Deutscher Bundestag Drucksache 7100 · 11. 2007 Zugeleitet mit Schreiben des Bundesrechnungshofes...

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Deutscher Bundestag Drucksache 16/7100 16. Wahlperiode 21. 11. 2007 Zugeleitet mit Schreiben des Bundesrechnungshofes vom 21. November 2007 gemäß § 97 Abs. 1 der Bundeshaushalts- ordnung. Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2007 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2006) Inhaltsverzeichnis Seite Seite Zusammen- Volltext fassung Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Zusammenfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Teil I Allgemeiner Teil 1 Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 57 1.1 Stand der Entlastungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 58 1.2 Prüfung der Jahresrechnung 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 58 1.3 Haushaltsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 58 1.4 Nettokreditaufnahme, Inanspruchnahme von Kreditermächtigungen 13 62 1.5 Gesamtverschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 66 1.6 Haushaltsüberschreitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 66 1.7 Ausgabereste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 69 1.8 Verpflichtungsermächtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 71 1.9 Umsetzung der flexiblen Haushaltsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 73 1.10 Vermögensrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 80 1.11 Sondervermögen des Bundes und Bundesbetriebe . . . . . . . . . . . . . . 15 82 1.12 Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens . . . . . . . . . . . 15 86 2 Finanzwirtschaftliche Entwicklung des Bundes – Chance zur nachhaltigen Haushaltskonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 88 2.1 Entwicklung der Haushaltseckwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 89 2.2 Ausgabenentwicklung und -struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 92

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Deutscher Bundestag Drucksache 16/710016. Wahlperiode 21. 11. 2007

Unterrichtungdurch den Bundesrechnungshof

Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2007zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes(einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2006)

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

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Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Zusammenfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Teil I Allgemeiner Teil

1 Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 57

1.1 Stand der Entlastungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 581.2 Prüfung der Jahresrechnung 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 581.3 Haushaltsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 581.4 Nettokreditaufnahme, Inanspruchnahme von Kreditermächtigungen 13 621.5 Gesamtverschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 661.6 Haushaltsüberschreitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 661.7 Ausgabereste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 691.8 Verpflichtungsermächtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 711.9 Umsetzung der flexiblen Haushaltsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 731.10 Vermögensrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 801.11 Sondervermögen des Bundes und Bundesbetriebe . . . . . . . . . . . . . . 15 821.12 Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens . . . . . . . . . . . 15 86

2 Finanzwirtschaftliche Entwicklung des Bundes – Chance zur nachhaltigen Haushaltskonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 88

2.1 Entwicklung der Haushaltseckwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 892.2 Ausgabenentwicklung und -struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 92

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Drucksache 16/7100 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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2.3 Einnahmenentwicklung und -struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 100

2.4 Nettokreditaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 110

2.5 Verschuldung und Schuldendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 115

2.6 Haushaltsdisziplin im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 117

3 Verantwortungsvoller Umgang mit Haushaltsmitteln erfordert mehr und bessere Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen . . . . . . . . . 18 123

3.1 Wirtschaftlichkeit als Grundprinzip staatlichen Handelns . . . . . . . . . 123

3.2 Grundlagen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . 124

3.3 Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in der Verwaltungspraxis . . . . . . 125

3.4 Wie sollte es weitergehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Teil II Einzelne Prüfungsergebnisse

Auswärtiges Amt

4 Auswärtiges Amt nutzt Liegenschaften im Ausland nicht bedarfsgerecht und unwirtschaftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 133

Bundesministerium des Innern

5 Informationen über finanzielle Gesetzeswirkungen verbessern . . . . . 19 135

6 Bundesanstalt Technisches Hilfswerk: Organisation straffen, Ehrenamt stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 138

7 Bundespolizei zahlt für ihre Diensträume an Bahnhöfen zu viel Miete 20 140

8 Bundespolizei hält zu viele Transporthubschrauber vor . . . . . . . . . . 20 141

9 Versorgung der Bundespolizei mit Dienstkleidung schlecht organisiert 21 143

Bundesministerium der Justiz

10 Mietverträge für Hard- und Software sowie unzureichende Vertrags-überwachung führen zu unnötig hohen Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . 21 145

Bundesministerium der Finanzen

11 Ermittlungsvorgaben bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit bergen Fehlanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 147

12 Datenbankabrufverfahren für die Bekämpfung der Schwarzarbeit nicht einsatzbereit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 149

13 Familienkassen des öffentlichen Dienstes zentralisieren und Kindergeldfestsetzung vereinfachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 150

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

14 Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten kann verbessert werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 152

15 Gewinnung außenwirtschaftlicher Informationen unwirtschaftlich . . 23 155

16 Förderung von Weiterbildungsangeboten im Tourismus verfehlt ihre Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 157

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7100

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Bundesministerium für Arbeit und Soziales

17 Deutsche Rentenversicherung Bund plant ihre neuen Verwaltungsgebäude unwirtschaftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 159

18 Grundsicherungsstellen gewährten Einstiegsgeld nach unterschiedlichen Maßstäben und zahlten es vielfach ohne Anspruch der Empfänger aus 24 161

19 Leistungsbezahlung im Bereich der Bundesagentur für Arbeit nicht zielgerichtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 164

20 Verfahren der Sozialversicherungswahlen weist erhebliche Legitimationsdefizite auf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 165

21 Deutsche Rentenversicherung Bund koordiniert nicht ausreichend die Planung von Rehabilitationsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 167

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

22 Bund verzichtet auf mindestens 190 Mio. Euro gegenüber der Deutschen Bahn AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 169

23 Bund zahlt 60 Mio. Euro ohne Gegenleistung aus . . . . . . . . . . . . . . . 27 170

24 Bund bewilligt ohne Rechtsgrund 5,9 Mio. Euro für Bahnhofsvorplätze 27 171

25 Einsparpotenzial bei Kennzeichnung von Seeschifffahrtsstraßen noch immer nicht ausgeschöpft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 172

26 Bauauftrag in Millionenhöhe regelwidrig ohne Ausschreibung vergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 173

27 Baunutzungskosten bei Planung und Betrieb von Gebäuden des Bundes vernachlässigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 175

Bundesministerium der Verteidigung

28 Schwere Versäumnisse bei der Planung einer Halle zur Zielsimulation 28 178

29 Bundeswehr plant Unterkünfte ohne ausreichende Bedarfsprüfung . . 29 179

30 Wirtschaftlichkeit der Hard- und Softwarepflege bei Fregatten nicht ermittelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 180

31 Führungsinformationssysteme der Bundeswehr können auch nach sechs Jahren Entwicklung nicht zusammenarbeiten . . . . . . . . . . . . . 29 182

32 Bundeswehr will die Ladeflächen von bis zu 30 Jahre alten Lastkraftwagen mit nahezu unbrauchbaren Sitzen ausstatten . . . . . . 30 183

33 Planungsmängel führen zu unzweckmäßiger Ersatzteilbevorratung bei der Luftwaffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 185

34 Geplante Organisation der Eurofighter-Geschwader ist rund 1,2 Mrd. Euro zu teuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 186

35 Trotz freier militärischer Kapazitäten 2 Mio. Euro für gewerbliche Luftabfertigung ausgegeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 189

36 Konzentration der Objektschutzkräfte in der Streitkräftebasis notwendig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 192

37 Angebliche Privatisierungsvorteile behindern interne Optimierung einer Luftwaffenschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 193

38 Nutzlose Bunkeranlage kostet die Bundeswehr jährlich rund 1,7 Mio. Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 195

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Drucksache 16/7100 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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39 Interessenkonflikt bei der Zulassung militärischer Flugzeuge kann Flugsicherheit gefährden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 196

40 Unklare Vorschriftenlage führt zu nicht gerechtfertigten Zulagen an Beschäftigte der Bundeswehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 197

Bundesministerium für Gesundheit41 Verwaltungsverfahren bei der Erstattung von Zuschüssen zum

Mutterschaftsgeld aufwendig und fehleranfällig . . . . . . . . . . . . . . . . 33 199

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend42 Einnahmeausfälle bei Bund und Ländern durch unzureichende

Heranziehung von Unterhaltspflichtigen im Ausland . . . . . . . . . . . . 34 200

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung43 Zinszuschüsse korrekt veranschlagen und zielorientiert verwenden . . 35 202

Bundesministerium für Bildung und Forschung44 Bauvorhaben der Fraunhofer-Gesellschaft unwirtschaftlich

geplant und ausgeführt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 20545 Dienstleister für Hochschulen trotz entfallener Rechtsgrundlage

weiter gefördert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 208

Allgemeine Finanzverwaltung46 Ungleichmäßige Besteuerung der Land- und Forstwirte . . . . . . . . . . 36 20947 Steueraufsicht durch die Finanzämter nicht ausreichend . . . . . . . . . . 36 21148 Begünstigung von Reedern mit Lohnsteuer ihrer Seeleute

verfehlt wesentliche Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 21249 Verfahren der Freistellungsaufträge zu aufwendig und

nicht mehr zeitgemäß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 21350 Mangelnde Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand benachteiligt

private Wettbewerber und verletzt europäisches Recht . . . . . . . . . . . 37 21551 Umsatzsteuerausfälle in Millionenhöhe durch unzutreffende

Besteuerung von Kombinationsartikeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 21652 Gemeinschaftsrechtswidrige Steuerbegünstigungen für

Kunstgegenstände und Sammlungsstücke abschaffen . . . . . . . . . . . . 38 21653 Unternehmensneugründungen nur unzureichend auf

umsatzsteuerliche Betrugsgestaltungen geprüft . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 21854 Wohnungsbauprämie nicht mehr notwendig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 22055 Kriminelle „Firmenbestatter“ verursachen Steuerausfälle . . . . . . . . . 40 22156 Trotz Verspätungszuschlägen häufig keine rechtzeitige

Abgabe der Steuererklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 22357 Fördervoraussetzungen der Eigenheimzulage unzureichend geprüft . . 41 224

Teil III Weitere Prüfungsergebnisse

Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt58 Realistische Haushaltsmittelplanung und -bereitstellung für

die IT der Deutschen Nationalbibliothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 226

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/7100

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Auswärtiges Amt59 Jährliche Einsparungen durch Neuorganisation des German Institute

of Global and Area Studies, ehemals Deutsches Übersee-Institut . . . 41 227

Bundesministerium des Innern60 Transparenz und Handhabung des Sponsorings verbessert . . . . . . . . 41 22861 Wesentliche Hemmnisse für die Optimierung der

öffentlichen Beschaffung beseitigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 22962 Dienstsport in der Bundespolizei neu geregelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 23063 Sicherheitsbehörden erzielen Einsparungen und Synergien . . . . . . . 43 23164 Bundespolizei vermeidet unnötige Beschaffung von IT-Gerät . . . . . 43 23265 Alternativen zu Betriebs- und Bürokommunikationssystemen

in der Bundesverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 23366 Bundesministerien verbessern die Fachaufsicht über ihre

nachgeordneten Geschäftsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 23467 Mehr Informations- und Beratungsangebote für die Optimierung

von Geschäftsprozessen in der Bundesverwaltung . . . . . . . . . . . . . . 44 23568 Projektarbeit in der mittelbaren Bundesverwaltung kann

verbessert werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 23769 Bundesregierung will einheitliche Rahmenbedingungen

für Dienstleister schaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 23970 Organisation der Fortbildung kann verbessert werden . . . . . . . . . . . . 45 240

Bundesministerium der Justiz71 Generalbundesanwalt stellt Koordinierungs- und Steuerungsmängel

bei Informationstechnik ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 241

Bundesministerium der Finanzen72 Verwaltung kann größere Gesetzeswerke effektiver umsetzen . . . . . 46 242

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie73 Kein weiteres Mittelstandspanel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 244

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz74 Absatzfonds müssen dem Bund künftig jährlich 2,5 Mio. Euro

Verwaltungskosten erstatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 245

Bundesministerium für Arbeit und Soziales75 Träger der Grundsicherung wollen das Verfahren verbessern,

erwerbsfähige Hilfebedürftige durch beauftragte Dritte zu vermitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 245

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung76 Eisenbahninfrastrukturunternehmen zahlte Bundesmittel

in Millionenhöhe zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 24677 Eisenbahn-Bundesamt fordert 1,6 Mio. Euro zurück . . . . . . . . . . . . . 48 24778 Rückforderungen von 5 Mio. Euro nach Verstößen gegen die

Förderrichtlinie Kombinierter Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 247

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Drucksache 16/7100 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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79 Zentrale Bearbeitung der Statistik des Güterkraftverkehrs setzt Stellen frei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 248

80 28 Mio. Euro bei Verkehrsbeeinflussungsanlagen eingespart . . . . . . 48 249

81 Erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Obersten Kontrollamt der Tschechischen Republik bei der Prüfung der Autobahn Prag–Dresden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 250

82 Neue gesetzliche Regelung soll künftig Leistungsmissbrauch beim Wohngeld verhindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 251

Bundesministerium der Verteidigung

83 Bundesministerium verschärft die Kontrolle des Bauunterhalts . . . . 50 252

84 ÖPP-Projekt HERKULES: Ausschluss geeigneter Handlungs-alternativen künftig erst nach Wirtschaftlichkeitsuntersuchung . . . . 50 253

85 Bundeswehr verzichtet auf die Beschaffung von Zubehör für das Transportfahrzeug MULTI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 254

86 Bundeswehr verzichtet auf den Kauf von fünf Anlagen zum Befüllen und Reinigen von Kraftstoffkanistern . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 255

87 Bundeswehr verringert Anzahl der Sanitätsfahrzeuge erheblich . . . . 51 255

88 Bundeswehr rechnet Abgabe von Betriebsstoffen an Dritte künftig rechtzeitig und kostendeckend ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 256

89 Bundeswehr sondert überzählige Fernmeldekabinen aus . . . . . . . . . 51 257

90 Marine legt nicht mehr benötigte Landungsboote vorzeitig still . . . . 52 258

91 9 Mio. Euro Betriebskostenerstattung für einen Luft/Boden-Schießplatz werden eingefordert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 259

Bundesministerium für Gesundheit

92 Gefahr der Interessenkollision abgewendet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 259

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

93 Klare Richtlinien verbessern die Inanspruchnahme von Unterhaltspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 260

Allgemeine Finanzverwaltung

94 Bundesministerium der Finanzen will steuerliche Erfassung von Einkommensersatzleistungen verbessern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 261

Bundesagentur für Arbeit

95 Bundesagentur für Arbeit verbessert die Organisation und die Aufgabenerledigung im Bereich ihres Datenschutzes . . . . . . . . . . . . 53 262

96 Bau- und Immobilienverwaltung der Bundesagentur für Arbeit hat sich trotz Privatisierung an das Vergaberecht zu halten . . . . . . . . . . . 54 263

97 Bundesagentur für Arbeit verbessert ihre Handlungsprogramme zur Beratung und Vermittlung Arbeitsuchender . . . . . . . . . . . . . . . . 54 263

98 Bundesagentur für Arbeit verbessert das Verfahren für die Zulassung von Saisonarbeitskräften aus dem Ausland in der Landwirtschaft . . 54 265

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/7100

Vorbemerkung

1 Gegenstand der BemerkungenDer Bundesrechnungshof hat bedeutsame Prüfungser-kenntnisse, die er und seine Prüfungsämter gewonnen ha-ben, in Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsfüh-rung so zeitnah wie möglich zusammengefasst (Teil II).Sie beschränken sich nicht auf ein Haushaltsjahr (vgl.§ 97 Abs. 3 Bundeshaushaltsordnung – BHO).

