Deutscher Bundestag Drucksache 14/5394 - Sozialbeirat · 2021. 1. 14. · Drucksache 14/5394 – 4...

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Zugeleitet mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 9. Februar 2001. Deutscher Bundestag Drucksache 14/5394 14. Wahlperiode 13. 02. 2001 Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten des Sozialbeirats zur Rentenreform Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.1 Motivation für ein Sondergutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Der Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Die Elemente der Reform: Ziele, Maßnahmen, Konsequenzen . . . . . . . 6 2.1 Langfristige Stabilisierung der Beitragssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2 Ausbau eines kapitalgedeckten Zusatzversorgungssystems . . . . . . . . . . . 6 2.3 Neuordnung der Hinterbliebenenrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4 Eigenständige Sicherung der Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.5 Bedarfsorientierte Mindestsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.6 Neuordnung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit . . . . . . . . . 13 2.7 Wegfall des bisher vorgesehenen Ausgleichsfaktors und Ersatz durch eine geänderte Anpassungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.8 Neue Anpassungsformeln und Angleichungsprozess in den neuen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.9 Intergenerative Verteilungswirkungen der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.10 Finanzwirkungen der Reformmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Flankierende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.1 Verbesserung des Auskunftsservice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.2 Wirkungsgleiche und systemgerechte Übertragung auf die Beamtenversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4. Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

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Zugeleitet mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 9. Februar 2001.

Deutscher Bundestag Drucksache 14/539414. Wahlperiode 13. 02. 2001

Unterrichtungdurch die Bundesregierung

Sondergutachten des Sozialbeirats zur Rentenreform

Inhal tsverzeichnis

Seite

1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.1 Motivation für ein Sondergutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Der Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2. Die Elemente der Reform: Ziele, Maßnahmen, Konsequenzen . . . . . . . 6

2.1 Langfristige Stabilisierung der Beitragssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Ausbau eines kapitalgedeckten Zusatzversorgungssystems . . . . . . . . . . . 62.3 Neuordnung der Hinterbliebenenrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.4 Eigenständige Sicherung der Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.5 Bedarfsorientierte Mindestsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.6 Neuordnung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit . . . . . . . . . 132.7 Wegfall des bisher vorgesehenen Ausgleichsfaktors und Ersatz durch

eine geänderte Anpassungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142.8 Neue Anpassungsformeln und Angleichungsprozess in den

neuen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.9 Intergenerative Verteilungswirkungen der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . 172.10 Finanzwirkungen der Reformmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3. Flankierende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.1 Verbesserung des Auskunftsservice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.2 Wirkungsgleiche und systemgerechte Übertragung auf

die Beamtenversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

4. Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

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Drucksache 14/5394 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

1. Einführung

1.1 Motivation für ein Sondergutachten

1. In seinem Gutachten zum Rentenversicherungsbe-richt der Bundesregierung für das Jahr 2000 hatte der So-zialbeirat angekündigt, dass er im Rahmen eines Sonder-gutachtens zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform dergesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eineskapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersver-mögensgesetz – AVmG) Stellung nehmen wird, um damitentsprechend seinem gesetzlichen Auftrag einen Beitragzu den Beratungen in den gesetzgebenden Körperschaftenzu leisten. Auf einige Inhalte des Gesetzentwurfs ist derSozialbeirat bereits in seinem am 23. November 2000 ver-abschiedeten Gutachten eingegangen1. Diese Ausführun-gen sollen im Folgenden vertieft und im Lichte der imbisherigen Beratungsverfahren erfolgten Änderungen imDeutschen Bundestag beurteilt werden.

2. Eine gesonderte Stellungnahme hält der Sozialbeiratinsbesondere deswegen für geboten, weil das Reformpro-jekt nach dem erklärten Willen der Bundesregierung sehrlangfristig, nämlich auf einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren angelegt ist und insbesondere dazu geeignet seinsoll, die Herausforderungen, die sich aus dem absehbarendemographischen Wandel in den nächsten Jahrzehnten er-geben, zu bewältigen und das Alterssicherungssystem inDeutschland mit der gesetzlichen Rentenversicherung alswichtigste Säule einerseits für künftige Generationen fi-nanzierbar zu halten, andererseits aber – zusammen mit einem ergänzenden kapitalgedeckten System – ein Siche-rungsniveau zu gewährleisten, das für langjährig Versi-cherte nach Renteneintritt eine annähernde Aufrechterhal-tung des im Erwerbsleben erreichten Lebensstandardsermöglicht. Im Folgenden soll untersucht werden, ob undinwieweit mit dem Reformpaket, das der Deutsche Bun-destag bereits beschlossen hat, diese Zielstellungen er-reicht werden können.

1.2 Der Reformbedarf

3. Der Sozialbeirat hat sich bereits in einer frühen PhaseEnde der 70er-/Anfang der 80er-Jahre mit den Herausfor-derungen beschäftigt, die sich aus der damals bereits absehbaren demographischen Entwicklung für die Ren-tenversicherung ergeben. Am 23. Februar 1979 wies er inseinem jährlichen Gutachten zu den Vorausberechnungender Bundesregierung über die Entwicklung der Finanz-lage der Rentenversicherung2 darauf hin, dass für die Weiterentwicklung des Rentenversicherungssystems eineeingehende Analyse der langfristigen Probleme der Al-terssicherung unerlässlich sei. In der Folge beauftragteder Sozialbeirat eine Wissenschaftlergruppe, eine Analyse

der längerfristigen Entwicklungsperspektiven der Renten-versicherung durchzuführen. Auf der Basis des Gutachtensdieser Gruppe hat der Sozialbeirat die Aspekte der lang-fristigen Entwicklung der gesetzlichen Rentenversiche-rung beraten und seine Überlegungen in einem entspre-chenden Gutachten den gesetzgebenden Körperschaftenzugeleitet3. Die Dimension der schon damals absehbarenProbleme wird daran erkennbar, dass die Wissenschaftler-gruppe – je nach Modellvariante – zu dem Ergebnis kam,dass der Beitragssatz im Jahre 2035 auf weit über 30 % ansteige, wenn nicht Gegenmaßnahmen ergriffenwürden4. Die Bandbreite möglicher Lösungen innerhalbdes Systems sah der Sozialbeirat seinerzeit darin, bei Kon-stanz des Leistungsniveaus der Rentenversicherung ent-weder den Beitragssatz bis auf knapp 35 % zu erhöhenoder aber das Leistungsniveau der Rentenversicherung beieinem konstanten Beitragssatz von damals 18,5 % in etwazu halbieren; beides waren im Ergebnis keine gangbarenLösungswege.

4. Die Veränderungen in der demographischen Entwick-lung zeigen sich in den Ergebnissen der 9. koordiniertenBevölkerungsvorausberechnung5, wie sie aus Abbildung 1im Vergleich deutlich werden. Am anschaulichsten lässtsich diese Entwicklung im Vergleich des Altersaufbausder Bevölkerung in Deutschland für 1910 und der Pro-gnose für 2050 verdeutlichen.

5. Zweierlei ist hierbei auffällig: Während der Altersauf-bau 1910 mit nur sehr geringen Abweichungen einer Pyra-mide ähnelt, die sich relativ gleichmäßig nach oben hin ver-jüngt, d. h. nahezu jedem älteren Jahrgang folgt einzahlenmäßig größerer jüngerer Jahrgang, zeigt die Darstel-lung der Prognose für 2050 ein völlig anderes Bild. Bis hinzu den etwa 55-Jährigen ist jeder jüngere Jahrgang kleinerals sein Vorgängerjahrgang, während sich im oberen Teilder Darstellung (etwa 56-Jährige und Ältere) vor allemnoch die Folgen zweier Weltkriege z. B. mit ihren Gebur-tenausfällen widerspiegeln. Bei den unter 55-Jährigen zei-gen sich deutlich die Folgen der zurückgegangenen Gebur-tenrate. Die zweite Auffälligkeit besteht darin, dass 1910die Zahl der über 70-Jährigen bereits sehr gering ist,während die Vergleichszahl für 2050 für diese Personen-gruppe immer noch sehr hoch liegt und mit weiter steigen-dem Lebensalter auch nur sehr langsam zurückgeht. Hierzeigen sich die Auswirkungen der bis jetzt bereits stark ge-stiegenen und noch weiter steigenden Lebenserwartung.Auf beide Phänomene, also niedrige Geburtenziffer beigleichzeitig steigender Lebenserwartung der älteren Bevöl-kerung, hat die Politik im Bereich der Alterssicherung lang-fristig tragfähige Antworten zu finden.

1 Vgl. Bundesratsdrucksache 769/00, S. 157, TZ 2.2 Vgl. Gutachten zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung

über die Entwicklung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversi-cherung (Rentenanpassungsbericht 1979), Bundestagsdrucksache8/2709, S. 108.

3 Vgl. Gutachten des Sozialbeirats über langfristige Probleme der Al-terssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Bundestagsdruck-sache 9/632.

4 Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Langfris-tige Probleme der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutsch-land, Band 1, Bonn o. J. (1981), S. 40 ff.

5 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Bevölkerungsentwicklung Deutsch-lands bis zum Jahr 2050. Ergebnisse der 9. koordinierten Bevölke-rungsvorausberechnung, Wiesbaden 2000.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5394

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Drucksache 14/5394 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

6. Zuweilen werden als Lösungsmöglichkeiten für dieProbleme, die sich aus der Alterung der Gesellschaft er-geben, eine Erhöhung der Geburtenrate und/oder eine ver-stärkte Zuwanderung genannt. Dagegen steht, dass derAltersquotient kurz- und mittelfristig nur sehr begrenztgestaltbar ist. Zwar ist davon auszugehen, dass der Staatund speziell die sozialen Sicherungssysteme wohl einenEinfluss auf die Geburtenrate haben können. Sie solltenjedenfalls individuelle Entscheidungen zur Kinderlosig-keit nicht mit Sanktionen belegen, andererseits aber dafür Sorge tragen, dass die zahlreichen faktischen mate-riellen Benachteiligungen von Familien und allein ste-henden Frauen mit Kindern abgebaut werden.

7. Eine verstärkte Zuwanderung hat, wie die Tabellen 1und 2 zeigen, durchaus einen Einfluss auf die Entwick-lung des Altersquotienten, dies aber in spürbarem Umfangnur sehr langfristig. Den Vorteilen, die sich für das Al-terssicherungssystem in Form eines günstigeren Alters-quotienten und höherer Beitragseinnahmen ergäben, stün-den schärfere Integrationsprobleme gegenüber, wenn dieZuwanderung in den kritischen Jahren die Steigerung desAltersquotienten der deutschen Bevölkerung im relevan-ten Maße kompensierte. Die Zuwanderung hätte einenleicht verjüngenden Effekt, da das Durchschnittsalter derZuwanderer gut zehn Jahre unter dem der deutschenWohnbevölkerung von gut 40 Jahren liegt.

Tabelle 1: Altersquotient bei unterschiedlicher Netto-Zu-wanderung6

Quelle: Statistisches Bundesamt

Tabelle 2: Altersquotient bei unterschiedlicher Netto-Zu-wanderung7

Quelle: Statistisches Bundesamt

8. Reformmaßnahmen im Bereich der Rentenversiche-rung in den zurückliegenden etwa 25 Jahren im Leis-tungs- und Finanzierungsbereich sind im Wesentlichendrei Zielsetzungen zuzuordnen:

– Es wurden zahlreiche Einzelmaßnahmen ergriffen,mit denen das Leistungsniveau entweder global oderdurch Einschränkungen bei einzelnen Leistungen be-grenzt wurde, um Steigerungen des Beitragssatzes zurRentenversicherung entweder zu vermeiden oder aberzumindest in Grenzen zu halten.

– Zweitens enthielten viele der vergangenen Reform-maßnahmen Elemente, die zu einer erheblichen Aus-weitung jener Anwartschaften führten, die durch dieErziehung von Kindern begründet sind.

– Die dritte Zielrichtung, eingeleitet durch das Renten-reformgesetz 1992 und massiv verstärkt in der zwei-ten Hälfte der 90er-Jahre, bestand in der Erhöhung dessteuerfinanzierten Bundesanteils an den Ausgaben derRentenversicherung. Zu nennen sind hier insbeson-dere der Transfer im Umfang eines Steuersatzpunktesaus dem Umsatzsteueraufkommen (1998) sowie ab1999 des Ökosteueraufkommens mit einer beitrags-äquivalenten Finanzierung der Kindererziehungszei-ten durch den Bund.

