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Plenarprotokoll 15/93 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 93. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz – OpferRRG) (Drucksache 15/2536) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes . . . Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth CDU/CSU . . . . . . . . . Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksache 15/2564) . . . . . . . . . . . . . . . . Äußerung des Bundeskanzlers zur Beteili- gung Deutschlands an der europäischen Groß- geräteforschung, unter anderem an ITER MdlAnfr 3 Michael Kretschmer CDU/CSU Antw PStSekr Christoph Matschie BMBF . . . ZusFr Michael Kretschmer CDU/CSU . . . . . Antisemitische Staftaten im vierten Quartal 2003 MdlAnfr 14 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . Von deutschen Flughäfen aus durchgeführte Abschiebungen 2002 und 2003 MdlAnfr 15 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . Maßnahmen der in Afghanistan stationierten Bundeswehrtruppen gegen den Rohopiuman- bau MdlAnfr 7 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Antw StM’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . . ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 25. Juni 2003 hinsichtlich Gruppenreisen aus der Ukraine in die EU MdlAnfr 8 Eckart von Klaeden CDU/CSU Antw StM’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . . ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 8275 B 8275 B 8275 C 8276 C 8276 D 8277 A 8277 B 8278 C 8278 C 8279 C 8279 D 8280 A 8280 C 8280 D 8281 A 8281 B 8281 D 8282 A 8282 C 8283 B 8284 A 8285 A 8286 C

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Plenarprotokoll 15/93

Deutscher BundestagStenografischer Bericht

93. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

I n h a l t :

Tagesordnungspunkt 1:

Erste Beratung des von der Bundesregie-rung eingebrachten Entwurfs eines Ge-setzes zur Verbesserung der Rechtevon Verletzten im Strafverfahren(Opferrechtsreformgesetz – OpferRRG)(Drucksache 15/2536) . . . . . . . . . . . . . . . .

Tagesordnungspunkt 2:

Befragung der Bundesregierung: Entwurfeines Gesetzes zur Verbesserung desvorbeugenden Hochwasserschutzes . . .

Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . .

Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . .

Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . .

Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . .

Dr. Maria Flachsbarth CDU/CSU . . . . . . . . .

Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . .

Tagesordnungspunkt 3:

Fragestunde (Drucksache 15/2564) . . . . . . . . . . . . . . . .

Äußerung des Bundeskanzlers zur Beteili-gung Deutschlands an der europäischen Groß-geräteforschung, unter anderem an ITER

MdlAnfr 3 Michael Kretschmer CDU/CSU

Antw PStSekr Christoph Matschie BMBF . . .

ZusFr Michael Kretschmer CDU/CSU . . . . .

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Antisemitische Staftaten im vierten Quartal2003

MdlAnfr 14 Petra Pau fraktionslos

Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . .

ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . .

Von deutschen Flughäfen aus durchgeführteAbschiebungen 2002 und 2003

MdlAnfr 15 Petra Pau fraktionslos

Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . .

ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . .

ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . .

Maßnahmen der in Afghanistan stationiertenBundeswehrtruppen gegen den Rohopiuman-bau

MdlAnfr 7 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos

Antw StM’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . .

ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . .

ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . .

Schreiben des Auswärtigen Amtes vom25. Juni 2003 hinsichtlich Gruppenreisen ausder Ukraine in die EU

MdlAnfr 8 Eckart von Klaeden CDU/CSU

Antw StM’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . .

ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . .

ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . .

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II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

ZusFr Marianne Tritz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusFr Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . .

ZusFr Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . .

ZusFr Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . .

ZusFr Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusFr Reinhard Grindel CDU/CSU . . . . . . .

ZusFr Roland Gewalt CDU/CSU . . . . . . . . .

Inhalt des Erlasses Nr. 519 des AuswärtigenAmtes

MdlAnfr 9 Eckart von Klaeden CDU/CSU

Antw StM’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . .

ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . .

ZusFr Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusFr Reinhard Grindel CDU/CSU . . . . . . .

ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . .

Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaftan den vorbestraften A. B.

MdlAnfr 16 Matthias Sehling CDU/CSU

Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . .

Behauptete Wirkungen des so genanntenVolmer-Erlasses betreffend Visumverfahren

MdlAnfr 10 Hartmut Koschyk CDU/CSU

Antw StM’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . .

ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . .

ZusFr Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . .

ZusFr Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusFr Marianne Tritz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . .

Unterschiedliche Aussagen des AuswärtigenAmtes betreffend den Erwerb eines Visumsim Rahmen des so genannten Reisebürover-fahrens

MdlAnfr 11 Hartmut Koschyk CDU/CSU

Antw StM’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . .

ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . .

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8293 D

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8295 C

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ZusFr Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . .

ZusFr Ralf Göbel CDU/CSU . . . . . . . . . . . .

ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . .

Eventuelle Beschwerden der Schengen-Part-ner über die durch den so genannten Volmer-Erlass veränderte Visaerteilungspraxis

MdlAnfr 12 Clemens Binninger CDU/CSU

Antw StM’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . .

ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . .

Erteilung der Erlaubnis zum Geschäftsbetriebfür die Reise-Schutz-Versicherungs-AG inWeinsberg

MdlAnfr 22 Clemens Binninger CDU/CSU

Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Berücksichtigung der Zuzahlungen aufgrunddes GKV-Modernisierungsgesetzes bei derFestlegung der Regelsätze für die Sozialhilfe

MdlAnfr 39 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos

Antw PStSekr Franz Thönnes BMGS . . . . . .

ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . .

Gesamtbetrag der Sozialhilfeleistungen fürden im Kölner Schleuserprozess verurteiltenA. B. und seine Familie seit 1992

MdlAnfr 40 Matthias Sehling CDU/CSU

Antw PStSekr Franz Thönnes BMGS . . . . . .

Überarbeitung des Wohngeldrechts

MdlAnfr 47 Gero Storjohann CDU/CSU

Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . .

ZusFr Gero Storjohann CDU/CSU . . . . . . . .

Zusatztagesordnungspunkt 1:

Aktuelle Stunde auf Verlangen der CDU/CSU: Haltung der Bundesregierung zurErleichterung von Einschleusungen undillegalen Einreisen aufgrund von Kon-trolllücken an deutschen Flughäfen . . .

Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . .

Frank Hofmann (Volkach) SPD . . . . . . . . . .

Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 III

Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU . . . . .

Hans-Peter Kemper SPD . . . . . . . . . . . . . . . .

Ralf Göbel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . . . . . .

Dr. Michael Bürsch SPD . . . . . . . . . . . . . . . .

Dr. Ole Schröder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . .

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . . . . . . .

Sebastian Edathy SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .

Anlage 2

Erklärung des Abgeordneten Ernst Bahr(Neuruppin) (SPD) zur Abstimmung über denAntrag: Gottesbezug im europäischen Ver-fassungsvertrag (82. Sitzung, Tagesord-nungspunkt 3 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 3

Erklärung des Abgeordneten Marco Bülow(SPD) zur Abstimmung über den Antrag aufZurückweisung des Einspruchs des Bun-desrates gegen das Nachtragshaushaltsge-setz 2003 (92. Sitzung, Zusatztagesordnungs-punkt 7 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 4

Erklärung der Abgeordneten Ursula Mogg(SPD) zur Abstimmung über den Antrag aufZurückweisung des Einspruchs des Bun-desrates gegen das Nachtragshaushaltsge-setz 2003 (92. Sitzung, Zusatztagesordnungs-punkt 7 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 5

Umsetzung des Beschlusses des Bundesge-richtshofes vom 25. Februar 2004 zur Min-destvergütung für Insolvenzverwalter

MdlAnfr 1, 2 Tanja Gönner CDU/CSU

Antw StSekr Dr. Hansjörg Geiger BMJ . . . . .

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8319 B

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8319 C

Anlage 6

Anzahl der täglich in der deutschen Vertre-tung in Pristina (Kosovo) ausgestellten Visa;Grund für die Schaffung der dortigen Visa-stelle

MdlAnfr 4, 5 Dr. Ole Schröder CDU/CSU

Antw StMin für Europa Hans Martin Bury . .

Anlage 7

Entwicklung der Menschenrechtslage inTschetschenien

MdlAnfr 6 Dr. Egon Jüttner CDU/CSU

Antw StMin für Europa Hans Martin Bury . .

Anlage 8

Bewertung der von der Europäischen Kom-mission prognostizierten Kosten eines EU-Beitritts der Türkei für die EU und fürDeutschland

MdlAnfr 13 Albert Rupprecht (Weiden) CDU/CSU

Antw StM’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . .

Anlage 9

Maßnahmen zur Unterstützung der Projektezur europäischen Wachstumsinitiative, insbe-sondere der Bereiche Galileo und Nanoelek-tronik

MdlAnfr 17 Michael Kretschmer CDU/CSU

Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 10

Aufwendige Gesundheits- und Sicherheits-prüfungen bei den zur Bekämpfung derSchwarzarbeit freigestellten Mitarbeitern derBundesagentur für Arbeit; Weiterleitung derErmittlungsergebnisse bei der Bekämpfungder Schwarzarbeit an die Polizeibehörden undStaatsanwaltschaften

MdlAnfr 19, 20 Roland Gewalt CDU/CSU

Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Anlage 11

Einfluss der unterschiedlichen Unterneh-mensspitzenbesteuerung in Deutschland,Tschechien und der Slowakei 2004 und 2006auf mögliche steuerbelastungsmotivierte Ver-lagerungen von Unternehmen in diese Länder

MdlAnfr 21 Albert Rupprecht (Weiden) CDU/CSU

Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 12

Ausweitung der so genannten Entsenderichtli-nie auf das Busgewerbe vor dem Hintergrundder EU-Osterweiterung

MdlAnfr 23 Ernst Hinsken CDU/CSU

Antw PStSekr Gerd Andres BMWA . . . . . . .

Anlage 13

Belastungen für den Bundeshaushalt aufgrunddes nicht zustande gekommenen TV-Sat-1-Vorhabens im Zeitraum 1983 bis 1989

MdlAnfr 24 Dr. Elke Leonhard SPD

Antw PStSekr Gerd Andres BMWA . . . . . . .

Anlage 14

Durchführung der ausgeschriebenen Trai-ningsmaßnahmen nach § 48 SGB III durchSubunternehmen und Honorarkräfte

MdlAnfr 25, 26 Gitta Connemann CDU/CSU

Antw PStSekr Gerd Andres BMWA . . . . . . .

Anlage 15

Kostenentwicklung beim „Virtuellen Arbeits-markt“ der BA

MdlAnfr 27, 28 Karl-Josef Laumann CDU/CSU

Antw PStSekr Gerd Andres BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8322 C

8323 A

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Anlage 16

Schadenersatz für das gescheiterte Projekt„Virtueller Arbeitsmarkt“ der BA

MdlAnfr 29, 30 Dr. Hermann Kues CDU/CSU

Antw PStSekr Gerd Andres BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 17

Erkenntnisse des Bundesministers WolfgangClement hinsichtlich der Kostenentwicklungbeim Virtuellen Arbeitsmarkt und des aus derBA angedeuteten Korruptionsvorwurfs

MdlAnfr 31, 32 Hartmut Schauerte CDU/CSU

Antw PStSekr Gerd Andres BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 18

Warnung des EU-Kommissars vor einemMissbrauch der Beschlüsse zur EU-Agrar-reform vom 26. Juni 2003 zur Umverteilungzwischen den Regionen und zwischen denLandwirten; Empfehlung des EU-Kommis-sars zur Änderung des Gesetzentwurfs zurUmsetzung der Reform der GemeinsamenAgrarpolitik hinsichtlich der Verwendung desArt. 58 Abs. 1 der EG-Verordnung 1782/2003für die Betriebsprämienregelung

MdlAnfr 34 Albert Deß CDU/CSU

Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 19

Nationale Höchstgrenze zur Gewährung vonSonderprämien für männliche Rinder für dieJahre 2002 und 2003; Zahl der gemeldetenRinder, für die ein Anspruch auf Sonderprä-mie besteht

MdlAnfr 35, 36 Werner Lensing CDU/CSU

Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anlage 20

Abrechnung von „Geschiebe“ als Halteele-ment für Zahnersatz nach dem EinheitlichenBewertungsmaßstab für zahnärztliche Leis-tungen mit den Krankenkassen; Abgrenzungder Kostenträgerschaft für die akute Kranken-hausbehandlung von jener der Rehabilitation

MdlAnfr 38 Dietrich Austermann CDU/CSU

Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 21

Gesamtverluste für Spediteure nach Kündi-gung der Verträge mit Toll Collect; Erhebungeiner Sammelklage

MdlAnfr 41, 42 Dr. Maria Flachsbarth CDU/CSU

Antw PStSekr’in Angelika Mertens BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 22

Einbeziehung des Bundes der Vertriebenenund der Landsmannschaften der deutschenHeimatvertriebenen in die geplante Errich-tung eines Osteuropazentrums

MdlAnfr 43 Dr. Egon Jüttner CDU/CSU

Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . .

Anlage 23

Eventueller Gesetzentwurf zur Einführung ei-ner Maut für Sportboote

MdlAnfr 44 Ernst Hinsken CDU/CSU

Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . .

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Anlage 24

Unterzeichnung des Bau- und Finanzierungs-vertrages für die S-Bahn-Strecke Nürnberg–Erlangen–Forchheim

MdlAnfr 45, 46 Renate Blank CDU/CSU

Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . .

Anlage 25

Bau der A 73 (Suhl–Lichtenfels) im AbschnittEbersdorf bei Coburg bis Lichtenfels

MdlAnfr 48 Hans Michelbach CDU/CSU

Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . .

Anlage 26

Kosten der Broschüre „Agenda 2010“

MdlAnfr 49, 50 Helmut Heiderich CDU/CSU

Antw StSekr Béla Anda BPA . . . . . . . . . . . . .

Anlage 27

Einwände der Staatsministerin Dr. Weiss ge-gen den Referentenentwurf des BMWA zurÄnderung des Pressefusionrechts; Bewertungdes von Staatsministerin Dr. Weiss vorge-schlagenen Modells

MdlAnfr 51, 52 Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP

Antw StM’in Dr. Christina Weiss BK . . . . . .

Anlage 28

Nachträglicher Abdruck der amtlichen Mittei-lungen zur 89. Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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(A) (C)

(B) (D)

93. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet.

Ich wünsche Ihnen allen einen schönen und hoffent-lich andauernd sonnigen Tag. Sollte die Besetzung ähn-lich übersichtlich bleiben, wie sie jetzt ist, habe ich andem sonnigen Verlauf unserer Beratungen nicht den ge-ringsten Zweifel.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurVerbesserung der Rechte von Verletzten imStrafverfahren (Opferrechtsreformgesetz –OpferRRG)

– Drucksache 15/2536 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss (f)InnenausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Interfraktionell ist vereinbart worden, dass hierzukeine Aussprache erfolgen soll. – Ich sehe, dass Einver-ständnis besteht.

Damit kommen wir gleich zur Überweisung. Inter-fraktionell wird Überweisung dieses Gesetzentwurfesauf Drucksache 15/2536 an die in der Tagesordnung auf-geführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu an-derweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann istdie Überweisung so beschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zurVerbesserung des vorbeugenden Hochwasserschut-zes.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit, Jürgen Trittin.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir ha-ben heute im Bundeskabinett diesen Gesetzentwurf be-schlossen. Hierbei geht es darum, die Konsequenzenaus der Jahrhundertflut im Jahre 2002 zu ziehen. Da-mals sind 21 Menschen ums Leben gekommen. Es gabSchäden in einer Größenordnung von 9 MilliardenEuro.

Wir alle wissen, dass sich solche extremen Wetterla-gen in den letzten Jahren aufgrund der globalen Erwär-mung gehäuft haben. Auch wenn wir ambitioniert Kli-maschutz betreiben und dafür Sorge tragen, dass dieglobale Temperatur bis zum Ende dieses Jahrhundertsum nicht mehr als zwei Grad steigt, werden wir mit mehrsolchen extremen Wetterlagen zu rechnen haben. Wirhaben uns also darauf einzustellen, dass die Gefahr,Hochwasser zu erleben, wächst. Deswegen müssen wirvorbeugen und Schadensvorsorge betreiben.

Dem dient der vorliegende Gesetzentwurf zur Verbes-serung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Durchihn werden erstmalig bundeseinheitliche, stringente Vor-gaben gemacht. Damit wird das Fünfpunkteprogrammzur Verbesserung des Hochwasserschutzes umgesetzt,das damals auf einer großen Konferenz verabredet wor-den ist. Mit diesem Entwurf knüpfen wir an die offen-sichtlich bestehenden Vollzugs- und Regelungsdefizitean. Dies tun wir in Form eines Artikelgesetzes. Dasheißt, dass wir verschiedene Gesetze ändern, die etwasmit dem Thema Hochwasser zu tun haben. Dabei han-delt es sich um Änderungen des Wasserhaushaltsgeset-zes, des Baugesetzbuches, des Raumordnungsgesetzes,des Bundeswasserstraßengesetzes und des Gesetzes überden Deutschen Wetterdienst, das jetzt allerdings nicht in„Lex Kachelmann“ umbenannt wird.

Der Grundsatz, der an dieser Stelle gilt, ist: Alle sindverpflichtet, Hochwasserschäden im Rahmen ihrer Mög-lichkeiten zu verhindern. Dazu sollen die Länder erstma-lig nach bundeseinheitlichen Vorgaben und ausgehendvom so genannten hundertjährlichen Hochwasser Über-schwemmungsgebiete festsetzen. Dies soll innerhalbvon fünf Jahren geschehen.

Redetext

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Bundesminister Jürgen Trittin

Darüber hinaus wird erstmalig die Kategorie derüberschwemmungsgefährdeten Gebiete eingeführt. Wirmüssen uns klar machen, dass Deiche und andere Hoch-wasserschutzeinrichtungen in vielen Fällen keinenabsoluten Schutz gewährleisten können. Allein beimJahrhunderthochwasser entlang der Elbe sind über100 Deiche gebrochen. In diesen Bereichen müssen da-her besondere Maßnahmen ergriffen werden.

Schließlich sollen diese Flächen, die Überschwem-mungsgebiete und die überschwemmungsgefährdetenGebiete, von den Ländern in den Raumordnungs-, denFlächennutzungs- und, soweit es die Kommunen betrifft,den Bebauungplänen gekennzeichnet werden, sodass je-der weiß, worum es geht.

Dies muss auch Konsequenzen haben: In festgesetz-ten Überschwemmungsgebieten dürfen künftig keineneuen Bau- und Gewerbegebiete mehr ausgewiesen wer-den. Auf Flächen in Flussauen mit Wohnsiedlungen undGewerbeparks hätten wir nämlich die Hochwasserschä-den von morgen.

Ähnliches gilt für den Bereich der Landwirtschaft:Auch sie muss sich stärker an den Gefahren des Hoch-wassers orientieren. Es ist heute schon so, dass Grün-landumbruch in Überschwemmungsgebieten nicht derim Bundesnaturschutzgesetz festgelegten guten fachli-chen Praxis entspricht. Wir wollen, dass bis 2012 in denÜberschwemmungsgebieten der Ackerbau grundsätzlicheingestellt und zu anderen Formen landwirtschaftlicherNutzung übergegangen wird. Das soll die Bodenerosionvermindern. Wir haben diese Forderung allerdings aufjene Teile der Überschwemmungsgebiete beschränkt, indenen Hochwasser besonders schnell abfließt. Vor Au-gen hatten wir dabei die Erfahrung, die wir auch beimJahrhunderthochwasser gemacht haben, dass in Über-schwemmungspoldern, in denen Mais angebaut wurde,Zehntausende von Fischen gestorben sind – das stankbuchstäblich zum Himmel.

Schließlich widmen wir uns mit dem Gesetzentwurfauch dem aktiven Hochwasserschutz: Flussgebietsbezo-gene Hochwasserschutzpläne sind innerhalb von vierJahren aufzustellen. Dazu gehören auch Maßnahmenwie die Deichrückverlegung, die Rückhaltung von Nie-derschlagswasser sowie die Wiederherstellung vonAuen. Das Bundesumweltministerium hat hier mit zweiProjekten – im Biosphärenreservat „Mittlere Elbe“ undam so genannten Bösen Ort, also gegenüber vomWendland – Initiativen ergriffen, wie man durch Rück-bau von Deichen und Wiederherstellung von Auen Flüs-sen mehr Raum geben kann und damit gleichzeitig mehrHochwasserschutz erreicht. Der Kern dieser Maßnah-men ist eine andere Flusspolitik: den Flüssen wiedermehr Raum zu geben. Die Bundesregierung hat in Kon-sequenz des Jahrhunderthochwassers die Staupläne fürdie Donau ebenso gestoppt wie die Ausbaupläne für dieElbe. Wir begrüßen es sehr, dass der tschechische Senatden Plan von Staustufen auf dem tschechischen Teil derElbe nicht weiter verfolgt.

Schließlich haben wir festgelegt, dass Aus- und Neu-bau von Wasserstraßen künftig hochwasserneutral vor-zunehmen sind. Das heißt für uns auch, dass der Sach-

verstand etwa des Bundesamtes für Naturschutz beisolchen Planfeststellungsverfahren künftig hinzuziehenist.

Alles in allem ist uns ein, wie wir finden, ausgewoge-ner Kompromiss gelungen. Das war nicht immer ganzeinfach. Ich bedanke mich bei den Kollegen im Ministe-rium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und im Mi-nisterium für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-wirtschaft. Ich glaube, wir haben mit diesemGesetzentwurf die Konsequenzen aus der Hochwasser-katastrophe gezogen: Künftig setzen wir beim Hochwas-serschutz auf Vorsorge und auf Schadensvermeidung.

Danke.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank für den Bericht. – Ich rufe nun Zusatz-

fragen zu dem Bericht der Bundesregierung auf. DasWort hat der Kollege Koppelin.

Jürgen Koppelin (FDP): Herr Minister, vielen Dank für den Bericht. – Ich habe

eine Vorbemerkung, da Sie gerade das Ministerium vonFrau Künast angesprochen haben: Es erstaunt michschon, dass jetzt niemand von diesem Ministerium an-wesend ist.

Damit komme ich gleich zum Thema: Sie haben dieDeiche und die Probleme der Landwirtschaft bei Hoch-wasser angesprochen. Wie können Sie mir dannerklären – ich hätte diese Frage eigentlich gerne an dasMinisterium von Frau Künast gerichtet; ich bin ja Haupt-berichterstatter für den Einzelplan 10 –, dass bei der Ge-meinschaftsaufgabe „Verbesserung des Küstenschutzes“in den letzten Jahren die Mittel in erheblichem Maßegestrichen worden sind? Selbst nach der Hochwasser-katastrophe sind noch Mittel gestrichen worden. Daspasst doch überhaupt nicht zusammen.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:

Lieber Herr Kollege Koppelin, ich will hier nicht derVersuchung erliegen, auf alle Details dieser Gemein-schaftsaufgabe einzugehen. Aber Sie wissen sehr wohl,dass diese Gemeinschaftsaufgabe keine ausschließlicheVeranstaltung der Bundesregierung ist, sondern ein au-ßerordentlich schwieriger Prozess, der mit den Bundes-ländern abgestimmt werden muss, worauf diese großenWert legen. Sie wissen, dass im Rahmen dieser Gemein-schaftsaufgabe mittlerweile wieder Mittel für den Rück-bau zur Verfügung gestellt werden, auch als Konsequenzaus der Hochwasserkatastrophe.

Ich habe mit Absicht darauf verwiesen, wie manDeichrückbau und Wiederherstellung von Auen betrei-ben kann und dass dies zurzeit zum Teil mit Mitteln desNaturschutzes entlang der Elbe praktiziert wird. Ichkann und muss Ihre Frage mit dieser Einschränkung be-antworten.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Koppelin.

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Jürgen Koppelin (FDP): Herr Minister, ich komme aus Schleswig-Holstein.

Dort hat die rot-grüne Landesregierung die Mittel fürden Küstenschutz erheblich gestrichen; die notwendigenMittel stehen nicht zur Verfügung. Der Bund hat eben-falls Mittel gestrichen. Wie erklären Sie denn den Men-schen an der Elbe, zum Beispiel in Lauenburg, dass indieser Weise die Mittel sowohl von der Landesregierungals auch von der Bundesregierung gestrichen wurdenund Sie uns jetzt trotzdem etwas über Küstenschutz er-zählen und darstellen, was notwendig ist?

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:

Lieber Herr Kollege Koppelin, ich habe mit Absichtüber den Hochwasserschutz insbesondere entlang derFlüsse gesprochen. Sie werden feststellen müssen, dassgerade innerhalb des von Ihnen genannten Zeitraums dasBundesumweltministerium dabei ist, mit einem erhebli-chem Aufwand in Millionenhöhe in diesem Bereich fürmehr Hochwasserschutz zu sorgen. Insofern kann ichIhre Frage nicht ganz nachvollziehen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Homburger.

Birgit Homburger (FDP): Herr Minister, Sie haben dargestellt, dass das Kabi-

nett heute einen Beschluss zu einem Gesetzentwurf zurVerbesserung des Hochwasserschutzes gefasst hat. DieDiskussion darüber gibt es ja bereits seit längerer Zeit.Sie haben am 15. September 2002 eine Flusskonferenzdurchgeführt und bereits im August letzten Jahres habenSie einen Gesetzentwurf vorgestellt. Mich würde interes-sieren, warum es bis zum heutigen Beschluss des Kabi-netts noch so lange gedauert hat.

Als ich Ihnen gerade zugehört habe, habe ich einigePunkte entdeckt, die die FDP gefordert hat, beispiels-weise betreffend Baugebiete in Überschwemmungsge-bieten, betreffend die Hochwasserschutzpläne oder auchdie Kooperation in Flussgebietseinheiten. Warum habenSie den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion aufDrucksache 15/1334, der bereits im Juli letzten Jahres inden Deutschen Bundestag eingebracht wurde und alldiese Forderungen enthielt, abgelehnt?

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Die Bundesregierung kann ihn garnicht ablehnen! Das machen wir im Parla-ment! – Gegenruf des Abg. Jürgen Koppelin[FDP]: Trittin ist auch Abgeordneter!)

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:

Ich will an der Stelle aus der Position der Bundes-regierung den Hinweis des parlamentarischen – –

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Es wäre ganz gut, wenn auch zugehört würde, wenn

die vom Minister erbetene Auskunft erteilt wird.

(Jürgen Koppelin [FDP]: Herr Beck ruft immer dazwischen!)

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:

Ich glaube, der Zwischenruf des geschätzten Parla-mentarischen Geschäftsführers der Fraktion der Grünenist zumindest sachlich zutreffend.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr richtig!)

Solche Anträge werden in der Tat vom Bundestag undnicht von der Bundesregierung abgelehnt.

Die Bundesregierung hat diese fünf Eckpunkte umge-hend im September 2002 – Sie haben zu Recht auf dieFlusskonferenz verwiesen – vorgelegt. Das Bundesum-weltministerium hat einen Gesetzentwurf verfasst undüber diesen Gesetzentwurf sehr ausführlich und sehrgründlich gerade mit den Betroffenen – das sind zumBeispiel die kommunalen Spitzenverbände und die Lan-desregierungen, aber auch die Verbände beispielsweiseder Landwirtschaft und die Naturschutzverbände – dis-kutiert, um am Ende zu einem Ergebnis zu kommen, vondem wir glauben, dass es die Notwendigkeit, vorzubeu-gen und sich dabei auch den Nutzungskonflikten zu stel-len, miteinander vereinbart.

Jeder, der aus der Kommunal- oder Landespolitikkommt, weiß, was für ein Druck beispielsweise auf Ge-meinden liegt, neue Wohngebiete auszuweisen. Dassdiesem Druck in vielen Ländern – das sage ich jenseitsaller Parteipolitik – vielfach nachgegeben wird, be-schreibt die Notwendigkeit, zu einer bundesgesetzlichenRegelung zu kommen.

All dies hat eine bestimmte Zeit in Anspruch genom-men. Ich glaube, dass wir jetzt für diesen Gesetzentwurfein sehr solides und valides Fundament haben. Ich freuemich auf die Beratungen. Noch mehr freue ich mich da-rauf, wenn die FDP-Fraktion an dieser Stelle so nach-drücklich, wie Sie es eben angedeutet haben, FrauHomburger, Ja dazu sagt, dass in Überschwemmungsge-bieten nicht mehr geplant und keine neuen Baugebietemehr ausgewiesen werden dürfen. Wenn Sie so nach-drücklich dafür plädieren, dass in Überschwemmungs-gebieten künftig auch kein Ackerbau betrieben werdendarf, dann sind wir in dieser Frage einen ganzen Schrittweiter. Ich freue mich über die Unterstützung aus derOpposition.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Frau Homburger.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jetzt stimmt Frau Homburger zu!)

Birgit Homburger (FDP): Herr Minister, wir werden diesen Gesetzentwurf, den

wir – im Gegensatz zu Ihnen – in der heute beschlosse-nen Fassung bisher nicht vorliegen haben, selbstver-ständlich in allen Punkten prüfen und dann im Rahmender Auseinandersetzung im parlamentarischen Bereich

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Birgit Homburger

über die Einzelpunkte debattieren. Bei dem einen oderanderen Punkt werden wir sicherlich nach wie vor diver-gierende Meinungen haben. Ich sage es einmal so: Eswäre schön gewesen, wenn man die offensichtlich un-strittigen Punkte – nicht alle Punkte sind unstrittig, abersolche gibt es – gemeinsam hier hätte beschließen kön-nen. Vielleicht hätte Ihnen das sogar ein wenig geholfen.Das lasse ich aber einmal dahingestellt.

Herr Minister, ich würde gerne wissen, ob die Bun-desregierung im Rahmen des Versuchs, ein flussgebiets-bezogenes Hochwassermanagement einzuführen, auchGespräche mit anderen Ländern geführt hat, bei denen esüber das hinausging, was nun im Hochwasserschutz-gesetz festgelegt wurde. Wenn ja: Bezieht sich das aufalle großen länderübergreifenden – das meine ich nichtbezogen auf die Bundesländer, sondern bezogen auf un-sere Nachbarstaaten – Flussläufe? Wie ist der Stand derVerhandlungen an dieser Stelle?

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Kollegin, ich hatte es ja bewusst konditional ge-sagt: Wenn Sie es denn gelesen haben und dann zu demErgebnis kommen, würde mich das freuen. Über das ent-spannte Miteinanderumgehen der FDP und der Bundes-regierung gerade in den letzten Tagen freuen wir uns na-türlich ganz besonders.

Zu den Hochwasseraktionsplänen: Im vergangenenHerbst haben wir einen solchen Hochwasseraktions-plan auch für den letzten großen Fluss, die Elbe, be-schlossen. Für den Rhein gibt es diesen ja schon. Die-ser umfasst alle Anliegerstaaten, also die TschechischeRepublik und die Bundesrepublik Deutschland. Inner-halb der Bundesrepublik Deutschland umfasst er auchalle Elbe-Anlieger. Ich muss an dieser Stelle sagen, dasses mit der Tschechischen Republik zwar einen Konfliktüber die Staustufen gab. Bei dem Hochwasseraktions-plan lagen die Probleme aber weniger auf der tschechi-schen als auf der deutschen Seite. Fairerweise muss ichbetonen, dass die Schwierigkeiten weniger in den ost-deutschen Bundesländern als bei den Unterliegernlagen. Das ist eine bei Flussfragen nicht untypischeSituation.

In diesem Rahmen wurde inzwischen ein umfassen-der Plan vorgelegt. Er beinhaltet beispielsweise denRückbau von Deichen an sieben Stellen. Dabei geht esum den Versuch, der Elbe, die als einer der letzten euro-päischen Flüsse noch frei durch die Landschaft mäan-dert, dennoch aber nur noch 15 Prozent ihrer ursprüngli-chen Fläche umfasst, ein Stück mehr Raum zu geben,um so zu einer Entspannung zu kommen. Dies wurdeverabschiedet. Man kann sich das beim Sekretariat derInternationalen Kommission zum Schutz der Elbe imDetail anschauen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Gibt es weitere Zusatzfragen, um die mehrfach aus-

drücklich zu Protokoll gegebene Freude des Umweltmi-nisters am bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren wei-ter zu befördern? – Frau Kollegin Flachsbarth.

Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Herr Minister, wurde bei dem nun vorgelegten Ge-

setzentwurf auch berücksichtigt, dass es Untersuchun-gen gibt, die eindeutig ausweisen, dass bewachseneAckerflächen genauso gut gegen Hochwasser resistentsind – wenn ich das so sagen darf – wie Grünlandflä-chen? Wurde außerdem berücksichtigt, dass in Über-schwemmungsgebieten einiger Flussläufe, zum Beispielder Leine, 75 Prozent der Ackerflächen aus der landwirt-schaftlichen Nutzung herausfallen würden? Was wurdein Bezug auf die Entschädigungen für die betroffenenLandwirte geregelt?

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:

Verehrte Frau Kollegin, Sie haben mit der Leine einBeispiel angeführt, das mir immer vor Augen steht. Von1985 bis Mitte der 90er-Jahre bin ich sehr intensiv, ei-gentlich jeden Tag, zwischen Hannover und Göttingengependelt. Entlang der alten Bahnstrecke konnte ich dieEntwicklung erkennen, wie aus Grünland schrittweisemehr und mehr Ackerland geworden ist. Schon damalshaben alle gesagt: Das ist eine ganz verhängnisvolle Ent-wicklung, weil es dadurch – das haben Sie beschrieben –zur Erosion kommt.

Ist das ein Grund, die Landwirte an dieser Stelle zubeklagen? – Nein! Die Landwirte sind über den Umstandin diese Situation gebracht worden, dass die Grünland-wirtschaft weniger Möglichkeiten wirtschaftlicher Artbietet als bestimmte Formen des Ackerbaus, der, wie ge-sagt, unter dem Aspekt einer guten fachlichen Praxisschon damals nicht angemessen gewesen ist.

Wir wollen diesen Prozess mit einer Perspektive, be-zogen auf das Jahr 2012, schrittweise rückgängig ma-chen. Wir werden bei diesem Verfahren selbstverständ-lich berücksichtigen, dass es Veränderungen in derFinanzierung und Subventionierung der Landwirtschaftgibt, zum Beispiel den Übergang von Maisprämien aufeine flächenbezogene Förderung, was den Abstand zwi-schen Grünlandwirtschaft und Ackerbau vermindert. Eswird auch die Möglichkeit bestehen, auf Forderungennach Entschädigungen einzugehen.

Darüber hinaus haben wir noch etwas getan – dasknüpft an die Idee an, die Sie am Anfang genannt haben –:Es ist nicht so, dass wir den Ackerbau immer und überallkomplett verbieten. Zurzeit reden wir von etwa700 000 Hektar Ackerbauflächen in Überschwem-mungsgebieten. In anderen Bereichen, wo es keinenschnellen Abfluss gibt, glauben wir, dass man mitAckerbau unter der Voraussetzung, dass es an dieserStelle eine ganzjährige Bodenbedeckung gibt – das ha-ben Sie angesprochen –, in solchen als Überschwem-mungsgebiete gekennzeichneten Regionen leben kann.Das heißt, wir haben sehr bewusst eine ausgewogeneEntscheidung getroffen, die das völlige Ackerbauverbotab 2012 ausschließlich auf die Gebiete konzentriert, woim Falle eines Hochwassers mit sehr schnellen Abflüs-sen zu rechnen ist und die Bedeckung, die beim Acker-bau möglich ist, nichts mehr nützt.

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Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Wortmeldungen?

(Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Ich habe noch eine Nachfrage!)

– Bitte schön, Frau Flachsbarth.

Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Wie Ackerbau mit ei-

ner ganzjährigen Bedeckung funktionieren soll, müssenSie mir ehrlich gesagt noch einmal erklären; das habe ichnicht wirklich verstanden. Außerdem ziele ich auf eineUntersuchung ab, nach der beim Ackerbau, also demAufwuchs von Pflanzen und der Neubestellung, nur derZeitraum unmittelbar um die Neubestellung ein sehr kri-tischer Zeitraum ist. Sobald aber der Bewuchs auf derFläche wieder vorhanden ist, besteht sehr wohl ein mitder Grünlandwirtschaft gleichwertiger Hochwasser-schutz. Da dieser Zeitraum der unmittelbaren Neubestel-lung relativ kurz ist und zum Teil von den Perioden, indenen ortsüblich Hochwasser auftreten kann, deutlichabweicht, möchte ich nachfragen, ob Sie bei Ihrem Ge-setzentwurf auch diese Untersuchung berücksichtigt ha-ben.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:

Wir haben versucht, den Wissensstand in diesem Be-reich bei der Ausformulierung des Gesetzes zugrunde zulegen. Unser Problem ist – das muss ich an dieser Stelleaus klimapolitischer Sicht sagen –, dass heute nicht mehrdie klare Trennung zwischen Winter- und Sommerhoch-wasser existiert, die es früher gab. Das heißt, die so ge-nannten typischen Zeiträume, in denen Hochwässer inbesonderer Weise auftreten, haben sich über das Jahrverteilt. Deswegen sind wir zu der Herangehensweiseübergegangen, dass die primäre und sinnvoll angepassteNutzung im Bereich von ÜberschwemmungsgebietenGrünlandwirtschaft ist. Die Möglichkeiten zur Umstel-lung verbessern wir. Den Umstieg in diesem Bereichkönnen wir über die zweite Säule der EU-Agrarpolitikfinanzieren.

