreiten mussten, weil diese hart ge-gen Gefangene vorgingen und insgesamt unter den amerikani-schen Soldaten eine aggressive Stimmung vorherrsche?

Frau Staatssekretärin.

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bun-desminister der Verteidigung: Aus gegebenem Anlasstrage ich zunächst den Wortlaut Ihrer Frage vor: Sie habengefragt, ob „die Bundesregierung Informationen derNachrichtenagentur Reuters vom 24. Februar 2002 unterVerweis auf Angaben der ,Stuttgarter Zeitung‘ bestätigen“kann, „nach denen deutsche Bundeswehrsoldaten auf demUS-Stützpunkt in Kandahar gegenüber amerikanischenSoldaten“ hätten einschreiten müssen, „weil diese hartgegen Gefangene“ vorgegangen seien „und insgesamtunter den amerikanischen Soldaten eine aggressive Stim-mung vorherrsche“. Ich wiederhole die Antwort, die ichschon eben gegeben habe: Nein, diese Behauptung kannich nicht bestätigen.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zusatzfrage.

Carsten Hübner (PDS): Können Sie sagen, unterwelchem Oberkommando sich die deutschen Einheitenbefinden, die im Zusammenhang mit US-amerikanischen,britischen und türkischen Spezialeinheiten eingesetztwerden?

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Das geht bereits aus dem Be-schluss hervor.

(Dr. Barbara Höll [PDS]: Das ist aber keineAntwort!)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine weitere Zusatz-frage, Herr Kollege Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (PDS): Frau Staatssekretärin,sind Sie bereit, mir zumindest zu bestätigen, dass derAuswärtige Ausschuss, der in den Beschlüssen als feder-führender Ausschuss genannt ist, zu keinem Zeitpunktüber das Ob des Einsatzes der KSK-Kräfte und über ihrenAufenthalt informiert worden ist, weder in den Be-sprechungen der Obleute noch in einer normalen Sitzungnoch unter „geheim“ oder „streng vertraulich“? DerAuswärtige Ausschuss ist heute zum ersten Mal vom Bun-desaußenminister – unzureichend, wie ich finde; dasbrauchen Sie aber nicht zu kommentieren – informiertworden.

Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister der Verteidigung: Ich kann Ihnen dies deshalbnicht bestätigen, weil ich mich selten im AuswärtigenAusschuss aufhalte und nicht weiß, was Sie auf die Tages-

ordnung gesetzt haben. Als ich gefragt worden bin, bin icheinige Male bei Ihnen gewesen. In dem Beschluss heißt esaber klar und deutlich:

Der Bundesminister der Verteidigung wird ermäch-tigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister desÄußeren für die deutsche Beteiligung an der Opera-tion „Enduring Freedom“ die entsprechenden Kräfteanzuzeigen ... und im Rahmen der Operation „Endu-ring Freedom“ einzusetzen.

Der Verteidigungsausschuss ist bei entsprechend klassifi-zierten Geheimhaltungsgraden unterrichtet worden.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Damit sind die dring-lichen Fragen erledigt. Ich danke der Frau Staatssekre-tärin für die Beantwortung der Fragen aus dem Ge-schäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung.

Wir kommen nun zu den Fragen auf Drucksache14/8318 in der üblichen Reihenfolge. Wir beginnen mitdem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz.Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentari-scher Staatssekretär Dr. Pick zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Dr. Jürgen Gehb auf:Welche Änderungen der Strafandrohung für die Störung des

öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten analog demdeutschen § 126 Strafgesetzbuch, „Trittbrettfahrer“, werden nachKenntnis der Bundesregierung in den Mitgliedstaaten der Euro-päischen Union geplant bzw. sind seit dem 11. September 2001vollzogen worden?

Herr Staatssekretär, bitte sehr.

Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin der Justiz: Herr Kollege Dr. Gehb, ich kannmich hier kurz fassen und auf meine Antwort vom 3. Ja-nuar dieses Jahres auf Ihre gleich lautende schriftlicheFrage vom 18. Dezember 2001 verweisen. Damals habeich mitgeteilt, dass dem Bundesministerium der Justizkeine aktuellen Erkenntnisse zu der Frage vorliegen, eineentsprechende Umfrage unter den Mitgliedstaaten der Eu-ropäischen Union allerdings veranlasst ist. Einen anderenSachstand gibt es gegenwärtig noch nicht. Ich habe Ihnendamals zugesichert, dass Sie über das Ergebnis der Um-frage informiert werden.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zusatzfrage, HerrKollege.

Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,ist damit zu rechnen, dass diese Frage beantwortet wird,wenn ich noch einmal vier Wochen zuwarte? Ich fragedies vor dem Hintergrund, dass mir Erkenntnisse darübervorliegen, dass in Österreich und Großbritannien im-mense Strafverschärfungen bei der Strafandrohung gegenso genannte Trittbrettfahrer angekündigt sind. Wird alsoin vier Wochen eine offizielle Antwort vorliegen, sodassich mich nicht mehr aus anderen Quellen bedienen muss?

Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin der Justiz: Herr Kollege Dr. Gehb, ich habe

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Verständnis für Ihre Ungeduld; auch wir sind ungeduldig.Sie wissen, wie es bei Umfragen im europäischen Raumund auch in der Europäischen Union ist: Antworten gehennicht immer so zügig ein, wie wir es uns vorstellen. In die-sem Fall ist das Auswärtige Amt eingeschaltet worden,um eine umfängliche und erschöpfende Antwort auf IhreFrage zu bekommen. Sobald wir diese Antwort haben,geht sie Ihnen automatisch zu.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich rufe Frage 2 desAbgeordneten Dr. Jürgen Gehb auf:

Welche Änderungen im Strafrecht plant die Bundesregierungals Folge der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vom 19. Oktober 2001, dass „gegen die ver-antwortungslosen Personen, die die derzeitige Situation ausnut-zen, um falschen Alarm auszulösen, … die Mitgliedstaatenentschlossene Maßnahmen ergreifen (werden), indem sie insbe-sondere Straftaten dieser Art streng ahnden“?

Herr Staatssekretär, bitte.

Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin der Justiz: Herr Kollege Dr. Gehb, die Perso-nen, die nach den schrecklichen Ereignissen des 11. Sep-tember 2001 als so genannte Trittbrettfahrer Menschen inAngst und Schrecken versetzen, indem sie zum Beispielvermeintlich mit Krankheitserregern verseuchte Briefeversenden oder mit Bomben drohen, handeln nicht nur un-verantwortlich, sondern auch in höchstem Maße gemein-schädlich. Ein solches Verhalten muss konsequent geahn-det werden. Darüber besteht, denke ich, Einvernehmenzwischen uns.

Soweit Sie die Forderung der EU-Staats- und Regie-rungschefs nach entschlossenen Maßnahmen mit derFrage nach Änderungen im Strafrecht verbinden, kommeich allerdings zu einer etwas anderen Beurteilung derRechtslage. Nach meinem Dafürhalten reicht das gegen-wärtige Recht durchaus aus, um eine nachdrückliche Ver-folgung und Bestrafung der Täter zu gewährleisten. Ichdenke hier vor allen Dingen an die Strafvorschrift des§ 126 des Strafgesetzbuches, deren Strafdrohung Gegen-stand zweier dem Bundestag zur Beratung vorliegenderGesetzesinitiativen, die des Bundesrates und die IhrerFraktion, ist. Bereits in ihrer Stellungnahme zum Gesetz-entwurf des Bundesrates hat die Bundesregierung Zweifelgeäußert, ob es zur konsequenten Verfolgung und Bestra-fung solcher Straftäter tatsächlich erforderlich ist, dieStrafdrohung des § 126 StGB zu erhöhen.

Ich möchte für alle, denen die Einzelheiten momentannicht gegenwärtig sind, Folgendes hinzufügen: Der schongeltende § 126 des Strafgesetzbuches ermöglicht es denStrafgerichten, sehr hohe Geld- und Freiheitsstrafen zuverhängen. Das Höchstmaß der Geldstrafe beträgt1,8 Millionen Euro, das der Freiheitsstrafe drei Jahre.Mithin bietet bereits die geltende Fassung der Straf-vorschrift die Möglichkeit, empfindliche Geldstrafen undFreiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren zu verhängen.Letzteres schließt eine Strafaussetzung zur Bewährungaus.

Bei den der Bundesregierung bisher bekannt geworde-nen Verurteilungen sind keine Geldstrafen, sondern aus-

schließlich Freiheitsstrafen verhängt worden. Zu einemgroßen Teil wurden die Freiheitsstrafen nicht zur Be-währung ausgesetzt. So wurde in einem Fall eine Strafevon sechs Monaten ohne Bewährung und in einem an-deren Fall eine Strafe von acht Monaten ohne Bewährungverhängt. Ich darf mit Genugtuung feststellen, dass dieJustizbehörden der Länder ausgesprochen prompt undzügig reagiert haben. Nach Auffassung der Bundes-regierung ist damit der richtige Weg vorgezeichnet. Esgeht darum, eine Störung des öffentlichen Friedens durchAndrohung von Straftaten so schnell wie möglich zu ahn-den und dabei den bereits vorhandenen Strafrahmen kon-sequent auszuschöpfen. Dafür spricht, dass die ver-hängten Urteile offensichtlich Wirkung gehabt haben.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage,Herr Kollege Dr. Gehb, bitte sehr.

Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Herr StaatssekretärPick, Sie wissen ja, dass auf der Tagung der Staats- undRegierungschefs der EU der Bundeskanzler die Erklärungunterschrieben hat, dass „gegen die verantwortungslosenPersonen, die die derzeitige Situation ausnutzen, umfalschen Alarm auszulösen, ... die Mitgliedstaaten ent-schlossene Maßnahmen ergreifen werden, indem sie ins-besondere Straftaten dieser Art streng“ – ich betone:streng – „ahnden“. Hat der Bundeskanzler damit viel-leicht mehr versprochen, als die Bundesregierung – die-sen Eindruck haben die in der ersten Lesung gehaltenenReden erweckt – halten kann? Was gedenkt die Bundes-regierung in Anbetracht der Tatsache, dass in Großbritan-nien und Österreich Freiheitsstrafen von bis zu siebenoder sogar zehn Jahren gegen Trittbrettfahrer verhängtwerden können, zu tun?

Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin der Justiz: Herr Kollege Dr. Gehb, der Bun-deskanzler hat die gegenwärtige Rechtslage genau imAuge gehabt, als er die Erklärung unterschrieben hat;denn eine strenge Bestrafung ist bei einem Strafmaß vonbis zu drei Jahren ohne Bewährung auch in Deutschlandmöglich. Zum anderen haben wir mit der Androhung ei-ner Geldstrafe bis zu 1,8 Millionen Euro einen Weg vor-gezeichnet, der in den anderen Staaten noch nicht gangund gäbe ist.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zusatzfrage? – Bittesehr.

Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Die Bundesregierunghat in ihrer Stellungnahme in der Drucksache 14/8201 da-rauf verwiesen, dass in diesen Fällen ausschließlich Frei-heitsstrafen verhängt worden seien. Ist der Bundesregie-rung das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 6. Dezemberletzten Jahres bekannt, wonach zwei so genannte Milz-brand-Trittbrettfahrer – es handelte sich also um keinharmloses Vergehen, sondern um etwas Bösartiges – le-diglich zu Geldstrafen in Höhe von 1 600 DM verurteiltwurden?

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Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin der Justiz: Herr Kollege Dr. Gehb, dieses Ur-teil ist mir nicht bekannt. Ich habe in dieser Stellung-nahme zwei Urteile, in denen Freiheitsstrafen ohneBewährung ausgesprochen worden sind, berücksichtigt.Mein Eindruck ist, dass die Gerichte im Rahmen der vor-handenen Möglichkeiten auf den individuellen Fall, denich nicht beurteilen kann, angemessen reagieren können.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Damit ist der Ge-schäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz been-det. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beant-wortung der Fragen.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriumsder Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht dieParlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Norbert Röttgen auf:Was hat die Bundesregierung zu ihren Ausführungen zur Um-

satzsteuerpflicht von Betreuungsvereinen in dem Rundschreibendes Bundesministeriums der Finanzen vom 21. September 2000veranlasst, wenn die Betreuungsvereine ohnehin auch zuvor mitihrer Umsatzsteuerpflichtigkeit rechnen mussten, dies daher auchden örtlichen Finanzämtern bekannt sein musste und diese Aus-führungen auch nicht durch das Berufsvormündervergütungsge-setz, das am 1. Januar 1999 in Kraft getreten ist, motiviert waren?

Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Herr Kollege Röttgen, An-lass für das BMF-Schreiben vom 21. September 2000war, eine einheitliche Rechtsauslegung durch die Finanz-verwaltungen sicherzustellen. Im Übrigen verweise ichauf meine Antworten zu Ihren Fragen 28 und 29 in derFragestunde der vergangenen Woche, die Ihnen schrift-lich zugegangen sind, obwohl Sie unentschuldigt nichthier waren.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehrgut!)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage,Herr Kollege.

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Sehr geehrte FrauStaatssekretärin, ich bedauere es bis auf den heutigen Tag,dass ich eine Minute zu spät gekommen bin, weil zuvor soviele Fragen schriftlich beantwortet worden sind. Neh-men Sie es als Zeichen meiner Buße, dass ich heute schonseit anderthalb Stunden hier bin. Es hat mir natürlich gutgetan, hier zu sein.

Nun möchte ich zu der Frage kommen. Die von Ihnenangesprochene einheitliche Rechtsauffassung führt zumassiven, rückwirkenden Steuerforderungen an imWesentlichen ehrenamtlich arbeitende Betreuungsver-eine. Ihre Antwort wirft die Frage auf, ob diesen Vereinenkein Vertrauensschutz zuzubilligen ist. Dafür gibt es fol-gende Argumente:

Die Rechtsauffassung, die die Bundesregierung ver-tritt, ist ernsthaft umstritten. Renommierte Steuerrechtler

halten die Auffassung der Bundesregierung für euro-parechtswidrig. Die Bundesjustizministerin hat zumin-dest angedeutet, dass auch sie selbst eine andere Auffas-sung vertritt. Schließlich haben die zuständigenFinanzämter über Jahre die überwiegend ehrenamtlich ar-beitenden Vereine nicht zur Umsatzsteuer herangezogen.

Sind Sie wirklich der Auffassung, dass die Vereine, die– das möchte ich betonen – Gebrechliche und Behinderteehrenamtlich betreuen, hätten wissen müssen, was dasFinanzamt nicht wusste, wie nämlich die Rechtslage ist?In der Wissenschaft ist das Ganze umstritten. Die Bun-desregierung verkündet den betroffenen Verbänden, Jahrenachdem die Vorgänge abgeschlossen sind, ihre Erkennt-nis. Meinen Sie nicht, dass man diesen Vereinen Ver-trauensschutz zubilligen muss?

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Herr Kollege Röttgen, dieGesetzeslage ist leider eindeutig und mehrfach durch Be-schlusslagen der obersten Finanzbehörden des Bundesund der Länder einhellig bestätigt worden.

Es ist nicht übertrieben, von einer jahrelangen Praxiszu sprechen. Das Berufsvormündervergütungsgesetz istim Januar 1999 in Kraft getreten. Das ist die Rechtslage.Auf dieser Basis ist die Änderung entstanden. DasSchreiben des BMF erging im September 2000. Dement-sprechend hat es nicht jahrelang eine andere Besteu-erungspraxis gegeben. In dem Zeitraum vor 1999 gab eseine andere Besteuerungspraxis; für diesen Zeitraum wer-den vermutlich auch keine Rückforderungen erhoben.Aufgrund der neuen Rechtslage durch das Berufsvor-mündervergütungsgesetz sind ab Januar 1999 Steuer-forderungen für die Jahre 1999 und 2000 möglich undnötig geworden.

Auch das von Ihnen angesprochene Gutachten vonProfessor Schön ist unter europarechtlichen Gesichts-punkten durch die obersten Finanzbehörden des Bundesund der Länder geprüft worden. Bei einer Prüfung aufeine Bitte der Landesjustizministerkonferenz hin ist dieFinanzministerkonferenz einstimmig zu demselben Er-gebnis gekommen, dass es dabei nicht um Billigkeits-maßnahmen gehen kann.

Im Übrigen hat das BMF-Schreiben, das zur Klarheitherausgegeben werden musste, weil es zuvor in einzelnenOberfinanzdirektionen der Bundesrepublik zu einer unterschiedlichen Rechtsanwendung gekommen war,eigentlich nur deklaratorischen Charakter; es hat lediglichden Gesetzestext wiederholt. Offenbar ist die Gesetzesän-derung in einigen Oberfinanzdirektionen der Bundesre-publik Deutschland tatsächlich nicht zur Kenntnisgenommen worden. Das BMF-Schreiben – in solchenZweifelsfragen muss ein entsprechendes Schreiben im-mer ergehen – hat aber wirklich nichts anderes getan, alsden Gesetzestext zu wiederholen.

Nach allen Prüfungen – auch auf Bitte der Bundesjus-tizministerin hin; Sie haben Recht: Wir haben das Ganzemehrfach geprüft – sind die obersten Behörden des Bun-des und der Länder zu dem Schluss gekommen, warumSteuerpflicht besteht. Im Berufsvormündervergütungsge-

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setz ist aber geregelt, dass ein zusätzlicher Ersatz in Höheder Umsatzsteuer erfolgt. Für die Zukunft, ab sofort sozu-sagen, gibt es also keinerlei Probleme.

(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das istklar! Wir reden über die Vergangenheit!)

Der zusätzliche Ersatz erfolgt. Es geht also um Forderun-gen für die vergangenen Jahre. Bei der Beantwortung Ih-rer zweiten Frage, in der es um Billigkeitsmaßnahmengeht, werden wir darauf vielleicht noch zurückkommen.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zweite Zusatzfrage,bitte sehr.

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Es lohnt sich, hieranwesend zu sein; denn Sie haben gerade offensichtlicheine andere Rechtsauffassung als die bislang geltendeAuffassung des Hauses mitgeteilt. Sie haben ausgeführt,dass sich die Änderung der steuerlichen Grundlagendurch das kompliziert auszusprechende Gesetz, das Be-rufsvormündervergütungsgesetz, ergeben hat, das am1. Januar 1999 in Kraft getreten ist. Wenn das so ist, dannfolgt daraus zwingend, dass jedenfalls für davor liegendeZeiträume die Vereine nicht zur Zahlung der Umsatz-steuer herangezogen werden können; das ist die Auffas-sung, die Sie gerade vertreten haben. Sie werden aber biszum Jahr 1994 zur Zahlung der Umsatzsteuer herangezo-gen, sodass ich jetzt die erfreuliche Mitteilung mitnehme,dass für die Zeit vor dem 1. Januar 1999 die Umsatz-steuerpflicht nach Auffassung des Bundesfinanzministe-riums nicht besteht.

(Dirk Niebel [FDP]: Das war eine teure Ant-wort!)

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Nein, Herr KollegeRöttgen, das können Sie daraus nicht schließen.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Schade,Herr Röttgen, dass Sie damit Ihre Zusatzfrageverbraucht haben!)

Der Hintergrund ist folgender: Die Umsatzsteuerbe-freiung hat immer dann gegolten, wenn Betreuungsver-eine eine Leistung günstiger als berufsmäßige Betreuererbracht haben, Herr Kollege Röttgen. Voraussetzung fürdie Umsatzsteuerbefreiung in der Vergangenheit war also,dass ein Betreuungsverein eine Leistung günstiger als einberufsmäßiger Betreuer erbracht hat.

Nun mag es auch schon vor dem In-Kraft-Treten desBerufsvormündervergütungsgesetzes Betreuungsvereinegegeben haben, die Leistungen für dasselbe Entgelt wieberufsmäßige Betreuer erbracht haben. In diesem Fall warschon damals deren Umsatzsteuerbefreiung nicht korrekt.

Mit dem In-Kraft-Treten des Berufsvormündervergü-tungsgesetzes ist völlig eindeutig, dass es eine Umsatz-steuerbefreiung nicht mehr geben kann. Im Berufsvor-mündervergütungsgesetz steht, dass die Leistungen derBetreuungsvereine in derselben Höhe wie die der berufs-mäßigen Betreuer vergütet werden, sodass schon von da-

her der Grund entfallen ist. Für die Zeit davor ist dasnatürlich von der jeweiligen Höhe der Vergütung ab-hängig.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat der KollegePeter Weiß eine Zusatzfrage.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): FrauStaatssekretärin, war es denn zwingend notwendig, dieUmsatzsteuerzahlung rückwirkend bis zum Jahr 1994 zufordern, wenn es in Deutschland offenbar nach wie voreine unterschiedliche Handhabung für die einzelnen Be-treuungsvereine gibt, einige Finanzämter die Forderungbis zum Jahr 1994 rückwirkend erhoben haben, einigeFinanzämter diese Forderung nicht bis zum Jahr 1994rückwirkend erhoben haben?

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Herr Kollege Weiß, ichvermag nicht zu beurteilen, ob es weiterhin zu einer un-terschiedlichen Behandlung der Betreuungsvereine in derBundesrepublik Deutschland kommt. Sie sehen hieran,dass die Umsetzung der Steuergesetze den Ländern ob-liegt – das gilt auch für die anderen steuerlichen Ge-biete –; infolgedessen liegt dies nicht in der Verantwor-tung des Bundes. Die Festsetzung für zurückliegendeZeiträume liegt allein in der Verantwortung der Län-derfinanzbehörden.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich rufe die Frage 4des Kollegen Dr. Röttgen auf, auch wenn sie eigentlichschon beantwortet ist:

Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die durch die rückwirkende Steuerveranlagung bedingten finanziellen Be-lastungen die Betreuungsvereine teilweise in ihrer Existenz gefährden, und hält sie dies vor dem Hintergrund der durch dierückwirkende Veranlagung erzielten Steuermehreinnahmen fürvertretbar?