Bei all dem sind auch die finanziellen Lasten zu berück-sichtigen, die durch die deutsche Wiedervereinigung aufdie Rentenversicherung zugekommen sind, deren Bedeu-tung aber bei langfristiger Betrachtungsweise zurücktritt.

9. Die beiden ersten Zielelemente sind Bestandteil dervon der Bundesregierung angestrebten aktuellen Reform-konzeption. Sehr allmählich und erst über einen langenZeitraum voll zur Wirkung kommende Rücknahmen beiden allgemeinen Rentenleistungen stehen Verbesserun-gen bei den kindererziehungsbedingten Rentenanwart-schaften gegenüber, die erklärtermaßen vor allem Frauenzugute kommen sollen.

10. Bereits jetzt ist der steuerfinanzierte Teil der Ausga-ben der Rentenversicherung (vgl. Tabelle 3) so hoch, dass – über die bereits gesetzlich festgelegte Dynamisie-rung hinaus – an eine weitere Ausweitung nicht zu denkensein wird – und dies keineswegs nur aus fiskalischenGründen. Eine weitere Ausweitung brächte nicht nur die Gefahr einer schleichenden Konversion des durch dieKriterien der Vorleistungs- bzw. Beitragsbezogenheit ge-kennzeichneten Versicherungssystems zu einem versor-gungsmäßig organisierten Steuer- und Transfersystem mitsich, sondern dürfte in Perioden, in denen der Bundes-haushalt Konsolidierungsbedarf aufweist, auch dazuführen, dass die Bundesausgaben für die Rentenversiche-rung zu einer Manövriermasse werden könnten, was wie-derum das Vertrauen von Versicherten und Rentnern in dieVerlässlichkeit der Alterssicherung beeinträchtigte.

11. Im Zentrum der geplanten Rentenreform steht dieVeränderung der Bedeutung von gesetzlicher Rentenver-sicherung und betrieblicher Altersvorsorge bzw. privater

Jahr 100 000 Personen 200 000 Personen 1999 40 40 2010 46 46 2020 54 53 2030 73 70 2040 76 72 2050 80 75

Jahr 100 000 Personen 200 000 Personen 1999 25 25 2010 33 33 2020 36 35 2030 47 45 2040 56 53 2050 56 52

6 Auf 100 Erwerbsfähige (20- bis unter 60-Jährige) kommen so viele 60-Jährige und Ältere.

7 Auf 100 Erwerbsfähige (20- bis unter 65-Jährige) kommen so viele 65-Jährige und Ältere.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/5394

Tabelle 3Staatliche Zuschüsse, Beiträge und Erstattungen

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Drucksache 14/5394 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Vorsorge. Die Reformkonzeption der Bundesregierung istvon der Grundüberzeugung geprägt, dass langfristig auchfür langjährig Versicherte der gesetzlichen Rentenversi-cherung die Aufrechterhaltung des im Erwerbsleben er-reichten Lebensstandards dann gesichert ist, wenn nebender gesetzlichen Rente weitere Alterseinkünfte bezogenwerden. Einkünfte aus der betrieblichen Altersvorsorgebzw. aus privater Vorsorge sollen daher in der längerenFrist einen Teil der Sicherungsfunktion übernehmen, diebisher der gesetzlichen Rente allein zugewiesen war. Da-mit sollen betriebliche Altersvorsorge und private Vor-sorge nicht mehr nur Ergänzung der Rente, sondern einteilweiser Ersatz der Sozialrente sein.

2. Die Elemente der Reform: Ziele, Maß-nahmen, Konsequenzen

2.1 Langfristige Stabilisierung der Beitrags-sätze

12. Erklärtes Ziel der Bundesregierung im Rahmen derRentenreform, dies ergibt sich auch aus dem AllgemeinenTeil der Begründung des Entwurfs eines Altersvermö-gensgesetzes, ist die Senkung und langfristige Stabilisie-rung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung. AlsKonsequenz aus der Erkenntnis, dass die umlagefinan-zierte Sozialrente allein zunehmend weniger den Lebens-standard sichern kann, besteht das zweite qualitativ neueReformziel im Aufbau eines möglichst flächendeckendenkapitalgedeckten Alterssicherungssystems.

13. Wie die dem Sozialbeirat vorliegenden Modellrech-nungen – auch unter Berücksichtigung der im bisherigenGesetzgebungsverfahren vorgenommenen Veränderun-gen – ausweisen, kann das Ziel, den Beitragssatz bis zumJahre 2030, dem Ende des Vorausberechnungszeitraums,nicht über den Wert von 22 % steigen zu lassen, ebensoerreicht werden, wie das Ziel, das Nettorentenniveau über67 % zu erhalten, sofern die dem Status-quo-Szenariumwie dem Reformkonzept unterlegten ökonomischen unddemographischen Annahmen (vgl. Tabelle 4), deren Vali-dität im Sozialbeirat unterschiedlich beurteilt wird, denzukünftigen realen Rahmenbedingungen entsprechen8.Bis zum Jahr 2020 wird in den Modellrechnungen derSchwellenwert von 20 % und bis 2030 der Schwellenwertvon 22 % nicht überschritten und ein Nettorentenniveauvon 67 % nicht unterschritten.

Dies freilich ist noch keine Gewähr dafür, dass – soferndie diesen Modellrechnungen zugrunde liegenden An-nahmen nicht zutreffen sollten – zur Realisierung desSicherungsziels wie der Beitragsziele keine weiteren poli-tischen Anpassungsoperationen erforderlich werden kön-nen, die über die in diesem Reformpaket vorgesehenenMaßnahmen hinausgehen.

14. In diesem Zusammenhang ist zu erinnern an die Aus-sagen des Sozialbeirats in seinem Gutachten zum Renten-versicherungsbericht 2000 zur Problematik langfristigerModellrechnungen9. Die dortigen Ausführungen bezogensich allerdings auf die 15-jährigen Vorausberechnungender Bundesregierung im Rentenversicherungsbericht. Füreinen 30-jährigen Vorausberechnungszeitraum gilt daherumso mehr, dass solche Rechnungen nur bedingte Pro-jektionen darstellen, deren Eintreffenswahrscheinlichkei-ten von der Gültigkeit der ökonomischen und soziodemo-graphischen Annahmen abhängen. Wenn folglich dieModellrechnungen zur Rentenreform zu dem Ergebniskommen, dass z. B. im Jahre 2030 ein Beitragssatz von 22 % nicht überschritten wird, dann heißt dies noch nicht,dass dieses Ergebnis ohne gegebenenfalls weitere Maß-nahmen tatsächlich eintritt. Und es ist auch darauf hinzu-weisen, dass die Eintretenswahrscheinlichkeit eines be-stimmten Berechnungsergebnisses umso unsicherer ist, jeweiter es zeitlich entfernt ist. Modellrechnungen habendaher keinen Prognosewert.

15. Der Sozialbeirat weist darauf hin, dass die beidenquantitativen Zielfestlegungen unter sich ändernden öko-nomischen, demographischen oder steuerlichen Rahmen-bedingungen bereits mittelfristig in Konflikt geraten können, sodass künftige Bundesregierungen erneut Ab-wägungen zwischen beiden Zielen vornehmen müssen.

2.2 Ausbau eines kapitalgedeckten Zusatzver-sorgungssystems

16. Das innovative Element der Reform ist der Auf- bzw.Ausbau eines kapitalgedeckten privaten Zusatzver-sorgungssystems. Im Grundsatz soll private Ersparnis-bildung – beginnend mit 1 % im Jahre 2002 und einemZielwert von 4 % bis zur jeweiligen Beitragsbemessungs-grenze im Jahre 2008 – mit 154 Euro pro Person und 185 Euro pro kindergeldberechtigtem Kind gefördert wer-den, bzw. alternativ und soweit günstiger, der Sparbetragbis zu 4 % bis zur Beitragsbemessungsgrenze steuerfreigestellt werden.

17. Staatliche Förderung von Ersparnisbildung durch Zu-lagen oder steuerliche Begünstigung ist in Deutschlandkein Novum, sondern in verschiedenen Vermögensbil-dungsgesetzen seit Jahrzehnten Praxis. Neu an dem mitdem Gesetzentwurf verfolgten Ansatz ist die gezielte Aus-richtung auf den Altersvorsorgezweck. Dies wird bei-spielsweise daran deutlich, dass die Festlegungsfrist nichtwie in den bisherigen Vermögensbildungsgesetzen sechsoder sieben Jahre beträgt, sondern grundsätzlich bis zumRenteneintritt dauert und das gebildete Vermögen nachAblauf der Festlegungsfrist auch nicht als Kapitalbetragzur Verfügung stehen soll, sondern als lebenslänglicheRente bzw. langjähriger Auszahlungsplan. Dies ist deswe-gen sinnvoll, weil eine solche Rente entsprechend der Phi-losophie des Reformansatzes zumindest das kompensierensoll, was im Rahmen der Konsolidierungsmaßnahmen

8 Zur Problematisierung und Kritik dieser Annahme vgl. Bundestags-drucksache 14/4730, S. 159.

9 Vgl. Bundestagsdrucksache 14/4730, S. 158 ff.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/5394

Früheres Neue Früheres Neue Zeitraum Bundesgebiet Bundesländer Zeitraum Bundesgebiet Bundesländer

I. Ökonomische Annahmen II. Demographische Annahmen

Entgeltveränderungen (vH) Bevölkerungsentwicklung (Millionen Personen)

1999 1,1 1,6 2000 66,8 15,3 2000 1,6 1,6 2005 66,7 15,0 2001 2,2 2,2 2010 66,5 14,9 2002–2004 2,6a 2,6a 2015 66,0 14,9 2005–2030 3,0a 4,1a 2020 65,3 14,7 2025 64,3 14,3 2030 63,0 13,9 Entwicklung der Beschäftigung2 (vH) 2000 0,6 – 0,2 Wanderungssaldo (Ausländer und Aussiedler)

2001 1,0 0,3 2002–2005 0,4 0,4 1999 72 000 24 000 2006–2014 jährl. Rückgang um 0,04 Prozentpunkte bis auf 0 vH 2000 72 000 14 000 2015–2022 (Ost)/2025 (West) Beschäftigungsniveau konstant 2001 88 000 18 000 ab 2023 (Ost)/2026 (West) Rückgang analog des Erwerbspersonenpotenzials 2002 104 000 22 000 2003 120 000 26 000 2004 128 000 30 000 Anzahl der Arbeitslosen (Tausend Personen) 2005 130 000 30 000 2006 138 000 32 000 1999 2 756 1 344 2007 146 000 34 000 2000 2 530 1 320 2008–2009 154 000 36 000 2005 2 067 1 088 2010–2019 144 000b 36 000b 2010 2 193 936 2020–2029 132 000b 33 000b 2015 2 329 655 2030 124 000 31 000 2020 2 063 329 2025 823 177

2030 758 171 Fernere Lebenserwartung der 65-jährigen (Jahre)

Sozialversicherungsbeiträge (vH) Früheres Neue

Bundesgebiet Bundesländer

Männer Frauen Männer Frauen

Krankenver- sicherung 1999 15,1 18,9 14,1 17,9

Arbeits-losenver-sicherung3

Pflegever-sicherung3

West Ost Entwicklung bis 2006 16,4 20,1 16,4 20,1 1999 6,5 1,7 13,5 13,9 Entwicklung bis 2030 17,0 21,6 17,0 21,6 2000 6,5 1,7 13,5 13,8 Entwicklung bis 2050 17,7 22,3 17,7 22,3 2005 6,4 1,7 13,5 13,8 2010 6,4 1,7 13,5 13,8 Nettoreproduktionsrate 2015 6,4 1,9 13,5 13,8 2020 4,4 2,0 13,5 13,8 2025 2,0 2,2 13,5 13,8 2030 2,0 2,4 14,0 14,0

Über den gesamten Zeitraum: für das frühere Bundesge- biet 0,67 vH; für die neuen Bundesländer 70 vH bis zum Jahre 2009, danach 100 vH des Westniveaus.

Tabelle 4Wichtige Annahmen der Bundesregierung zur Berechnung

der Wirkungen der Rentenreform 20001

1 Diskussionsentwurf der Bundesregierung zur Reform der Gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung des Abbaus eines kapitalgedeck-ten Vermögens zur Altersvorsorge (Altersvermögensaufbaugesetz – AVAG), Stand: 22. September 2000.