Hinsichtlich der ganzjährigen Bedeckung haben wiruns auf den Sachverstand der Landwirtschaft verlassen.Diese Praxis gibt es schon. Insofern glauben wir, einenvernünftigen und ausgewogenen Kompromiss zwi-schen dem berechtigten Anspruch auf Ackerbau undden Erfordernissen des Hochwasserschutzes gefundenzu haben.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Hierzu liegen offenkundig keine weiteren Fragen vor.

Ich darf nachfragen, ob es möglicherweise Fragen zuanderen Themen der heutigen Kabinettssitzung gibt. –Das ist nicht einmal beim Ersten Parlamentarischen Ge-schäftsführer der SPD der Fall.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wir wissen alles!)

Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung?

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wie langebleibt sie noch im Amt? – Eckart von Klaeden[CDU/CSU]: Geht sie freiwillig? – Gegenrufdes Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]:Wann haben Sie einen Präsidentenkandida-ten? – Gegenruf des Abg. Hartmut Koschyk[CDU/CSU]: Eher, als Ihnen lieb ist!)

– Ich vermute, dass bei diesen mehr oder weniger ernstgemeinten Fragen unter den Ministern nicht so schnelleine Einigung herbeigeführt werden kann, wer sie reprä-sentativ für die Bundesregierung beantworten soll.

Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fragestunde

– Drucksache 15/2564 –

Die den Geschäftsbereich des Bundesministeriumsder Justiz betreffenden Fragen 1 und 2 der KolleginTanja Gönner werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Bildung und Forschung. Hier steht zurBeantwortung der Parlamentarische StaatssekretärChristoph Matschie zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 3 des Kollegen MichaelKretschmer auf:

Ist die Äußerung von Bundeskanzler Gerhard Schröder– in einem gemeinsamen Brief mit Präsident Jacques Chiracund Premierminister Tony Blair an den Präsidenten des Euro-päischen Rates, Bertie Ahern, und den Präsidenten der Euro-päischen Kommission, Romano Prodi, vom 18. Februar2004 –, Europa müsse sich an Projekten wie ITER beteiligen,so zu verstehen, dass sich auch Deutschland künftig in derGroßgeräteforschung engagieren will, und wie passt dieseÄußerung des Bundeskanzlers dazu, dass sich Deutschlandausdrücklich nicht als Standort für ITER beworben hat?

Christoph Matschie, Parl. Staatssekretär bei derBundesministerin für Bildung und Forschung:

Sehr geehrter Herr Kollege Kretschmer, ich beant-worte Ihre Frage wie folgt: Deutschland war und ist sehrerfolgreich in der Forschung mit Großgeräten engagiert.Beispiele sind die Beschleunigeranlagen der Gesell-schaft für Schwerionenforschung in Darmstadt und desDeutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) in Ham-burg oder auch das Fusionsexperiment Wendelstein 7-Xin Greifswald sowie die deutsche Beteiligung am CERNin Genf, an der ESRF in Grenoble oder dem Fusions-experiment JET in Culham.

Mit dem inzwischen auf europäischer Ebene be-schlossenen Standortvorschlag Cadarache in Frankreichfür ITER sind alle weiteren Standortdiskussionen in Eu-ropa hinfällig. Im Übrigen hat sich die BundesrepublikDeutschland bereits unter der Vorgängerregierung imJuli 1996 gegen eine Bewerbung um einen ITER-Stand-ort in Deutschland ausgesprochen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage, Herr Kollege Kretschmer.

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Michael Kretschmer (CDU/CSU): Es ist nicht so, Herr Staatssekretär, dass Sie sich

grundsätzlich an das halten, was die Vorgängerregierunggemacht hat, was in einigen Fällen gut für dieses Landgewesen wäre. Meine Frage bezieht sich auf ITER. DieKompetenz für diesen Kernfusionsreaktor ist inDeutschland vorhanden. Wie bewertet die Bundesregie-rung, dass das Wissen jetzt offenbar abfließt und dieKosten in Zukunft die Europäische Union tragen soll?

Christoph Matschie, Parl. Staatssekretär bei derBundesministerin für Bildung und Forschung:

Herr Kollege Kretschmer, Sie wissen wahrscheinlichso gut wie ich, dass ITER ein internationales Projekt ist,an dem sich viele Staaten beteiligen. Verhandelt wird dasProjekt für uns von der Europäischen Union. Natürlichwerden sich deutsche Forschungseinrichtungen an die-sem Projekt beteiligen. Hätten wir uns als Sitzland be-worben, dann müssten wir – das ist noch nicht ganz aus-gehandelt – etwa 10 bis 20 Prozent der Baukostentragen. Das sind nach den gegenwärtigen Schätzungen500 Millionen bis 1 Milliarde Euro. Das würde bedeu-ten, dass wir andere Forschungsarbeiten auf diesem Ge-biet, auch Wendelstein 7-X in Greifswald, nicht mehrfinanzieren könnten. Insofern war die Entscheidung derVorgängerregierung, sich nicht um einen Standort fürITER zu bewerben, konsequent. Wir haben keinenGrund, diese Entscheidung zu ändern.

Michael Kretschmer (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, der Bundeskanzler schreibt in sei-

nem Brief, dass ITER ein Beispiel für Großprojekte sei,die auf europäischer Ebene unterstützt werden sollen.Meine zweite Frage lautet: Welche anderen Großgeräte-forschungsanlagen sind von der Bundesregierung ge-plant? Wie viele dieser Anlagen sollen in Zukunft überdie Europäische Union finanziert werden? Ist möglicher-weise an die Realisierung der Neutronenspallations-quelle ESS gedacht?

Christoph Matschie, Parl. Staatssekretär bei derBundesministerin für Bildung und Forschung:

Herr Kollege Kretschmer, Sie kennen die Schwer-punkte, die die Bundesregierung bei den Großgerätengesetzt hat. Das sind Großgeräte, die in internationalerKooperation gebaut werden. Dazu laufen Verhandlungenmit anderen Partnern in Europa. Es gibt keine Empfeh-lung vom Wissenschaftsrat, die europäische Neutronen-spallationsquelle jetzt zu realisieren. Deshalb verfolgenwir dieses Projekt im Moment nicht.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Fragen zu diesem Geschäftsbereich liegen

nicht vor.

Wir kämen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärti-gen Amtes. Da die für die Beantwortung vorgeseheneStaatsministerin Müller auf dem Wege hierher ist undwegen der beschleunigten Beendigung der Regierungs-befragung, wie ich finde, zu akzeptieren ist, dass sienicht früher hier sein musste, schlage ich vor, dass wir

die drei Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums des Innern vorziehen, da sowohl der zu-ständige Parlamentarische Staatssekretär als auch dieerste Fragestellerin hier sind. Kann ich dazu Einverneh-men feststellen? – Das ist so. Ich bedanke mich.

Wir kommen dann zur Frage 14 der AbgeordnetenPetrau Pau:

Wie viele antisemitische Straftaten wurden im viertenQuartal 2003 in der Bundesrepublik Deutschland begangenund wie viele Opfer dieser Straftaten gab es?

Herr Kollege Körper.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern:

Herr Präsident! Ich beantworte die Frage der Abge-ordneten Pau wie folgt: Im vierten Quartal 2003 wurdeninsgesamt 339 antisemitische Straftaten, die dem Phäno-menbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“zuzuordnen sind, gemeldet. Darunter waren 52 so ge-nannte Propagandadelikte und sechs Gewaltdelikte. Beiletzteren handelt es sich um fünf Körperverletzungenund eine Brandstiftung.

Im vierten Quartal 2003 wurden zwei Personen ver-letzt. Todesfälle waren nicht zu verzeichnen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Frau Pau.

Petra Pau (fraktionslos): Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Da Sie si-

cherlich wie immer auch auf meine Nachfrage umfas-send vorbereitet sind, frage ich Sie, wie sich diese Straf-taten auf die einzelnen Bundesländer aufteilen.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern:

Wie Sie wissen, wird darüber keine offizielle Statistikgeführt. Insofern liegt uns dazu kein zu veröffentlichen-des Material vor.

Ich kann Ihnen mitteilen, dass diese Art von Straf-taten in allen Bundesländern vorkommen. Ich will esnicht wagen, von einem besonderen Schwerpunkt ineinem Bundesland zu sprechen. Das geben die Zahlen inihrer jeweiligen Zuordnung nach meinem Dafürhaltennicht her. Es gibt vielmehr sozusagen eine relativ breiteStreuung.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage.

Petra Pau (fraktionslos): Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Wir wissen,

dass diese Zahlen jeweils vorläufig sind und dass sich imLaufe des Jahres noch Veränderungen ergeben. HabenSie schon einen Überblick über die Entwicklung in denersten drei Quartalen aufgrund von Nachmeldungen undKorrekturen?

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Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern:

Weil sich Ihre Frage auf das vierte Quartal 2003 bezo-gen hat, habe ich sofort intern nachgefragt, ob wir nichtdas gesamte Jahresergebnis mitteilen können. Aber – dasist Ihnen bekannt – es ist dabei ein bestimmtes Verfahrenzu berücksichtigen. So hat beispielsweise im Jahr 2002die Nachmeldequote 45 Prozent betragen. Das ist erheb-lich und zeigt, dass, wenn man exakte Ergebnisse über-mitteln will, die Nachmeldequote abzuwarten ist. Ande-renfalls hätte ich Ihnen gerne auch das Jahresergebnismitgeteilt.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe nun die Frage 15 – ebenfalls von der Kollegin

Pau – auf:Wie viele Abschiebungen – bitte genau nach den Ziel-

regionen aufschlüsseln – wurden in den Jahren 2002 und 2003auf dem Luftweg von deutschen Flughäfen durchgeführt?

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern:

Frau Kollegin Pau, über deutsche Flughäfen wurdenim Jahr 2003 insgesamt 23 944 Abschiebungen auf demLuftweg durchgeführt. Für das Jahr 2002 war eine Grö-ßenordnung von exakt 26 286 Abschiebungen zu ver-zeichnen. Im Jahr 2003 wurden insgesamt 127 Ziellän-der angeflogen. Eine Auflistung der einzelnen Länderkann ich Ihnen zukommen lassen. Zu Ihrer Information:Bei den Zielländern war 2002 fast die gleiche Größen-ordnung zu verzeichnen; statt 127 waren es 124 Ziellän-der.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eine Zusatzfrage.

Petra Pau (fraktionslos): Herr Staatssekretär, zunächst herzlichen Dank für

diese Fakten. Die erwähnte Auflistung würde ich gernebekommen.

Liegen Ihnen Angaben vor, in wie vielen Fällen Ab-schiebungen gegen den Widerstand von Abzuschieben-den vorgenommen wurden?

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern:

Nein, diese Angaben liegen mir nicht im Einzelnenvor. Ihre Frage bezieht sich sicherlich insbesondere aufdie Fälle, in denen Gewalt eine Rolle gespielt hat. Zudem Vorgang der Abschiebung kommt es immer dann,wenn jemand auf die Aufforderung, das Land zu verlas-sen, nicht eingeht, sodass er in das jeweilige Zielland ab-geschoben werden muss. Darauf bezieht sich Ihre Frage.Wie Sie wissen, sind für die Abschiebungen in erster Li-nie die Länder zuständig. Der Bundesgrenzschutz ist imZuge der Amtshilfe daran beteiligt.

Wie schwierig sich ein Abschiebungsprozess im Ein-zelfall darstellt und wie schwierig er ist, kann statistischwohl nur sehr schwer erfasst werden. Tatsache ist, dassdie eine oder andere Abschiebung leichter durchzufüh-

ren ist, während die eine oder andere leider zu schwie-rigsten Situationen führt.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eine weitere Zusatzfrage.

Petra Pau (fraktionslos): Herr Staatssekretär, ich möchte gern noch erfahren,

wie sich die Bundesregierung gegenüber der italieni-schen Initiative verhält, die auf einen Erlass des Rateszur Organisation von Sammelflügen abzielt.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern:

Ich glaube, bisher haben wir nur in ganz wenigen Fäl-len Sammelflüge organisiert. Wenn mich mein Gedächt-nis nicht im Stich lässt, dann ist dies bisher in einem be-sonderen Fall erfolgt. Aufgrund des föderalen Systemsin Deutschland – darauf habe ich schon vorhin hingewie-sen – sind die Bundesländer für Abschiebungen zustän-dig. Sie schieben in der Regel diejenigen ab, für die siejeweils zuständig sind. Das ist bei der Beantwortung derFrage nach den Sammelabschiebungen zu berücksich-tigen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ist

Ihnen bekannt, wie viele Menschen aus Furcht vor dro-hender Abschiebung einen Selbstmordversuch unter-nommen bzw. Selbstmord begangen haben?

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern:

Dass es zu dem einen oder anderen von Ihnen geschil-derten Vorfall gekommen ist, weiß jeder, der aufmerk-sam die Zeitungen liest. Aber ich kenne keine diesbe-zügliche statistische Auflistung. Es ist auf jeden Fallwichtig, dafür Sorge zu tragen, dass der schwierige Vor-gang der Abschiebung, der in der Tat sehr einschneidendfür die Betroffenen ist, human gestaltet wird. Die Beam-tinnen und Beamten, die damit betraut sind, sind sehrsensibel und achten darauf, dass nach Möglichkeit sol-che Vorkommnisse nicht eintreten. Aber die Vergangen-heit hat, wie gesagt, gezeigt, dass diesbezüglich das eineoder andere nicht auszuschließen ist.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. – Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kollege

Körper, wenn Sie so lange warten könnten, bis der Kol-lege Sehling – hoffentlich – eingetroffen ist. Wir solltennatürlich fair gegenüber allen Seiten sein.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern:

Herr Präsident, aber ich muss nicht im Stehen warten.

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Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Darauf können wir uns sofort verständigen. Die Ge-

schäftsordnung sieht vor, dass nur die Beantwortung derFragen im Stehen zu absolvieren ist. Laut unserer Ge-schäftsordnung sind also Wartezeiten nicht mit Stehver-pflichtungen verbunden.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Obwohldas für den Sport zuständige Innenministeriumauch einmal eine solche Übung machenkönnte!)

– Das wäre aber schon hart an der Grenze zu einer Er-gänzung der Geschäftsordnung, die ich auf dem üblichenformalen Wege zu betreiben bitte.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär-tigen Amtes. Zur Beantwortung steht die Staatsministe-rin Kerstin Müller zur Verfügung.

Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Dr. Schröder sowiedie Frage 6 des Kollegen Dr. Jüttner werden schriftlichbeantwortet.

Ich rufe nun die Frage 7 der Kollegin Dr. GesineLötzsch auf:

Was unternehmen die Bundesregierung und die in Afgha-nistan stationierten Bundeswehrtruppen politisch, militärischund finanziell gegen den zunehmenden Rohopiumanbau inAfghanistan und auf welche Erfolge kann die Bundesregie-rung im Kampf gegen den Rohopiumanbau verweisen?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Die Frage beantworte ich wie folgt: Deutschland leis-tet einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung und zumWiederaufbau Afghanistans. Unser Engagement habenwir durch die Übernahme eines regionalen Wiederauf-bauteams in Kunduz, die Einrichtung einer Außenstelleder Botschaft in Herat und die Verstärkung der Hilfebeim Polizeiaufbau erheblich ausgeweitet. Wir tragenmaßgeblich dazu bei, dass die Menschen in Afghanistanwieder mit Optimismus in die Zukunft blicken könnenund dass von diesem Land weniger Bedrohung für dieWelt, insbesondere für Europa und Deutschland, aus-geht.

Deutschland hat im Rahmen einer internationalen Ar-beitsteilung in Afghanistan die Führungsfunktion beimAufbau der Polizei übernommen. Dies schließt auch denAufbau einer afghanischen Drogen- und Grenzschutz-polizei ein und stellt einen wichtigen Beitrag zur vonGroßbritannien übernommenen Aufgabe der Bekämp-fung des Drogenanbaus dar.

Entwicklungspolitisch fördern wir Maßnahmen zurSchaffung alternativer Einkommensmöglichkeiten fürMenschen, die bisher vom Opiumanbau bzw. -handel le-ben. Ebenfalls engagieren wir uns in einem Projekt zurDrogenkonsumprävention. Insgesamt hat Deutschlandbisher 320 Millionen Euro für den Zeitraum 2002 bis2005 an Unterstützung für Afghanistan zugesagt.

Im Rahmen der parlamentarischen Behandlung desaktuellen Bundestagsmandates zur Beteiligung an ISAFhat die Bundesregierung zugesichert, dass die Drogen-

bekämpfung nicht im Mandat des Bundeswehreinsatzesenthalten ist. Zentrale Aufgabe der Sicherungskompo-nente im deutschen Wiederaufbauteam ist die Schaffungeines Klimas der Sicherheit, in dem unter anderemafghanische Kräfte zur Drogenbekämpfung ausgebildetwerden.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin,

ist der Bundesregierung bekannt, dass der Suchtstoff-kontrollrat der Vereinten Nationen, INCB, in seinemJahresbericht einschätzt, dass der Drogenanbau inAfghanistan trotz politischer Veränderungen nicht zu-rückgeht, sondern – im Gegenteil – ansteigt? WelcheSchlussfolgerung zieht die Bundesregierung daraus?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Das ist uns bekannt. Wir ziehen daraus die Schluss-folgerung, dass wir uns im Rahmen unserer finanziellenMöglichkeiten und im Rahmen der internationalen Ar-beitsteilung weiter für diejenigen Aufgaben einsetzen,die ich Ihnen gerade genannt habe. Wir sind insbeson-dere in der Ausbildung der Polizei tätig. Dabei geht esunter anderem um den Aufbau einer Polizei, die im Be-reich der Drogenbekämpfung eingesetzt werden kann.Für die Bekämpfung des Drogenanbaus und Drogenhan-dels ist Großbritannien zuständig.

Ich kann nur sagen: Dies ist ein Problem, das mannicht von heute auf morgen lösen kann; es geht vielmehrum langfristige Strategien. Vor allen Dingen muss es da-rum gehen, Einkommensalternativen für die Menschenzu entwickeln. Ich könnte Ihnen jetzt sehr ausführlichdarstellen, was wir da machen. Sie wissen ja: Die jähr-lichen deutschen Leistungen in Afghanistan betragencirca 80 Millionen Euro. Sie werden für die Schaffungvon Einkommensmöglichkeiten – Arbeitsplätze, derAusbau einer sozialen wirtschaftlichen Infrastruktur, Er-nährungssicherungsvorhaben im ländlichen Raum, dieFörderung der Privatwirtschaft, Maßnahmen zur Trink-wasseraufbereitung, Elektrifizierungsprogramme, dieFörderung der Privatwirtschaft, Minikreditprogramme –eingesetzt.

Durch diese Hilfe entstehen sukzessive Erwerbsalter-nativen zum Opiumanbau. Das dient dazu, die Lebens-verhältnisse ländlicher Familien zu verbessern. Ichkönnte Ihnen noch ausführlicher darstellen, wie genauund in welchem Umfang wir dort die Polizei ausbilden.

Zusammengefasst: Es geht hier um eine langfristigeStrategie. Im Rahmen der internationalen Arbeitsteilungsoll sich gerade nicht jedes Land um alle Probleme inAfghanistan kümmern.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eine weitere Zusatzfrage, Frau Lötzsch.

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Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin,

wenn Sie sagen, nicht jedes Land solle sich um alle Pro-bleme kümmern, dann scheint es mir doch ein sehr zen-trales Problem zu sein – aber gut.

In dem von mir erwähnten Bericht wird auch dieEinschätzung getroffen, dass Österreich für den Dro-genhandel als Tor in den Westen dient, dass alsogerade über Österreich viele Drogen, viele Opiatedirekt aus Afghanistan nach Europa kommen. WelcheSchlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus die-ser Erkenntnis? Wie arbeitet sie mit den österreichi-schen Behörden zusammen, um dem Drogenhandelüber den Weg Afghanistan–Österreich–Europa entge-genzutreten?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Man könnte jetzt wahrscheinlich verschiedene Ländernennen, über die der Opiumhandel und der Handel mitanderen Drogen abgewickelt werden. Wir arbeiten natür-lich im Rahmen Europas, im Rahmen der internationalenGemeinschaft – es gibt eine entsprechende Kommissionim Rahmen der Vereinten Nationen – mit den Österrei-chern zusammen.

Noch einmal: Ich glaube, dass kurzfristige Strategienhier nicht helfen. Man muss zum einen mit polizeilichenMaßnahmen antworten; zum anderen muss es letztlichdarum gehen – davon bin ich fest überzeugt –, für dieMenschen in Afghanistan eine Einkommensalternativezu entwickeln. Nur wenn das gelingt, ist es möglich,dass der Bauer vor Ort eben nicht Opium, sondern etwasanderes anbaut.

Bis es uns, damit meine ich die internationale Ge-meinschaft, gelungen ist, eine solche Alternative zu ent-wickeln, wird sicherlich – das verhehle ich nicht – einigeZeit vergehen. Die internationale Gemeinschaft verfolgteinen langfristigen, nachhaltigen politischen Ansatz. Bises so weit ist, muss man alles tun, was im Rahmen derZusammenarbeit mit Österreich oder anderen Ländernmöglich ist, um zu verhindern, dass hier Drogen einge-schmuggelt werden. Langfristig muss es darum gehen,die Ursachen zu bekämpfen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Frau Pau, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zu-

satzfrage.

Petra Pau (fraktionslos): Frau Staatsministerin, Sie sagten, dass Sie über die

Erfahrungen beim Aufbau der Polizei bzw. bei der Poli-zeiausbildung ausführlicher berichten können. Ichmöchte Ihnen mit meiner Nachfrage diese Gelegenheitgeben: Wie sind die bisherigen Erfahrungen beim Auf-bau einer Drogen- und Grenzpolizei? Auf welcheSchwerpunkte konzentrieren Sie sich bei der Ausbil-dung?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Wie gesagt, die Polizeiausbildung ist einer derSchwerpunkte der deutschen Unterstützung. Dafür wur-den seit 2002 9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.Dies umfasst die Ausbildung von circa 3 500 Polizeibe-amten, übrigens Polizisten und Polizistinnen. Das ist einwichtiges Pilotprojekt, das sehr interessant ist und auchVorbildfunktion für andere Länder haben wird. Es um-fasst ferner den Aufbau einer Polizeiakademie und dieBeschaffung von Ausrüstungsgegenständen wie Kfz undTelekommunikationseinrichtungen.

Von den bisherigen Aktivitäten beim Aufbau der An-tidrogenpolizei, der Counter Narcotics Police of Afgha-nistan, CNPA, lassen sich die Renovierung und die Aus-stattung zweier Gebäude, die Erstellung spezifischerAusbildungskonzepte sowie die Durchführung vonSchulungsmaßnahmen hervorheben, durch die die Aus-wertungs- und Informationsbeschaffungseinheit ihre Ar-beit bereits aufnehmen konnte.

Des Weiteren unterstützt die Bundesregierung Afgha-nistan beim Aufbau der Grenzpolizei, zu deren Aufga-ben die Unterbindung des Schmuggels gehört.

Von den von Deutschland jährlich insgesamt erbrach-ten Leistungen von 80 Millionen Euro werden 30 Millio-nen Euro vom Auswärtigen Amt und 30 Millionen Eurovom BMZ verwaltet. 20 Millionen Euro sind für Leis-tungen an multilaterale Geber wie das VN-System inAfghanistan, also UNAMA, vorgesehen, zum Beispielzur Bezahlung von Gehältern von Polizisten und Polizis-tinnen sowie Lehrern und Lehrerinnen über das UNDP.

Neben den genannten Bereichen unterstützt Deutsch-land Afghanistan auch auf dem Gebiet der Rechtsbe-ratung – es ist sehr wichtig, diese Institutionen aufzu-bauen –, des Universitätswesens und der politischenBildung. Auch Projekte im Bereich Kultur, unter ande-rem von der Deutschen Welle, das Projekt Goethe-Insti-tut – das ist eines der ersten Kulturinstitute, das inAfghanistan überhaupt wieder eröffnet hat –, sowie imBereich der Bildung und Frauenförderung, zum Beispielin Kandahar, werden gefördert.

Dies alles ist im Rahmen einer Gesamtstrategie undnatürlich auch im Rahmen der Mittel zu sehen, die vonden anderen Gebern im Zuge der internationalen Ar-beitsteilung zur Verfügung gestellt werden.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Eckart von Klaeden

auf:Wie verhält sich die Aussage im Schreiben des Auswärti-

gen Amts, AA, vom 25. Juni 2003 in der Angelegenheit HansE. O., Dresden, an den Petitionsausschuss, dass die Auslands-vertretungen weltweit in jedem Einzelfall prüfen, ob die Vor-aussetzungen gegeben sind, zu den Vorwürfen des KölnerLandgerichts an das AA im Zusammenhang mit der Urteils-verkündung im Fall A. B. sowie zu der Tatsache, dass das sogenannte Reisebüroverfahren praktiziert wurde, sowie zu derAussage im Schreiben des AA vom 2. August 2001 an denBundesverband mittelständischer Reiseunternehmen, wo esheißt, dass bei Gruppenreisen aus der Ukraine in die EU derReisezweck und die Umstände der Reise nur einmal für alleGruppenmitglieder geprüft werden?

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Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Herr von Klaeden,

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Frau Staats-ministerin!)

Ihre Frage beantworte ich wie folgt:

Bei der Visumerteilung bewegen sich unsere Bot-schaften und Generalkonsulate in einem Spannungsfeld.Einerseits hat unser Land ein sehr großes Interesse amregelmäßigen persönlichen Austausch mit dem Ausland,sei es aus wirtschaftlichen, kulturellen oder sei es ausrein persönlichen Gründen. Andererseits müssen wir denzahlreichen Versuchen der illegalen Einreise nachDeutschland und Europa effektiv begegnen und zudemunserer inneren Sicherheit Rechnung tragen.

Nur ein Beispiel für dieses Spannungsfeld sind diezahlreichen Schreiben, auch von Oppositionsabgeordne-ten, die das Auswärtige Amt, den Bundesminister, michpersönlich, den Kollegen Bury, immer wieder erreichen.Ich kann Ihnen versichern: Bei diesen Schreiben geht esnicht um Beschwerden des Inhalts, unser Visumverfah-ren sei zu lax; in aller Regel wird gefordert, die Ableh-nung von Visumanträgen zu überprüfen oder zurückzu-nehmen.

Ich habe nicht alle Ordner mitgebracht, aber doch ei-nige Beispiele. Da gibt es ein Schreiben des KollegenKoschyk,

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ach!)

der auch eine Frage dazu gestellt hat. Er bittet in diesemSchreiben vom 8. Mai 2003, das an Herrn Fischer per-sönlich gerichtet ist, um Unterstützung. Es geht um dieVisaerteilung an junge Chinesen. Er bittet darum, dieVisa zu erteilen. Ich zitiere:

Nun droht dem erfolgreichen Unternehmen die Ge-schäftsaufgabe. Grund ist die restriktive Verfah-rensweise des Auswärtigen Amtes, das seitDezember 2002 den potenziellen chinesischenSchülern keine Visa mehr erteilt.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr in-teressant! – Reinhard Grindel [CDU/CSU]:Die Chinesen sind keine Schlepper und Geld-wäscher!)

– In China gibt es natürlich keine Schlepper; klar. –Wohlgemerkt: Das Schreiben ist vom Mai 2003.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das hat mit meiner Frage nichts zu tun!)

– Sie wollen doch zuhören.

Ich zitiere weiter:

Die deutsche Botschaft in Peking verweigert denBBI-Bewerbern, die alle vereinbarten Vorausset-zungen erfüllen, die Visa zur Berufsausbildung un-ter dem Hinweis, dass berufliche Erstausbildung fürausländische Jugendliche nicht im Ausländergesetzvorgesehen sei.

Wir werden also aufgefordert, entgegen dem Auslän-dergesetz Visa zu erteilen.

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Hört! Hört! – Volker Beck [Köln][BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: RechtloseGesellen! Bayerische Anarchie!)

Das tun wir natürlich nicht. Das können wir auch nicht.Wir halten uns an die rechtlichen Vorgaben.

Ich zitiere weiter:

In meinen Augen steht diese Vorgehensweise einemLand wie der Bundesrepublik Deutschland, die sichüblicherweise als weltoffen und auf interkulturellenAustausch bedacht präsentiert, nicht gut zu Gesicht.

Gemeint ist die restriktive Visapraxis.

Ich zitiere nicht den gesamten Brief, obwohl ich dasgern täte. Er endet jedenfalls damit, dass der kulturelleund zwischenmenschliche Austausch sehr wichtig istund dass dies für die wirtschaftliche EntwicklungDeutschlands wichtig ist. Deshalb bittet man darum,doch alles dafür zu tun, dass diese Visa erteilt werden,und noch einmal zu schauen, ob im Rahmen der rechtli-chen Möglichkeiten nicht doch eine andere Entschei-dung in Frage kommt.

Ich könnte Ihnen auch noch einen Brief des KollegenGrill vortragen. Dieser ist interessant, denn da geht esum die Ukraine. Dieser Brief ist vom 10. Februar diesesJahres.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Haben Sienicht auch noch einen Brief von mir gefun-den?)

Das ist interessant, nicht wahr? Es geht um die Visumer-teilung für einen ukrainischen Staatsbürger Herrn I. Hierwurde die Bitte an uns herangetragen, zu prüfen, was wirnatürlich immer tun, ob man nicht ein Visum erteilenkönne.

Ich gebe Ihnen das als Beispiel, um deutlich zu ma-chen, dass dieses Spannungsverhältnis existiert und diesganz offensichtlich auch von vielen Abgeordneten Ihrereigenen Fraktion so gesehen wird.

(Beifall des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Ludger Volmer[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kluge Abge-ordnete!)

Es geht hier immer um die Abwägung, einerseits dieSicherheitsinteressen unseres Landes zu beachten, ande-rerseits natürlich wirtschaftliche Entwicklung und kultu-rellen Austausch zu fördern und unserem Ruf – ichmöchte das noch einmal zitieren, denn ich teile ja dieAuffassung von Herrn Koschyk – als weltoffenes Landgerecht zu werden. In diesem Abwägungsprozess befin-den wir uns; die Abwägung erfolgt.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich habe nun bereits eine ganze Reihe von Wünschen

nach Zusatzfragen. Zunächst hat aber selbstverständlich

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Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

der Fragesteller die Möglichkeit, zwei Zusatzfragen zustellen.

Ich will schon jetzt darauf hinweisen, dass ich nachder Frage 9 die vorhin zurückgestellte Frage 16 des Kol-legen Sehling aufrufen möchte, damit StaatssekretärKörper auch die erforderliche Dauer seiner Anwesenheithalbwegs verlässlich kalkulieren kann.

Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, Ihre umfangreichen Ausfüh-

rungen zu Briefen, die die Volksrepublik China betref-fen, haben leider überhaupt nichts mit meiner Frage zutun gehabt. Ich habe Sie zu dem in der Öffentlichkeit jamittlerweile auch bekannt gewordenen massenhaftenVisamissbrauch – ich finde, dieser so schwer wiegendeVorgang verdient eigentlich keine so ironische Darstel-lung –

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU unddes Abg. Jürgen Koppelin [FDP] – HartmutKoschyk [CDU/CSU]: Wer so ein schlechtesGewissen hat, muss so primitiv argumentie-ren! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Soist das!)

befragt und danach, ob die Aussagen, die das Auswär-tige Amt gegenüber dem Petitionsausschuss gemachthat, nämlich dass in den Auslandsvertretungen in jedemEinzelfall geprüft werde, vereinbar sind mit der Aussagedes Auswärtigen Amtes vom 2. August 2001 an denBundesverband mittelständischer Reiseunternehmen, inder es heißt, dass bei Gruppenreisen aus der Ukraine indie Europäische Union der Reisezweck und die Um-stände der Reise nur einmal für alle Gruppenmitgliedergeprüft werden. Das ist eine Frage, die man ganz einfachmit Ja oder Nein beantworten kann und wozu man nichtAusflüchte in Bezug auf die Volksrepublik China ma-chen muss.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ich finde, es stellt sich jetzt die Frage, wer die schrift-liche Frage, die von einem Ihrer Kollegen an uns gestelltwurde, ernst nimmt. Wir nehmen diese Frage ernst undbeantworten sie auch.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Können Sienicht einfach einmal meine Frage beantwor-ten?)

– Doch, ich beantworte Ihre Frage, aber so, wie ich dasfür richtig halte.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Es gibtzwei Schreiben! – Jürgen Koppelin [FDP]:Holen wir am besten wieder einmal den Au-ßenminister!)

Bei den Schreiben, die Sie erwähnt haben – jetzt mussman einmal die Verfahren auseinander halten –, geht esum das zwischen den Schengen-Partnern in Kapitel VIIIZiffer 5 ihrer Gemeinsamen Konsularischen Instruktionniedergelegte Reisebüroverfahren, das eine Ausnahme

von der gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Verpflich-tung macht, dass Antragsteller von Visa persönlich beider jeweiligen Botschaft vorsprechen müssen. Das heißt,jeder Einzelfall wird zwar geprüft, aber beim Reisebüro-verfahren muss der Antragsteller dafür nicht persönlichvorsprechen. Diese Ausnahme dient der Förderung derReiseindustrie der EU-Mitgliedstaaten. Es handelt sichalso um eine Verabredung, die von allen Schengen-Staa-ten im wohlverstandenen Eigeninteresse vorgesehenworden ist.

Deutschland hat dieses Verfahren in Kiew praktiziert,und zwar so lange, wie sich keine Hinweise darauf erga-ben, dass es zur illegalen Einreise missbraucht wurde.Wie gesagt, es geht hier um das Reisebüroverfahren,nicht um die Reiseschutzversicherung und erst rechtnicht um den so genannten Volmer-Erlass, der ganz an-dere Kriterien der Visaprüfung betrifft. Nachdem Hin-weise auf Missbrauch im Sommer 2001 vorlagen, wurdedas Verfahren seitens des Auswärtigen Amtes einge-stellt, und zwar mit einer Anweisung vom 3. August2001 zum 1. Oktober 2001. Das heißt, alle Antragstellermüssen seitdem wieder persönlich bei der Botschaft vor-sprechen. Da dies für deutsche Reiseunternehmen – jetztkomme ich zu Ihrem Brief –,

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Zu meiner Frage!)

die mit Reiseunternehmen aus der Ukraine zusammenar-beiteten, von Bedeutung war, hat das Auswärtige Amtdie Verfahrensänderung in einem Schreiben an deutscheReiseunternehmen und an den Bundesverband mittel-ständischer Reiseunternehmen e.V. – aus diesem Schrei-ben zitieren Sie – erläutert. Das Auswärtige Amt hat da-rin den Grundsatz der persönlichen Vorsprache jedeseinzelnen Reiseteilnehmers bekräftigt und gleichzeitigangeboten, für ukrainische Kooperationspartner deut-scher Reiseunternehmen die Vorsprache sämtlicher Teil-nehmer einer Reisegruppe zu einem einzigen Termin zuermöglichen. Wir haben uns also selbst in diesem Falldarum bemüht, ein unbürokratisches Verfahren zu fin-den. Das bedeutet, jeder Reiseteilnehmer wurde einzelnbefragt, aber für das Reisebüro war es weiterhin mög-lich, die Anträge gesammelt einzureichen.

Dieses Beispiel – ich sage es noch einmal – zeigtdoch deutlich, wie sehr die Bundesregierung bemüht ist,in der Visumspraxis zu Lösungen zu kommen, die aufBasis der geltenden Rechtslage sowohl unseren Sicher-heitsinteressen als auch, wie in diesem Fall, den wirt-schaftlichen Interessen deutscher Reiseunternehmen ge-recht werden.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, der Vorsitzende Richter am

Landgericht Köln, der, wie in der Öffentlichkeit bekanntist, vor einigen Wochen ein Urteil in einem Schleuser-prozess zu sprechen hatte, welcher sich mit den Vorfäl-len in der deutschen Botschaft in Kiew auseinander ge-setzt hat, hat festgestellt, dass in Kiew seit dem

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Eckart von Klaeden

Jahr 2000 1,1 Millionen Visa erteilt worden seien. Das,so der Richter, bedeute, dass alle zwei Minuten ein Vi-sum erteilt worden sei, und zwar bei einer Arbeitszeitvon 24 Stunden am Tag. Ich frage Sie erstens, ob Siediese Zahlen bestätigen können – von mir aus auch nurdie Anzahl der erteilten Visa –, und zweitens, ob dasAuswärtige Amt die notwendigen Vorkehrungen getrof-fen hat, um eine sorgfältige Prüfung, wie von Ihnen ge-rade vorgetragen, in Kiew möglich zu machen.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Darf er zwei Fragen stellen?

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: In der gleichen Weise, wie in der Antwort auf ver-

schiedene, nicht ausdrücklich nachgefragte Briefe Bezuggenommen wurde.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ich kann die Zahlen so nicht bestätigen.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sind sie falsch?)