( V o r s i t z : Vizepräsident Dr. Hermann OttoSolms)

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Herr Kollege Röttgen, esliegt der Bundesregierung fern, Betreuungsvereine durchdie Umsatzbesteuerung in den Bankrott treiben zu wollen.Für eine allgemeine Billigkeitsmaßnahme ist jedoch keinRaum. Allerdings kann im Einzelfall eine Billigkeitsmaß-nahme aus persönlichen Gründen – bezogen auf den Ver-ein, also auf das Steuersubjekt – in Betracht kommen. DieEntscheidung über derartige Billigkeitsmaßnahmen ob-liegt den Ländern, solange bestimmte Betragsgrenzennicht überschritten sind. Das dürfte hier nicht zu erwartensein. Eine Unbilligkeit liegt allerdings nicht vor, soweiteine Vergütung bei den zuständigen Gerichten noch bean-tragt wird bzw. noch beantragt werden kann.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zusatz-frage.

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Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Ich möchte beto-nen, dass es mir bzw. uns nur um die Fälle geht, bei denendie Kosten, die den Vereinen durch die jetzt angenom-mene Steuerpflichtigkeit auferlegt werden, nicht mehr andie Justizkassen weitergeleitet werden können. Die Pro-blematik besteht darin, dass es für die Betreuungsvereineabgeschlossene Sachverhalte sind, die auf der Grundlageder Steuerpraxis des jeweiligen Finanzamtes erfolgt sind.Sie bleiben nun auf den Kosten sitzen. Genau das ist derFall.

Nun sagen Sie, Ihrer Auffassung nach gebe es keinenGrund für eine allgemeine Billigkeitsregelung, für eineallgemeine Vertrauensschutzregelung. Die Justizminister-konferenz hat das Bundesfinanzministerium bzw. denBundesfinanzminister im Dezember des letzten Jahres an-geschrieben und angeregt, für den Fall, dass die Bundes-regierung bzw. das Bundesfinanzministerium bei dieserRechtsauffassung bleibt, eine Gesetzesänderung zuguns-ten der betroffenen Vereine vorzunehmen, und zwar min-destens im Sinne einer Altfallregelung. Auch die FrauBundesjustizministerin hat eine solche Anregung ge-macht. Welche Gründe gibt es eigentlich dafür, dass dieBundesregierung sich dieser Anregung der Justizminis-terkonferenz und auch der Bundesjustizministerin wider-setzt?

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Herr Kollege Röttgen, dieBundesregierung ist der Auffassung, dass persönliche Bil-ligkeitsmaßnahmen, die durch die einzelnen Vereine be-antragt werden können, durchaus geeignet sind, die Fragezugunsten der Vereine zu regeln. Das ist natürlich von derwirtschaftlichen Situation der Vereine abhängig. Sie wer-den aber im Regelfall – schon deshalb, weil ihre Aufga-benstellung so ist, wie sie ist – nicht über Vermögenswerteverfügen, sodass Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen, diejeweils beim Finanzamt zu beantragen sind, sicherlich mitAussicht auf Erfolg gestellt werden können, allerdings – das betone ich nochmals – in Verantwortung der Lan-desfinanzbehörden.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ZweiteZusatzfrage, Kollege Röttgen.

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Ist Ihnen auch nurein Fall bekannt, in dem es zu einer solchen individuellenBilligkeitsregelung gekommen ist? Mir nicht. Ich fragedas, weil Sie gesagt haben, damit könne das Problemgelöst werden. Es gab, glaube ich, nicht einen einzigenFall.

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Ich darf Ihnen eigentlichnicht mit einer Gegenfrage antworten, möchte es aberdennoch tun: Ist Ihnen ein Fall bekannt, in dem eine sol-che Billigkeitslösung überhaupt schon beantragt wordenwäre?

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Mir sind die Fällebekannt, in denen die Auseinandersetzung darüber, obIhre Rechtsauffassung zutreffend ist, vor den Gerichtenweitergeführt wird. Ich gehe davon aus, dass man vorherim Gespräch mit den Finanzämtern versucht hat, zu einerLösung zu kommen. Wir sind durch Ihre Rechtsauffas-sung jetzt leider veranlasst, das durch die Gerichte klärenzu lassen. Das scheint mir im Jahre 2002, ein Jahr nachdem Jahr des Ehrenamtes, ein fatales Signal zu sein, dashierdurch an ehrenamtliche Betreuungsvereine gesandtwird.

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Herr Kollege, ich kann IhrUnbehagen verstehen, möchte aber nochmals darauf hin-weisen, dass dies die wirklich einvernehmliche Ausle-gung der obersten Finanzbehörden des Bundes und derLänder ist. Das heißt, Auslegungsfragen, die das Steuer-recht betreffen, können wir nach der allgemeinen Staats-praxis nicht alleine klären; vielmehr entsteht die Ausle-gung dadurch, dass sich die obersten Finanzbehörden desBundes und der Länder jeweils mit den zuständigen Fach-leuten zusammensetzen und dann eben 16 Ländervertre-ter und ein Bundesvertreter eine Auslegung vornehmen.Sie ist in diesem Fall einvernehmlich getroffen worden.Die Bundesregierung könnte eine abweichende Rechts-auffassung gegen die Länder wohl nicht durchsetzen. Esdürften mindestens acht Länder nicht widersprechen, da-mit die Bundesregierung eine andere Auffassung durch-setzen könnte.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine wei-tere Frage, Kollege Weiß.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): FrauStaatssekretärin, können Sie mir darin zustimmen, dassdie betroffenen Betreuungsvereine es als ein bisschen bil-lig ansehen, dass sie auf Billigkeitsmaßnahmen verwiesenwerden? Immerhin hat der Bund mit dem Betreuungsge-setz gewollt, dass diese ehrenamtlichen Vereine tätig wer-den. Sie werden benötigt, um das Gesetz umzusetzen.Wäre der Bund daher nicht in der Verpflichtung, eine ge-nerelle Lösung für die Betreuungsvereine zu finden, diesich Forderungen der Finanzämter gegenübersehen, diesie ihrerseits nicht mehr geltend machen können?

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Herr Kollege, Hintergrundder Steuerbefreiung war ja – das habe ich Ihnen gesagt –,dass die Vereine sehr häufig die Leistungen kostengünsti-ger als die Berufsbetreuer erbracht haben. Dies ist der ein-zige Grund dafür gewesen, dass eine Umsatzsteuerbefrei-ung nach EU-Recht überhaupt möglich war. Wenn jetztSteuernachforderungen erfolgen, dann kann das nur daranliegen, dass die Vereine ihre Leistungen eben nicht kos-tengünstiger als die Berufsbetreuer angeboten haben.Deswegen wäre ein allgemeiner Erlass auch nicht euro-parechtskonform; da haben Sie dann Probleme bezüglichder Wettbewerbsgleichheit. Umsatzsteuererlasse werdenregelmäßig nur dann gewährt, wenn sie den Wettbewerb

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nicht tangieren. Die Vereine haben offenbar gleich teureLeistungen wie die Berufsbetreuer erbracht; somit durftensie nicht weiter auf die Umsatzsteuerbefreiung vertrauen.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Siekönnen das doch nicht mehr nachfordern!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nein, ent-schuldigen Sie, Herr Kollege Weiß. Nur eine Frage, keinDialog.

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Deswegen bitte ich, auchwenn das Wort traditionell „Billigkeitsmaßnahme“ heißt– so entstehen eben Worte –, zu beachten, dass diesesWort nichts mit dem Wort „billig“ im üblichen Sinn zu tunhat. Vielmehr kann die Finanzverwaltung nach dem, wasrecht und billig ist, entscheiden, ob ein solcher Erlassmöglich ist. „Billig“ ist hier aber nicht im Sinne von „un-wert“ zu verstehen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: VielenDank, Frau Staatssekretärin Hendricks.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Technologie.

Die Fragen des Kollegen Rose, also die Fragen 5 und6, sollen schriftlich beantwortet werden.

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Aus-wärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Staatsminis-ter Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.

Wir beginnen mit der Frage 7 des Abgeordneten PeterWeiß:

Wie beurteilt die Bundesregierung Berichte Russlands und derUSA, dass al-Qaida-Kämpfer sich im zu Georgien gehörendenPankisi-Tal aufhalten?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Herr Kollege Weiß, der Bundesregierung liegenkeine Erkenntnisse über den Aufenthalt von al-Qaida-Kämpfern im georgischen Pankisi-Tal vor.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zusatz-frage, Kollege Weiß.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): HerrStaatsminister, solche Presseberichte entstehen ja nichtohne Anlass. Da in der „Frankfurter Allgemeinen Zei-tung“ vor allen Dingen auf Berichte Russlands und derUSAverwiesen wird, möchte ich fragen: Gehört vielleichtdiese Meldung in die Kategorie der Meldungen, die sei-tens Russlands zu regionalen Konflikten in die Welt ge-setzt werden, um, zum Beispiel in Georgien, den EinflussRusslands zu begründen und die Tschetschenien-Frage ineinem etwas anderen Licht erscheinen zu lassen?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Wir können nicht darüber spekulieren, auf welche

Quellen sich die Zeitungen bei ihren Berichten stützen.Wir wissen, dass die Lage in der Kaukasus-Region kom-pliziert ist. Deshalb wollen wir uns selber nicht an Spe-kulationen beteiligen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Damitkommen wir zur Frage 8 des Kollegen Weiß:

Gibt es erste Sondierungen oder Anfragen der georgischen Re-gierung bei der NATO, sich eventuell an einer Militäraktion gegendie al-Qaida-Kämpfer und andere Terrorgruppen in Georgien zubeteiligen?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Herr Kollege Weiß, es gibt diesbezüglich keine Son-dierungen oder Anfragen der georgischen Regierung beider NATO.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zusatz-frage.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): HerrStaatsminister, wie stellen Sie sich denn zu dem Berichtin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 20. Fe-bruar dieses Jahres, gemäß dem der georgische PräsidentSchewardnadse geäußert habe, dass er eine Militäraktionzusammen mit den Amerikanern und den verbündetenNATO-Staaten in dieser Region, nämlich dem Pankisi-Tal, grundsätzlich nicht ausschließe?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Wenn Herr Schewardnadse das nicht ausschließt,heißt das nicht, dass es eine konkrete Anfrage an dieNATO gibt. Diese gibt es nicht. Bekannt ist – das kann ichbestätigen –, dass es Gespräche zwischen Georgien undden Amerikanern über amerikanische Hilfen im Sinnevon Militärberatung gibt.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: WeitereZusatzfrage, bitte.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): HerrStaatsminister, da die Bundesregierung, sowohl das Aus-wärtige Amt als auch das Bundesministerium für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mehrmalsin den vergangenen Monaten ihre Kaukasus-Initiativenvorgestellt hat, möchte ich Sie fragen: Werden diese Ini-tiativen beinhalten, dass sich die BundesrepublikDeutschland auch bei der Lösung der regionalen Kon-flikte in Georgien verstärkt engagieren und einbringenwird?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Es ist erklärte Politik nicht nur der Bundesregierung,sondern der gesamten Europäischen Union, bei der Lö-sung der verschiedenen Konflikte im Kaukasus behilflichzu sein. Man muss aber zwischen den Kaukasus-Konflik-ten, wie wir sie kennen, und der neuen Qualität, die sie er-halten könnten, falls sich al-Qaida-Kämpfer in bestimmte

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Regionen des Kaukasus absetzen sollten, klar unterschei-den.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]:Dann war mir die Antwort auf die erste Fragetrotzdem unerklärlich!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Damitkommen wir zur Frage 9 des Kollegen Georg Janovsky:

Inwieweit kann die Bundesregierung Presseberichte – Quelle:„Der Spiegel“, 8/2002, Seite 60 f. – bestätigen, wonach sich diedeutsche Minderheit in der Tschechischen Republik auch heutenoch Schikanen und Benachteiligungen ausgesetzt sieht, und in-wieweit hat der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,dies im Rahmen seiner jüngsten Reise nach Prag thematisiert?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Herr Kollege Janovsky, in ihrem letzten Fort-schrittsbericht vom 13. November 2001 hat die EU-Kom-mission der Tschechischen Republik bescheinigt, Men-schenrechte und Freiheiten zu achten. Mit In-Kraft-Tretendes tschechischen Minderheitengesetzes im August 2001ist ein erster Schritt zur Umsetzung des Anti-Diskriminie-rungs-Acquis erfolgt. Der Rat für Nationale Minderhei-ten, in dem es auch zwei Vertreter der deutschen Minder-heit gibt, soll die Beteiligung der Minderheiten ampolitischen Entscheidungsprozess sicherstellen. MitteDezember 2000 hat auch ein Ombudsmann für Bürger-rechte seine Arbeit aufgenommen. Insgesamt ist die Si-tuation der Minderheiten, abgesehen von den Roma, lautFortschrittsbericht der Kommission zufriedenstellend.

Bei der deutschen Minderheit in der Tschechischen Re-publik handelt es sich um tschechische Staatsangehörige,die der Gesetzgebung der Tschechischen Republik unter-liegen. Die deutsche Minderheit in Tschechien wendetsich daher mit ihren politischen Forderungen auf derGrundlage der EU-Acquis-konformen tschechischen Ge-setzgebung an die tschechische Regierung. Dabei geht esvor allem um Entschädigungen für konfisziertes Eigen-tum, Anrechnung von in Internierungslagern verbrachterZeit auf die Rentenversicherung und einzelne Regelungendes Minderheitengesetzes.

Die Bundesregierung ist über die Anliegen der deut-schen Minderheit in der Tschechischen Republik infor-miert. Sie ist der Überzeugung, dass ein baldiger EU-Bei-tritt der Tschechischen Republik das beste Mittel ist, umden Minderheitenschutz noch tiefer zu verankern. Diejüngste Reise des Bundesministers des Auswärtigen hattezum Ziel, diesen baldigen Beitritt zu unterstützen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zusatz-frage, Herr Janovsky?

Georg Janovsky (CDU/CSU): Herr Staatsminister,hat die Bundesregierung, Bezug nehmend auf dendeutsch-tschechischen Nachbarschaftsvertrag, in dieserFrage Aktivitäten entwickelt?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Die Bundesregierung spricht diese Fragen bei ihren

Treffen mit dem jeweiligen tschechischen Gegenüber re-gelmäßig an. Allerdings weisen die Vertreter der deut-schen Minderheit in Tschechien darauf hin, dass sie alstschechische Staatsbürger ihre Anliegen der tschechi-schen Regierung gegenüber selber darstellen wollen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Damitkommen wir zur Frage 10 des Kollegen Georg Janovsky:

Was gedenkt die Bundesregierung zur Wahrung oder Verbes-serung der Rechte der deutschen Minderheit in der TschechischenRepublik zu unternehmen und inwieweit hält sie vor dem Hinter-grund von Presseberichten – „Der Spiegel“, 8/2002, Seite 60 f. –an ihrer bisherigen Auffassung fest, die Benes-Dekrete seien in ih-rer Wirkung erloschen?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Herr Kollege, die die deutsche Minderheit in derTschechischen Republik bewegenden Anliegen richtensich an das dortige Parlament bzw. die dortige Regierung.Die Bundesregierung nimmt im Übrigen die von Vertre-tern der deutschen Minderheit in der Tschechischen Re-publik wiederholt geäußerte Auffassung zur Kenntnis,dass es sich bei Problemen der deutschen Minderheit inder Tschechischen Republik um eine Angelegenheit zwi-schen der deutschen Minderheit und dem tschechischenStaat handele.

Im Übrigen hat die Bundesregierung, wie alle ihre Vor-gängerinnen, die Vertreibung der Deutschen und die ent-schädigungslose Enteignung deutschen Vermögens durchdie so genannten Benes-Dekrete immer als völkerrechtli-ches Unrecht betrachtet. Die tschechische Regierung ver-tritt hierzu eine andere Rechtsauffassung. In der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997, die in all ihrenElementen die Grundlage für die deutsch-tschechischenBeziehungen darstellt, sind beide Seiten übereingekom-men, ihre Beziehungen zukunftsgerichtet fortzuent-wickeln und nicht mit aus der Vergangenheit herrühren-den politischen und rechtlichen Fragen zu belasten. ImZusammenhang damit erklärte die tschechische Seite imMärz 1999, dass die Benes-Dekrete heute keine Wirkungmehr entfalten würden.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zusatz-frage, Herr Kollege Janovsky?

Georg Janovsky (CDU/CSU): Wenn ich den Zei-tungsartikel richtig sehe, dann haben diese Dekrete docheine Wirkung.

Aber, Herr Staatsminister, ich möchte Sie fragen: IstIhrer Antwort zu entnehmen, dass sich die deutsche Min-derheit nie an die deutsche Bundesregierung gewandt hat?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Die deutsche Minderheit in Tschechien ist der Auf-fassung, dass die Fragen, die sie zu klären hat, keine bila-teralen Probleme zwischen der Bundesrepublik Deutsch-land und der Tschechischen Republik darstellen, sonderndass dies innenpolitische Angelegenheiten der Tschechi-schen Republik sind, die die deutsche Minderheit mit derRegierung bzw. dem Parlament selber klären möchte.

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Allerdings gilt: Die Bundesregierung ist über die An-liegen der Minderheit informiert und spricht sie ihrerseitsim Rahmen der laufenden Konsultationen mit der tsche-chischen Seite immer wieder einmal an.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Damitkommen wir zur Frage 11 des Kollegen HartmutKoschyk:

Aufgrund welcher gegenüber dem Bundesminister des Aus-wärtigen, Joseph Fischer, bei dessen Besuch in Prag abgegebenenErklärungen des tschechischen Ministerpräsidenten, Milos Zeman, hält der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,die Irritationen im deutsch-tschechischen Verhältnis für aus-geräumt (vergleiche „Süddeutsche Zeitung“ vom 21. Februar2002), die nach den Äußerungen des tschechischen Ministerprä-sidenten, Milos Zeman, in der österreichischen Zeitschrift „Pro-fil“, in der israelischen Zeitung „Haaretz“ sowie im tschechischenProgramm der BBC entstanden sind?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Der tschechische Ministerpräsident Zeman hat sich,abgesehen von den bereits vorher in der „Frankfurter All-gemeinen Sonntagszeitung“ vom 10. Februar 2002 – „Esgibt keine kollektive Schuld, weder für Tschechen nochfür Deutsche“ – und im „Fokus“ vom 11. Februar 2002 –„Außerdem habe ich nie ein Wort über Kollektivschuldder Sudetendeutschen verloren“ bzw. „Ich verurteile dieExzesse während der Vertreibung sehr“ – gegebenen In-terviews, auch im Gespräch mit BundesaußenministerFischer am 20. Februar 2002 in Prag von Kollektiv-schuldthesen ausdrücklich distanziert.

Zeman bekräftigte bei dem Treffen, er habe sich nie fürdie Vertreibung der Sudetendeutschen und der Palästinen-ser ausgesprochen. Darüber hinaus bestätigte Minister-präsident Zeman, dass die tschechische Regierung dieDeutsch-Tschechische Erklärung von 1997 weiterhin alsentscheidende Grundlage der zukunftsgerichteten Weiter-entwicklung der deutsch-tschechischen Beziehung sieht.Darin bedauert die tschechische Seite, dass durch die nachKriegsende erfolgte Vertreibung unschuldigen Menschenviel Leid und Unrecht zugefügt wurde – auch aufgrunddes kollektiven Charakters der Schuldzuweisung.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zusatz-frage, Herr Koschyk.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,die israelische Zeitung „Haaretz“ bleibt bei der Auffas-sung – davon gibt es auch Tondokumente –, dass dertschechische Ministerpräsident die auch international aufgroße Kritik und Ablehnung gestoßenen Äußerungen ge-macht habe. Das hat schon zu einer Ausladung vonseitenÄgyptens geführt.

Zweitens gibt es neben diesen skandalösen Äußerun-gen in der Zeitung „Haaretz“ noch ein Interview in demtschechischsprachigen Teil von BBC, das auch in dertschechischen Republik öffentlich bekannt geworden ist.Zu dieser Angelegenheit gibt es ein parlamentarischesNachspiel. Kann aufgrund der Tatsache, dass die Frage,ob diese Äußerungen wirklich so gemacht worden sind,nach wie vor ungeklärt ist, die Bundesregierung mit den

Aussagen des tschechischen Ministerpräsidenten wirklichzufrieden sein?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Die Bundesregierung hat ebenso wie die Europä-ische Union die damals zitierten Äußerungen von HerrnZeman sehr eindeutig kommentiert. Der Bundesaußenmi-nister hat bei seinem jüngsten Besuch in Prag diesenPunkt noch einmal deutlich angesprochen, weil dadurchnämlich der Gesamtkomplex berührt wird, ob die Tsche-chische Republik als EU-Beitrittskandidat den europä-ischen Acquis auch in Sachen Außenpolitik mitträgt.