2 Abhängig Beschäftigte im Inland.3 Einheitlicher Beitragssatz in Deutschland.a Jährlicher Anstieg.b Jährlich.

Quelle: BMA

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Drucksache 14/5394 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

zum Zweck der Stabilisierung des Beitragssatzes lang-fristig an Rentenleistungen entfällt. Zu der Frage, ob undinwieweit sich entsprechende Rentenniveaus aus der pri-vaten Altersvorsorge einerseits und aus der gesetzlichenRentenversicherung andererseits zusammenfassen lassen,hat der Sozialbeirat bereits in seinem Gutachten zum Ren-tenversicherungsbericht 2000 Stellung genommen10.

18. Unabhängig davon bleibt festzuhalten, dass derGrundansatz der staatlichen Förderung von privater Al-tersvorsorge politisch auf breite Zustimmung stößt. Un-streitig ist auch, dass es nach einer entsprechend langenAnsparphase und bei Ausschöpfung des Förderrahmensgelingen kann, die Leistungsrücknahmen bei der gesetzli-chen Rente sogar mehr als zu kompensieren.

Damit wird im Vergleich zu einer Fortschreibung des Sta-tus quo die Alterssicherung für den Einzelnen bei einernicht wesentlich höheren Belastung nachhaltig besser.

19. Der Sozialbeirat betrachtet die nach der letzten Aus-baustufe gewährte staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge als beachtlich. Die in Tabelle 5 ausgewie-senen Werte verdeutlichen, dass Bezieher geringer Ein-kommen auch bei Ausschöpfung der Förderhöchstgrenzennur einen minimalen und daher tragbaren Eigenbeitrag zuleisten haben. Eines der Zahlenbeispiele zeigt, dass die Be-lastung des Bruttoeinkommens bei einem Geringverdie-nerehepaar mit zwei Kindern durch die Konstruktion derstaatlichen Förderung lediglich zwischen 0,40 und 1,74 %liegt. Dies berechtigt zu der Hoffnung, dass das Angebotfür eine zusätzliche private Altersvorsorge auch in diesemEinkommenssegment tatsächlich weite Verbreitung findet.

20. Genau wie im umlagefinanzierten Rentensystem istdie „materielle Sicherung“ bzw. „Einkommenssicherheit“im Alter auch das zentrale Ziel eines kapitalgedeckten Er-gänzungssystems. Aus diesem Grund ist auch nicht jedeForm der Vermögensbildung bzw. jede Sparform glei-chermaßen zur Alterssicherung geeignet bzw. ein ka-pitalgedecktes Alterssicherungsprodukt. Die wichtigsteAnforderung an ein kapitalgedecktes Alterssicherungs-produkt ist die Fähigkeit, ein sicheres lebenslanges Ein-kommen zu gewährleisten. Die Wichtigkeit dieses Krite-riums resultiert aus der Tatsache, dass man weiß, dassz. B. 40 % der heute geborenen Knaben ein Alter von 80 Jahren erreichen, dass aber kein Individuum weiß, wel-ches Lebensalter es selbst erreichen wird. Dies bedeutet,dass es eine Basisanforderung an ein kapitalgedecktes Al-terssicherungssystem ist, über ein lebenslanges Altersein-kommen die Absicherung des Langlebigkeits„risikos“ zugewährleisten. Dieses lebenslange Alterseinkommensollte zudem nicht nur aus den Erträgnissen des in der Er-werbsphase angesammelten Kapitalstocks resultieren,sondern auch aus dessen Abschmelzen, d. h. einem Kapi-talverzehr. Denn Sach- oder Finanzkapital, welches in derAltersphase nicht verzehrt, sondern vererbt wird, dient

nicht der Altersvorsorge des Sparers und ist somit hin-sichtlich des spezifischen Zieles „Alterssicherung“ ineffi-zient.

21. Aus diesem Grund ist es konsequent, die staatlicheFörderung der Privatvorsorge davon abhängig zu machen,ob die Sparformen einer Mindestsicherung unterliegenund das Risiko der Langlebigkeit durch eine darausfließende Rente oder einen langfristigen Auszahlungsplanabgesichert werden kann.

22. Ob alle in dem Zertifizierungsgesetz genannten zwölf Anforderungen an ein gefördertes Altersvorsorge-produkt notwendig sind oder ob dieser umfangreiche Kri-terienkatalog eher ein administratives Hemmnis darstellt,ist strittig. Als wichtig erachtet der Sozialbeirat auf jedenFall die Kriterien der Beitragsgarantie, Nichtveräußerbar-keit bzw. Nichtverpfändbarkeit und der lebenslangenAuszahlung der zu Alterssicherungszwecken angespartenBeträge.

23. Wer – aus guten Gründen – für eine nachgelagerte Be-steuerung des Altersvorsorgesparens plädiert und einesteuerliche Freistellung von Sparleistungen in der Er-werbsphase in Anspruch nimmt, der muss auch bereitsein, eine Versteuerung des Alterseinkommens zu akzep-tieren. Bei der Wohnimmobilie bedeutet dies Versteue-rung des aus den vom Staat gesetzten Anreizen resultie-renden Mietwerts, falls der Erwerb einer Wohnimmobilieüber eine nachgelagerte Besteuerung und nicht eine an-dere Form der steuerlichen Abgeltung gewählt wurde.

24. Die vom Deutschen Bundestag beschlossene Kon-zeption für die private kapitalgedeckte Altersvorsorge istim Vorfeld vor allem unter zwei Aspekten kritisiert wor-den: (1) Bezieher niedriger Einkommen könnten sich eineprivate Vorsorge in der beabsichtigten Höhe nicht leisten;gerade bei ihnen komme es auf ein ausreichendes Ren-tenniveau an, wenn sie im Alter den im Erwerbsleben er-reichten Lebensstandard in etwa halten wollen und (2) dieprivate Vorsorge könne deswegen, weil sie auf Freiwillig-keit beruhe, nicht 100 % des förderfähigen Personenkrei-ses bzw. 100 % der förderfähigen Sparbeträge erreichen.

25. Personen und Haushalten mit niedrigem Einkommenfällt es zweifellos schwerer als anderen Einkommens-gruppen, in einem für die Alterssicherung nennenswertemUmfang Sparkapital zu bilden. Dagegen steht jedoch –nochmals der Verweis auf Tabelle 5 – die beträchtlicheFörderung gerade bei Personen mit unterdurchschnitt-lichen Einkommen. Da Frauen im Segment der Niedrig-einkommen häufiger vertreten sind, werden sie von derstaatlichen Förderung in stärkerem Maße begünstigt.

26. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verwei-sen, dass ohne Reformmaßnahmen der Beitragssatz zurgesetzlichen Rentenversicherung stärker steigen würde,sodass dann das Einkommen der Geringverdiener eben-falls stärker belastet würde. Zudem muss berücksichtigtwerden, dass die Förderbeträge Bestandteil der zu errei-chenden 4 % des Einkommens (maximal bis zur Bei-10 Vgl. Bundestagsdrucksache 14/4730, S. 161.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/5394

Allein stehend, kein Kind

versicherungspflichtiges Einkommen in Euro/Jahr 1 800,00 15 000,00 20 000,00

Grundzulage 154,00 154,00 154,00

Mindesteigenbeitrag (4 % des Einkommens ./. Zulage) 90,0011 446,00 646,00

Verhältnis Mindesteigenbeitrag zu ges. Sparleistung 36,89 % 74,33 % 80,75 %

Verhältnis Mindesteigenbeitrag zu Einkommen 5,00 % 2,97 % 3,23 %

Allein stehend, 1 Kind

versicherungspflichtiges Einkommen in Euro/Jahr 5 000,00 15 000,00 25 000,00

Grundzulage plus Kinderzulage 339,00 339,00 339,00

Mindesteigenbeitrag (4 % des Einkommens ./. Zulage) 75,0011 261,00 661,00

Verhältnis Mindesteigenbeitrag zu ges. Sparleistung 18,12 % 43,50 % 66,10 %

Verhältnis Mindesteigenbeitrag zu Einkommen 1,50 % 1,74 % 2,64 %

Verheiratet, 2 Kinder

versicherungspflichtiges Einkommen in Euro/Jahr 15 000,00 30 000,00 45 000,00

doppelte Grundzulage plus doppelte Kinderzulage 678,00 678,00 678,00

Mindesteigenbeitrag (4 % des Einkommens ./. Zulage) 60,0011 522,00 1 122,00

Verhältnis Mindesteigenbeitrag zu ges. Sparleistung 8,13 % 43,50 % 62,33 %

Verhältnis Mindesteigenbeitrag zu Einkommen 0,40 % 1,74 % 2,49 %

Tabelle 5Beispiele zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge

11 Mindesteigenanteil zur Ausschöpfung des Förderhöchstbetrags.

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Drucksache 14/5394 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

tragsbemessungsgrenze) sind, die tatsächliche Reduktiondes Bruttoeinkommens also erheblich unter diesen 4 % liegt. Läge beispielsweise bei einem Jahreseinkom-men von 15 000 Euro im Jahre 2008 bei einer allein ste-henden kinderlosen Person der maximal förderfähige Betrag bei 600 Euro/Jahr, dann wären davon 446 Eurodurch den Arbeitnehmer aufzubringen, die restlichen 154 Euro wären durch die staatliche Förderung abge-deckt. Bei einem Ehepaar mit zwei Kindern und einemEinkommen von ebenfalls 15 000 Euro wären lediglich60 Euro selbst aufzubringen; der übrige, an 600 Euro feh-lende Betrag käme aus staatlicher Förderung. Allerdingswird sich zeigen müssen, ob nicht andere Gründe wie z. B. mangelnde Bereitschaft zum Konsumverzicht z. B.in den Fällen, in denen das Erreichen einer Altersgrenzezeitlich noch sehr weit entfernt liegt, bei einem Teil des zufördernden Personenkreises dazu führt, dass keine odernur eine unzureichende private Alterssicherung betriebenwird.

27. Ernst ist der Einwand zu nehmen, dass – wie bereitskurz angedeutet – mit der Einführung einer staatlich ge-förderten privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge nichtall diejenigen erreicht würden, die eine solche Förderungin Anspruch nehmen könnten, womit letztlich das Ziel ei-ner umfassenden Alterssicherung für alle Sozialversicher-ten verfehlt werde. In dieser Hinsicht kann zum jetzigenZeitpunkt nur spekuliert werden, wie hoch sich der Aus-schöpfungsgrad der Förderung bei Erreichen der Maxi-malförderung nach dem Jahr 2007 tatsächlich darstellenwird und welche Personenkreise sich an der privaten Al-tersvorsorge nicht beteiligen. Dem Gesetzentwurf zufolgesoll die Bundesregierung den gesetzgebenden Körper-schaften geeignete Maßnahmen vorschlagen, wenn sichzeigt, dass durch die Förderung der freiwilligen zusätzli-chen Altersvorsorge eine ausreichende Verbreitung nichterreicht werden kann.

28. Der Notwendigkeit einer Normung der zu förderndenAltersvorsorgeverträge wird im Gesetzentwurf in hinrei-chendem Maße über die Zertifizierung von Altersvorsor-geverträgen entsprochen.

29. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ist be-schlossen worden, dass künftig auch selbstgenutztesWohnungseigentum förderungsfähig ist, soweit die imEntwurf eines Zertifizierungsgesetzes genannten Förder-kriterien gleichwertig erfüllt werden. Dies entspricht demGrundsatz der Gleichbehandlung.

30. Die selbstgenutzte Wohnimmobilie wurde in den Ka-talog der förderfähigen Sparformen aufgenommen. Diesgeschah wegen der hohen Wertschätzung, die Wohnei-gentum als Altersvorsorge in weiten Kreisen der Bevöl-kerung genießt. Diese Wertschätzung legitimiert eine För-derung auch des Wohneigentums als kapitalgedecktesAltersvorsorgeprodukt, nicht dagegen eine Sonderbe-handlung bei der Förderung. Der Sozialbeirat erachtet esals selbstverständlich, dass für alle nach dem Altersver-mögensgesetz geförderten Sparformen der privaten Al-tersvorsorge die gleichen Kriterien gelten sollten. Jede

Sonderbehandlung einer dieser Sparformen würde eineDiskriminierung anderer Sparformen bedeuten. Wer inder ersparten Miete ein lebenslanges „Alterseinkom-menssubstitut“ sieht und die neue Förderung in Anspruchnehmen will, muss auch bereit sein, die mit dieser Förde-rung korrespondierende nachgelagerte Besteuerung einesanteiligen Mietwertes oder eine andere Form der steuerli-chen Abgeltung zu akzeptieren.