– Das ist meine Antwort. – Ich kann Ihnen nur sagen, inwelchem Jahr wie viele Visa in Kiew erteilt wurden.

Zu Ihrer zweiten Frage, die ja sehr generell war, kannich nur Folgendes sagen: Zunächst gibt es das Problemder Reiseschutzversicherung. Darum ging es in demKölner Prozess. Nachdem wir am 27. Juni 2002 Kennt-nis davon erhalten haben, dass gegen den Inhaber derReise-Schutz AG ein Ermittlungsverfahren eröffnet wor-den war, haben wir sofort und unmittelbar, nämlich am28. Juni 2002, an unsere Vertretung in Kiew den Erlassweitergegeben, dass die Anerkennung des Reiseschutz-passes aufgrund dieses eröffneten Ermittlungsverfahrensauszusetzen sei. Die Möglichkeit der Anerkennung vonReiseschutzpässen, die ja im Zusammenhang mit Finan-zierungsfragen eine Rolle spielt, haben wir dann imMärz 2003 grundsätzlich und weltweit eingestellt. Inso-fern haben wir in Bezug auf das Problem der Reise-schutzpässe – und darum geht es in dem Kölner Fall; esgeht um Missbrauch, der mit diesen Pässen im Einzelfallgetrieben wurde – gehandelt.

Bei dem Reisebüroverfahren – ich habe es eben schonerwähnt – geht es um etwas ganz anderes, nämlich da-rum, dass das persönliche Erscheinen ersetzt werdenkann. Auch dieses Verfahren haben wir eingestellt, nach-dem Probleme aufgetaucht waren. Heute ist es so, dassdie Reisenden persönlich vorsprechen müssen, im Rah-men einer Reisegruppe möglicherweise zu einem ge-meinsamen Termin.

Das heißt, immer wenn wir von Missbrauchsfällen er-fahren haben, hat das Auswärtige Amt unmittelbar ge-handelt. Aber ich sage Ihnen auch – das habe ich schonin der letzten Fragestunde sehr deutlich gesagt –: Beiinsgesamt 3 Millionen Visaanträgen ist natürlich nichtauszuschließen, dass Fehler passieren und dass Miss-brauch getrieben wird.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, sind Sie der Auffassung, dass

das Bemühen anerkannter Bildungsträger in Deutsch-land, jungen Menschen aus der Volksrepublik ChinaAus- und Fortbildungsaufenthalte in Deutschland anzu-bieten, ein Thema ist – nach meinen Informationen hatauch der Bundeskanzler bei seinem letzten Besuch in derVolksrepublik China dieses Thema angesprochen –, beidem das Auswärtige Amt den Missbrauch im Hinblickauf die Erteilung von dazugehörigen Visa so gegebensieht wie bei dem festgestellten Missbrauch von Visa-erteilungen bei der deutschen Botschaft in Kiew?

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Können Sie die Frage nicht sostellen, dass man sie versteht?)

Wenn ja: Was hat das Auswärtige Amt unternommen,um gegenüber dem Bundeskanzleramt im Hinblick aufdas Werben für Ausbildungsaufenthalte junger Chinesenin der Bundesrepublik Deutschland den Visamissbrauchdeutlich zu machen?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage richtig verstandenhabe, weil sie sehr kompliziert war. So weit ich sie ver-standen habe, will ich sie beantworten.

Ich habe das Anliegen in diesem Brief hier vorgetra-gen, um zu zeigen, dass man in einem Spannungsfeldsteht. Natürlich haben wir ein Interesse, dass hier ausge-bildet wird. Aus Gesprächen mit Ihrer Fraktion wissenSie, dass die Bundesregierung an einem Zuwanderungs-gesetz arbeitet. Zugleich aber müssen wir auch unserenSicherheitsinteressen gerecht werden.

In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns und bewe-gen sich auch die Mitarbeiter an den Botschaften, diesolche Visa zu erteilen haben. Für dieses Spannungsfeldhabe ich Ihnen ein Beispiel genannt. Natürlich ist es so,dass wir Visa nur auf der Basis der gültigen Rechtslageerteilen können.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass nach

unseren Regeln für die Fragestunde jeder Fragestellerzwei Zusatzfragen und jedes andere Mitglied des Hauseseine Zusatzfrage stellen kann. Es wäre schön, wenn auchdie Form der Nachfrage keine Zweifel an der Einhaltungdieser Vorgabe aufkommen lässt.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ich wolltenur, dass die Frau Staatsministerin das ver-steht!)

– Ich wollte nur auf diese Regelung hinweisen.

Nun hat als nächste Fragestellerin die Kollegin Tritzdas Wort.

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Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, können Sie noch einmal aus-

drücklich bestätigen, dass das Reisebüroverfahren keinedeutsche Erfindung und insbesondere keine Erfindungdes Auswärtigen Amtes war, sondern dass es ein von denSchengen-Partnern vereinbartes Verfahren ist und dassdieses Verfahren auch deswegen ermöglicht wurde, umdie Reiseunternehmen der Schengen-Staaten zu fördern?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Das kann ich eindeutig bestätigen. Es handelt sich umein Verfahren, das mit den Schengen-Partnern vereinbartwurde. Im Übrigen haben diesem Verfahren alle Bundes-länder, also auch die CDU-regierten Länder, zuge-stimmt.

Dieses Verfahren wurde von uns an der Botschaft inKiew eingestellt. An anderen Botschaften in der Weltwird es – nicht nur von uns, sondern auch von anderenSchengen-Partnern – weiter durchgeführt. Das Ziel ist,die wirtschaftliche Tätigkeit zu erleichtern. Deshalb be-kommen wir gerade in diesem Bereich immer wiederBriefe von mittelständischen Unternehmen oder vonMitgliedern der Fraktionen dieses Hauses, in denen da-rum gebeten wird, dass man zur Erreichung dieses ZielesVerfahrensmöglichkeiten findet, die Visaerteilungen zubeschleunigen. Das Reisebüroverfahren gehört dazu.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Volmer.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Dürfen sich auch direkt Betroffene melden?)

Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, nachdem Sie ausgeführt haben,

dass in jedem Einzelfall ein Visumsantrag nach Rechtund Gesetz geprüft wird, möchte ich Sie fragen: KönnenSie meiner Einschätzung zustimmen, dass die Aussageder CDU-Parteivorsitzenden Angela Merkel in der vor-letzten Ausgabe der „Bild am Sonntag“,

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist eine verbotene Dreiecksfrage!)

dass nach den Bestimmungen des zitierten Erlasses imRahmen der Visaerteilungen nicht mehr Rückkehrbereit-schaft, Reiseziel und Reisezweck geprüft werden müs-sen, nichts anderes als falsch ist?

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das war jetztein harter Angriff! – Eckart von Klaeden[CDU/CSU]: Da wackelt das Adenauer-Haus!)

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Diese Aussage ist in der Tat falsch. Vielleicht sollteich angesichts dieser Frage noch einmal erläutern, wasder so genannte Volmer-Erlass bedeutet.

(Lachen bei der CDU/CSU – Eckart vonKlaeden [CDU/CSU]: Warum heißt der dennso?)

– Herr von Klaeden, ich komme Ihnen entgegen. Ichkönnte auch sagen: der Erlass Nr. 514-516.20 vom3. März 2000. Dann wüssten sicher alle, was gemeint ist.

Dieser Erlass bezieht sich auf ein Kriterium, das beider Visaerteilung zu prüfen ist, nämlich die Rückkehrbe-reitschaft. Wenn ein Ermessen eröffnet ist – wenn Si-cherheitsinteressen berührt sind, steigt man überhauptnicht in eine Ermessensprüfung ein –, soll nicht jederZweifel an der Rückkehrbereitschaft, sondern erst diehinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rück-kehrbereitschaft zur Ablehnung führen. Wenn sich dieUmstände die Waage halten, soll der Grundsatz gelten:im Zweifel für die Reisefreiheit.

Alle weiteren Kriterien – die Finanzierung, die inForm einer Verpflichtungserklärung usw. gesichert seinmuss; die Einhaltung des Reisezweckes; die Rückkehr-berechtigung – müssen weiterhin geprüft werden.

Bevor alle diese Prüfungen erfolgen, erfolgt eine An-frage beim Ausländerzentralregister, dem so genanntenAZR, und beim SIS, dem Schengen-Informationssys-tem. Wenn hier eine Einreisesperre vorliegt, wird erstgar nicht in die Ermessensprüfung eingestiegen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Zusatzfrage. Herr Kollege Binninger.

Clemens Binninger (CDU/CSU): Frau Ministerin, Sie haben vorhin mehrfach das Span-

nungsfeld – das sicher niemand bestreitet –, in dem mansich hier bewegt, beschrieben und versucht, einen Zu-sammenhang zwischen einzelnen Schreiben von Abge-ordneten und den illegalen Schleusungen in Kiew herzu-stellen. Wären Sie bereit, zuzugeben, dass all die Fragen,die wir in der heutigen Fragestunde stellen, sich nicht andem Spannungsfeld orientieren, sondern sich allein aufdie kriminellen Machenschaften beziehen, die dazu ge-führt haben, dass in der Botschaft in Kiew massenweiseSchleusungen begangen wurden wie noch nie in der Ge-schichte dieser Republik?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ich weise natürlich die Behauptung zurück, dass dort„massenhaft Schleusungen begangen wurden wie nochnie in der Geschichte dieser Republik“.

Ich weise nicht zurück, dass dort Schleusungen pas-siert und Missbrauchsfälle vorgekommen sind. Kiew isteine der Botschaften, bei der Visaanträge in sehr hoherZahl gestellt wurden. Man muss Verfahren finden, des-sen Herr zu werden.

Ich habe das Spannungsfeld deshalb noch einmal dar-gestellt. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind – daswill ich betonen – in einer solchen Botschaft einem un-geheuren Druck ausgesetzt. Sie haben alle diese Dingein den Abwägungsprozess einzubeziehen, wenn sie indie Ermessensprüfung einsteigen. Es geht einerseits umdas Interesse der Bundesrepublik Deutschland an kultu-rellem Austausch und wirtschaftlicher Tätigkeit und an-dererseits um unsere Sicherheitsinteressen.

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Staatsministerin Kerstin Müller

Deshalb wird die Visaerlasspraxis ständig fortentwi-ckelt. Es wird ständig auf neue Situationen reagiert.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Die Frage war eine andere!)

Wir haben hier gemeinsam die Gesetze beschlossen.Nach dem 11. September wurde die Visapraxis ver-schärft. Zum Beispiel erfolgt für bestimmte Risikostaa-ten eine besondere Prüfung.

In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Erteilungeines Visums immer. Wir bemühen uns natürlich, Miss-brauch auszuschließen. Wenn wir von solchen Fällen hö-ren, reagieren wir sofort und unmittelbar.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Koppelin.

Jürgen Koppelin (FDP): Frau Staatsministerin, nachdem Sie aus einem Brief

eines Abgeordneten zitiert haben, was ich in der Frage-stunde unmöglich finde – das mag Ihr Stil sein –, möchteich Sie, weil da auch junge Chinesen angesprochen wur-den, fragen: Wie beurteilen Sie, dass das AuswärtigeAmt 25 jungen Chinesen, die aufgrund der SARS-Kata-strophe von einem Unternehmen in Lübeck als Hygiene-techniker an Krankenhäusern in China ausgebildet wer-den sollten – alle Voraussetzungen, die Sie angesprochenhaben, einschließlich der Finanzierung waren erfüllt –,kein Visum erteilt hat?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Jetzt geht es doch darum, dass Deutsche nach Chinagehen.

Jürgen Koppelin (FDP): Nein, es gehen nicht Deutsche nach China, sondern

Chinesen nach Deutschland, und zwar zur Ausbildungals Hygienetechniker; sie wollten in Krankenhäusern inChina arbeiten.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Sie können mir diesen Fall gern schriftlich einreichen.

Jürgen Koppelin (FDP): Der Schriftverkehr liegt dem Auswärtigen Amt vor;

schade, dass Sie ihn nicht dabei haben.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Den habe ich leider nicht dabei.

Jürgen Koppelin (FDP): Schade, dann haben Sie die falsche Postmappe be-

kommen.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ich sagte gerade, dass ich zu diesem Sachverhalt meh-rere Aktenordner habe. Diese habe ich aber nicht mitge-bracht. Ich werde diesen Fall aber genauso gründlich be-arbeiten und die Frage genauso ausführlich beantworten,wie das meine Kollegen und ich mit allen anderen Brie-fen auch tun. Ich kann Ihnen jetzt nicht aus dem Stegreifsagen, ob es hier einen Ermessensspielraum gibt.

Sobald sich ein Ermessensspielraum öffnet, werdenwir ihn prüfen. Wenn das möglich ist – es scheint aufden ersten Blick sinnvoll –,

(Jürgen Koppelin [FDP]: Alles abgelehnt worden!)

werden wir das machen. Wir können aber nur auf derBasis der geltenden Rechtslage vorgehen.

(Jürgen Koppelin [FDP]: Ich bitte um eine schriftliche Antwort!)

Wir werden die Rechtslage prüfen und wenn diese kei-nen Ermessensspielraum hergibt, können wir die Visa,um die es hier geht, nicht erteilen.

Ihr Fall zeigt wieder einmal, wie kompliziert die Ab-wägung ist. Ich mache hier nur deutlich, wie sehr dieBundesregierung und die damit befassten Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter darum bemüht sind, diese Abwä-gungen in jedem Einzelfall vorzunehmen.

(Jürgen Koppelin [FDP]: Den Eindruck hatte man nicht!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich möchte darum bitten, dass sich die Zusatzfragen

möglichst im unmittelbaren Umfeld der gestellten Aus-gangsfrage bewegen sollten.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Die Ant-worten auch, Herr Präsident!)

– Die Antworten auch, wenngleich auf beiden Seiten einbisschen Toleranz walten sollte, weil der Gesamtkom-plex sicher manche Verflechtungen aufweist, wie dieFragen und Antworten deutlich machen.

Nun hat der Kollege Uhl das Wort.

Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, Sie sind in keiner sehr benei-

denswerten Situation, wenn Sie die Folgen des unsägli-chen so genannten Volmer-Erlasses verteidigen müssen.Erstaunlich ist es aber doch, wenn Sie sagen, dass mas-senhafter Missbrauch nicht stattgefunden habe, obwohlIhnen bekannt sein müsste, dass die Zahlen explosions-artig angestiegen sind, von 150 000 Visa in 1999 auf210 000 Visa in 2000 und auf 300 000 Visa in 2001. Al-les in allem wurden mehr als 1 Million Visa erteilt – al-lein von der Botschaft in Kiew!

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das ist nicht per se Missbrauch!)

Dies hat auch das Bundesinnenministerium beunru-higt. Es gibt ein Schreiben des Bundesinnenministers an

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Dr. Hans-Peter Uhl

das Auswärtige Amt vom 13. März 2000 – das war zehnTage nach dem Volmer-Erlass –, in dem die Bedenkendargestellt wurden. Am 17. April 2000 antworteteStaatssekretär Pleuger gegenüber dem Innenministe-rium. Wissen Sie etwas über diese Korrespondenz? Wis-sen Sie, ob der Dissens zwischen Innen- und Außenmi-nisterium, der nur logisch ist, das Kanzleramt beschäftigthat? Wurde der Dissens auf höherer Ebene auf ir-gendeine Weise gelöst oder hat der Innenminister gesagt:Es ist eben so, dass die Zahlen explodieren und Hundert-tausende von Missbrauchsfällen in Kiew stattfinden?85 Prozent der Schengen-Visa, die in Kiew ausgestelltwurden, stammen aus der deutschen Botschaft, als gäbees keine anderen Staaten in der EU, die auch Schengen-Visa erteilen können. Wissen Sie – –

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich weise noch einmal darauf hin, dass Sie eine Zu-

satzfrage stellen können.

(Kerstin Müller, Staatsministerin: Er stellt jetzt die dritte Frage!)

Sie stellen jetzt die dritte Zusatzfrage zum gleichenSachverhalt. Sie spüren doch die Nervosität, die auf denverteilten Plätzen herrscht. Ich bitte Sie darum, diesenicht unnötig zu strapazieren.

Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Ich glaube, ich habe die Staatsministerin schon genug

belastet, ich will hier innehalten.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich bedanke mich.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Erstens belasten Sie mich nicht und zweitens brau-chen wir nicht von Nervosität zu reden; denn die habeich nicht. Ich kann Ihnen gern unsere Position zum sogenannten Volmer-Erlass deutlich machen.

Also: Es hat diesen Brief des Innenministers gegebenund die Bedenken wurden ausgeräumt.

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Achso! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Einegute Antwort! – Gegenruf des Parl. Staatsse-kretärs Fritz Rudolf Körper: Sie hätten dieFrage gar nicht stellen müssen!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Beck.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Angesichts der Diskussion über die Sicherheitsrele-

vanz dieses Erlasses gestatten Sie mir, Frau Staatsminis-terin, eine Frage zu diesem Bereich. Wir haben damalsim Rahmen der Einführung des Terrorismusbekämp-fungsgesetzes erstmals Ordnung in die Visadateien ge-bracht. Bis zur Einführung des Terrorismusbekämp-fungsgesetzes konnte anhand der Visadatei

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das hat mit meiner Frage gar nichts zu tun!)

weder der Verlauf oder das Ergebnis eines Visaverfah-rens noch die Identität der Visa-Antragsteller hinrei-chend festgestellt werden. Damals war ein Abgleich vonVisaanträgen aus verschiedenen Botschaften ganz ein-fach technisch nicht möglich, sodass die neue Bundesre-gierung seinerzeit eine Situation vorgefunden hat, in derdie Sicherheitsinteressen in keiner Weise gewahrt wer-den konnten. Stellt sich die jetzige Diskussion vor die-sem Hintergrund nicht als Heuchelei dar und teilen Siemit mir die Auffassung, dass eine solche Sicherheitslü-cke bei diesem Erlass nicht vorhanden ist?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Nach dem 11. September haben wir – ich bin alsFraktionsvorsitzende damals persönlich damit befasstgewesen – sehr gründlich nach Sicherheitslücken ge-sucht. Die Visadatei spielte auch eine Rolle. Wir habenhier mit breiter Mehrheit des Hauses Veränderungen vor-genommen, von deren Richtigkeit ich tief überzeugt bin.

Nach dem 11. September hat es hier also Veränderun-gen gegeben. Ich habe eben bereits gesagt, dass die Er-lasspraxis ständig weiterentwickelt wird, auch den aktu-ellen Anforderungen angepasst wird, dass sie sich auchregional unterscheidet. Das Reisebüroverfahren zumBeispiel, das ich erwähnt habe und das von allen Schen-gen-Staaten angewendet wurde, wird heute nicht mehr inKiew, aber noch in anderen Ländern und Botschaften an-gewandt.

Ich will noch einmal betonen: Auch vor dem Hinter-grund der aktuellen Debatte sehe ich überhaupt keinenGrund, den Runderlass des Auswärtigen Amtes vom3. März 2000, Nr. 514-516.20, zurückzunehmen, der– wie gesagt – durch andere Erlasse weiterentwickeltwurde. Soweit mir bekannt ist, sind die Missbrauchs-und Schleuserfälle, die öffentlich diskutiert werden,nicht auf diesen Erlass zurückzuführen. In all diesen Fäl-len ging es um andere bei der Visaerteilung zu prüfendeTatbestandsvoraussetzungen, insbesondere um die Frageder Finanzierung, deren Nachweis zeitweise durch Vor-lage von so genannten Reiseschutzpässen ersetzt werdenkonnte.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Grindel.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, Sie haben auf die hohe Arbeits-

belastung der Mitarbeiter in der Botschaft in Kiew hin-gewiesen. Gleichzeitig haben Sie gesagt, es habe eineEinzelfallprüfung gegeben, und Sie haben – wie in derletzten Antwort – einige Missbrauchsfälle angesprochen,die aber auf eine Fehleinschätzung hinsichtlich derFinanzierungsfragen bezogen.

Können Sie mir vor dem Hintergrund dessen, was Siegerade gesagt haben, erklären, warum in Reaktion aufden Sachverhalt, über den wir uns hier unterhalten,

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Reinhard Grindel

18 Ortskräfte und ein deutscher Mitarbeiter in der Bot-schaft in Kiew fristlos entlassen worden sind? Was ha-ben Sie denen vorgeworfen, wenn angeblich – so wie Siees hier darstellen – im Rahmen der Ermessensausübungalles einigermaßen korrekt abgelaufen ist? Dies ist wohlein Fall ohne Beispiel – korrigieren Sie mich –, wenn18 Ortskräfte auf einmal fristlos entlassen werden.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ein Drittel der Ortskräfte!)

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Erstens waren es nicht 18, sondern 16.

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist natür-lich ein entscheidender Unterschied! Da habenSie Recht!)

– Nur, um korrekt zu bleiben. – Zweitens wurden die16 Ortskräfte nicht fristlos entlassen. Drittens geschahdies nicht als ausschließlich unmittelbare Reaktion aufdie Missbrauchsfälle. Ein Teil von ihnen wurde im Zu-sammenhang mit den Missbrauchsfällen entlassen. Aberein anderer Teil wurde aufgrund von Rationalisierungs-maßnahmen entlassen, die in der entsprechenden Bot-schaft durchgeführt wurden.

Überdies habe ich nicht behauptet, dass Fehler auszu-schließen sind. Ich habe das genaue Gegenteil behauptet:Fehler sind nicht auszuschließen. Auch Missbrauch istangesichts der großen Anzahl der zu bearbeitenden Fällenicht auszuschließen. Wir haben, sofern uns von Miss-brauchsfällen bekannt wurde, immer unmittelbar daraufreagiert.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Die letzte Zusatzfrage zu diesem Punkt, Kollege

Gewalt.

Roland Gewalt (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, eben haben Sie erklärt, dass es

sich hierbei um andere Missbrauchsfälle handelt. Wenndem so ist, bitte ich Sie, dem Hause zu erklären, welcheMissbrauchsfälle Ihrer Schilderung zugrunde liegen,wenn nicht diejenigen, die heute zur Debatte stehen.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ich habe gesagt, dass nicht alle 16 Ortskräfte, die ent-lassen wurden bzw. deren Verträge nicht verlängert wur-den, unmittelbar aufgrund der Missbrauchsfälle nichtmehr weiter beschäftigt werden.

(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Esgab doch gar keine! – Weiterer Zuruf von derCDU/CSU: Ich denke, das war Ermessens-spielraum! Das war doch kein Missbrauch!)

So verhielt es sich nur bei einem Teil von ihnen. Ein an-derer Teil wurde aus anderen Gründen nicht weiter be-schäftigt, zum Beispiel aufgrund von Rationalisierungs-maßnahmen.

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Was denn für Missbrauchsfälle?)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe Frage 9 des Kollegen Eckart von Klaeden

auf:Welchen Inhalt hat – vergleiche Schreiben des Petitions-

ausschusses an das AA vom 2. Oktober 2003 – der vom obengenannten Petenten benannte Erlass des AA Nr. 519?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Auf diese Frage muss ich antworten: In diesem Zu-sammenhang existiert kein Erlass Nr. 519 des Auswärti-gen Amtes.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ihre Zusatzfrage.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, ich möchte noch einmal auf die

Missbrauchsfälle zu sprechen kommen, die Sie geradeim Zusammenhang mit den Entlassungen erwähnt ha-ben. Habe ich Sie richtig verstanden, dass es sich dabeilediglich um solche Missbrauchsfälle gehandelt hat, beidenen Personen betroffen waren, welche offensichtlichdie notwendigen finanziellen Voraussetzungen nichterfüllt haben, denen aber das Visum dennoch erteiltworden ist? Oder hat es auch andere Missbrauchsfällegegeben – und wenn ja: welche?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Von „anderen Missbrauchsfällen“ habe ich nicht ge-sprochen.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Genau das möchte ich wissen. Handelte es sich also,

wie Sie selbst gesagt haben, lediglich um Fälle finanziel-len Missbrauchs?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Was meinen Sie mit Fällen finanziellen Missbrauchs?

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Ich meine solche Fälle, in denen aufgrund der wirt-

schaftlichen Verhältnisse die finanziellen Voraussetzun-gen für die Erteilung von Visa nicht erfüllt waren.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Das kann ich Ihnen im Einzelnen nicht sagen.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Aber so lautete doch gerade Ihre Antwort auf meine

Frage.

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Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Welche finanziellen Voraussetzungen meinen Sie?Meinen Sie die Problematik der Reiseschutzpässe, mei-nen Sie das Reisebüroverfahren? Sie müssen Ihre Frageschon präzisieren.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, ich greife lediglich Ihre eigene

Formulierung auf, um etwas Licht in das Dunkel Ihresverwirrenden Vortrags zu bringen.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Meine Formulierung lautete wie folgt: Ein Teil derOrtskräfte wurde unmittelbar aufgrund von Miss-brauchsfällen entlassen. Sie haben pflichtverletzend ge-handelt. – In anderen Fällen wurden Ortskräfte aufgrundvon Rationalisierungsmaßnahmen entlassen bzw. ihreVerträge wurden aus diesem Grunde nicht verlängert.Um eines gleich zu ergänzen: Die genauen Zahlen undUmstände – wer, wie viele, warum? – kann ich Ihnenhier nicht nennen, weil sie mir nicht vorliegen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich mache noch einmal folgenden Hinweis: Ich

möchte hier nur ungern restriktiver agieren, als ich daszu tun gewohnt bin. Aber die Zusatzfragen müssen sichschon im Kontext der Frage bewegen, die Gegenstandder Antwort ist.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Herr von Klaeden, ich habe Ihre Zusatzfrage beant-wortet, obwohl sie nichts mit Ihrer Ausgangsfrage zu tunhatte.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ihre zweite Zusatzfrage, Herr von Klaeden.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, vorhin haben Sie gesagt, dass

die Zahlen, die ich – den Richter zitierend – genannthabe, falsch seien und dass Sie selbst Zahlen dabei hät-ten, was die in Kiew erteilten Visa angeht. Hätten Sie dieFreundlichkeit, diese Zahlen – nach den entsprechendenJahren aufgeschlüsselt – vorzutragen?

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Statistiker!)

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Diese Zahlen würde ich Ihnen gerne schriftlich zu-kommen lassen, damit das alles ganz präzise ist. Ichwäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir sagen, welche Jahreund welche Botschaften Sie interessieren und ob es Ih-nen um die erteilten oder die abgelehnten Visa geht. Eswürde zu lange dauern, die komplette Tabelle hier vor-zutragen. Diese Frage beantworte ich Ihnen daher

schriftlich. Soweit ich weiß, sind diese Zahlen aber auchschon in den entsprechenden Ausschüssen vorgelegtworden.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Volmer.

Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, Sie haben gerade die Ortskräfte

angesprochen, von denen einige aus besagten Gründenentlassen worden sind. Ich möchte einmal insgesamt einWort für den Stamm der Ortskräfte einlegen, ohne dieeine Botschaft im Prinzip überhaupt nicht funktionierenkann, und in diesem Zusammenhang die Frage stellen:Sind Sie angesichts der massiven Zuwächse an Visaan-trägen – nicht nur in Kiew, sondern auch in zahlreichenosteuropäischen Staaten sowie in anderen Staaten wieetwa der Türkei oder in außereuropäischen Staaten – derMeinung, dass die Visastellen personell überhaupt hin-reichend ausgestattet sind, und können Sie bestätigen,dass auf unsere Initiative hin bei den im Bundeshaushaltvorgesehenen linearen Stellenstreichungen eine einzigeBeamtengruppe ausgenommen ist, nämlich die Gruppeder Konsularbeamten, sodass wir die Möglichkeit haben,den jetzigen Personalstand wenigstens zu erhalten, wennes auch eigentlich nötig wäre, ihn zu erhöhen?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Letzteres kann ich bestätigen. Was wir in diesem Be-reich im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten anPersonal aufstocken können, das tun wir sicherlich. Jenachdem, wie viel Personal zur Verfügung steht, dauertdie notwendige gründliche Bearbeitung – wichtig ist diePrüfung aller Tatbestandsvoraussetzungen für die Ertei-lung von Visa – eben länger. Damit wären wir wieder beidem berühmten Spannungsfeld, in dem sich die einzel-nen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der individuel-len Prüfung für die Visaerteilung bewegen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Grindel.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, Sie haben gerade in Ihrer vor-

letzten Antwort gesagt, dass ein Teil dieser 16 Ortskräfteentlassen worden sei, weil Visaanträge missbräuchlichbegutachtet bzw. beschieden worden seien. Können Siemir schildern, in welcher Form dort Missbrauch betrie-ben worden ist? Der reine Irrtum über die finanzielleLeistungsfähigkeit kann ja für eine Entlassung nicht aus-reichen: Es kann schließlich immer einmal sein, dass aufetwas unsicherer Tatsachengrundlage eine sich im Nach-hinein als falsch herausstellende Ermessensentscheidunggetroffen wird. Aber wenn in diesem Umfang Ortskräfteentlassen werden, muss schon mit Vorsatz gehandeltworden sein. Können Sie mir sagen, was für Miss-brauchsfälle das gewesen sind und inwieweit vorsätzlichVisa erteilt worden sind, die nicht hätten erteilt werdendürfen?

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Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ich verweise insofern auf die Antwort, die ich Eckartvon Klaeden gegeben habe.

Im Übrigen möchte ich darauf aufmerksam machen,Herr Präsident, dass die Ausgangsfrage war: „WelchenInhalt hat der vom o. g. Petenten benannte Erlass desAA Nr. 519 (vgl. Schreiben des Petitionsausschusses andas AA vom 2. Oktober 2003)?“ Ich bin gerne bereit,hier auf dieses Petitionsverfahren einzugehen, aber dieseFrage hat damit nichts zu tun.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Das ist leider völlig zutreffend. Zusammen mit mei-

nen Schriftführern hatte ich eben genau dies festgehal-ten: Dies ist die dritte aufeinander folgende Frage – dasging quer durch die Fraktionen –, die erkennbar mit dergestellten Frage nicht in unmittelbarem Zusammenhangsteht. Nach den Regeln unserer Geschäftsordnung sindsolche Zusatzfragen zurückzuweisen. Zweimal habe ichden freundlichen Versuch unternommen, das auf demWege der Selbstdisziplinierung zu lösen. Dieser Versuchist offenkundig gescheitert. Ich werde bei weiteren Fra-gen von dieser Regelung der Geschäftsordnung Ge-brauch machen müssen.

Nun hat sich der Kollege Koschyk zu einer Zusatz-frage gemeldet.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, Sie sagten, der Erlass, nach

dem hier gefragt worden ist, sei dem Auswärtigen Amtnicht bekannt.

(Widerspruch der Staatsministerin Kerstin Müller)

– So war doch Ihre Antwort, oder?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Die Nr. 519 existiert nicht.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Können Sie sich vorstellen, dass es sich in diesem Zu-

sammenhang vielleicht um einen Erlass mit einer ande-ren Nummer handelt?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Das können wir uns vorstellen. Dem Petitionsaus-schuss des Deutschen Bundestages wurde daher mitSchreiben vom 24. Oktober 2003 mitgeteilt, dass davonausgegangen wird, dass sich der Petent auf den ErlassNr. 514-516.20 vom 3. März 2000 bezieht. DieserRunderlass konkretisiert für bestimmte Fallgruppen denpflichtgemäßen Gebrauch des Ermessens innerhalb desbestehenden rechtlichen Rahmens; wir sprachen darüber.Dieser Runderlass war bereits Gegenstand der letztenFragestunde und ist auch in dieser Woche ausführlichbehandelt worden, sowohl in schriftlichen als auch in

mündlichen Fragen. Insofern möchte ich auf meine Ant-worten verweisen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Nun rufe ich wie vereinbart die Frage 16 des Kolle-

gen Sehling aus dem Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums des Innern auf:

Wieso bekam A. B., obwohl er seit seiner Einreise von So-zialhilfe gelebt hat und unter anderem wegen Zigaretten-schmuggels durch ein Urteil des Amtsgerichts Köln vom24. Mai 1998 vorbestraft war – Ermittlungen der Staatsan-waltschaft Köln –, am 28. Februar 2002 die deutsche Staats-bürgerschaft und welche ausländerrechtlichen Konsequenzenzieht die Bundesregierung aus diesem fast zehnjährigenSozialhilfebezug und der Erlangung der deutschen Staatsbür-gerschaft?

Ich bitte den Staatssekretär Körper, das freundlicher-weise zu beantworten.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern:

Herr Kollege Sehling, ich beantworte Ihre Frage wiefolgt: Der mit dem Gesetz zur Neuregelung des Auslän-derrechts vom 9. Juli 1990 – ich habe mich jetzt nichtversprochen, sondern sage dies ganz bewusst: 9. Juli1990 – eingeführten Anspruchseinbürgerung stehen einBezug von Sozialhilfe, wenn dieser nicht vom Auslän-der zu vertreten ist, sowie die Verurteilung wegen einerStraftat unterhalb einer so genannten Unbeachtlichkeits-grenze nicht entgegen. Für den Vollzug der Einbür-gerungsvorschriften der §§ 85 ff. des Ausländergeset-zes sind die Länder zuständig. Das ist Ihnen mitSicherheit bekannt. Die Bundesregierung hat daherkeine Kenntnis von einzelnen Einbürgerungsverfahrenin den Ländern.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage? – Keine.

Dann kehren wir zurück zum Geschäftsbereich desAuswärtigen Amtes. Ich rufe die Frage 10 des KollegenHartmut Koschyk auf.

Erhält die Bundesregierung ihre Behauptung im Schreibendes AA vom 23. April 2003 an den Petitionsausschuss desDeutschen Bundestages aufrecht, dass der Vorwurf, nach He-rausgabe des Runderlasses des AA 514-516.20 betreffend dasVisumverfahren bei den Auslandsvertretungen vom 3. März2000 – so genannter Volmer-Erlass – sei der Erhalt eines Vi-sums problemlos möglich gewesen, jeglicher Grundlage ent-behre?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Herr Kollege Koschyk, Ihre Frage beantworte ich wiefolgt: Die von Ihnen zitierte Passage aus dem Schreibendes Auswärtigen Amts vom 23. April 2003 enthält keineBehauptung, sondern eine Darstellung allgemeiner Fak-ten zum Visumverfahren. An diesen Aussagen zu denVoraussetzungen für die Erteilung eines Visums im Rah-men des geltenden Ausländerrechts hält die Bundes-regierung fest. Der Runderlass des Auswärtigen Amtsvom 3. März 2000 konkretisiert für bestimmte Fallgrup-pen den pflichtgemäßen Gebrauch des Ermessens in-nerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens. Dieses

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Staatsministerin Kerstin Müller

Ermessen ist nur dann eröffnet, wenn aufgrund der auto-matisierten Registerabfrage beim Ausländerzentralre-gister und beim Schengener Informationssystem keineEinreisesperre besteht und die übrigen Erteilungsvoraus-setzungen gegeben sind. Hierzu gehören zum Beispieleine gesicherte Finanzierung, die Glaubhaftmachung desReisezwecks und anderes. Ich verweise hierzu auf dieAntworten der Bundesregierung auf die schriftlichenFragen 2/196 und 2/227.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, in diesem Erlass heißt es – ich

muss dies zitieren, Herr Präsident, um meine Nachfragezu stellen –:

Nicht jeder Zweifel an der Rückkehrbereitschaft,sondern erst die hinreichende Wahrscheinlichkeitder fehlenden Rückkehrbereitschaft rechtfertigt dieAblehnung eines Besuchsvisums.

Ich möchte Sie fragen, Frau Staatsministerin, welcheFallgestaltung Sie nennen können, bei der ein Beamterdes Auswärtigen Amtes oder eine Ortskraft in Kiew zudem Ergebnis kommen kann, dass bei dem Petent die„hinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rück-kehrbereitschaft“ nicht gegeben ist.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Dazu habe ich jetzt keinen Beispielsfall vor Augen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage?

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Ich habe eine weitere Frage: Es ist in diesem Zusam-

menhang, Frau Staatsministerin, am 31. Mai und 1. Junizu einer Reise der EU-Ratsarbeitsgruppe „Visa“ nachKiew gekommen, in deren Rahmen beim Besuch in derdeutschen Botschaft in Kiew die Reisenden aufgrunddieses Erlasses und des in diesem Zusammenhang prak-tizierten Verfahrens als ein erhöhtes Risiko dargestelltwurden. Ich möchte wissen, wie in Anwendung diesesErlasses nach einer Kritik der EU-Ratsarbeitsgruppe„Visa“ das Auswärtige Amt auf diese Kritik reagiert hat?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Wann war diese Reise?

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Am 31. Mai und 1. Juni 2001. Also vier Monate nach

dem Erlass, um es der Frau Staatsministerin noch einmalzu sagen, hat es eine Reise der Arbeitsgruppe „Visa“nach Kiew gegeben, wo man das Verfahren und die er-teilten Visa an Reisende als ein erhöhtes Risiko bezeich-net hat.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ich kenne die Ergebnisse dieser Reisegruppe nicht.Das muss ich Ihnen hier einfach sagen.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Vielleichtsind sie in Ihren Ordnern, Frau Staatsminis-terin, die dort hinten stehen?)