Der Bundesaußenminister kam zu der Überzeugung,dass nach den Erklärungen von Herrn Zeman diese Pro-bleme ausgeräumt seien. Die tschechische Seite steht ein-deutig zum europäischen Acquis in Sachen Außenpolitik.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: WeitereZusatzfrage.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Wenn nach Auffas-sung der Bundesregierung diese Irritationen, die durch dieÄußerungen entstanden sind, ausgeräumt sind, bedeutetdies dann, dass die geplante Reise des Bundeskanzlersnach Prag stattfinden wird?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Der Bundeskanzler wird zu gegebener Zeit über denTermin und den Inhalt einer solchen Reise entscheiden.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir kom-men zur Frage 12 des Kollegen Hartmut Koschyk:

Wie bewertet die Bundesregierung die Auffassung des tsche-chischen Außenministers Jan Kavan: „Wir können die Dekrete[gemeint sind die Benes-Dekrete] für uns nicht als Unrecht emp-finden“ (Quelle: „Sächsische Zeitung“ vom 18. Februar 2002),und hat der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,diese Auffassung der Bundesregierung der tschechischen Regie-rung beim Besuch in Prag dargelegt?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Die Bundesregierung hat – wie alle ihre Vorgänge-rinnen – die Vertreibung von Deutschen und die Einzie-hung deutscher Vermögen aufgrund der Benes-Dekreteimmer für völkerrechtliches Unrecht gehalten. Bundes-außenminister Fischer hat die deutsche Position in seinenGesprächen und vor der Presse klar zum Ausdruck ge-bracht. Der tschechischen Regierung, die dazu eine an-dere Rechtsauffassung vertritt, ist die deutsche Haltungbekannt. Die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997hält die unterschiedlichen Rechtsauffassungen schriftlichfest. Dort heißt es, dass „jede Seite ihrer Rechtsordnungverpflichtet bleibt und respektiert, dass die andere Seiteeine andere Rechtsauffassung hat“.

Gleichzeitig sind in der Erklärung von 1997 beide Sei-ten übereingekommen, ihre Beziehungen zukunftsgerich-tet fortzuentwickeln und nicht mit aus der Vergangenheitherrührenden rechtlichen und politischen Fragen zu be-lasten. In diesem Zusammenhang bezeichnet auch der

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tschechische Außenminister in seinem Interview in der„Sächsischen Zeitung“ vom 18. Februar 2002 die Benes-Dekrete als „erloschen“.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ihre Zu-satzfrage bitte.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Staatsminister,wie bewertet die Bundesregierung dann vor diesem Hin-tergrund die Forderung des tschechischen Parlamentsprä-sidenten Vaclav Klaus, die fortdauernde Gültigkeit derBenes-Dekrete durch eine Sonderklausel im tschechi-schen EU-Beitrittsvertrag zu verankern?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Der Bundesaußenminister hat bei seinem jüngstenBesuch in Prag mit aller Entschiedenheit öffentlich deut-lich gemacht, dass er der Meinung ist, dass bilaterale Fra-gen, die das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschlandund der Tschechischen Republik berühren, bilaterale Fra-gen bleiben sollen und nicht europäische Fragen werdendürfen. Beitrittsverhandlungen sollen weder durch daseine noch durch das andere strittige Einzelthema belastetwerden. Die Bundesregierung hat großes Interesse daran,dass der Beitrittsprozess zügig vorangeht. Wir hoffen da-rauf, dass manche Dinge, die heute streitig sind, auf derBasis einer vollzogenen EU-Mitgliedschaft vielleichtleichter zu lösen sein werden.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte,Herr Koschyk.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Staatsminister,wie kann die Bundesregierung eigentlich zu der Auffas-sung gelangen, dass es sich hier um eine deutsch-tsche-chische, also bilaterale Frage handelt, nachdem das Euro-päische Parlament im Zusammenhang mit Berichten überden Fortschritt des tschechischen EU-Beitritts zweimal ineiner Entschließung die Obsoleterklärung dieser Dekretegefordert hat und nachdem dies auch eine Forderung desungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gewesenist, der formuliert hat, dass sowohl die Tschechische Re-publik als auch die Slowakische Republik diese Dekreteannullieren sollten, da diese dem Geist sowie dem kon-kreten Regelwerk der EU widersprächen?

Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im AuswärtigenAmt: Wenn sich die Europäische Union mit Einzelfragen,die zwischen zwei Ländern von Belang sind, befasst, dannist das nicht nur ihr Recht, sondern auch gut. Aber darausdarf dann kein Junktim in Bezug auf Beitrittsverhandlun-gen gemacht werden.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: VielenDank, Herr Staatsminister.

Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beant-

wortung steht der Parlamentarische Staatssekretär GerdAndres zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Dirk Niebel auf:Was hat der Richter im Vergabesenat des Oberlandesgerichts

Düsseldorf nach Kenntnis der Bundesregierung zur Rechtmäßig-keit des Vertrages mit der Firma efp zur Abwicklung der EU-För-dermittel EQUAL gesagt, und wie wird die Bundesregierung da-rauf reagieren?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr Niebel, wenn Sieeinverstanden wären, würde ich gerne die Fragen 13 und14 gemeinsam beantworten.

(Dirk Niebel [FDP]: Einverstanden!)

Herr Präsident, sind auch Sie einverstanden?

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ja, natür-lich. Dann rufe ich auch die Frage 14 des AbgeordnetenDirk Niebel auf:

Welche Verwendung hat die Bundesregierung inzwischen fürden für das Vergabeverfahren zuständigen Referatsleiter gefundenund wie wirkt sie sich auf das Disziplinarverfahren aus?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Ich beantworte Ihre Fra-gen wie folgt: Nach vorläufiger Einschätzung des Verga-besenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die derVorsitzende der mündlichen Verhandlung vom 20. Fe-bruar 2002 geäußert hat, sind die Verträge vom 15. Juni2001 und vom 22. August 2002 betreffend die Umsetzungder Technischen Hilfe für die GemeinschaftsinitiativeEQUAL nichtig.

Das Bundesarbeitsministerium hatte die Verträge be-reits Ende letzten Jahres im Rahmen der vertraglich ver-einbarten Kündigungsfristen mit Wirkung zum 30. Juni2002 vorsorglich gekündigt. Unmittelbar nach der Kündi-gung übernahm das BMA die Durchführung hoheitlicherAufgaben. So hat das Referat insbesondere circa 100 Zu-wendungsbescheide in eigener Verantwortung erlassen.Auf Anraten der mit seiner Vertretung beauftragtenRechtsanwaltskanzlei hat das BMA im Anschluss an diemündliche Verhandlung die Firma efp mit sofortiger Wir-kung von der Wahrnehmung weiterer Aufgaben imZusammenhang mit dem Programm EQUAL entbunden.

Die Technische Hilfe für die GemeinschaftsinitiativeEQUAL wird nunmehr insgesamt vom BMA selbstdurchgeführt. Der zuständige Referatsleiter ist – mit sei-nem Einverständnis – mit einem Sonderauftrag beauftragtworden. Auf das Disziplinarverfahren hat dies keine Aus-wirkungen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine Zu-satzfrage des Kollegen Niebel.

Dirk Niebel (FDP): Herr Staatssekretär, Sie habeneben festgestellt, dass der Vergabesenat davon ausgeht,dass die Verträge nichtig sind oder nichtig sein werden. Im„Stern“ Nr. 5/2002 wurde in einem Artikel mit der Über-

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schrift „Riester-Affäre – Jetzt wird‘s teuer“ nicht nur da-rauf hingewiesen, dass der Arbeitsminister persönlich denZuschlag an die Firma efp gegeben hat, sondern dass auchin einer Protokollniederschrift einer Sitzung vom 6. Juni2001 steht, dass der mittlerweile in den einstweiligen Ru-hestand versetzte Staatssekretär Werner Tegtmeier ge-warnt haben soll und auf die politischen und juristischenRisiken hingewiesen hat. Können Sie mir sagen, weshalbdiese Warnung bei der Entscheidung des Ministers nichtberücksichtigt worden ist?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterNiebel, wie Sie aus mehreren Beratungssitzungen sowohldes Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung als auchdes Haushaltsausschusses wissen, war Entscheidungs-grundlage für die Leitung und für den Minister eine Vor-lage, die uns das zuständige Referat und die zuständigeAbteilung zugeleitet haben. In dieser Vorlage wurde emp-fohlen, dass man öffentlich-rechtlich beleihen und dieFirma efp beauftragen solle. Das haben wir getan. Zu al-len weiteren Fragen gibt es umfangreiche Berichte undVorlagen. Ich weiß im Moment nicht, was in dem Artikeldes „Stern“ steht, den Sie zitiert haben. Ich will ihn daherauch nicht kommentieren.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: EineNachfrage, Herr Abgeordneter Niebel.

Dirk Niebel (FDP): Herr Staatssekretär, Sie habeneben auf Frage 14 geantwortet, dass der zuständige Refe-ratsleiter mit einer Sonderaufgabe betraut worden ist. Erwar es ja, der die Vorlage für den Herrn Minister erarbei-tet hat. Können Sie diese Sonderaufgabe genauer definie-ren?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterNiebel, das Problem besteht darin, dass Herr Brüss, derzuständige Referatsleiter, innerhalb des Hauses umgesetztworden ist und mit anderen Aufgaben betraut wurde. Dasist im Hinblick auf die Vorschriften des Beamtenrechtseine vernünftige Vorgehensweise. Sie wissen, dass ge-genwärtig ein Disziplinarverfahren läuft. Sie wissenebenfalls, dass es sowohl in Bezug auf den Unterabtei-lungsleiter als auch den Abteilungsleiter, die dafür zu-ständig waren, eine Veränderung gegeben hat: Der eine istin den einstweiligen Ruhestand versetzt worden; der an-dere ist mit einer anderen Aufgabe betraut worden. Überdie Sonderaufgabe des Herrn Brüss kann ich Ihnen ge-genwärtig nichts sagen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine wei-tere Zusatzfrage? – Bitte.

Dirk Niebel (FDP): Herr Staatssekretär, sind Ihnen an-dere Fälle bekannt – vielleicht auch aus der Zeit, als wirnoch regiert haben –, dass Verträge des Bundesarbeitsmi-

nisteriums von Gerichten als nichtig bezeichnet und auf-gehoben wurden?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Nein, dazu ist mir ge-genwärtig nichts bekannt.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine wei-tere Zusatzfrage.

Dirk Niebel (FDP): Bisher gingen Vertreter des Bun-desarbeitsministeriums auch in den Ausschussberatungendavon aus, dass Schadenersatzansprüche nicht entstehenkönnen. Mir ist bekannt geworden, dass einer der Gründefür die Nichtigkeit der Beleihung die fehlende Zustim-mung der Firma BBJ sein soll; das ist die Firma, die indem aufgehobenen Ausschreibungsverfahren nicht zumZuge gekommen ist. Ist nach der mündlichen Verhand-lung mit Schadenersatzforderungen dieses Mitbewerberszu rechnen und welcher Schaden ist durch die nichtigeBeauftragung der Firma efp der Bundesrepublik Deutsch-land bisher entstanden?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterNiebel, Sie wissen, dass es sich um eine mündliche Ver-handlung handelte. Ich bitte um Verständnis dafür, dasswir die schriftliche Begründung des Gerichts abwartenwollen. Dann kann man weitere Fragen beantworten.

(Dirk Niebel [FDP]: Vielen Dank!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: VielenDank. – Ich rufe jetzt die Frage 15 des Kollegen Dr. Heinrich Kolb auf:

Plant die Bundesregierung eine Initiative, um nach dem Urteildes Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 2. November 2001 (Az: S 24 KR 125/00) die Nachforderung von Sozialversicherungs-beiträgen auf nicht zugeflossene Arbeitsentgelte (so genannterPhantomlohn) auf einen Zeitraum bis zum 31. März 2000 zu be-grenzen?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr AbgeordneterKolb, ich möchte gern Ihre beiden Fragen im Zusammen-hang beantworten, wenn Sie damit einverstanden sind.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bitte sehr!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dann rufeich auch noch die Frage 16 auf:

Beabsichtigt die Bundesregierung darüber hinaus im Wege der Änderung des § 14 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch(SGB IV) oder einer Verordnung nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV,bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge das so ge-nannte Zuflussprinzip aus dem Steuerrecht zugrunde zu legen?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Die Antwort auf dieFrage 15 lautet: Nein.

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Zur Frage 16: Der Ausgang der bereits laufenden Ge-richtsverfahren, die hinsichtlich des Vertrauensschutzeszu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind, mussabgewartet werden. Ein adäquater Schuldnerschutz ist,wie bei jeder Beitragsforderung, gesetzlich vorgesehen.Er kann bis zum Erlass der Forderungen gehen. Die Bun-desregierung verkennt nicht, dass es Gründe dafür gebenkann, die steuer- und beitragsrechtliche Behandlung vonEinkünften zu vereinheitlichen. Der bei der Einführungdes Sozialgesetzbuches zugrunde gelegte Übergang zumEntstehungsprinzip ist aber jahrzehntelang im Wesentli-chen unbeanstandet geblieben. Er hat den Versicherten inder gesetzlichen Rentenversicherung entsprechende Vor-teile gebracht. Im Übrigen hält auch das von Ihnen in derFrage 15 genannte Urteil des Sozialgerichts Gelsenkir-chen das Entstehungsprinzip für gerechtfertigt. Die Ren-tenversicherungsträger stützen sich auf eine gefestigteRechtsprechung und ziehen aus den anerkannten Rechts-folgen allgemein verbindlicher Tarifverträge die Konse-quenzen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine Zu-satzfrage des Kollegen Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Staatssekretär, ichmöchte Sie fragen: Darf ich davon ausgehen, dass der Bun-desregierung bekannt ist, dass in einer Vielzahl von Fällen– es sind nicht nur Einzelfälle – die Praxis der Bundesver-sicherungsanstalt für Angestellte, seit 1999 bei Prüfungendas Entstehungsprinzip durchzusetzen, zu existenzbe-drohenden Nachforderungen in der Größenordnung fünf-und sechsstelliger Beträge geführt hat? Wenn Ihnen dasbekannt ist: Haben Sie genauere Zahlen über die Zahl derhierbei aufgeworfenen Fälle?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Uns ist der Tatbestandbekannt. Ich habe gegenwärtig keine Unterlagen über dasAusmaß der Fälle. Aber ich habe in meinen Ausführungenausdrücklich darauf hingewiesen, dass man Stundungenvornehmen kann. Zu Ihrer Frage kann ich nur sagen, dassdie Rentenversicherungsträger aufgrund bestehender Ge-setze und aufgrund bestehender Grundlagen, die sich, wieich es ausgeführt habe, bewährt haben, prüfen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine wei-tere Zusatzfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Staatssekretär, Siehaben zu Recht darauf hingewiesen, dass es bis 1977 eineeinheitliche Bemessungsgrundlage für Steuern und Sozi-alversicherungsbeiträge gab und in der Folge diese Ein-heitlichkeit aufgegeben wurde. Gleichwohl hatte das Ent-stehungsprinzip bis ins Jahr 1999 keinen Einfluss auf dietatsächliche Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen.Welche konkreten Gründe gibt es aus Ihrer Sicht, eine sol-che Veränderung der Veranlagungspraxis vorzunehmen?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Das Prinzip ist schon et-was älter. Bei der Überprüfungspraxis ist, wie Sie wissen,ein Wechsel von den Krankenversicherungen hin zu denRentenversicherungsträgern als den entsprechenden Stel-len vollzogen worden.

Ich vermute – gefestigte Erkenntnisse habe ich darübernicht –, dass die Rentenversicherungsträger in einer an-deren Art und Weise darauf achten, dass ihnen und ande-ren zustehende Beiträge erhoben werden. Wenn der Tat-bestand so ist, dass bei allgemein verbindlich erklärtenTarifverträgen bestimmte Zahlungen erfolgen könnten,aber tatsächlich nicht erfolgen, dann wird das Entste-hungsprinzip zugrunde gelegt, um dafür die entsprechen-den Beitragszahlungen erheben und eintreiben zu können.Das ist zumindest für mich der wesentliche Grund.

Bei der anderen Frage habe ich bereits deutlich ge-macht, dass in diesem Zusammenhang eine Reihe von Ge-richtsverfahren laufen. Das Sozialgericht Gelsenkirchenhat sich zu der Prinzipienfrage in keiner Weise negativgeäußert. Im Gegenteil: Es hält es für richtig. Ich finde,wir müssen uns ein Stück weit anschauen, wie sich dieRechtsprechung in diesem Zusammenhang entwickelt.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine wei-tere Zusatzfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Staatssekretär, wirhaben die Parallelität der Bemessungsgrundlagen bei der steuerlichen Veranlagung und der Erhebung der Sozi-alversicherungsbeiträge. Das eine wird nach dem Zufluss-prinzip, das andere nach dem Entstehungsprinzip gehand-habt. Sie haben gesagt: Eine Vereinheitlichung wärewünschenswert. Kann man definitiv ausschließen, dassdie Bundesregierung eine Vereinheitlichung derart plant,dass zukünftig auch für steuerliche Zwecke das Entste-hungsprinzip gelten soll?

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Da Sie wissen, dass hierganz unterschiedliche Ressorts zu beteiligen sind, werdeich mich hüten, hierzu eine verbindliche Aussage zu tref-fen. Gegenwärtig kann ich das gar nicht. Ob man das ver-einheitlicht, muss man sehen. Ich bitte um Verständnis:Ich glaube nicht, dass dies, ähnlich wie andere Fragen,noch in dieser Legislaturperiode entschieden wird.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die letzteZusatzfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Aber, Herr Staatssekre-tär, Sie würden nicht gänzlich ausschließen – das fällt inIhre unmittelbare Ressortverantwortung –, dass es bei denSozialversicherungsbeiträgen wieder eine Abkehr vomEntstehungsprinzip geben und zukünftig eine Veranla-gung zur Sozialversicherung nach dem Zuflussprinzipstattfinden wird?

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Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Ich habe schon deutlichgemacht, dass wir uns die weitere Entwicklung der Recht-sprechung sehr genau anschauen. Gegenwärtig laufeneine ganze Anzahl von Verfahren. Daraus muss man dieentsprechenden Schlussfolgerungen ziehen. Ich möchtees nicht ausschließen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Zeitfür die Fragestunde ist abgelaufen. Die nicht aufgerufenenFragen werden wie immer schriftlich beantwortet.

Gemäß I 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu The-men von allgemeinem aktuellen Interesse hat dieCDU/CSU-Fraktion im Zusammenhang mit den Antwor-ten der Bundesregierung auf die dringliche Frage 1 eineAktuelle Stunde beantragt. Diese ist, wie Sie wissen, un-mittelbar nach der Fragestunde durchzuführen.

Ich rufe daher auf:Aktuelle StundeHaltung der Bundesregierung zum Vorschlagdes Bundesarbeitsministers, 1,2 Millionen Ar-beitslose aus der Arbeitslosenstatistik heraus-zurechnen

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zur Begründunghat der Kollege Andreas Storm von der CDU/CSU-Frak-tion.

(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Können Sie mal sagen, was daran aktu-ell ist, Herr Storm!)

Andreas Storm (CDU/CSU): Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Man kann nur sagen: Auf fri-scher Tat ertappt!

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei derSPD)

Der Arbeitsminister wirkt mit seinem peinlichen Rück-zieher – er muss seine Pläne wieder in der Schublade ver-stecken – wie ein Dieb auf leisen Sohlen.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Riester ist alleinzu Haus!)

Die ursprünglich geplante Herausnahme von 1,2 Milli-onen Arbeitslosen aus der Statistik ist ein dreister Ver-such, vom eigenen arbeitsmarktpolitischen Versagen ab-zulenken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Zielmarke von 3,5 Millionen Arbeitslosen wird weitverfehlt.

(Peter Dreßen [SPD]: Wer hat Ihnen das er-zählt?)

Seit 15 Monaten steigt die Arbeitslosigkeit in unseremLand saisonbereinigt an. Nach der übereinstimmendenMeinung der Experten werden wir in diesem Jahr einenSchnitt von mehr als 4 Millionen Arbeitslosen haben. IhrePläne zur Änderung der Arbeitslosenstatistik machen ein-

mal mehr deutlich: Tricksereien und Täuschungsmanöversind hervorstechende Merkmale der Amtszeit von WalterRiester.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beider SPD)

Ich nenne zwei Beispiele: Erstens. Die 630-Mark-Jobswurden in der Beschäftigungsstatistik berücksichtigt. Derangebliche massive Beschäftigungszuwachs erweist sichbei Lichte betrachtet in der Substanz als statistischer Ta-schenspielertrick.

Zweitens nenne ich die Rentenreform.

(Dirk Niebel [FDP]: Traditionelle AktuelleStunde!)

Durch Ihre Neudefinition des Rentenniveaus wird das imRentenbericht der Bundesregierung ausgewiesene Ren-tenniveau im Jahre 2015 trotz der von der Koalition ein-gestandenen deutlichen Leistungskürzungen nach der Re-form höher sein als vorher. Auch hier haben Siemanipuliert, dass die Heide wackelt.

(Widerspruch bei der SPD – Dr. Uwe Küster[SPD]: Mein Gott! Ein Storm kommt selten al-lein!)

Der jüngste Sündenfall ist der aktuelle Versuch zur Ma-nipulation der Arbeitslosenstatistik.

(Klaus Brandner [SPD]: Halten Sie mal einbisschen die Luft an! – Weiterer Zuruf von derSPD: Sie glauben selbst nicht, was Sie sagen!)

Der Unterschied zu den Erkenntnissen bei der Arbeitsver-mittlung liegt klar auf der Hand. Vor einigen Wochen hates erste Erkenntnisse über die Fehler und Mängel in derVermittlungsstatistik gegeben. Die Struktur der Arbeitslo-sigkeit und die Motivation der Arbeitslosen sind seit Jah-ren bekannt. Auch die Infas-Studie bringt keine neuen Er-kenntnisse. Wenn Sie hier etwas ändern wollten, dannhätten Sie am Beginn der Wahlperiode Änderungen erwä-gen müssen.