31. Eine weitere Form der kapitalgedeckten Rentenversi-cherung ist die betriebliche Altersvorsorge. Wie im Gut-achten zum Rentenversicherungsbericht 2000 ausgeführt,befürwortet der Sozialbeirat neben der Förderung der Pri-vatvorsorge (3. Säule der Alterssicherung) auch einenAusbau der betrieblichen Altersvorsorge (2. Säule). DerDeutsche Bundestag hat hierzu beschlossen, dass diestaatliche Förderung der betrieblichen Alterssicherungnicht mehr von den für die private Altersvorsorge rele-vanten zwölf Förderkriterien abhängt, sondern diese Kri-terien weiterhin nur für die Altersvorsorgeprodukte vonBanken, Versicherungen und anderen Finanzinstitutengelten werden. Der Sozialbeirat bewertet dies als positiv,da so die Einbeziehung der bestehenden Modelle der be-trieblichen Altersvorsorge in die staatliche Förderung er-möglicht wird und bestehende Wege der betrieblichen undtarifvertraglichen Regelungen nicht gegenüber privaterAltersvorsorge diskriminiert werden.

32. Gegenwärtig bestehen vier Durchführungswege: Di-rektversicherung, Direktzusage, Pensionskasse und Un-terstützungskasse. Diese werden steuerlich unterschied-lich behandelt. Da von diesen vier Wegen bisher nur zweiin die staatliche Förderung einbezogen wurden, begrüßtder Sozialbeirat die Zulassung von Pensionsfonds.

33. Korrekturen waren somit nötig, da zur Erreichung desZiels, die Altersvorsorge dauerhaft auf drei Säulen zu ba-sieren, nach Auffassung des Sozialbeirats eine Stärkungder zweiten Säule erforderlich ist. Da mit der betriebli-chen Altersvorsorge verschiedene Vorteile im Vergleichzur Privatvorsorge und mit dem der Sozialversicherungsehr ähnlichem Leistungsspektrum eine gute Ergänzungverbunden ist, erscheint auch aus dieser Perspektive einAusbau sinnvoll. Darauf hat der Sozialbeirat in seinemletztjährigen Gutachten zum Rentenversicherungsberichthingewiesen12.

34. Mit dem Instrument Pensionsfonds werden für dieArbeitnehmer die Voraussetzungen dafür geschaffen, diesteuerliche bzw. die Zulagenförderung in Anspruch zunehmen. Es ergeben sich zwei Möglichkeiten: Entwederkönnen Arbeitnehmer/-geber die Förderung wie bishermit steuer- und beitragsfreiem Aufwand fortführen(stammt der Aufwand aus Entgeltumwandlung, jedochnur in einer Übergangszeit bis Ende 2008 mit beitrags-freiem Aufwand) oder mit beitragspflichtigem Aufwanddie Zulage bzw. den Sonderausgabenabzug in Anspruchnehmen. Der Pensionsfonds stellt eine Brücke dar, die diesteuerunschädliche Übertragung von Anwartschaften aus

12 Vgl. Bundesratsdrucksache 769/00, S. 162, TZ 41.

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der Direktzusage und Unterstützungskasse in den Pen-sionsfonds ermöglicht. Auf diese Weise wird der Zugangzu dem steuerlichen Fördersystem auch für diese beidenWege eröffnet. In einer Übergangszeit wird dieser Zugangzum Pensionsfonds auf zwei parallelen Wegen mit unter-schiedlicher Finanzierungsmöglichkeit eröffnet. DieseÜberführungsmöglichkeit sollte auch für Pensionskassengeschaffen werden.

35. Da der Aufwand für den Pensionsfonds steuerfrei ge-leistet werden kann, werden die daraus fließenden Leis-tungen nachgelagert besteuert. Aufgrund der sachlichenNähe zu den Pensionsfonds ist der Aufwand in die Pen-sionskasse ebenfalls steuerfrei gestellt. Für die Direktver-sicherung bleibt es bei der Pauschalbesteuerung nach § 40b EstG.

36. Folgende Eigenschaften charakterisieren diese Pen-sionsfonds:

– Die Finanzierung erfolgt nach dem Kapitaldeckungs-prinzip, sodass sie nicht in dem Maße vom demogra-phischen Wandel betroffen sind, wie dies bei umlage-finanzierten Systemen der Fall ist.

– Die hohe Anlagefreiheit für den Pensionsfonds er-möglicht es, über dieses externe Instrument potenziell

höhere Renditen zu erwirtschaften als bisher und da-mit die schon bestehende Versorgungseffizienz der be-trieblichen Altersvorsorge noch zu steigern. Zu beob-achten ist freilich, ob damit auch ein europatauglichesInstrument geschaffen wird, das dem Wettbewerb indiesem Bereich standhalten kann.

– Durch die unternehmensexterne Finanzierung ergibtsich durch die Lenkungsfunktion des Kapitalmarkteseine andere Kapitalallokation.

– Sowohl Beitragszusagen (defined contribution) alsauch Leistungszusagen (defined benefit) sind möglich.

– Anwartschaften der Arbeitnehmer sind bei einem Ar-beitsplatzwechsel übertragbar.

– Die Notwendigkeit eines Insolvenzschutzes bei Bei-tragszusagen beruht auf der hohen Anlagefreiheit. BeiLeistungszusagen ist die Entscheidung, diese eben-falls in den Insolvenzschutz einzubeziehen, davon abhängig, in welchem Maße die bisher für die Pen-sionskasse und die Direktversicherung bestehendeRegulierung der Anlagen und der Versicherungsauf-sicht für den Pensionsfonds gelockert wird. Bei hoherAnlagefreiheit auch für Leistungszusagen wäre dieserInsolvenzschutz eine zwangsläufige Folge.

Tabelle 6Steuer- und Beitragsfreiheit des Aufwands zur betrieblichen Altersversorgung

Durchführungsweg Steuerfreiheit* Beitragsfreiheit**

Pensionsfonds

bis zu 4 % BBG der Rentenver- sicherung (ca. 4 000 DM in 2001)

bis zu 4 % BBG der Rentenver- sicherung (ca. 4 000 DM in 2001)

Pensionskasse

1) bis zu 4 % BBG der Rentenversicherung (ca. 4 000 DM in 2001)

2) Pauschalsteuer 20 %

1) bis zu 4 % BBG der Rentenversicherung (ca. 4 000 DM in 2001) 2) 3 408 DM/4 200 DM

Direktversicherung Pauschalsteuer 20 % 3 408 DM/4 200 DM

Direktzusage

Rückstellung unbegrenzt ohne Zu- fluss beim AN

kein Entgelt beim AN

Unterstützungskasse

Betriebsausgabe begrenzt auf Kas- senvermögen ohne Zufluss beim AN

kein Entgelt beim AN

Rückgedeckte Unter- stützungskasse

Betriebsausgabe unbegrenzt ohne Zufluss beim AN

kein Entgelt beim AN

* Steuerfreiheit besteht daneben durch Sonderausgabenabzug/Zulage nach § 10a EStG für Aufwand des Arbeitnehmers zur betrieblichen Alters-

vorsorge in den Förderstufen ab 2002 bis 2008 von 1 bis 4 % BBG der Rentenversicherung.** Beitragsfreiheit besteht bei der Zuführung des Arbeitgebers auch für Aufwand durch den Arbeitnehmer aus Entgeltumwandlung für eine

betriebliche Altersversorgung noch bis zum 31. Dezember 2008 begrenzt auf bis zu 4 % der BBG der RV, bei Pauschalversteuerung nach § 40b EStG begrenzt auf die Beträge von 3 408 DM bzw. 4 200 DM; danach besteht Beitragspflicht aus Entgeltumwandlung, die für die Förde-rung nach § 10a EStG eingesetzt werden kann.

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37. Eine Anwartschaft auf Leistungen der ausschließlicharbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersvorsorge sollkünftig erhalten bleiben, wenn zum Zeitpunkt des Aus-scheidens aus dem Unternehmen die Zusage bereits fünf Jahre bestanden hat und das 30. Lebensjahr vollendetist (bisher zehn Jahre und Alter 35). Soweit sich aus denunterschiedlichen Erwerbsbiographien geringere Anwart-schaften von Frauen in der betrieblichen Altersvorsorgeergeben, verringert die Neuregelung diese Wirkung undverbessert damit die Situation erwerbstätiger Frauen inder betrieblichen Altersvorsorge im Vergleich zum Statusquo.

Die Mitnahme von durch Entgeltumwandlung finanzier-ten Anwartschaften auf betriebliche Altersvorsorge beiArbeitsplatzwechsel soll nach der Entscheidung desDeutschen Bundestages erleichtert werden. Arbeitnehmersollen verlangen können, dass der bisherige Arbeitgeberden Barwert der erworbenen Anwartschaften auf einenneuen Arbeitgeber bzw. Versorgungsträger des neuen Ar-beitgebers überträgt, wenn dieser bereit ist, die Verpflich-tungen des alten Arbeitgebers zu übernehmen. Der Sozi-albeirat hält diese Regelungen für sachgerecht undbegrüßenswert. Es fehlt allerdings noch die steuerlicheFlankierung. Diese fordert der Sozialbeirat ein.

2.3 Neuordnung der Hinterbliebenenrenten

38. Hauptanliegen der Bundesregierung bei ihren Vor-schlägen zur Reform des Hinterbliebenenrentenrechts istdie Ausrichtung von Witwen- und Witwerrenten auf Per-sonen, die wegen der Erziehung von Kindern regelmäßigkeine durchgehende Erwerbsbiographie aufweisen. Die-sen Verbesserungen stehen Leistungsrücknahmen insbe-sondere bei Kinderlosen gegenüber. Alle Änderungensind mit einer Schutzwirkung entfaltenden langen Über-gangsregelung verbunden. Dies ist erforderlich, weil sichEheleute bei ihrer Lebensplanung an den derzeit gelten-den Regelungen orientiert haben und eine Änderung derLebensplanung auch angesichts der derzeitigen Arbeits-marktsituation vielfach nur schwer zu realisieren seinwird.

39. Mit der Rentenreform wird es zu weit reichenden, al-lerdings erst sehr langfristig voll wirksamen Änderungenbei den Hinterbliebenenrenten kommen. Dies betrifft ins-besondere vier Bereiche, nämlich die Quasi-Abschaffungder „kleinen“ Witwenrente, die Absenkung des Leistungs-niveaus der regulären Hinterbliebenenrente von bisher 60 auf 55 % (wenn auch zumindest teilweise ausgeglichendurch eine Kinderkomponente), eine Ausweitung der An-rechnungsbestimmungen für Einkommen des überleben-den Ehegatten und die Einführung eines Optionsrechts,wonach durch eine gemeinsame Erklärung auf einenkünftigen Hinterbliebenenrentenanspruch verzichtet wer-den kann und stattdessen eine hälftige Teilung derwährend der Ehezeit erworbenen Anwartschaften vorge-nommen werden kann. Letzteres wurde im Gesetzge-bungsverfahren in der Weise modifiziert, dass das Ren-tensplitting nur dann durchzuführen ist, wenn bei denEhegatten 25 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten vorhanden

sind. Damit soll eine ungerechtfertigte Begünstigung vonPersonen vermieden werden, die den Schwerpunkt ihrerVersorgung außerhalb der Rentenversicherung haben.

40. All diese Regelungen sollen für Ehen gelten, die nachdem 31. Dezember 2001 geschlossen werden; weiterhinfür bestehende Ehen, in denen beide Partner jünger sindals 40 Jahre. Das alte Recht soll weitergelten für jetzigeWitwen und Witwer sowie für am 31. Dezember 2001 be-stehende Ehen, in denen mindestens ein Partner älter istals 40 Jahre.