– Nein, sie sind mir nicht bekannt. Ich habe deshalb jetztauch nicht schriftlich vorliegen oder vor Augen, wasdort konkret kritisiert wurde. Dies war der Besuchsstandvon 2001. Im August 2001 haben wir das so genannteReisebüroverfahren eingestellt.

Ich erinnere noch einmal daran: Es gibt verschiedeneGründe für Verfehlungen und weshalb ein Visum zu Un-recht erteilt wurde. Das Reisebüroverfahren – ich rufenoch einmal in Erinnerung: alle Schengen-Staaten füh-ren das durch – wurde in Kiew im August 2001 zum Ok-tober 2001 eingestellt. Durch dieses Verfahren wurde beiReisegruppen das persönliche Erscheinen ersetzt. Eswurde also aufgrund der Aktenlage geprüft. Man stelltejedoch fest, dass dies auch bei seriösen und glaubwürdi-gen Reiseunternehmen zu Problemen führen konnte.Deshalb wurde das Reisebüroverfahren eingestellt.

Nun zu den so genannten Reiseschutzpässen. Dieseersetzten den Nachweis der Finanzierbarkeit. Da es eineöffentliche Diskussion ist, möchte ich es hier noch ein-mal erklären: Der Versicherer sichert zu, dass er dieKosten übernimmt. Das ist für die Behörde sicherer undfür den Antragsteller einfacher. Nachdem wir am27. Juni 2002 erfuhren, dass ein entsprechendes Ermitt-lungsverfahren gegen den Inhaber einer Reise-SchutzAG eröffnet wurde, haben wir am 28. Juni auch die An-erkennung der so genannten Reiseschutzpässe ausge-setzt.

Noch einmal: Mir ist nicht bekannt, dass irgendwel-che Missbrauchsfälle auf den hier diskutierten Erlassvom 3. März 2000 zurückzuführen sind, in dem be-stimmte Prüfungskriterien für die Rückkehrbereitschaftvorgesehen sind. Die Missbrauchs- und Problemfälle be-ziehen sich immer auf das Reisebüroverfahren oder aufdie Reiseschutzversicherungen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Uhl.

Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, es geht um die Frage, ob auf-

grund des Volmer-Erlasses der Erhalt eines Visums pro-blemlos möglich gewesen sei.

Wie Juristen unschwer erkennen können, beinhaltetder Volmer-Erlass eine so genannte Beweislastumkehr:Der Antragsteller, der Ausländer, muss seine Rückkehr-bereitschaft nicht beweisen,

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Doch!)

sondern die Behörde muss beweisen, dass er keineRückkehrbereitschaft hat.

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(B) (D)

Dr. Hans-Peter Uhl

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Im Innenausschuss haben Sie ge-hört, dass das nicht stimmt! – Dr. TheaDückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Siehaben nicht zugehört! – Zuruf von der SPD:Genau das Gegenteil!)

Die Formulierung wurde gerade vorgelesen:

Nicht jeder Zweifel

– des Beamten –

..., sondern erst die hinreichende Wahrscheinlich-keit ... rechtfertigt die Ablehnung eines Besuchs-visums.

Zweifel reichen also nicht aus, sondern die Wahrschein-lichkeit muss gegeben sein. Diese kann der Beamte nie-mals beweisen, also muss er das Visum erteilen.

Ich komme nun zu meiner Frage an Sie. Sie habenvorhin behauptet, diese Formulierung im Volmer-Erlassdecke sich mit EU-Bestimmungen. Teilen Sie meineAuffassung, dass sich diese Formulierung im Volmer-Erlass, der die von mir behauptete Beweislastumkehrenthält, angesichts des Umstands, dass in den EU-Be-stimmungen genau die gegenteilige Formulierung steht,gerade nicht mit diesen deckt? Die Gemeinsame Konsu-larische Instruktion – die einschlägige Richtlinie – be-inhaltet zu diesem Thema folgende Formulierung:

Der

– ausländische –

Antragsteller muss die mit dem Antrag befassteAuslandsvertretung davon überzeugen, dass ... dieRückreise in das Herkunftsland gewährleistet ist.

Die Beweislast liegt also eindeutig beim Antragsteller.Es ist nicht so, wie Sie es sagen, dass nämlich der Be-amte eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die An-nahme haben muss, um ablehnen zu können.

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Er bringt immer Kurzgeschichten!)

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Jetzt diskutieren wir unter Juristen. Man weiß, dass esdabei zu einem Problem immer mehrere Meinungengibt.

Nach meinem unmaßgeblichen juristischen Verständ-nis beinhaltet der Volmer-Erlass vom 3. März 2000 kei-nesfalls eine Beweislastumkehr. Ich lese die Formulie-rung vollständig vor; denn Sie haben den Punkt zu frühgemacht. Dort steht:

... sondern erst die hinreichende Wahrscheinlichkeitder fehlenden Rückkehrbereitschaft rechtfertigt dieAblehnung eines Besuchsvisums.

Jetzt kommt aber etwas Wichtiges:

Wenn sich nach pflichtgemäßer Abwägung und Ge-samtwürdigung des Einzelfalls

– es geht also immer um eine Einzelfallprüfung –

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist Teil der Definition eines Verwaltungsaktes!)

die tatsächlichen Umstände, die für und gegen eineErteilung des Besuchsvisums sprechen, die Waagehalten,

– nur dann –

gilt: „in dubio pro libertate“, im Zweifel für dieReisefreiheit.

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: In dubio pro libertate!)

– Ja, dazu stehe ich auch. Das ist das Ansinnen vieler,vieler Schreiben, die aus Ihrer Fraktion kommen. DieseFormulierung ersetzt in keiner Weise – das will ich hiersehr deutlich sagen – für den entsprechenden Mitarbeiteroder die Mitarbeiterin, der bzw. die das Visum erteilt, diePrüfung der anderen Voraussetzungen, dass die Finan-zierbarkeit gegeben ist,

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Schwarz-arbeit!)

der Reisezweck eingehalten wird und die Rückkehr-berechtigung vorliegt. All das wird geprüft. Vor dieserPrüfung aber wird beim AZR und beim SIS abgefragt,ob eine entsprechende Einreisesperre besteht.

Ich sage noch einmal: Mir ist auch durch das Urteilnicht bekannt – die schriftliche Urteilsbegründung liegtnoch nicht vor –, dass bisher einer der diskutierten Miss-brauchs- und Problemfälle auf diese Formulierung desErlasses vom 3. März 2000 zurückzuführen ist. Die Ur-sachen für die Missbrauchsfälle liegen im so genanntenReiseschutzpass und im so genannten Reisebüroverfah-ren, das – wie Sie soeben zu Recht zitiert haben – Ge-genstand der Gemeinsamen Konsularischen Instruktionder Schengen-Staaten ist und von allen Schengen-Staa-ten angewendet wird. Von uns wird es seit dem3. August 2001 in Kiew nicht mehr angewendet. Daraufbeziehen sich die Problemfälle; das will ich hier klar he-rausstellen.

Solange dies so ist, gibt es für uns überhaupt keinenGrund, von dieser Formulierung Abstand zu nehmen.Ich glaube, dass der entsprechende Erlass vom3. März 2000 exakt eine Antwort auf das Spannungsfeldist, in dem wir uns bei der Visaerteilung befinden undworüber wir ausführlich diskutiert haben.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Volmer.

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das mussaber zum Thema gehören! Darauf achten wirjetzt!)

Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Frage gehört zum Thema; denn die Frage 10

von Herrn Koschyk bezieht sich auch auf den Petitions-ausschuss und dessen Haltung zu dem gesamten Verfah-ren.

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Dr. Ludger Volmer

Meine Frage: Frau Staatsministerin, trifft es zu, dassnicht nur zahlreiche Einzelabgeordnete aus allen Frak-tionen, sondern insbesondere auch zahlreiche Mitgliederdes Petitionsausschusses und des Menschenrechtsaus-schusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1998/99,als Rot-Grün das Auswärtige Amt gerade übernommenhatte, zahlreiche Zuschriften an das Auswärtige Amt ge-richtet haben, in denen diese Abgeordneten und Aus-schussmitglieder eine gründliche Überprüfung und Än-derung der bis dahin geltenden Visumpraxis forderten,einer Visumpraxis, die noch auf der Weisungslage derMinister Kanther und Kinkel fußte, und dass der Men-schenrechtsausschuss einstimmig, also mit den Stimmender CDU/CSU, den damals von mir vorgelegten und hiervielfach zitierten Erlass gebilligt hat?

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Schleuser-erlass!)

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Dies trifft zu. Weil der Kollege Volmer dies erwähnthat, will ich ergänzend sagen: Das so genannte Carnetde Touriste bzw. die Reiseschutzpässe gehen in der Tatauf eine Initiative des Bundesaußenministers Kinkelund des Bundesinnenministers Kanther zurück. Sie ha-ben mit Erlass vom 10. August 1995 an die Vertretun-gen in Bulgarien, Rumänien, Estland, Lettland undLitauen zu der Einführung des Carnet de Touriste desADAC geführt. Diese Praxis, die damals von der Vor-gängerregierung eingeführt wurde, für Länder, die auchSie wahrscheinlich nicht für unbedingt unproblema-tisch halten, haben wir mit den so genannten Reise-schutzpässen fortgeführt. Wir haben dann imOktober 1999 das Carnet de Touriste auf alle Vertretun-gen der GUS-Staaten ausgeweitet.

Ziel war – das teilen wohl alle Abgeordneten undFraktionen hier im Haus –, den kulturellen und wirt-schaftlichen Austausch zwischen uns und den LändernOsteuropas zu erleichtern.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Tritz.

Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, können Sie bestätigen, dass

weder das Reisebüroverfahren noch das Verfahren be-züglich der Reiseschutzversicherung Gegenstand des sogenannten Volmer-Erlasses aus dem Jahre 2000 waren?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Das ist richtig. Die Reiseschutzpässe beziehen sichauf das Kriterium der Finanzierbarkeit. Beim Reisebüro-verfahren geht es darum, dass das persönliche Erschei-nen durch eine Entscheidung nach Aktenlage ersetztwerden kann. Bei dem genannten Erlass vom3. März 2000 geht es um die Prüfungsabfolge und dieKriterien der Prüfung der Rückkehrbereitschaft.

Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Die letzte Zusatzfrage zu der Frage 10 hat der Kollege

Binninger.

Clemens Binninger (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, Sie haben gesagt, der Volmer-

Erlass habe nicht dazu geführt, dass problemlos Visahätten erteilt werden können. Sie haben als Begründungunter anderem aufgeführt, dass umfangreiche Überprü-fungsmaßnahmen durchgeführt wurden, zum Beispieldie AZR-Abfrage, die SIS-Abfrage etc. Wie erklären Siesich dann die Diskrepanz zwischen dem dafür notwendi-gen Zeitansatz, den ich pro Visum bei mindestens einerhalben Stunde sehen würde, und der tatsächlich erteiltenAnzahl von Visa, die den Rückschluss zulässt, dass manmaximal zwei Minuten, eher sogar noch weniger, proVisum aufgewandt hat?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ich will die Zahl von zwei Minuten nicht bestätigen.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Eine reine Rechenaufgabe!)

– Nein, das ist eben keine reine Rechenaufgabe. – WennSie eine Einzelfallprüfung machen – ich weiß nicht, obSie Jurist sind –, dann brauchen Sie in dem einen Falllänger und in dem anderen Fall geht es schneller.

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Mal 300 000!)

Ich erinnere noch einmal an das Reisebüroverfahren.Bei diesem Verfahren werden für eine Reisegruppe Vi-sumanträge gesammelt vorgelegt und es wird nach Ak-tenlage entschieden. Dieses Verfahren geht schnell, wäh-rend es bei anderen Entscheidungen länger dauert.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Darum geht es doch gar nicht!)

Ich halte von dieser Hochrechnung nichts und möchtesie nicht bestätigen. Solange mir nichts Gegenteiligesbekannt ist, gehe ich davon aus, dass alle Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter in der Botschaft in Kiew oder in an-deren Botschaften, die Visumanträge zu prüfen haben,dies nach bestem Gewissen tun und alle Tatbestandsvor-aussetzungen prüfen, die sie zu prüfen haben.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: In einer Minute?)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Koschyk auf:

Wie verhält sich diese vom AA vertretene Behauptung zuden Aussagen im Schreiben des AA vom 2. August 2001 anden Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen, indem von „erheblichen Problemen“ im Zusammenhang mit Vi-samissbrauch und dem so genannten Reisebüroverfahren dieRede ist?

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Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Herr Kollege Koschyk, da Sie aus demselben Schrei-ben des Auswärtigen Amtes vom 2. August 2001 an denBundesverband mittelständischer Reiseunternehmen wieHerr Kollege von Klaeden zitieren, verweise ich inso-fern auf meine Antwort auf die Frage 8 des Abgeordne-ten von Klaeden.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage?

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Ja. – Frau Staatsministerin, in dem Schreiben vom

2. August 2001 räumt das Auswärtige Amt ein:

Aufgrund des Missbrauchs von Visa, die in diesemVerfahren seitens der deutschen Botschaft in Kiewerteilt worden sind, kann dieses Verfahren in Kiewin der bisher praktizierten Form nicht mehr beibe-halten werden.

Meine Frage bezieht sich darauf, dass Sie, FrauStaatsministerin, uns gesagt haben, dass bei dem Reise-büroverfahren außer den beiden Anfragen nichts weitergeprüft worden ist. Ist dann beim Reisebüroverfahrendie im Volmer-Erlass vorgesehene Prüfung der Rück-kehrbereitschaft erfolgt oder nicht?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Natürlich. Bei dem von Ihnen erwähnten Schreibengeht es um das zwischen den Schengen-Partnern inKapitel VII Ziffer 5 ihrer Gemeinsamen KonsularischenInstruktion niedergelegte Reisebüroverfahren, das eineAusnahme von der gemeinschaftsrechtlich vorgesehenenVerpflichtung macht, dass Antragsteller von Visa per-sönlich bei der jeweiligen Botschaft vorsprechen müs-sen. Diese Ausnahme dient der Förderung der Reise-industrie der EU-Mitgliedstaaten, ist also von denSchengen-Partnern durchaus im wohlverstandenen Ei-geninteresse vorgesehen worden. Deutschland hat diesesVerfahren in Kiew praktiziert, und zwar solange sichkeine Hinweise darauf ergaben, dass es zu illegalen Ein-reisen missbraucht wurde.

Nachdem im Sommer 2001 solche Hinweise vorla-gen – darauf bezieht sich der Passus, den Sie gerade zi-tiert haben; das Schreiben liegt mir vor – wurde das Ver-fahren seitens des Auswärtigen Amtes am 3. August2001 zum 1. Oktober 2001 eingestellt. Das heißt, alleAntragsteller mussten wieder persönlich bei der Bot-schaft vorsprechen.

Da dies für deutsche Reiseunternehmen, die mit Rei-seunternehmen aus der Ukraine zusammenarbeiteten,von Bedeutung war, hat das Auswärtige Amt die Verfah-rensänderungen in einem Schreiben an deutsche Rei-seunternehmen und an den Bundesverband mittelständi-scher Reiseunternehmen e.V. – aus dem Schreiben habenSie zitiert – erläutert. Das Auswärtige Amt hat darin denGrundsatz der persönlichen Vorsprache jedes einzelnenReiseteilnehmers bekräftigt und gleichzeitig angeboten,

für ukrainische Kooperationspartner deutscher Reiseun-ternehmen die Vorsprache sämtlicher Teilnehmer einerGruppenreise zu einem einzigen Termin zu ermöglichen.Dabei werden alle Tatbestandsvoraussetzungen indivi-duell geprüft. Geprüft werden die Finanzierbarkeit, dieRückkehrbereitschaft und die Einhaltung des Reise-zwecks. Auch wird vorab durch AZR- und SIS-Anfragegeprüft, ob etwa eine Einreisesperre vorliegt. Das bedeu-tet, jeder Reiseteilnehmer wurde einzeln befragt, aber eswar für das Reisebüro weiterhin möglich, die Anträgegesammelt einzureichen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, nachdem Sie uns berichtet ha-

ben, dass man mit dem so genannten Reisebüroverfahrennegative Erfahrungen gemacht hat und dass dieses Ver-fahren daraufhin geändert wurde, frage ich Sie, warumsich das Auswärtige Amt auch im Benehmen mit demBundesinnenminister entschlossen hat, trotzdem das sichim Nachhinein als nicht minder problematisch herausge-stellte Reiseschutzpassverfahren in Gang zu setzen.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Dabei geht es um etwas anderes. Bei dem Reisebüro-verfahren geht es um das persönliche Erscheinen, das er-setzt wird. Beim Reiseschutzpass geht es darum, dassder Nachweis der Finanzierbarkeit durch einen solchenReiseschutzpass ersetzt wird. Auch hierbei möchte ichdarauf hinweisen – dies betrifft genau das genannteSpannungsfeld –, warum das Verfahren eingesetztwurde. Vorläufer war übrigens das im August 1995 vonInnenminister Kanther und Bundesminister Kinkel ein-geführte Carnet de Touriste. Dabei geht es um den Nach-weis der Finanzierbarkeit. Das macht auch durchausSinn. Es ist aus der Sicht der Behörde sicherer, weil einUnternehmen für die Kosten garantiert. Für die Antrag-steller war es einfacher, weil sie einen Reiseschutzpassvorlegen konnten. Ich nehme an, dass dies die Motivewaren, weshalb die Vorgängerregierung – also Außen-minister Kinkel und Bundesinnenminister Kanther – ge-meinsam mit dem ADAC-Präsidenten damals ein sol-ches Carnet de Touriste eingeführt haben.

Deshalb haben auch wir zunächst an dem anonymenReiseschutzpassverfahren festgehalten. Dabei sind ver-schiedene Unternehmen, die entsprechend überprüftwurden, tätig gewesen. Wir haben das Verfahren aber so-fort, nachdem wir am 27. Juni 2002 Kenntnis von demErmittlungsverfahren gegen einen Inhaber einer Reise-schutzpass AG erhalten haben, mit einem Erlass anKiew vom 28. Juni eingestellt. Inzwischen haben wirdieses Verfahren mit Erlass vom 28. März 2003 leiderweltweit einstellen müssen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Uhl.

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Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, wenn in fünf Jahren 1 Million

Menschen aus Kiew mit der Begründung einreist, siewollten eine Reise nach Deutschland machen, und Sieauf das Risiko der mangelnden Finanzierbarkeit derReise und vor allem der mangelnden Rückkehrbereit-schaft hinweisen, wodurch dem Staat Rückführungskos-ten entstehen könnten, dann ist es von Vorteil, wenndiese Risiken versichert sind. Ich frage Sie: Ist das Pro-blem bei dieser 1 Million Menschen nicht ein ganz ande-res? Wissen Sie überhaupt, wie viele Fälle bei dieserwahnsinnig großen Zahl aufgetreten sind, in denen derStaat den Rücktransport finanzieren musste? Bei1 Million müssten das mehrere Hunderttausend gewesensein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ist das Problemnicht vielmehr gewesen, dass die überwältigende Mehr-heit dieser 1 Million Menschen keine Schwierigkeitenmit der Finanzierung der Rückreise hatte und sie keineTouristen waren, sondern im EU-Raum schwarzarbeitenwollten und dies auch getan haben, sich dabei nicht er-wischen lassen wollten sowie auf eigene Kosten gelebthaben und zurückgereist sind? Deswegen konnte beimStaat gar kein Risiko entstehen, eine Rückführung finan-zieren zu müssen. Die Versicherung hat also etwas versi-chert, was mehrheitlich gar kein Risiko war.

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Es wird schon ein Interesse daran bestanden haben.Sonst hätten die Unternehmen das nicht gemacht. Dasscheint zunächst einmal zu einer Entbürokratisierung derVerfahren geführt zu haben. Sonst hätte Ihre Regierungdas damals nicht eingeführt. Es gab also ganz offensicht-lich einen Bedarf – wahrscheinlich auch viele Briefe ausden Fraktionen –, woraufhin Bundesaußenminister Kin-kel und Bundesinnenminister Kanther gehandelt haben.

Wir haben, wie gesagt, festgestellt, dass diese Praxisim Hinblick auf den wirtschaftlichen Austausch und dieFörderung mittelständischer Unternehmen – ich weiß,dass das gerade Ihnen, Herr Uhl, ein großes Anliegenist – sinnvoll war.

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Billige Arbeitskräfte!)

Insofern kann ich Ihre Pauschalierung nicht teilen, dasses sich bei den Visumantragstellern mehrheitlich umProstituierte und Schwarzarbeiter gehandelt habe. Siemalen hier ein Schreckensbild, das ich ganz klar und ein-deutig zurückweisen möchte. Es sind Missbrauchsfällevorgekommen. Wir versuchen aber, solche Fälle zukünf-tig zu verhindern und gleichzeitig den Sicherheitsinte-ressen der Bundesrepublik nachzukommen.

Ich kann jedenfalls nur davor warnen, in dieser De-batte Schreckensbilder und Zerrbilder zu malen, die mitder Realität nichts zu tun haben; denn in unserem ge-meinsamen Interesse liegt – Herr Uhl, ich brauche IhreFrage eigentlich nicht zu beantworten, wenn Sie sich ge-rade mit Ihren Kollegen unterhalten –, weiterhin denkulturellen und den wirtschaftlichen Austausch zu för-dern sowie unserem gemeinsamen Anspruch als weltof-fenes Land nachzukommen und gleichzeitig – hier be-

wegt man sich natürlich in einem Spannungsfeld –unsere Sicherheitsinteressen zu beachten. Sie diffamie-ren diejenigen, die ganz regulär ein Visum beantragt undes nicht missbraucht haben. Das ist nach unserer Er-kenntnis die übergroße Zahl derjenigen, die ein Visumbei der Botschaft in Kiew und bei anderen Botschaftenbeantragt haben.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Göbel.

Ralf Göbel (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, eine zentrale Rolle bei diesem

ganzen Vorgang hat die Reiseschutz AG gespielt. MeineFrage lautet: Sind die maßgeblichen Repräsentanten derReiseschutz AG sicherheitsüberprüft worden, und wennja, in welchem Umfang?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Das können eigentlich Sie, Herr Körper, besser beant-worten.

(Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär: Ja, das kann ich tun!)

Meines Wissens nach: Ja. Wir haben uns aber in allenFragen betreffend die Reiseschutz AG und den Perso-nenkreis eng mit dem BMI abgestimmt. Entweder beant-worte ich Ihre Frage schriftlich oder der Kollege Körperantwortet jetzt mündlich; denn das fällt eigentlich in dieZuständigkeit des BMI.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Bitte schriftlich!)

– Ich glaube aber, dass das schon schriftlich beantwortetworden ist.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aber nicht hier in der Fragestunde!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Die letzte Zusatzfrage zu diesem Punkt hat der Kol-

lege Binninger.

Clemens Binninger (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, Sie haben gerade gesagt, dass

nach Ihrer Erkenntnis die Mehrzahl der Visa nicht miss-bräuchlich erteilt worden sei. Sind Sie bereit, uns zu sa-gen, worauf sich diese Erkenntnis stützt und was„Mehrzahl“ – 500 000 oder mehr? – bedeutet?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ich kann Ihnen das nicht beziffern.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sie habengerade gesagt, dass die Mehrzahl nicht miss-bräuchlich erteilt worden sei!)

– Genau, die Mehrzahl; das weiß ich. Ich kann Ihnen dasin einer schriftlichen Antwort gerne genauer darstellen,

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Staatsministerin Kerstin Müller

soweit das möglich ist, bevor ich mich jetzt auf eine Zahlfestlege, die nicht stimmt.

Den aufgetretenen Missbrauchsfällen sind wir nach-gegangen. Wir haben die entsprechenden Ursachen be-kämpft, Stichworte „Reisebüroverfahren“ und „Reise-schutzpass“.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Binninger, Sie können gleich stehen bleiben. Ich

rufe nun Ihre Frage 12 auf:Hat es Beschwerden der Schengen-Partner gegenüber dem

Bundesministerium des Innern oder dem AA im Hinblick aufdie durch den Runderlass des AA 514-516.20 betreffend dasVisumverfahren bei den Auslandsvertretungen vom 3. März2000 – so genannter Volmer-Erlass – veränderte Visaertei-lungspraxis gegeben und, wenn ja, wann?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Der Bundesre-gierung sind im speziellen Zusammenhang mit dem Er-lass des Auswärtigen Amtes vom 3. März 2000 keineBeschwerden der Schengen-Partner bekannt geworden.Allerdings gab es im Sommer 2001 Hinweise vonSchengen-Partnern auf vermehrten Missbrauch von ander Deutschen Botschaft Kiew ausgestellten Besuchs-visa. Die Bundesregierung ist diesen Hinweisen nachge-gangen und hat daraufhin das so genannte Reisebürover-fahren mit Erlass vom 3. August 2001 zum 1. Oktober2001 eingestellt.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage?

Clemens Binninger (CDU/CSU): Ja, ich habe eine Zusatzfrage.

Die Missbrauchshinweise bezogen sich meines Wis-sens nicht nur auf das Reisebüroverfahren, sondern auchauf das Reiseschutzversicherungsverfahren der Reise-Schutz Versicherungs AG. Ihnen lagen diese Hinweise– Sie haben das gerade selbst eingeräumt – im Jahr 2001vor. Trotz der Hinweise aus dem Sommer 2001, dassMissbrauch betrieben wird, wurde mit dieser Reise-schutzversicherung ab 2002 sogar weltweit gehandelt.Warum haben Sie nicht reagiert?

Kerstin Müller, Staatsministerin im AuswärtigenAmt:

Meines Wissens lagen uns zu diesem Zeitpunkt ledig-lich Hinweise vor – ich kann Ihnen nach bestem Wissenund Gewissen nur diese Antwort geben –, die auf das sogenannte Reisebüroverfahren zurückzuführen waren.Deshalb haben wir dieses Verfahren eingestellt. Wennman glaubwürdige und überzeugende Hinweise in Be-zug auf einen Missbrauch von Reiseschutzpässen gehabthätte, dann hätte man den Handel in der Tat nicht aus-weiten sollen. Ich gehe davon aus, dass solche Hinweisenicht vorlagen.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Die Ant-wort reicht! Danke!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Die Frage 13 wird schriftlich beantwortet. Damit sind

wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.

Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung stehtfreundlicherweise Frau Staatssekretärin Hendricks zurVerfügung.

Die Frage 17 des Kollegen Kretschmer, die Frage 18der Kollegin Leonhard1), die Fragen 19 und 20 des Kol-legen Gewalt und die Frage 21 des Kollegen Rupprecht(Weiden) sind zur schriftlichen Beantwortung angemel-det.

Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Binninger auf:Verfügt die RS Reise-Schutz Versicherungs AG in 74189

Weinsberg über die nach dem Versicherungsaufsichtsgesetzerforderliche Erlaubnis für den Geschäftsbetrieb und, wenn ja,von wem wurde diese erteilt?

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen:

Herr Präsident! Herr Kollege Binninger, der RSReise-Schutz Versicherungs Aktiengesellschaft ist durchVerfügung vom 17. Dezember 2002 durch die Bundes-anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Genehmi-gung zum Geschäftsbetrieb erteilt worden.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eine Zusatzfrage?

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Keine Nachfrage!)

– Dann ist auch dieser Geschäftsbereich erledigt.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-ums für Wirtschaft und Arbeit auf. Hier sind dieFragen 23 bis 32 zur schriftlichen Beantwortung ange-meldet.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-ums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-schaft auf. Hier sind die Fragen 33 bis 36 zur schriftli-chen Beantwortung angemeldet.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-ums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Zur Be-antwortung ist der Kollege Staatssekretär Franz Thönnesverfügbar.

Die Fragen 37 und 38 werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 39 der Kollegin Dr. Lötzsch auf:Wird bei der neuen Verordnung zur Höhe der Sozialhilfe

bei der Festlegung der Regelsätze berücksichtigt, dass durchdas Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenver-sicherung, GKV-Modernisierungsgesetz, für viele Beziehervon Sozialhilfe eine faktische Kürzung der Sozialhilfe ummindestens 2 Prozent erfolgt ist, und wie will die Bundesre-gierung die Grundsicherung und damit den Schutz vor Armutfür Langzeitarbeitslose und für Altersrentner sichern in Anbe-tracht steigender privater Gesundheitskosten?

1) Die Antwort lag bei Redaktionsschluss nicht vor und wird zu einemspäteren Zeitpunkt abgedruckt.

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Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Verehrte Frau Kollegin Lötzsch, ich beantworte IhreFrage wie folgt: Der Entwurf der Regelsatzverordnung– sie wird auf der Grundlage von § 28 SozialgesetzbuchXII erlassen – berücksichtigt die Zuzahlungen aufgrunddes GKV-Modernisierungsgesetzes. Die in § 2 Abs. 2Nr. 5 des Verordnungsentwurfs genannte Abteilung 06,die die Bedarfsposition Gesundheitspflege betrifft, regeltdie Höhe der monatlichen Belastungen von Sozialhilfe-empfängern durch Zuzahlungen. Dies bedeutet eine be-wusste Gleichstellung von Sozialhilfeempfängern undanderen Versicherten in der gesetzlichen Krankenversi-cherung.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)

Diese Regelung gilt gleichermaßen für die Grund-sicherung von Arbeitsuchenden, also für das, was abdem 1. Januar 2005 im Sozialgesetzbuch II geregeltwird, sowie für die Grundsicherung im Alter und beidauerhafter Erwerbsminderung. Die Belastung – dasmuss man vor dem Hintergrund der Fragestellung nocheinmal sagen – beträgt höchstens – nicht mindestens –2 Prozent. Sie ist zumutbar. Diese Auffassung wird auchvon den kommunalen Spitzenverbänden geteilt, mit de-nen seit Ende 2003 mehrfach Gespräche über diese Fra-gen geführt wurden.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Herr Staatssekretär, die Formulierung „mindestens

2 Prozent“ leitet zu meiner Zusatzfrage über. Die Ge-sundheitskosten sind zusätzlich dadurch gestiegen, dassviele Medikamente nicht mehr verschreibungspflichtigsind, nicht mehr verschrieben werden dürfen, also vomPatienten selbst bezahlt werden müssen. Werden diesezusätzlichen Kosten bei der Neufestsetzung der Regel-sätze im Rahmen der Sozialhilfe einbezogen?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Nein. Ich wiederhole: Einbezogen sind die Größen-ordnungen, die bei der Bedarfsposition „Gesundheits-pflege“ erfasst werden. Bei den Zahlungen, die für Me-dikamente geleistet werden müssen, für die seitens derKassen keine Erstattung erfolgt, sind diejenigen, die so-zialhilfeberechtigt sind, genauso erfasst wie jeder andereGKV-Versicherte. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass esim Verantwortungsbereich des Arztes liegt, zu entschei-den, welches Medikament im Hinblick auf Wirksamkeitund Nutzen verschrieben wird.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Ja. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekre-

tär, das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ist schon ei-nige Wochen in Kraft. Es ist viel über die Auswirkungendiskutiert worden. Es liegen schon konkrete Erfahrungenvor. Auch wenn Sie sagen, es liege selbstverständlich imErmessen des Arztes, zu entscheiden, was verschriebenwird, frage ich: Gibt es Erkenntnisse darüber, welchedurchschnittlichen zusätzlichen Kosten auf die Versi-cherten, insbesondere auf Sozialhilfeempfänger, dadurchzugekommen sind, dass sie nicht verschreibungspflich-tige Medikamente selbst zahlen müssen?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Nein, Frau Kollegin Lötzsch, darüber haben wir keineErkenntnisse, weil die Durchführung des Sozialhilfe-rechts den Ländern und Kommunen obliegt. Uns liegendarüber keine Daten vor.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Matthias Sehling

auf:Weswegen erhielt der am 9. Februar 2004 im Kölner

Schleuserprozess verurteilte A. B. – nach Ermittlungen derKölner Staatsanwaltschaft – bei seiner Einreise am1. November 1992 sofort eine unbefristete Aufenthaltserlaub-nis und seitdem Sozialhilfe ebenso wie seine Ehefrau, die spä-ter nachzog, und wie hoch ist der Gesamtbetrag der Sozial-hilfe zwischen 1992 und 2004, den die Familie B. – inklusiveKind – erhielt?

Herr Staatssekretär, beantworten Sie bitte dieFrage 40.

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Ich bitte um Nachsicht, Frau Präsidentin. Vielleichtist meine Reaktion damit zu erklären, dass der KollegeSehling und ich vorhin schon einen Dialog über dasThema hatten. Aber natürlich gehört es sich, die Fragevon hier aus zu beantworten.

Herr Kollege Sehling, ich beantworte Ihre Frage 40wie folgt: Die Bundesregierung hat im Zusammenhangmit dem früheren Ausländer A. B., der im KölnerSchleuserprozess am 9. Februar 2004 verurteilt wordenist, keine Erkenntnisse zu dem problematisierten Bezugvon Sozialhilfeleistungen. Von Verfassungs wegen ob-liegt die Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes, wieich in der Antwort auf die vorangegangene Frage schonausführte, den Ländern und Kommunen. Eine Rechts-oder Fachaufsicht des Bundes besteht nicht. Nähere An-gaben zu dem in der Frage angesprochenen Fall könnendaher nicht gemacht werden.

Allgemein ist jedoch anzumerken, dass Ausländer mitaufenthaltsrechtlichem Status, die sich im Gebiet der Bun-desrepublik Deutschland aufhalten, gemäß § 120 Bundes-sozialhilfegesetz im Vergleich zu den übrigen Sozial-hilfeempfängern deutlich eingeschränkte Leistungenerhalten. Auch die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmi-gung fällt in die Kompetenz der Bundesländer, die vonden Ausländerbehörden wahrgenommen wird.

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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ihre Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege. – Keine Zusatz-

frage.

Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs desBundesministeriums für Gesundheit und Soziale Siche-rung.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-nisteriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. ZurBeantwortung steht die Frau Parlamentarische Staatsse-kretärin Iris Gleicke bereit.

Die Fragen 41 und 42 der Kollegin Dr. MariaFlachsbarth werden schriftlich beantwortet. Die Frage 43des Kollegen Egon Jüttner und die Frage 44 des Kolle-gen Ernst Hinsken werden ebenfalls schriftlich beant-wortet. Die Fragen 45 und 46 der Kollegin Renate Blankwerden auch schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 47 des Kollegen Gero Storjohannauf:

Bis wann und mit welcher Zielsetzung in Bezug auf denkünftigen Leistungsumfang plant die Bundesregierung die imRahmen der Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zuProtokoll gegebene Erklärung, zeitnah das Wohngeldrecht mitdem Ziel deutlicher Einsparungen strukturell zu überarbeiten,umzusetzen?

Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:

Herr Kollege Storjohann, die Bundesregierung prüftderzeit, auf welche Weise die Umsetzung der Protokoll-erklärung erfolgen kann. Dazu werden zunächst die Er-gebnisse des Vermittlungsverfahrens zum Hartz-IV-Ge-setz, das heißt die bereits beschlossene und zum1. Januar 2005 erfolgende grundlegende Vereinfachungdes Systems der Leistung von Unterkunftskosten aus öf-fentlichen Kassen, in ihren Auswirkungen auf dasWohngeld aufbereitet.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ihre Zusatzfrage, bitte.

Gero Storjohann (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, schließt die Bundesregierung

Leistungskürzungen beim Wohngeld aufgrund der beab-sichtigten Änderungen aus?

Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:

Herr Kollege Storjohann, wie Sie wissen, haben wirja gemeinsam im Vermittlungsausschuss die Ergebnissebeschlossen. Wie ich Ihnen gerade gesagt habe, sind dievon uns beschlossenen Regelungen bezüglich des Wohn-geldrechtes derzeit in Prüfung.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Eine zweite Zusatzfrage? – Nein.

Die Frage 48 des Kollegen Hans Michelbach sollschriftlich beantwortet werden.

Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich für die Be-antwortung der Frage.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlersund des Bundeskanzleramtes auf.

Die Fragen 49 und 50 des Kollegen Helmut Heiderichsollen ebenso wie die Fragen 51 und 52 des KollegenHans-Joachim Otto schriftlich beantwortet werden.

Damit sind wir am Ende der Fragestunde.

Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundesta-ges bis zum Beginn der Aktuellen Stunde um 15.35 Uhr.

(Unterbrechung von 15.11 bis 15.35 Uhr)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder.

Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU

Haltung der Bundesregierung zur Erleichte-rung von Einschleusungen und illegalen Ein-reisen aufgrund von Kontrolllücken an deut-schen Flughäfen

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeHartmut Koschyk, CDU/CSU-Fraktion.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Seit Montag dieser Woche müssen wir auf-grund eines Berichts des Magazins „Report“ des Bayeri-schen Rundfunks in München davon ausgehen, dass amMünchner Flughafen über lange Zeit Nicht-EU-Bürgerohne Kontrolle durch den Bundesgrenzschutz nachDeutschland eingereist sind. Entgegen allen bestehendenVorschriften soll es bis zu fünf Stunden gar keine odernur oberflächliche Kontrollen gegeben haben. Dies bele-gen die in dem Fernsehbeitrag des Bayerischen Rund-funks gezeigten Dienstpläne. Dort heißt es „Kontrollver-zicht“ oder „keine schengenmäßige Kontrolle“. Nachdiesem Bericht sollen fast täglich Ein- und Ausreisekon-trollen ausgefallen sein.