(Klaus Brandner [SPD]: Da haben Sie aberganz schön geschlafen!)

Es ist dreist, die Statistik ein halbes Jahr vor einer Bun-destagswahl um 1,2 Millionen Personen reduzieren zuwollen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – PeterDreßen [SPD]: Erklären Sie das doch mal!)

Worum geht es in der Substanz? Es geht darum – daszeigt auch die Infas-Studie –, dass mehr als die Hälfte die-ser 1,2 Millionen Personen wegen ihres Alters kaumChancen haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Eine ehrli-che Antwort der Bundesregierung wäre es, zu sagen, dasssie diesen keine realistische Chance gibt und dass sie sieaus der Statistik heraus haben will.

Bringen Sie im Deutschen Bundestag einen Gesetzent-wurf für ein massives Frühverrentungsprogramm ein!

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Um Gottes willen!)

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Dann wäre klar, dass 600 000 Menschen über 58 Jahreaus der Arbeitslosenstatistik herausfielen, da sie frühver-rentet würden. Jeder würde Ihnen sagen, dass das absurdist. Das würde die Rentenkassen an die Wand fahren. Alsomachen Sie einen Trick. Sie sagen, dass Sie die Frühver-rentung faktisch durchführen. Die Leute sollen sich zwararbeitslos melden, Sie betrachten sie aber nicht als Ar-beitslose und nehmen sie aus der Statistik heraus. Das istein fatales gesellschaftspolitisches Signal,

(Peter Dreßen [SPD]: Alles Spekulation!)

weil die Bundesregierung damit deutlich macht, dass siekeine Chancen mehr für die älteren Arbeitnehmer sieht,wieder einen Arbeitsplatz zu finden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Infas-Studie, die vom Arbeitsministerium zur Be-gründung herangezogen wurde, macht im Hinblick aufdie Gruppe von über 600 000 älteren Menschen deutlich– ich zitiere –:

Nicht übersehen sollte man aber, dass es auch unterden Personen, die angeben, in Rente zu wechseln,durchaus auch Fälle gibt, die im Grunde gerne nochlänger gearbeitet hätten und dies eventuell auch ausfinanziellen Gründen nötig hätten.

Die Studie kommt hier zu folgendem Ergebnis:

Hier ist dann wohl eher Resignation in Bezug auf dieeigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt der eigentli-che Auslöser für den Übergang in Rente.

(Dirk Niebel [FDP]: Genauso ist es!)

Es ist deutlich, dass diese Menschen einen Arbeitsplatzsuchen. Die Botschaft der Politik kann doch nicht lauten,dass sie nicht mehr glaubt, dass ein über 58-jähriger Ar-beitsloser eine Chance hat und er deswegen aus der Ar-beitslosenstatistik herausgenommen wird.

Die Begründung für den beabsichtigten Manipulati-onsversuch war, man brauche eine aussagekräftigere undtransparentere Statistik. Das kann nur zwei Konsequen-zen haben: Entweder Sie gestehen ein, dass Sie den Älte-ren die Chance nicht geben, oder Sie müssten im Gegen-zug die 1,7 Millionen verdeckt Arbeitslosen statistischerfassen, so wie es Professor Rürup vorgestern in derPresse dargestellt hat. Dann wäre die Arbeitslosenzahlnicht bei 4,3 Millionen, sondern bei nahezu 6 Millionen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wahnsinn! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Kommen Sie mal zumEnde!)

Die Abschiebung älterer Arbeitsloser in das statistischeNiemandsland ist eine Bankrotterklärung der rot-grünenBundesregierung. Diese Bundesregierung – nicht die äl-teren Arbeitslosen – gehört aus der Statistik gestrichenund in den Vorruhestand geschickt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Manfred Grund [CDU/CSU]: Riesterrente!)

– Der Arbeitsminister ist reif für die Riesterrente.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – KlausBrandner [SPD]: Eine Gesäusel war das!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für dieBundesregierung spricht der Parlamentarische Staats-sekretär Gerd Andres.

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr Präsident! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierunghat nicht die Absicht, in dieser Legislaturperiode die Ar-beitsmarktstatistik zu ändern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden[CDU/CSU]: Auf öffentlichen Druck! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Haben wir schonmal gehört!)

Die Bundesregierung hat deswegen nicht die Absicht, dieArbeitslosenstatisktik zu ändern, weil sie davon ausgeht,dass sich im Frühjahr die Arbeitsmarktzahlen im Zuge derwirtschaftlichen Besserung positiv verändern werden.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Welches Früh-jahr?)

Sie hat nicht die Absicht, diese positive Arbeitsmarktent-wicklung durch die rechte Seite des Hauses oder durcheine öffentliche Diskussion, man habe die Statistik mani-puliert, diffamieren zu lassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage ganz offen: Damit ist der Anlass für diese Ak-tuelle Stunde, die jetzt abgezogen wird, entfallen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass Sie, nachdem wir eine Stunde in der Fragestunde da-rüber diskutiert haben, noch nicht einmal die Größe auf-bringen, das auch zuzugeben, wirft ein bezeichnendesLicht auf Sie.

(Klaus Brandner [SPD]: Das ist der Zustandder CDU/CSU!)

Herr Storm, ich will Ihnen etwas sagen – ich sage dasganz offen –: Dass Sie sich nicht schämen, hier in dieserArt und Weise aufzutreten! Das nenne ich „auf frischer Tatertappt“. In Ihrer Regierungszeit haben Sie die Statistikzehnmal verändert bzw. manipuliert. Damit das völligklar ist.

(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Das mussmit Empörung zurückgewiesen werden!)

Das Thema der von Ihnen beantragten Aktuellen Stundelautet: Haltung der Bundesregierung zum Vorschlag desBundesarbeitsministers, 1,2 Millionen Arbeitslose aus derStatistik herauszurechnen. Damit klar ist: Einen solchenVorschlag, 1,2 Millionen Arbeitslose aus der Statistik zustreichen, hat es vom Bundesarbeitsminister überhauptnicht gegeben.

(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Den gibt esnicht?)

Damit ist der Titel Ihrer Aktuellen Stunde schon eine Un-terstellung und Unwahrheit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

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Damit wir wissen, worüber wir reden, Herr Storm: Invielen Zeitungen ist das geflügelte Wort „Ich glaube nurder Statistik, die ich selbst gefälscht habe“, zu lesen. Fas-sen Sie sich einmal angesichts Ihrer eigenen Formulie-rung an die Nasenspitze; ich empfehle Ihnen das sehr.Schon am letzten Donnerstag ist mir bei der Debatte überden Jahreswirtschaftsbericht aufgefallen, dass der Frakti-onsvorsitzende der Union, Herr Merz, sehr feinsinnigüber die Arbeitsmarktzahlen geredet hat.

(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Eine guteRede!)

Es war interessant, über welche Arbeitsmarktzahlen er ge-sprochen hat.

Sie haben das auch wieder gemacht und weil Sie jetztgrinsen, wissen Sie genau, was Sie gemacht haben. Siehaben nämlich von saisonbereinigten Arbeitsmarktzah-len gesprochen. Das drückt etwas ganz Einfaches aus: Je-der benutzt in der politischen Auseinandersetzung das,was er jeweils gebrauchen kann. Das, was dabei unterden Schlitten gerät, widert mich an. Wenn man mit denFachleuten untereinander redet, sind sich viele darübereinig, dass man bestimmte Veränderungen wahrnehmenmüsste, die rechtlichen Grundlagen dem aber entgegen-stehen. Ein ehrlicher Umgang mit den Tatbeständen wirddann dem jeweiligen taktischen und tagespolitischenKalkül geopfert. Da Sie das wissen und sich so verhalten,haben Sie überhaupt keine Berechtigung, hier „Haltetden Dieb!“ oder „Auf frischer Tat ertappt!“ zu rufen. Fas-sen Sie sich an die eigene Nase; damit haben Sie genugzu tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe kein Problem, Herr Storm, mit Ihnen über Ar-beitsmarktzahlen zu reden. Herzlichen Glückwunschkann ich da nur sagen. Wir hatten in diesem Januar – daskann man öffentlich nur wiederholen – 4,29 Millionen re-gistrierte arbeitslose Menschen. Sie hatten im Januar Ih-res letzten Regierungsjahres – nicht saisonbereinigt, son-dern real gezählt und bei den Arbeitsämtern gemeldet –4,82 Millionen arbeitslose Menschen.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Was haben Sieim November von uns übernommen?)

– Quaken Sie doch nicht dazwischen! – Im Februar sindIhre Zahlen gesunken. Herr Storm, damit wir hier Tache-les reden: Wissen Sie, warum die Zahlen gesunken sind?Das können Sie nachrechnen. Dazu lege ich Ihnen jedeStatistik auf den Tisch. Weil Sie die Leute ein ganzes Jahrlang in ABM, SAM und in Qualifizierung geschoben ha-ben.

(Andreas Storm [CDU/CSU]: Weil wir 1998einen Aufwärtstrend hatten!)

Dass Sie sich nicht schämen, hier so aufzutreten und einesolche Debatte zu führen, halte ich für unglaublich.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ich dachte,das war der Aufschwung Ihres Kanzlers!)

Das werden wir auch öffentlich darstellen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist widerlich, wie hier immer die gleichen Debattenwiederholt werden und wie versucht wird, mit getürktenTatbeständen Politik zu machen.

Damit wir über noch etwas ganz klare Kante haben – ich will überhaupt nicht daran vorbeireden; denn ichkann es nicht mehr hören –: In dem Zweistufenkonzeptder Bundesregierung steht – Herr Storm, damit wir uns danicht falsch verstehen –, dass die Vermittlungsstatistikkorrigiert und verändert werden muss. Auch dazu mussman sagen: Die Fachleute, die ernsthaft miteinander dis-kutieren – und nicht so, wie Sie es eben hier windig vor-getragen haben –, wissen ganz genau, dass dies die ersteUntersuchung des Bundesrechnungshofes war. In derZwischenzeit hat die Arbeitsverwaltung 15 Arbeitsämterentsprechend kontrolliert. Wir haben kein Interesse daran,mit irgendwelchen getürkten Statistiken zu arbeiten undmit irgendwelchen falschen Tatsachen umzugehen, son-dern wir brauchen Zahlen über die real durchgeführtenVermittlungen in diesem Land.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Alles eingroßes Missverständnis!)

Deswegen wird etwas ganz Einfaches passieren – wirsind sehr gelassen und sprechen uns nach dem 22. Sep-tember wieder; ich gratuliere Ihnen schon jetzt herzlich;das Ergebnis kann ich Ihnen heute schon vorhersagen –:

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die ruhigeHand!)

Wir werden das Problem zielstrebig und vernünftig lösen,aber nicht mit dem Unsinn, den Sie hier abziehen, Herrvon Klaeden. In der Fragestunde hatte ich Ihnen als Ant-wort auf Ihre erste Frage schon gesagt: Schenken Sie sichIhre Aktuelle Stunde, das ist nur Wind vor der Hoftür. DieBundesanstalt wird die Vermittlungsstatistik ändern. Wirwerden uns mit der Infas-Untersuchung befassen. Wirwerden die angekündigte Kommission installieren. Daskönnen nicht Sie machen, wir machen das. Die Kommis-sion wird darüber diskutieren und dann werden die not-wendigen Schlussfolgerungen gezogen. Wir haben keinInteresse an Luftbuchungen. Wir haben ein Interesse da-ran, mit den realen Tatbeständen in diesem Lande umzu-gehen.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Flucht nachvorne nennt man so etwas! – Gegenruf des Abg.Dr. Uwe Küster [SPD]: So ein Käse!)

– Hören Sie auf mit „Flucht nach vorn“. Eines kann ich überhaupt nicht mehr ertragen: Sie ha-

ben in Ihrer Regierungszeit den Höchststand an Arbeits-losigkeit erreicht. Die Regierung Kohl war, was dieArbeitsmarktzahlen anging, am Ende. Sie sind binnenkürzester Zeit um 1,5 Millionen gestiegen. Sie haben eineVerfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit zugelassen. Ichkann Ihnen alle Daten links und rechts immer wieder umdie Ohren hauen, und zwar die realen Daten, nicht diegetürkten und die zusammengeklaubten, auch nicht diesaisonbereinigten, Herr Storm. Mit diesen Zahlen werden

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wir uns auseinander setzen und ich sage Ihnen schon jetzt:Zum Schluss wird abgerechnet.

(Andreas Storm [CDU/CSU]: Sie wissen ge-nau, dass die saisonbereinigten Zahlen die rich-tigen sind!)

Ich kann nicht mehr ertragen, dass wir uns von denen,die die Karre in den Dreck gefahren haben, öffentlichnoch mit Dreck beschmeißen lassen müssen, während wiruns redlich bemühen, vernünftig und ohne Türkerei, wieSie es gemacht haben, diesen Karren aus dem Dreck wie-der herauszuholen

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie wolltendoch gelassen bleiben!)

Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Ich sageIhnen: Wir räumen auch mit den Statistiken auf. Wir ha-ben Interesse an realen Daten und realen Grundlagen undauf diesen Grundlagen machen wir Arbeitsmarktpolitik.Das können Sie sich hinter die Ohren schreiben.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Worthat jetzt der Kollege Dirk Niebel von der FDP-Fraktion.

Dirk Niebel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr ver-ehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär Andres,Sie haben bei Ihrem Zahlenvergleich zwischen den Ja-nuar-Werten 1998 und den Januar-Werten 2002 eine Peti-tesse vergessen: Sie regieren jetzt seit dreieinhalb Jahren.Pro Jahr verlassen aus demographischen Gründen unge-fähr 200 000 Menschen mehr den Arbeitsmarkt, als neuhinzukommen. Sie haben noch nicht einmal die demogra-phische Entwicklung aufgefangen. Die Arbeitslosenzah-len sind gestiegen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Konrad Gilges [SPD]: Das ist doch nichtsNeues!)

Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass dieseAktuelle Stunde zwingend notwendig ist, obwohl derKanzler den Arbeitsminister zurückgepfiffen hat. Denn esmuss deutlich gesagt werden: Armer ArbeitsministerRiester! Ich meine das ganz ernst, Herr Riester. Sie müs-sen ein außerordentlich einsamer Mensch sein: keineRückendeckung mehr im Kabinett und in der Fraktion.

Sie haben noch am Montag im „Grünen Salon“ geses-sen – ich habe es mir kurz angesehen – und mit großememotionalen Engagement die Änderung der Statistik ver-treten, weil Sie, wie ich glaube, auch fest davon überzeugtsind. Der Kanzler hat die Problematik erkannt, die in derzeitlichen Nähe zur Bundestagswahl liegt, und hat Siezurückgepfiffen. Der Kanzler hat auch bei der Bundes-anstalt die Problematik erkannt und Ihnen Aussagen auf-geschrieben, die Sie in der Pressekonferenz verkündet haben.

(Lachen bei der SPD)

Es waren gute Sachen, viele davon von uns übernommen.Lernen durch Leiden, kann ich dazu nur sagen. Es ist einParadebeispiel für pathologisches Lernen.

Mittlerweile merken wir schon, dass einiges von dem,was Sie dort verkünden durften, von der Fraktion wiederzurückgenommen wird. Sie rudert schon ganz kräftigzurück, was die Fragen der Zulassung privater Vermittlerund der erfolgsabhängigen Entlohnung in der staatlichenArbeitsvermittlung anbetrifft. Sie haben von daher keinenRückhalt in der Regierung und in der Fraktion. Armer Arbeitsminister!

(Beifall bei der FDP – Konrad Gilges [SPD]:Das wissen Sie doch gar nicht! Warten Sie dochmal ab! Seien Sie nicht so voreilig, Herr Niebel!Wir sind doch nicht bei Ihnen im Arbeitsamt!)

Ungefähr in einer Woche liegen die nächsten Arbeits-marktzahlen vor. Aber schon jetzt steht fest, dass wir beider Chefsache Ost den Höchststand der Arbeitslosigkeitin Ostdeutschland erreicht haben. Als Sie die Regierungübernommen haben, befanden sich 30 Prozent der Ar-beitslosen in Ostdeutschland. Jetzt sind es 35 Prozent.Chefsache Ost! 1,3 Millionen Menschen in Ostdeutsch-land sind arbeitslos,

(Klaus Brandner [SPD]: Die Arbeitslosigkeit istgesunken! Das wissen Sie, Herr Niebel! FangenSie nicht wieder an zu fälschen!)

aber Sie machen den Vorschlag, die Statistik zu ändern – über den durchaus diskutiert werden kann –, unmittel-bar vor dem Erscheinen der nächsten Arbeitsmarktzahlen.Herr Riester, das ist ein reines Ablenkungsmanöver. Siewollen damit von diesen Zahlen ablenken.

Wenn Sie der Ansicht sind, dass die Menschen, dienicht mehr vermittelt werden wollen oder können, aus derStatistik herausgenommen werden müssen, dann müssenSie andere Wege gehen. Nehmen wir das Beispiel Kin-dergeld und Arbeitslose. Das Bundeskindergeldgesetzsieht vor, dass Eltern weiterhin Kindergeld beziehen,wenn ihr Kind über 18 Jahre alt ist und sich arbeitslos ge-meldet hat. Wenn Sie der Ansicht sind, dass diese Perso-nen aus der Statistik herausfallen sollten, dann müssen Sie das Bundeskindergeldgesetz ändern und festlegen,dass unabhängig davon, ob sich jemand in Ausbildung,Arbeitslosigkeit oder im Wehrdienst befindet, bis zum27. Lebensjahr Kindergeld gewährt wird. Dann fallendiese Personen aus der Statistik heraus.

Die gleiche Frage stellt sich bei den Älteren. Sie habenes im Mai vergangenen Jahres – also vor acht Monaten –schon einmal versucht. Damals stiegen die Arbeitslosen-zahlen gerade im vierten Monat saisonbereinigt und dieErwerbslosenquote stagnierte. Damals stand zur Diskus-sion, bei den 58-Jährigen und Älteren Änderungen vorzu-nehmen. Bisher ist es so, dass ältere Menschen unter er-leichterten Bedingungen Leistungen in Anspruch nehmenkönnen, wenn sie aktiv erklären, dass sie nicht mehr ar-beiten und zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente ge-hen möchten. Diese Personen werden derzeit nicht in dieStatistik einbezogen. Damals wurde von der Regierunggeplant, das zu ändern, sodass alle 58-Jährigen und Älte-ren unter diese Sonderregelung fallen, es sei denn, sie er-

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klärten aktiv, dass sie noch arbeiten möchten. Der Menschist in aller Regel ein träges Wesen. Von daher würden weitweniger eine aktive Erklärung zur Arbeitswilligkeit ab-geben und die Statistik würde deutlich nach unten gehen.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)

Sie haben vorgeschlagen, mehr Ehrlichkeit in die Sta-tistik zu bringen.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Mehr Ehrlichkeit, we-niger Niebel, um es mal klar zu sagen!)

Ich meine, das ist gut und richtig. Zur Ehrlichkeit gehört,dass man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ABMund in SAM einbezieht, die sich ganz bewusst nur in ei-ner Zwischenbeschäftigung befinden, um die Chance zumWiedereintritt in den ersten Arbeitsmarkt zu gewinnen,und jederzeit – auch während der Maßnahme – zur Auf-nahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäfti-gung angehalten sind,

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das wollenSie ja gerade nicht!)

und dass es ganz bewusst auch weiterhin Vermittlungs-beratung – auch während der Maßnahmedauer – gebensoll. Von daher gehört zur Ehrlichkeit natürlich auch, dassSie all diejenigen einbeziehen, die wirklich nach Arbeitsuchen.

(Beifall bei der FDP)

Dann kann man über Änderungen der Statistik reden. Obvor oder nach der Wahl, ist nicht das Entscheidende.

Aber wenn es um Ehrlichkeit geht, dann auf beidenSeiten des Arbeitsmarktes. Machen Sie es nicht so wie inder Vergangenheit, als Sie sich bemüht haben, die Zahl der Erwerbstätigen in der Statistik zu erhöhen. Damalssind die geringfügig Beschäftigten einbezogen worden – 0,4 Prozentpunkte der Arbeitslosenquote –, die Schein-selbstständigen und 400 000 plötzlich sozialversiche-rungspflichtige Prostituierte. So werden Sie die Problemeam Arbeitsmarkt nicht lösen.

(Klaus Brandner [SPD]: Die sind früher auchdrin gewesen! Jetzt fangen Sie schon wieder anzu tricksen, Herr Niebel! Bleiben Sie mal beider Wahrheit!)

Sie müssen Ihre Gesetzgebung ändern, die von Anfangan in die falsche Richtung lief. Wir brauchen mehr Frei-raum am Arbeitsmarkt, weniger Reglementierung undmehr liberale Politik. Übernehmen Sie noch mehr von unsund warten Sie nicht, bis der Kanzler es Ihnen aufschreibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU – Konrad Gilges [SPD]: Dasstimmt doch gar nicht, was Sie erzählen!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Alsnächste Rednerin hat die Kollegin Dr. Thea Dückert vonder Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.

Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! LieberKollege Storm, Ihre Rede war wirklich ein echtes Storm-tief.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Manfred Grund [CDU/CSU]: Storm und Drangwar das! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Niebel undStorm!)

Diese Aktuelle Stunde ist schlichtweg Schnee von ges-tern. Ich habe richtiggehend Mitleid mit der Opposition,dass ihr heute erneut ein vermeintliches Wahlkampfthemawie eine Seifenblase zerplatzt ist. Nichts ist so alt wie dieMeldung von gestern.