41. Der Sozialbeirat beurteilt die vorgesehenen Neurege-lungen differenziert. Generell ist davon auszugehen, dassdie Leistungen aus der Hinterbliebenenrente nicht unwe-sentlich sinken werden. Gleichwohl wird diese Leis-tungsreduzierung bei einer aus einer Standardrente abge-leiteten Hinterbliebenenrente ab der Anrechnung vonzwei Kindern kompensiert. Im Übrigen ist wegen der sehrweit gehenden Übergangsregelungen davon auszugehen,dass durch die beabsichtigten Maßnahmen die Lebens-planung nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.Dies gilt gleichermaßen für die künftige zweijährige Be-fristung der „kleinen“ Witwenrente, deren Unterhaltser-satzfunktion ohnehin zweifelhaft ist.

42. Schon aus Gleichbehandlungsgründen erscheint diegeplante erweiterte Einkommensanrechnung geboten undsachgerecht. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn bei derEinkommensanrechnung danach differenziert wird, ob essich beispielsweise um Einkommen aus unselbstständigerTätigkeit oder aus Vermietung und Verpachtung handelt.Der im Gesetzentwurf vorgesehene Verzicht auf die An-rechenbarkeit der staatlich geförderten Vorsorge stellt ei-nen Anreiz insbesondere für Frauen dar, freiwillig privateAltersvorsorge zu betreiben.

43. Das vorgesehene „Einfrieren“ des anrechnungsfreienBetrages bei der Einkommensanrechnung beeinträchtigtdie Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrentenicht. Nach dem Gesetzentwurf für das Jahr 2012 ist imÜbrigen ein Bericht der Bundesregierung zu der Fragevorgesehen, ob die Festschreibung des Freibetrages unterBerücksichtigung der Einkommenssituation von Hin-terbliebenen und der Entwicklung des Arbeitsmarktes fürFrauen angemessen war. Im Zuge der Behandlung des Ge-setzentwurfs im Deutschen Bundestag wurde die Einfrie-rens-Regelung insoweit modifiziert, als künftig der kind-bezogene Freibetrag bei der Einkommensanrechnungdauerhaft dynamisch ausgestaltet wurde, sodass das An-liegen, den Sachverhalt Kindererziehung durch vielfältigeRegelungen zu fördern, auch hier zum Ausdruck kommt.

2.4 Eigenständige Sicherung der Frau

44. Erklärtes Ziel der Rentenreform ist es auch, die ei-genständige soziale Sicherung von Frauen zu verbessern.Eine Notwendigkeit hierzu erwächst insbesondere daraus,dass Frauen in der Regel nach der Geburt eines Kindes zu-mindest für eine gewisse Zeit ganz oder teilweise aus demErwerbsleben ausscheiden.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/5394

45. Der Gesetzentwurf versucht, die daraus für die Al-terssicherung entstehenden Nachteile insbesondere fürFrauen abzumildern. Es ist vorgesehen, Zeiten mit niedri-gen Verdiensten in den ersten zehn Jahren nach der Geburteines Kindes um 50 % höher zu bewerten, allerdings be-grenzt durch die Höhe des allgemeinen Durchschnittsver-dienstes. Ferner ist vorgesehen, Zeiten auch ohne Bei-tragszahlung rentensteigernd anzurechnen, wenn mehrereKinder erzogen werden. Hinzuweisen ist ergänzend indiesem Zusammenhang auch darauf, dass den allgemei-nen Verschlechterungen bei Hinterbliebenenrenten Ver-besserungen gegenüberstehen, die ab zwei Kindern dazuführen, dass eine Hinterbliebenenrente nach neuem Rechthöher ist als nach geltendem Recht. Im Übrigen ist nachAuffassung des Sozialbeirats die gefundene Lösung inForm eines zusätzlichen Entgeltpunkts je Kind aus vertei-lungspolitischen Gründen sachgerecht. Sie stellt eine ziel-gruppenorientierte Fortsetzung der 1992 ausgelaufenenInstrumente der Rente nach Mindesteinkommen dar, so-dass diese rentenrechtliche Begünstigung für die Gruppeder kindererziehenden Frauen fortgeführt werden kann.

46. Gegen diese Einschätzung sprechen im Ergebnisauch nicht rentensystematische Erwägungen der Art, dasskindbezogene Anteile einer Witwenrente gegebenenfallsder Einkommensanrechnung unterliegen. Verteilungspo-litische Argumente haben hier das größere Gewicht. Undob eine Frau deswegen nicht in den Genuss des Kinder-zuschlags kommen kann, weil ihr verstorbener Mannnicht Versicherter in der gesetzlichen Rentenversicherungwar, ist letztlich eine Frage der Versorgungssystematikund der Übertragung von Maßnahmen der Rentenreformauch auf andere Alterssicherungssysteme.

47. Teilweise ist im Vorfeld der Reform kritisiert worden,dass die geplanten Verbesserungen „bescheiden“ seien.Solche Kritik verkennt allerdings nach Ansicht des Sozi-albeirats, dass sich die Rentenversicherung nur begrenztdazu eignet, als Umverteilungsinstrument von Erwerbstä-tigen bzw. Beitragszahlern zu Nichterwerbstätigen zu die-nen. Der Ausweg könnte darin bestehen, dass für entspre-chend anerkannte Zeiten von Nichterwerbstätigkeit ein„Beitragszahler“ gefunden würde. Beispielsweise ist diesder Bund seit 1999 für drei Jahre Kindererziehungszei-ten. Zu berücksichtigen ist aber in diesem Zusammen-hang, dass der Bundesanteil an den Rentenausgaben be-reits eine Höhe erreicht hat, die weitere Ausweitungenfinanzpolitisch und versicherungssystematisch nur nochschwer möglich erscheinen lässt. Im Ergebnis sieht derSozialbeirat in der gefundenen Lösung einen tragbarenKompromiss, der die richtige Richtung aufzeigt.

48. Die Bundesregierung hat in der Reform der Hin-terbliebenenversorgung und der Reform der eigenständi-gen Sicherung der Frau weitere Schritte zur Verbesserungder Rentenanwartschaften von Frauen mit Kindern unter-nommen. Damit wird die Altersversorgung mehr als bis-her der Lebenswirklichkeit von Frauen gerecht, die einer-seits zunehmend erwerbstätig sind, andererseits auchwegen Kindererziehung geringere Rentenansprüche er-werben. Viele Frauen werden auch in Zukunft auf abge-leitete Ansprüche angewiesen sein. Damit bleibt die Auf-

gabe der Gleichstellung von Frau und Mann erhalten. Diegesellschaftliche Bedeutung der Kinderfrage wird aberbei zunehmender Erwerbstätigkeit der Frau immer weni-ger eine Frage der Alterssicherungssysteme sein.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Förderungder Erziehung von Kindern eine gesamtgesellschaftlicheAufgabe ist und daher im Prinzip über das staatlicheSteuer- und Transfersystem organisiert werden sollte.

2.5 Bedarfsorientierte Mindestsicherung

49. Zu der ursprünglich geplanten Konzeption einer be-darfsorientierten Mindestsicherung hat sich der Sozial-beirat bereits in seinem Gutachten zum Rentenversiche-rungsbericht 1999 in einer gesonderten Stellungnahmegeäußert13. Die ursprüngliche Ausgestaltung einer be-darfsorientierten Mindestsicherung hat keinen Eingang inden Gesetzentwurf gefunden. Stattdessen ist vorgesehen,das Rückgriffsrecht der mit der Organisation betrautenkommunalen Einrichtungen auf Kinder von über 65-jähri-gen Personen oder Erwerbsunfähige einzuschränken bzw.zu beseitigen.

50. Der Sozialbeirat anerkennt, dass diese Maßnahme zurBekämpfung verschämter Altersarmut geeignet ist. Auchwenn der Deutsche Bundestag hierzu ein eigenständigesLeistungsgesetz beschlossen hat, wird der entfallende Re-gress auf Kinder und Eltern unterschiedlich beurteilt.

51. Im Vorfeld der Reform ist teilweise auch behauptetworden, dass die Konsolidierungsmaßnahmen, insbeson-dere aber die beabsichtigten Leistungsreduzierungen dazuführten, dass künftig mit einem Anwachsen von Altersar-mut im Sinne von Sozialhilfebedürftigkeit zu rechnen sei.Der Sozialbeirat hält dies für wenig wahrscheinlich. Zumeinen ist ein Rentenanspruch unterhalb des Sozialhilfe-niveaus kein hinreichender Beleg für Altersarmut, zumanderen unterstellt das Argument, dass in Zukunft dieSozialhilfeansprüche im Gleichschritt mit den Löhnendynamisiert werden und nicht nach Maßgabe der voraus-sichtlich flacher verlaufenden Entwicklung der Lebens-haltungskosten. Zum anderen sind mit dem Reformwerkauch Verbesserungen, wenn auch erst langfristig wirkend,insbesondere für Frauen verbunden, die Kinder erzogenhaben und daher Lücken in ihrer Erwerbsbiographie auf-weisen. Ziel ist es dabei, diese Lücken ganz oder teilweisezu schließen, was wiederum das Risiko von Sozialhil-febedürftigkeit reduziert. Dies gilt im Übrigen auch fürdie Kinderkomponente in Hinterbliebenenrenten.

2.6 Neuordnung der Renten wegen verminder-ter Erwerbsfähigkeit

52. Die Reform im Bereich der Erwerbsminderungsren-ten ist bereits von den gesetzgebenden Körperschaftenverabschiedet worden, nicht zuletzt, weil die Notwendig-

13 Stellungnahme des Sozialbeirats zu einigen Vorschlägen zur Reformder Alterssicherung in Deutschland, Anlage 3 zum Gutachten des So-zialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 1999, Bundesratsdruck-sache 655/99, S. 146 f.

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Drucksache 14/5394 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

keit bestand, sie zum 1. Januar 2001 in Kraft zu setzen, dadie Aussetzung der entsprechenden Maßnahmen im Ren-tenreformgesetz 1999 bis Ende 2000 befristet war. DieReform der Erwerbsminderungsrenten ist jedoch Be-standteil des Gesamtkonzepts, weswegen an dieser Stelledarauf einzugehen ist.

53. Langfristig wird nach der Reform die bisherige Beruf-sunfähigkeitsrente entfallen. Allerdings wurde die Über-gangsfrist aus Gründen des Vertrauensschutzes erweitertbis zu den heute 40-Jährigen. Der Sozialbeirat hält die Ab-schaffung der Leistung Berufsunfähigkeitsrente für sach-gerecht.

54. Im Vergleich zum Rentenreformgesetz 1999 ist es beiden Abschlägen bei Erwerbsminderungsrenten geblieben,allerdings wurde die Kompensation mit der vollen Zu-rechnungszeit bis zum 60. Lebensjahr ausgeweitet.Schließlich wird es – anders als im RRG 1999 vorge-sehen – für Versicherte mit gesundheitlichen Beeinträchti-gungen, die zwar noch eine Beschäftigung von drei bis un-ter sechs Stunden täglich ausüben können, aber keinen ent-sprechenden Teilzeitarbeitsplatz finden, auch weiterhineine volle Erwerbsunfähigkeitsrente geben. Die so ge-nannte konkrete Betrachtungsweise wird also weiter ange-wandt.

55. Für entscheidend hält es der Sozialbeirat, dass derInvaliditätsschutz nicht aus dem Leistungsspektrum derRentenversicherung herausgenommen wird. Die Invali-ditätssicherung ist somit auch künftig ein wichtiges Ele-ment der solidarischen gesetzlichen Rentenversiche-rung.

56. Durch die Neuregelungen entstehen gegenüber demRechtsstand Rentenreformgesetz 1999 bei der Renten-versicherung in gewissem Umfang Mehrausgaben. Be-dingt ist dies durch eine Erweiterung von Vertrauens-schutzregelungen sowie die weitere Anwendung derkonkreten Betrachtungsweise bei Versicherten mit einemRestleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden.Letzteres kann freilich nur wegen der immer noch unbe-friedigenden Situation auf dem Teilzeitarbeitsmarkt fürgesundheitlich beeinträchtigte Arbeitnehmer gerechtfer-tigt werden. Die vorgesehene Weitergeltung der konkre-ten Betrachtungsweise in diesen Fällen führt nämlichdazu, dass die Rentenversicherung auch weiterhin dasArbeitsmarktrisiko der Versicherten zu einem erhebli-chen Teil mitträgt. Allerdings ist auch festgelegt, dass die Bundesanstalt für Arbeit der Rentenversicherung dieAufwendungen für diese arbeitsmarktbedingten Er-werbsminderungsrenten zur Hälfte erstattet. Diese Er-stattungspflicht ist aber auf die Dauer des Arbeitslosen-geldanspruchs beschränkt. Da die Bezugsdauer derErwerbsminderungsrente im Regelfall die Höchstbezugs-dauer des Arbeitslosengeldes jedoch deutlich überschrei-ten dürfte, werden die Mehrausgaben der Rentenversi-cherung für diese arbeitsmarktbedingten Renten nur zueinem Teil kompensiert. Die Höhe des Rentenanspruchsist in diesem Fall aber geringer als der Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung.