Das beinhaltet natürlich drastische Verstöße gegen dieSchengen-Verträge, wonach wir verpflichtet sind, einelückenlose Kontrolle der Einreise aus Nicht-Schengen-Staaten zu gewährleisten. Das bedeutet aber auch einemassive Verletzung ureigener deutscher Sicherheitsinte-ressen; denn infolge des Verzichts auf vorgeschriebeneKontrollen durch den Bundesgrenzschutz können allemöglichen Personen, ob sie nun aus dem Bereich der or-ganisierten Kriminalität kommen, ob es illegal Einrei-sende oder auch gesuchte Terroristen sind, leicht nachDeutschland einreisen.

Es ist doch bedauerlich, dass es eines solchen Fern-sehbeitrages bedarf,

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

damit auf eine solch immense Kontroll- und damitSchutzlücke auf einem der größten deutschen Flughäfenhingewiesen wird. Ich bedaure eigentlich auch, dass eine

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Hartmut Koschyk

Aktuelle Stunde, beantragt von der Unionsfraktion, not-wendig war, um dieses Thema ins Plenum zu bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Haben Sieim Innenausschuss nachgefragt? – Dr. LudgerVolmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Siewollen doch nur reden!)

Es gab keinen Versuch der Bundesregierung, heute imInnenausschuss von sich aus einen Bericht im Hinblickauf diesen Vorgang anzubieten und vor einer solchenAktuellen Stunde Aufklärung zu leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU – ClemensBinninger [CDU/CSU]: Das schlechte Gewis-sen! – Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Dasist unfassbar!)

Wir müssen – lassen Sie mich das sehr deutlichsagen – unterscheiden: Wir wollen durch diese Debattekeine Kritik an der hervorragenden Arbeit der Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes üben.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Na, na!)

Sie leisten hervorragende Arbeit.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Dann können wir ja gehen!)

Es scheint hier allerdings offensichtlich große Orga-nisationsmängel zu geben. Das Schlimmste an diesemganzen Vorgang ist, dass man glaubt, durch diese Artvon Öffentlichkeitspolitik des Bundesministeriums desInnern – da kann man sich nur an den Kopf greifen – dieGemüter beschwichtigen zu können.

In einer Mitteilung des Sprechers des Bundesinnen-ministeriums heißt es, dass man diese Kontrolllückeneinräume; es habe sich aber um Flüge gehandelt, die imWesentlichen mit deutschen und österreichischen Tou-risten besetzt gewesen seien. Sie wollen der Bevölke-rung in Deutschland und der an diesem Vorgang interes-sierten Öffentlichkeit in so naiver Weise einreden, dassüber Stunden hinweg, tagelang, am Flughafen Münchennur deutsche und österreichische Touristen eingereistsind.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wie bei der Maut!)

Dazu kann man nur einen Kommentar der „FAZ“ vondieser Woche zitieren, in dem es treffend heißt:

Die Grenzschützer haben nicht das Recht, öffent-lich darauf aufmerksam zu machen, dass inMünchen – und wer weiß, wo noch – zahlreichePlanstellen unbesetzt sind. Das darf aber Schilynicht dazu verführen, Dinge schönzureden, die inWahrheit im Argen liegen. Er ist nicht der Bundes-beruhigungsminister.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. MichaelBürsch [SPD]: Der Schily schreckt vor nichtszurück!)

Wissen Sie: In der Fragestunde des Bundestages ha-ben wir heute ja eindrucksvoll erlebt,

(Zuruf von der SPD: Sie schrecken vor nichts zurück!)

wie sich dieser „Mister law and order“ gegen den zwei-felhaften Volmer-Erlass des Auswärtigen Amtes gewehrthat. In einem Schreiben, das er als Minister Schily anMinister Fischer geschrieben hat, hat er seine Bedenkendeutlich gemacht. Minister Fischer hat ihm aber nichteinmal selbst geantwortet, sondern hat dies von Staats-sekretär Pleuger tun lassen. Heute Nachmittag hat dieBundesregierung ausgeführt, dass die Bedenken desBundesinnenministeriums damit ausgeräumt wordensind.

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Er hat eine kluge Antwort gegeben! –Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man solltesich nicht immer so aufblasen,

(Zuruf von der SPD: Wer bläst sich hier auf, Herr Koschyk?)

als sei man der beste Bundesinnenminister, den dieseRepublik je hatte,

(Sebastian Edathy [SPD]: Das ist er ja auch!)

wenn man dann vor der skandalösen Visapolitik desAuswärtigen Amtes einknickt und damit deutlich macht,dass man nicht einmal seinen eigenen Laden im Griffhat.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. MichaelBürsch [SPD]: Wenn wir den Bundesgrenz-schutz gemeinsam loben, ist die AktuelleStunde damit beendet?)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächster Redner ist der Kollege Frank Hofmann,

SPD-Fraktion.

Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Koschyk!

Das, was Sie hier gesagt haben, reicht nicht einmal füreine Märchenstunde, geschweige denn für eine AktuelleStunde.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. JosefPhilip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN])

War das tatsächlich alles? Sie wissen doch mindestensgenauso gut wie ich: Nicht alles, was im bayerischenschwarzen Fernsehen gesendet wird, ist Realität.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sagen Sie doch etwas zur Sache!)

Die Überschrift „Flughäfen als Eldorado für illegale Ein-wanderung“ ist völlig daneben.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Oh! Jetzt ist das Fernsehen schuld!)

Halten wir uns an die Tatsachen: Im Sommer 2003wurde am Flughafen München das Terminal 2 neu eröff-net. Mit der Eröffnung wurde die Flughafendienststelle

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Frank Hofmann (Volkach)

um 300 Polizeivollzugsbeamte verstärkt. – HerrKoschyk, wenn Sie zuhören würden, wäre das hilf-reich. – Im Oktober 2003 und im Januar 2004 wurdeweiteres Unterstützungspersonal zur Flughafendienst-stelle abgeordnet. Sie wissen ja, dass unbesetzte Plan-stellen auch durch Abordnungen besetzt werden können.Hier hat der Bundesgrenzschutz also Abordnungen vor-genommen.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hat es nun Kontrolllücken gegeben oder nicht?)

– Hören Sie mir doch zu! Ich rede über die Realität undmache nicht, wie Sie, eine Märchenstunde.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aber Sie sollen zum Thema kommen!)

Trotz dieser Personalzuweisungen hat die Flughafen-dienststelle des Bundesgrenzschutzes entgegen den Vor-schriften in einzelnen Fällen ganz auf die Passkontrollebei einreisenden Auslandspassagieren verzichtet.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aha!)

Fest steht, dass der BGS in München damit seinen ge-setzlichen Auftrag verletzt hat.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aha!)

Das ist nicht zu entschuldigen, auch wenn es sich gemes-sen an der Gesamtzahl der überprüften Passagiere nurum einige wenige Fälle handelt.

Herr Koschyk, das Thema der Aktuellen Stunde, diewahrscheinlich auf Ihre Initiative zurückgeht, lautet:„Haltung der Bundesregierung zur Erleichterung vonEinschleusungen und illegalen Einreisen aufgrund vonKontrolllücken an deutschen Flughäfen“. Die CDU/CSUwürde die Verantwortung also gerne – so haben Sie sichhier ja auch aufgeblasen – dem Bundesinnenminister indie Schuhe schieben.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ach, ist er nicht mehr für den BGS zuständig?)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Op-position, das klappt nicht. Bei dieser Panne handelte essich um ein lokales Problem bzw. einen Management-fehler der Personalverwaltung, auf den der Bundes-grenzschutz und der Bundesinnenminister reagiert ha-ben.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Auf keinem anderen Flughafen in der Verantwortung desBundesgrenzschutzes sind derartige Rechtsverstöße fest-gestellt worden.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sind Sie da sicher?)

So weit zum Ersten.

Zum Zweiten: Erste personelle Konsequenzen wur-den gezogen. Die Kontrolllücken sind geschlossen.Auch die in engen Grenzen möglichen Lockerungenwerden nicht hingenommen.

Da Sie, Herr Koschyk, dazu im Innenausschuss keineNachfragen gestellt haben, muss ich davon ausgehen,

dass Sie diese Sachlage sehr gut kennen. Trotzdem schä-men Sie sich aber nicht, so zu tun, als würde der Bundes-grenzschutz Einschleusungen und illegale Einreisen er-leichtern. Das weisen wir zurück.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hier wollen Sie aus einer Mücke einen Elefanten ma-chen.

An Ihre Adresse muss gesagt werden, dass Kontroll-verzichte nicht gleichzusetzen sind mit der Unterstüt-zung von illegalen Einschleusungen und illegaler Ein-wanderung. Oder wollen Sie diesen absurden Vorwurfweiterhin aufrechterhalten? Wollen Sie allen Ernstes sotun, als begünstige der Bundesinnenminister aufgrundvon längst wieder geschlossenen Kontrolllücken amFlughafen München die organisierte Kriminalität? Auchdas weisen wir zurück.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit Ihrem Antrag auf Durchführung einer AktuellenStunde unterstellen Sie Sodom und Gomorrha. Sie erhe-ben sogar den Vorwurf, dass illegale Einschleusungengeduldet werden. Im eigenen Verantwortungsbereich da-gegen halten Sie Ihre Hände ruhig und nehmen Sicher-heitsdefizite in Kauf. Ich finde, das ist unglaublich. Fas-sen gerade Sie von der CSU sich doch an Ihre eigeneNase! Während die Kontrolllücken beim BGS in Mün-chen geschlossen sind, der Mangel erkannt und beseitigtist, finden an bestimmten Stellen der bayerisch-tschechi-schen Grenze so gut wie keine Kontrollen nach demSchengen-Standard statt.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Stimmt doch überhaupt nicht!)

– Hören Sie einfach zu! – Am Grenzübergang in Bernauwurde 70 Meter von der Straße entfernt, die nach Tsche-chien führt, ein Haus gebaut. Im Haus sitzt ein Polizist,der aus dem Haus heraus die Autos durchwinkt.

(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Thema!)

Ist das der bayerische Standard? Bevor Herr Becksteinden Bundesinnenminister auf dessen gesetzlichen Auf-trag hinweist, sollte er erst einmal seinen eigenen Be-reich in Ordnung bringen.

Schauen Sie doch auf den Nürnberger Flughafen; Siefliegen ja oft genug auch nach Nürnberg.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Da wird her-vorragend kontrolliert!)

Auch dort ist die bayerische Polizei zuständig. Dort wer-den laxe Einreisekontrollen zu Spitzenzeiten sehendenAuges in Kauf genommen und auch künftig nicht abge-stellt.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist doch ein völliger Unsinn!)

Das bayerische Innenministerium denkt nicht daran, dasPersonal dort aufzustocken. Im Gegenteil: Das vorgese-

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Frank Hofmann (Volkach)

hene Sparprogramm von Stoiber und Beckstein sieht fürBayern einen Abbau von 1 500 Beamten vor.

Wir dagegen haben ein Offensive zur Verbesserungder Personal- und Planstellenstruktur beim BGS einge-leitet. Trotz der schwierigen Haushaltslage hat die innereSicherheit bei dieser Koalition höchste Priorität. Neh-men Sie sich an uns ein Beispiel!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU:Lieber nicht!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Das Wort hat der Kollege Dr. Max Stadler, FDP-Frak-

tion.

Dr. Max Stadler (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Diese von der CDU/CSU-Fraktion beantragteAktuelle Stunde hat einen sachlichen Aspekt, den wir alsFDP ausdrücklich teilen, aber auch einen leicht durch-schaubaren politischen Zweck. Der politische Zweck be-steht darin – auch das ist durchaus die Aufgabe einer Op-positionspartei –, zu versuchen, in letzter Zeit verstärkt,Bundesinnenminister Otto Schily als Unsicherheits-minister hinzustellen. Meine Damen und Herren von derCDU/CSU, auch wenn die FDP ebenfalls in Oppositionzu Schily steht – diesen Vorwurf kann man ihm nichtmachen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Sorge ist eher, dass die schwierige Balancezwischen innerer Sicherheit und innerer Liberalität beidiesem Innenminister und dieser Koalition nicht in bes-ten Händen ist.

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, ist sie!)

Ich finde, die heutige Entscheidung des Bundesverfas-sungsgerichts zum großen Lauschangriff sollte uns alleneine Mahnung sein, die Aspekte des Grundrechtsschut-zes in diesem schwierigen Spannungsfeld wieder stärkerzu betonen.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sie haben dasnicht mitgetragen? – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sie waren nicht dabei, Herr Stadler?)

– Die FDP hat es mitgetragen. Ich habe ausdrücklich ge-sagt: Wir alle sollten in diesem schwierigen Spannungs-feld, in dem es darum geht, die innere Sicherheit zu ge-währleisten, ohne dabei die innere Liberalität zuverlieren, versuchen, die Gewichte richtig zu setzen. Siewerden doch wohl nicht bestreiten, Herr Grindel, dassdas unsere Aufgabe ist.

(Beifall bei der SPD)

In der Sache selbst, dass es am Münchner Flughafenoffenkundig Kontrolllücken gegeben hat, die in keinerWeise akzeptiert werden können, hat die Union Recht.Wir haben vor kurzem hier in diesem Hohen Hauseüber das Luftsicherheitsgesetz diskutiert und über die

Frage – da sind wir mit unserer Diskussion noch nichtam Ende –, ob im Extremfall ein Flugzeug sogar abge-schossen werden darf, wenn es als Waffe gegen Men-schen oder Gebäude eingesetzt wird. In der damaligenDiskussion hat Schily zu Recht gesagt: Es kommt imLuftverkehr darauf an, dass die Kontrollen am Bodenoptimal sind. Das schafft Sicherheit und gilt sowohl fürdie Kontrollen beim Einsteigen in ein Flugzeug als auchfür die Einreisekontrollen. Deswegen fordern wir alsFDP: Da dürfen Lücken nicht geduldet werden.

Die Lücken, die hier aufgetreten sind und offenbarauf Organisations- und Personalmängel zurückzuführensind, werfen natürlich weitere Fragen auf. Derselbe Bun-desinnenminister Otto Schily hat auf der letzten EU-Innenministerkonferenz gegen die Haltung der EU-Kommission biometrische Merkmale in Reisepässendurchsetzen wollen, darunter auch Fingerabdrücke. Ichfrage mich, wer denn dann diese Fingerabdrücke kon-trollieren soll,

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Da haben Sie jetzt mal Recht, Herr Stadler!)

wenn jetzt schon die normale Passkontrolle nicht funk-tioniert.

Das führt mich des Weiteren zu einer Schlussfolge-rung – Sie werden mir verzeihen, wenn ich auf einenGrundsatz Bezug nehme, den ich hier für die FDP häufigformuliert habe –: Es kommt für die innere Sicherheit of-fenbar nicht darauf an, dass man ständig neue Gesetzefordert oder neue Gesetze macht, sondern es kommt da-rauf an, dass man bestehende Vollzugsdefizite angeht.

(Beifall bei der FDP – Silke Stokar vonNeuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Richtig!)

Wir brauchen nicht ständig neue Gesetze, sondern wirbrauchen eine optimale finanzielle, technische und per-sonelle Ausstattung der Sicherheitsbehörden und derPolizei. Daran fehlt es offenbar.

In der kurzen Zeit seit Montag – am Montag lief dieentsprechende Fernsehsendung – haben natürlich auchwir versucht, zu recherchieren. In München sind offen-bar 20 Stellen am Flughafen unbesetzt, rein praktisch so-gar 50, am Stuttgarter Flughafen 75;

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aha!)

es gibt nach unseren Informationen in Frankfurt 200 bis250 unbesetzte Dienstposten und es gibt Probleme anden Regionalflughäfen, etwa in Paderborn und Dort-mund.

Ich fordere die Bundesregierung auf, bei der heutigenGelegenheit Stellung zu nehmen, ob dies zutrifft. Wenndas nämlich nur durch Abordnung gelöst werden kann,dann fehlen die abgeordneten Beamten woanders. Auchdas kann nicht richtig sein.

(Beifall bei der FDP)

Wir sollten um optimale Arbeitsbedingungen für un-sere Polizei bemüht sein. Die Aschermittwochsdemons-tration am letzten Mittwoch in Passau, bei der alle drei

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Dr. Max Stadler

Polizeigewerkschaften erstmals gemeinsam beim CSU-Aschermittwoch darauf hingewiesen haben, dass sichauch die Arbeitsbedingungen in Bayern drastisch ver-schlechtern, sollte auch eine Mahnung für uns sein, andieser Stelle nicht nachzulassen.

Insbesondere brauchen wir keine Wasserköpfe. Wirhaben offenbar in vielen Bereichen zu viele Häuptlingeund zu wenig Indianer. Es ist unsere Aufgabe und Auf-gabe der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass sichdies ändert, damit der Bundesgrenzschutz seine Aufga-ben optimal erfüllen kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächste Rednerin ist die Kollegin Silke Stokar,

Bündnis 90/Die Grünen.

Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Scharf-sinnig hat der von mir hoch geschätzte Kollege Stadlererkannt,

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das haben Sienoch nie gesagt, Frau Stokar! – HartmutKoschyk [CDU/CSU]: Oh!)

dass es zu dem eigentlichen Thema der Aktuellen Stunderecht wenig zu sagen gibt. Deswegen nutze auch ich dieGelegenheit, zu betonen: Das war heute ein guter Tag fürdie Bürgerrechte. Wir haben uns über das Urteil desBundesverfassungsgerichtes sehr gefreut,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das den heiß umstrittenen großen Lauschangriff in vielenPunkten für verfassungswidrig erklärt hat.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Andere aber auch für verfassungsgemäß!)

Ich muss um der Wahrheit willen allerdings auch sa-gen: Meine Fraktion war die einzige, die vehement dage-gen gekämpft hat.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Sie haben die sehr sympathische JustizministerinLeutheusser-Schnarrenberger damals auf dem Weg zumgroßen Lauschangriff geopfert. Ich freue mich, dass siemit ihrer Klage jetzt einen späten Sieg errungen hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt komme ich zum Thema. Es gibt wirklich nichtso viel dazu zu sagen. Zu den Berichten über denMünchner Flughafen muss man zu Beginn eines ganzdeutlich machen: Es hat hier Verstöße gegen das Schen-gen-Abkommen gegeben. Kontrolllockerungen sind er-laubt. Kontrollverzichte sind jedoch ein eindeutiger Ver-stoß gegen die Schengen-Bestimmungen. Wir begrüßenin diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass dasBundesinnenministerium umgehend eine Prüfkommis-

sion eingesetzt hat, nachdem sie Kenntnisse von diesenVerstößen erlangt hatte.

Ich möchte auch sagen, dass es für mich wenig nach-vollziehbar ist, wie es möglich ist, dass es im Intranetdes BGS, zugänglich für die gesamte BGS-Führung, zu-mindest die des Grenzschutzpräsidiums Süd, über Wo-chen eine Dokumentation von Kontrollverzichten gibt,die – das weiß jeder BGS-Beamte – rechtswidrig sind,ohne dass die Führung hier ihre Verantwortung wahr-nimmt und eingreift.

Ich teile auch nicht die Auffassung – unbesetzte Plan-stellen haben wir in allen Bereichen der Landespolizei –,dass wir hier ein Problem in Bezug auf die Personal-stärke haben. Wir haben in diesem Bereich ganz offen-sichtlich ein Problem in der Frage des Personalmanage-ments. Man kann es vielleicht mit der Neueröffnung desTerminals 2 auf dem Münchner Flughafen begründen.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist schon länger her!)

– Ihr Einwand ist richtig. Deswegen verstehe ich über-haupt nicht, wie Sie den BGS trotz eines solchen Verhal-tens hier so pauschal loben können.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Weil die Mehrheit ordentliche Arbeit macht!)

Es ist natürlich nicht zu loben, dass es die zuständigeFührung in diesem Flughafen über Wochen geduldet hat,dass gegen den Verzicht auf Kontrollen, wodurch gegendas Schengen-Abkommen verstoßen wurde,

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das stimmt!)

nicht vorgegangen wurde und dass er im Intranet doku-mentiert wurde.

Ich denke, die Frage, wie viele Abordnungen desBGS es in diesem Zeitraum zur Unterstützung der baye-rischen Landespolizei gegeben hat, ist ebenfalls wichtig.Diese würde ich gerne an Herrn Beckstein richten.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ganz wenige!)

Als Beispiele nenne ich Großeinsätze, die Unterstützungbei Fußballspielen usw. Ich denke, wir sollten dies zumAnlass nehmen – ich habe das hier in anderen Zusam-menhängen bereits gesagt –, darauf zu achten, dass sichder BGS auf seine grenzpolizeilichen Kernaufgabenkonzentriert. Wir sollten den Mut haben, den Ländernmitzuteilen, dass die Dauerabordnungen zur Unterstüt-zung der Landespolizei keine Bundesaufgabe sind.

(Beifall des Abg. Josef Philip Winkler[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und der Abg.Ute Kumpf [SPD])

Ich erinnere an unseren Landkreis Lüchow-Dannen-berg. Hier hat kein Mensch Verständnis dafür, dass derniedersächsische Innenminister Schünemann die Lan-despolizei in der Fläche ausdünnt und gleichzeitig derBGS einschreitet, um die fehlenden Streifen zu ersetzen.

Ich denke, der BGS gehört an die Flughäfen. Dort hater seine Arbeit zu erledigen. Das Personal dafür ist vor-

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Silke Stokar von Neuforn

handen. Ich erwarte, dass es dort, wo es hingehört, aucheingesetzt wird.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Das Wort hat der Kollege Thomas Strobl, CDU/CSU-

Fraktion.

Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Es ist bekannt: Der Bundesinnenminister lässt keineGelegenheit aus, sich wegen seiner so hervorragendenPolitik im Bereich der inneren Sicherheit zu loben.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Showman!)

Die Realität sieht aber leider anders aus. Es fehlt vor al-lem an Taten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es zieht sich wie ein roter Faden durch diese rot-grüneBundesregierung: große Überschriften, große Sprüche,aber wenige Taten.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das trifft uns jetzt hart!)

Der Bundesinnenminister legt Sätze wie Eier; aber ervergisst, sie auszubrüten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Realität ist folgendermaßen: Seit einigen Tagenwissen wir, dass bei den Personenkontrollen am Flug-hafen München eindeutige Sicherheitslücken bestehen,weil der BGS nicht genügend Personal hat, um die er-forderlichen Einreisekontrollen zu gewährleisten. Ichmöchte klar sagen: Der Fehler liegt nicht beim BGS oderbei den anderen Sicherheitsorganen. Die Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter des BGS und der anderen Sicher-heitsbehörden machen einen schweren und hervorragen-den Job. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchteich den Polizeien und dabei insbesondere den Polizei-beamtinnen und Polizeibeamten des BGS auch an dieserStelle unseren Respekt und unsere Anerkennung für ihreArbeit aussprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das glaubtIhnen niemand!)

Typisch ist jedoch, wie Rot-Grün und auch das Bun-desinnenministerium reagieren.

(Sebastian Edathy [SPD]: Ich dachte, wir tun nichts!)

Mir liegt eine Meldung von „Spiegel online“ vor. Dieswar auch anderswo nachzulesen. Herr Kollege, dasklingt etwas anders als das, was Sie hier vorgetragen ha-ben: „Bundesregierung räumt Sicherheitsmängel ein“.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Haben wir doch auch getan!)

So war es auch. Ein offizieller Ministeriumssprecherräumte die Mängel zunächst ein. Danach wurde wider-sprochen. Der Kollege von der SPD-Fraktion kommtdann hierher und sagt, dass doch eigentlich alles in Ord-nung ist. Ich kann nur sagen: Das ist das blanke Chaos.Die Dosen-Maut-Helden Trittin und Stolpe sind nichtweit.

(Sebastian Edathy [SPD]: Was haben das Do-senpfand und die Maut mit dem BGS und demMünchner Flughafen zu tun?)

Im Übrigen: Der Bundesinnenminister hat personelleKonsequenzen angedroht. Ich würde wirklich gerne ein-mal zusammenzählen. Die Zahl der Beamten, die unterder politischen Führung dieses Bundesinnenministersund unter politischen Fehlentscheidungen und Versäum-nissen zu leiden haben

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Na! –Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Dasglauben Sie doch alles selbst nicht!)

und die dafür den Kopf hinhalten müssen, steigt jedeWoche. Der Herr Bundesinnenminister wird mit seinemStaatssekretär irgendwann allein im Innenministerium inMoabit sitzen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei derSPD – Sebastian Edathy [SPD]: Besser als mitIhnen im Ausschuss!)

Vor dieser Vorstellung graust selbst dem Herrn Staats-sekretär Körper.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Unfug!)

Wir führen im Augenblick eine Debatte über die Neu-regelung unseres Zuwanderungsrechtes. Rot-Grün, vorallem der grüne Teil dieser Koalition, möchte mehr Zu-wanderung in unser Land, die Union eine restriktivereZuwanderungspolitik. Darüber streiten wir. Ich stelle mirnur die Frage, ob es eigentlich sinnvoll ist, sich de legeferenda darüber im Rahmen eines Vermittlungsverfah-rens zu unterhalten, wenn nebenbei durch Verwaltungs-vorschriften und Runderlasse, durch eine laxe Verwal-tungspraxis und eine schludrige Kontrollpraxis aufkaltem Wege dafür gesorgt wird, dass mehr Zuwande-rung in unser Land stattfindet.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)

Im Übrigen entsteht der Eindruck: Es ist völlig egal,wer in unser Land kommt.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Stillos ist das, was Sie machen!)

Das ist unter Sicherheitsgesichtspunkten eine Katastro-phe.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wem nützen Einreisegesetze, wenn sie nachlässig odergar nicht umgesetzt werden? Wem nützen Visaregelun-gen und Regelanfragen bei der Ausländerbehörde, wennin deutschen Botschaften auf Erlass des Außenministeri-ums sowieso jeder ein Visum bekommt, ohne dass

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Thomas Strobl (Heilbronn)

vorher genau geprüft wird, ob überhaupt eine Berech-tigung vorliegt?

(Sebastian Edathy [SPD]: Das ist doch Un-sinn! – Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]:Das Thema hatten wir doch schon!)

Wozu haben und brauchen wir Gesetze zur Verbesse-rung der inneren Sicherheit, wenn Terrorgruppen oderderen Sympathisanten mehr oder weniger ungehindert inunser Land eingeschleust werden können, weil die Be-hörden bzw. das Auswärtige Amt und das Innenministe-rium offensichtlich kein gesteigertes Interesse daran ha-ben, Einreisende überhaupt zu überprüfen, geschweigedenn zu verhindern, dass diese Leute gefasst bzw. an derEinreise nach Deutschland gehindert werden?

(Sebastian Edathy [SPD]: Abenteuerlich, was Sie erzählen!)

Wir haben in dieser Debatte und in diesem Parlamentnoch nicht ausreichend über den verantwortungslosenLeichtsinn gesprochen, der im Zusammenhang mit dermassenhaften und ungeprüften Erteilung von Visa durchdie Botschaft in Kiew zutage getreten ist.

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Wir haben eine ganze Stunde darübergeredet!)

Offensichtlich sind hier über einen langen Zeitraum Hin-weise der Sicherheitsbehörden ignoriert worden. Wirwerden darüber noch sehr viel länger zu reden haben,Herr Kollege Volmer. Sie persönlich tragen zusammenmit dem Herrn Außenminister Fischer ein gerütteltesMaß an Verantwortung dafür,

(Beifall bei der CDU/CSU)

dass Tausende, ja Hunderttausende Illegale, Kriminelle,Prostituierte, Schwarzarbeiter und auch Terroristen indieses Land einreisen konnten.

(Ute Kumpf [SPD]: Millionen! Jetzt übertrei-ben Sie!)

Aus dieser Verantwortung werden wir Sie nicht entlas-sen.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Machen Sie Schluss!)

Der Bundesinnenminister sollte nicht zum Bundesbe-schwichtigungsminister werden. Reden Sie nicht, son-dern handeln Sie, bevor Schlimmeres passiert und bevores zu spät ist!

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – MichaelHartmann [Wackernheim] [SPD]: Kein Wortzur Sache!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächster Redner ist der Kollege Hans-Peter Kemper,

SPD-Fraktion.

Hans-Peter Kemper (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nachdem ich die Rede des Kollegen Strobl gerade ge-hört habe, bin ich schon ein bisschen überrascht.

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Er kritisiert hier Dinge, die sicherlich kritisiert werdenmüssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

– Danke für den Applaus. Sie müssen aber zunächst ein-mal eine saubere und ehrliche Analyse abliefern. Dazusind Sie ganz offensichtlich nicht bereit. Darauf kommeich gleich noch zu sprechen.

Es wird von uns überhaupt nicht bestritten, dass es amFlughafen in München Missstände beim Bundesgrenz-schutz gegeben hat. Das hat weder der Kollege Hofmannnoch sonst jemand von uns beschönigt; dazu stehen wir.Bei 127 Flügen ist die notwendige Kontrolle unterblie-ben. Dabei sage ich ganz deutlich: Es ist völlig unerheb-lich, ob es Ferienflieger oder Flieger aus irgendwelchengefährlichen oder verdächtigen Ländern sind. Das istnicht zu entschuldigen. Das sind massive Dienstpflicht-verletzungen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Da könnt ihrruhig mitklatschen! – Gegenruf des Abg.Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Zu-hören!)

Es hat nicht nur durch die Kollegen und Beamten vorOrt erhebliche dienstliche Verletzungen gegeben, son-dern es hat auch ganz erhebliche Mängel in der Dienst-aufsicht gegeben. Dazu sage ich Ihnen: Das darf nichtbeschönigt werden; das hat niemand getan. Auch das In-nenministerium hat dies nicht getan. Es hat bereits per-sonelle Konsequenzen gegeben. Der Amtsleiter wurdesuspendiert und auch der Inspektionsgruppenleiter wirdzur Verantwortung gezogen. Hier wird überhaupt nichtsbeschönigt und verschleiert. Aber wenn Sie hier tränen-reich den angeblichen Personalmangel in München undBayern bejammern, dann sage ich Ihnen: Auch durchständiges Wiederholen wird das nicht wahrer, HerrStrobl.

Bei der Eröffnung des Terminals 2 sind zusätzlich300 Beamte zum Flughafen München versetzt worden.Weitere 30 Beamte sind im Juni dazugekommen.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Stel-len! – Dr. Max Stadler [FDP]: Die Beamtenfehlen!)

– Nicht Stellen. Das zeigt, dass Sie sich nicht schlau ge-macht haben.

(Sebastian Edathy [SPD]: Wie immer!)

Die Stellen mögen fehlen, die Köpfe sind da. Es ist einUnterschied, wenn jemand abgeordnet und dort nicht ge-führt wird. Als Arbeitskraft ist er da. Es fehlt niemand inMünchen.

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Hans-Peter Kemper

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Haben die Skat gespielt, statt zu kontrollieren?)

Sie müssen sich erst einmal schlau machen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unterstellt, es würden wirklich 20 oder 30 Leute feh-len: Das Grenzschutzpräsidium Süd verfügt über7 000 BGS-Bedienstete. Wollen Sie uns wirklich weis-machen, dass es nicht möglich gewesen wäre, im inter-nen Austausch diese Lücken zu schließen? Das gibt esüberhaupt nicht.

Sie wissen, dass ich über 30 Jahre lang selbst Polizei-beamter gewesen bin. Die Personalfrage war immer einProblem bei der Polizei. Es sollte immer mehr Personalgeben. Ich glaube, es geht Ihnen gar nicht darum. Hierist zeitnah gehandelt worden. Das Personal ist da. Esgeht Ihnen um etwas ganz anderes – das ist gerade beider Rede des Kollegen Strobl deutlich geworden –:

(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Wohl wahr!)

Sie versuchen, die Sicherheitsarchitektur in der Bundes-republik infrage zu stellen und schlechtzureden. Daswird bei der Verquickung mit dem Volmer-Erlass deut-lich, der damit nichts zu tun hat. Sie scheuen sich nochnicht einmal, die Maut oder das Dosenpfand in diesemZusammenhang in die Diskussion zu bringen.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]:Überall das gleiche Chaos! – HartmutKoschyk [CDU/CSU]: Chaos überall!)

Das ist sehr durchsichtig. Es wird Ihnen nicht gelin-gen, die innere Sicherheit in der Bundesrepublikschlechtzureden. Ihr Versuch ist nicht neu. Sie haben dasoft versucht, aber es ist Ihnen nie gelungen. Das kann Ih-nen auch gar nicht gelingen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wir haben einen hervorragenden Innenministerund einen guten Staatssekretär. Das ist keine Frage. Aberwas noch viel wichtiger ist: Wir haben in dieser Koali-tion gute Innenpolitiker.

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Man müsste mal nach der Kompetenz fragen!)

Diese Innenpolitiker gehen Mängeln nach. Deswegen istdie Innenpolitik in dieser Koalition in guten Händen.

Es geht hier um ein regional begrenztes Fehlverhaltenim Süden unserer Republik. Das ist durch eine Kombi-nation von Leistungsverweigerung und fehlenderDienstaufsicht möglich geworden. Die Konsequenzenwerden gezogen. Aber ich will auch ganz deutlich sagen:Polizei und Bundesgrenzschutz liefern gute Arbeit ab.Sie arbeiten motiviert und engagiert, oft unter Zurück-stellung ihrer persönlichen Belange.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie sorgen dafür, dass die innere Sicherheit bei uns in derBundesrepublik in Ordnung ist. Sie haben es nicht ver-

dient, niedergemacht oder angemacht zu werden. Das istmit uns nicht zu machen und das werden wir nicht zulas-sen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. ClemensBinninger [CDU/CSU])

Sie haben erfolgreich gearbeitet. In den Jahren 2000 bis2003 sind über 100 000 unerlaubt Eingereiste festge-nommen und zurückgewiesen worden. Davon waren30 000 Personen, die geschleust worden sind. Es sindüber 8 000 Schleuser festgenommen worden. Das isteine Erfolgsstory, die für sich spricht.

Wir haben ein höchstmögliches Maß an Sicherheit.Dass es hundertprozentige Sicherheit nicht gibt, wissenwir alle. Wenn dem so wäre, wäre das Leben nicht mehrlebenswert. Wir haben eine gute Balance zwischen per-sönlicher Freiheit und innerer Sicherheit garantiert. Da-ran werden wir weiter arbeiten. Wir werden uns in dieserFrage auch nicht von der CDU/CSU beeinflussen lassen.

Wenn Sie vernünftige Innenpolitik und innere Sicher-heit wollen, dann arbeiten Sie mit uns zusammen. Aberunterlassen Sie unnötige Anwürfe! Die sind nicht glaub-würdig und die nimmt Ihnen keiner ab.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Silke Stokar von Neuforn[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machenwir lieber alleine! Die brauchen wir nicht!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Der nächste Redner ist der Kollege Ralf Göbel, CDU/

CSU-Fraktion.

(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Aber jetzt etwas Polizeifachliches!)

Ralf Göbel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! In einer Rede im Deutschen Bundestag am11. Oktober 2001 führte Bundesminister Otto Schilyaus:

Sicherheitssysteme dürfen nicht so aufgebaut sein,dass nach dem Versagen der ersten Stufe auch diezweite nicht funktioniert. Die verbrecherischen An-schläge in New York und in Washington warennicht mehr zu verhindern, als sich die Flugzeugeauf das World Trade Center und auf das Pentagonzubewegt haben. Sie wären zu verhindern gewesen,wenn bei der Fluggastkontrolle und auf anderenGebieten einige andere Möglichkeiten genutzt wor-den wären.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aha!)

Heute haben wir leider Veranlassung, im DeutschenBundestag über diese fehlenden Kontrollen zu debattie-ren.

Die Europäische Union hat mit dem Schengen-Acquis, dem die europäischen Staaten beigetreten sind,einen europäischen Sicherheitsstandard definiert, an densich die Mitgliedstaaten zu halten haben. Im Einzelnen

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Ralf Göbel

heißt es, dass alle Personen zumindest einer solchenKontrolle zu unterziehen sind, die die Feststellung ihrerIdentität anhand der Reisepapiere ermöglicht. Von einerAusnahme, nach der nur bestimmte Personen zu kontrol-lieren sind, ist im Schengener Durchführungsüberein-kommen nicht die Rede. Im Gegenteil: Nach diesemÜbereinkommen ist das sogar ausgeschlossen.

Mit dem Vorkommnis, über das wir heute diskutieren,hat Deutschland eindeutig gegen die europäischen Si-cherheitsvorschriften verstoßen, und zwar deswegen,weil die personellen Voraussetzungen für die Einhaltungder europäischen Normen offensichtlich nicht gegebensind. Nach verschiedenen Pressemeldungen fehlen amFlughafen München mehr als 60 BGS-Beamte. NachGewerkschaftsangaben, die auch im Internet nachzule-sen sind, sollen auch an anderen deutschen Flughäfenzum Teil erhebliche Personallücken bestehen. Ich kanndas von hier aus nicht nachvollziehen.