Die Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrech-nung des Bundes (Teil I), die für die Entscheidung überdie Entlastung der Bundesregierung besondere Bedeu-tung haben, erstrecken sich auf das Haushaltsjahr 2006.

Über inzwischen ausgeräumte Beanstandungen sowie dieBeratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes und seinesPräsidenten als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeitin der Verwaltung (Bundesbeauftragter) berichtet der Bun-desrechnungshof aus besonderem Anlass. Dies betrifftSachverhalte, die Aufschluss über die Haushalts- undWirtschaftsführung in bestimmten Bereichen geben oderdenen beispielhafte Bedeutung zukommt, ohne dass Be-schlüsse des Deutschen Bundestages nach § 114 Abs. 2 BHOangestrebt werden (Teil III – Weitere Prüfungsergeb-nisse).

Die Bundesministerien und die juristischen Personen desöffentlichen Rechts konnten sich zu den Sachverhaltenäußern, die ihre Geschäftsbereiche betreffen. Im Übrigensind die Prüfungsfeststellungen in der Regel schon vorhermit den geprüften Stellen erörtert worden. Falls über diedargestellten Sachverhalte Meinungsverschiedenheitenbestehen, ist dies ausdrücklich erwähnt. Soweit die be-troffenen Stellen abweichende Auffassungen hinsichtlichder Würdigung vorgebracht haben, werden diese in denBemerkungen berücksichtigt.

Den Beiträgen sind auf den blauen Seiten Zusammenfas-sungen vorangestellt.

2 Politische Entscheidungen

2.1

Politische Entscheidungen im Rahmen des geltendenRechts beurteilt der Bundesrechnungshof nicht. Prü-fungserkenntnisse, die die Voraussetzungen oder Auswir-kungen derartiger Entscheidungen betreffen, können eineÜberprüfung durch die Träger der politischen Entschei-dungen gerechtfertigt erscheinen lassen; insoweit hält esder Bundesrechnungshof für geboten, über solche Er-kenntnisse oder über die Umsetzung derartiger Entschei-dungen zu berichten. So ist es z. B. nicht Aufgabe desBundesrechnungshofes, politisch zu bewerten, ob be-stimmte Fördermittel gezahlt werden sollen. Er kann aber

prüfen und berichten, ob die der politischen Entscheidungzugrunde liegenden Sachverhalte und Annahmen zutref-fen und ob die Förderung die beabsichtigten Wirkungenhatte.

2.2

Der Bundesrechnungshof kann Gesetzesänderungen emp-fehlen, wenn er über Erkenntnisse verfügt, dass beste-hende Gesetze nicht zu den vom Gesetzgeber gewünsch-ten Auswirkungen führen oder führen können. Auchwenn sich die beim Erlass eines Gesetzes oder beim Ab-schluss von Vereinbarungen zugrunde gelegten tatsächli-chen Verhältnisse erheblich geändert haben, kann derBundesrechnungshof vorschlagen, die Rechtslage an dieneuen Gegebenheiten anzupassen.

Damit kommt er zum einen dem gesetzlichen Auftragnach, in seinen Bemerkungen mitzuteilen, welche Maß-nahmen für die Zukunft empfohlen werden (§ 97 Abs. 2Nr. 4 BHO). Er trägt auch dem Wunsch des ParlamentsRechnung, den Haushaltsausschuss des Deutschen Bun-destages über solche Prüfungsergebnisse zu unterrichten,die zu gesetzgeberischen Maßnahmen geführt haben oderfür anstehende Gesetzesvorhaben von Bedeutung sind(Bundestagsdrucksache 16/5774).

3 Prüfungsumfang, Prüfungsrechte und Prüfungsschwerpunkt

3.1

Der Bundesrechnungshof prüft alle Einzelpläne des Bun-deshaushaltsplans, die Sondervermögen des Bundes unddie bundesunmittelbaren und sonstigen juristischen Per-sonen des öffentlichen Rechts des Bundes. Er prüft auchdie Betätigung des Bundes bei privatrechtlichen Unter-nehmen.

Der Bundesrechnungshof prüft die Haushalts- und Wirt-schaftsführung – zum Teil in abgegrenzten Bereichen – derjuristischen Personen des privaten Rechts u. a. dann, wenneine Prüfung vereinbart ist (§ 104 Abs. 1 Nr. 3 BHO)oder wenn diese nicht Unternehmen sind und in ihrer Sat-zung mit Zustimmung des Bundesrechnungshofes einePrüfung vorgesehen ist (§ 104 Abs. 1 Nr. 4 BHO).

3.2

Der Bundesrechnungshof setzt für seine PrüfungstätigkeitSchwerpunkte und macht von der Möglichkeit Gebrauch,seine Prüfungen auf Stichproben zu beschränken (§ 89

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Drucksache 16/7100 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Abs. 2 BHO). Die Tatsache, dass einige Ressorts in diesenBemerkungen umfangreicher, andere dagegen wenigeroder nicht behandelt werden, lässt nicht den Schluss zu,dass die Ressorts die für die Haushalts- und Wirtschafts-führung geltenden Vorschriften und Grundsätze in unter-schiedlichem Maße eingehalten haben.

Ziel des Bundesrechnungshofes ist es, alle wesentlichenBereiche der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu erfas-sen und die Stichproben so auszuwählen, dass sie ein aus-sagekräftiges Bild des jeweiligen Teilbereichs vermitteln.

3.3

Das Handeln der öffentlichen Verwaltung hat sich stets amGrundsatz der Wirtschaftlichkeit auszurichten. Die Bun-desverwaltung ist gesetzlich verpflichtet, für alle finanzwirk-samen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeitsunter-suchungen durchzuführen. Der Bundesrechnungshof hatdeshalb im Jahre 2006 Wirtschaftlichkeitsuntersuchungenin der Bundesverwaltung übergreifend geprüft und fasstdie hierzu gewonnenen querschnittlichen Erkenntnisse imBemerkungsbeitrag Nr. 3 (S. 123 ff.) zusammen. Dortsind die weiteren 15 Bemerkungsbeiträge zu Prüfungenaufgeführt, bei denen der Bundesrechnungshof sich nähermit der Frage befasst hat, ob, in welchem Umfang undauf welche Weise die Verwaltung Wirtschaftlichkeitsun-tersuchungen durchgeführt hat.

4 Prüfungsämter des Bundes

Die Prüfungsämter des Bundes unterstützen und ergänzenseit dem Jahre 1998 die Prüfungstätigkeit des Bundes-rechnungshofes. Im Rahmen der ihnen übertragenen Auf-gaben haben sie gegenüber den geprüften Stellen diesel-ben Prüfungsbefugnisse wie der Bundesrechnungshof,dessen Dienst- und Fachaufsicht sie unterstellt sind. DerBundesrechnungshof trägt die übergreifende verfassungs-rechtliche Verantwortung auch für die Prüfungsergeb-nisse der Prüfungsämter.

Die gemeinsame Planung und Durchführung von Prüfun-gen stellt sicher, dass bundesweit nach einheitlichen Maß-stäben und Bewertungen geprüft wird. Die Bemerkungen2007 enthalten in erheblichem Umfang auch Prüfungser-gebnisse der Prüfungsämter.

5 Beratungstätigkeit

5.1 Beratung durch den Bundesrechnungshof

Der Bundesrechnungshof berät aufgrund von Prüfungser-fahrungen insbesondere das Parlament und die Bundesre-gierung (§ 88 Abs. 2 BHO, § 1 Satz 2 BRHG). DieseAufgabe erfüllt er vor allem auf zwei Wegen:

● Im Rahmen der jährlichen Aufstellung des Bundes-haushalts.

● In Form von Berichten zu finanziell bedeutsamen Ein-zelmaßnahmen oder zu Sachverhalten, bei denen einInformationsbedürfnis der Entscheidungsträger be-steht.

Der Bundesrechnungshof nimmt an den Verhandlungendes Bundesministeriums der Finanzen mit den Ressortsüber die Haushaltsvoranschläge auf Referatsleiterebeneund an den Berichterstattergesprächen teil, in denen dieVerhandlungen des Haushaltsausschusses des DeutschenBundestages vorbereitet werden. Er bringt dabei Prü-fungserkenntnisse in die Haushaltsberatungen ein.

Für den Bundesrechnungshof hat die Beratung des Parla-ments große Bedeutung. Er hat im Jahre 2006 dem Haus-haltsausschuss und dem Rechnungsprüfungsausschuss desHaushaltsausschusses des Deutschen Bundestages 34 Stel-lungnahmen und Beratungsberichte nach § 88 Abs. 2 BHOzugeleitet.

5.2 Beratung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes als Bundes-beauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung

Der Präsident des Bundesrechnungshofes ist traditionellzugleich Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in derVerwaltung. Er achtet dabei auf eine wirtschaftliche Er-füllung der Bundesaufgaben und eine effiziente Organisa-tion der Bundesverwaltung. Seine Tätigkeit wird durchdie Richtlinie der Bundesregierung vom 26. August 1986bestimmt. Der Bundesbeauftragte nutzt bei seiner Tätig-keit vor allem die Prüfungserkenntnisse und Erfahrungendes Bundesrechnungshofes, mit dessen Kollegien er sicheng abstimmt.

Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit besteht darin, Regie-rung und Parlament die Auswirkungen von Rechtsvor-schriften auf die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshan-delns bewusst zu machen. Die Bundesministerien sindgehalten, ihn zu diesem Zweck frühzeitig an der Erarbei-tung von Gesetzesvorlagen, Entwürfen von Rechtsver-ordnungen und Verwaltungsvorschriften zu beteiligen.Die Exekutive hat den Bundesbeauftragten im Jahre 2006an 382 solcher Vorhaben beteiligt. Zu 61 dieser Vorhabengab er teils umfangreiche Stellungnahmen ab, deren Vor-schläge in unterschiedlichem Umfang in das weitereRechtsetzungsverfahren eingeflossen sind. Der DeutscheBundestag hat insbesondere bei Finanzvorlagen die Mög-lichkeit, auf Erkenntnisse des Bundesbeauftragten zu-rückzugreifen (§ 96 Abs. 6 GO-BT).

Auf Bitte der Kommission von Bundestag und Bundesratzur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungenhat der Bundesbeauftragte ein Gutachten zur „Modernisie-rung der Verwaltungsbeziehungen von Bund und Ländern“erstellt und der Kommission zugeleitet. Das Gutachtensetzt sich mit Schwachstellen in der Zusammenarbeit derbeiden staatlichen Ebenen auseinander und enthält Emp-fehlungen für eine weitgehende Entflechtung. Der Bun-desbeauftragte stützt seine Aussagen im Wesentlichen auf

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/7100

Befunde, die der Bundesrechnungshof in einem weitenBereich unterschiedlicher Verwaltungen erhoben hat.

6 Frühere Empfehlungen des Bundesrechnungshofes

Der Bundesrechnungshof überwacht, welche Maßnah-men die geprüften Stellen aufgrund seiner Prüfungsfest-stellungen getroffen haben, um Mängel abzustellen oderVerfahren zu verbessern. Er untersucht, ob die geprüftenStellen die vom Parlament erteilten Auflagen erfüllen,und er führt Kontrollprüfungen durch. Dadurch trägt derBundesrechnungshof den Erfordernissen einer zukunfts-orientierten Finanzkontrolle Rechnung und wirkt mitNachdruck darauf hin, dass Prüfungserkenntnisse umge-setzt werden.

7 Zusammenarbeit mit den Landesrechnungshöfen

Der Bundesrechnungshof arbeitet mit den Rechnungshö-fen der Länder unter Wahrung der Unabhängigkeit undunter Beachtung der jeweiligen Zuständigkeit vertrauens-voll zusammen. Fragen von gemeinsamem Interesse erör-tern die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungs-höfe des Bundes und der Länder in regelmäßigenAbständen in einer Präsidentenkonferenz.

Dazu gehören die klassischen Themenfelder wie dasHaushalts-, Steuer-, Bau- und Beteiligungsrecht. Regel-mäßig auf der Tagesordnung stehen auch Fragen, die sichaus der engen Verflechtung der Finanzsysteme des Bun-des und der Länder ergeben.

Zum Erfahrungsaustausch unter den Rechnungshöfen hatdie Präsidentenkonferenz außerdem Arbeitskreise einge-richtet. Die Arbeitskreise sind auf bestimmte Themenspezialisiert.

Im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Landesrechnungs-höfen gewinnt das Thema der Kontrolle von Haushaltsmit-teln der Europäischen Union zunehmend an Bedeutung.Mit Hilfe eines IT-gestützten Informationssystems sollder Austausch von Informationen zwischen dem Europäi-schen Rechnungshof (ERH) und den deutschen Rech-nungshöfen verbessert werden. Unter der Federführungdes Bundesrechnungshofes ist die Arbeitsgruppe Europadaher mit dem Aufbau eines IT-Informationssystems be-auftragt und hat ein Konzept für eine Datenbank ent-wickelt.

Die Organe der EU streben ein stärkeres Engagement derMitgliedstaaten bei der Kontrolle von EU-Fördermittelnan. Der Bundesrechnungshof bezieht deshalb in seinePrüfungstätigkeit auch die internen Verwaltungs- undKontrollsysteme in Deutschland bei der Bewirtschaftungsolcher Mittel ein. Er stimmt sich hierbei mit den Landes-rechnungshöfen ab.

8 Zusammenarbeit in der Europäischen Union

8.1

Der Haushalt der Europäischen Union in Höhe von rund127 Mrd. Euro (im Jahre 2007) wird überwiegend durchdie Mitgliedstaaten finanziert. Rund 80 % der EU-Haus-haltsmittel fließen als Fördermittel (vor allem Struktur-fondsmittel und Agrarbeihilfen) an die Mitgliedstaatenzurück und werden dort durch nationale Verwaltungsstellenverausgabt. Die externe Finanzkontrolle der EU-Haus-haltsmittel obliegt dem ERH und den nationalen Rech-nungshöfen der Mitgliedstaaten, die nach Artikel 248Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Ge-meinschaft (EGV) unter Wahrung ihrer jeweiligen Unab-hängigkeit zusammenarbeiten.

Die vom EGV vorgesehene Zusammenarbeit findet invielfältigen Formen statt. So begleitet der Bundesrech-nungshof den ERH regelmäßig bei dessen Prüfungen inDeutschland und wertet dessen Prüfungsberichte als Er-kenntnisquelle für die deutschen Rechnungshöfe aus. Au-ßerdem informiert er den ERH über die Ergebnisse EU-bezogener Prüfungen durch die deutschen Rechnungs-höfe. Schließlich koordiniert der Bundesrechnungshof dieArbeitsplanung sowie den Informations- und Erfahrungs-austausch zwischen dem ERH und den Rechnungshöfendes Bundes und der Länder.