2.7 Wegfall des bisher vorgesehenen Aus-gleichsfaktors und Ersatz durch eine geänderte Anpassungsformel

57. Nach den Anhörungen zu dem Gesetzentwurf derBundesregierung und in der Folge der Beratungen imAusschuss für Arbeit und Sozialordnung des DeutschenBundestages ist der zunächst vorgesehene Ausgleichsfak-tor, mit dem die ab 2011 zugehenden Renten um jeweils0,3 %, steigend bis auf 6 % im Jahre 2030, vermindertwerden sollten, weggefallen. Um ein finanziell gleichesErgebnis und damit nach den Modellrechnungen einenBeitragssatz von maximal 22 % im Jahr 2030 sicherzu-stellen, wurde die bisher vorgesehene Anpassungsformelverändert. Danach wirken sich ab 2011 Veränderungendes Beitragssatzes zur Rentenversicherung und gegebe-nenfalls des Altersvorsorgeanteils stärker auf die jährli-chen Rentenanpassungen aus als nach der ursprünglichvorgesehenen Formel. Im Grundsatz folgt damit der Deut-sche Bundestag einem Vorschlag des Verbandes Deut-scher Rentenversicherungsträger aus den Anhörungenzum Gesetzentwurf. Danach verläuft der Rentenanstiegentsprechend der definierten reduzierten Lohnentwick-lung ab dem Jahre 2011 geringfügig flacher als nach derFormel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung.

58. Hauptergebnis dieser Änderung ist, dass künftig eineGleichbehandlung von Rentenzugang und Rentenbestandbeibehalten wird. Dies bedeutet, dass es auch nach demJahr 2011 ein einheitliches Rentenniveau geben wird unddamit einer der Hauptkritikpunkte an dem Reformvorha-ben beseitigt ist. Der Sozialbeirat hält es für richtig, dassmit dem gefundenen Kompromiss auch künftig ein ein-heitliches Rentenniveau für Zugang und Bestand gewähr-leistet ist und es damit auch im Jahre 2030 ein einheitli-ches Rentenniveau geben wird.

59. Die neue, ab 2011 geltende Anpassungsformel istebenso wie der Ausgleichsfaktor es war, Ausfluss einereinnahmeorientierten Rentenpolitik; denn sowohl der sichkumulierende jährliche Abschlag in Höhe von 0,3 % beiden Zugangsrenten wie die nunmehr geltende Regelungwurden iterativ aus dem politisch vorgegebenen Beitrags-ziel von maximal 22 % für 2030 abgeleitet.

60. In den politischen Diskussionen, die zur Rücknahmedes Ausgleichsfaktors und zur Veränderung der Anpas-sungsformel führten, spielte die Höhe des für 2030 anzu-strebenden Rentenniveaus eine zentrale Rolle, da der Ge-setzentwurf auch eine Rentenniveausicherungsklauselenthielt, nach der die Bundesregierung den gesetzgebendenKörperschaften Vorschläge zu unterbreiten hat, wenn dasRentenniveau in den langfristigen Vorausberechnungenden Mindestwert von 64 % zu unterschreiten droht. DieserWert ist nach dem Beschluss des Deutschen Bundestagesvom 26. Januar 2001 auf 67 % angehoben worden.

61. Das Rentenniveau ist definiert als Quotient aus derjeweiligen Standardrente und dem jeweiligen Netto-durchschnittslohn. Einer Standardrente liegen 45 Versi-cherungsjahre jeweils mit Durchschnittsentgelt zugrunde.

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Der Nettolohn wird auf der Basis von Angaben der Ar-beitgeber unter Auswertung der ihnen vorliegendenLohnsteuerkarten vom Statistischen Bundesamt nachMaßgabe der geltenden Vorschriften zu den Volkswirt-schaftlichen Gesamtrechnungen ermittelt.

62. Der Sozialbeirat hält die Aussagekraft des „Rentenni-veaus“ für begrenzt. Denn die Höhe der individuellenRentenansprüche hängt nicht nur von den Versicherungs-zeiten und dem Alter im Falle des vorzeitigen oder aufge-schobenen Renteneintritts ab, sondern auch vom Verlaufdes mit Beiträgen belegten Einkommens. In die Erstbe-rechnung eines Rentenanspruchs gehen alle Jahre der Erwerbs- bzw. Versicherungsbiographie mit dem gleichenGewicht ein. Daher verschleiert das auf Durchschnitts-einkommen normierte Rentenniveau die tatsächlicheHöhe eines am letzten Arbeitseinkommen gemessenenVersorgungsniveaus und damit auch eine etwaige Versor-gungslücke, wenn – wie dies oft bei Angestellten der Fallist – das Arbeitsentgelt bis zum Renteneintritt ansteigt.Auf der anderen Seite zeigt das Rentenniveau bei Versi-cherten, bei denen das Arbeitseinkommen in den Jahrenvor dem Renteneintritt rückläufig war, z. B. bei Personenin Altersteilzeit, bezogen auf das letzte Entgelt, eine zuhohe tatsächliche Ersetzungsquote an.

Hinzu kommen Einflüsse, die sich aus der Progression derLohn- bzw. Einkommensteuer ergeben. Liegt ein versi-chertes Einkommen oberhalb des Durchschnittsverdiens-tes, dann ergibt sich in der Folge der progressiv höherenBesteuerung auch ein höheres „individualisiertes“ Ren-tenniveau; genau umgekehrt ist es bei versicherten Ein-kommen unterhalb des Durchschnitts.

63. Die Fixierung bei 67 %, also vergleichsweise nahedem gegenwärtigen Wert von rd. 70 %, könnte eine Bun-desregierung dazu zwingen, aufgrund externer Einflüsse zuhandeln. Wegen der um rd. ein Jahr zeitverzögerten Anpas-sung der Renten an die Lohnentwicklung ist außerdem beieinem schwachen Konjunkturverlauf und damit einherge-henden niedrigen Lohnsteigerungsraten typischerweise dasRentenniveau hoch, während es in Boomphasen mit hohenLohnsteigerungsraten typischerweise niedrig ist.

2.8 Neue Anpassungsformel und Anglei-chungsprozess bei den Renten in den neuen Ländern

64. Die Gesetzentwürfe für die Rentenreform enthaltenkeine gesondert auf die neuen Länder ausgerichteten Vor-schriften. An der grundsätzlichen Haltung der Bundesre-gierung, dass im Zuge der weiteren Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West sich mit der Lohn-entwicklung auch die Rentenwerte weiter annähern wer-den, hat sich dessen ungeachtet nichts geändert. Die neueRentenanpassungsformel wird gleichwohl einen nichtunerheblichen Einfluss auf die Dauer dieses Anglei-chungsprozesses haben.

65. Zum 1. Juli 1999 betrug das Verhältnis der aktuellenRentenwerte Ost zu West rd. 87 %; das Verhältnis der Net-

toentgelte lag nach den Volkswirtschaftlichen Gesamt-rechnungen mit 83 % in einer ähnlichen Größenordnung.Das Verhältnis der Bruttoentgelte nach den Volkswirt-schaftlichen Gesamtrechnungen hingegen lag bei ledig-lich rd. 76 %.

66. Zur Angleichung der Löhne müssen zu einem ausheutiger Perspektive nicht exakt bestimmbaren Zeit-punkt die Nettolöhne in den neuen Bundesländern uminsgesamt rd. 17 Prozentpunkte stärker steigen als in denalten Bundesländern, die Bruttolöhne allerdings um rd. 24 Prozentpunkte. Da der Rentenwert Ost nur um rd. 13 Prozentpunkte niedriger ist als der RentenwertWest, wird bereits an dieser Stelle deutlich, dass auch beieiner Rentenanpassung nach der bis 1999 praktiziertenNettoformel die Angleichung der Nettolöhne nicht auto-matisch zu einer Angleichung der aktuellen Rentenwerteführt.

67. Auf den ersten Blick passt ein Anstieg der Brut-tolöhne um 24 Prozentpunkte nicht mit einem Anstiegder Nettolöhne um 17 Prozentpunkte zusammen. DerNettolohn nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrech-nungen ermittelt sich aus dem Bruttolohn abzüglich der (von den Arbeitnehmern) zu leistenden Sozialver-sicherungsbeiträge, des staatlich geförderten Altersvor-sorgesparens und abzüglich der Lohnsteuer. Die Sozial-versicherungsbeiträge sind bereits heute in den alten undneuen Bundesländern (nahezu) gleich, nur die Beiträgezur Krankenversicherung sind in den neuen Bundeslän-dern um wenige Zehntel Prozentpunkte höher. Das Al-tersvorsorgesparen wird in den Jahren 2003 bis 2010 pau-schal in Höhe von 0,5 bis 4 % in acht Schritten aus derRentenanpassung herausgerechnet. Für die Lohnsteuer-quote hingegen wird in den alten Bundesländern in Mo-dellrechnungen von 1999 bis 2030 von einer moderatenSteigerung von 20,51 % bis auf 22,19 % ausgegangen. Inden neuen Bundesländern steigt sie im gleichen Zeitraumvon 13,63 % auf 22,19 % an. Die Progression der Lohn-steuer bremst also den Nettolohnanstieg im Vergleichzum Bruttolohnanstieg sehr stark ab.

68. Bei einer rein nettolohnbezogenen Rentenanpas-sung wirkt dieser Mechanismus dämpfend auf den pa-rallelen Anstieg der Rentenwerte. Die Verhältnisse derNettolöhne und damit der aktuellen Rentenwerte steigendann schwächer als das Verhältnis der Bruttolöhne. Ent-fernt man dagegen, wie jetzt im Gesetzentwurf gesche-hen, dieses Dämpfungselement aus der Anpassungsfor-mel, so steigt das Verhältnis der Rentenwerte wie dasVerhältnis der Bruttolöhne. Die Beiträge zur Altersvor-sorge haben darauf keinen Einfluss, weil sie in den altenund neuen Bundesländern gleich sind. Der höhere Brut-tolohnanstieg (bis zum Erreichen der vollständigen An-gleichung die angeführten 24 Prozentpunkte) in denneuen Bundesländern schlägt somit voll auf die Renten-anpassung durch und sorgt so für eine deutlich frühereAngleichung der Renten als nach der bisherigen Netto-anpassungsformel.

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Exkurs:Rechnerisch lässt sich der Sachverhalt wie folgt darstellen:

Nettoanpassung:

Die Veränderung der Beitragssätze zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung der Rentner soll hier der bes-seren Übersicht wegen keine Rolle spielen. Die obige Formel lässt sich dann auch darstellen als:

Bildet man nun das Verhältnis der Anpassungen Ost zu West, so ergibt sich:

Sinkt die Nettoquote Ost stärker als die Nettoquote West, so muss der letzte Ausdruck in der obigen Formel im Durch-schnitt kleiner als 1 sein. Dann ist das Verhältnis der Anpassungen Ost zu West kleiner als das Verhältnis der Brutto-lohnentwicklung Ost zu West.

Modifizierte Anpassung nach der Rentenreform:

Bei der neuen Anpassungsformel sind neben der Bruttolohnentwicklung nur noch die Beiträge zur Alterssicherung vonBedeutung. Diese sind aber in Ost und West gleich und spielen bei der Verhältnisbildung der Anpassungen Ost zu Westsomit keine Rolle. Also:

Verhältnis von Nettoanpassung zu neuer Rentenformel:

Dieser Ausdruck ist wegen des in den neuen Bundesländern stärkeren Anstiegs der Lohnsteuerquote bei geringeremAusgangswert im Durchschnitt kleiner als 1.