Sie haben heute Morgen und eben schon wieder zurKenntnis nehmen müssen, dass der Staatssekretär mehr-fach – ich glaube, zehnmal –

(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Das reichtnicht!)

ganz deutlich gesagt hat, dass es in dieser Legislatur-periode keine Änderung der Statistik geben werde.

(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Deshalbmuss das ja nicht stimmen!)

Das hätten Sie durchaus schon einmal wahrnehmen können.

Sie wissen auch, warum es eine solche Änderung nichtgeben wird. Eines ist doch völlig klar: Wir lassen uns voneiner Opposition, die im Wahljahr 1998 durch das Herauf-fahren von „Wahlkampf-ABM“ unter Einsatz von 5 Mil-liarden DM die Statistik gefälscht hat, in diesem Wahljahrnicht in die Situation bringen, über Schönfärberei disku-tieren zu müssen.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wer hat dasdenn gesagt? Das ist mein Ausdruck!)

Wir müssen natürlich über eine Veränderung der Sta-tistik reden, weil Statistiken transparent sein und eineAussagekraft haben müssen. Das gilt gerade für die Ar-beitsmarktpolitik. Ich bekomme aber schon Tränen in dieAugen, wenn ich Herrn Niebel über Ehrlichkeit redenhöre und er gleichzeitig verlangt, wir sollten ABM-Kräfteals Arbeitslose mitzählen, obwohl er sehr genau weiß,dass ABM-Kräfte dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügungstehen.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist eine Frageder Definition, Frau Dr. Dückert! Die Men-schen wollen doch arbeiten!)

Ich bekomme deshalb Tränen in die Augen, Herr Niebel,weil Ihre Partei das Herauffahren von ABM in der Ver-gangenheit dazu benutzt hat, die Arbeitslosenzahlen zuschönen.

(Dirk Niebel [FDP]: Wir haben ABM nie rauf-gefahren!)

Wir sollten in Ruhe darüber reden, wie die Statistikentransparent und einleuchtend gemacht werden können. ImMoment gibt es einen Basar der Möglichkeiten. Sie habendie Aufnahme von ABM-Kräften vorgeschlagen und den

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Vorschlag von Herrn Rürup zitiert, der die stille Reservein die Arbeitslosenstatistik aufgenommen sehen möchte.Ich frage mich, wie das funktionieren soll. Ich habe vorHerrn Rürup große Hochachtung, aber an dieser Stellefrage ich mich, wie etwas, was nicht offen bekannt ist, ineiner Statistik mitgezählt werden kann. Darüber kann mansicherlich noch einmal reden. Ich halte aber einen solchenBasar der Möglichkeiten für absolut ungeeignet, um einevernünftige Debatte über Statistik zu führen.

Wenn wir über Veränderungen reden, müssen wir unsan der internationalen Vergleichbarkeit der Daten orien-tieren. Mein Beitrag zu dieser Debatte ist die Aufforde-rung, dass wir in der nächsten Legislaturperiode eine Sta-tistik erarbeiten, die mit denen unserer europäischenNachbarländer vergleichbar ist, sodass wir in Konkurrenzzu unseren Nachbarn offen und ehrlich über Erfolge vonBeschäftigungspolitik diskutieren können. Wir brauchenklare Kriterien; eines davon ist die internationale Ver-gleichbarkeit.

Natürlich müssen sich die Bundesanstalt für Arbeit unddie Kommission, die jetzt eingesetzt worden ist, darüberGedanken machen, welche Differenzierungen vorgenom-men werden müssen, was also ausgewiesen werden mussund was nicht, damit die Vermittlungstätigkeit bei derBundesanstalt für Arbeit an die vorderste Stelle rückenkann.

Für mich ist auch klar, dass wir uns als Koalition wei-ter darum bemühen werden, mit der unsinnigen Frühver-rentungspraxis Schluss zu machen, die Sie in den 90er-Jahren auf den Weg gebracht haben. Wir haben bereits mitdem Job-Aqtiv-Gesetz einen Paradigmenwechsel vorbe-reitet, der dazu führt, dass ältere Arbeitslose über Qualifi-zierung wieder in den Arbeitsmarkt hineinkommen kön-nen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Wir tun uns mit der Praxis der Frühverrentung schwer,weil Sie in den 90er-Jahren das verschlafen haben, wasunsere Nachbarländer, beispielsweise Dänemark, schongemacht haben. Dort hat man nämlich begriffen, dass eseiner Volkswirtschaft nicht abträglich ist, wenn man Äl-tere, aber auch Frauen in den Arbeitsmarkt integriert – daskann die Erwerbsquote sogar noch erhöhen – und daherauf Frühverrentung verzichtet. Diesen Weg werden wirgehen. Es wird sicherlich noch einige Debatten geben.Diese sollten wir offen und ehrlich führen. Nur, das, wo-rüber Sie in der Aktuellen Stunde reden wollten, ist keinaktuelles Thema.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD – Klaus Brandner [SPD]: DieZeit hätten wir wahrlich besser nutzen können!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Worthat der Kollege Dr. Klaus Grehn von der PDS-Fraktion.

Dr. Klaus Grehn (PDS): Herr Präsident! Liebe Kolle-ginnen und Kollegen! Es geht eigentlich nicht, dass dieRegierung den Spieß umdreht. Ich möchte festhalten: Die

Ursache für die heutige Aktuelle Stunde liegt nun wahr-lich nicht bei der Opposition.

(Dirk Niebel [FDP]: So ist es!)

Das Thema ist von Ihnen, meine Damen und Herren vonder Regierungsseite, aufgebracht worden. Dazu solltenSie auch stehen.

Herr Minister, es ist nicht sehr lange her – es tut mirLeid, dass ich Sie daran erinnern muss –, dass Sie von demRednerpult aus, an dem ich jetzt stehe, im Zusammenhangmit den Wahlkampf-ABM von „täuschen“ und „tricksen“gesprochen haben. Ich hatte dagegen nichts; denn auchich habe diese Wörter benutzt. Aber damals war eines an-ders als heute: Die Menschen sind durch die Wahlkampf-ABM – keine Frage, dass es um Täuschen und Tricksenging – zeitweise in Arbeit gekommen. Auch Ihre heutigeAussage, dass Sie die Arbeitslosenstatistik aussagekräfti-ger machen wollen, indem Sie 1,2 Millionen Arbeitsloseanderweitig erfassen lassen wollen, erinnert sehr an Täu-schen und Tricksen.

(Klaus Brandner [SPD]: Was sagen Sie da? Wermacht das denn? – Dr. Uwe Küster [SPD]: Es istschon zehn- oder elfmal gesagt worden: DieBundesregierung hat nicht die Absicht, die Ar-beitslosenstatistik zu verändern! Sie habennicht zugehört!)

Damit werden diese 1,2 Millionen Arbeitslosen nicht inArbeit kommen.

(Klaus Brandner [SPD]: Das ist jetzt aber bös-artig, was Sie machen!)

Ich muss Ihnen sagen: Die Grundprobleme in diesemLand werden so nicht angegangen.

(Weitere Zurufe von der SPD)

– Sie können mir nicht weismachen, dass sich alle, die daskritisieren, etwas aus den Fingern gesaugt haben. Dazu istschon manche Äußerung gefallen.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Genau, und Sie fallendarauf herein!)

– Ja, sicherlich falle ich darauf herein.

Sie müssen mir erst einmal erklären, was Sie damit er-reichen wollen, dass diejenigen, die angeblich nicht ernst-haft nach Arbeit suchen oder die nicht arbeiten wollen, an-ders erfasst werden sollen. Wer bestimmt eigentlich, wernicht mehr ernsthaft nach Arbeit sucht oder nicht mehr ar-beiten will? Der Staatssekretär hat als Beispiel für dieje-nigen, die nicht mehr arbeiten wollen, Frauen angeführt,die sich nur wegen des Kindergeldes arbeitslos meldeten.Dazu kann ich nur sagen: Wegen Kindergeld muss mansich nicht beim Arbeitsamt arbeitslos melden. Das be-kommt man auch so.

(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das ist doch Quatsch!)

Ich halte es für sehr problematisch, dass unter den20 Prozent derjenigen, die nach Ihrer Definition aus derArbeitslosenstatistik herausfallen sollen – das belegen dieZahlen von Infas, die Sie angeführt haben –, 15 Prozent

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Ältere sind. Nach der Wende sind bereits 900 000 Arbeit-nehmer und Arbeitnehmerinnen in den vorzeitigen Ruhe-stand gejagt worden. Sie wissen, was mit den 57-Jährigenpasssiert, die erklären, dass sie zum frühstmöglichenZeitpunkt in Rente gehen, und damit aus der Statistik he-rausfallen. Ich finde, es ist ein Armutszeugnis für diesesLand, wenn Menschen dieses Alters sagen müssen: Ichnehme dies an, weil ich weiß, dass ich keine Arbeit mehrbekomme, damit ich nicht in ein finanzielles Loch falle.Genau das ist das Problem. Aber Sie behaupten, dass dieseMenschen eigentlich gar nicht mehr arbeiten wollten. Siewissen es doch besser: Diese Menschen haben auf demArbeitsmarkt gar keine Chance mehr.

Ich möchte auch auf das eingehen, was Sie in der Fra-gestunde gesagt haben. Ist es wirklich so, dass diejenigen,die sich nach fünf oder sieben Jahren Arbeitslosigkeit,nachdem sie also gemerkt haben, dass die Gesellschaft sienicht mehr will, dass sie nicht mehr auf dem Arbeitsmarktunterkommen, die eine Nische zum Überleben suchenund die physisch und psychisch kaputt sind, nicht mehrarbeiten wollen? Schaffen Sie die Voraussetzungen– darin unterstützen wir Sie – für neue Arbeitsplätze! Siemüssen Arbeitsplätze in der Realität schaffen. Das errei-chen Sie nicht durch statistische Veränderungen.

(Beifall bei der PDS)

Wenn Sie das tun, dann haben Sie uns immer an IhrerSeite.

(Konrad Gilges [SPD]: Wir leben doch im Ka-pitalismus, Herr Grehn! Haben Sie das nochnicht festgestellt? Wir leben nicht mehr im realexistierenden Sozialismus, wir leben im Kapi-talismus, Herr Kollege!)

– Kollege Gilges, ich merke, Sie sind wieder wach ge-worden.

(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Mal gucken, was Sie in Berlin hinkrie-gen!)

Sie können nicht einfach Vorschläge aus irgendwel-chen Gründen ablehnen, ohne sie vorher ernsthaft geprüftzu haben. Ich darf darauf hinweisen, dass Sie mit den vonIhnen jetzt verkündeten Vorstellungen den Eindruck er-wecken – ob Sie das wollen oder nicht –, dass ein be-deutender Teil des Umfangs der Arbeitslosigkeit im sub-jektiven Verhalten begründet ist.

(Wolfgang Grotthaus [SPD]: Das ist dummesZeug, was Sie hier sagen, und das wissen Sieauch!)

– Diesen Eindruck erwecken Sie, wenn Sie sagen, dass1,2 Millionen Menschen an neuer Arbeit nicht interessiertsind. Was sagen die Bürgerinnen und Bürger dazu?

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Auch die Wiederho-lung macht aus dummem Zeug keine Wahr-heit!)

– Sie sollten sich das ruhig anhören. Sie können etwas ler-nen. Sie sollten in die Praxis gehen und sich anschauen,was dort los ist.

Wir brauchen keine Statistiken, sondern wir müssenArbeitsplätze schaffen. Machen Sie dazu Vorschläge undgehen Sie damit an die Öffentlichkeit. Wenn Sie das tun,dann haben Sie uns und die Bürger auf Ihrer Seite. Fan-gen Sie nicht an, an der Statistik „herumzudoktern“! An-sonsten stehen Sie vor dem Problem, das Sie bereits beider Vermittlung haben, dass nämlich niemand mehr weiß,wie die Realität aussieht.

(Beifall bei der PDS – Klaus Brandner [SPD]:Herr Grehn, das war kein guter Beitrag!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Alsnächste Rednerin hat die Kollegin Doris Barnett das Wort.

Doris Barnett (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolle-ginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde bewegt viel-leicht viel Luft, hilft den Arbeitslosen aber nicht. Ihre Re-demanuskripte sind etwas veraltet; denn Sie befassen sichnicht mit der Realität.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – DirkNiebel [FDP]: Was für Manuskripte?)

Ich erinnere mich noch gut daran, dass es bei Ihneneine klammheimliche Freude gab, als der Bundesrech-nungshof seine Zahlen zur Arbeitsvermittlungsstatistikveröffentlicht hat. Sie meinten, dem Bundesarbeitsminis-ter etwas „unter die Weste jubeln“ und ihn angreifen zukönnen.

Wir gehen daran – allerdings erst nach der Bundes-tagswahl –, sämtliche Statistiken im Sinne des Bundes-rechnungshofes zu bereinigen, sie aussagekräftig zu ma-chen und sie so zu gestalten, dass man darausHandlungsanweisungen ableiten kann. Auch dagegen ha-ben Sie nun etwas. Sie wehren sich und sprechen von Ma-nipulation. Soll ich Ihnen einmal die Liste Ihrer „Statis-tikanpassungen“ von 1986 bis 1998 zeigen? MeineRedezeit reicht nicht aus, um alle vorzulesen.

Herr Grehn, Sie sprachen die Definition an, nach derdie Anzahl der Arbeitslosen nicht genauer eingeschränktwerden kann. Angesichts dessen muss ich mich an denKopf fassen und fragen: Was veranlasst die anderen Län-der, andere Definitionen, insbesondere international ver-gleichbare, aufzustellen? Ich frage mich: Ist eine Statistik,die die tatsächlichen Gegebenheiten abbildet, eine Mani-pulation oder ist nicht vielmehr eine Statistik, die ungenauist, die viele Fälle erfasst, die eigentlich gar nicht hinein-gehören, ein falsches Abbild, das zu falschen Schlussfol-gerungen führt?

Herr Storm, Sie haben über die verdeckte Arbeitslosig-keit gesprochen. Woher kommen 1,2 Millionen Arbeits-lose plötzlich? Sie wollen sie ebenfalls dem MinisterRiester „unter die Weste jubeln“. Sie tun so, als hätten Sievorher nie regiert, als hätte es in den 16 Jahren Ihrer Re-gierungszeit keine, wie Sie sagen, „verdeckten Arbeitslo-sen“ gegeben. Hören Sie damit doch auf! Was Sie hier ma-chen, ist doch alles nur Wahlkampfgeplänkel!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002

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Wir haben jetzt die einmalige Chance, die vorhandenenStatistiken zu entrümpeln, sie aussagekräftig und interna-tional vergleichbar zu machen. Wenn wir von nun an eineeffizientere Vermittlung anstreben, mehr Qualität undKundenorientierung bei der Arbeitsverwaltung an denTag legen wollen und müssen, dann müssen wir auch dienotwendigen Grundlagen schaffen. Diese Grundlagenbieten die bisherigen Statistiken, wie das Ergebnis desBundesrechnungshofes zeigt, leider nicht.

Herr Niebel, deshalb lohnt sich vielleicht ein Blick aufdas Institut der deutschen Wirtschaft; denn auch dortbemängelt man, dass es auf der einen Seite eine großeZahl von offenen Stellen gibt, dass es auf der anderenSeite aber trotz vieler Arbeitsloser zu keiner Vermittlungkommt. Als Grund ortet das IW einen Anteil von Arbeits-losen, die aus unterschiedlichen Gründen für eine Ar-beitsvermittlung faktisch nicht zur Verfügung stehen.Deshalb fordert das IW auch eine andere Zählweise, eineandere Statistik. Also: Warum verschließen Sie sich jetztund reden von Manipulation? Ausgerechnet Sie!

(Dirk Niebel [FDP]: Ich war so kooperativ!)

Wenn die Arbeitsämter offene Stellen besetzen sollen,dann brauchen sie auch Arbeitshilfen, die ihnen das er-möglichen. Was nützen ihnen Listen und Statistiken, dienur scheinbar verfügbare Arbeitskräfte aufzeigen?

Die international standardisierte Arbeitslosenstatistikdefiniert Verfügbarkeit so: Ein Arbeitsloser ist verfügbar,wenn er innerhalb von zwei Wochen eine Arbeit aufneh-men kann. Nach dieser Lesart hätte es – das müsste ei-gentlich die CDU freuen – laut Mikrozensus 1997 inDeutschland 585 000 Arbeitslose, also 13 Prozent der Er-werbslosen, gegeben, die nicht in der Lage waren, diesesVerfügbarkeitskriterium einzuhalten. Damit hätten SieIhre Zahlen verbessern können. Hätten Sie das damals nurgewusst!

Sie können doch niemanden glauben machen, dass Ih-nen an nationalen Statistiken liegt, die im internationalenVergleich keinen oder nur geringen Aussagewert haben.Ihnen geht es um Krawall, um Aufsehen und Spiegel-gefechte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Seien Sie doch ehrlich: Bei Ihnen ist jetzt Wahlkampf an-gesagt, nicht Sachpolitik, und schon gar nicht sind die Ar-beitslosen angesagt; sonst hätten Sie in den letzten drei-einhalb Jahren den Standort Deutschland nicht ständigheruntergeredet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt haben wir die einmalige Gelegenheit aufzuräu-men – in den letzten dreieinhalb Jahren haben wir nichtsanderes getan, als das aufzuräumen und das wieder zurichten, was Sie an die Wand gefahren und vernachlässigthaben –,

(Dirk Niebel [FDP]: „Einmalige Gelegenheit“ist die richtige Formulierung!)

jetzt haben wir die Gelegenheit, die Bundesanstalt für Arbeit neu auszurichten und auch mit dem gesamten

Zahlenwerk klar Schiff zu machen, so wie es der Bundes-rechnungshof fordert. Eigentlich müssten alle Arbeits-marktpolitiker darüber froh sein und mitmachen; stattdes-sen gehen Sie nur auf Wahlkampf und auf Stimmenfangaus. Aber es wird Ihnen nicht gelingen, weil wir die drin-gende Reform der Arbeitsmarktstatistik erst nach derBundestagswahl in Angriff nehmen.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha! Manipu-liert wird nach der Wahl!)

Walter Riester hat Ihnen also schon wieder ein Spiel-zeug aus der Hand geschlagen. Ich glaube schon, dass Siedas ärgert, aber damit müssen Sie leben. Uns geht es da-rum, den arbeitslosen Menschen zu helfen; Ihnen geht esnur um Wahlkampf. Aber Sie werden sehen: Es nützt Ih-nen nichts. Auch nach dem 22. September werden Sie aufder Oppositionsbank sitzen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Nein,nein, wir nicht! Für uns weise ich das entschie-den zurück, mit Abscheu!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Alsnächster Redner hat der Kollege Hans-Peter Friedrich vonder CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) [CDU/CSU]: HerrPräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! HerrAndres, nachdem Sie sich an diesem Rednerpult so auf-geführt haben, muss ich sagen: Bravo, Kollege Storm!Die Rede hat gesessen!

(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Jawohl!)Sie haben hier wirklich als ein ertappter Sünder gestan-den.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Auf welcher Veranstal-tung waren Sie denn? In welcher Wirtschaft ha-ben Sie da gesessen?)

Sie haben uns vorgeworfen, wir würden falsche Zahlenverwenden. Ich möchte Sie gern einmal darauf hinweisen,lieber Herr Staatssekretär, dass es im Januar 1999, im Ja-nuar nach dem letzten Jahr der Regierung Kohl, 4,45 Mil-lionen Arbeitslose in Deutschland gegeben hat. Wenn mandavon die 650 000 abzieht,

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)die in den letzten drei Jahren aus demographischen Grün-den aus der Statistik verschwunden sind, dann kommtman auf 3,8 Millionen. In Wirklichkeit sind es jetzt aber4,3 Millionen. Das zeigt das Versagen Ihrer Regierung inder Arbeitsmarktpolitik!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Ich darf Sie an der Stelle daran erinnern, dass die SPD im

Wahlkampf 1998 noch wahnsinnig Angst gekriegt hat, weilplötzlich die Konjunktur und vor allem die Arbeitsmarkt-politik hervorragend gelaufen sind. Dann hat Herr Schröderplakatieren lassen: Das ist mein Aufschwung.– KönnenSie sich noch daran erinnern? Wir können uns noch daranerinnern. Jetzt wollen Sie diesen Aufschwung leugnen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So war es!)

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002

Doris Barnett

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Jetzt komme ich zu dem, was Sie, Herr Andres, heutein der Fragestunde und in Ihrer Rede vorhin 13-mal – wirhaben mitgezählt – gesagt haben:

(Zuruf von der SPD: Das stimmt nicht! – Wei-tere Zurufe von der SPD – Dirk Niebel [FDP]:Die haben das alles auswendig lernen müssen,damit keiner was Falsches sagt!)

Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, in dieser Le-gislaturperiode die Statistik zu verändern. – Korrekt wäregewesen, lieber Herr Staatssekretär, wenn Sie gesagt hät-ten: Die Bundesregierung hat nicht mehr die Absicht, dieStatistik zu verändern.

(Renate Rennebach [SPD]: Das ist wirklichdummes Zeug – Dr. Uwe Küster [SPD]:Quatsch!)

Sie sind nämlich als ertappter Sünder von der deutschenÖffentlichkeit, von der Presse und von der Opposition inIhre Schranken gewiesen worden. Das ist die Wahrheit!

(Beifall beider CDU/CSU und der FDP –Dr. Uwe Küster [SPD]: So viel Quatsch! EinQuatschmacher!)