Daneben arbeitet der Bundesrechnungshof mit den mit-gliedstaatlichen Obersten Rechnungsprüfungsorganenund dem ERH im Kontaktausschuss der Präsidentinnenund Präsidenten der EU-Rechnungshöfe zusammen. Des-sen Aktivitäten erstrecken sich z. B. auf die Entwicklungvon Prüfungsnormen und gemeinsame Prüfungen imRahmen von Arbeitsgruppen. So wirkt der Bundesrech-nungshof an der Anfang 2007 eingesetzten Arbeitsgruppezur Entwicklung gemeinsamer Prüfungsnormen und ver-gleichbarer Prüfungskriterien mit.

Weitere Aktivitäten betreffen die Arbeitsgruppen für dieVergabe öffentlicher Aufträge und für die Erhebung derMehrwertsteuer. Ziel der Arbeitsgruppe Vergabe ist es,eine gemeinsame Datenbank mit Arbeitshilfen und Hand-reichungen für Prüfungen mit vergaberechtlichem Inhaltzu entwickeln. Die Arbeitsgruppe Mehrwertsteuer be-schäftigt sich insbesondere mit dem bedeutenden Pro-blem des grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrugs,das sie durch vermehrte koordinierte Prüfungen zu be-kämpfen sucht. Außerdem hat er den Vorsitz in der Ar-beitsgruppe Strukturfonds (s. Nr. 8.2).

Schließlich arbeitet der Bundesrechnungshof auch bilate-ral mit anderen Rechnungshöfen der EU zusammen.Dazu zählen sowohl gemeinsame Prüfungen mit demERH (z. B. die zollamtliche Überwachung der Seehäfen)als auch Vorhaben, die mit anderen einzelstaatlichenRechnungshöfen durchgeführt werden (z. B. die mit demObersten Kontrollamt der Tschechischen Republik koor-

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Drucksache 16/7100 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dinierte Prüfung der Ausgaben für den Bau der AutobahnPrag–Dresden, vgl. dazu Bemerkung Nr. 81).

8.2

Die Arbeitsgruppe Strukturfonds hat sich in zwei Prüfun-gen mit Vorgaben der EU zu Verwaltungs- und Kontroll-systemen der Strukturfonds sowie der Identifizierung,Meldung und Verfolgung von Unregelmäßigkeiten beider Strukturfondsförderung befasst. In den Jahren 2003und 2004 prüfte die Arbeitsgruppe EU-Strukturfonds, wiedie jeweiligen Mitgliedstaaten die Vorgaben der EU zuVerwaltungs- und Kontrollsystemen der EU-Struktur-fonds umsetzten. Alle Mitgliedstaaten sind verpflichtet,unabhängige Kontrollen von 5 % der Ausgaben durchzu-führen und für den Nachweis der Vorgänge angemessenePrüfpfade sicher zu stellen. In den Jahren 2005 und 2006untersuchten zwölf nationale Rechnungshöfe parallel dieSysteme des jeweiligen Mitgliedstaates zur Identifizie-rung, Meldung und Verfolgung von Unregelmäßigkeitenbei der EU-Strukturfondsförderung. In Deutschland warendas Bundesministerium der Finanzen, das Bundesminis-terium für Arbeit und Soziales sowie das Bundesministe-rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in die natio-nale Prüfung des Bundesrechnungshofes einbezogen.

Über die Ergebnisse der Prüfungen berichtete die Arbeits-gruppe dem Kontaktausschuss der Präsidentinnen undPräsidenten der EU-Rechnungshöfe. Sie hat eine Vielzahlvon Empfehlungen gegeben, wie die Mitgliedstaaten denfestgestellten Mängeln entgegensteuern können. Der Be-richt der Arbeitsgruppe über die Verwaltungs- und Kon-trollsysteme der EU-Strukturfonds aus dem Jahre 2004 istauf der Internetseite des Kontaktausschusses unter fol-gender Adresse eingestellt:

http://circa.europa.eu/irc/eca/sai/info/data/cc_website/cc/resolutions_and_reports/pdf/2004/report_2004_struct_funds. pdf.

Auch der Bericht über die Systeme zur Identifizierung,Meldung und Verfolgung von Unregelmäßigkeiten ausdem Jahre 2006 kann auf der Internetseite des Kontakt-ausschusses eingesehen werden:

http://circa.europa.eu/irc/eca/sai/info/data/cc_website/cc/resolutions_and_reports/pdf/2006/report_2006_struct_funds_de.pdf

9 Zusammenarbeit mit Prüfungs-einrichtungen im internationalen Bereich

Über die besondere Zusammenarbeit in der EU (vgl.Nr. 8) hinaus arbeitet der Bundesrechnungshof auf inter-nationaler Ebene mit zahlreichen Einrichtungen der Fi-nanzkontrolle und sonstigen Organisationen zusammen.

Einen Schwerpunkt dieser Arbeit bildet zurzeit die Mit-wirkung in der Europäischen Organisation der Obersten

Rechnungskontrolleinrichtungen EUROSAI (EuropeanOrganisation of Supreme Audit Institutions), die 47 Mit-glieder hat. Hauptziel von EUROSAI ist es, die Zusam-menarbeit durch einen Gedanken- und Erfahrungsaus-tausch zu Fragen der staatlichen Finanzkontrolle zufördern. Der Präsident des Bundesrechnungshofes ist imMai 2005 zum Präsidenten der EUROSAI gewählt worden.

Die Mitglieder von EUROSAI treffen sich in dreijähri-gem Turnus zu einem Kongress. Im Jahre 2005 hat derBundesrechnungshof den VI. EUROSAI-Kongress in Bonnausgerichtet. Thema der Kongressarbeit war die Kon-trolle staatlicher Einnahmen durch die Rechnungshöfe.Der Kongress hat dazu beigetragen, dass sich der Blickder Finanzkontrolle verstärkt auf die Einnahmenseite desHaushalts richtet, auf deren Bedeutung für einen ausge-glichenen Staatshaushalt der Bundesrechnungshof bereitsseit längerer Zeit hinweist. Als ein wesentliches Ergebnisdes Kongresses führen zahlreiche Rechnungshöfe inEuropa eine koordinierte Prüfung der Steuersubventionendurch. Hier mangelt es bisher an aussagekräftigen Er-folgskontrollen. Die Rechnungshöfe wollen mit der koor-dinierten Prüfung ihre Erkenntnisse über Umfang undWirkung der Vergünstigungen verbessern, Transparenzschaffen und nach einem Vergleich über Ländergrenzenhinweg im Jahre 2008 gemeinsame Empfehlungen verab-schieden. Insgesamt beteiligen sich 17 Rechnungshöfe andiesem Projekt, dessen Federführung der Bundesrech-nungshof übernommen hat.

Im November 2007 versammeln sich die Obersten Rech-nungskontrolleinrichtungen von 186 Staaten zum turnus-gemäß stattfindenden Kongress der INTOSAI (Internatio-nal Organisation of Supreme Audit Institutions). Einesder beiden Themen wird „Staatsverschuldung, deren Ver-waltung, Rechenschaftspflicht und Prüfung“ sein. AlsThemenverantwortlicher wird der Bundesrechnungshofdarauf hinwirken, dass der Kongress hierzu Leitlinienverabschiedet, die allen Obersten Rechnungskontrollein-richtungen bei der Auseinandersetzung mit diesem globa-len Problem als Richtschnur dienen können.

Der Bundesrechnungshof unterstützt die Entwicklungszu-sammenarbeit der Bundesregierung durch die Veranstal-tung von Seminaren im Inland, die Entsendung von Fach-referenten in das Ausland sowie durch die Aufnahme vonPraktikantinnen und Praktikanten aus ausländischen Kon-trolleinrichtungen. Im Übrigen führt er Projekte zum Aus-bau von Sachkompetenzen durch, vorwiegend in Mittel-und Osteuropa.

10 Mitwirken des Bundesrechnungshofes bei der Prüfung internationaler Einrichtungen

Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitglied in vieleninter- und supranationalen Einrichtungen. Das jährlicheVolumen der regulären und freiwilligen Beitragsleistun-gen Deutschlands im internationalen Bereich (ohne EU,inkl. NATO und internationale Entwicklungsbanken) be-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/7100

trägt rund 3,7 Mrd. Euro. Die Prüfungsrechte des Bun-desrechnungshofes als Organ der nationalen Finanzkon-trolle beziehen sich auf die Zahlung der Mittel an dieinternationalen Organisationen und auf die Ausübung derMitgliedsrechte des Bundes durch die zuständigen Bun-desministerien in den Gremien dieser Organisationen.Dagegen unterliegt die Verwendung der Mittel durch dieinternationalen Organisationen nicht der Prüfung durchdie nationalen Rechnungshöfe, sondern der Kontrolledurch die jeweiligen externen Prüfungsorgane der Orga-nisationen.

Der Bundesrechnungshof stellt in mehreren Fällen haupt-oder nebenamtliche Prüferinnen und Prüfer für die Prü-fungsorgane internationaler Einrichtungen. Er strebt an,dies insbesondere für die Prüfung solcher Organisationenzu erreichen, die für den Bundeshaushalt von finanziellemGewicht sind. So amtiert der Vizepräsident des Bundes-rechnungshofes bis voraussichtlich Juni 2010 als externerAbschlussprüfer der Internationalen Atomenergie-Orga-nisation (IAEO) und ab Juli 2009 als externer Abschluss-prüfer der Organisation für das Verbot Chemischer Waf-fen (OVCW).

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/7100

Zusammenfassungen

Teil I Allgemeiner Teil

1 Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2006

1.1 Stand der Entlastungsverfahren

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) hat mit Schreiben vom 2. April 2007 die Haushalts-und Vermögensrechnung für das Haushaltsjahr 2006(Bundestagsdrucksache 16/4995) dem Deutschen Bun-destag und dem Bundesrat gemäß Artikel 114 Abs. 1Grundgesetz als Grundlagen für das parlamentarischeVerfahren zur Entlastung der Bundesregierung vorgelegt.

1.2 Prüfung der Jahresrechnung 2006

Mit Unterstützung seiner Prüfungsämter hat der Bundes-rechnungshof die Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- undVermögensrechnung geprüft und zum kassenmäßigen Er-gebnis keine für die Entlastung wesentlichen Abweichun-gen zwischen den Beträgen festgestellt, die in diesenRechnungen und in den Büchern aufgeführt sind; dies giltauch für die Sondervermögen.

Die stichprobenweise geprüften Einnahmen und Ausga-ben waren im Allgemeinen ordnungsgemäß belegt. DerBundesrechnungshof hat jedoch formale Fehler festge-stellt (insbesondere fehlerhafte oder fehlende Feststel-lungsvermerke auf den begründenden Unterlagen, unvoll-ständige Unterlagen, fehlende oder nicht hinterlegteUnterschriften der Anordnungsbefugten). Die Beauftrag-ten für den Haushalt der Ressorts sowie der nachgeordne-ten Dienststellen haben sicherzustellen, dass die Vor-schriften und Grundsätze für die ordnungsgemäßeVeranschlagung und Bewirtschaftung der Haushaltsmittelbeachtet werden (Nr. 1.2.1 der Bemerkungen).

1.3 Haushaltsführung

Das Haushaltsgesetz 2006 sah Einnahmen und Ausgabendes Bundes von 261,6 Mrd. Euro vor. Das Bundesminis-terium wurde zu einer Nettokreditaufnahme von bis zu38,2 Mrd. Euro ermächtigt. Bei geplanten Investitions-ausgaben von 23,2 Mrd. Euro überschritt die vorgeseheneNettoneuverschuldung damit die Regelkreditgrenze desArtikel 115 Abs. 1 Grundgesetz deutlich. Die Bundes-regierung begründete diese Überschreitung als notwendigzur Abwehr einer drohenden Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts.

Im Haushaltsvollzug lagen die Gesamtausgaben mit261,0 Mrd. Euro knapp unter dem Soll. Die Einnahmen(ohne Nettokreditaufnahme und Münzeinnahmen) über-

trafen mit 232,8 Mrd. Euro vor allem wegen höhererSteuereinnahmen das Soll um 9,6 Mrd. Euro. Dadurchunterschritt die Nettokreditaufnahme mit 27,9 Mrd. Eurodeutlich das Soll, lag aber immer noch um 5,2 Mrd. Eurohöher als die Investitionsausgaben von 22,7 Mrd. Euro(Nr. 1.3.1 und 1.3.2 der Bemerkungen).

Die Deutsche Bundesbank führte im Haushaltsjahr 2006den Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2005 in Höhe von2,9 Mrd. Euro an den Bund ab. Gegenüber den beidenVorjahren ist die Gewinnablieferung an den Bund wiederangestiegen (Nr. 1.3.3 der Bemerkungen).

Die folgenden Ausführungen enthalten die wesentlichenFeststellungen des Bundesrechnungshofes zum Haushalts-vollzug.

1.4 Nettokreditaufnahme, Inanspruchnahme von Kreditermächtigungen

Das Haushaltsgesetz 2006 enthielt eine Kreditermächti-gung zur Deckung von Ausgaben in Höhe von 38,2 Mrd.Euro. Ergänzt um die Restkreditermächtigung aus demVorjahr in Höhe von 9,8 Mrd. Euro stand dem Bundes-ministerium ein Gesamtkreditermächtigungsrahmen von48,0 Mrd. Euro zur Verfügung, der in Höhe von 8,5 Mrd.Euro qualifiziert gesperrt war. Ohne Einschaltung desParlaments konnten davon 39,5 Mrd. Euro zur Aufnahmeneuer Kredite genutzt werden. Die tatsächliche Nettokre-ditaufnahme lag bei 27,9 Mrd. Euro.

Als Folge der – vom Bundesrechnungshof bereits mehr-fach kritisierten – Haushaltspraxis, zuerst die weiter gel-tende Kreditermächtigung des Vorjahres in Anspruch zunehmen („FiFo-Methode“), ist die Restkreditermächti-gung zu Beginn des Haushaltsjahres 2007 auf 20,1 Mrd.Euro angewachsen. Das Bundesministerium hat mitge-teilt, dass hiervon ein Teilbetrag von 10,0 Mrd. Euro inAbgang gestellt wird (Nr. 1.4.1 der Bemerkungen).