Defiziten in dieser Größenordnung kann auch durcheine flexible Dienstplangestaltung vor Ort nicht begeg-net werden. Hier ist vielmehr eindeutig eine politischePriorisierung der Personalverteilung notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen ist es aus meiner Sicht zu kurz gesprungen,die Verantwortung vom Bundesinnenminister auf die lo-kale Ebene zu delegieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)

Bei diesen Verstößen frage ich mich, wie wir auf eu-ropäischer Ebene insbesondere von den neuen Beitritts-ländern, die künftig unsere Ostgrenze bilden, ernst ge-nommen werden wollen. Wie wollen wir diesen Ländernklar machen, dass sie den Schengen-Standard erfüllensollen, wenn wir selber in personeller Hinsicht nicht inder Lage sind, diesen Standard zu gewährleisten? Vonder Technik bzw. dem Digitalfunk will ich in diesem Zu-sammenhang gar nicht reden.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Obwohl es Thema ist!)

Was den Bundesinnenminister angeht, bin ich etwasanderer Auffassung als der Kollege Stadler. Ich will auchnicht schlechtreden,

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das geht ja auch nicht!)

was der Kollege Kemper dargestellt hat. Ich will nur da-rauf hinweisen, dass sich der Bundesinnenminister ausunserer Sicht innerhalb der Bundesrepublik Deutschlandlangsam zu einem Problem entwickelt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)

Nehmen wir nur den Umzug des BKA, bei dem in völligunprofessioneller Weise gehandelt worden ist und eineder wichtigsten Sicherheitsbehörden der Bundesrepubliküber Wochen und Monate lahm gelegt wurde,

(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Hofmann[Volkach] [SPD]: Die arbeiten! – Michael

Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Reden Siedas BKA nicht schlecht!)

ganz abgesehen von dem arroganten Umgang mit denInnenministern der Länder.

Wenn es noch eines weiteren Beweises bedurft hätte,so ist er mit der SMS-Fahndung erbracht worden.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ja! – HartmutKoschyk [CDU/CSU]: Schily sucht per SMSZustimmung bei der Koalition!)

Wie geht der Bundesinnenminister mit seinen Länder-kollegen um? Wie geht er mit Ihnen um? Sie wussten jaauch nichts. Herr Tauss hat sich dazu hinreißen lassen,von „Blockwartmentalität“ zu reden. Ich teile diese Auf-fassung des Kollegen Tauss nicht. Ich halte aber das Vor-gehen des Ministers in dieser Frage für genauso arrogantwie seinen Umgang mit dem Bundeskriminalamt. DiesesVerhalten des Ministers ist vor allem im Umgang mitden Ländern schädlich, die für die innere Sicherheit ge-nauso Verantwortung tragen wie der Bund.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin der Auffassung, dass wir uns bei der derzeit an-gespannten Sicherheitslage solche Mätzchen nicht län-ger leisten können.

Ich will abschließend aus der „Welt am Sonntag“ vom22. Februar 2004 zitieren. Darin wird kolportiert:

Jeden Morgen lässt sich BundesinnenministerSchily die Positionen seiner Patrouillenboote mit-teilen.

Ich meine, das wird sicherlich dann wichtig werden,wenn die Koalition unserem Antrag zur Schaffung einernationalen Küstenwache zugestimmt hat.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das ist jetzt aberein weiter Weg vom Flughafen München biszur Ostsee!)

Bis dahin aber, meine ich, ist es für die Sicherheitslageder Bundesrepublik wichtiger, dass sich BundesministerSchily mit den täglichen Stärkemeldungen des BGS be-schäftigt und die erkannten Defizite dann durch entspre-chende Personalzuweisungen korrigiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Erst dann bringt er sein Reden und Handeln wieder inetwa in Kongruenz.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Das Wort hat der Kollege Dr. Ludger Volmer, Bünd-

nis 90/Die Grünen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Schleuser, Schlep-per, Bauernfänger!)

Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anders

als Herr Strobl gerade behauptet hat, hat sich das Parla-

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Dr. Ludger Volmer

ment sehr wohl mit den Vorgängen an der Botschaft inKiew, mit dem Schleuserprozess in Köln und mit der Vi-sumreform des Auswärtigen Amtes auseinander gesetzt.Herr Strobl, wären Sie in der Fragestunde anwesend ge-wesen, hätten Sie eine Stunde lang dieses Thema verfol-gen können und hätten Ihre völlig unsinnigen Behaup-tungen unterlassen; denn das Auswärtige Amt hat geradealle unqualifizierten Anschuldigungen überzeugend zu-rückgewiesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen zusagen – hören Sie gut zu! –, welches Motiv es für die Vi-sumreform des Auswärtigen Amtes gab. Als ich 1998Staatsminister im Auswärtigen Amt wurde, habe ich ei-nen ganzen Stapel an Beschwerden, und zwar auch vonAbgeordneten Ihrer Fraktion,

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört! Hört!)

die heute anwesend sind, vorgefunden, in denen darumgebeten wurde, bestimmte ablehnende Visumbescheidenoch einmal zu überprüfen, weil es hier zu unzulässigenHärten gekommen sei. Die damalige Weisungslage warvon Innenminister Kanther und Außenminister Kinkelgebilligt worden. Ich möchte Ihnen an drei Einzelfällendeutlich machen, wie Sie entschieden haben.

Erster Fall: Ein Mann aus Nordafrika, der einen Ge-hirntumor hatte, wollte sich in Deutschland operierenlassen. Er hatte bereits einen Operateur an einer deut-schen Universitätsklinik gefunden. Er musste in Alge-rien einen Papierkrieg führen, um nachzuweisen, dass errückkehrbereit ist und dass er seinen Aufenthalt inDeutschland finanzieren kann. Obwohl er alle notwendi-gen Unterlagen beigebracht hatte, wurde er wochenlanghin und her geschickt. Zum Schluss sollte er eine Garan-tieerklärung des operierenden Chefarztes einer deut-schen Universitätsklinik beibringen, dass die Gehirnope-ration auf keinen Fall den Betrag übersteigt, der ihm perBürgschaft zugesichert worden ist. Da er eine solche Er-klärung nicht beibringen konnte, bekam dieser Mannkein Visum. Er sollte also an seinem Gehirntumor ster-ben. So sah die Weisungslage von Kinkel und Kantheraus. Dies war unser Motiv, eine gründliche Reform desVisumwesens vorzunehmen, und zwar auf Drängen desMenschenrechtsausschusses des Deutschen Bundesta-ges.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU – Manfred Grund [CDU/CSU]: Blöd-sinn! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Washaben Sie gemacht?)

– Ich habe um Überprüfung gebeten. Der Mann hat seineOperation bekommen.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Und dann?)

Zweiter Fall: Eine deutsche Touristin verliebte sich inAsien, lebte dort mit einem Asiaten zusammen, wurdeschwer krank und musste nach Deutschland zurückkeh-ren. Der Asiate begleitete sie und pflegte die todkranke

Frau aufopferungsvoll. Schließlich musste er aber aus-reisen, weil sein Visum abgelaufen war, und durfte nichtwieder einreisen. Ergebnis: Die todkranke Frau warohne Pflege in ihrer Wohnung. So sah die Weisungslagevon Kinkel und Kanther aus. Auch diese Entscheidunghaben wir überprüft. Ich habe wirklich Schwierigkeiten,im Zusammenhang mit diesen Fällen, von denen es nochmehr gibt, den Begriff „Menschenrechtsverletzung“ zuvermeiden.

Dritter, ganz absurder Fall, der aber leider auch Reali-tät ist: Einer der besten russischen Violinisten war vonden Münchner Symphonikern zu einem öffentlichenKonzert eingeladen worden. Er kam zu spät, weil ernicht rechtzeitig sein Visum erhalten hatte. Hier bestandalso wirklich Reformbedarf.

Wir haben aber nur Reformen in dem Bereich vorge-nommen, für den ausschließlich das Auswärtige Amt zu-ständig ist, nämlich bei den Besuchervisa. Hier habenwir den Ermessensspielraum so geändert, dass solchegruseligen bzw. absurden Fälle nicht mehr vorgekom-men sind. Diese Visumreform war absolut überfällig. Sieist vom Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bun-destages einstimmig, also mit den Stimmen von CDUund CSU, gebilligt worden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Selbstverständlich gab es Anfragen des Innenministe-riums. Das ist auch völlig in Ordnung; denn das Innen-ministerium muss ein und denselben Sachverhalt immeraus einem anderen Blickwinkel betrachten als das Au-ßenministerium. Die unterschiedlichen Sichtweisen die-ser beiden Ministerien müssen immer wieder abgegli-chen werden. Wenn ein Haus eine Reform vornimmt,dann ist klar, dass man sich mit dem anderen Haus insBenehmen setzt. Wir haben dies in gutem Einvernehmengetan.

Wir arbeiten an der Errichtung eines modernenGrenzmanagementsystems, das einen reibungslosen undunbürokratischen internationalen Austausch, den wir ausaußenpolitischen, außenwirtschaftlichen, interkulturel-len und touristischen Gründen dringend brauchen,ermöglicht und das dafür sorgt, dass Menschenrechtsver-letzungen, wie sie vorher vorgekommen sind, unterlas-sen werden. Auf der anderen Seite muss die Arbeit ef-fektiver werden, sodass die Schurken – also diejenigen,die illegal einreisen wollen, oder diejenigen, die hierStraftaten begehen wollen – herausgefiltert werden.

Um das Letzte zu gewährleisten, wäre es wirklichsinnvoll – auch das ist die Aufgabe und ist die Ver-antwortung des Parlaments –, dass wir im jetzigenHaushaltsverfahren einen Beschluss fassen, den wirschon einmal gefasst haben, nämlich dass die Personen-gruppe der Konsularbeamten von der linearen Stellen-kürzung im Bundeshaushalt ausgenommen wird. DieVisastellen sind unterbesetzt. Man ist auch baulich teil-weise überhaupt nicht mehr in der Lage, den Ansturmzu bewältigen. Man brauchte zum Beispiel Geld dafür,um neue Liegenschaften kaufen zu können. Sie selbstsind gefordert – Sie haben teilweise zu Recht einige

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Dr. Ludger Volmer

Fehlentwicklungen kritisiert –, im Haushaltsverfahrendafür zu sorgen, dass ein modernes Grenzmanagement-system möglich wird und dass das Auswärtige Amt so-wie unsere Visastellen die notwendigen Mittel zur Verfü-gung haben.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ach, jetzt sind wir schuld!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl, CDU/

CSU-Fraktion.

Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Eigentlich wollte ich zum Thema „Einreisenaufgrund von Kontrolllücken an deutschen Flughäfen“reden. Zum Ende seiner Rede hat der mittlerweile entlas-sene Staatsminister Volmer

(Sebastian Edathy [SPD]: „Entlassene“?)

das Beispiel mit den Münchner Symphonikern gebracht.Dazu muss ich schon sagen: Das darf ja wohl nicht wahrsein. Herr Volmer, wollen Sie uns allen Ernstes weisma-chen: Weil ein Musikant nicht rechtzeitig nach Münchengekommen ist, müssten wir die Visabestimmungen soerleichtern, dass 1 Million Ukrainer nach Deutschlandkommen konnten?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU undder FDP – Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nur ein Beispiel vonvielen Absurditäten! Ich könnte Ihnen nochzig weitere Beispiele nennen!)

Sind Sie noch ganz bei Trost, Herr Volmer? Daran er-kennt man doch auch den Grund, meine lieben Kollegenvon der SPD, für Ihre Betroffenheit und für die Art, wieSie dasitzen. Sie merken plötzlich, was dieser einwande-rungspolitische Triebtäter angerichtet hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU –Widerspruch bei der SPD und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Edathy[SPD]: „Triebtäter“! Das möchte ich wieder-holen! Das ist eine unglaubliche Beleidigung!Wollen Sie sich für diesen Begriff nicht ent-schuldigen? – Ute Kumpf [SPD]: Kein Wun-der, dass Sie bei so viel Intoleranz kein OB inMünchen geworden sind! – Michael Hartmann[Wackernheim] [SPD]: Demagoge!)

Das ist doch der Punkt, nicht wahr? Sie merken es plötz-lich: Es ist gut, dass er entlassen worden ist. Ein einwan-derungspolitischer Triebtäter, nichts anderes ist er!

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ludger Volmer[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind einfanatischer Ausländerfeind!)

Herr Wiefelspütz, Sie werden an Ihren Taten gemes-sen. Da nützt es gar nichts, dass der Innenminister Schily

martialisch vor jede Kamera tritt und sagt: Ich werde je-den Illegalen und jeden Kriminellen eigenhändig inHandschellen in die Haftanstalten führen. In Wahrheitkommt 1 Million nach Deutschland. Die Mehrzahl vonihnen

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: „Die Mehrzahl“? Sie sind ein fanati-scher Ausländerfeind!)

– Herr Volmer, das wissen Sie genauso gut wie ich – sindbestenfalls Schwarzarbeiter und viele sind Kriminelle.Frau Kollegin von den Grünen, viele von den Frauensind zwangsweise nach Deutschland verschleppte Prosti-tuierte. Zurzeit gibt es einen ganz prominenten Fall, denSie alle kennen. Es kamen Kriminelle, ja sogar Terroris-ten. Dennoch sagen Sie: Wo gehobelt wird, da fallenSpäne; daran kann man nichts ändern.

(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Wer sagt das denn? Sie sagen das!)

Sie sind mit dieser Politik – grinsen Sie nicht so, HerrVolmer! – ein Sicherheitsrisiko für Deutschland gewor-den. Das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy [SPD]: Was bilden Sie sich eigentlich ein?)

Das ist nun einmal das Credo grüner Einwanderungs-politik. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die rot-grüne Regierungspolitik.

(Sebastian Edathy [SPD]: Sie sind Ideologe, Herr Kollege! Das ist sehr bedauerlich!)

Sie sagen: Das Boot ist noch nicht voll.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Hartmann[Wackernheim] [SPD]: Nein, Herr Becksteinsagt das!)

Sie sagen: Im Zweifelsfall für die Reisefreiheit! Außer-dem sagen Sie – ich bitte Herrn Stadler, darauf nichthereinzufallen – in dubio pro libertate. Sie benutzen einesolche Formulierung, obwohl Sie genau wissen, dass esum organisierte Kriminalität, um miesesten, finsterstenMenschenhandel,

(Sebastian Edathy [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

um international organisiertes Schleusertum geht. Esgeht um eine Art von Kriminalität, mit der eine Personam Tag – so hat es jemand im Schleuserprozess ausge-sagt – mindestens 15 000 Euro verdient. Herr Volmer,Sie haben die Geschäftsgrundlage dafür geschaffen.Wissen Sie, was Sie sind? – Sie sind Mittäter bei dieserForm von Kriminalität.

(Sebastian Edathy [SPD]: „Mittäter“ und „Trieb-täter“, jetzt wird es aber immer besser!)

Sie sind ein Mittäter im strafrechtlichen Sinne.

Der Kölner Richter hat Recht – wir werden das Urteilja bald bekommen –: Nicht nur die Schleuser, sondernauch so einer wie Ludger Volmer gehört auf die Ankla-gebank.

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Dr. Hans-Peter Uhl

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –Widerspruch bei der SPD und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Edathy[SPD]: Das ist ja unglaublich! Jetzt reicht esaber!)

Das alles werden wir auch noch erleben.

Sie werden auch in Brüssel erklären müssen, warumSie für diesen rechtsbeugenden Erlass gesorgt haben.

(Sebastian Edathy [SPD]: Ungehörig, was Sie da sagen!)

– Hören Sie doch zu!

(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Ih-nen zuhören? Schwer möglich! Nehmen Sieerst einmal den Schaum vom Mund!)

Wenn Sie Jura studiert haben, dann müssen Sie verste-hen, worüber ich jetzt rede.

In dem Erlass ist eine Beweislastumkehr vorgenom-men worden. Das ist contra legem. Das europäischeRecht sagt: Der Ausländer muss überzeugend darlegen,dass er wirklich als Tourist einreisen und als solcher in-nerhalb von drei Monaten wieder ausreisen will. Was ha-ben Sie zynischerweise in den Volmer-Erlass hineinge-schrieben? – Der Beamte in der Botschaft ist es, derbeweisen soll, was er niemals beweisen kann, nämlichdass der Ausländer innerhalb von drei Monaten nichtwieder ausreist und in Wirklichkeit nicht als Tourist,sondern als Schwarzarbeiter nach Portugal, Deutschlandoder Spanien einreisen will. Das haben Sie hineinge-schrieben. Das ist Zynismus.

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Sie sind ein fanatischer Rechtsradika-ler!)

Als die Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Kiewgesagt haben: „Wir saufen ab; Auswärtiges Amt, gib unsPersonal, gib uns mehr Entscheider“,

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Sie reden wie Schönhuber!)

haben Sie erwidert: Nein, das kriegen Sie nicht; wir wol-len ja nicht, dass so genau geprüft wird. Wir wollennicht, dass am Münchner Flughafen so genau geprüftwird; kein Personal für den BGS. Wir wollen nicht, dassdie Visaanträge so genau geprüft werden; kein Personalfür die Botschaft in Kiew. – Das ist Ihre Linie. GlaubenSie ja nicht, dass die Menschen so blöd sind, das nicht zuerkennen! Sie werden an Ihren Taten gemessen. HerrSchily muss sich dafür rechtfertigen und sagen, warumer diese Taten zugelassen hat

(Sebastian Edathy [SPD]: Das ist ja nicht zu glauben!)

und wie sich die Verschärfungen der Visabestimmungennach den Terroranschlägen zu dem Treiben dieser Leuteverhalten. Das ist die ganz große Frage. Wir werdenkeine Ruhe geben, bis das schonungslos aufgedeckt ist.Sie werden dann hoffentlich an unserer Seite sein undnicht bei diesem Herrn Ludger Volmer.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy[SPD]: Das ist ja nicht zu glauben! Ist der Be-griff „Triebtäter“ jetzt parlamentarisch gewor-den? – Gegenruf von der CDU/CSU: Und derBegriff „Rechtsradikaler“? – Zuruf von derSPD: Auf einen groben Klotz gehört ein gro-ber Keil!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Das Wort hat der Kollege Michael Bürsch, SPD-Frak-

tion.

Dr. Michael Bürsch (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Uhl, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, haben SieJura studiert. Wenn das so ist, dann braucht man Sie nurauf die einschlägigen Straftatbestände der üblen Nach-rede und der Verleumdung hinzuweisen, um zu definie-ren, was Sie mit dem Kollegen Volmer gemacht haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schon beispiellos, wie Sie dieses Thema behandelnund wie Sie Kollegen verunglimpfen, die das in sachli-cher Form und mit einem Engagement, das man als Ab-geordneter haben darf, dargestellt haben. So viel Münch-ner Beton haben wir im Innenausschuss zum Glück nichtmehr. Dafür sind wir dankbar, Herr Uhl.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Na, na!)

Vielleicht kann ich zur Versachlichung beitragen. Dasist etwas, was in der Politik häufiger geschehen sollte.Herr Uhl, Herr Strobl und andere, schauen wir doch ein-mal ins Gesetz! Die Kenntnis des Gesetzes und derGrundlagen des Gesetzes erspart manche nicht so licht-vollen Ausführungen. Worüber reden wir? Herr Uhl, wirreden über das Schengener Abkommen. Dazu gibt es einDurchführungsübereinkommen. Das ist vom 19. Juni1990. In Art. 6 heißt es:

Der grenzüberschreitende Verkehr an den Außen-grenzen unterliegt der Kontrolle durch die zuständi-gen Behörden. Diese wird nach einheitlichenGrundsätzen, in nationaler Zuständigkeit … durch-geführt. …

Alle Personen sind zumindest einer solchen Kon-trolle zu unterziehen,

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Alle!)

die die Feststellung ihrer Identität anhand der vor-gelegten oder vorgezeigten Reisepapiere ermög-licht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Exakt!)

Dann heißt es allerdings – bitte weiterlesen! –:

Können solche Kontrollen wegen besonderer Um-stände nicht durchgeführt werden, sind Schwer-punkte zu setzen.

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Dr. Michael Bürsch

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ach, Sierechtfertigen den Kontrollverzicht? – WeitereZurufe von der CDU/CSU)

Das zum Beispiel ist möglich.

Weiter heißt es:

Die Vertragsparteien verpflichten sich, geeigneteKräfte in ausreichender Zahl für die Durchführungder Kontrollen und die Überwachung der Außen-grenzen zur Verfügung zu stellen.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Was heißt das jetzt?)

Bitte schön! Was ist Faktum? Was hat das Innenmi-nisterium dazu bereits gesagt? Dazu bedurfte es keinerAktuellen Stunde in diesem Hohen Hause. Was hat dasInnenministerium dazu schon gesagt? Alles das könnenSie nachlesen. Das ist über Internet und über die Dienste,die auch Sie beziehen, verfügbar.

Vom Innenministerium heißt es: Auf dem MünchnerFlughafen steht eine ausreichende Zahl von Beamten zurVerfügung, um den Reiseverkehr gemäß den Vorgabendes Schengener Abkommens zu kontrollieren. Überdieswird am Flughafen München ein bedarfsorientiertes, fle-xibles Schichtmanagement praktiziert, um gerade aufVerkehrsspitzenzeiten reagieren zu können.

In der offiziellen Erklärung, die auch Sie kennen,heißt es dann noch:

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir wusstengar nicht, dass Sie der neue Sprecher des Bun-desinnenministeriums sind!)

Zudem ist bei der Eröffnung des 2. Terminals amMünchner Flughafen im vergangenen Jahr das BGS-Per-sonal dort durch 300 Beamte verstärkt worden. WeiteresUnterstützungspersonal aus den BGS-Verbänden desGrenzschutzpräsidiums Süd wurde der Flughafendienst-stelle im Oktober 2003 zur Verstärkung zugeführt.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sind Sie jetzt der Verleser von Pressemitteilungen?)

Es ist alles geregelt.

Was zu diesem Einzelfall München zu sagen ist, ha-ben Hans-Peter Kemper und Herr Hofmann gesagt. Esist ein Dienstvergehen vor Ort gewesen. Es ist nir-gendwo greifbar, dass es sich dabei um eine politischeEntscheidung handelte, die irgendwie nach Berlin weist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der BGS, den Sie so wunderbar gelobt haben, machthervorragende Arbeit. Den menschlichen Faktor, HerrKoschyk, gibt es überall,

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Vielleicht gibt es einen neuen Runderlass!)

insbesondere, wenn so viele Beamte eine Rolle spielen.Herr Kemper hat darauf hingewiesen – das kann manvielleicht für alle noch einmal sagen –: Der Bundes-grenzschutz hat in den letzten vier Jahren über 100 000

unerlaubt eingereiste Personen festgestellt, von denen30 000 eingeschleust waren. Diese Erfolgsdaten kannsich der Bundesgrenzschutz auf die Fahne schreiben. Esist also viel passiert und es werden auch weiterhin vomBundesgrenzschutz die Aufgaben wahrgenommen, dieer im Rahmen des Schengen-Abkommens wahrzuneh-men hat. Im Schengen-Abkommen wird eindeutig fest-gelegt, dass nicht auf Kontrollen verzichtet werden darf,sie aber unter bestimmten Umständen gelockert werdendürfen. Nichts weiter verlangt das Schengen-Abkom-men, und das wird gemacht. Das wäre Ihnen auch ohnediese Aktuelle Stunde bekannt gewesen.

Ich weise noch auf einen anderen Aspekt hin, wo-durch vielleicht das allzu kleine Karomuster, das Sie hieranlegen, überwunden werden kann: Von der UN-Gene-ralversammlung wurde im Dezember 1998 die Ausarbei-tung eines Übereinkommens gegen die grenzüberschrei-tende organisierte Kriminalität in die Wege geleitet. Wiralle sind der Meinung, dass etwas gegen Menschenhan-del, gegen Schleusung und gegen Schusswaffen getanwerden muss. All das wird in diesem Abkommen behan-delt. Dieses Abkommen wird uns in Kürze zur Ratifizie-rung vorgelegt werden. Dort ist, ähnlich wie beimSchengen-Abkommen, niedergelegt, was wir internatio-nal brauchen. Ich bitte Sie, das kleine Karomuster zuüberwinden, das man mit dem bloßen Auge kaum erken-nen kann, Ihren Blick auf die größere europäische undinternationale Ebene zu richten und gemeinsam mit unsvorzugehen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ole Schröder,

CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Um die Debatte zu versachlichen,

(Sebastian Edathy [SPD]: Das ist sehr gut! –Weiterer Zuruf von der SPD: Mal was Neuesbei Ihnen!)

möchte ich festhalten: Wir sind uns darüber klar, dass In-nenminister Schily die Verantwortung für die Sicherheitin unserem Land trägt. Da wollen wir uns doch einmalanschauen, wie es mit der Umsetzung von praktischenMaßnahmen für den effektiven Schutz unserer Bevölke-rung aussieht. Aktuell reiht sich ein weiteres Defizit beider Gewährleistung der inneren Sicherheit in die inzwi-schen schon umfangreiche Mängelliste ein:

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Seien Sie vorsichtig, Herr Schröder, was Sie sagen!)

Am Münchner Flughafen fielen fast täglich Personen-kontrollen bei der Einreise aus – das ist Fakt – und, HerrBürsch, die Kontrollen sind nicht Schengen-konformdurchgeführt worden.

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Dr. Ole Schröder

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: In einem Einzelfall! Das ist schon hinlänglich gesagt worden!)

Die vorgeschriebene Trennung von EU-Bürgern undPassagieren aus Drittstaaten fand nicht statt. Ausweisevon möglichen Terroristen wurden nur flüchtig einerSichtkontrolle unterzogen. Welche Folgen haben dieseVersäumnisse? Unzählige Ausländer konnten unkontrol-liert in unser Land kommen.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Wie viele denn? 1 000, 10 000?)

Darunter befinden sich möglicherweise Terroristen undKriminelle. Wie wollen Sie den Bürgerinnen und Bür-gern im Falle eines Anschlages erklären, dass das mög-lich war?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –Zuruf von der CDU/CSU: Zwei sind schon zuviel!)

Meine Damen und Herren, nicht nur die innenpoli-tischen Konsequenzen von Versäumnissen wie amMünchner Flughafen sind zu bedenken, auch die Außen-wirkungen sind fatal. Wie können wir denn ernsthaft denneuen Mitgliedstaaten der EU höchste Schengener Si-cherheitsstandards abverlangen, wenn wir selbst sienoch nicht einmal einhalten?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir bekommen so ein erhebliches Glaubwürdigkeitspro-blem gegenüber unseren polnischen, slowakischen undungarischen Freunden.

Eines ist klar: Die Verantwortung für diesen Vorfallträgt der Bundesinnenminister.

(Sebastian Edathy [SPD]: Wieso?)

Der Bundesinnenminister hat es zugelassen, dass amFlughafen München 60 von 300 notwendigen neuenStellen nicht besetzt wurden.

(Widerspruch bei der SPD)

Das sagt jedenfalls der Präsident von Eurocop, HerrKiefer. Er bescheinigt, dass die mangelhaften Kontrollenin München auf Personalmangel zurückzuführen sind.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Es ist nor-males Geschäft der Gewerkschaften, sich da-rum zu kümmern!)

Es darf daher nicht wie bei der BKA-Katastrophe nachSündenböcken gesucht werden.

(Zuruf von der SPD: Peinlich, peinlich!)

Wir werden es nicht zulassen, dass der Bundesinnen-minister sich wie bei der Katastrophe um den BKA-Um-zug aus der Verantwortung stiehlt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Versäumnisse am Münchner Flughafen sind nichtdie einzigen. Die Reihe der Pannen und Fehler der Bun-desregierung wird gerade im Bereich der innerenSicherheit immer länger. Der geplante Umzug war mitBlick auf die Arbeit des BKA und des BND ein Debakel.

Die Verlagerung soll 1 Milliarde Euro kosten. DieseMilliarde fehlt bei der wichtigen Ausstattung unsererPolizeien und des Bundesgrenzschutzes.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy[SPD]: Abenteuerliche Argumentation! –Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Märchen-stunde!)

Die Bundesrepublik ist in Europa Schlusslicht beim Auf-bau eines leistungsfähigen Digitalfunks.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Meine Güte!)

Der geplante Starttermin, 2006, ist – in Mautmanier –nicht mehr zu halten. Der Kalif von Köln konnte nichtausgewiesen werden und Terroristen wie Mzoudi wird esin Deutschland viel zu leicht gemacht.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das hat alles der BGS zu verantworten, oder was?)

Auch der Bereich der Küstenwache gehört natürlichzur inneren Sicherheit. Die Vorschläge, die das Bundes-innenministerium hierzu gemacht hat, greifen viel zukurz.

(Ute Kumpf [SPD]: Wie haben Sie eigentlichIhren Doktortitel erworben, Herr Kollege OleSchröder?)

Das Schengener Abkommen wird von der Bundes-regierung immer wieder bewusst verletzt. Die mangel-haften Flughafenkontrollen am Münchner Flughafensind nur ein Beispiel. Ein weiteres Beispiel ist der Skan-dal um den Volmer-Erlass aus dem Auswärtigen Amt.

(Sebastian Edathy [SPD]: Wo ist denn da der Skandal?)

Die Einschleusung Tausender Illegaler wurde ermög-licht; darunter sind natürlich auch Frauen, die hier inDeutschland zur Prostitution gezwungen werden.

(Sebastian Edathy [SPD]: Waren Sie auchnicht bei der Fragestunde? – Weiterer Zurufvon der SPD: Der hat ja keine Ahnung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Anspruch undWirklichkeit müssen bei der Gewährleistung der innerenSicherheit endlich zusammengebracht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Hofmann[Volkach] [SPD]: Das sehen wir auch so! –Sebastian Edathy [SPD]: Vor allem bei derCDU/CSU!)

Die Selbstdarstellung des Bundesinnenministeriums,nach der angeblich alle erforderlichen Maßnahmen mithöchster Priorität umgesetzt werden, hat mit der Realitätüberhaupt nichts zu tun.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Diese Rede auch nicht!)

Die Bürger haben nichts davon, wenn bloß immer versi-chert wird, dass alles für die Sicherheit in Deutschlandgetan werde. Innere Sicherheit wird mit Taten erreicht,nicht mit Sonntagsreden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.

Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): Ich kann nur sagen: Herr Innenminister, übernehmen

Sie die Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes,und achten wir als Parlamentarier gemeinsam darauf,dass die Kriterien des Schengener Abkommens endlichin ganz Deutschland eingehalten werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Es gibt solche und solche Schröders!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär

Fritz Rudolf Körper.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, insbe-sondere meine Damen und Herren von der Opposition!Sie können noch so viel reden und lamentieren: OttoSchily ist ein erfolgreicher Innenminister.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das musstejetzt mal gesagt werden! – Hartmut Koschyk[CDU/CSU]: Frau Stokar hat auch geklatscht!)

– Ich habe das wohlwollend registriert; ich war auch da-von überzeugt, dass ich überzeugend war.

Innere Sicherheit „made in Germany“ ist, glaube ich,für unser Land ein ganz wesentlicher Standortfaktor, denwir der Innenpolitik und Otto Schily zu verdanken ha-ben.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage auch ganz deutlich und einfach: Deutschland isteines der sichersten Länder dieser Welt und darauf kön-nen wir stolz sein.

(Beifall bei der SPD – Thomas Strobl [Heil-bronn] [CDU/CSU]: Aber das soll auch sobleiben! – Zuruf von der SPD: Leider habenwir nicht die beste Opposition!)

Lieber Kollege Uhl, ich habe die herzliche Bitte, dassSie die Möglichkeit ergreifen, einmal nachzulesen, wasSie heute hier an diesem Pult insbesondere gegenüberdem Kollegen Volmer gesagt haben.

(Zuruf von der SPD: Er sollte sich entschul-digen!)

Vielleicht haben Sie dann die Größe, sich wenigstens beiHerrn Volmer zu entschuldigen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Eher weniger!)

Angesichts dessen, was aus Ihren Reihen zu dieserThematik gesagt wird, bin ich froh, dass es den bayeri-schen Innenminister Günther Beckstein gibt, der sich für

eine großzügige Anerkennung von Asylbewerbern aus-gesprochen hat. Wie der Bayerische Rundfunk amMontag berichtete, sagte Beckstein am Sonntag zumAuftakt der Misereor-Fastenaktion in Bamberg, er sei fürdie Maxime, lieber einen zu viel anzuerkennen als einenzu wenig. Er sagte weiter, es komme dabei nicht auf100 oder 1 000 an; das Boot sei nicht so voll, als dasswirklich verfolgten Menschen in Deutschland nichtmehr geholfen werden könnte. Ich hoffe, dass dieser Mi-nister nicht nur vor Kirchenkreisen so redet.

(Beifall bei der SPD – Silke Stokar vonNeuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Doch! Macht er leider! Er ist nämlich schein-heilig! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Jedermuss selbst wissen, was er sagt!)

Dieser Bundesinnenminister und diese Koalition wa-ren es, die in der Zeit nach dem 11. September sofort undschnell die notwendige Sicherheitsgesetzgebung auf denWeg gebracht haben. Sie können sich einmal ein Bei-spiel daran nehmen, wie schnell und konsequent politi-sches Handeln sein kann.

(Beifall bei der SPD)

Ich will jetzt auf den eigentlichen Punkt zu sprechenkommen. Dabei will ich gar nicht darum herumreden,dass am Münchner Flughafen ein Fehler gemacht wor-den ist. Ich will diesen Fehler auch nicht beschönigen.Aber ich denke, dass bei genauerem Hinsehen ganzdeutlich wird, dass dieser Fehler nicht aufgrund des Per-sonalmangels passierte – dieser Grund wird vorgescho-ben –, sondern dass es an den Problemen im Bereich derOrganisation und des Managements lag. Das ist so unddas muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

All das, was Sie zur Personalsituation im Bereich desBGS am Münchner Flughafen gesagt haben, ist nichtrichtig. Wir hatten im Jahr 2003 ein Planstellensoll von789 und haben einen Istzustand von 769. Sie wären frohgewesen, wenn Sie in Ihrer Regierungszeit solche Quo-ten zwischen Ist und Soll erreicht hätten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wären auch froh gewesen, wenn es Ihnen bei-spielsweise gelungen wäre, für die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter des Bundesgrenzschutzes im Hinblick aufBeförderungen oder auf die Erweiterung des Personal-körpers das zu erreichen, was unter Otto Schily in denletzten fünf Jahren geschehen ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist völlig klar, dass es bestimmte Verfahren undRegularien gibt. Es ist auch völlig klar, dass es gewisseKriterien gibt, die nach dem Schengener Übereinkom-men einzuhalten sind. Es gibt den Bereich der so ge-nannten Kontrolllockerung, die nach dem SchengenerDurchführungsübereinkommen zulässig ist, wenn unver-hältnismäßig lange Wartezeiten bei der grenzpolizei-lichen Kontrolle abgebaut werden müssen. Das heißtaber nicht, dass die Reisenden ohne Kontrollen durch dieKontrollstellen gewunken werden. In jedem Fall ist die

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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

Identitätsfeststellung anhand der vorgelegten Reisedoku-mente vorzunehmen.

Was die Kontrollverzichte anbelangt, so ist zu sagen,dass sie nicht zu verantworten sind.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das heißt, Herr Bürsch hat Unrecht!)

Sie verstoßen gegen das Schengen-Regime und sind des-halb unzulässig.

(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Bürsch hat et-was anderes gesagt!)

Ich versichere Ihnen, dass die Probleme an dieser Stelleangegangen werden.

Damit Sie nicht ein Horrorszenario aufbauen können,will ich Ihnen Folgendes sagen: Nach sorgfältiger Schät-zung blieben durch diese Kontrollverzichte – gemessenam kontrollpflichtigen Fluggastaufkommen – im Zeit-raum von August 2003 bis Januar 2004 von circa4,2 Millionen Reisenden etwa 0,04 Prozent kontroll-pflichtiger Personen aus Nicht-Schengen-Staaten bei derEinreise nach Deutschland und – hören Sie bitte zu! –0,08 Prozent derartiger Personen bei der Ausreise ausDeutschland unkontrolliert.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Einer kann zu viel sein!)

Diese Zahlen sollen nichts entschuldigen. Sie sollen aberüberzogenen Vorstellungen vorbeugen. Deswegen habeich sie genannt.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Da klatschtniemand! – Beifall des Abg. Josef PhilipWinkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Herr Winkler, schönen Dank, dass Sie geklatscht ha-ben.

Personalknappheit kann nicht als Argument dienen;denn sie gab es am Münchner Flughafen nicht. Die Kol-leginnen und Kollegen haben vorhin schon einmal aufdie Situation im Bereich des Personals und auch auf die-jenige Situation hingewiesen, die im Zusammenhang mitdem Terminal 2 und dessen Eröffnung steht. Für diesenZweck wurde zusätzliches Personal in der Größenord-nung von 330 Personen eingesetzt.