Herr Staatssekretär, ich zitiere jetzt Agenturmeldungenvom 23. Februar: „Wir werden die Statistik ergänzen umdiejenigen, die nachweisbar keine Vermittlung wollen“,sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Arbeits-ministerium Andres. Die Regierung wolle die Statistikaussagekräftiger machen und dieses Projekt noch inner-halb der nächsten drei Monate anpacken. – Erwischt! DerVersuch, die Statistik zu fälschen und zu manipulieren, istgescheitert.

(Klaus Brandner [SPD]: Was ist daran falsch,dass das angepackt wird? – Dr. Uwe Küster[SPD]: Herr Friedrich ist von der PISA-Studievoll erfasst! – Weitere Zurufe)

– Das Thema, liebe Frau Dückert, ist und bleibt trotzdemaktuell, weil nicht nur im Strafrecht, sondern auch in derPolitik schon der Versuch strafbar ist.

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich den Sinn ei-ner Arbeitsmarkt- oder Arbeitslosenstatistik anschauen,dann können Sie durchaus verschiedene Erklärungsversu-che finden. Die eine Möglichkeit ist, dass man mit einersolchen Statistik die Quantität eines Problems erfassenwill. Wenn das der Sinn ist, dann ist das richtig, was dieKollegen schon gesagt haben: Dann müssen auch die 1,7 Millionen verdeckt Arbeitslosen, die ebenfalls einenArbeitsplatz suchen, mit in die Statistik aufgenommenwerden.

(Zuruf von der SPD: Das haben Sie doch im-mer geleugnet!)

Sie haben gesagt, dass Sie das nicht wollen. Also sehenSie den Sinn einer solchen Statistik darin wohl nicht.

(Klaus Brandner [SPD]: Hätten Sie doch ge-schwiegen!)

Die andere Möglichkeit ist, dass man mit einer solchenStatistik Trends und Tendenzen feststellen will. Durch dieFälschung der Statistik, die Sie vorhatten,

(Klaus Brandner [SPD]: Böse Unterstellung!)

haben Sie versucht, genau das unmöglich zu machen; dieVergleichbarkeit der Statistiken über die Jahre wäre nichtmehr gegeben gewesen.

In diesem Zusammenhang, lieber Herr Minister, habenSie das dümmste Argument angeführt, das es gibt, indemSie gesagt haben, die Vermittler in den Arbeitsämternmüssten aus der Statistik ja wissen, wie viele Leute über-haupt nicht arbeitswillig sind. Lieber Herr Minister, wenndie Arbeitsvermittler vor Ort, die jeden Tag mit den Leu-ten zu tun haben, nicht wissen, wer arbeitswillig ist undwer nicht, woher sollen es dann die Beamten des Statisti-schen Bundesamtes wissen? Das ist eine merkwürdigeArgumentation.

(Klaus Brandner [SPD]: Man merkt: Es sprichtkein Fachpolitiker! Das ist wirklich ein Beweisdafür!)

Damit komme ich zum Kern der eigentlichen Proble-matik. Das eigentliche Problem besteht darin, dass ausdieser Statistik die politische Dimension des Problems Ar-beitslosigkeit hervorgeht. Bereits Ihre Absicht, Ihr ge-scheiterter Versuch, die Statistik zu fälschen, um das Pro-blem der Arbeitslosigkeit klein zu reden und zuverharmlosen, ist ein Schlag in das Gesicht der Menschenin diesem Lande;

(Zuruf von der SPD: Hören Sie auf! Wer willden Kündigungsschutz wieder rückgängig ma-chen?)

denn die Botschaft, die bei ihnen ankommt, ist folgende:Wir können euer Problem leider nicht lösen, deswegen re-den wir das Problem klein und verschleiern unsere Un-fähigkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – KlausBrandner [SPD]: Die Rede hätten Sie 1997 hal-ten sollen! Das wäre gut gewesen! – KonradGilges [SPD]: Die Rede hätten Sie zur Zeit derKohl-Regierung halten sollen!)

Das ist ein politischer Offenbarungseid nicht nur des Ar-beitsministers, sondern – mit Verlaub – auch des Bundes-kanzlers. Der Herr Bundeskanzler hat wohl erst gestern sorichtig begriffen, dass dieser Fälschungsversuch, diesesBetrugsmanöver auf ihn zurückfällt. Deswegen hat er ges-tern den Befehl zum Rückzug gegeben.

(Zurufe von der SPD)

Das Schlimmste an der ganzen Geschichte aber ist Ihremangelnde Selbstkritik. Sie versuchen, die Themen zuverdrängen. Deswegen sage ich Ihnen: Sie müssen, wennSie das Problem der Arbeitslosigkeit lösen wollen, end-lich die rot-grünen Arbeitsplatzbremsen in Deutschlandbeseitigen. Ich fordere Sie auf: Packen Sie es endlich an,sonst können Sie nämlich bald einpacken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – KlausBrandner [SPD]: Das war eine Luftrede!)

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Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)

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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Worthat jetzt der Kollege Wolfgang Grotthaus von der SPD-Fraktion.

(Klaus Brandner [SPD]: Der hat wenigstensAhnung!)

Wolfgang Grotthaus (SPD): Herr Präsident! Meinesehr geehrten Damen und Herren! Bei einigen Re-debeiträgen kam mir das Sprichwort in den Sinn, das wirim Ruhrgebiet verwenden: Haltet den Dieb, er hat meinMesser im Rücken! – Die Verursacher bestimmter Vor-gänge reklamieren hier und heute auf einmal Dinge, diesie selbst hätten regeln können; denn was in der Bundes-anstalt für Arbeit gelaufen ist, ist ja nicht erst seit den letz-ten Wochen oder Monaten so gelaufen. Das ist währendIhrer Regierungszeit so gelaufen und Sie haben es nichtgemerkt, halten uns diese Vorgänge aber heute vor.

Der Kollege Niebel von der FDP hat hier in Bezug aufdie Zahlen mehr Ehrlichkeit angemahnt, obwohl er selbstüber die Presse transportiert hat, dass er die Methoden derBundesanstalt für Arbeit in Bezug auf die Arbeitslosen-statistik selbst mit beeinflusst hat, und zwar so, dass sieheute kritikwürdig sind.

(Dirk Niebel [FDP]: Nein, nein!)

Angesichts dessen muss ich sagen: Da wird der Täter aufeinmal zum Richter. Herr Niebel, statt hier von Arbeitslo-senstatistikfälschern zu sprechen und Ehrlichkeit zu re-klamieren, sollten Sie sich einmal darauf besinnen, wieSie damals gehandelt haben, als Sie damals dort waren.Sie hätten eigentlich verantwortungsbewusst handelnkönnen, indem Sie Ihre Vorgesetzten darüber informierthätten, wie es um diese Statistiken tatsächlich bestellt ist.Stattdessen stellen Sie sich hierhin, klagen das an und ma-chen uns noch Vorwürfe, wenn wir erklären, dass wir Sta-tistiken transparenter machen und differenzierter ausge-stalten wollen!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU undder FDP)

Worum geht es hier eigentlich? Die Prüfung des Bun-desrechnungshofes zur Ermittlung der tatsächlichen Ver-mittlung von Arbeitslosen durch die Arbeitsämter, HerrNiebel, hat gezeigt, wie notwendig es ist, sich Gedankenüber die tatsächliche – ich betone: tatsächliche – Zahl derArbeitssuchenden zu machen. Es geht nicht darum, Men-schen aus der Statistik herausfallen zu lassen; das wissenSie.

(Zuruf von der CDU/CSU: Doch!)

Vielmehr geht es darum, aussagekräftige und verwertbareDaten zu bekommen, um nachvollziehen zu können, werarbeitssuchend ist und dem Arbeitsmarkt zur Verfügungsteht und wer arbeitslos gemeldet ist, dem Arbeitsmarktaber nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht.

(Zuruf des Abg. Dirk Niebel [FDP])

– Nein. Ergebnis muss also das sein, was wir im Job-Aqtiv-Gesetz festgeschrieben haben, nämlich eine effizi-entere Vermittlung zu bekommen und damit die Mitarbei-

terinnen und Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeitoder der Arbeitsämter stärker auf die Menschen zu kon-zentrieren, die dem Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfü-gung stehen.

Ich will Ihnen dazu ein Beispiel nennen. Ich kommenun aus – –

(Dr. Klaus Grehn [PDS]: Wer nicht zur Verfü-gung steht, bekommt kein Geld! – Dirk Niebel[FDP]: Verfügbarkeit ist eine Anspruchsvoraus-setzung!)

– Herr Grehn, dort, wo Sie vor ungefähr 15 Jahren Statis-tiken aufgestellt hatten, waren die Jungen und Mädel nichtin Arbeit, sondern in staatlich finanzierten Arbeitsbe-schaffungsmaßnahmen. Die Statistiken, die Sie noch inErinnerung haben, sollten Sie vielleicht auch noch ein we-nig durchforsten.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Im Ruhrgebietschließt in einer Stadt eine Zeche, 4 000 Menschen wer-den arbeitslos. Im Allgemeinen sind davon 25 Prozent älter als 50 Jahre. Diese 25 Prozent, also rund 1 000 Men-schen, haben gemäß Montananpassung das Recht, in denVorruhestand zu gehen. Sie stehen damit dem Arbeits-markt nicht mehr zur Verfügung. Sie können dem Arbeits-amt signalisieren: Nein, wir wollen nicht vermittelt wer-den. Sie bekommen aber Leistungen vom Arbeitsamt.Jetzt frage ich: Sollen sich die Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter des Arbeitsamtes auch um diese 1 000 kümmern?Ist es nicht zweckmäßig, sich um die anderen zu küm-mern, die tatsächlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügungstehen?

(Dirk Niebel [FDP]: Wollen Sie denen denn dasGeld streichen? – Gegenruf des Abg. Dr. UweKüster [SPD]: Sie sind doch wohl das Letzte anKapazität!)

– Nein, denen will gar keiner das Geld streichen. Eskommt darauf an, die Statistik transparenter zu machen.

(Dirk Niebel [FDP]: Anspruchsvoraussetzungist die Verfügbarkeit!)

– Ich muss Ihnen nur ins Gesicht schauen, Herr Niebel,dann weiß ich, wie ich Ihre Frage zu bewerten habe. Sienehmen Ihre Fragen selbst nicht ernst. Von daher ist es eigentlich auch dumm, überhaupt auf Ihre Fragen einzu-gehen.

(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Ichnehme sie sehr ernst!)

Es wird also, um dies festzuhalten, keine Veränderungin der Summe der Arbeitslosenzahlen geben, vielmehrwerden die Arbeitslosen genauer unter den Gesichtspunk-ten, weshalb sie arbeitslos sind und ob sie noch vermittel-bar sind, erfasst. Dies wissen Sie. Sie wissen auch, dassdies im Rahmen der Neustrukturierung der Bundesanstaltfür Arbeit notwendig ist.

Mit dieser Aktuellen Stunde hier und heute – das hatdie Kollegin gerade schon gesagt – wollen Sie Wahlkampfmachen. Das ist Ihr gutes Recht, aber wir werden Ihnen

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das nicht durchgehen lassen; das werden Sie feststellen.Was wir wollen, werden besonders die Menschen erken-nen, denen Sie hier suggerieren wollen, dass sie von un-serer Maßnahme betroffen seien, und zwar dann, wennzum ersten Mal die unterschiedlichen Zahlenstrukturenauf dem Tisch liegen. Spätestens dann werden die Mit-bürgerinnen und Mitbürger erkennen:

(Klaus Brandner [SPD]: Wir kümmern uns umdie Menschen! Die wollen den Kündigungs-schutz abschaffen!)

Auch hier – das habe ich Ihnen schon mehrere Male ge-sagt – hat die Opposition nach dem Motto gehandelt: ver-unglimpfen, verunsichern, Panik verbreiten und darausdann noch politisches Kapital schlagen. Die Menschen inunserer Republik sind nicht so dumm, dass sie das nichterkennen. Von daher werden Sie am 22. September dieQuittung bekommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Wer dieQuittung bekommt, ist noch nicht ganz heraus! –Zuruf von der CDU/CSU: Das sieht man an denUmfragen!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Worthat der Kollege Peter Weiß von der CDU/CSU-Fraktion.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Herr Präsi-dent! Meine Damen und Herren! Nachdem ich die Vertei-digungsreden der rot-grünen Redner und vor allen Dingendie Ausführungen des Parlamentarischen Staatssekretärshier gehört habe, kann für mich das Motto dieser Ak-tuellen Stunde nur lauten: Getroffene Hunde bellen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster[SPD]: Herr Weiß wieder einmal ohneWeisheit!)

Der Herr Staatssekretär bemüht die Ausrede, auchfrüher habe es Statistikanpassungen gegeben. Das istwahr. Aber noch nie hat es kurz vor einer Bundestagswahleinen so dreisten Versuch gegeben, 1,2 Millionen Ar-beitslose schlichtweg aus der Statistik herauszurechnen.Das ist einmalig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – PeterDreßen [SPD]: Das ist doch Lüge, was Sie hiererzählen! Es ist schlichtweg eine Lüge, und Siewissen das, das ist das Schlimme!)

Wenn Sie sich, Herr Staatssekretär, schon rühmen, dieArbeitslosigkeit habe heute zahlenmäßig noch nicht denHöchststand erreicht, den es unter der Kohl-Regierunggegeben hat, dann hätten Sie ehrlicherweise, wenn Sieschon unbedingt mehr Transparenz herstellen wollen, dieRechnung aufmachen müssen,

(Klaus Brandner [SPD]: Grimms Märchensind das, die hier verbreitet werden!)

die hier schon einmal aufgemacht worden ist, dass näm-lich Sie, die rot-grüne Koalition, auf dem Arbeitsmarktausschließlich von der Tatsache profitieren, dass Monatfür Monat mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-

mer aus Altersgründen in den Ruhestand treten, als dassjunge Leute neu in den Arbeitsmarkt eintreten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – KlausBrandner [SPD]: Es ist eine Frechheit, das sodarzustellen! Verantwortungslos ist das, wasSie jetzt machen, Herr Weiß!)

Wenn Herr Andres im Sinne seiner neuen Transparenz dasdazugerechnet hätte, hätte er sagen müssen, dass die Ar-beitslosigkeit heute höher liegt, als sie je unter Kohl ge-wesen ist. Das sind die Fakten!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Nein, meine Damen und Herren, es zeigt sich immerdeutlicher: Das war eine raffiniert eingefädelte Sache. Sievon Rot-Grün haben bewusst an dem Tag, an dem dieneuen Arbeitslosenzahlen verkündet wurden, die Ge-schichte mit der Vermittlungsstatistik der Bundesanstaltfür Arbeit in die Welt gesetzt.

(Franz Thönnes [SPD]: Sie Weißmacher!)

Das war eine von Ihnen gezielt geplante Aktion, ein Ab-lenkungsmanöver;

(Klaus Brandner [SPD]: So schlecht, wie Siedenken, können wir gar nicht denken!)

denn seit diesem Tag wird in Deutschland über Statis-tikfragen diskutiert. Aber der eigentliche Skandal inDeutschland sind nicht die Statistiken, sondern ist dieMassenarbeitslosigkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – KlausBrandner [SPD]: Nein, der eigentliche Skandalist die schwache Opposition, die darauf ange-wiesen ist, mit Lügen und Tricks aufzutreten!)

Der Skandal sind 4,3 Millionen Arbeitslose im Januardieses Jahres und voraussichtlich 4,32 Millionen im Februar dieses Jahres. Im jährlichen Durchschnitt liegt die monatliche Arbeitslosigkeit bei 4 Millionen. DasKatastrophalste – darüber reden Sie schon gar nicht mehr –ist, dass die Arbeitslosenzahl in den neuen Bundesländernmit 1,3 Millionen den höchsten Stand seit der Wiederver-einigung erreicht hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Pfui! – Dirk Niebel[FDP]: Chefsache Ost!)

Das nennt man Aufbau à la Schröder.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Wolfgang Weiermann [SPD]: Sie wollten denKündigungsschutz abschaffen!)

Die Bevölkerung weiß es: Das eigentliche Problem derArbeitslosigkeit ist kein Statistikproblem, sondern das Er-gebnis einer verfehlten Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspo-litik dieser rot-grünen Bundesregierung. Nicht die Statis-tik, sondern die Politik muss geändert werden!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – KlausBrandner [SPD]: Spärlicher Beifall!)

Aber wenn man schon beim Fälschen von Statistikenist, dann macht es nichts, wenn man noch eins draufsetzt.

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Deshalb denkt zumindest Walter Riester frei nachWilhelm Busch: Ist der Ruf erst ruiniert, lügt es sich ganzungeniert.

(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Brandner[SPD]: Pfui!)

Die Meldung, dass dieser Bundesarbeitsminister 1,2 Mil-lionen Arbeitslose aus der Statistik streichen will, ist dochnicht von der Opposition in die Welt gesetzt worden. Siestammt aus dem Haus, für das dieser Minister Verantwor-tung trägt.

(Erika Lotz [SPD]: Wahlkampf pur!)

Ich zitiere Reuters vom 23. Februar:

Die Regierung wolle die Statistik aussagekräftigermachen und deshalb Arbeitslose, die nicht ernsthaftnach einer neuen Stelle suchten, aus den Erhebungenherausrechnen, sagte ein Sprecher von Bundes-arbeitsminister Walter Riester (SPD) am Samstag inBerlin.

Das ist eine Nachricht, die Sie in die Welt gesetzt habenund für die Sie geradestehen müssen.

(Konrad Gilges [SPD]: Die Nachricht ist dochrichtig! Was ist denn daran falsch?)

Das zeigt die Notwendigkeit dieser Aktuellen Stunde.Nur durch diese Aktuelle Stunde und die öffentliche Debatte werden Sie gezwungen, sich dazu zu bekennen,dass Sie eine solche Manipulation geplant haben, und siezu unterlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Konrad Gilges [SPD]: Was hat das mit Mani-pulation zu tun?)

Meine Damen und Herren von Rot-Grün,

(Klaus Brandner [SPD]: Herr Weiß, dass Sieauf so ein Niveau absacken!)

Sie können meinetwegen alle möglichen Statistiken fäl-schen und verändern;

(Wolfgang Weiermann [SPD]: Also, jetzt malVorsicht mit der Wortwahl!)

aber eine Zahl können Sie nicht manipulieren:

(Wolfgang Weiermann [SPD]: So etwas gibt esdoch gar nicht!)

Heute in exakt 208 Tagen ist Bundestagswahl. Dann kön-nen die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land endlichmit diesem rot-grünen Spuk und Hokuspokus Schluss ma-chen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Worthat die Kollegin Renate Rennebach von der SPD-Frak-tion.

(Klaus Brandner [SPD]: Gib’s ihm, Renate!)

Renate Rennebach (SPD): Verehrte Kolleginnenund Kollegen! „Was ich selber lass und tu, trau ich auchallen anderen zu.“ Das ist der Eindruck, den Ihre Rednerheute hier hinterlassen haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um Wahrheit und Klarheit in die Statistik zu bekom-men, werden wir in den nächsten Wochen und Monateneine Reihe von Diskussionen haben. Aber es gilt das, wasStaatssekretär Andres im Namen der Bundesregierunghier gesagt hat und wofür auch wir von der SPD-Fraktionund von Bündnis 90/Die Grünen stehen: In dieser Legis-laturperiode wird an der Art der Statistik nichts geändert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier ist heute mehrfach über die Sinnhaftigkeit dieserAktuellen Stunde diskutiert worden. Ich muss Ihnen ganzehrlich sagen: Ich habe etwas anderes im Sinn. Wir habenseit 1. Januar das Job-Aqtiv-Gesetz, ein Gesetz, das dieBundesanstalt für Arbeit, die Vermittler, die Politiker, dieArbeitslosen und die Arbeitgeber dazu aufruft, gemein-sam verstärkt dafür zu sorgen, Menschen wieder in Arbeitzu bringen.

Was tun Sie? Erstens demotivieren Sie durch Ihre Ak-tuellen Stunden die Menschen draußen im Lande. Sieglauben nicht mehr an eine Besserung.

Zweitens demotivieren Sie die Arbeitsvermittler, dievermitteln wollen.

(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:Sie beschimpfen die Arbeitsvermittler!)

Drittens demotivieren Sie die Arbeitslosen, die endlichdie Hoffnung haben, dass es nicht mehr ein halbes Jahrdauert, bis ihr Fall vom Arbeitsamt bearbeitet wird. Siewollen in der Tat vermittelt oder qualifiziert werden, damit sie auf dem ersten Arbeitsmarkt eingesetzt werdenkönnen.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So lange Sie demMittelstand die Luft zum Atmen nehmen, wer-den Sie nichts bewirken!)

Sie machen mit Ihrem Gerede die Menschen mutlos.Sie versündigen sich an den Arbeitslosen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Weiß [Emmendingen][CDU/CSU]: Wer ist denn für die Arbeitslosig-keit verantwortlich? Das sind doch Sie!)

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das geht mir alles zu weit.

Wir brauchen alle Kräfte – wenn es geht, auch die derOpposition –, um den Menschen Mut zu machen, die Ver-mittlung des Arbeitsamtes in Anspruch zu nehmen, sichberaten und qualifizieren zu lassen, damit sie einen Ar-beitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt finden können. Sieaber versündigen sich an diesen Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Wer euchkritisiert, ist ein schlechter Mensch!)

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Peter Weiß (Emmendingen)

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Auch Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen vonder CDU/CSU und der FDP, sind der Wahrheit verpflich-tet. Herr Niebel hatte eine Sternstunde, als er zugab, erhabe sich nie an Erlasse des Arbeitsministers Blüm unddes Präsidenten Jagoda gehalten.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Stimmt doch garnicht!)