Ob die Überschreitung der Regelkreditgrenze des Arti-kels 115 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz sowohl in der Pla-nung als auch im Haushaltsvollzug noch verfassungsge-mäß gewesen ist, könnte nur in einem Verfahren vor demBundesverfassungsgericht geklärt werden. Nach Auffas-sung des Bundesrechnungshofes ist die wiederholte Über-schreitung allerdings ein weiterer Beleg dafür, dass diegeltende verfassungsrechtliche Kreditbegrenzungsregelsich in der Haushaltspraxis als weitgehend unwirksam er-wiesen hat. Auch das Bundesverfassungsgericht hat inseinem Urteil im Normenkontrollverfahren zum Haus-haltsgesetz 2004 Zweifel an der Eignung der geltendenRegelungen zur Begrenzung staatlicher Schuldenpolitikgeäußert. Es sei allerdings mangels ausreichend konkreter

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Direktiven im geltenden Verfassungsrecht dem verfas-sungsändernden Gesetzgeber vorbehalten und aufgegeben,geeignete Mechanismen und Regeln zu entwickeln, umeine übermäßige Staatsverschuldung zu verhindern. DasBundesministerium hat darauf hingewiesen, dass die Bun-desregierung ihre Reformüberlegungen zur Eindämmungder Staatsverschuldung in die Beratungen der Kommis-sion zur Modernisierung der Bund/Länder-Finanzbeziehun-gen eingebracht hat (Nr. 1.4.2 der Bemerkungen).

1.5 Gesamtverschuldung

Die Bundesschuld lag am Ende des Haushaltsjahres 2006bei 902,0 Mrd. Euro. Einschließlich der dem Bund zuzu-ordnenden Finanzschulden der nicht in den Bundeshaus-halt eingegliederten Sondervermögen von 14,6 Mrd. Eurobelief sich die Gesamtverschuldung zum Jahresende 2006damit auf insgesamt 916,6 Mrd. Euro.

1.6 Haushaltsüberschreitungen

Im Haushaltsjahr 2006 wurden über- und außerplanmä-ßige Ausgaben in Höhe von 527 Mio. Euro geleistet. Diesist deutlich weniger als im Jahre 2005 (12,8 Mrd. Euro).Der überwiegende Teil entfiel auf Mehrausgaben im Be-reich des Arbeitsmarkts. Die über- und außerplanmäßigenAusgaben im Bundeshaushalt wurden in voller Höhe durchMinderausgaben an anderer Stelle gedeckt (Nr. 1.6.1 derBemerkungen).

In sechs Fällen wurden im Haushaltsjahr 2006 für Haus-haltsüberschreitungen insgesamt 4,2 Mio. Euro ohne dienotwendige Zustimmung des Bundesministeriums geleis-tet. Auch hier ist ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr(14 Fälle) zu verzeichnen. In fünf Fällen hätte das Bundes-ministerium bei rechtzeitiger Antragsvorlage seine Zustim-mung zur Haushaltsüberschreitung erteilt. Der Bundesrech-nungshof wird beobachten, ob die vom Bundesministeriumergriffenen Maßnahmen im Bewirtschaftungssystem dazuführen, dass nicht genehmigte Ausgaben dauerhaft ver-mieden werden (Nr. 1.6.2 der Bemerkungen).

1.7 Ausgabereste

Aus den am Ende des Haushaltsjahres 2005 übertragba-ren Mitteln in Höhe von 12,3 Mrd. Euro wurden für dasHaushaltsjahr 2006 Ausgabereste in Höhe von 7,0 Mrd.Euro gebildet; dies waren 4,3 Mrd. Euro weniger als imVorjahr. Die deutliche Verringerung der Haushaltsreste istim Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass übertrag-bare Ausgaben im Bereich der Zinsen und Gewährleis-tungen in Abgang gestellt worden sind (Nr. 1.7.1 der Be-merkungen).

Zum Ende des Haushaltsjahres 2006 weist die Haushalts-rechnung übertragbare Mittel in Höhe von 8,1 Mrd. Euroaus, davon 1,3 Mrd. Euro aus dem Bereich der flexibili-sierten Verwaltungskapitel. Die übertragbaren, nicht fle-xibilisierten Ausgaben (Programmausgaben) entfallenüberwiegend auf Investitionen in den Bereichen Verkehr

und Wohnungswesen, Gewährleistungen und Ganztags-schulen (Nr. 1.7.2 der Bemerkungen).

1.8 Verpflichtungsermächtigungen

Die Bundesbehörden haben die in Höhe von 57,6 Mrd.Euro veranschlagten Verpflichtungsermächtigungen zu rund73 % (41,8 Mrd. Euro) in Anspruch genommen. Der Anteilder tatsächlich in Anspruch genommenen Verpflichtungs-ermächtigungen ist damit gegenüber dem Vorjahr (rund49 %) stark angestiegen. Der höhere Ausnutzungsgrad istim Hinblick auf eine realitätsnahe Veranschlagung vonHaushaltsmitteln positiv zu bewerten. Gleichwohl bleibenalle Ressorts aufgefordert, im Rahmen der Haushaltsauf-stellung die Etatreife von Verpflichtungsermächtigungensorgfältig zu prüfen (Nr. 1.8.1.1 der Bemerkungen).

Insgesamt bestanden für den Bund zum Jahresende 2006Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben in Höhe voninsgesamt 110,4 Mrd. Euro. Damit wurde ein neuerHöchststand erreicht. Die Haushalte der nächsten Jahrewerden hierdurch vorbelastet (Nr. 1.8.2 der Bemerkun-gen).

1.9 Umsetzung der flexiblen Haushalts-instrumente

Seit dem Haushaltsjahr 1998 sind für die Verwaltungska-pitel des Bundeshaushalts flächendeckend flexible Haus-haltsinstrumente eingeführt. Erfasst hiervon sind rund3 000 Titel mit einem Ausgabevolumen von 15,0 Mrd.Euro. Dies entspricht knapp 6 % der Gesamtausgaben desBundeshaushalts. Innerhalb der flexibilisierten Titel liegtdas Hauptgewicht mit über 75 % bei den Personalausga-ben. Im Rahmen der Flexibilisierungsregelungen sind vorallem die Deckungsfähigkeit und die überjährige Verfüg-barkeit von Ausgabeermächtigungen mit dem Ziel erwei-tert worden, die Bewirtschaftung von Haushaltsmittelneffizienter und sparsamer zu gestalten (Nr. 1.9.1 der Be-merkungen).

Die zugelassenen Deckungsfähigkeiten werden von denVerwaltungsbehörden sowohl innerhalb als auch zwi-schen den Hauptgruppen intensiv genutzt. Ungeachtet derhaushaltsgesetzlich eingeräumten Bewirtschaftungser-leichterungen wirkt das Bundesministerium zur Wahrungdes parlamentarischen Budgetrechts darauf hin, dass vomParlament angeordnete Haushaltssperren und vorgenom-mene Titelkürzungen im Haushaltsvollzug beachtet wer-den (Nr. 1.9.3 der Bemerkungen). Die in Teilbereichen zufindende Vermischung von Deckungs- und Verstärkungs-vermerken mit den Instrumenten der Flexibilisierung er-scheint überprüfungsbedürftig. Das Bundesministeriumhat zugesagt, die entstandenen vielfältigen Deckungs-und Verstärkungsmöglichkeiten im Haushaltsaufstellungs-verfahren kritisch zu begleiten (Nr. 1.9.4 der Bemerkun-gen).

Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes hatdie Nutzung der flexiblen Haushaltsinstrumente einegleichmäßigere unterjährige Ausgabeentwicklung geför-dert und dem sogenannten Dezemberfieber tendenziell

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entgegengewirkt. Es bleibt abzuwarten, ob diese Beob-achtung durch die Entwicklung des Mittelabflusses in denkommenden Jahren bestätigt wird (Nr. 1.9.5 der Bemer-kungen).

Die in das Haushaltsjahr 2007 übertragbaren Mittel ausflexibilisierten Ausgaben lagen mit knapp 1,3 Mrd. Euroum 200 Mio. Euro unter dem Ergebnis des Vorjahres. Da-mit ist erstmals seit dem Jahre 2002 die Entwicklung derAusgabereste im flexibilisierten Bereich rückläufig. Inwelchem Umfang die aus dem Jahre 2006 übertragbarenAusgaben tatsächlich zur Bildung von Ausgaberesten he-rangezogen werden, ist noch offen, da die hierfür erfor-derliche Bedarfsprüfung noch nicht abgeschlossen ist.Die Bedarfsprüfung für die übertragbaren Mittel aus fle-xibilisierten Ausgaben des Jahres 2005 hat dazu geführt,dass Ausgabereste in Höhe von 211 Mio. Euro (14 %) inAbgang gestellt wurden. Dies ist der höchste Wert seitEinführung der flexiblen Haushaltsinstrumente. Die vomBundesministerium eingeleiteten Maßnahmen zur Über-prüfung und Begrenzung der Ausgabereste scheinen da-nach zu greifen (Nr. 1.9.6 der Bemerkungen).

1.10 Vermögensrechnung

Die Vermögensrechnung weist zum Jahresende 2006 ei-nen Vermögensbestand in Höhe von 144,0 Mrd. Euro aus,dies sind 17,7 Mrd. Euro mehr als im Vorjahr. Der An-stieg des Vermögens ist im Wesentlichen darauf zurück-zuführen, dass kreditfinanzierte Eigenbestände an Bun-deswertpapieren aufgebaut wurden.

Die wertmäßige Erfassung der Immobilien des Bundesbeschränkt sich auf Angaben zu dem von der Bundes-anstalt für Immobilienaufgaben übernommenen Grund-vermögen. Das übrige Liegenschaftsvermögen ist in derVermögensrechnung nicht wertmäßig, sondern nur seinerGröße entsprechend in Hektar aufgeführt. Das bewegli-che Vermögen wird seit dem Jahre 1956 nicht mehr in derVermögensrechnung ausgewiesen. Die Möglichkeiten ei-nes vollständigen und transparenten Ausweises der Ver-mögenslage des Bundes werden im Rahmen der Arbeitenzur Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswe-sens von einer Projektgruppe des Bundesministeriums ge-prüft (Nr. 1.10 der Bemerkungen).

1.11 Sondervermögen des Bundes und Bundesbetriebe

Der Bund hat 15 Sondervermögen, die unmittelbar vonihm oder von Stellen außerhalb der Bundesverwaltungverwaltet werden und deren Vermögen bzw. Schuldenihm rechtlich und wirtschaftlich zuzuordnen sind (Nr. 1.11der Bemerkungen).

Die Wirtschaftsförderung durch das ERP-Sondervermö-gen, die vor allem Investitions- und Innovationsvorhabendes Mittelstandes betrifft, ist neu geordnet worden. We-sentliche Änderungen sind:

● die Abführung von 2,0 Mrd. Euro liquider Mittel anden Bundeshaushalt,

● die Übertragung von Forderungen und Verbindlichkei-ten von 14,0 Mrd. Euro auf den Bund und

● die Einbringung des Restvermögens in Höhe von9,3 Mrd. Euro in die KfW.

Mit den Änderungen soll dauerhaft sichergestellt werden,dass das für das ERP-Sondervermögen geltende Substanz-erhaltungsgebot eingehalten wird (Nr. 1.11.1 der Bemer-kungen).

1.12 Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens

Das Haushalts- und Rechnungswesen des Bundes ist trotzder in den letzten Jahren eingeleiteten Maßnahmen zurWeiterentwicklung reformbedürftig. Das Bundesministe-rium hat daher eine Projektgruppe eingerichtet, die sichintensiv und grundsätzlich mit der Modernisierung desstaatlichen Haushalts- und Rechnungswesens befasst.Ziel ist es, in einem Zeitraum von zwei Jahren verschie-dene Reformoptionen zu prüfen, eine Konzeption auszu-arbeiten und in der zweiten Jahreshälfte 2008 einenGesetzentwurf für das künftige Haushalts- und Rech-nungswesen vorzulegen.

Der Bundesrechnungshof begleitet und unterstützt die Ar-beit der Projektgruppe. Er hat insbesondere angeregt,

● die Outputorientierung des Verwaltungshandelns an-hand von Zielen und Produkten zu stärken,

● die Generationengerechtigkeit durch eine perioden-gerechte Zuordnung des Werteverzehrs besser zu be-rücksichtigen,

● die Vermögensrechnung aussagefähiger zu gestalten,

● die Fach- und Finanzverantwortung weiter zusammen-zuführen,

● die Kosten und Leistungen des Verwaltungshandelnstransparent nachzuweisen und

● einen möglichst einheitlichen Ansatz für Bund undLänder anzustreben.

Das Bundesministerium hat zugesagt, die Hinweise desBundesrechnungshofes abhängig vom künftigen Grund-konzept des Haushalts- und Rechnungswesens zu berück-sichtigen (Nr. 1.12 der Bemerkungen).

2 Finanzwirtschaftliche Entwicklung des Bundes – Chance zur nachhaltigen Haushaltskonsolidierung

2.1 Entwicklung der Haushaltseckwerte

Als Folge der günstigen gesamtwirtschaftlichen Entwick-lung und der auf den Weg gebrachten Konsolidierungs-maßnahmen hat sich die Lage der Bundesfinanzen gegen-über den Vorjahren deutlich verbessert. Trotz des für dasHaushaltsjahr 2008 geplanten Anstiegs der Gesamtausga-

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ben soll die Nettokreditaufnahme weiter zurückgeführtwerden. Für das letzte Finanzplanungsjahr 2011 ist einausgeglichener Bundeshaushalt ohne neue Schulden vor-gesehen. Der Rückgang des Finanzierungsdefizits undder Nettokreditaufnahme beruht vor allem auf dem erwar-teten Anstieg der Steuereinnahmen (Nr. 2.1 der Bemer-kungen).

2.2 Ausgabenentwicklung und -struktur

Auf der Ausgabenseite weist der Bundeshaushalt nachwie vor eine strukturell bedingte Schieflage auf. Die So-zialausgaben und die Zinsausgaben stellen weiterhin er-hebliche Belastungsfaktoren dar. Sie beanspruchen auchim Jahre 2008 fast zwei Drittel des Haushaltsvolumensund – rechnerisch – sogar drei Viertel der Steuereinnah-men. Insbesondere die Sozialausgaben als größter Ausga-benbereich verharren auf hohem Niveau. Dies beruhtnicht zuletzt auf der zunehmenden Finanzierung der so-zialen Sicherungssysteme aus dem Bundeshaushalt, diezu einer Entlastung der Lohnnebenkosten beitragen soll.Trotz des erheblichen Steuerzuwachses besteht im Bun-deshaushalt immer noch wenig Handlungsspielraum fürdie finanzielle Unterstützung investiver oder sonstiger zu-kunftsrelevanter Bereiche (Nr. 2.2.1 der Bemerkungen).