Es wird immer wieder gefragt, was getan worden sei.Es gibt eine Anweisung des Inspekteurs des Bundes-grenzschutzes vom 14. Juni 2001, die Schengen-Krite-rien bei der Grenzkontrollarbeit einzuhalten und die or-ganisatorischen Maßnahmen so zu treffen, dass dieseKriterien erfüllt werden. Ich denke, das ist wichtig undmacht deutlich, worum es geht.

Meine Damen und Herren, wir haben die personellenKonsequenzen gezogen oder sind dabei, sie zu ziehen.Der Bundesgrenzschutz muss sich damit beschäftigenund das aufarbeiten.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Fünf Minuten können aber lang sein!)

– Ich habe zehn Minuten, lieber Herr Koschyk. Das un-terscheidet uns. Das ist gut so und soll auch so bleiben.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Prüfgruppe des Bundesgrenzschutzes nimmt ihreArbeit auf. Auch Bundesinnenminister Schily hat eineGruppe eingesetzt, um beispielsweise die Informations-abläufe und die Verantwortlichkeiten aufzuarbeiten undzu ermitteln. Ich denke, das ist die angemessene Reak-tionsweise in dieser Angelegenheit.

Meine Damen und Herren, ich sage ganz offen: AllIhre Versuche, unsere innenpolitische Kompetenz nega-tiv zu beurteilen, werden nicht gelingen. Wir haben mitdiesem Bundesinnenminister Otto Schily erfolgreich ge-arbeitet und werden das noch lange Zeit tun – so lange,dass es Ihnen nicht angenehm sein wird. Das garantiereich Ihnen jetzt schon.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächster Redner ist der Kollege Clemens Binninger,

CDU/CSU-Fraktion.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Gebt auf!Die Aktuelle Stunde ist gescheitert! Ihr könntaufgeben! – Sebastian Edathy [SPD]: Viel-leicht einmal eine sachliche Rede! Das wäreeine Fortschritt! – Weiterer Zuruf von derSPD: Erzählen Sie mal, wie schön Münchenist!)

Clemens Binninger (CDU/CSU): Frau Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Aufgefallen ist mir an den Redebeiträgen vonRot-Grün in der letzten Stunde,

(Zuruf von der SPD: Die gute Qualität!)

dass der Satz „Wir wollen Sicherheit für unsere Bevöl-kerung“ nicht einmal vorgekommen ist. Sie denken nuran sich selber, an Ihren Innenminister, an Selbstbeweih-räucherung. Von Selbstkritik ist bei Ihnen keine Spur.

(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Hofmann[Volkach] [SPD]: Der Kollege hat nicht zuge-hört!)

Die Kernaufgabe ist doch, an unseren Außengrenzenoder, wenn wir solche nicht mehr haben, an unserenFlughäfen alles zu tun, um Personen, die wir in unseremLand nicht wollen, nicht hineinkommen zu lassen. – Sosinngemäß auch Otto Schily in der Fernsehsendung.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das haben alle Redner von Rot-Grün gesagt!)

Wenn wir feststellen, dass an einem Flughafen wiedem in München die Kontrollen offensichtlich über ei-nen langen Zeitraum nicht mehr stattgefunden haben,dann müssen wir Ursachenforschung betreiben.

(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das haben wir auch getan!)

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Clemens Binninger

Es ist meines Erachtens viel zu kurz gegriffen, zu sagen:Der BGS war selber schuld; das war ein Management-fehler.

Herr Staatssekretär Körper, wenn Sie für eine Auf-gabe nicht genügend Personal haben – die Aufgabe amFlughafen München ist neu –, dann können Sie organi-sieren, wie Sie wollen: Es wird nicht reichen. Genau daswar die Ursache für die fehlenden Kontrollen in Mün-chen: Es ist zu wenig Personal vorhanden.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was müssendenn die Leute tun, wenn sie nicht genügendPersonal haben?)

– Mehr Personal einsetzen. Das ist doch keine Frage.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie haben dochda unten nicht jede Menge Leute vor der Tür!Das glauben Sie doch selber nicht, HerrBinninger!)

– Vielen Dank, dass Sie so betroffen reagieren. Daszeigt, dass ich ins Schwarze getroffen habe.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Etwas mehr Niveau kann man hier doch wohl erwarten?)

Ich garantiere Ihnen: Der Flughafen in München wirdnicht der einzige Flughafen sein

(Sebastian Edathy [SPD]: Doch, ist er!)

– nein –, bei dem diese Probleme auftreten. Ich habemich bei einem Flughafen umgehört. Der BGS ist dortzum Stillschweigen verpflichtet worden. Die Flughafen-betreiber selber sagen: Wir wundern uns manchmal, dassbei gewissen Flügen nur ein Schalter besetzt ist, sodassdurchgewunken werden muss. – Diese Geschichte wirdnicht so schnell zu Ende sein.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was erwartenSie von einem Vorgesetzten, wenn er mit sei-ner Arbeit nicht klarkommt?)

Mir geht es darum, festzustellen: Wer trägt dafür diepolitische Verantwortung? Der Kollege Stadler – von derFDP ist im Moment niemand hier; es ist nicht so, dassich das gerade heute bedauerte –

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Die FDP ist überflüssig!)

hat vorhin gesagt: Wir brauchen nicht so viele Häupt-linge; wir brauchen mehr Indianer. Ich frage: Was ist dasfür ein Bundesinnenministerium, in dem es vier Staats-sekretäre und einen Minister gibt und das trotzdem nichtfunktioniert? Dort gibt es auch zu viele Häuptlinge. Siebrauchen daher die Schuld nicht bei der BGS-Führungabzuladen, auf keinen Fall.

Auch die fehlenden Kontrollen sind kein Einzelfall.Beim Luftsicherheitsgesetz unternehmen Sie ebenfallsden Versuch, immer mehr Aufgaben auf Subunterneh-men, also auf Private zu delegieren.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Sie ziehen sich auch dort immer mehr aus den eigentli-chen Sicherheitsaufgaben zurück und das wird dazu füh-

ren, dass die Sicherheitslücken immer größer werden.Das, was Sie machen, hat schon Methode.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. DieterWiefelspütz [SPD]: Das ist unglaublich! –Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Die Muni-tion für das Thema der Aktuellen Stunde istschon verbraucht!)

– Nein. Ich habe Ihnen gesagt, das hat Methode. Ichkomme noch auf weitere Flughäfen zu sprechen.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ein Rohr-krepierer!)

Ihre Politik ist für die Sicherheitslücken verantwort-lich. Sie gehen das alles mit großer Arroganz an. Uns ge-genüber können Sie sie an den Tag legen – das störtmich nicht weiter –, aber nicht gegenüber der deutschenBevölkerung. Die Art und Weise, in der Sie die ThemenSicherheit an den Flughäfen und die Situation der Bot-schaft in Kiew angehen – hier haben Sie gesagt, es habekeine Vorfälle gegeben, obwohl es aufgrund politischerRahmenbedingungen zu Schleusungen in noch nie dagewesenem Ausmaß gekommen ist –, zeigt, was für eineEinstellung Sie eigentlich zur Sicherheitspolitik in unse-rem Land haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es wäre in der Tat besser, wenn der Innenminister et-was weniger Showauftritte wahrnehmen würde, bei de-nen er sich vor ein Biometrielesegerät am Flughafenstellt oder sich mit einem Ausweis mit biometrischenMerkmalen zeigt. Damit will er nur den Eindruck erwe-cken, es gäbe bald solche Kontrollmethoden, obwohl wirnoch sehr weit von ihrer Einführung entfernt sind. Sowird ein Nebelschleier über die Sicherheitslücken ge-legt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu Otto Schily und seinen Showeinlagen kann ich nursagen:

(Zuruf von der SPD: Respekt, Junge!)

Sonntagnacht wurde für gute Showeinlagen dem Film„Der Herr der Ringe“ der Oscar verliehen, für seine In-nenpolitik kann ich dem Minister nur den Titel „DerHerr der Sicherheitslöcher“ verleihen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Helau!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Sebastian Edathy, SPD-Fraktion.

Sebastian Edathy (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Lieber Herr Kollege Binninger, man kann dank-bar sein, dass nur relativ wenig Zuschauer auf der Besu-chertribüne gewesen sind,

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Sebastian Edathy

(Zuruf von der CDU/CSU: Das dient alles Ihrem Selbstschutz!)

als Sie Ihre Rede hielten; denn sie hätten den Eindruckgewinnen müssen, einer sehr seltsamen Veranstaltungbeizuwohnen.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sicherheits-politik macht für Sie keinen Sinn, das wissenwir ja!)

Ich habe mich zu Beginn der Aktuellen Stunde ge-fragt, welchen Sinn sie hat; denn sie erschien mir sehrsubstanzlos. Mittlerweile sehe ich diese Vermutung völ-lig bestätigt, liebe Kolleginnen und Kollegen von derUnion. Das, was Sie hier veranstalten, ist organisierterDiebstahl von parlamentarischer Arbeitszeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Zum Thema, Herr Kollege!)

Ich erlaube mir, auf den Titel der Aktuellen Stundezurückzukommen. Er heißt: Haltung der Bundesregie-rung zur Erleichterung von Einschleusungen und illega-len Einreisen aufgrund von Kontrolllücken an deutschenFlughäfen. Die Debatte hat gezeigt, wir sprechen übereinen konkreten Fall, wir sprechen über den FlughafenMünchen und über sonst nichts. Sie haben darauf hinge-wiesen, dass nach Ihrer Mutmaßung das ursächliche Pro-blem ein Personalmangel ist. Ich will Ihnen dazu einpaar Zahlen nennen, weil es vielleicht hilft, etwas dazu-zulernen.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ver-schweigen und vernebeln!)

Ich möchte die Flughäfen Frankfurt, Stuttgart undMünchen vergleichen und dabei die Zahl der jährlichenEinreisen zu der Zahl der eingesetzten BGS-Beamten inRelation setzen. In Frankfurt ist die Relation ein Beam-ter zu 16 000 Einreisen, in Stuttgart ein Beamter zu10 200 Einreisen und in München ein Beamter zu 10 400Einreisen. Offenbar hat es die Probleme, die in Münchenzu verzeichnen waren, in Stuttgart und Frankfurt nichtgegeben.

(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Doch!)

– Das kann dann ja wohl nicht an einem Personalmangelgelegen haben, sondern eindeutig an einem Fehlmanage-ment. Das ist mehr als deutlich geworden. Sie haben alsoversucht, einen Popanz aufzubauen, der völlig unange-messen ist.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Fragen Sie die Polizeigewerkschaften!)

Darüber hinaus haben einige der Rednerinnen undRedner der Union den Versuch unternommen, sach-fremde Inhalte in die Debatte hineinzubringen, die mitdem Thema der Aktuellen Stunde überhaupt nichts zutun haben.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das war Herr Volmer!)

Lassen Sie mich etwas Grundsätzliches sagen: Wennwir feststellen, dass es 3 Millionen Visaanträge für

Deutschland pro Jahr gibt, dann tun wir als exportorien-tiertes und weltoffenes Land gut daran, nicht zu unter-stellen, dass jeder dieser 3 Millionen Antragsteller einpotenzieller Krimineller oder Terrorist ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist doch aberwitzig!

Es ist deutlich geworden, dass dort, wo es Problemegegeben hat, nämlich in der Ukraine, in der Botschaft inKiew, gegen geltendes Recht gehandelt worden ist. Nunhaben Sie den Versuch gemacht, einen Erlass aus demJahre 2000 damit in einen inhaltlichen Zusammenhangzu bringen.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Herr Volmer hat ihn hergestellt!)

Die beiden Dinge haben aber überhaupt nichts miteinan-der zu tun. Ganz im Gegenteil.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Warum hat denn dann Herr Volmer dazu gesprochen?)

Ich kann mich noch gut daran erinnern: Ich bin wieviele andere Kolleginnen und Kollegen 1998 in denBundestag gewählt worden. Ich komme aus einem Wahl-kreis,

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Thema! Wo Sie herkommen, spielt keine Rolle!)

in dem es eine Kooperation eines Landkreises mit demo-kratischen Organisationen aus Weißrussland gibt. BevorHerr Volmer ins Amt gekommen ist, musste jeder Teil-nehmer einer Reisegruppe aus der Region Witebsk, meh-rere hundert Kilometer von Minsk, der Hauptstadt vonWeißrussland, entfernt, die einreisen wollte, persönlichin der deutschen Botschaft vorstellig werden, obwohlauch durch einen Datenabgleich festgestellt werdenkonnte, dass sie untadelig sind und einreisen können.Dieser bürokratische Unsinn ist mit dem Volmer-Erlassüberwunden worden.

Herr Uhl, ich hätte mir gewünscht, es wäre hier bean-standet worden: Einem Kollegen des Deutschen Bundes-tages zu unterstellen, er sei ein Triebtäter, ist unter allerSau, um das ganz deutlich zu sagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So viel zum Thema Manieren!)

Der Parlamentarische Staatssekretär Fritz RudolfKörper hat darauf hingewiesen, dass die Grenzschutz-präsidien mit einem Rundschreiben des Inspekteurs desBundesgrenzschutzes vom 14. Juni 2001 darauf hinge-wiesen worden sind, dass bei den Kontrollen die Maßga-ben des Schengen-Abkommens unbedingt einzuhaltensind. Insofern sind vor Ort am Münchner Flughafen Feh-ler gemacht worden.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Warum denn?)

Herr Kollege Koschyk, ich kann mir aber nichtvorstellen, dass Sie beispielsweise den bayerischen

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8318 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) (C)

(B)

Sebastian Edathy

Innenminister dafür verantwortlich machen würden,wenn in einer einzelnen Polizeidienststelle einmal einFehler gemacht würde.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Der Flug-hafen in München ist einer der größten Flug-häfen in Deutschland!)

Das machen Sie aber hier auf Bundesebene und das istvöllig daneben.

Lassen Sie mich abschließend bemerken:

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

Es ist schlimm genug, liebe Kolleginnen und Kollegenvon der CDU, dass Sie die Frage der Besetzung des Am-tes des Bundespräsidenten zu einer Frage der Parteipoli-tik gemacht haben.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Was kommtdenn jetzt? Welch eine Qualität! – Weitere Zu-rufe von der CDU/CSU)

Sie sollten aber hier, wo wir miteinander diskutieren, zu-mindest davon Abstand nehmen, die Frage der Innenpo-litik in Deutschland zu einer reinen Frage der Parteipoli-

tik zu machen und zu kritisieren, wo nichts zu kritisierenist.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Innenpolitik zum Abgewöhnen!)

In diesem Sinne lassen Sie uns gleich in unsere Bürosgehen und unsere Arbeitszeit sinnvoller verbringen alsmit überflüssigen Aktuellen Stunden wie der von Ihnenbeantragten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ihnen zuzuhören war wirklich überflüs-sig!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Wir sind damit ganz offensichtlich am Ende der Aktu-

elle Stunde. Bedauerlicherweise sind weitere Rednernicht gemeldet, die ich natürlich mit Vergnügen aufgeru-fen hätte.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-ordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des DeutschenBundestages auf morgen, Donnerstag, 9.30 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluss 16.57 Uhr)

(D)

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8319

(A) (C)

(B)

Anlagen zum Stenografischen Bericht

Anlage 1

(D)

Liste der entschuldigten Abgeordneten

* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-sammlung der NATO

Anlage 2

Erklärung

des Abgeordneten Ernst Bahr (Neuruppin)(SPD) zur Abstimmung über den Antrag: Got-tesbezug im europäischen Verfassungsvertrag(82. Sitzung, Tagesordnungspunkt 3 b)

In der Abstimmungsliste ist mein Name nicht aufge-führt. Mein Votum lautet Nein.

Anlage 3

Erklärung

des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) zur Ab-stimmung über den Antrag auf Zurückweisungdes Einspruchs des Bundesrates gegen das

Abgeordnete(r)entschuldigt biseinschließlich

Beck (Bremen), Marieluise

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

03.03.2004

Connemann, Gitta CDU/CSU 03.03.2004

Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

03.03.2004

Flach, Ulrike FDP 03.03.2004

Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 03.03.2004

Hartnagel, Anke SPD 03.03.2004

Höfer, Gerd SPD 03.03.2004*

Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

03.03.2004

Kramme, Anette SPD 03.03.2004

Dr. Küster, Uwe SPD 03.03.2004

Lanzinger, Barbara CDU/CSU 03.03.2004

Lehder, Christine SPD 03.03.2004

Röspel, René SPD 03.03.2004

Rupprecht (Weiden), Albert

CDU/CSU 03.03.2004

Welt, Jochen SPD 03.03.2004

Nachtragshaushaltsgesetz 2003 (92. Sitzung,Zusatztagesordnungspunkt 7 b)

In der Abstimmungsliste ist mein Name nicht aufge-führt. Mein Votum lautet Ja.

Anlage 4

Erklärung

der Abgeordneten Ursula Mogg (SPD) zur Ab-stimmung über den Antrag auf Zurückweisungdes Einspruchs des Bundesrates gegen dasNachtragshaushaltsgesetz 2003 (92. Sitzung,Zusatztagesordnungspunkt 7 b)

In der Abstimmungsliste ist mein Name nicht aufge-führt. Mein Votum lautet Ja.

Anlage 5

Antwort

des Staatssekretärs Dr. Hansjörg Geiger auf die Fragender Abgeordneten Tanja Gönner (CDU/CSU) (Druck-sache 15/2564, Fragen 1 und 2):

Wie gedenkt die Bundesregierung den Beschluss des Bun-desgerichtshofes vom 25. Februar 2004 zur Mindestvergütungfür Insolvenzverwalter umzusetzen?

Wann wird die Bundesregierung einen entsprechendenGesetzentwurf vorlegen, und welchen Inhalt wird er haben?

Ich gehe davon aus, dass in den Fragen die beiden Be-schlüsse des Bundesgerichtshofs vom 15. Januar 2004angesprochen sind, in denen der BundesgerichtshofMindestvergütung für den Insolvenzverwalter und fürden Treuhänder in masselosen Verfahren entschiedenhat.

Mit dem Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnungund anderer Gesetze vom 26. Oktober 2001 wurden aussozialpolitischen Überlegungen die Grundlagen geschaf-fen, damit auch völlig mittellose Schuldner ein Insol-venzverfahren durchlaufen können, um in den Genusseiner Restschuldbefreiung zu gelangen. Dies bedeutetaber, dass zunächst die Staatskasse für die Vergütung desInsolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren unddes Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren auf-zukommen hat und somit diese Kosten zulasten der Jus-tizhaushalte der Länder gehen.

Die Höhe der Vergütung bemisst sich nach der Insol-venzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV). So istfür das Regelinsolvenzverfahren in § 2 Abs. 2 InsVVeine Mindestvergütung von 500 Euro vorgesehen. Fürdas vereinfachte Insolvenzverfahren schreibt § 13 Abs. 1InsVV eine Mindestvergütung von 250 Euro vor. DieHöhe dieser Vergütung wurde vom BGH in den ge-nannten Entscheidungen als nicht zureichend kritisiertund insofern ein Verstoß gegen Artikel 12 Abs. 1 GGangenommen. Gleichzeitig sieht der Bundesgerichtshofden Verordnungsgeber als verpflichtet an, bis zum

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8320 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) (C)

(B) (D)

1. Oktober 2004 eine verfassungskonforme Neuregelungmit Rückwirkung zum 1. Januar 2004 zu treffen.

Vor dem Hintergrund, dass bereits in der Vergangen-heit mehrere Gerichte von den genannten Vergütungs-sätzen für masselose Verfahren abgewichen sind unddeutlich höhere Vergütungen gewährt haben, hat dasBundesministerium der Justiz bereits im November let-zen Jahres das Gespräch mit den Ländern gesucht, umfür eine maßvolle Erhöhung der Vergütung zu werben.Dieser Meinungsfindungsprozess ist innerhalb der Län-der noch nicht abgeschlossen. Ich möchte Sie deshalbum Verständnis bitten, dass ich noch keine Einzelheitenzur notwendigen Erhöhung der Vergütung nennen kann.Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass das Bundes-ministerium der Justiz als Verordnungsgeber die vomBundesgerichtshof genannte Frist zur Anpassung derVergütung einhalten wird.

Anlage 6

Antwort

des Staatsministers Hans Martin Bury auf die Fragen desAbgeordneten Dr. Ole Schröder (CDU/CSU) (Druck-sache 15/2564, Fragen 4 und 5):

Wie viele Visa werden in Deutschland pro Tag in der deut-schen Vertretung in Pristina (Kosovo) ausgestellt?

Was ist der Hintergrund dafür, dort eine Visa-Stelle einzu-richten?

Zu Frage 4:

Die Visastelle in Pristina hat seit Eröffnung im Fe-bruar 2003 bis 31. Dezember 2003 23 198 Visaanträgebearbeitet; davon 20 644 Visa erteilt. Dies entspricht ei-nem Durchschnitt von 108 Visa pro Arbeitstag. In derVisastelle arbeiten derzeit drei Entscheider und siebenOrtskräfte.

Zu Frage 5:

Die Entscheidung, eine Visastelle in Pristina zu eröff-nen, hat rechtliche, politische und wirtschaftlicheGründe: Die Sicherheitsratsresolution 1244 vom 10. Juni1999 verpflichtet die Vereinten Nationen, im Kosovoeine funktionierende, autonome Zivilverwaltung zuschaffen. In dem Maße, wie diese Aufgabe erfüllt wird,sind auch die Anforderungen an das Deutsche Verbin-dungsbüro im Kosovo gestiegen, was die Ermöglichungpolitischer, wirtschaftlicher und persönlicher Kontakteumfasst. Deutschland beheimatet neben der Schweizeine große Gruppe von Auslands-Kosovo-Albanern; dieVN-Übergangsverwaltung im Kosovo, UNMIK, stelltReisedokumente für Angehörige des Kosovo aus. EineVisaantragstellung in Belgrad ist für Inhaber vonUNMIK-Pässen bzw. im Kosovo wohnhaften Personenalbanischer Volkszugehörigkeit nicht zumutbar; vor Öff-nung der Visastelle mussten die Antragsteller Anträgebei den Visastellen in Skopje (Mazedonien) oder Tirana(Albanien) einreichen; dies war mit beschwerlicher An-reise und großem Andrang auf die genannten Visastellenin Albanien und Mazedonien verbunden und auf Dauerfür Antragsteller sowohl aus dem Kosovo als aus den ge-

nannten Gastländern und Bedienstete der dortigen Visa-stellen nicht länger zumutbar.

Anlage 7

Antwort

des Staatsministers Hans Martin Bury auf die Frage desAbgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Druck-sache 15/2564, Frage 6):

Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über dieEntwicklung der Menschenrechtslage in Tschetschenien seitder Abschaffung des Amtes des Menschenrechtsbeauftragtenfür Tschetschenien, und inwieweit unterstützt die Bundes-regierung tschetschenische beziehungsweise russische Men-schenrechtler und Menschenrechtsorganisationen, die sich fürdie Menschenrechte in Tschetschenien einsetzen (DIE WELTvom 23. Januar 2004)?

Die Menschenrechtslage in Tschetschenien gibt An-lass zur Sorge. Das Auswärtige Amt hat hierüber mehr-fach im Menschenrechtsausschuss des Bundestages be-richtet, zuletzt ausführlich am 5. November 2003. DerBundesregierung liegen keine Erkenntnisse über eineVeränderung der Menschenrechtslage in Zusammenhangmit der Abschaffung des Amtes des Menschenrechts-sonderbeauftragten am 20. Januar vor. Dies mag auchdamit zusammenhängen, dass der Einfluss des Amteseher beschränkt war. Generell hat sich, nach Angabender Menschenrechtsorganisation Memorial, die Men-schenrechtslage in Tschetschenien in letzter Zeit eherverschlechtert. Zwar gingen flächendeckende Säuberun-gen zurück, die Zahl der Verschwundenen sei aber nichtgesunken. Laut der Vorsitzenden der Menschenrechts-kommission beim Präsidenten, Ella Pamfilowa, habesich das Verhalten russischer Truppen gebessert, Über-griffe würden strenger geahndet, dafür stiege jedoch dieZahl der Übergriffe durch die Leibwache des tschetsche-nischen Präsidenten Kadyrow. Die Bundesregierung be-obachtet die Menschenrechtslage in Tschetschenien undvon Tschetschenen in anderen Landesteilen Russlandsaufmerksam und steht dazu in ständigem Kontakt mitrussischen und internationalen Nichtregierungsorganisa-tionen wie etwa Memorial. Vom 23. bis 27. Februar be-suchte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregie-rung, Claudia Roth, Inguschetien und Moskau. Siemachte sich ein Bild von der Menschenrechtslage inFlüchtlingslagern in Inguschetien und traf mit vor Ort tä-tigen Menschenrechtlern und Vertretern internationalerNichtregierungsorganisationen und VN-Agenturen zu-sammen. Im Auswärtigen Amt findet zudem regelmäßigein Informationsaustausch mit Vertretern russischer undinternationaler Menschenrechtsorganisationen statt, zu-letzt am 17. Februar 2004.

Die Bundesregierung spricht ihre Sorge über dieMenschenrechtslage in Tschetschenien regelmäßig inder gebotenen Deutlichkeit an, zuletzt hat dies Bundes-minister Fischer am 12. Februar in Moskau gegenüberPräsident Putin und Außenminister Iwanow getan. DieBundesregierung fördert Projekte von Nichtregierungs-organisationen zur Unterstützung der Menschenrechtsar-beit in Tschetschenien. Im Vordergrund stehen dabeiVorhaben zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit und ins-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8321

(A) (C)

(B) (D)

besondere zur strafrechtlichen Aufarbeitung von Men-schenrechtsverletzungen. Die Bundesregierung steht vordem Abschluss der Prüfung mehrerer Projektanträge rus-sischer Nichtregierungsorganisationen, die 2004 geför-dert werden könnten. Hinzu kommen Projekte humanitä-rer Hilfe im Nordkaukasus (2003: 1,8 Milliarden Euro).Die Bundesregierung unterstützt die Aktivitäten interna-tionaler Organisationen zur Verbesserung der Menschen-rechtslage in Tschetschenien. Sie begrüßt die Verhand-lungsbemühungen des OSZE-Vorsitzes Bulgarien mitRussland über die Durchführung entsprechender Pro-jekte in Tschetschenien.

Anlage 8

Antwort

der Staatsministerin Kerstin Müller auf die Frage desAbgeordneten Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU)(Drucksache 15/2564, Frage 13):

Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die von der Eu-ropäischen Kommission bei unveränderter Fortführung derSubventionspolitik prognostizierten Kosten eines Beitritts derTürkei von 20 Milliarden Euro für die Europäische Union proJahr und einem entsprechenden Anteil von 5 Milliarden Europro Jahr für Deutschland korrekt sind (vergleiche FrankfurterAllgemeine Zeitung vom 29. November 2002)?

Die Kosten eines Beitritts der Türkei zur EU lassensich heute nicht seriös beziffern. Aus diesem Grund hatauch die Europäische Kommission bislang keine derar-tigen Prognosen abgegeben. Die Kosten hängen im We-sentlichen von drei zum Teil nicht vorhersagbaren Fak-toren ab: von der weiteren Wirtschaftsentwicklung derEU wie auch der Türkei; vom Ergebnis künftiger Bei-trittsverhandlungen, insbesondere vom Tempo der Ein-beziehung in EU-Politiken; vom zukünftig geltendenAcquis, insbesondere der dann geltenden GemeinsamenAgrar- sowie der Strukturpolitik.

Anlage 9

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf dieFrage des Abgeordneten Michael Kretschmer (CDU/CSU) (Drucksache 15/2564, Frage 17):

Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bis-lang unternommen, um die im Sofortmaßnahmenprogrammzur europäischen Wachstumsinitiative genannten Projekte– im Sinne der Erzielung der Lissabon-Vereinbarung unter be-sonderer Berücksichtigung der Bereiche Galileo und Nano-elektronik – von nationaler Seite zu unterstützen?

Die Bundesregierung hat dem Generalsekretariat desRates eine Reihe von Projekten gemeldet, die sie fürwachstumsfördernd und von grenzüberschreitendemeuropäischem Interesse hält. Diese sind auch in nennens-wertem Umfang in das Sofortmaßnahmenprogramm derKommission einbezogen worden. Zu diesen Projektengehören auch Galileo und Nanoelektronik.

Die Europäische Union hat die Förderung einer euro-päischen Forschungsplattform „Nanoelektonics 2020“ in

Aussicht gestellt, basierend auf einem zwischen Frank-reich, Belgien und Deutschland abgestimmten Konzeptder mitwirkenden Forschungseinrichtungen LETI (La-boratoire d’Electronique, de Technologie et d’Instru-mentation), IMEC (Interuniversity Micro ElectronicsCenter) und FhG (Fraunhofer Gesellschaft zur Förde-rung der angewandten Forschung e.V). Zur Realisierungwurden Gespräche mit der Industrie, FhG und der säch-sischen Landesregierung geführt. Das vorgeschlageneFinanzierungsmodell sieht Invest-Beihilfen, EFRE-Mit-tel (Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung) undLandesmittel vor. Die FhG hat einen eigenen Beitrag zu-gesagt. Kurzfristig soll ein Memorandum of Understan-ding abgestimmt werden.

Zur weiteren Ausgestaltung dieser und weiterer FuE-Vorhaben, die in die Wachstumsinitiative aufgenommenwerden könnten, wurde die Europäische Investitions-bank zu einer für Mitte März geplanten Informationsver-anstaltung ins BMBF eingeladen. Die Bundesregierungengagiert sich stark für die Realisierung des europäi-schen Satellitennavigationssystems Galileo. Sie hat dasProjekt nicht nur maßgeblich auf europäischer Ebene mitinitiiert, sondern unterstützt die Arbeit in den zuständi-gen Gremien nachhaltig. Die Bundesregierung hat fürdie Entwicklung des Vorhabens insgesamt über 100 Mil-lionen Euro bereit gestellt und erreicht, dass die deutscheRaumfahrtindustrie führend an der Entwicklung von Ga-lileo beteiligt ist.

Anlage 10

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf dieFragen des Abgeordneten Roland Gewalt (CDU/CSU)(Drucksache 15/2564, Fragen 19 und 20):

Trifft die Pressemeldung zu (Frankfurter Rundschau vom29. Januar 2004), wonach Mitarbeiter der Bundesagentur fürArbeit, die zusammen mit dem Zoll Schwarzarbeit verfolgensollen, zunächst aufwendige Gesundheits- und Sicherheits-prüfungen durchlaufen, die so organisiert sind, dass weder indiesem noch im nächsten Jahr alle Mitarbeiter geprüft undeinsatzfähig sein werden?

Wie soll das Ziel der Bundesregierung, organisierte Krimi-nalität intensiver zu bekämpfen, erreicht werden, wenn derEntwurf eines Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfungder Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhin-terziehung nicht vorsieht, dass Ermittlungsergebnisse derZollverwaltung zu typischen „Begleit“-Straftaten in diesemBereich, wie etwa Menschenraub, Geldwäsche, Urkundenfäl-schung etc., an die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaftenweitergeleitet werden dürfen (§ 6 i. V. m. § 2 Abs. 1 des obengenannten Gesetzentwurfs)?

Zu Frage 19:

Im Rahmen der Bündelung der Zuständigkeit für dieBekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäf-tigung bei der Zollverwaltung sind durch das Dritte Ge-setz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt rund2 600 Beschäftigte der Arbeitsmarktinspektionen derBundesanstalt für Arbeit zum 1. Januar 2004 in die Zoll-verwaltung übergeleitet worden.

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8322 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) (C)

(B) (D)

Die Beschäftigten können aufgrund ihrer umfangrei-chen Erfahrungen und Kenntnisse die bisher wahrgenom-menen Tätigkeiten – Prüfungen und Ermittlungen ohnevollzugspolizeiliche Aufgaben – auch weiterhin in derZollverwaltung wahrnehmen. Sie sind einsatzfähig. Fürdie Zollverwaltung steht die Bekämpfung krimineller ge-werblicher Strukturen im Bereich der Schwarzarbeit imVordergrund. Diese Ausrichtung bringt es zwangsläufigmit sich, dass die Bediensteten mit gewaltbereiten Täter-gruppen konfrontiert werden. Um den Belangen derEigensicherung gerecht zu werden, sollen deshalb diebisherigen Beschäftigten der BA eine Gesundheitsunter-suchung zur Außendiensttauglichkeit durch den arbeits-medizinischen Dienst und einen zweiwöchigen Lehrgang„Einführung in die vereinfachte Eigensicherung, verein-fachtes Einsatztraining, Waffenlose Selbstverteidigungund Einsatztechniken in vereinfachter Form und Einfüh-rung in das Vollzugsrecht“ absolvieren.

Bis Ende Juni werden voraussichtlich alle Betroffe-nen untersucht sein und am Eigensicherungslehrgangteilgenommen haben. Um keine Prüflücken entstehen zulassen, erstreckt sich die gesamte Schulungsmaßnahmeüber einen Zeitraum von mehreren Monaten. Eine Ei-gensicherungsschulung vor Einsatz im Außenbereich– wie ursprünglich vorgesehen (siehe Artikel in derFrankfurter Rundschau) – konnte wegen der Kürze derVorbereitungszeit nicht erfolgen. Die neuen Beschäftig-ten müssen allerdings weitergebildet werden, wenn siePolizeivollzugsaufgaben oder sonstige spezielle Aufga-ben, wie die Sicherung von Daten auf Computern,Vermögensabschöpfung usw. übernehmen sollen. Auchdie hierfür erforderlichen Fortbildungen werden über ei-nen längeren Zeitraum durchgeführt. Damit bleibt dieFunktionsfähigkeit des Arbeitsbereichs sichergestellt.Auf Bitten von Kollegen Prof. Dr. Andreas Pinkwart hatdas BMF am 17. Februar 2004 einen Sachstandsberichtzum Stand der Bündelung der Zuständigkeiten für dieBekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäfti-gung bei der Zollverwaltung, der auch auf diese Frageneingeht, an den Finanzausschuss des Deutschen Bundes-tages übersandt.

Zu Frage 20:

Es ist nicht richtig, dass die Behörden der Zollverwal-tung die Ermittlungsergebnisse zu „Begleit“-Straftatennach dem genannten Gesetzentwurf nicht an die zustän-digen Strafverfolgungsbehörden weiterleiten dürfen.Nach § 6 Abs. 1 des Gesetzentwurfs übermitteln die Be-hörden der Zollverwaltung den Strafverfolgungsbehör-den die erforderlichen Informationen für die Verfolgungvon Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die in unmit-telbarem Zusammenhang mit einem der in § 2 Abs. 1 desEntwurfs genannten Prüfgegenstände stehen. Dazu kön-nen auch Straftaten wie Geldwäsche und Urkundenfäl-schung gehören. Ermittlungsergebnisse, die nicht im un-mittelbaren Zusammenhang mit einem der in § 2 Abs. 1des Gesetzentwurfs genannten Prüfgegenstände stehen,leiten die Behörden der Zollverwaltung nach wie vor aufGrundlage des § 163 StPO der Staatsanwaltschaft zu.

Anlage 11

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf dieFrage des Abgeordneten Albert Rupprecht (Weiden)(CDU/CSU) (Drucksache 15/2564, Frage 21):

Wie schätzt die Bundesregierung den Einfluss der unter-schiedlichen effektiven Unternehmensspitzenbesteuerung inDeutschland, Tschechien und der Slowakei in den Jahren2004 und 2006 in Bezug auf mögliche steuerbelastungsmoti-vierte Verlagerungen von Unternehmen in diese Länder ein?

Eine wissenschaftlich-exakte Einschätzung, welcheAuswirkungen Unterschiede in der Unternehmenssteuer-belastung auf die Standortentscheidungen von Unterneh-men haben, ist nicht möglich. Repräsentative Unterneh-mensbefragungen – wie sie beispielsweise dasFraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovations-forschung regelmäßig durchführt – zeigen aber, dass dieUnternehmenssteuerbelastung nicht zu den wichtigstenBeweggründen für die Auslandsansiedlung von Unter-nehmen zählt.

Anlage 12

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage desAbgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache15/2564, Frage 23):

Wird die Bundesregierung, um katastrophale wirtschaftli-che Schwierigkeiten abzuwenden, auf die EU-Kommissioneinwirken, eine Ausweitung der so genannte Entsenderichtli-nie auf das Busgewerbe durch die bevorstehende EU-Ost-erweiterung im Grenzland noch zu erreichen, oder welche an-deren Schritte prüft sie, um dem Busgewerbe zu helfen?

Die EU-Entsender Richtlinie erlaubt es den Mitglied-staaten schon jetzt, in ihren nationalen Entsenderegelun-gen bezüglich tarifvertraglicher Arbeitsbedingungenauch andere Branchen als die Bauwirtschaft einzubezie-hen. Eine Änderung der Entsenderichtlinie wäre dahergemeinschaftsrechtlich nicht erforderlich. Eine Ausdeh-nung des bestehenden deutschen Arbeitnehmer-Entsen-degesetzes würde allerdings wegen der Strukturen desBusgewerbes keine nennenswerte Hilfestellung zuguns-ten der deutschen Busunternehmen leisten können: Denndie beiden wesentlichen Voraussetzungen für eine effizi-ente Anwendung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzeswären im Busgewerbe nach meiner Einschätzung nichterfüllbar: Zum einen ist die Tariflandschaft im Busge-werbe zu sehr zersplittert. Es kann daher nicht davonausgegangen werden, dass in dieser Branche der erfor-derliche bundesweite Mindestlohntarifvertrag oder einevergleichbare Lösung mit einem sinnvoll austariertenMindestlohn zustande käme. Zum anderen wäre ein sol-cher Tarifvertrag, selbst wenn er geschlossen würde, we-gen des mobilen Einsatzes der Busfahrer kaum kontrol-lierbar.