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69. In der bisherigen Diskussion um die Rentenreformsind Ost-West-Aspekte eher im Hintergrund behandeltworden, weil unter langfristigen Gesichtspunkten oh-nehin alle Beteiligten von einem Abschluss des Annähe-rungsprozesses ausgingen. Wenn dieser Prozess durch dieneue Rentenanpassungsformel beschleunigt wird, be-grüßt dies der Sozialbeirat.

2.9 Intergenerative Verteilungswirkungen derReform

70. Um die intergenerativen Verteilungswirkungen einesAlterssicherungssystems bzw. einer Reform zu messen,bietet sich die Berechnung von „Renditen“ an. Dazu wer-den hier – auf der Grundlage von Berechnungen der Deut-schen Bundesbank – für die Geburtsjahrgänge 1940 bis2015 die jeweiligen künftigen Rentenzahlungen mit denBeitragszahlungen verglichen. Der interne Zinsfuß dieserZahlungsreihen kann dann als „Rendite“ der Altersvor-sorge interpretiert werden. Den Berechnungen liegt ein„typischer Rentner“ zugrunde, der als Durchschnittsver-diener 45 Jahre lang Beiträge zahlt, im Alter von 65 Jah-ren in Rente geht und über 15 Jahre hinweg Rente beziehtund dessen Witwe weitere fünf Jahre eine Hinterbliebe-nenrente erhält, die nicht durch Anrechnung sonstigerEinkünfte gekürzt wird. Nach dem neuen Konzept derHinterbliebenenversorgung werden Kinder rentenstei-

gernd berücksichtigt; hier wurde mit zwei Kindern ge-rechnet.

Zur Berechnung einer Gesamtrendite der Altersvorsorgewurde unterstellt, dass im Fall der Reform entsprechenddem Förderplan erstmals im Jahr 2002 Zusatzversor-gungsbeiträge in Höhe von 1 % des Durchschnittsein-kommens geleistet werden. Diese Beiträge steigen biszum Jahr 2008 im Zwei-Jahres-Rhythmus auf 4 % an. ZurRenditeermittlung wurde die Summe aus Beiträgen zurgesetzlichen Rentenversicherung und privater Zusatzvor-sorge der Summe der Rentenleistungen aus beiden Syste-men gegenübergestellt. Ohne Reform müsste der Bei-tragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung schnellersteigen. Um diesen Fall mit der Reformalternative ver-gleichen zu können, wurde angenommen, dass in Höheder Differenz zwischen Gesamtbeitragssatz mit Reformund Umlagebeitragssatz ohne Reform ebenfalls für die ei-gene Altersvorsorge gespart wird. Die beiden Variantenmit und ohne Reform unterscheiden sich dann vor allemhinsichtlich der Relation zwischen Umlagefinanzierungund Kapitaldeckung. Im Hinblick auf die Verzinsung derZusatzvorsorge wurde für die Vergangenheit die realeUmlaufsrendite festverzinslicher Wertpapiere zugrundegelegt und für die Zukunft eine reale Rendite von 3 % un-terstellt. Für die reale Entgeltentwicklung wurde nebenden bekannten Vergangenheitswerten für die Zukunft miteinem jährlichen Steigerungssatz von 1,5 % gerechnet.

Zur Entwicklung der realen Renditen der Altersvorsorge(Durchschnittsverdiener, 45 Beitragsjahre, 15 Jahre Rentenbezug,

Renteneintritt mit 65 Jahren, 5 Jahre Hinterbliebenenversorgung, 2 Kinder)

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71. Datengrundlage sind – neben den vergangenheitsbe-zogenen Werten – die Annahmen, die auch in die Berech-nungen zum Gesetzentwurf des „Altersvermögensgeset-zes“ eingeflossen sind. Insbesondere wurden die Angabenzur Entwicklung des Beitragssatzes und des Netto-Eckrentenniveaus, von dem auf das Brutto-Eckrenten-niveau geschlossen werden kann, benötigt. Damit standenzwei Größen zur Verfügung, die sich beide auf das Brut-toentgelt des Durchschnittsverdieners beziehen.

72. Die Berechnungen für den „typischen Rentner“ kom-men zu dem Ergebnis, dass der demographisch bedingteRückgang der Rendite durch die Reform deutlich ge-bremst wird. Die bei einem (teilweisen) Übergang von derUmlagefinanzierung zur Kapitaldeckung stets unver-meidbaren Übergangskosten werden also von den älterenrenditemäßig vergleichsweise günstiger gestellten Jahr-gängen getragen. Insgesamt führt die Reform daher zu ei-ner gleichmäßigeren Lastenverteilung zwischen den Ge-nerationen.

73. Die Berechnungen zeigen, dass die „Gesamtrendite“für jüngere Generationen mit Reform – im Vergleich zueiner Fortführung des Status quo – höher liegt. Langfris-tig stellt sich eine Renditeverbesserung um etwa 18 Basis-punkte ein. Bei diesen jüngeren Generationen wirkt sichdas kapitalgedeckte Zusatzversorgungssystem zunehmendrenditesteigernd aus. Für die bis Mitte der 70er-Jahre Ge-borenen fällt die Rendite dagegen niedriger aus.

2.10 Finanzwirkungen der Reformmaßnahmen

74. Ausgangspunkt für die Berechnungen innerhalb desfinanziellen Teils der Begründung des Entwurfs eines Al-tersvermögensgesetzes ist das geltende Recht, allerdingsohne den Demographiefaktor nach dem Rentenreformge-setz 1999, aber einschließlich der Finanzwirkungen desGesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Er-werbsfähigkeit.

75. Finanzwirksam sind insbesondere folgende Maßnah-men des Reformpakets:

– Nach der einjährigen Anpassung nach der Preisni-veausteigerung (des Vorjahres) die Rückkehr zu lohn-bezogenen Anpassungen der Renten,

– Förderung der zusätzlichen privaten Altersvorsorge,

– Reform des Hinterbliebenenrentenrechts und Ausbaukindbezogener Leistungen,

– Verhinderung verschämter Altersarmut.

76. Nach dem finanziellen Teil der Begründung des Ent-wurfs eines Altersvermögensgesetzes wurde davon aus-gegangen, dass die neu gestalteten Anpassungsformelnbis zum Jahre 2010 (2030) zu Leistungsrücknahmen inder Größenordung von etwa 5 % und einer Beitragssatz-ersparnis von 1,0 (1,4) Prozentpunkten im Vergleich zurFortschreibung des Status quo führen.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/5394

14 Die Formel im Gesetzentwurf der Bundesregierung lautete:

dabei sind:AR t = zu bestimmender aktueller Rentenwert,AR t-1 = bisheriger aktueller Rentenwert,BE t-1 = Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäf-

tigten Arbeitnehmer im vorvergangenen Kalenderjahr,BE t-2 = Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäf-

tigten Arbeitnehmer im vorvergangenen Kalenderjahr,RVB t-1 = durchschnittlicher Beitragssatz in der Rentenversicherung der

Arbeiter und der Angestellten im vergangenen Kalenderjahr,RVB t-2 = durchschnittlicher Beitragssatz in der Rentenversicherung der

Arbeiter und der Angestellten im vorvergangenen Kalender-jahr.

15 Die Formel nach der Beschlussfassung des Deutschen Bundestagesvom 26. Januar 2001 lautet:

Dabei ist AVA2009 = Altersvorsorgeanteil für das Jahr 2009 in Höhevon 4 vom Hundert; die Bezeichnung für die übrigen Bestandteile derFormel entsprechen denjenigen bei Fußnote 14.

77. Die ab 2011 geltende neue Anpassungsformel ent-wickelt immer dann eine Bremswirkung auf Renten-anpassungen und damit auf die Entwicklung des Bei-tragssatzes, wenn es zuvor zu einer Anhebung desBeitragssatzes gekommen ist. Entsprechend der ab dem 1. Juli 2001 geltenden neuen lohnbezogenen Anpassungs-formel richtet sich die jährliche Anpassung nach der Bruttolohnsteigerung des Vorjahres gegenüber dem Vor-vorjahr. Ist es im Vorjahr zu einer Veränderung des Bei-tragssatzes zur Rentenversicherung oder dem Altersvor-sorgeanteil gekommen, so werden diese Veränderungenanpassungsverändernd bei der Bruttolohnsteigerung be-rücksichtigt. Wird nun gemäß der ab dem Jahre 2011 gel-tenden Anpassungsformel14 der Basiswert, von dem derAltersvorsorgeanteil und der Beitragssatz zur Rentenver-sicherung abgezogen werden, von 100 auf 90 verringert15,muss notwendigerweise die Bremswirkung steigenderBeitragssätze auf den Umfang der Rentenanpassung zu-nehmen. Betrüge beispielsweise unter sonst gleichen Be-dingungen und einer zu berücksichtigenden Steigerungdes Beitragssatzes im Vorjahr von 19,5 auf 19,6 % sowieeiner Bruttolohnsteigerung um 3 % der Anpassungssatz2,87 % nach der Formel des Gesetzentwurfs der Bundes-regierung, dann läge dieser Anpassungssatz unter der vomDeutschen Bundestag verabschiedeten Anpassungsformelbei 2,85 %.

78. In den Jahren 2003 bis 2010 entfaltet die Einbezie-hung des Altersvorsorgeanteils in die Anpassungsformeleine Finanzwirkung für die Rentenversicherung darüber,dass die Anpassungssätze jeweils um rd. 0,6 Prozent-punkte niedriger ausfallen. Der entsprechend über achtJahre kumulierte Effekt hat eine entsprechende Basiswir-

kung auf die Entwicklung des Ausgabenvolumens insge-samt, indem dessen Niveau abgesenkt wird, Ausgaben-steigerungen z. B. durch die Rentendynamisierung also inaller Zukunft von einer niedrigeren Basis ausgehen.

79. Die Förderung der privaten Altersvorsorge belastetdie öffentlichen Haushalte über Einkommensteuermin-dereinnahmen ab dem Jahre 2008 bislang mit ca. 20 Mrd.DM jährlich. Dagegen zu rechnen sind allerdings Min-derausgaben des Bundes, die sich daraus ergeben, dasssich der allgemeine Bundeszuschuss neben der Bindungan die Lohnentwicklung auch im Umfang einer Änderungdes Beitragssatzes entwickelt. Die Realisierung der Ziel-stellung „möglichst niedriger und auf niedrigem Niveaustabilisierter Beitragssatz“ entlastet folglich auch denBundeshaushalt. Für 2030 werden entsprechende Effekteauf immerhin rd. 12 Mrd. DM beziffert. Finanzwirkungenbeim Bund ergeben sich auch daraus, dass die von ihm zuleistenden Beiträge für Kindererziehungszeiten flacheransteigen als ohne Reform. Entsprechende Minderausga-ben werden in 2030 auf rd. 3 Mrd. DM beziffert.

80. Bedingt durch die weit reichende Vertrauensschutzre-gelung erwächst nur eine unbedeutende Finanzwirksam-keit aus der Reform des Hinterbliebenenrentenrechts bis2030, denn wenn in einer bestehenden Ehe ein Partner äl-ter ist als 40 Jahre, gilt altes Recht weiter. Da das Modelllangfristig kostenneutral angelegt ist, sind auch nach 2030nur geringe Beitragssatzwirkungen zu erwarten.

81. Mehraufwendungen für die Kommunen und damit ge-gebenenfalls die Länder ergeben sich, wenn es zu dem Ver-zicht auf Regress bei Sozialhilfebezug von älteren Men-schen und dauerhaft Erwerbsunfähigen kommt. Der Bundgleicht dann den Ländern die den Kommunen entstehendenhöheren Ausgaben aus und refinanziert sich durch eine ent-sprechende Absenkung des Erhöhungsbetrages beim zu-sätzlichen Bundeszuschuss. Die Mehrausgaben der Kom-munen werden mit 600 Mio. DM jährlich veranschlagt.

3. Flankierende Maßnahmen

3.1 Verbesserung des Auskunftsservice

82. Nach dem Gesetzentwurf werden die Rentenversi-cherungsträger für die Zukunft verpflichtet, die Versi-cherten regelmäßig über ihre individuellen Rentenan-wartschaften und die Höhe der daraus zu erwartendenRente zu informieren. Der Sozialbeirat begrüßt den Ver-such damit die Transparenz der aus der Rentenversiche-rung zu erwartenden Leistungen zu erhöhen. Dies schließtein, frühzeitig eigene Vorsorge zu treffen.