Damit hat er dazu beigetragen, dass in der Bundesanstaltjeder machen konnte, was er wollte. Damit muss Schlusssein!

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt ist der Niebelnoch an allem Schuld! – Widerspruch bei derCDU/CSU)

Wir müssen gemeinsam handeln. Sie dürfen uns mitIhren Vorwürfen nicht in den Rücken fallen.

Danke.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Worthat jetzt der Kollege Wolfgang Meckelburg von derCDU/CSU-Fraktion.

Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatten um dieStatistik der Bundesanstalt für Arbeit und um dieVorgänge bei der Bundesanstalt für Arbeit sind so, wie sievon Ihrer Seite – also von Rot-Grün und von Regierungs-seite – geführt werden, unerträglich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Das geht sogar so weit, Herr Staatssekretär Andres,

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Er istschon abgehauen! Er ist auf der Flucht!)

dass Sie vorhin in der Fragestunde geradewegs behauptethaben, Schröder habe nie versprochen, dass eine Zahl von3,5 Millionen Arbeitslosen erreicht werden sollte. Ich zi-tiere zur Erinnerung:

Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosenquotesignifikant zu senken, dann haben wir es weder ver-dient, wiedergewählt zu werden, noch werden wirwiedergewählt.

So wird es sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So wird es kom-men!)

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Regie-rungskoalition, noch eine Aussage zu der Zahl von3,5 Millionen Arbeitslosen haben wollen, dann darf ichSie an das Blackout-Interview von Schröder im letztenJahr erinnern, in dem er sogar ein Absinken auf 3 Milli-onen versprochen hatte. Der Regierungssprecher mussteanschließend erklären, dass nur eine Zahl von 3,5 Milli-onen gemeint sei.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das istwie mit Brutto und Netto!)

Regierungsamtlich haben Sie für dieses Haushaltsjahr in-zwischen festgestellt, dass es fast 4 Millionen Arbeitslosesein werden.

Das waren meine Bemerkungen zu der Arbeitslosen-zahl und zu den Erwartungen, die Sie geweckt haben. Siewerden Ihr Ziel nicht erreichen.

Eigentlich hatte ich nach den Vorgängen dieser Wocheerwartet, dass Sie, Herr Arbeitsminister, nun behaupten,es gebe keine Arbeitslosen mehr. Sie standen kurz vor ei-ner solchen Aussage; die Statistik sollte in der Tat ge-fälscht werden.

(Doris Barnett [SPD]: Was waren dann IhreÄnderungen? Alles Verfälschungen?)

Herr Arbeitsminister, ich spreche Sie jetzt konkret an.Einer Reuters-Meldung vom 23. Februar kann man Fol-gendes entnehmen:

Die Regierung wolle die Statistik aussagekräftigermachen und deshalb Arbeitslose, die nicht ernsthaftnach einer neuen Stelle suchten, aus den Erhebungenherausrechnen, sagte ein Sprecher von Bundes-arbeitsminister Walter Riester (SPD) am Samstag inBerlin.

Die nachfolgenden Sätze spare ich mir.

Es gab von Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, offen-sichtlich die Absicht, die Arbeitslosenstatistik noch in die-sem Jahr zu schönen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)

– Hören Sie bitte einmal zu! – Im Internet-Magazin „Spie-gel Online“ von heute ist unter der Überschrift „Riester-Rüffel – Schröder will Arbeitslosenstatistik erst nach derWahl schönen“ zu lesen:

(Klaus Brandner [SPD]: Haben Sie keine ei-gene Meinung, dass Sie nur ablesen?)

Arbeitsminister Walter Riester wollte die umstritteneReform der Arbeitslosenstatistik so schnell wie mög-lich durchziehen. Nun hat ihn Bundeskanzler GerhardSchröder zurückgepfiffen. Die Korrektur der Statistiksoll erst nach der Bundestagswahl erfolgen.

Dann wird Frau Dückert zitiert – jetzt sollten Sie vonder SPD überlegen, ob Ihnen die Nähe zu den Grünennoch gefällt –: „Eine schnelle Korrektur, wie Riester siewollte, wird es nicht geben.“

Verehrter Herr Arbeitsminister, ich fordere Sie auf – Siekönnten hier noch sprechen; ich würde gerne endlich vonIhnen etwas hören –, klipp und klar zu sagen, ob Sie wirk-lich vorhatten, die Arbeitslosenstatistik vor der Wahl zuschönen oder nicht. Ein klares Ja oder Nein würde genügen.

Es reicht mir nämlich langsam: Wir haben erlebt, dassSie während der gesamten Affäre um die Bundesanstaltfür Arbeit zwei, drei Wochen lang Jagoda als Schutzschildvor sich hergetragen haben. Dann haben Sie ihn fallen las-sen und plötzlich stehen Sie als Retter und Reformator inBezug auf die Bundesanstalt für Arbeit da. Sie haben erstjetzt festgestellt, dass bei der Arbeitslosenvermittlungs-statistik die Zahlen nicht stimmen – und das in einem Jahr,

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in dem im Rahmen des Job-Aqtiv-Gesetzes die Vermitt-lung im Zentrum gestanden hat. Ich verstehe das allesnicht!

(Klaus Brandner [SPD]: Das ist weiterhin so!)

Alle haben etwas gewusst, nur der Minister nicht. DasErgebnis ist: Riester hat sich – auch heute ist das so – totgestellt, Tegtmeier und Jagoda wurden kaltgestellt, dieStatistik würde, wenn es nach Ihnen ginge, umgestellt undim Handeln wird wie immer alles zurückgestellt. Das istdie Politik der Regierungskoalition, die wir in diesem Jahrerleben. So kann das nicht weitergehen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein letztes Beispiel, um einmal zu zeigen, wie hand-lungsfähig Sie wirklich sind – denn das geht einem, wieman im Ruhrgebiet sagt, wirklich auf den Keks –: Amletzten Freitag tritt Bundeskanzler Schröder vor diePresse und sagt: Hier ist der große Retter. Wir macheneine Reform bei der Bundesanstalt und tauschen die Per-sonen aus. – Man muss sich das einmal vorstellen: AmFreitag hieß es: „Wir handeln; wir tun etwas“ und heutewird uns im Ausschuss erklärt,

(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Und Sie blockieren jetzt, weil Sie über-haupt nicht fähig sind für eine Reform! Das istdie Tatsache!)

dass die Regelung bezüglich der Zusammensetzung desneuen Vorstandes der Bundesanstalt für Arbeit und dieRegelungen in Bezug auf die private Vermittlung, die Sieplötzlich entdeckt haben,

(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Was heißt hier entdeckt? Die haben wirschon im Job-Aqtiv-Gesetz drin!)

an ein Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitneh-mervertreter in den Aufsichtsrat angehängt werden sollen.Das hat doch gar nichts miteinander zu tun. Das ist über-triebene Schnelligkeit.

Wir haben Ihnen gesagt: Wenn ihr dazu eine Anhörungmachen wollt, dann legt die Gesetzestexte doch heute vor.Wirkliches Handeln hätte heute im Ausschuss passierenkönnen. Sie haben geantwortet: Die Texte sind noch nichtda. Dann haben wir Ihnen gesagt: Bringt den Gesetz-entwurf morgen früh ganz normal ein; dann kommt er aufdie Tagesordnung. Dazu sind Sie nicht in der Lage. Ichhabe angeboten, dass wir am Freitag eine zusätzliche Sit-zung durchführen. Dazu sind Sie nicht in der Lage.

Was passiert jetzt? Sie tun genau das, was Sie im Jahr1999 in chaotischer Art und Weise gemacht haben: MitHektik wird etwas zusammengestoppelt. Am Freitagnächster Woche müssen wir eine Sondersitzung abhaltenund drei Tage später soll eine Anhörung stattfinden. Dasist Handeln à la SPD, wie es schon 1999 der Fall war. Siewerden im Wahljahr 2002 Ihr Desaster erleben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – KlausBrandner [SPD]: Aber ein bisschen elegantergegenüber Ihrer Zeit!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Worthat jetzt der Kollege Franz Thönnes von der SPD-Fraktion.

(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Ich hätte jetzteigentlich Herrn Riester erwartet!)

Franz Thönnes (SPD): Herr Präsident! Meine sehrgeehrten Damen und Herren! Ihnen ist hier mehrfach er-klärt worden, dass die Bundesregierung – die Koalitions-fraktionen unterstützen das – nicht die Absicht hat, in die-ser Legislaturperiode die Statistik zu verändern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und FDP)

Ich habe Verständnis dafür, dass das bei den Menschen,die das draußen hören, dadurch, dass wir Ihnen das hiersehr oft sagen, in das rechte Ohr hinein- und aus dem lin-ken Ohr wieder hinausgeht und dass nichts dazwischenist, was diese Aussage aufhalten könnte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie Sie sich hier aufführen, wenn Sie versuchen, denEindruck zu erwecken, Sie hätten uns getroffen! Das verhältsich ungefähr so, als wenn ein Jäger, der an einem Haseneinmal knapp links und einmal knapp rechts vorbeischießt,glaubt, er habe den Hasen im Durchschnitt getroffen.

(Beifall der Abg. Renate Rennebach [SPD])

Sie treffen uns damit überhaupt nicht.

Wir nehmen die diesbezügliche Untersuchung des IABzum Anlass, zu sagen: Wir brauchen in der Arbeitslosen-statistik mehr Transparenz.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist richtig!)

Das gilt für die 5 Prozent, die trotz einer Arbeitslosen-meldung bereits sicher eine neue Stelle haben. Das gilt fürdie 15 Prozent, die auf den Renteneintritt warten, die sicharbeitslos melden, um Ausfallzeiten bei der Rente geltendmachen zu können. Das gilt für Unterhaltsempfänger undSozialhilfebezieher, die Kindergeld beziehen; das sindrund 7 Prozent. Diese Transparenz wird notwendig sein.

Wenn man einfach zur Kenntnis nimmt – das haben Sieja noch nicht getan –, welche Aufgabe das Job-Aqtiv-Ge-setz hat, dass nämlich jemand, der sich arbeitslos meldet,ein Profiling bekommt, dass man schaut, was er kann undwas seine Interessen sind und wo man ihn eingliedernkann, dann wird man einsehen, dass es notwendig ist, indiesem Prozess auch die Merkmale festzuhalten, die nichtzu einer Eingliederung führen oder bewirken, dass derje-nige möglicherweise nicht mehr dem Arbeitsmarkt zurVerfügung stehen kann.

Wir haben bereits im Januar darauf hingewiesen, dassdie Statistik in der nächsten Legislaturperiode geändertwerden soll. Das scheint bei Ihnen überhaupt nicht ange-kommen zu sein.

Ich sage Ihnen eines: Die Betroffenen, von denen Sieimmer reden, die Arbeitslosen, haben ein Recht darauf,

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dass die entsprechenden Zahlen und ihre Situation ernst-haft betrachtet und erläutert werden,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und dass nach individuell vernünftigen Auswegen ge-sucht wird. Auch die Beitragszahlerinnen und Beitrags-zahler, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, haben ein Rechtdarauf, dass ihre Beiträge wirksam und wirtschaftlich ein-gesetzt werden. Man braucht eine transparente Struktur,wenn man diese Mittel optimal einsetzen will.

Elfmal – so ist es zwischenzeitlich gesagt worden – istbei Ihnen getrickst und getäuscht worden; elfmal habenSie in Ihrer Regierungszeit an der Arbeitslosenstatistik imKern etwas geändert. Das war der Fall bei den Empfän-gern von Leistungen unter erleichterten Voraussetzungen1986; das war der Fall, als diejenigen Bezieher von Ar-beitslosenhilfe, die Kinder betreuen, herausgenommenwurden; das war der Fall, als diejenigen Bezieher von Ar-beitslosenhilfe herausgenommen wurden, die mit Zustim-mung des Arbeitsamtes gemeinnützige, zusätzliche Arbeitverrichteten. Sie wissen überhaupt nicht, was sie wollen.Herr Laumann erklärt, man sei vehement gegen eine Än-derung der Statistik. Herr Wissmann erklärt, man braucheeine neue Definition von Arbeitslosigkeit.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da haben SieHerrn Laumann aber falsch zitiert!)

Er fordert mehr Transparenz in der Statistik und in der statistischen Erfassung und einfachere Regelungen.Schließlich sagt Herr Repnik: „Es gibt keinen Nachbes-serungsbedarf“, fordert aber gleichzeitig, ABM und Weiter-bildung in die Statistik hineinzunehmen. Wie gesagt: Siewissen überhaupt nicht, was los ist; Sie reden durcheinanderwie ein Hühnerhaufen. Wenn Sie sich einmal anschauen,wie die Arbeitslosenstatistik aufgebaut ist, dann sehen Sie,dass ABM und SAM dort bereits ausgewiesen werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer getrickst hat, das waren Sie im Wahljahr 1998. ImJanuar 1998 hatten wir 131 000 ABM-Fälle, im Oktober281 000; das sind 150 000 mehr. Sie können daran sehr gutsehen, wie die Kurve nach oben getrieben worden ist, wiedie Zahlen nach oben gegangen sind. Bei SAM war es so-gar ein Plus von 117 000, um das Sie die SAM auf 221 000nach oben geschraubt haben. Das heißt, die von Ihnen zuverantwortende Arbeitslosigkeit hätte unter Zugrundele-gung Ihrer eigenen Berechnung bei 4,8 Millionen gelegen,als Sie abgewählt worden sind. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das ist überhaupt nicht wahr! Unsinn!)

Damit wird deutlich: Täuschen, tricksen, ignorieren –das ist Ihr Metier. Ich denke dabei insbesondere an denKollegen Niebel, der sagt: Nach den Erlassen habe ichmich nie gerichtet.

(Dirk Niebel [FDP]: Weil ich nicht alles als Ver-mittlung gebucht habe, was ich als Vermittlunghätte buchen können! Nehmen Sie das einmalzur Kenntnis! – Gegenruf von der SPD: Fäl-scher!)

Er stellt sich heute hin und will über uns zu Gericht sitzen.Ich sage Ihnen: Für Sie hat die Statistik die gleiche Be-deutung wie die Laterne für einen Betrunkenen: Sie dientihm mehr zum Festhalten als zur Erleuchtung. Wie vielBereitschaft bei Ihnen vorhanden ist, Erleuchtung in Ihreeigenen dunklen Machenschaften zu bringen, das habenwir ja in der Vergangenheit gesehen, als es um dieSchwarzgelder ging. Da ist ja noch nicht alles aufgeklärt.Das fiel in Ihre Regierungszeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Am Ende bleibt: Wir haben heute 1,1 Millionen Er-werbstätige mehr als zu Ihrer Regierungszeit; wir haben500 000 Arbeitslose weniger. Das Job-Aqtiv-Gesetz wirdgreifen und Ihre Kassandrarufe werden am Ende verhallen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das hat der Mann doch gar nicht nötig,eine solche Rede zu halten!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Worthat jetzt die Kollegin Dorothea Störr-Ritter von derCDU/CSU-Fraktion.

Dorothea Störr-Ritter (CDU/CSU): Herr Präsident!Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! „Wirsind auf dem richtigen Weg“ – so eine Anzeige der SPDin der „Bild“-Zeitung vom 23. Februar 2002. Meine sehrverehrten Damen und Herren von der SPD, den Inhalt die-ser Anzeige glauben Sie doch selbst nicht mehr.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – PeterDreßen [SPD]: Doch! Wir sind gläubige Men-schen!)

Wie können Sie auf dem richtigen Weg sein,(Renate Rennebach [SPD]: Wir lesen im Aus-

schuss nicht die „Bild“-Zeitung!)wenn eine immer größere Mehrheit der Bevölkerung mitIhrer Regierungspolitik unzufrieden ist? Wie können Sieauf dem richtigen Weg sein, wenn die Arbeitslosigkeit imletzten Jahr der Kohl-Regierung um einen Großteil zu-rückgegangen ist, in den Jahren Ihrer Regierung aber stän-dig ansteigt?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wie können Sie auf dem richtigen Weg sein, wenn die neuesten Umfragen ergeben, dass 30 Prozent der Be-fragten Edmund Stoiber zutrauen, die Arbeitslosigkeit zusenken, und nur 10 Prozent dem Bundeskanzler, Arbeits-plätze zu schaffen?

(Franz Thönnes [SPD]: Wir werden sehen, wiedas ausgeht!)

Wie können Sie auf dem richtigen Weg sein, wenn Sie nunvon all diesen Problemen ablenken wollen, indem Sie zu-mindest den Versuch unternehmen, die Arbeitslosensta-tistik zu manipulieren?

(Konrad Gilges [SPD]: Frau Kollegin, am22. September wird abgerechnet!)

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Diese wundersame Wertberichtigung außerhalb ver-lässlicher Rechtsgrundlagen will die Regierung nun zumAnlass nehmen, über die Situation auf dem Arbeitsmarktzu täuschen. Aber mit dieser Regierung steht nichts zumBesten. Nun muss auch noch das Thema Arbeitslosen-statistik dafür herhalten, die wirtschaftspolitische Unfä-higkeit der Regierung zu kaschieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Auch wenn Sie das nicht gerne hören: Ein Kaschmir-mantel allein macht keinen guten Regierungschef. Die-sem Trugschluss ist der Bundeskanzler sehr bald erlegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-neten der FDP – Wolfgang Weiermann [SPD]:Ach Gott, so etwas Billiges!)

Die Wirklichkeit hat Sie nun eingeholt. Ein solcher Trug-schluss gibt auch nicht das Recht, die Bevölkerung zu be-trügen und zu täuschen. Ob die Haare – gefärbt oder nichtgefärbt – frisiert werden müssen, ist die eine Sache. Abereine Arbeitslosenstatistik auf diese Art und Weise zu fri-sieren, ist eine ganz andere Sache.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Angeblich Arbeitsunwillige – so war es zu lesen –

gehören nicht in diese Statistik, sie passen dort nicht hi-nein. Wie wollen Sie – das frage ich auch den Arbeits-minister – die Arbeitsunwilligkeit herausfinden? GlaubenSie denn allen Ernstes, dass die Menschen, die sich ar-beitslos melden müssen, freiwillig über ihre innersten Ge-fühle sprechen, wenn sie gar nicht wissen, was mit ihnenpassieren soll? Wo sollen diese Arbeitslosen eigentlichhin? Sollen sie sich in Luft auflösen? Wie wollen Sie sieüberhaupt noch erfassen? Woher nehmen Sie eigentlichdie Gewissheit, dass diejenigen, die Sie aus der Statistikherausnehmen wollen, gar nicht arbeiten wollen und keineArbeit suchen? Für diese dreiste Wahlkampftrickserei und-taktik ist der Regierung kein Mittel zu schade, nicht ein-mal dann, wenn es um ein Heer von Menschen geht, derenSchicksal uns eigentlich betroffen machen sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Sie sagen: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Aber

glauben Sie nur nicht, dass die Wählerinnen und Wählernicht erkennen, dass Sie eben nicht auf dem richtigen Wegsind. Daran ändert sich auch nichts, wenn Sie jetztzurückrudern. In Ihrem blinden Aktionismus zeigt sichIhre Unfähigkeit.

(Konrad Gilges [SPD]: Trauen Sie doch denWählerinnen und Wählern mehr zu als Ihnen!)

Die Arbeitnehmer wollen nicht zum Spielball Ihrer Will-kür werden.

Auch die Arbeitgeber haben das Vertrauen in rot-grüneRegierungspolitik verloren.

(Wolfgang Weiermann [SPD]: Die Arbeitgeber!Das sind doch diejenigen, die Arbeitsplätze ab-schaffen!)

Der Mittelstand sorgt sich um seine Zukunft. Die klei-nen und mittelständischen Unternehmen mit maximal

500 Mitarbeitern sind durch eine Vielzahl von Faktorenbedroht, auch wenn Sie dies nicht wahrhaben wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dies ist durch Ihre Steuer- und Regulierungspolitik bzw.Regulierungswut verursacht worden.

(Dirk Niebel [FDP]: Das ist alles verriestert!)

Deshalb ist es nur einem Teil der mittelständischen Un-ternehmen gelungen, sich auf die neuen Bedingungen und Herausforderungen des Arbeitsmarktes, die für alleSchwierigkeiten mit sich bringen und nur unter schwerenBedingungen bewältigt werden können, einzustellen. Nurnoch die Hälfte der Unternehmen schreibt schwarze Zah-len. Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben!

(Wolfgang Weiermann [SPD]: Vielleicht sindes schlechte Unternehmer!)

Die Zahl der Insolvenzen ist überproportional hoch.Die Betriebe plagen Geld- und Personalsorgen. Viele Be-triebe wären bereit, Arbeitslose einzustellen, ihnen einenArbeitsplatz zu bieten.

(Wolfgang Weiermann [SPD]: Sie könnendoch nicht für lullu arbeiten!)

Viele Betriebe wären in der Lage, die Arbeitslosenzahltatsächlich zu reduzieren. Aber um das zu ermöglichen,fällt der rot-grünen Bundesregierung nichts ein.

Nicht nur Sparminister Eichel hat seine Glaubwürdig-keit eingebüßt. Auch der Arbeitsminister hat, wenn er je-mals eine gehabt hat, seine Glaubwürdigkeit verloren. Erbestätigt nur den Eindruck des größten Teils der Bevölke-rung: Nicht einmal dann, wenn es schwierig wird, könnenIdeologen umkehren.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: KommenSie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.

Dorothea Störr-Ritter (CDU/CSU): Die Menschenin unserem Lande haben nur einen einzigen Eindruck: Fürechte Arbeit im Lande tun Sie nix, nur im Tricksen undTäuschen sind Sie fix.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Aktu-elle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unse-rer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-tages auf morgen, Donnerstag, den 28. Februar 2002, 10 Uhr, ein und erinnere an die Sonderveranstaltung mitder Ansprache des UN-Generalsekretärs Kofi Annan,morgen, 9 Uhr, im Plenarsaal.

Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluss: 16.50 Uhr)

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Bierstedt, Wolfgang PDS 27.02.2002

Carstens (Emstek), CDU/CSU 27.02.2002Manfred

Dr. Eckardt, Peter SPD 27.02.2002

Fischer (Homburg), SPD 27.02.2002Lothar

Friedhoff, Paul K. FDP 27.02.2002

Dr. Friedrich CDU/CSU 27.02.2002(Erlangen), Gerhard

Dr. Friedrich SPD 27.02.2002(Altenburg), Peter

Hartnagel, Anke SPD 27.02.2002

Holetschek, Klaus CDU/CSU 27.02.2002

Ibrügger, Lothar SPD 27.02.2002**

Imhof, Barbara SPD 27.02.2002

Irber, Brunhilde SPD 27.02.2002

Knoche, Monika BÜNDNIS 90/ 27.02.2002DIE GRÜNEN

Leidinger, Robert SPD 27.02.2002

Lengsfeld, Vera CDU/CSU 27.02.2002

Lintner, Eduard CDU/CSU 27.02.2002*

Lippmann, Heidi PDS 27.02.2002

Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 27.02.2002Klaus W.

Dr. Meyer (Ulm), SPD 27.02.2002Jürgen

Michels, Meinolf CDU/CSU 27.02.2002*

Müller (Berlin), PDS 27.02.2002*

Manfred

Roos, Gudrun SPD 27.02.2002

Rühe, Volker CDU/CSU 27.02.2002

Schlee, Dietmar CDU/CSU 27.02.2002

Dr. Schubert, Mathias SPD 27.02.2002

Schuhmann (Delitzsch), SPD 27.02.2002Richard

Seehofer, Horst CDU/CSU 27.02.2002

Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 27.02.2002

Strebl, Matthäus CDU/CSU 27.02.2002

Welt, Jochen SPD 27.02.2002

Wieczorek-Zeul, SPD 27.02.2002Heidemarie

Zierer, Benno CDU/CSU 27.02.2002*

* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-sammlung des Europarates

** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-sammlung der NATO

Anlage 2

Antwortder Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragender Abgeordneten Heidi Lippmann (PDS) (Drucksache14/8353, dringliche Fragen 3 und 4):

Wie viele deutsche Soldaten, die eindeutig zur Einheit desKommandos Spezialkräfte (KSK) zuzuordnen sind, befinden sichzurzeit im Zusammenhang mit dem Mandat des Bundestages zu„Enduring Freedom“ im Auslandseinsatz?

An welcher Art von Operationen sind die Soldaten beteiligt?

Zu Frage 3:Im deutschen Kontingent Spezialkräfte sind dem

Mandat des Deutschen Bundestages entsprechend circa100 Soldaten eingesetzt.

Zu Frage 4:Die Spezialkräfte nehmen entsprechend ihrer besonde-

ren Fähigkeiten, die in ihrer Struktur, der Ausbildung undAusrüstung begründet liegen, an Einsätzen im Rahmender Operation „Enduring Freedom“ teil.

Anlage 3

Antwort der Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf auf die Fragendes Abgeordneten Dr. Klaus Rose (CDU/CSU) (Druck-sache 14/8318, Fragen 5 und 6):

Ist sich die Bundesregierung der Bedeutung der Silicium-herstellung in Bayern für den Wirtschaftsstandort Deutschland be-wusst?

Was tut die Bundesregierung, um die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Gesetz für die Erhaltung, die Mo-dernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung unddurch die Strommarktliberalisierung steigenden Stromkosten beiSiliciumproduzenten einzudämmen?

entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich

entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich

Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten

Anlagen zum Stenographischen Bericht

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Zu Frage 5:

Die Bedeutung von Silicium leitet sich aus dem zu-nehmenden Einsatz in wichtigen Technologiebereichenher: Es findet als Reinstmetall zum Beispiel Anwendungals Halbleiterbauelement in der Elektronik, in Kristall-form ist es unverzichtbar für die Nutzung von Solar-energie, und schließlich ist es auch bedeutend für dieHerstellung von Speziallegierungen zum Beispiel in Ver-bindung mit Aluminium. Aufrechterhaltung und Absiche-rung der deutschen Siliciumherstellung ist daher für denWirtschaftsstandort Deutschland von Bedeutung, wobeidie Produzenten in der Lage sein müssen, sich auch deminternationalen Wettbewerb zu stellen.

Zu Frage 6:

Mit der Liberalisierung des deutschen Strommarkteswar die Erwartung sinkender Strompreise für die Ver-braucher verknüpft. Diese Erwartung ist erfüllt worden.Insbesondere die Industrie hat von teilweise erheblichenStrompreissenkungen profitiert. Der VEA-Strompreis-index für (mittelständische) Sondervertragskunden weistin Bezug auf den Preisstand Januar 1998 (= 100 Prozent),das heißt vor der Liberalisierung, eine Reduzierung desStrompreisniveaus auf gegenwärtig (Stand 31. Dezember2001) circa 68 Prozent aus – vor Steuern, aber einschließ-lich der Belastungen aus EEG und Kraft-Wärme-Kopp-lungsgesetz. Das EEG und das Gesetz für die Erhaltung,die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz), dass voraus-sichtlich am 1. April 2002 in Kraft treten wird, sollen imInteresse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhal-tige Entwicklung der Energieversorgung ermöglichen,den Beitrag der erneuerbaren Energien an der Stromver-sorgung zukunftsorientiert deutlich erhöhen und einenwesentlichen Beitrag zur Minderung der CO2-Emissionenin der Bundesrepublik Deutschland leisten. Begünstigtwerden Stromeinspeisungen aus den in den beiden Geset-zen genannten Anlagen über die Festlegung von Mindest-preisen bzw. eines Strompreiszuschlags.

Beim EEG werden mit der Regelung über den bundes-weiten Belastungsausgleich die aus dem Gesetz resultie-renden Lasten gleichmäßig verteilt. Aufgrund dieserRegelung haben im Ergebnis alle letztbelieferten EVUund Stromhändler eine einheitliche Quote EEG-Stroms(EEG-Quote) zu einer bundesweit einheitlichen Durch-schnittsvergütung abzunehmen. Im liberalisierten Strom-markt obliegt es der Entscheidung dieser Unternehmen,wie sie die Kosten des EEG auf ihre verschiedenen Kun-den und Kundengruppen umlegen. Für den Lieferanten imWettbewerb kommt bei sachlicher Begründung auch inBetracht, bei der Weitergabe zwischen verschiedenenKunden und Kundengruppen zu differenzieren.

Das neue Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz sieht aus-drücklich eine Deckelung der Belastung für strominten-sive Unternehmen vor (§ 9 Abs. 7). Letztverbraucher miteinem Stromverbrauch von mehr als 100 000 Kilowatt-stunden pro Jahr an einer Abnahmestelle dürfen für da-rüber hinausgehende Strombezüge dort mit nicht mehr als0,05 Cent pro Kilowattstunde belastet werden. Diese Be-lastungsgrenze reduziert sich für stromintensive Unter-nehmen des Produzierenden Gewerbes (Stromkosten

größer als 4 Prozent des Umsatzes) auf die Hälfte. Im gel-tenden Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vom 12. Mai 2000ist eine vergleichbare Regelung, die im Interesse der Wah-rung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit strom-intensiver Unternehmen in das neue Gesetz eingeführtwurde, nicht enthalten.

Anlage 4

Antwortder Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragendes Abgeordneten Helmut Heiderich (CDU/CSU)(Drucksache 14/8318, Fragen 17 und 18):

Mit welchen finanziellen Beträgen beabsichtigt die Bundesre-gierung Investitionsmittel zur Schaffung der infrastukturellenVoraussetzungen im Bundeswehrstandort Rotenburg/Fulda zurAufnahme des Divisionskommandos „Luftbewegliche Operatio-nen“ in den Bundeshaushalt 2003 und in die weitere Finanzpla-nung des Bundes im Einzelnen aufzunehmen vor dem Hinter-grund der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin beimBundesminister der Verteidigung, Brigitte Schulte, auf meineFrage 21 in der Fragestunde am 23. Januar 2002, Plenarprotokoll14/211, S. 20905 B, wonach bisher „noch keine Haushaltsmittelfür die Stationierung Kommando Division Luftbewegliche Ope-rationen in Rotenburg an der Fulda bereitgestellt“ wurden?

Zu welchem Zeitpunkt wird die Bundesregierung die Anwei-sung an die Division „Luftbewegliche Operationen“ erteilen, denUmzug des Divisionskommandos von Veitshöchsheim nach Ro-tenburg an der Fulda vorzubereiten, und wird die Bundesregie-rung diesen Umzug für einen konkreten Stichtag oder Zug um Zuganordnen?

Zu Frage 17:

Wenn feststeht, zu welchem Termin die Aufnahme desDivisionskommandos „Luftbewegliche Operationen“ inRotenburg an der Fulda beginnen kann, wird die Weisungzur Verlegung des Kommandos ergehen. Nach gegenwär-tiger Planung könnte dies 2005 sein. Die Verlegung istdann innerhalb von sechs Monaten durchzuführen.

Zu Frage 18:

Die Baumaßnahmen zur Anpassung der Alheimer-Ka-serne in Rotenburg an der Fulda zur Aufnahme des Divi-sionskommandos „Luftbewegliche Operationen“ werdenin Abhängigkeit von der Auflösung des in der Liegen-schaft stationierten Panzergrenadierbataillons 52 in denJahren 2004 bis 2006 ausgeführt. Die dafür erforderlichenInfrastrukturinvestitionen von circa 15 Millionen Eurosind inzwischen in die Infrastrukturplanung eingestellt.

Anlage 5

Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragendes Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann (FDP)(Drucksache 14/8318, Fragen 19 und 20):

Wird der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping,in Kürze ein neues Truppenübungsplatzkonzept erlassen, das un-ter anderem zwingend zur Schließung des TruppenübungsplatzesMünsingen führt?

Plant die Bundesregierung im Falle der Schließung des Trup-penübungsplatzes Münsingen eine Folgenutzung oder wird dasGelände der Kommune zur Verfügung gestellt?

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Zu Frage 19:

Die erste Fortschreibung des Truppenübungsplatzkon-zeptes wurde dem Vorsitzenden des Verteidigungsaus-schusses des Deutschen Bundestages am 25. Februar2002 zugeleitet. Sie wird nach der Beratung im Verteidi-gungsausschuss erlassen werden. Es ist beabsichtigt, imZuge der Realisierung des fortgeschriebenen Truppen-übungsplatzkonzeptes, die Nutzung des Truppenübungs-platzes Münsingen einzustellen.

Zu Frage 20:

Die Fortschreibung des Truppenübungsplatzkonzeptesstellt den aktuellen Bedarf an Übungsfläche und Schieß-anlagen fest. Der Truppenübungsplatz Münsingen wirdnoch bis zum Jahr 2005 für die Ausbildung der Streit-kräfte genutzt. Über eine Folgenutzung kann erst zu einemspäteren Zeitpunkt entschieden werden.

Anlage 6

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragendes Abgeordneten Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)(CDU/CSU) (Drucksache 14/8318, Fragen 21 und 22):

Kann die Bundesregierung Presseberichte vom 22. Februar2002 bestätigen, in denen angekündigt wird, dass der Truppen-übungsplatz Münsingen (Baden-Württemberg) 2005 aufgelöstwird (vergleiche „Schwäbische Zeitung“ vom 22. Februar 2002)?

Wie viele Bedienstete der Bundeswehr (Soldaten und Zivilan-gestellte) wären von einer Schließung des TruppenübungsplatzesMünsingen betroffen, und welche Maßnahmen (Versetzungen,Entlassungen usw.) müssen die Betroffenen erwarten?

Zu Frage 21:

Ja, diese Absicht besteht.

Zu Frage 22:

Derzeit sind bei der Truppenübungsplatzkommandan-tur Münsingen und der Truppenübungsplatzfeuerwehr 30 Soldaten und 105 zivile Mitarbeiter beschäftigt. Es istnoch nicht absehbar, wie viele Bedienstete direkt betrof-fen sein werden, da die Nutzung des Truppenübungsplat-zes Münsingen erst bis zum Jahr 2005 eingestellt wird.Die frühzeitige Benennung des Auflösungstermins er-möglicht es den personalführenden Dienststellen und denBetroffenen, langfristig zu planen und sozialverträglicheLösungen zu erarbeiten bzw. daran mitzuwirken.

Anlage 7

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragendes Abgeordneten Werner Siemann (CDU/CSU)(Drucksache 14/8318, Fragen 23 und 24):

Gibt es Überlegungen oder Pläne vonseiten des Bundesminis-teriums der Verteidigung (BMVg), im Rahmen der Erarbeitungdes neuen Truppenübungsplatzkonzeptes Truppenübungsplätzezu schließen oder zurückzustufen, und wenn ja, welche Truppen-übungsplätze sind nach derzeitigem Stand davon betroffen?

Beabsichtigt das BMVg den Auslandsverwendungszuschlagfür die im Kosovo und in Mazedonien eingesetzten Soldaten derBundeswehr zu verringern, und wenn ja, wie wird diese Reduzie-rung begründet?

Zu Frage 23:

Die erste Fortschreibung des Truppenübungsplazkon-zeptes wurde dem Verteidigungsausschuss des DeutschenBundestages am 25. Februar 2002 zur Beratung zugelei-tet. Es ist beabsichtigt, im Zuge der Realisierung des fort-geschriebenen Truppenübungsplatzkonzeptes die Nut-zung der Truppenübungsplätze Altenwalde, Garlstedt,Münsingen und Vogelsang einzustellen, wobei ein Teildes Truppenübungsplatzes Garlstedt als Standortübungs-platz weiter genutzt wird. Für den TruppenübungsplatzVogelsang, der den belgischen Streitkräften zur alleinigenNutzung überlassen wurde, wird nach deren Abzug für dieBundeswehr kein militärischer Bedarf bestehen.

Zu Frage 24:

Die Höhe des Auslandsverwendungszuschlages wirdder Auslandsverwendungszuschlagsverordnung entspre-chend den jeweiligen Belastungen und Erschwernissen inden Einsatzgebieten in sechs Stufen festgesetzt. Zurzeitwird in den Einsatzgebieten Kosovo und Mazedoniennoch der Höchstsatz von 92,03 Euro je Einsatztag ge-währt. Bei sich weiter friedlicher entwickelnder Lage undverbesserter Lebensbedingungen der Soldaten vor Ortsoll die Absenkung des Tagessatzes mit dem nächstenKontingentwechsel zum 1. Juli 2002 erfolgen.

Anlage 8

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragender Abgeordneten Ilse Aigner (CDU/CSU) (Drucksache14/8318, Fragen 25 und 26):

Wie begründet die Bundesregierung den Baustopp vom April2001 in der Fernmeldeschule des Heeres Feldafing, obwohl dortnach Angaben örtlicher Standortvertreter Sanierungsmaßnahmen(unter anderem Lehrsaalgebäude und Abwasserentsorgung) zwin-gend notwendig sind, um einen Betrieb über den 1. Januar 2003hinaus aufrechtzuerhalten, unabhängig davon, ob die Fernmelde-schule verlegt wird oder nicht, und dass dadurch vermeidbareMehrausgaben in Höhe von etwa 13,5 Millionen Euro entstehen?

Welche wirtschaftlichen und militärischen Gründe gibt esdafür, bei der festgelegten Auflösung eines Fernmeldebataillonsstatt wie ursprünglich geplant den Standort Dillingen nun denStandort Murnau zu schließen, und wie stellt sich der derzeitigeSanierungsbedarf für das Fernmeldebataillon am Standort Dillin-gen dar?

Zu Frage 25:

Der Baustopp wurde angesichts der geplanten Ver-legung der Fernmeldeschule und Fachschule des Heeresfür Elektrotechnik angeordnet. Derzeit wird untersucht,welche Maßnahmen erforderlich sind, um den gesetzli-chen Verpflichtungen in der verbleibenden Nutzungs-dauer Rechnung zu tragen. Ob und gegebenenfalls in wel-chem Rahmen Sanierungsarbeiten zur Sicherstellung desLehrbetriebes ab dem 1. Februar 2003 durchzuführensind, hängt von den zurzeit laufenden Untersuchungen ab.

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Zu Frage 26:

Mit dem Ressortkonzept Stationierung vom 16. Fe-bruar 2001 wurden folgende Entscheidungen getroffenund veröffentlicht: a) Das Fernmeldebataillon 230 in Dillingen bleibt erhalten. b) Das Gebirgsstabsfernmelde-lehrbataillon 8 in Murnau wird aufgelöst, die dortige Liegenschaft aufgegeben. c) Die Fernmeldeschule undFachschule des Heeres für Elektrotechnik soll aus Felda-fing/Pöcking an einen noch zu bestimmenden Standort inBayern verlegt werden. Wegen des funktionalen Zusam-menhanges mit dem Fernmeldebataillon und der Nähe zuDillingen wird dabei mit Priorität Günzburg untersucht.Von der ursprünglichen, mit dem „Entwurf des Ressort-konzept Stationierung“ vom 29. Januar 2001 bekannt gegebenen Absicht, das Fernmeldebataillon 230 in Dillin-gen aufzulösen, ist Abstand genommen worden. Un-abhängig von den genannten Gründen enthält der Stand-ort Dillingen für das Fernmeldebataillon auch größeresEntwicklungspotenzial als die in unmittelbarer Nachbar-schaft eines Wohn- und eines Gewerbegebietes liegendeKasernenanlage Murnau. Für den Standort Dillingen sindInvestitionen von circa 14 Millionen Euro für Infrastruk-turmaßnahmen in den nächsten sieben Jahren eingeplant.

Anlage 9

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragendes Abgeordneten Dr. Gerd Müller (CDU/CSU) (Druck-sache 14/8318, Fragen 27 und 28):

Welche Sanierungspläne liegen der Annahme des Bundesmi-nisters der Verteidigung, Rudolf Scharping, zugrunde, dass die Sanierung der Generaloberst-Beck-Kaserne in Sonthofen zumVerbleib der Schule für Feldjäger mit einem Aufwand von 44 Mil-lionen Euro saniert werden müsste?

Ist der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping,bereit, die veranschlagten Kostenschätzungen für die Sanierungder Generaloberst-Beck-Kaserne in Sonthofen und die Erhebungder Investitions- und Verlegungskosten in der Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover durch einen unabhängigen Gutachter über-prüfen zu lassen?

Zu Frage 27:

Die Kosten für die Sanierung und Anpassung der Ge-neraloberst-Beck-Kaserne werden bei einem Verbleib derSchule am jetzigen Standort aktuell mit 44 MillionenEuro veranschlagt. Diese Summe basiert zu einen auf demfür Infrastrukturmaßnahmen bereits im Jahr 1999 einge-planten Mittelansatz in Höhe von circa 30 Millionen Euro,zum anderen auf einem zwar seinerzeit noch nicht einge-planten, inzwischen jedoch festgestellten weiteren erfor-derlichen Mittelbedarf für zusätzliche infrastrukturelle

Anpassungsmaßnahmen in Höhe von circa 14 MillionenEuro.

Zu Frage 28:

Die Bundesregierung und die zuständigen Landesver-waltungen haben die entstehenden Infrastrukturkosten er-mittelt. Es besteht keine Notwendigkeit, die Angaben desStaatshochbauamtes Kempten durch ein Gutachten zuüberprüfen.

Anlage 10

Antwortder Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragendes Abgeordneten Günther Friedrich Nolting (FDP)(Drucksache 14/8318, Fragen 29 und 30):

Wann plant die Bundesregierung welche wehrtechnischen Beschaffungsvorhaben in den parlamentarischen Gremien vor-zulegen?

Hält die Bundesregierung die persönliche Schutzausrüstungaller im Auslandseinsatz befindlichen Bundeswehrangehörigenfür ausreichend und bis wann gedenkt sie einen eventuellen Ver-besserungsbedarf zu realisieren?

Zu Frage 29:

Am 20. Februar 2002 hat der Rüstungsrat die im Haus-halt 2002 vorzulegenden Vorhaben beraten. Die Zeitpla-nung der parlamentarischen Beratung dieser Vorhabenwird gegenwärtig im Bundesministerium der Verteidi-gung erarbeitet. Nach Billigung dieser Planung durch dieLeitung des Bundesministeriums der Verteidigung wer-den die parlamentarischen Gremien unverzüglich schrift-lich informiert.

Zu Frage 30:

Für die Bundesregierung hat der Schutz der Soldatin-nen und Soldaten höchste Priorität. Den Bundeswehran-gehörigen steht im internationalen Vergleich Ausrüstungund Gerät mit hoher und nach derzeitiger Lagebeurteilungangemessener Schutzwirkung zur Verfügung. Im Rahmender einsatzbegleitenden Auswertung werden die Erfah-rungen der Kontingente und der einzelnen Soldaten regel-mäßig gesammelt und ausgewertet. Zur Verbesserung desbereits erreichten Standards befinden sich Beschaffungs-vorhaben wie zum Beispiel Schutzwesten, Gefechtshelmemit Visier und ABC-Schutzbekleidung in der Durch-führung. Trotz der Optimierung von Ausbildung, Ausrüs-tung, Verfahren, Technologie und Führung wird jedochein hundertprozentiger Schutz im Einsatz nicht zu errei-chen sein. Dies gehört zu den Besonderheiten des Berufs-bildes „Soldat“.

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