Im Bereich anderer wettbewerbsrelevanter Arbeitsbe-dingungen, wie zum Beispiel bei den Lenk- und Ruhe-zeiten, bestehen bereits jetzt einschlägige EU-Normen,die mit dem Beitritt auch für die neuen Mitgliedstaatenverbindlich sein werden. Eine Kontrolle dieser Arbeits-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8323

(A) (C)

(B) (D)

bedingungen wird über das vorgeschriebene EG-Kon-trollgerät ermöglicht. Auch für eine Prüfung des techni-schen Zustands der eingesetzten Fahrzeuge steht dererforderliche Rechtsrahmen mit der Verordnung übertechnische Kontrollen von Nutzfahrzeugen auf derStraße vom 21. März 2003 zur Verfügung.

Anlage 13

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage derAbgeordneten Dr. Elke Leonhard (SPD) (Drucksache15/2564, Frage 24):

Welche Belastungen entstanden dem Bundeshaushaltdurch das nicht zustande gekommene TV-Sat 1-Vorhaben indem Zeitraum 1983 bis 1989?

Das TV-Sat l-Vorhaben (Direktrundfunksatellit) warein Vorhaben des Forschungsministers. Vorgesehen war,dass die damalige Deutsche Bundespost den Betrieb desSatelliten übernehmen sollte. Bau und Start des Satelli-ten wurden im Wesentlichen aus Forschungsmitteln desBundeshaushalts und die notwendigen technischen Ein-richtungen am Boden aus dem Sondervermögen Deut-sche Bundespost finanziert. In der Kürze der Zeit durch-geführte Nachforschungen des BMBF ergaben folgendesBild: Die Akten zum Projekt TV-Sat lagern bereits imArchiv; daher war keine Akteneinsicht möglich, sondernlediglich eine Abfrage der Datenbank „profi“, die dievom BMBF geförderten Projekte enthält. Bei dieserSuche ergaben sich für den Zeitraum 1978 bis 199026 Vorhaben mit einem Gesamtfördervolumen von230 889 679,98 Euro, die nach der jeweiligen Vorha-bensbeschreibung mit großer Wahrscheinlichkeit demProjekt „TV-Sat“ zuzuordnen sind. Auf die in der Frageexplizit erwähnten Jahre 1983 bis 1989 entfiel davon einBetrag von 113 415 272,10 Euro.

Ferner findet sich im Bundesbericht Forschung 1988(Teil III, Seite 132, 4. Absatz) folgender Hinweis: „Ausdem Sondervermögen der Deutschen Bundespost sindzusätzlich für den Rundfunksatelliten TV-SAT folgendeMittel anzusetzen: 1984 bis 1987 ca. 80 Mio. DM fürterrestrische Einrichtungen. Und 1984 bis 1987 rund140 Mio. DM für das Raumsegment.“ Ein vergleichbarerHinweis findet sich im Bundesbericht Forschung 1984;die Zahlen lauten dort: „1982 bis 1984 ca. 40 Mio. DMfür terrestrische Einrichtungen, 1984 und 1985 je70 Mio. DM für das Raumsegment“.

Anlage 14

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen derAbgeordneten Gitta Connemann (CDU/CSU) (Druck-sache 15/2564, Fragen 25 und 26):

Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor,dass bei Ausschreibungsverfahren der Bundesagentur für Ar-beit zu Trainingsmaßnahmen gemäß § 48 Drittes Buch Sozial-gesetzbuch (SGB III) der Auftragnehmer die Maßnahme garnicht selbst durchführt, sondern komplett an ein Subunterneh-men vergibt, und wenn ja, in welchen konkreten Fällen?

Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor,dass bei solchen Ausschreibungen der Auftragnehmer Hono-rarkräfte einsetzt und im Rahmen der Maßnahmen abrechnet,die zugleich als Ich-AG durch das Arbeitsamt gefördert wer-den, und wenn ja, in welchen konkreten Fällen?

Zu Frage 25:

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse dazuvor. Die Bundesagentur für Arbeit ist bei der Beauftra-gung von Trägern mit Trainingsmaßnahmen an das Ver-gaberecht gebunden. Die Allgemeinen Vertragsbedin-gungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B)sind dabei Bestandteil jedes Vertrages. Sie schreibenverbindlich vor, dass der Auftragnehmer die Leistungengrundsätzlich im eigenen Unternehmen durchführt.

Zu Frage 26:

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor.Die BA hat durch das Ausschreibungsverfahren Kennt-nisse über das zahlenmäßige Verhältnis von fest ange-stellten Lehrkräften zu Honorarkräften, erfasst dieseaber nicht.

Anlage 15

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen desAbgeordneten Karl-Josef Laumann (CDU/CSU)(Drucksache 15/2564, Fragen 27 und 28):

Wie bewertet der Bundesminister für Wirtschaft und Ar-beit, Wolfgang Clement, die Kostenentwicklung beim Virtuel-len Arbeitsmarkt insgesamt?

Gibt es aus Sicht der Bundesregierung eine Kostenober-grenze, ab der das Projekt endgültig eingestellt werden sollte?

Zu Frage 27:

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeitbegrüßt grundsätzlich die Einführung des VirtuellenArbeitsmarktes. Die Frage nach Einschätzung der Kos-tenentwicklung werden zurzeit vom Vorstand der Bun-desagentur für Arbeit geprüft. Das zuständige Kontroll-gremium, der Verwaltungsrat, hat um Bericht bis zum5. März 2004 gebeten. Erst dann wird über das weitereVerfahren entschieden werden können.

Zu Frage 28:

Es ist im Rahmen des genehmigten Haushalts Auf-gabe des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit, überZweckmäßigkeit und Angemessenheit des Virtuellen Ar-beitsmarktes zu entscheiden.

Anlage 16

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen desAbgeordneten Dr. Hermann Kues (CDU/CSU) (Druck-sache 15/2564, Fragen 29 und 30):

Ist das Projekt „Virtueller Arbeitsmarkt“ gescheitert, undwenn ja, was unternimmt die Bundesregierung, die in Ansatzgebrachten Mittel sicherzustellen?

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8324 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

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Inwiefern stellt sich für die Bundesregierung die Frage desSchadensersatzes?

Zu Frage 29:

Nein. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat die ersteStufe des Projektes „Virtueller Arbeitsmarkt“, die denKunden der BA über das Internet zugänglich ist, wie ge-plant zum 1. Dezember 2003 eingeführt. Der Vorstandder BA hat derzeit die zweite Stufe des Projektes, die inerster Linie die Arbeitsabläufe der Bediensteten der BAbetrifft, ausgesetzt, da insbesondere zu prüfen ist, ob imZusammenhang mit zusätzlichen Anforderungen an dasProjekt und der damit verbundenen KostenentwicklungAufträge neu ausgeschrieben werden müssen.

Zu Frage 30:

Wie in der Antwort auf Ihre erste Frage deutlich wird,kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht von einem Scheiterndes Projektes gesprochen werden. Durch den vom Vor-stand der Bundesagentur für Arbeit ausgesprochenenStopp der zweiten Stufe des Projektes wird sich die da-mit angestrebte und wünschenswerte Optimierung desVermittlungsprozesses verschieben. Zurzeit arbeitet dieBA daran, die Grundprobleme zu analysieren und mögli-che Handlungsalternativen darzustellen.

Anlage 17

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen desAbgeordneten Hartmut Schauerte (CDU/CSU)(Drucksache 15/2564, Fragen 31 und 32):

Welche Erkenntnisse lagen dem Bundesminister für Wirt-schaft und Arbeit, Wolfgang Clement, hinsichtlich der Kos-tenentwicklung beim Virtuellen Arbeitsmarkt wann vor, vordem Hintergrund, dass der Abteilungsleiter aus dem Bundes-ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Bernd Buchheit, nichtnur als Vertreter der Bundesregierung im Verwaltungsrat derBundesagentur für Arbeit (BA), sondern auch in dessen Präsi-dium vertreten ist?

Welche Erkenntnisse liegen dem Bundesminister für Wirt-schaft und Arbeit, Wolfgang Clement, hinsichtlich des aus derBA angedeuteten Vorwurfs der Korruption vor (vergleicheSüddeutsche Zeitung vom 27. Februar 2004), und was wirdder Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Cle-ment, dagegen unternehmen?

Zu Frage 31:

Herrn Bundesminister Wolfgang Clement lagen diegleichen Erkenntnisse vor, die auch den Mitgliedern desVerwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit (BA) vor-lagen. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung betrugdas Auftragsvolumen für den Virtuellen Arbeitsmarkt(VAM) 65,5 Millionen Euro inklusive Mehrwertsteuer.Der Verwaltungsrat der BA wurde durch eine Vorlagedes Vorstands der BA vom 18. Dezember 2003 sowohlüber das ursprüngliche Auftragsvolumen des VAM inHöhe von 65,5 Millionen Euro als auch über die Erhö-hung des Auftragsvolumens auf knapp 77 MillionenEuro aufgrund erhöhter technischer Anforderungen derBA informiert.

Die BA hat in ihrer Pressemitteilung Nr. 28 vom11. Februar 2004 eine Kostenexplosion beim VAM be-stritten, gleichwohl aber darauf hingewiesen, dass sieErweiterungswünsche mit einem Volumen von zirka22 Millionen Euro prüft. In der Presseinformation vom25. Februar 2004 teilte die BA mit, dass eine Risikoana-lyse des Projektes erhebliche Risiken bei Kosten undFunktionsfähigkeit des VAM ergeben habe, die zu einemAnstieg der Gesamtkosten auf zirka 165 Millionen Euroführen könnten. Die BA hat daraufhin die geplanten Er-weiterungsstufen des VAM verschoben und die Innenre-vision mit der Prüfung des gesamten Projekts beauftragt.

Das Präsidium des Verwaltungsrates der BA hat denVorstand der BA am 25. März 2004 aufgefordert, dieKostenentwicklung des Projektes Virtueller Arbeits-markt aufzuklären und den Verwaltungsrat hierüber biszum 5. März 2004 umfassend zu informieren.

Zu Frage 32:

Der in der Frage angesprochene Korruptionsvorwurfist im Rahmen der Dienstaufsicht zu prüfen. Die Dienst-aufsicht über die Beschäftigten der Bundesagentur fürArbeit wird gemäß § 387 Abs. 2 Drittes Buch Sozialge-setzbuch vom Vorstand ausgeübt.

Anlage 18

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf dieFragen des Abgeordneten Albert Deß (CDU/CSU)(Drucksache 15/2564, Fragen 33 und 34):

Trifft ein Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“vom 5. Februar 2004 zu, wonach EU-Kommissar FranzFischler in einem Brief an die Bundesministerin für Verbrau-cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast,und an die anderen EU-Regierungen davor gewarnt hat, dieBeschlüsse der EU-Agrarreform vom 26. Juni 2003 zur Um-verteilung zwischen den Regionen und zwischen den Land-wirten zu missbrauchen?

Legt dieser Brief zwingend nahe, den Gesetzentwurf derBundesregierung zur Umsetzung der Reform der Gemeinsa-men Agrarpolitik (Bundesratsdrucksache 80/04 vom 30. Ja-nuar 2004) dahin gehend zu ändern, dass für Deutschland derRegelfall der Betriebsprämienregelung nach Artikel 58 Abs. 1der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. Sep-tember 2003 (ABl. EG Nr. L 270/1) gewählt wird, und wennnein, welche hinreichenden Begründungen und objektivenKriterien nach Artikel 59 Abs. 1 und Artikel 63 Abs. 3 deroben genannten Verordnung kann die Bundesregierung für ihrModell der regionalen und betrieblichen Umverteilung in ih-rem oben genannten Gesetzentwurf anführen?

Zu Frage 33:

EU-Kommissar Fischler hat ein gleich lautendesSchreiben an die zuständigen Ministerinnen und Minis-ter aller Mitgliedstaaten geschickt. Vor dem Hinter-grund, dass derzeit in den Mitgliedstaaten über die Um-setzung der Reform der gemeinsamen Agrarpolitikberaten wird, nimmt er grundsätzlich zu dem neuen Sys-tem der Direktzahlungen Stellung und erläutert die In-tention des von der EU-Kommission vorgeschlagenenStandardmodells der Entkopplung. Er erkennt dabei aus-drücklich an, dass in Übereinstimmung mit Artikel 59

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der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 von dem Standard-modell in hinreichend begründeten Fällen abgewichenwerden kann und die Mitgliedstaaten den Gesamtbetragder festgelegten regionalen Obergrenze nach objektivenKriterien ganz oder teilweise auf alle Betriebsinhaberaufteilen können, deren Betriebe in der betreffenden Re-gion gelegen sind. Die Entscheidung des Mitgliedstaatessowohl für eine volle Regionalisierung als auch für einKombinationsmodell müsse in voller Transparenz und inÜbereinstimmung mit dieser Regelung erfolgen.

Zu Frage 34:

Nach Auffassung der Bundesregierung ist es nicht er-forderlich, den Gesetzentwurf zur Durchführung der ein-heitlichen Betriebsprämie dahin gehend zu ändern, dassfür Deutschland der Regelfall der Betriebsprämienrege-lung zur Anwendung kommt. Für die Wahl des imGesetzentwurf zur Durchführung der einheitlichen Be-triebsprämie gewählten Kombinationsmodells sind ins-besondere nachfolgende Gründe ausschlaggebend.Durch die Einführung der Betriebsprämienregelung(Entkopplung) sind die einbezogenen Direktzahlungennicht mehr an eine bestimmte Produktion gebunden.Alle Betriebsinhaber unterliegen insoweit künftig vonder Produktionsseite her den gleichen Markt- und Wett-bewerbsbedingungen. Für alle Betriebsinhaber, die Di-rektzahlungen erhalten, gelten zudem einheitlich für allelandwirtschaftlich genutzten Flächen die Vorschriftenzur Einhaltung von Standards in den Bereichen Umwelt,Tierschutz und Nahrungsmittelsicherheit sowie zur Er-haltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen undökologischen Zustand. Die Direktzahlungen sind inso-weit immer weniger ein Preisausgleich, sondern zuneh-mend eine allgemeine Einkommensstützung, die auchden vielfältigen Gemeinwohlleistungen der Landwirt-schaft Rechnung trägt. Dieser geänderten Zielsetzungder Direktzahlungen, den einheitlichen Anforderungenan ihre Gewährung und dem Ziel einheitlicher Wettbe-werbsbedingungen tragen ein einheitlich hoher Zah-lungsanspruch und damit eine einheitliche hektarbezo-gene Einkommensstützung angemessen Rechnung.Daher soll in Deutschland ein Regionalmodell zur An-wendung kommen.

Die Umsetzung der Entkopplung über ein reines Sys-tem gleich hoher flächenbezogener Zahlungsansprüchebereits zu Beginn der Neuregelung würde jedoch zu ei-ner abrupten Umverteilung von Prämienvolumen zwi-schen den Betriebsinhabern fuhren. Dies würde die An-passungsfähigkeit vieler Betriebe mit teilweise erheblichüber dem Durchschnitt liegenden Prämienzahlungen jeHektar bewirtschafteter Fläche überfordern und die Ge-fahr struktureller Brüche beinhalten. Deswegen soll vonder Option Gebrauch gemacht werden, die Betriebsprä-mienregelung über ein Kombinationsmodell umzuset-zen, in dem bei der Festsetzung der Zahlungsansprüchebzw. der zugrunde liegenden Referenzbeträge für be-stimmte Prämienanteile die Vorschriften des Standard-modells (das heißt Orientierung an den gewährten Zah-lungen in einem Bezugszeitraum) zugrunde gelegt

werden. Um zu große Umverteilungen zu vermeiden,soll ebenso im Rahmen der Verteilung des Prämienvolu-mens auf die Regionen nur ein Teil der historisch be-dingten Unterschiede zwischen den Regionen (bezogenauf das durchschnittliche Prämienvolumen je Hektar)ausgeglichen werden, die bisher aufgrund unterschiedli-cher Produktionsstrukturen und Referenzerträge bei denAckerkulturen bestehen. Bei Umsetzung eines Kombi-nationsmodells ergeben sich grundsätzlich für jeden Be-trieb sehr unterschiedliche Werte je Einheit für die Zah-lungsansprüche. Diese sollen dann schrittweise zuregional einheitlichen Werten je Zahlungsanspruch an-geglichen werden.

Die Umsetzung der Betriebsprämienregelung in dervorgeschlagenen Form soll auch deswegen erfolgen, umvon Beginn an eine möglichst gleich hohe Zahl vonZahlungsansprüchen und begünstigungsfähiger Flächezu erreichen. Damit wird das Ziel verfolgt, ein möglichstausgewogenes Verhältnis auf den Märkten für Zahlungs-ansprüche und landwirtschaftliche Flächen zu erreichenund abrupte Änderungen oder Brüche auf den Pacht-und Bodenmärkten zu vermeiden. Die Eckpunkte diesesKombinationsmodells, die im Gesetzentwurf ihren Nie-derschlag gefunden haben, sind auch ausführlich mit denDienststellen der Kommission erörtert worden und dabeiauf keine Bedenken gestoßen.

Anlage 19

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf dieFragen des Abgeordneten Werner Lensing (CDU/CSU)(Drucksache 15/2564, Fragen 35 und 36):

Wie wurde die nationale Höchstgrenze zur Gewährungvon Sonderprämien für männliche Rinder von 1 536 113 Tie-ren für die Jahre 2002 und 2003 errechnet?

Wie viele männliche Rinder mit Anspruch auf die Sonder-prämie wurden von den einzelnen Bundesländern an das Bun-desmisterium für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-wirtschaft für die Jahre 2003 und 2003 gemeldet?

Zu Frage 35:

Im Zuge der BSE-Krise ist der für Deutschland vorge-sehene Prämienplafond für die Sonderprämie für männ-liche Rinder im Juni 2001 durch den EU-Ministerrat fürdie Jahre 2002 und 2003 auf 1 536 113 Tiere vorüberge-hend abgesenkt worden. Bei der Berechnung wurdenhierbei die tatsächlich geförderten Prämien in den Jahren1997 bis 2000 berücksichtigt.

Zu Frage 36:

Im Rahmen des föderalen Staatsaufbaues sind dieBundesländer für die Durchführung der EU-Vorschriftenüber die Gemeinsame Marktorganisation für Rindfleischund damit auch für die Rinderprämien zuständig. DieEinzeldaten der Bundesländer können daher aus Grün-den des Vertrauensschutzes seitens der Bundesregierungnicht veröffentlicht werden.

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Anlage 20

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf dieFragen des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/CSU) (Drucksache 15/2564, Fragen 37 und 38):

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass neben vonZahntechnikern gefertigten Klammern und Teleskop-Kronenauch „Geschiebe“ als Halteelemente für Zahnersatz nach demEinheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistun-gen (BEMA) mit den Krankenkassen abgerechnet werdenkönnen?

Nach welcher Definition grenzt die Bundesregierung dieKostenträgerschaft für akute Krankenhausbehandlung (Kran-kenkasse) der Rehabilitation (Bundesversicherungsanstalt fürAngestellte) ab?

Zu Frage 37:

Nach den zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenenRichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses füreine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftlichevertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz undZahnkronen können Geschiebe gemäß Nummer 29 Satz 4„… bei einem Lückenschluss durch eine geteilte Brückebei disparallelen Pfeilerzähnen“ für eine bedarfsgerechteund wirtschaftliche Versorgung der Versicherten ange-zeigt sein. Die Abrechenbarkeit dieser Maßnahmen hatdie Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung mit denSpitzenverbänden der Krankenkassen gemäß § 87 Fünf-tes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) im EinheitlichenBewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ver-einbart. Der geltende Einheitliche Bewertungsmaßstabfür zahnärztliche Leistungen sieht bei Verwendung die-ser Verbindungselemente eine Abrechenbarkeit durchdie Ziffer 91 e) vor. Vor diesem Hintergrund dürfte esüber die Abrechenbarkeit dieser Leistungen in der Praxiskeine unterschiedlichen Auffassungen geben. Durch dieaufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur Modernisierungder Richtlinien und Neubewertung des Einheitlichen Be-wertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen zum1. Januar 2004 in Kraft getretenen Neuregelungen dergemeinsamen Selbstverwaltung gehören Geschiebe al-lerdings nur in den genannten Fällen, also bei geteiltenBrücken mit disparallelen Pfeilerzähnen, zur vertrags-zahnärztlichen Leistung. Geschiebe bei anderen Indika-tionen sowie andere Verbindungselemente wie Stege,Riegel, Anker und dergleichen gehören – mit Ausnahmeder Indikationen nach § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V – ausGründen von Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versor-gung nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung.In diesen Fällen gibt es Behandlungsalternativen, dieweiterhin zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehö-ren.

Zu Frage 38:

Die Frage zielt offenbar ab auf eine definitorische Ab-grenzung der gebotenen Frührehabilitation, die – zulas-ten der Gesetzlichen Krankenversicherung – von derakutstationären Krankenhausbehandlung umfasst ist,von der medizinischen Rehabilitation im Übrigen, diegegebenenfalls im Anschluss an die Krankenhausbe-handlung insbesondere auch von den Trägern der Ge-

setzlichen Rentenversicherung erbracht wird. Jeglichemedizinische Rehabilitation ist grundsätzlich Bestandteilder gesamten medizinischen Versorgung. Eine ausdrück-liche Definition der medizinischen Rehabilitation oderFrührehabilitation ist weder im Fünften und Sechstennoch im Neunten Buch Sozialgesetzbuch enthalten. Be-schrieben werden demzufolge nur Leistungen nach ihrenZielen und Inhalten entsprechend dem erforderlichenfaktischen Versorgungsgeschehen. Der Gesetzgeber hatdurch die Einbeziehung der Frührehabilitationsmaßnah-men in die allgemeine Krankenhausleistung (§ 39 Abs. 1Satz 3 SGB V) deutlich gemacht, dass auch Frührehabi-litationsanteile Krankenhausleistungen sind, die unterBerücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Kranken-hauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krank-heit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichendeVersorgung des Patienten notwendig sind. Sie sind imRahmen der für die jeweilige Akutbehandlung erforder-lichen Verweildauer zulasten der Gesetzlichen Kranken-versicherung zu erbringen. Entsprechend ist es der Ge-setzlichen Rentenversicherung untersagt, Leistungen zurmedizinischen Rehabilitation in der Phase akuter Be-handlungsbedürftigkeit einer Krankheit zu erbringen, essei denn, die Behandlungsbedürftigkeit tritt während derAusführung von Leistungen zur medizinischen Rehabili-tation ein. Zugleich hat der Gesetzgeber ausgeschlossen,dass die Rentenversicherung Leistungen zur medizini-schen Rehabilitation anstelle einer sonst erforderlichenKrankenhausbehandlung erbringt (§ 13 Abs. 2 Nr. 2SGB VI). Im Übrigen erfordert die Erbringung von Leis-tungen zur medizinischen Rehabilitation durch einenTräger der Gesetzlichen Rentenversicherung insbeson-dere Rehabilitationsbedürftigkeit und Rehabilitationsfä-higkeit. Beides unterliegt ausschließlich der medizini-schen Beurteilung im Einzelfall.

Anlage 21

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens auf die Fra-gen der Abgeordneten Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) (Drucksache 15/2564, Fragen 41 und 42):

Wie hoch schätzt die Bundesregierung nach Kündigungder Verträge mit dem Toll-Collect-Konsortium die Gesamt-verluste für Spediteure durch den Nutzungsausfall von Last-kraftwagen ein, die infolge des bis zu einen Tag dauerndenEinbaus der On-Board-Unit-Maut-Zahlgeräte (OBU), derhäufigen Reparaturaufenthalte sowie des nunmehr notwendi-gen Ausbaus dieser Geräte entstehen?

Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit einerdiesbezüglichen Sammelklage der deutschen Spediteure ge-gen die Bundesregierung?

Zu Frage 41:

Die Bundesregierung kann keine Aussage dazu tref-fen, wie hoch die Gesamtverluste für Spediteure durchden Nutzungsausfall von Lastkraftwagen infolge desEinbaus und eventuell Austausches von Fahrzeuggerätensind. Der Einbau einer On-Board-Unit (OBU) dauert inder Regel zwischen zwei und vier Stunden. Wie hoch derdabei entstehende Nutzungsausfall ist, kann nicht ein-

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deutig ermittelt werden, da dieser zwischen den Spedi-tionen und Fahrzeugen differiert. Zu berücksichtigen istferner, dass viele Werkstätten die OBU’s auch an Wo-chenenden einbauen. An Sonntagen unterfallen diemeisten LKWs dem Sonntagsfahrverbot, sodass dannkeine Nutzungsausfälle entstehen.

Zu Frage 42:

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eineKlage gegen die Bundesregierung keine Aussicht auf Er-folg haben wird. Maßgeblich für die Kostentragung auchder den Spediteuren entstehenden Kosten sind die Rege-lungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen derToll Collect GmbH. Danach hat der Benutzer alle Kos-ten zu tragen, die im Zusammenhang mit dem Ein- oderAusbau des Fahrzeuggerätes oder für Arbeiten am Fahr-zeuggerät, bei Kennzeichenwechsel sowie für anderevom Benutzer im Verhältnis zum Servicepartner veran-lasste Arbeiten entstehen. Ausgenommen sind die Kos-ten, die durch von Toll Collect zu erbringende oder ver-anlasste Wartungs- und Pflegearbeiten am Fahrzeuggerätsowie betriebsnotwendige Anpassungsarbeiten derHard- oder Software des Fahrzeuggerätes entstehen undihre Ursache im Verantwortungsbereich von Toll Collecthaben. Die Spediteure haben sich somit zur Klärung vonSchadensersatzansprüchen an die Firma Toll Collect zuwenden.

Anlage 22

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage desAbgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Drucksa-che 15/2564, Frage 43):

Inwieweit bezieht die Bundesregierung den Bund der Ver-triebenen und die Landsmannschaften der deutschen Heimat-vertriebenen in die geplante Errichtung eines Osteuropazen-trums ein (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Februar2004)?

Die Bundesregierung beabsichtigt die Einrichtung ei-nes Osteuropazentrums für Wirtschaft und Kultur. ZurEntscheidungsfindung stützt sich die Bundesregierungdabei auf die Fachkompetenz der folgenden Einrichtun-gen: Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deut-schen im östlichen Europa; Deutsche Gesellschaft fürOsteuropakunde; Südosteuropa-Gesellschaft; Herder-Institut Marburg; Ost-West-Wissenschaftszentrum Kas-sel; Institut für Regionalentwicklung und Strukturpla-nung; Deutsche Industrie- und Handelskammer; Bundes-amt für Bauwesen und Raumordnung; Bundesagenturfür Außenwirtschaft und Ostausschuss der deutschenWirtschaft.

Die Vielzahl der Einrichtungen spiegelt gesellschaft-liche und fachliche Vielfalt der in Deutschland gebün-delten Kompetenz in Osteuropafragen wieder. Im Übri-gen können auch der Bund der Vertriebenen und dieLandsmannschaften der deutschen Heimatvertriebenen

ihre Sachkunde in die Arbeit des Osteuropazentrumseinbringen.

Anlage 23

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage desAbgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache15/2564, Frage 44):

Treffen Informationen zu, wonach das Bundesministeriumfür Verkehr, Bau- und Wohnungswesen einen Gesetzentwurferarbeitet, der für die Benutzung deutscher Wasserstraßendurch Sportboote eine Maut (Sportboot-Vignette) vorsieht?

Der Bundesrechnungshof hat in seinen Prüfungs-bemerkungen 2000 den niedrigen Kostendeckungsgradin der Freizeitschifffahrt gerügt und eine höhere Kosten-beteiligung angeregt. Der Rechnungsprüfungsausschusshat in seiner Sitzung am 10. Dezember 2003 einver-nehmlich das Bundesministerium für Verkehr, Bau- undWohnungswesen aufgefordert, aufgrund der Prüfungs-bemerkungen des Bundesrechnungshofes nunmehr ohneweitere Verzögerungen: eine Rechtsgrundlage für die Er-hebung von Schifffahrtsabgaben zu schaffen, die Rea-lisierung einer Vignettenlösung für Sportfahrzeuge zubetreiben und über das Erreichte bis zum 1. Oktober2004 zu berichten. Derzeit wird ein Gesetz erarbeitet,das eine Ermächtigungsgrundlage zur Einführung einerVignette im Bereich der Freizeitschifffahrt enthält.

Anlage 24

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Fragen derAbgeordneten Renate Blank (CDU/CSU) (Drucksache15/2564, Fragen 45 und 46):

Ist die Bundesregierung bereit, nachdem der bayerischeWirtschafts- und Verkehrsminister, Dr. Otto Wiesheu, denBau- und Finanzierungsvertrag für die S-Bahn-Strecke Nürn-berg–Erlangen–Forchheim für den Freistaat unterzeichnet hat,ebenfalls den Bau- und Finanzierungsvertrag zu unterzeich-nen und im Rahmen der Gemeindeverkehrsfinanzierungsmit-tel die Strecke mit 60 Prozent, wie im Anti-Stau-Programmaus dem Jahr 2000 vorgesehen, zu finanzieren?

Wenn ja, wann wird die Bundesregierung den Bau- undFinanzierungsvertrag für die S-Bahn-Strecke Nürnberg–Erlan-gen–Forchheim unterzeichnen?

Der Bau- und Finanzierungsvertrag für die S-BahnNürnberg–Erlangen–Forchheim wird zwischen demLand und der Deutschen Bahn AG (DB AG) abgeschlos-sen. Der Bund ist daran nicht beteiligt. Der Bau- undFinanzierungsvertrag erfüllt eine notwendige Voraus-setzung für eine Förderung der S-Bahn Nürnberg–Erlan-gen–Forchheim mit Mitteln aus dem Bundesprogrammgemäß § 6 (1) Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, in-dem damit die Gesamtfinanzierung des S-Bahn-Vorha-bens abgesichert wird. Maßgeblich für die Finanzierungdes Vorhabens mit Bundesmitteln ist ein Förderantrag,der von der DB AG mit Zustimmung des Landes zu stel-len ist. Dies ist bisher nicht geschehen.

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Anlage 25

Antwort

der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage desAbgeordneten Hans Michelbach (CDU/CSU) (Druck-sache 15/2564, Frage 48):

Wann gedenkt die Bundesregierung nach der Entschei-dung des Bundesverwaltungsgerichts, Az. 4 A 11.02 vom15. Januar 2004, wonach der Bau der Bundesautobahn A 73(Suhl–Lichtenfels) im Abschnitt Ebersdorf bei Coburg bisLichtenfels freigegeben wurde, und nachdem zudem dasHaushaltsgesetz 2004 in Kraft getreten ist, den Bau des vorbe-nannten Autobahnabschnitts zu beginnen, und sind hierfürausreichende Finanzmittel vorhanden?

Abschließende Entscheidungen über Baubeginne2004 können erst nach Abschluss der Bund-Länder-Ge-spräche getroffen werden. Dies schließt auch den süd-lichsten Abschnitt der Bundesautobahn A 73 von Ebers-dorf nach Lichtenfels ein.

Anlage 26

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Béla Anda auf die Fragen desAbgeordneten Helmut Heiderich (CDU/CSU) (Druck-sache 15/2564, Fragen 49 und 50):

In welchen Mengen und unterschiedlichen Auflagen hatdie Bundesregierung bisher das Werbeheft „Agenda 2010“drucken lassen, und welche Kosten sind dabei insgesamt– einschließlich Beratung und Entwurf – entstanden?

In welcher Weise und zu welchen Kosten ist diese Bro-schüre bisher verteilt worden?

Zu Frage 49:

Die Auflagenhöhe für die 1. Auflage (Stand: Novem-ber 2003) beträgt 2,623 Millionen Exemplare. Die Pro-duktionskosten – einschließlich Beratung und Entwurf –belaufen sich nach derzeitigem Stand auf 586 653 Euro.Die Auflagenhöhe für die 2. Auflage (Aktualisierte Neu-auflage, Stand: Februar 2004) beträgt 3,2 MillionenExemplare. Die Produktionskosten – einschließlich Be-ratung und Entwurf – belaufen sich nach derzeitigemStand auf 392 902 Euro.

Zu Frage 50:

Die Verteilung der 1. Auflage erfolgte als Beileger in„Die ZEIT“, in der „Süddeutschen Zeitung“, der „Frank-furter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sowie durch Ver-teilung auf Bahnhöfen und im Rahmen der Bustour Ad-lerauge; weiter durch Auslage in Dinamix-displays inRestaurants etc. sowie durch Direktvertrieb des BPA un-ter anderem an alle Mitglieder des Bundestages sowie andie Bürgerinnen und Bürger aufgrund von Onlinebestel-lungen oder telefonischen Anfragen. Die Kosten dafürbelaufen sich nach derzeitigem Stand auf 907 130 Euro.

Die Verteilung der 2. Auflage erfolgte als Beileger inder „BILD am Sonntag“ und „Die ZEIT“ sowie durchDirektvertrieb des BPA unter anderem an alle Mitgliederdes Bundestages sowie an die Bürgerinnen und Bürgeraufgrund von Onlinebestellungen oder telefonischen An-

fragen. Die Kosten dafür belaufen sich nach derzeitigemStand auf 342 581 Euro.

Anlage 27

Antwort

der Staatsministerin Dr. Christina Weiss auf die Fragendes Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt)(FDP) (Drucksache 15/2564, Fragen 51 und 52):

Was sind die „massiven Einwände“, die die Beauftragteder Bundesregierung für Kultur und Medien, StaatsministerinDr. Christina Weiss, laut einem Artikel in der „SüddeutschenZeitung“ vom 18. Februar 2004 gegen den Referentenentwurfdes Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur Ände-rung des Pressefusionsrechts hat, und welche „Bedenken desBundeskartellamtes“ teilt die Staatsministerin Dr. ChristinaWeiss?

Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das vonder Staatsministerin Dr. Christina Weiss vorgeschlageneModell einer „Stiftung samt Aufsichtsgremium“ geeignetist, die publizistische Selbstständigkeit von Verlagen oderZeitungen zu wahren, und inwieweit decken sich die diesbe-züglichen Vorstellungen des Bundesministers für Wirtschaftund Arbeit, Wolfgang Clement, mit denen der Staatsministe-rin Dr. Christina Weiss?

Zu Frage 52:

Der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Ar-beit vorgelegte Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Än-derung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun-gen, der unter anderem Vorschläge zur Änderung desPressekartellrechts enthält, befindet sich derzeit in derregierungsinternen Abstimmung. Die Bundesregierungwird sich zur Frage der Neuordnung des Pressekartell-rechts äußern, sobald diese Abstimmung abgeschlossenist.

Zu Frage 52:

Es wird auf die Antwort auf Frage 51 verwiesen.

Anlage 28

Nachträglicher Abdruck der amtlichen Mitteilungen zur 89. Sitzung

Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse habenmitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das EuropäischeParlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera-tung abgesehen hat.

InnenausschussDrucksache 15/345 Nr. 6 Drucksache 15/713 Nr. 1.3

RechtsausschussDrucksache 15/345 Nr. 33

Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitDrucksache 15/1280 Nr. 2.38 Drucksache 15/1765 Nr. 2.18

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(A) (C)

(B)

Drucksache 15/1948 Nr. 1.3 Drucksache 15/1948 Nr. 1.10 Drucksache 15/1948 Nr. l. 18 Drucksache 15/1948 Nr. 1.34Drucksache 15/2028 Nr. 2.9 Drucksache 15/2028 Nr. 2.12 Drucksache 15/2028 Nr. 2.13

Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und LandwirtschaftDrucksache 15/2104 Nr. 1.7 Drucksache 15/2104 Nr. 2.14 Drucksache 15/2104 Nr. 2.20 Drucksache 15/2104 Nr. 2.21 Drucksache 15/2104 Nr. 2.22 Drucksache 15/2104 Nr. 2.27

Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungDrucksache 15/1547 Nr. 1.10Drucksache 15/1547 Nr. 2.72 Drucksache 15/1547 Nr. 2.76 Drucksache 15/1948 Nr. 1.1 Drucksache 15/1948 Nr. 1.29 Drucksache 15/2217 Nr. 2.6

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Drucksache 15/1948 Nr. 1.25Drucksache 15/2104 Nr. 2.8 Drucksache 15/2217 Nr. 2.21 Drucksache 15/2217 Nr. 2.23

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Drucksache 15/2217 Nr. 2.28

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Drucksache 15/2104 Nr. 2.2

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Drucksache 15/1765 Nr. 1.1Drucksache 15/2104 Nr. 1.2 Drucksache 15/2217 Nr. 2.14

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ISSN 0722-7980