Die Aufwendungen des Bundes für die verschiedenen Al-terssicherungssysteme (Rentenversicherung, Bundesver-waltung, ehemalige Sondervermögen Bahn und Post,Landwirtschaft) werden im Jahre 2008 um 6 Mrd. Euroauf rund 100 Mrd. Euro steigen, da der Bund dann diePensionszahlungen für die ehemaligen Postbedienstetenin vollem Umfang erbringen muss. Den größten Ausga-benblock innerhalb der Alterssicherung bilden die in derzweiten Hälfte der 90er-Jahre überproportional gestiege-nen Leistungen des Bundes an die Rentenversicherung.Rund 30 % der Gesamtausgaben im Bundeshaushalt ent-fallen auf den Rentenbereich. Zwar wirkt sich die kon-junkturelle Erholung durch die steigende Anzahl der Bei-tragszahler auch stabilisierend auf die Rentenfinanzenaus. Mittel- und langfristig stellt allerdings die zuneh-mende Alterung der Gesellschaft die zentrale finanzielleHerausforderung für die Rentenversicherung dar. Trotzverschiedener Stabilisierungsmaßnahmen wird der Bun-deshaushalt daher auf absehbare Zeit in struktureller Ab-hängigkeit von den Rentenfinanzen bleiben (Nr. 2.2.2 derBemerkungen).

Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt entlastet vorallem den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit (Bun-desagentur). Ungeachtet der zum Jahresbeginn vorgenom-menen Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitragswird die Bundesagentur voraussichtlich ein positivesHaushaltsergebnis erzielen. Im Gegensatz hierzu bleibendie Arbeitsmarktausgaben im Bundeshaushalt mit über42 Mrd. Euro weiter auf dem hohen Niveau der Vorjahre.Dies beruht auch darauf, dass der Bund zur teilweisen Fi-nanzierung der Beitragsabsenkung einen Zuschuss an dieBundesagentur leistet, der dem Aufkommen eines Um-satzsteuerpunktes entspricht. Neben den bereits in Kraft

getretenen Konsolidierungsmaßnahmen im Bereich derGrundsicherung soll der Bundeshaushalt ab dem Jahre2008 durch einen von der Bundesagentur zu leistendenEingliederungsbeitrag entlastet werden. Damit wird einangemessener Interessenausgleich zwischen dem Bun-deshaushalt und dem Haushalt der Bundesagentur ange-strebt. Dennoch werden die Arbeitsmarktausgaben desBundes auch im Jahre 2008 immer noch über denen desJahres 2004 – dem letzten Haushaltsjahr vor der Arbeits-marktreform – liegen. Es bleibt abzuwarten, ob der Sys-temwechsel im Bereich der Arbeitsmarktförderung zu-mindest mittelfristig zu nachhaltigen Entlastungen imBundeshaushalt führen wird (Nr. 2.2.3 der Bemerkun-gen).

Zunehmende Bedeutung im Bereich der Sozialausgabengewinnen die Leistungen des Bundes an die gesetzlicheKrankenversicherung. Im Rahmen der Gesundheitsre-form 2007 hat sich der Bund verpflichtet, zur teilweisenAbgeltung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben in der ge-setzlichen Krankenversicherung einen Bundeszuschuss inHöhe von 2,5 Mrd. Euro zu leisten, der ab dem Jahre2009 um jährlich 1,5 Mrd. Euro bis auf 14 Mrd. Euro imJahre 2016 steigen wird. Auch die familienpolitischenLeistungen des Bundes erhöhen sich. Ab dem Jahre 2008werden sich die jährlichen Ausgaben für das Elterngeldauf gut 4 Mrd. Euro belaufen, während für das auslau-fende Erziehungsgeld rund 2,8 Mrd. Euro anfielen(2006). Außerdem beabsichtigt der Bund, den Ausbau derBetreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren fi-nanziell zu unterstützen. Neben Investitionshilfen sollendie Länder für die zusätzlich entstehenden Betriebskostenab dem Jahre 2009 Festbeträge bei der Umsatzsteuerver-teilung erhalten (Nr. 2.2.4 der Bemerkungen).

Die Zinsausgaben bilden als Folge des fortwährendenSchuldenaufbaus den zweitgrößten Ausgabenblock imBundeshaushalt. Aufgrund der hohen Neukredite der letz-ten Jahre und des angestiegenen Zinsniveaus ist für diekommenden Haushaltsjahre mit einem Anstieg der Zins-last zu rechnen. Zum Ende des Finanzplanungszeitraumswerden die Zinsausgaben fast doppelt so hoch sein wiedie Summe der investiven Ausgaben. Um dieser Entwick-lung entgegen zu steuern, wird es weiterhin erheblicherKonsolidierungsanstrengungen bedürfen (Nr. 2.2.5 derBemerkungen).

2.3 Einnahmenentwicklung und -struktur

Bei den Steuereinnahmen als wichtigster Einnahmequelledes Bundeshaushalts ist seit dem Jahre 2006 ein deutli-cher Zuwachs zu verzeichnen. Aufgrund des wirtschaftli-chen Aufwärtstrends und der verabschiedeten Steuererhö-hungen (insbesondere Anhebung des allgemeinenUmsatzsteuersatzes von 16 % auf 19 %) kann der Bundinnerhalb einer Zeitspanne von nur drei Jahren (2005 bis2008) mit einem um fast 25 % höheren Steueraufkommenrechnen. Einen solchen Einnahmenanstieg hat es seit Be-ginn der 90er-Jahre nicht mehr gegeben. In den Haus-haltsentwurf 2008 und in die Finanzplanansätze hat die

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Bundesregierung über den Ergebnissen der Steuerschät-zung vom Mai 2007 liegende Ansätze aufgenommen,weil sie mit einer günstigeren Entwicklung der Steuerein-nahmen rechnet. Dementsprechend verbessert sich auchdie volkswirtschaftliche Steuerquote, also das Verhältnisder kassenmäßigen Steuereinnahmen zum Bruttoinlands-produkt. Ein nicht unerheblicher Teil des Steueraufkom-mens des Bundes ist allerdings von vornherein für be-stimmte Ausgabenzwecke (Leistungen zugunsten derRenten- und Arbeitslosenversicherung) gebunden (Nr. 2.3.1der Bemerkungen).

Obwohl die Steuereinnahmen des Bundes im Vergleichzu den anderen Gebietskörperschaften besonders kräftigsteigen, liegt sein Steueranteil immer noch merklich unterdem Niveau früherer Jahre. Dies beruht im Wesentlichenauf einer Reihe von Abzügen, die auf finanzielle Zuge-ständnisse des Bundes an die Länder und Gemeinden vorallem im Rahmen der Regelungen zum Familienleis-tungsausgleich (Kindergeld), zur Regionalisierung des öf-fentlichen Personennahverkehrs sowie zum vertikalenFinanzausgleich (Bundesergänzungszuweisungen) zu-rückzuführen sind (Nr. 2.3.2 der Bemerkungen).

Im vertikalen Finanzausgleich leistet der Bund erheblichesteuerliche Zuweisungen an die neuen Länder und dasLand Berlin, um den bestehenden infrastrukturellenNachholbedarf zu decken und die unterproportionalekommunale Finanzkraft auszugleichen. Diese Sonderbe-darfs-Bundesergänzungszuweisungen sind degressiv aus-gestaltet und sollen im Jahre 2019 auslaufen. Die von denEmpfängerländern vorgelegten sogenannten Fortschritts-berichte zeigen Verbesserungen bei der bestimmungsge-mäßen Verwendung der Mittel; allerdings setzen einigeLänder immer noch erhebliche Anteile nicht entspre-chend der gesetzlichen Zielsetzung ein. Angesichts derverbesserten finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingun-gen und im Hinblick auf die in den nächsten Jahren zu-rückgehenden Bundeszuweisungen sollten die neuenLänder und Berlin ihre Anstrengungen weiter verstärken,die Mittel wachstums- und investitionsfördernd zu ver-wenden (Nr. 2.3.3 der Bemerkungen).

Neben den Steuereinnahmen werden seit Mitte der 90er-Jahre Vermögensverwertungen genutzt, um die Nettokre-ditaufnahme zu begrenzen. Erlöse aus den Verwertungenvon Kapital- und Beteiligungsvermögen sind auch in denHaushaltsjahren 2008 bis 2011 in einer Größenordnungvon 30 Mrd. Euro vorgesehen. Es erscheint finanzwirt-schaftlich bedenklich, wenn derartige Einmalmaßnahmenzur Haushaltsfinanzierung herangezogen werden, da sienur den Anschein einer Haushaltsstabilisierung erweckenund notwendige Konsolidierungsschritte hinauszögernkönnen. Sie vermindern das Bundesvermögen dauerhaftund verschlechtern damit die Basis für künftige Haus-halte. Finanzwirtschaftlich wäre es besser, Privatisie-rungserlöse ausschließlich zur Schuldentilgung zu nut-zen. Die daraus folgenden Zinsersparnisse würden einennachhaltigen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung undzur Generationengerechtigkeit leisten (Nr. 2.3.4 der Be-merkungen).

2.4 Nettokreditaufnahme

Die Nettokreditaufnahme hat in den Jahren 2002 bis 2006fünfmal hintereinander die Summe der Investitionsausga-ben und damit die verfassungsrechtliche Regelkredit-grenze überschritten. Nach den Eckdaten des Haushalts2007, des Haushaltsentwurfs 2008 sowie des Finanzplansbis 2011 soll sie unterhalb dieser Regelgrenze schritt-weise auf Null zurückgeführt werden. Hierzu sollen aller-dings weiterhin auch Maßnahmen mit Einmaleffekt(Einnahmen aus Vermögensverwertungen) herangezogenwerden. Den eingetretenen oder sich abzeichnendenHaushaltsentlastungen stehen auf mittelfristige Sichtfinanzwirtschaftliche Belastungen und Risiken gegen-über; dazu gehören u. a. die Aufwendungen für die so-ziale Sicherung (vor allem Renten- und Krankenversiche-rung, Arbeitsmarkt), die steigende Zinslast sowie hoheLeistungen für verschiedene Politikbereiche, wie z. B. dieFamilienförderung und den Steinkohlenbergbau. Vor demHintergrund der derzeit positiven Wirtschaftsentwicklungerscheint es daher angezeigt, die Konsolidierungsanstren-gungen fortzusetzen; insbesondere sollten nicht geplanteMehreinnahmen zur weiteren Absenkung der Nettokre-ditaufnahme eingesetzt werden. Ziel sollte sein, so frühwie möglich zu einem ausgeglichenen Bundeshaushaltohne Nettoneuverschuldung und Einmalmaßnahmen zugelangen. Nach Erreichen des Haushaltsausgleichs sollteder angehäufte Schuldenberg zumindest teilweise wiederabgetragen werden (Nr. 2.4.1 der Bemerkungen).

Seit der Finanzreform von 1969 ist eine fortwährendeAufnahme neuer Schulden im Bundeshaushalt zu beob-achten. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtssowie der überwiegenden Zahl der Finanzexperten inWissenschaft und Praxis hat sich die verfassungsrechtli-che Regelung des Artikels 115 Grundgesetz als weitge-hend wirkungslos erwiesen, die Staatsverschuldung zubegrenzen. Grund hierfür ist neben einem zu weit gefass-ten Investitionsbegriff vor allem die von der Haushalts-praxis oft in Anspruch genommene verfassungsrechtlicheAusnahmeregelung, wonach die Regelkreditgrenze zurAbwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichenGleichgewichts überschritten werden darf. Der Bundes-rechnungshof plädiert daher dafür, die Möglichkeiten zurSchuldenaufnahme normativ deutlich stärker zu be-schränken. Danach könnte vorgeschrieben werden, dassdas Ausgabevolumen über den Konjunkturzyklus hinwegan den laufenden Einnahmen auszurichten ist. Nur in au-ßerordentlichen wirtschaftlichen Krisenzeiten dürfte dasParlament zusätzliche Kredite bewilligen. Defiziterhö-hende Abweichungen im Haushaltsvollzug wären inner-halb eines vorgegebenen Zeitraums wieder auszuglei-chen. Durch eine solche Regelung würde – abgesehenvon finanzwirtschaftlichen Krisenzeiten – ein weitererSchuldenaufbau dauerhaft verhindert und die Schulden-quote abgebaut. Die Regelung entspräche zudem der Ziel-setzung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstums-paktes (Nr. 2.4.2 der Bemerkungen).

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2.5 Verschuldung und Schuldendienst

Die Gesamtverschuldung des Bundes betrug zum Jahres-ende 2006 rund 917 Mrd. Euro und wird zum Jahresende2007 voraussichtlich im Bereich von 930 Mrd. Euro lie-gen. Sie wird sich damit gegenüber dem Schuldenstandzu Beginn der 90er-Jahre um mehr als das Dreieinhalbfa-che erhöht haben. Nach dem Finanzplan soll die Ver-schuldung des Bundes aufgrund der rückläufigen Netto-kreditaufnahme bis zum Jahre 2011 langsamer ansteigen.Die Schuldenquote würde damit sinken. Aufgrund deshohen Schuldenstands bleibt die jährliche Aufnahme vonneuen Krediten zur Finanzierung der Tilgung fällig wer-dender Kredite (Anschlussfinanzierung) allerdings aufhohem Niveau. Im Finanzplanungszeitraum erreicht sieein Volumen von jährlich bis zu 220 Mrd. Euro. Der Bun-deshaushalt ist damit bei einem steigenden Zinsniveaudem Risiko höherer Zinsausgaben ausgesetzt (Nr. 2.5 derBemerkungen).

2.6 Haushaltsdisziplin im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion

Als Folge der verbesserten Entwicklung in den öffentli-chen Haushalten verringerte sich das gesamtstaatlicheDefizit im Jahre 2006 auf 1,6 % des Bruttoinlandsproduk-tes. Damit unterschritt Deutschland erstmals seit 2001wieder den Grenzwert von 3,0 %. Der Rat der EU-Wirt-schafts- und Finanzminister hat Deutschland im Juni2007 aus dem seit Ende 2002 laufenden Defizitverfahrenentlassen. Der öffentliche Schuldenstand hat sich zumJahresende 2006 bei knapp 68 % des Bruttoinlandspro-duktes stabilisiert und wird Ende 2007 voraussichtlicherstmals wieder seit dem Jahre 2001 zurückgehen. Aufmittelfristige Sicht bleibt die gesamtstaatliche Schulden-quote gleichwohl noch über dem Grenzwert von 60 %.Dem schnellen Anstieg der Schuldenquote folgt damit eindeutlich längerer Zeitraum der Rückführung (Nr. 2.6.1der Bemerkungen).

Auf den Bund (einschließlich Sozialversicherung) entfie-len im Jahre 2006 mehr als drei Viertel des Staatsdefizitsund rund 62 % des Schuldenstands. Angesichts dieser ho-hen Anteile dürfte der Bund ein erhebliches Interesse da-ran haben, dass Deutschland die europäischen Stabilitäts-vorgaben dauerhaft erfüllt. Nachdem im Rahmen derFöderalismusreform I ein Nationaler Stabilitätspakt miteiner Aufteilungsregelung für mögliche Sanktionszahlun-gen verfassungsrechtlich verankert worden ist, sollen imRahmen der Föderalismusreform II auch Festlegungenfür eine nachhaltige innerstaatliche Wahrung der Haus-haltsdisziplin getroffen werden. Die günstigen finanzwirt-schaftlichen Rahmenbedingungen könnten es Bund undLändern erleichtern, sich zeitnah auf Regeln zu einigen,um die Staatsverschuldung zu begrenzen und stabilitäts-konforme Haushalte zu gewährleisten (Nr. 2.6.2 der Be-merkungen).