83. Zutreffend ist, dass die Erfüllung der zusätzlichen Informationsverpflichtungen bei den Rentenversiche-rungsträgern mit zusätzlichem und nicht unerheblichemVerwaltungsaufwand verbunden ist. Beispielsweise gehtallein die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte von80 000 arbeitstäglich zu versendenden Informationen aus.In diesem Zusammenhang ist die Forderung erhoben wor-den, entsprechende Informationen nicht in jedem Jahr,sondern in einem Drei-Jahres-Rhythmus zu versenden.

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Drucksache 14/5394 – 20 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

84. Zu befürworten ist, dass es auch für die Anbieter ka-pitalgedeckter Altersvorsorgeprodukte vergleichbare In-formationspflichten geben soll. Es wird abzuwarten sein,wie der Markt für die zugelassenen Finanzprodukte rea-giert. Dabei dürfte es auch darauf ankommen, wie Infor-mationen über künftig zu erwartende Leistungen mit ent-sprechenden Informationen der Rentenversicherungvergleichbar gemacht werden. Hinzuweisen ist an dieserStelle beispielsweise darauf, dass die Rentenversicherungauch die Risiken Erwerbsunfähigkeit und Tod (im Sinnevon Hinterbliebenenrenten) absichert, diese Leistungenaber in den Bedingungen für eine staatliche Förderung zu-sätzlicher privater Alterssicherung nicht enthalten sind.

3.2 Wirkungsgleiche und systemgerechte Über-tragung auf die Beamtenversorgung

85. Bereits in seinem Gutachten zum Rentenversiche-rungsbericht 2000 der Bundesregierung hat sich der Sozi-albeirat zur Übertragung der Maßnahmen der Reform aufandere Alterssicherungssysteme geäußert. Er kam dabei zudem Ergebnis, dass eine solche Übertragung auf alle ganzoder teilweise staatlich finanzierten Alterssicherungs-systeme auf systemgerechte Art und wirkungsgleich erfor-derlich ist, und zwar gleichermaßen aus fiskalischen Grün-den wie aus Gründen der gesellschaftlichen Kohärenz.

Der Sozialbeirat bekräftigt auch an dieser Stelle noch ein-mal diese Position.

4. Empfehlungen

86. Die durch die demographische Entwicklung pro-grammierte Alterung der Bevölkerung ist weitgehend ir-reversibel, und genauso unvermeidlich ist eine damit ver-bundene Zunahme der Kosten der Alterssicherung. Dieserdemographisch bedingte Anstieg der Kosten der Alterssi-cherung ist realer Natur und ist daher nicht wegrefor-mierbar. Rentenpolitik in einer alternden Gesellschaftkann nur versuchen, diese Kosten ökonomisch sinnvoll,sozial ausgewogen und generationengerecht zu verteilen.Jede Rentenreform stellt somit immer einen Kompromisszwischen den durchaus konfligierenden Zielen der Finan-zierbarkeit bzw. Beschäftigungs- und Wachstumseffi-zienz, der Versorgungssicherheit, des sozialen Ausgleichsund der Generationengerechtigkeit dar. Ungeachtet unter-schiedlicher Einschätzungen der Dimension dieser Re-form sieht der Sozialbeirat in der Strukturentscheidung ei-nen zukunftsweisenden, da ökonomisch sinnvollen undsozial ausgewogenen Kompromiss zwischen diesen kon-fligierenden rentenpolitischen Zielen.

87. Die Beitragssatzziele sollen – wie gezeigt – durch einBündel unterschiedlicher Maßnahmen erreicht werden.Dies bringt es mit sich, dass im weiteren Gesetzgebungs-verfahren nicht einzelne Maßnahmen herausgelöst wer-den dürfen, wenn dieses Ziel nicht verfehlt werden soll; essei denn, solche Maßnahmen würden durch andere In-strumente mit gleicher finanzieller Wirkung ersetzt. Obfreilich diese Ziele mit den in diesem Reformpaket ergrif-

fenen Maßnahmen dauerhaft erreicht werden können,hängt im entscheidenden Maße davon ab, ob die ökono-mische und demographische Entwicklung in der Zukunftden in den Modellrechnungen unterlegten Rahmenbedin-gungen im Wesentlichen entsprechen wird. Ungeachtetdieser Unsicherheiten sollten die neuen Anpassungsfor-meln ausreichen, den Beitragssatz bis weit in das nächsteJahrzehnt unter 20 % zu halten. Und blendet man die net-tolohnsteigernden und rentenniveausenkenden Effektemöglicher Steuerrechtsänderungen aus, dürfte dieser Bei-tragspfad nicht im Konflikt mit dem garantierten Min-destrentenniveau von 67 % stehen.

88. Die Maßnahmen, mit denen künftig der Ausgabenan-stieg bei der gesetzlichen Rentenversicherung begrenztwerden soll, werden flankiert durch ein neuartiges Instru-ment, nämlich die staatlich geförderte private Vorsorge.Der Konzeption der Bundesregierung zufolge, der derDeutsche Bundestag zugestimmt hat, beruht die zusätzli-che private Vorsorge auf Freiwilligkeit. Stimulans für einenotwendige weite Verbreitung und möglichst weit rei-chende Ausschöpfung der privaten Vorsorge ist eine ge-rade in den unteren Einkommensschichten wirkende be-achtliche staatliche Förderung. Von der Konstruktion desneuen Instruments her ist davon auszugehen, dass es weiteVerbreitung findet. Dies gilt gleichermaßen für die be-triebliche Altersvorsorge.

89. In den kommenden Jahren wird es darauf ankommen,zu beobachten, ob und in welchen Bereichen sich mögli-cherweise Defizite zeigen. Dies gilt hinsichtlich der Inan-spruchnahme und differenziert auch nach Einkommens-gruppen.

90. Eine Reformalternative im Sinne einer Dämpfung desabsehbaren Anstiegs des Beitragssatzes hätte darin beste-hen können, das Renteneintrittsalter anzuheben. Die Bun-desregierung hat allerdings darauf verzichtet, entspre-chende Vorschläge zu machen. Sollte sich in der Zukunftzeigen, dass die jetzt ergriffenen Maßnahmen nicht aus-reichen, um eine politisch gewollte Begrenzung des An-stiegs des Beitragssatzes zur Rentenversicherung zu er-reichen oder gar den Beitragssatz zurückzuführen,bestünde eine der möglichen Handlungsalternativen in ei-ner solchen Maßnahme. Finanzwirkungen ergeben sichdaraus, dass die durchschnittliche Rentenbezugsdauer imVergleich zum Status quo verstetigt würde oder zurück-ginge. Soweit dieser Effekt nicht oder nur unterproportio-nal einträte, ergäben sich Finanzwirkungen über die ent-sprechenden Abschläge bei vorzeitigem Rentenbezug.

91. Der in einer alternden Gesellschaft zwingend stei-gende intergenerative Umverteilungsbedarf kann amehesten bei einem hohen beschäftigungsintensiven Wirt-schaftswachstum befriedigt werden. Reduziert werdenkann dieser Umverteilungsbedarf, wenn es gelingt, dieLebensarbeitszeit zu verlängern und damit die Rentenbe-zugsdauer zu verkürzen. In diesem Falle werden Trans-fereinkommen durch Erwerbseinkommen ersetzt. Vordiesem Hintergrund legt der Sozialbeirat nahe, die abga-ben- und rentenrechtlichen, tarifpolitischen, bildungspo-

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litischen und arbeitsorganisatorischen Voraussetzungenfür eine Erhöhung des Renteneintrittsalters zu schaffen.Denn unter der Voraussetzung eines hinreichenden Ange-bots altersgerechter Arbeitsplätze stellt ein Anstieg desRenteneintrittsalters eine sehr effiziente Maßnahme zurDämpfung der Beitragssatzdynamik dar.

92. Würde man heute die Altersgrenze von 65 Jahren umein Jahr anheben, ergäbe sich nach Modellrechnungen desVerbandes Deutscher Rentenversicherungsträger einRückgang des Beitragssatzes von 0,8 Prozentpunkten.Ausgeprägter wären die Entlastungseffekte, wenn esgelänge, durch ein Bündel von bildungspolitischen, ar-beitsorganisatorischen, tarif-, renten- und steuerpoliti-schen Maßnahmen das effektive durchschnittliche Ren-teneintrittsalter anzuheben. Derzeit liegt dieses Alter fürRenten wegen Alters in den alten (neuen) Bundesländernbei 62,5 (60,7) Jahren und damit insgesamt bei 62 Jahrenund für alle Versichertenrenten, d. h. einschließlich derRenten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in den alten(neuen) Bundesländern bei 60,5 (58,4) Jahren und damitinsgesamt bei 60,1 Jahren. Geht man von den vorliegen-den Daten zum Rentenzugang 1997 aus, würde sich einemittelfristige Entlastung von rd. 24 Mrd. DM oder 1,3 Bei-tragssatzpunkten ergeben, wenn alle Altersrenten gegen-über den zurzeit angenommenen Zugangsverhältnissenum ein Jahr später zugingen.

93. Eine Verkürzung der Ausbildungszeiten ist aus Wett-bewerbsgründen dringend erforderlich. Eine damit ver-bundene Verlängerung der Lebensarbeitszeit führt aller-dings zu steigenden Rentenanwartschaften und damit beiunverändertem Renteneintrittsalter zu zusätzlichen Aus-gaben der Rentenversicherung. Von einer Verlängerungder Lebensarbeitszeit gehen daher vor allem dann die an-gestrebten nachhaltigen Beitragssatzeffekte aus, wenndiese Verlängerung der Lebensarbeitszeit mit einem dieRentenlaufzeiten verkürzenden späteren Renteneintrittverbunden ist.

94. Eine denkbare Handlungsalternative könnte auchdarin bestehen, den Altersvorsorgesatz über die jetzt be-absichtigten maximal geförderten 4 % der versicherungs-pflichtigen Entgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenzeanzuheben. Dies hätte sofort – und nicht wie bei einer An-

hebung des Renteneintrittsalters erst allmählich – wirk-sam werdende Finanzwirkungen über den Anpassungs-mechanismus, wäre allerdings auch mit zusätzlichemstaatlichen Förderaufwand verbunden.

95. In dem laufenden Reformvorhaben ist es bedauerli-cherweise nicht dazu gekommen, auch einen Einstieg indie nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften zuregeln. Der Sozialbeirat erachtet in einem baldigen Ein-stieg in die nachgelagerte Besteuerung (d. h. einer Frei-stellung der Beiträge zur Rentenversicherung und einerVollversteuerung der Leistungen der Rentenversiche-rung) im Kontext des seit langem erwarteten und überfäl-ligen Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Besteue-rung von Alterseinkünften die richtige Antwort auf diesesseit Jahren anhängige Problem der steuerlichen Ungleich-behandlung von Alterseinkommen. Allerdings wäre esnach Ansicht des Sozialbeirats nicht sachgerecht gewe-sen, mit dem Reformvorhaben zu warten, bis die Ent-scheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgelegenhätte; dies umso weniger, als die neuen Rentenanpas-sungsformeln – im Gegensatz zur bisherigen Nettoanpas-sung der Renten – durchaus kompatibel mit der steuerli-chen Freistellung der Rentenversicherungsbeiträge sind,da sie verhindern, dass Änderungen in der Besteuerungsich auf die Rentenanpassungen auswirken.

96. Damit wäre auch der gegenwärtige unbefriedigendeund steuersystematisch verfehlte Zustand beseitigt, dassfreiwillige Beiträge zur Privatvorsorge bis zu 4 % der Bei-tragsbemessungsgrenze gegebenenfalls steuerfrei gestelltwerden sollen, während Pflichtbeiträge zur gesetzlichenRentenversicherung zum Teil aus versteuertem Einkom-men zu entrichten sind. Dies stellt eine Diskriminierungder gesetzlichen Rentenversicherung im Vergleich zur Privatvorsorge dar, ebenso wie die derzeitige Ertragsan-teilsbesteuerung eine Diskriminierung anderer Altersein-kommensarten bedeutet. So sehr sich der Sozialbeirat füreinen alsbaldigen Einstieg in die nachgelagerte Besteue-rung – nach Möglichkeit aller Alterseinkünfte – ausspricht,so sehr betont er, dass im Interesse einer langfristigen Le-bensplanung dem Gedanken des Vertrauensschutzes Rech-nung zu tragen ist.

Berlin, den 2. Februar 2001

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