3 Verantwortungsvoller Umgang mit Haushaltsmitteln erfordert mehr und bessere Wirtschaftlichkeits-untersuchungen

Das Handeln der öffentlichen Verwaltung hat sich stetsam Grundsatz der Wirtschaftlichkeit auszurichten. DasGrundgesetz der Bundesrepublik Deutschland räumt inArtikel 114 Abs. 2 dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Ver-fassungsrang ein. Die Bundeshaushaltsordnung (BHO)konkretisiert das im Grundgesetz verankerte Wirtschaft-lichkeitsprinzip für die Bundesverwaltung. Die BHO (§ 7Abs. 2) verpflichtet die Verwaltung, für alle finanzwirk-samen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeits-untersuchungen durchzuführen.

Um Steuergelder wirtschaftlich einsetzen zu können, sindWirtschaftlichkeitsuntersuchungen somit eine grundle-gende Voraussetzung. Sie sollten gerade in der Planungs-und Entscheidungsphase Aufschluss darüber geben, überwelche Handlungsalternativen die Verwaltung verfügtund welche dieser Alternativen vorteilhaft ist.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass die geprüf-ten Behörden der Verpflichtung, in der Planungs- und Ent-scheidungsphase eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchungdurchzuführen, in der weit überwiegenden Zahl der Fällenicht oder zumindest nicht vollständig nachgekommensind. So blieben fast 85 % der von den Bundesministerienund den nachgeordneten Behörden gemeldeten finanz-wirksamen Maßnahmen ohne Wirtschaftlichkeitsuntersu-chung im Sinne von § 7 BHO.

Ferner hat der Bundesrechnungshof zahlreiche methodi-sche Defizite bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vorge-funden. Schwachstellen wiesen auch die Organisation unddie Wahrnehmung von Verantwortlichkeiten für Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen sowie die Verwendung derErgebnisse von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Ent-scheidungsprozess auf. Es bedarf nach Auffassung desBundesrechnungshofes dringend eines wachsenden Be-wusstseins, dass Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zwin-gende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Umgang mitHaushaltsmitteln sind.

Der Bundesrechnungshof hält es daher für notwendig,dass die Bundesregierung die Weiterentwicklung des Re-gelungs- und Orientierungsrahmens für Wirtschaftlich-keitsuntersuchungen unter der Federführung des Bundes-ministeriums der Finanzen alsbald einleitet, um dieaufgezeigten Defizite zu beseitigen. Dabei sollte sie ins-besondere darauf achten, allgemeine Regelungen bessermit den Regeln zu verzahnen, die für einzelne Formenfinanzwirksamer Maßnahmen gelten. Die Bundesregie-rung sollte der Verwaltung die notwendigen Grundlagenund Instrumente für methodisch sachgerechte undvergleichbare Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an dieHand geben. Ferner sollte sie die zuständigen Beschäftig-ten gezielt für die Durchführung von Wirtschaftlichkeits-untersuchungen qualifizieren und die Verantwortlichkei-ten klar regeln.

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Teil II Einzelne Prüfungsergebnisse

Auswärtiges Amt nicht immer vollständig und konkret benannt. Auch ha-

4 Auswärtiges Amt nutzt Liegenschaften im Ausland nicht bedarfsgerecht und unwirtschaftlich

Das Auswärtige Amt hat seine Liegenschaften im Aus-land oftmals nicht bedarfsgerecht und unwirtschaftlichgenutzt. Auf Mängel in der Liegenschaftsverwaltunghatte der Bundesrechnungshof das Auswärtige Amt seitdem Jahre 1995 mehrfach hingewiesen. Er hat nun erneutfestgestellt, dass es sich nicht von Liegenschaften trennt,die es nicht mehr benötigt oder deren weitere Nutzungunwirtschaftlich ist.Das Auswärtige Amt nahm zahlreiche Liegenschaften inAnspruch, ohne den Bedarf nachzuweisen und Alterna-tiven der Bedarfsdeckung sowie deren Wirtschaftlichkeitzu prüfen. Diese Mängel führten zu Wertverlusten, Zins-kosten und Mehraufwendungen zulasten des Bundeshaus-halts. Beispielhaft zeigt sich dies in folgenden Fällen:● In Aden (Jemen) verkaufte das Auswärtige Amt nicht

sein 1 000 m2 großes Gebäude, obwohl es nur etwa80 m2 selbst nutzte und die Beibehaltung des Gebäu-des unwirtschaftlich war. Der Wertverlust und dieZinskosten durch die fortdauernde Nutzung betragenüber 370 000 Euro.

● In Genf trennte sich das Auswärtige Amt nicht von ei-ner Obstwiese und einem Baugrundstück, obwohl esdafür keinen Bedarf hatte. Der Wert der nicht benötig-ten Flächen beträgt etwa 650 000 Euro.

● Das Auswärtige Amt vermietete jahrelang Dienstwoh-nungen, für die es keinen Bedarf mehr hatte, an Dritte,anstatt sie zu veräußern. Eine Dienstwohnung mit ei-nem Wert von 850 000 Euro ließ es seit mehreren Jah-ren leer stehen.

Der Bundesrechnungshof hatte das Auswärtige Amt aufdie Mängel in dessen Liegenschaftsverwaltung bereits inden Jahren 1995 bis 2003 mehrfach hingewiesen und demParlament darüber berichtet. Er erwartet, dass sich dasAuswärtige Amt von seinen Liegenschaften in Aden undGenf trennt und ein Konzept für die bedarfsgerechte undwirtschaftliche Verwaltung seiner Dienstwohnungen er-arbeitet.

Bundesministerium des Innern

5 Informationen über finanzielle Gesetzeswirkungen verbessern

Die Bundesministerien haben bei Gesetzesvorlagen diefinanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

ben sie die finanziellen Auswirkungen nicht rückschau-end überprüft.

Das Haushaltsrecht gibt der Bundesregierung auf, in Ge-setzesvorlagen die Auswirkungen auf die öffentlichenHaushalte darzustellen. Die Gemeinsame Geschäftsord-nung der Bundesministerien (GGO) konkretisiert dieseAnforderungen und verpflichtet die Bundesministerien zuumfassenden Angaben über die Auswirkungen von Ge-setzesentwürfen auf die Einnahmen und Ausgaben der öf-fentlichen Haushalte, auf die Kosten für die Wirtschaftsowie auf die Verbraucher. Ferner sind nach einem ange-messenen Zeitraum die tatsächlich eingetretenen Kosten-wirkungen zu prüfen.

Ausgehend von den Erkenntnissen des Bundesrechnungs-hofes und aufgrund eigener Überlegungen ergriffen dieBundesregierung und einzelne Bundesministerien Initiati-ven zur Verbesserung der Gesetzgebung. So erarbeitetedas Bundesministerium der Finanzen Ende 2006 eine Ar-beitshilfe, die eine Orientierung bieten soll, wie die Kos-tenfolgenabschätzung von Gesetzesvorhaben verbessertwerden kann.

In den Jahren 2006 und 2007 untersuchte der Bundes-rechnungshof die Gesetzesvorlagen verschiedener Bun-desministerien im Hinblick auf Vollständigkeit und Zu-verlässigkeit der Informationen über die finanziellenWirkungen auf die öffentlichen Haushalte. Dabei stellteer fest, dass die Gesetzesbegründungen den Vorgaben desHaushaltsrechts und der GGO nicht immer entsprachen.Insgesamt war das Bewusstsein für die Notwendigkeit ei-ner systematischen Auseinandersetzung mit finanziellenGesetzesfolgen nicht durchgehend ausgeprägt. Auch fehl-ten Angaben über eine rückschauende Prüfung der Kos-tenfolgen.

Um nachhaltige Verbesserungen zu erreichen, empfiehltder Bundesrechnungshof den Bundesministerien, einwirksames Gesetzescontrolling durchzuführen. Es soll si-cherstellen, dass alle für die Rechtsetzung erforderlichenInformationen und Entscheidungsgrundlagen zu den fi-nanziellen Auswirkungen in belastbarer Form vorliegen,die entstandenen Kostenfolgen rückschauend geprüft undbei wesentlichen Abweichungen mögliche Gegenmaß-nahmen aufgezeigt werden.

6 Bundesanstalt Technisches Hilfswerk: Organisation straffen, Ehrenamt stärken

Das Technische Hilfswerk (THW) soll seine Verwal-tungsorganisation verbessern, um die ehrenamtlichen

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Helferinnen und Helfer wirkungsvoller zu unterstützen.Es hat seine Organisation jedoch nur unvollständig unter-sucht und bisher auf die Ausschöpfung von Wirtschaft-lichkeitsreserven verzichtet.

Das THW ist eine nicht rechtsfähige Bundesanstalt mitSitz in Bonn. Es gliedert sich in acht Landesverbände, de-nen 66 Geschäftsstellen zugeordnet sind. Das THW hat850 hauptamtlich Beschäftigte, davon 170 in der zentra-len Dienststelle mit der Leitung in Bonn. In den 669 Orts-verbänden sind 80 000 ehrenamtliche Helferinnen undHelfer tätig. Zu deren Aufgaben zählen technische Hilfeim Zivilschutz, in Katastrophenfällen, bei öffentlichenNotständen und bei größeren Unglücksfällen im In- undAusland.

Das Bundesministerium des Innern (Bundesministerium)und das THW sind nicht bereit, die dreistufige Organi-sation des THW in eine Organisationsuntersuchung ein-zubeziehen, um eine schlanke und verbesserte Organisa-tion zu erreichen. Sie wollen vielmehr lediglich einzelneAufgaben zwischen den bestehenden Organisationsein-heiten umschichten. Änderungen am mehrstufigen Auf-bau und der Anzahl der Organisationseinheiten schließtdas Bundesministerium von vornherein aus. Es glaubtdennoch, so die Arbeit der ehrenamtlichen Helferinnenund Helfer in den Ortsverbänden besser unterstützen zukönnen.

Die Innenrevision des THW war bei einem Haushaltsvo-lumen von 130 Mio. Euro mit nur einem hauptamtlichenPrüfer personell unterbesetzt. Entgegen allgemein gülti-ger Revisionsprinzipien und der Weisungslage setzte dasTHW zeitweise Beschäftigte aus Geschäftsstellen oderLandesverbänden als zusätzliche Prüfer ein.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, die gesamte Organisation des THW vorbehalt-los untersuchen zu lassen, um Wirtschaftlichkeitsreservenausschöpfen zu können. Die Innenrevision des THW istmit dem erforderlichen hauptamtlichen Personal auszu-statten.

7 Bundespolizei zahlt für ihre Dienst-räume an Bahnhöfen zu viel Miete

Die Mietzahlungen der Bundespolizei für ihre Dienst-räume an Bahnhöfen überschreiten die nach dem Gesetzzulässigen Selbstkosten der Vermieter zum Teil deutlich.Vielfach hat die Bundespolizei den Vermietern frei ver-handelte Mieten und keine Selbstkosten gezahlt. Über ei-nen Zeitraum von zehn Jahren verursacht dies allein inden näher untersuchten Fällen vermeidbare Mehrausga-ben für den Bund von 20 Mio. Euro.

Um ihre bahnpolizeilichen Aufgaben wahrnehmen zukönnen, benötigt die Bundespolizei Diensträume anBahnhöfen. Zu diesem Zweck hat sie mit Bahnhofsbetrei-

bern (Vermietern) etwa 250 Mietverträge mit einem Volu-men von jährlich 6,7 Mio. Euro geschlossen.

Nach dem Bundespolizeigesetz darf die Miethöhe dieSelbstkosten des Vermieters nicht übersteigen. Rund zweiDrittel der Verträge sahen frei verhandelte Mietzahlungenvor. Sie waren nicht auf der Basis zuvor geprüfter Selbst-kosten festgelegt worden.

An 37 neu errichteten oder grundlegend umgestaltetenBahnhöfen schloss die Bundespolizei in den letzten Jah-ren Kostenmietverträge über insgesamt 31 Mio. Euro. BeiAnwendung des öffentlichen Preisrechts würden demBund jedoch lediglich Ausgaben von 11 Mio. Euro ent-stehen. Die vereinbarten Nachweise über die tatsächli-chen Investitionskosten lagen nicht vor.

Der Bundesrechnungshof hält es für erforderlich, dass dieBundespolizei ihre besondere Rechtsposition aus demBundespolizeigesetz wirksamer nutzt, um ihre Dienststel-len an Bahnhöfen wirtschaftlich unterzubringen. Er hatgefordert, alle bestehenden Verträge soweit möglich zukündigen. Neue Verträge dürfen nur noch die Erstattungvon Selbstkosten vorsehen, die unter Beachtung des öf-fentlichen Preisrechts ermittelt und geprüft werden. Inden Kostenmietfällen sollte die Bundespolizei die Investi-tionskosten rückwirkend prüfen und etwaige Überzahlun-gen zurückfordern.

8 Bundespolizei hält zu viele Transport-hubschrauber vor

Die Bundespolizei hält 40 Transporthubschrauber für densofortigen und gleichzeitigen Einsatz bei besonderenLageentwicklungen vor, obwohl diese Voraussetzungennoch nie gegeben waren und die Hubschrauber jährlichnur zu 10 % ausgelastet sind. Die Bundespolizei sollte da-her den Bedarf an Transporthubschraubern prüfen. Siekönnte deren Zahl reduzieren, wenn sie im Falle einer be-sonderen Lageentwicklung auch ihre Mehrzweckhub-schrauber verwenden würde.

Die Bundespolizei setzt Hubschrauber als polizeilichesEinsatz- und Transportmittel ein. Neben 23 Mehrzweck-hubschraubern verfügt sie über 40 größere Hubschrauber,die vorrangig zum Transport von Polizeikräften dienen.

Die Zahl der Transporthubschrauber begründet das Bun-desministerium des Innern damit, dass bei besonderenLageentwicklungen 457 Polizeikräfte „in einer Welle“,d. h. sofort und zeitgleich, an einen beliebigen Einsatzorttransportiert werden müssten. Die Transporthubschrauberwaren nach den Feststellungen des Bundesrechnungsho-fes in den letzten Jahren lediglich zu etwa 10 % ausgelas-tet. Die Bundespolizei hat einen sofortigen und gleichzei-tigen Einsatz von 40 Transporthubschraubern bislangweder geübt noch durchgeführt.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/7100

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, den Bedarf derBundespolizei an Transporthubschraubern auf der Grund-lage einer Einsatzkonzeption zu prüfen. Auch die Mehr-zweckhubschrauber sollten im Falle einer besonderenEinsatzlage berücksichtigt werden. Dadurch könnten dreiTransporthubschrauber verkauft, Einnahmen von 40 Mio.Euro erzielt und jährliche Betriebsausgaben von mindes-tens 1 Mio. Euro vermieden werden.

9 Versorgung der Bundespolizei mit Dienstkleidung schlecht organisiert

Das Bundesministerium des Innern (Bundesministerium)hat die geplante zentrale Versorgung der Bundespolizeimit Dienstkleidung bisher nicht umgesetzt. Optimie-rungsvorschläge des Bundesrechnungshofes hat es nichtausreichend berücksichtigt. Allein die Personalkostenkönnten gegenüber den Planungen des Bundesministe-riums um 2 Mio. Euro jährlich gesenkt werden.

Die Versorgung der 39 000 Polizeikräfte und Zivilbe-diensteten der Bundespolizei mit Dienstkleidung undAusrüstung ist dezentral organisiert. Mit 25 Bekleidungs-kammern, 24 Bekleidungswerkstätten und vier Beklei-dungsbussen ist die Versorgung weder zeitnah möglichnoch wirtschaftlich organisiert. Der Bundesrechnungshofhat bei einer Prüfung festgestellt, dass das Bundes-ministerium den Verbesserungsbedarf bereits Mitte der90er-Jahre erkannte. Dennoch setzte es ein Konzept, daseine zentrale Versorgung vorsieht und erhebliche Einspa-rungsmöglichkeiten aufzeigt, nicht um. Mit der Umset-zung des Konzepts wäre eine Reduzierung des Personalsvon 240 auf 100 Kräfte verbunden.

Das Bundesministerium arbeitet bei der Entwicklung vonDienstkleidung und bei deren Beschaffung nicht mit denLändern zusammen. Einige Länder kooperieren bei derEntwicklung und der Versorgung ihrer Polizeien und spa-ren dadurch erhebliche Kosten ein.

Der Bundesrechnungshof hat gefordert, das Konzept un-verzüglich umzusetzen und nach anerkannten Methodenden Personalbedarfs zu ermitteln. Er hält es für möglich,den vom Bundesministerium für notwendig erachtetenPersonalbedarf zu halbieren und damit weitere 2 Mio.Euro jährlich einzusparen. Denn vergleichbare zentraleVersorgungseinrichtungen der Länder kommen mit derHälfte des vom Bund vorgesehenen Personals aus. Da-rüber hinaus muss das Bundesministerium auch eine Aus-gliederung oder Privatisierung von Aufgaben prüfen.

Zudem hat der Bundesrechnungshof von dem Bundes-ministerium erwartet, dass es sich weiterhin mit Nach-druck für ein gemeinsames Vorgehen von Bund undLändern bei der Neu- und Weiterentwicklung der Dienst-kleidung einsetzt. Insbesondere die gemeinsame Ent-wicklung einer modular konzipierten Dienstkleidung, wiesie bereits in einigen Ländern praktiziert wird, bietet wei-tere Einsparungsmöglichkeiten. Unabhängig davon hält

es der Bundesrechnungshof für geboten, auch bei der Be-schaffung der Dienstkleidung mit den Ländern zusam-menzuarbeiten und dadurch Kosten zu reduzieren.

Bundesministerium der Justiz

10 Mietverträge für Hard- und Software sowie unzureichende Vertragsüber-wachung führen zu unnötig hohen Ausgaben

Als sogenanntes „Rundum-Sorglos-Paket“ mietete dasDeutsche Patent- und Markenamt seit dem Jahre 1999den Großteil seiner Computer, Software und Dienstleis-tungen im Gesamtwert von fast 8 Mio. Euro für dreiJahre. Es gab so im Vergleich zu Kauf und fünfjährigerNutzungsdauer über 1 Mio. Euro mehr aus. Für Software,die ihm der Vermieter vermittelt hatte, bezahlte es dasDreifache des Preises, der fällig geworden wäre, wenn esdie Software direkt beim Hersteller gekauft hätte. NachAblauf der Mietverträge wurden die Mietgegenstände re-gelmäßig zum Restwert gekauft und Restwertzahlungenauch für Dienstleistungen geleistet, die im Rahmen derMietverträge bereits abgegolten waren.

Bundesministerium der Finanzen

11 Ermittlungsvorgaben bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit bergen Fehlanreize

Die zentralen Vorgaben des Bundesministeriums der Finan-zen (Bundesministerium) für die Bekämpfung der Schwarz-arbeit setzen falsche Ermittlungsanreize.

Das Bundesministerium steuert die Arbeit der Finanzkon-trolle Schwarzarbeit über mehrere Zielgrößen. U. a. gibtes vor, dass eine möglichst hohe Schadenssumme aufge-deckt werden soll. So wird auch in Fällen mit hohenSchadenssummen aufwendig ermittelt, in denen keineEinnahmen zu erwarten sind – etwa, weil der Arbeitgeberbereits zahlungsunfähig ist. Der Bundesrechnungshofschätzt, dass über 90 % der ermittelten Sozialversiche-rungs- und Steuerschäden nicht eingetrieben werden kön-nen.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes setzt dieVorgabe, möglichst hohe Schadenssummen aufzudecken,Fehlanreize. Er empfiehlt dem Bundesministerium, dieSteuerungsziele weiter auszudifferenzieren. Fälle, welchezu tatsächlichen Einnahmen führen oder strafrechtlich re-levant sind, sollten höher gewichtet werden. Damit lässtsich verhindern, dass die generalpräventive Wirkung derFinanzkontrolle Schwarzarbeit verloren geht.

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Drucksache 16/7100 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

12 Datenbankabrufverfahren für die Bekämpfung der Schwarzarbeit nicht einsatzbereit

Wegen jahrelanger Verzögerungen bei der Realisierungeines IT-Unterstützungssystems können die Landesbehör-den immer noch nicht auf die Daten der FinanzkontrolleSchwarzarbeit zurückgreifen.

Das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz sieht die Führungeiner Prüfungs- und Ermittlungsdatenbank durch die Finanz-kontrolle Schwarzarbeit sowie die Einrichtung eines Da-tenbankabrufverfahrens für Staatsanwaltschaften, Finanz-und Polizeibehörden vor. Das Abrufverfahren ist bislangnoch nicht bundesweit in Betrieb gegangen. Die Landes-behörden sind nicht in der Lage, auf die vorhandenen Da-ten der Schwarzarbeitsbekämpfung zuzugreifen.

Wichtige Unterstützungsfunktionen durch die Datenbankstehen bis heute nicht zur Verfügung, weil sich die voll-ständige Realisierung des dafür vorgesehenen ProgrammsProFiS (Programmunterstützung Finanzkontrolle Schwarz-arbeit) jahrelang verzögerte. Bei der Bekämpfung derSchwarzarbeit entstehen nach Schätzungen des Bundes-rechnungshofes daher jährliche Mehrkosten in Höhe vonmindestens 5,6 Mio. Euro.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass der ge-setzliche Auftrag, ein Datenbankabrufverfahren bundes-weit einzuführen, bis heute noch nicht erfüllt ist. DerBundesrechnungshof empfiehlt daher dem Bundesminis-terium der Finanzen, im Zusammenwirken mit den Län-dern die Einführung des Abrufverfahrens aktiv zu betrei-ben. Die noch ausstehenden Funktionen des ProgrammsProFiS sollten realisiert und die vorhandenen Daten re-gelmäßig ausgewertet und genutzt werden.

13 Familienkassen des öffentlichen Dienstes zentralisieren und Kindergeldfestsetzung vereinfachen

Derzeit gibt es rund 12 000 Familienkassen des öffentli-chen Dienstes. Bei einer Konzentration auf wenige Fami-lienkassen ließen sich Personal- und Sachausgaben nacheiner verwaltungsinternen Schätzung von rund 100 Mio.Euro jährlich einsparen. Die Bearbeitung des Kindergel-des für volljährige Kinder ist mit einem unverhältnis-mäßig hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Sie solltevereinfacht werden.

Das Kindergeld für die Beschäftigten des öffentlichenDienstes wird von den Behörden festgesetzt und gezahlt,bei denen die Beschäftigten arbeiten. Für die Kindergeld-berechtigten außerhalb des öffentlichen Dienstes ist dieFamilienkasse der Bundesagentur für Arbeit (Bundes-agentur) zuständig. Die Beschäftigten im öffentlichenDienst beziehen das Kindergeld deshalb von ihrer Be-hörde, weil sie einen Familienzuschlag oder eine ver-gleichbare tarifliche Leistung erhalten, wenn für ihre Kin-der Kindergeld gezahlt wird. Da jede Behörde als

Familienkasse gilt, gibt es auf Bundes-, Landes- undKommunalebene rund 12 000 Familienkassen des öffent-lichen Dienstes. Diese bearbeiten Kindergeldfälle vonrund 1,8 Millionen Kindern, während die Familienkasseder Bundesagentur mit ihren 102 örtlichen Familienkas-sen für rund 15 Millionen Kinder zuständig ist.

Die Familienkassen des öffentlichen Dienstes konntenwegen der geringen Fallzahlen keine Standards und Routi-nen bei der Bearbeitung von Kindergeldfällen entwickeln.Dadurch entstehen Bearbeitungsfehler und das Risikovon Überzahlungen. Der Bundesrechnungshof hat des-halb empfohlen, die Bearbeitung des Kindergeldes aufwenige Familienkassen zu konzentrieren. In diesen „Zen-tralen Familienkassen“ könnte die notwendige Sachkundeentwickelt und vorgehalten werden. Die Voraussetzungenfür die Kindergeldfestsetzungen für volljährige Kinderkönnten auch vereinfacht werden. Dies würde den Ver-waltungsaufwand verringern und dazu beitragen, Bear-beitungsfehler zu verhindern.

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministerium)hat die Empfehlungen positiv aufgenommen und will aufBundesebene alle Ressorts für die Konzentration der Kin-dergeldbearbeitung gewinnen.

Es will auch die Länder dazu bewegen, zentrale Familien-kassen einzurichten.

Das Bundesministerium sollte auch initiativ werden, umdurchgreifende Vereinfachungen im materiellen Kinder-geldrecht für volljährige Kinder zu erreichen. Entspre-chende Vorschläge liegen vor und müssten vom Bundes-ministerium nur aufgegriffen werden.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

14 Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten kannverbessert werden

Die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstättenkann erheblich verbessert werden.

Zwei Bundesministerien – das Bundesministerium fürWirtschaft und Technologie (Bundesministerium) und dasBundesministerium für Bildung und Forschung – förder-ten Bau- und Beschaffungsmaßnahmen derselben Berufs-bildungsstätten. Das Bundesministerium förderte dieFortbildung im Jahre 2006 mit 25,5 Mio. Euro, währenddas Bundesministerium für Bildung und Forschung fürdie überbetriebliche Ausbildung im Jahre 2006 29 Mio.Euro einsetzte.

Weil die meisten Berufsbildungsstätten sowohl Fortbil-dung als auch Ausbildung anboten, erhielten sie Zuwen-dungen von beiden Bundesministerien. Obwohl die Maß-nahmen gleich und die Empfänger dieselben waren,hatten die Bundesministerien den Kreis der Antragstel-lenden und den Gegenstand der Förderung ohne sachli-chen Grund unterschiedlich festgelegt. Darüber hinaus

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/7100

hatte das Bundesministerium den Gegenstand und dieVoraussetzungen einer Förderung nicht konkret bestimmt.Dadurch wurden Antragstellende ungleich behandelt. DieFörderung bearbeiteten zwei nachgeordnete Behörden.Deshalb entstand unnötiger Verwaltungsaufwand.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, den Förderge-genstand und die Fördervoraussetzungen in einer einheit-lichen Richtlinie für beide Bundesministerien festzulegenund die verwaltungsmäßige Abwicklung von einer nach-geordneten Stelle bearbeiten zu lassen.

Der Aus- und Fortbildungsbedarf nahm stark ab. In vielenBerufen wurden die vorhandenen Kapazitäten kaum ge-nutzt. Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, den Be-darf zu analysieren und eine abgestimmte Bedarfsplanungzu entwickeln, die als Grundlage künftiger Förderent-scheidungen dient.

15 Gewinnung außenwirtschaftlicher Informationen unwirtschaftlich

Es ist unwirtschaftlich, dass sowohl das Korrespondenten-netz der Bundesagentur für Außenwirtschaft (Bundes-agentur) als auch die Auslandshandelskammern außen-wirtschaftliche Informationen beschaffen und deutscheWirtschaftsinteressen im Ausland vertreten. Der Bundes-rechnungshof empfiehlt, das Korrespondentennetz derBundesagentur aufzulösen und dessen Aufgaben auf dieAuslandshandelskammern zu übertragen. Dadurch könn-ten die Informationen besser und wirtschaftlicher gewon-nen werden.

Die Bundesagentur leitet von Deutschland aus ein Netzvon etwa 60 Auslandskorrespondenten an 40 Standorten.Von diesen erhält sie außenwirtschaftliche Informationen,bereitet sie auf und stellt sie deutschen Unternehmen zurVerfügung. Die Auslandskorrespondenten sollen zudemRepräsentationsaufgaben wahrnehmen und neben denWirtschaftsdiensten der Botschaften und den Vertreternder Auslandshandelskammern Ansprechpartner sein. Fürdas Korrespondentennetz der Bundesagentur stellt derBund jährlich rund 10 Mio. Euro zur Verfügung.

Die Auslandshandelskammern unterstützen an etwa120 Standorten Wirtschaftsbeziehungen durch Auskunfts-,Beratungs- und Organisationsdienste für die Wirtschaftund repräsentieren deutsche Wirtschaftsinteressen. Dazugehört auch die Versorgung deutscher Unternehmen mitWirtschaftsinformationen des jeweiligen Landes. DasBundesministerium für Wirtschaft und Technologie för-dert die Kammern mit etwa 30 Mio. Euro jährlich.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass sich dieTätigkeiten des Korrespondentennetzes und der Aus-landshandelskammern überschneiden. Dies ist auf Dauerunwirtschaftlich. Nach seiner Auffassung könnten dieAuslandshandelskammern durch ihr wesentlich größeresNetz mehr und flexibler Informationen beschaffen. Au-ßerdem könnten sie die Vertretung deutscher Wirtschafts-interessen im Ausland zusammenfassen.

Der Bundesrechnungshof hat daher empfohlen, mittelfris-tig das Auslandskorrespondentennetz der Bundesagenturaufzulösen. Dessen Aufgaben könnten weitgehend vonden Auslandshandelskammern übernommen werden.

16 Förderung von Weiterbildungs-angeboten im Tourismus verfehlt ihre Ziele

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) hat seit über 25 Jahren mehr alszwei Drittel der Ausgaben eines Vereins in Berlin geför-dert, der Seminare zur Weiterbildung von Beschäftigtenin der Tourismuswirtschaft veranstaltet. Die Förderunghat ihr Ziel verfehlt, die Wettbewerbsfähigkeit der mittel-ständischen Tourismuswirtschaft zu stärken, und war un-wirtschaftlich.

Die Seminare behandelten zu einem großen Teil allge-meine Themen ohne besonderen Bezug zum Tourismus.An den Seminaren nahmen überwiegend Personen teil,die nicht aus dem Gast- und Reisebürogewerbe kamen.Nur rund ein Drittel der Ausgaben des Vereins entfiel aufAusgaben für Weiterbildungsveranstaltungen.

Das Bundesministerium will zwar prüfen, ob ein Evalua-tionsauftrag zur Konzeption und Struktur des Vereins ver-geben werden soll. Der Bundesrechnungshof hält dies je-doch nicht für ausreichend. Es ist nicht die Aufgabe desBundes, dauerhaft einen Verein zu stützen, der die För-derziele im Wesentlichen verfehlt.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, die Förderung desVereins einzustellen und Weiterbildungsmaßnahmen überbereits bestehende Einrichtungen zu finanzieren.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

17 Deutsche Rentenversicherung Bund plant ihre neuen Verwaltungs-gebäude unwirtschaftlich

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund)kann zwei Neubauten in Berlin um rund 60 Mio. Euround damit ein Drittel der Gesamtkosten günstiger errich-ten. Dazu muss sie ihre deutlich überhöhten Raumforde-rungen auf das bei Bundesbauten übliche Maß verringernund wirtschaftlich umsetzen lassen.

Die DRV Bund ist eine Körperschaft des öffentlichenRechts mit Selbstverwaltung. Bauvorhaben der DRVBund bedürfen der Genehmigung des Bundesversiche-rungsamtes, einer dem Bundesministerium für Arbeit undSoziales (Bundesministerium) nachgeordneten Behörde.

Die DRV Bund plant, in der Nähe ihres Hauptsitzes inBerlin-Wilmersdorf zwei Verwaltungsgebäude mit Bau-kosten von über 180 Mio. Euro errichten zu lassen.

Die Planungen für die Neubauten sind nach Auffassungdes Bundesrechnungshofes äußerst unwirtschaftlich. Die

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Drucksache 16/7100 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

DRV Bund hat ihren Raumbedarf zu hoch angesetzt undnicht auf eine wirtschaftliche Planung und Gestaltung derGebäude geachtet. Erhebliche Einsparungen ließen sicherreichen, wenn die DRV Bund auf unnötige Flächen undLichthöfe, aufwendige Fassaden und technische Anlagensowie gläserne Aufzüge verzichtete.

Nach überschlägiger Berechnung des Bundesrechnungs-hofes ließen sich die Gebäude für die im Genehmigungs-antrag vorgesehene Anzahl von Büroarbeitsplätzen umrund 60 Mio. Euro und damit ein Drittel der Gesamtkos-ten günstiger errichten.

Das Bundesversicherungsamt hat dargelegt, die Vorhabenerst genehmigen zu wollen, wenn die Planungen überar-beitet worden sind. Das Bundesministerium hat daraufverwiesen, dass die DRV Bund die Raumbedarfpläne an-passen, planerisch umsetzen und die Kosten darstellenwerde.

Der Bundesrechnungshof begrüßt die von der DRV Bundzugesagten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und plane-rischen Darstellungen als ersten Schritt zu sparsamemBauen. Bei den anstehenden Umplanungen sollte dieDRV Bund die Hinweise des Bundesrechnungshofes be-achten, um wirtschaftlich zu bauen. Sie sollte insbeson-dere so viele Büroarbeitsplätze wie möglich im Gebäudeunterbringen und auf aufwendige Gestaltungen verzich-ten.

18 Grundsicherungsstellen gewährten Einstiegsgeld nach unterschiedlichen Maßstäben und zahlten es vielfach ohne Anspruch der Empfänger aus

Der Bundesrechnungshof hat erhebliche Mängel bei derGewährung von Leistungen zur Eingliederung arbeitslosererwerbsfähiger Hilfebedürftiger in Form des sogenanntenEinstiegsgeldes festgestellt. Die Grundsicherungsstellenzahlten oft Einstiegsgeld, obwohl die Hilfebedürftigendie gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllten. Außer-dem wurden die Leistungen unterschiedlich bemessen,sodass die Empfänger ungleich behandelt wurden.

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) und dieKommunen als Träger der Grundsicherung haben die er-werbsfähigen Hilfebedürftigen umfassend mit dem Zielzu unterstützen, deren Hilfebedürftigkeit zu überwinden.Die für die Grundsicherung zuständigen Stellen – Arbeits-gemeinschaften und zugelassene kommunale Träger –können finanzielle Anreize geben, um Hilfebedürftigendie Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. EinBeispiel hierfür ist das sogenannte Einstiegsgeld (§ 29Zweites Buch Sozialgesetzbuch – SGB II).

Das Einstiegsgeld kann gezahlt werden, wenn arbeitsloseerwerbsfähige Hilfebedürftige erwerbstätig werden unddadurch langfristig nicht mehr auf das Arbeitslosengeld IIangewiesen sind. Eine Förderung ist ausgeschlossen,wenn das erzielte Einkommen so niedrig bleibt, dass esfür den Lebensunterhalt der Hilfebedürftigen und der mitihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personennicht ausreicht, sondern die Hilfebedürftigkeit auf Dauer

nur mindert. Das Einstiegsgeld wird in der Praxis ganzüberwiegend bei Aufnahme einer selbstständigen Tätig-keit gewährt. Das Einstiegsgeld ist damit für Arbeitslo-sen-geld II-Empfänger das arbeitsmarktpolitische Instru-ment, das dem Gründungszuschuss im Bereich derArbeitslosenversicherung entspricht. Das Bundesministe-rium für Arbeit und Soziales (Bundesministerium) kanndurch Rechtsverordnung bestimmen, wie das Einstiegs-geld zu bemessen ist. Von dieser Ermächtigung hat es bis-lang keinen Gebrauch gemacht.

Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes zahltendie Grundsicherungsstellen in vielen Fällen Einstiegs-geld, obwohl die Voraussetzungen nicht vorlagen. Sie be-maßen die Höhe des Einstiegsgeldes nach unterschiedli-chen Kriterien. Einige legten z. B. die Regelleistungen fürAlleinstehende zur Sicherung des Lebensunterhalts zu-grunde. Andere trafen überhaupt keine Regelungen odersahen ein Einstiegsgeld nach monatlichen Pauschalenvor. Mehrere Grundsicherungsstellen senkten das Ein-stiegsgeld nach Höhe und Zeitablauf unterschiedlich ab.

Die Hilfebedürftigen hatten ihrem Antrag entweder keineoder nur unvollständige Unterlagen beigefügt. Außerdemwar nicht erkennbar, ob durch die neue Tätigkeit ihreHilfebedürftigkeit überwunden oder wenigstens gemin-dert werden konnte. Antragsteller, die sich selbstständigmachten, hatten in der Regel keine Stellungnahmen fach-kundiger Stellen vorgelegt, die die Tragfähigkeit ihrerExistenzgründung belegten.

Der Bundesrechnungshof hält die Stellungnahme einerfachkundigen Stelle für unerlässlich, damit die Grundsi-cherungsstellen den künftigen Erfolg einer Existenzgrün-dung beurteilen können. Dies hat sich bei der Förderungeiner selbstständigen Tätigkeit mit Überbrückungsgeldbzw. Existenzgründungszuschuss im Bereich der Arbeits-losenversicherung bewährt. Dadurch wird das Risiko ver-ringert, eine aussichtslose Existenzgründung zu fördern.

Außerdem hält es der Bundesrechnungshof für dringendnotwendig, durch Rechtsverordnung Kriterien zu bestim-men, nach denen sich die Höhe eines Einstiegsgeldes so-wie die Steigerungs- und Absenkungsmöglichkeiten bun-desweit richten. Nur so kann diese Leistung transparentgestaltet und die einheitliche Rechtsanwendung gewähr-leistet werden.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, den Grundsicherungsstellen aufzugeben, beiFörderung von Existenzgründungen durch Einstiegsgelddie Tragfähigkeitsbescheinigung einer fachkundigenStelle zwingend zu verlangen und von seiner Verord-nungsermächtigung zur Bemessung des EinstiegsgeldesGebrauch zu machen.

19 Leistungsbezahlung im Bereich der Bundesagentur für Arbeit nicht zielgerichtet

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) hat Zula-gen und Prämien für herausragende besondere Leistungen

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/7100

nicht zielgerichtet gewährt. Sie hat Regelungen zur Leis-tungsbezahlung grundlegend fehlerhaft angewendet. Siehat auch nicht untersucht, ob das Ziel der besonderen Re-gelungen, die Ergebnisse der Arbeitsvermittlung zu ver-bessern, erreicht wurde.

Beamtinnen und Beamte können für herausragende be-sondere Arbeitsleistungen Leistungszulagen und -prä-mien erhalten. Neben diesen allgemeinen Regelungenführte der Gesetzgeber für den Bereich der Arbeitsver-mittlung in der Bundesagentur besondere Regelungenein, die u. a. höhere Zulagen vorsahen. Dadurch solltendie Ergebnisse der Arbeitsvermittlung verbessert werden.Die Bundesagentur wendete diese Regelungen fehlerhaftan. Sie verstieß insbesondere gegen den Grundsatz, dassEntscheidungen über die Gewährung von Leistungszula-gen und -prämien vor Ort getroffen werden sollen und dieunmittelbaren Vorgesetzten einzubinden sind. Sie zahlteihren Beschäftigten Leistungsprämien gegen Kürzung ih-rer Arbeitszeitguthaben. Dies war unzulässig, weil mitLeistungsprämien keine Zeitguthaben abgegolten werdendürfen, sondern besondere Einzelleistungen honoriertwerden sollen. Die als Teamzulagen gewährten Leis-tungszulagen waren ebenfalls fehlerhaft, denn sie wurdenrückwirkend für mehr als drei Monate gewährt und in ei-ner Summe gezahlt. Die besten Teamleistungen ermitteltedie Bundesagentur anhand von Kennzahlen der Agentu-ren für Arbeit (Agenturen), die individuelle Leistung derBeschäftigten wurde nicht festgestellt. Dadurch konntenauch leistungsschwächere oder freigestellte Beschäftigte,die einem der ausgewählten Teams zugeordnet waren,eine Leistungszulage erhalten.

Die Bundesagentur führte inzwischen eine Mitarbeiterbe-fragung zur leistungsbezogenen Bezahlung durch undwill die Agenturen vor Ort über die Vergabe entscheidenlassen. Sie untersuchte nicht, ob das Ziel, die Ergebnisseder Arbeitsvermittlung zu verbessern, erreicht wurde.

Die Bundesagentur sollte die leistungsbezogene Bezah-lung künftig rechtlich einwandfrei umsetzen und dieErgebnisse systematisch evaluieren. Der Bundesrech-nungshof erwartet, dass das Aufsicht führende Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales künftige Verfahrenzur Vergabe leistungsorientierter Bezahlung bei der Bun-desagentur stärker als bisher begleitet.

20 Verfahren der Sozialversiche-rungswahlen weist erhebliche Legitimationsdefizite auf

Die Sozialversicherungswahlen führen nicht zu einer re-präsentativen und wirkungsvollen Beteiligung der wahl-berechtigten Versicherten. Insgesamt entstanden durchdie Sozialversicherungswahlen des Jahres 2005 Ausga-ben von mehr als 40 Mio. Euro.

In den Sozialversicherungswahlen wählen Versicherteund Arbeitgeber die Selbstverwaltungsorgane der Trägerder gesetzlichen Unfall-, Renten- und Krankenversiche-rung. Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes

● hatten sich bei 332 von 340 Versicherungsträgern diemit Wahllisten antretenden Organisationen bereits imWege der „Friedenswahl“, d. h. ohne Wahlhandlungauf die Mitglieder der Gremien geeinigt,

● ist es Versicherten, die auf sogenannten freien Listenkandidieren wollen, in der Praxis nahezu unmöglich,die bis zu 2 000 geforderten Unterstützerunterschrif-ten von Versicherten des jeweiligen Trägers nachzu-weisen,

● haben die Führungsgremien der antretenden Organisa-tionen auf die Auswahl der zur Wahl antretendenPersonen teilweise einen so hohen Einfluss, dassernsthafte Zweifel bestehen, ob dem demokratischenPrinzip bei der Kandidatenaufstellung noch genügtwird,

● werden Nachrücker für ausgeschiedene Mitglieder– auch wenn das Gremium aus echten Wahlen hervor-ging – ohne Beteiligung der Versicherten alleine durchdie Listenträger bestimmt. Die Wähler haben damitnicht das letzte Wort,

● lag trotz einer umfangreichen Werbekampagne und in-tensiver Öffentlichkeitsarbeit die Wahlbeteiligung beiden acht Versicherungsträgern, bei denen noch echteWahlen stattfanden, unter 30 %,

● gaben die Versicherungsträger für acht Wahlen 2005,insbesondere für Öffentlichkeitsarbeit und umfangrei-che Werbekampagnen, mehr als 40 Mio. Euro aus.Wenn es bei allen Trägern der gesetzlichen Rentenver-sicherung Wahlen mit Wahlhandlung gegeben hätte,wären nach ihrer Schätzung allein bei ihnen Kostenvon rund 86 Mio. Euro angefallen.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium fürArbeit und Soziales (Bundesministerium) auf die Defizitedes Wahlverfahrens hingewiesen. Ein vom Bundesminis-terium bereits initiiertes Projekt zur Modernisierung derSozialversicherungswahlen bietet Ansätze, die Mängel zubeseitigen. Der Bundesrechnungshof erwartet, dass dasBundesministerium das initiierte Projekt mit Nachdruckvorantreibt, um die vom Bundesrechnungshof aufgezeig-ten Legitimationsdefizite zu beseitigen.

21 Deutsche Rentenversicherung Bund koordiniert nicht ausreichend die Planung von Rehabilitations-maßnahmen

Seit der Neuordnung der Deutschen Rentenversicherungsind von ursprünglich 26 Trägern neun weggefallen. Umdie ihr anvertrauten Beitrags- und Steuermittel wirtschaft-licher zu verwenden, muss die Deutsche Rentenversiche-rung die Anzahl der noch notwendigen trägereigenen Re-habilitationskliniken neu festlegen und die Bettenbedarfs-und Belegungsplanung zwischen den Trägern wirksamkoordinieren.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV Bund) nimmtseit der Neuordnung der Deutschen Rentenversicherung

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auch Grundsatz- und Querschnittsaufgaben wahr. Bisherist sie diesen Aufgaben nicht ausreichend nachgekom-men. Die erforderlichen Entscheidungen hat sie nochnicht herbeigeführt.

Die verbliebenen 17 Träger der gesetzlichen Rentenversi-cherung (Rentenversicherungsträger, Träger) betreiben un-verändert rund 100 trägereigene Rehabilitationskliniken(Kliniken). Für höchstens ein Drittel der von ihnen ge-nehmigten Maßnahmen der medizinischen Rehabilitationsollen in den Kliniken Betten bereitgehalten werden.

Um die wirtschaftliche Verwendung der anvertrauten Bei-trags- und Steuergelder zu gewährleisten, hat sie daraufhinzuwirken, dass die Anzahl der noch notwendigen trä-gereigenen Kliniken neu festlegt wird. Zudem obliegt ihr,die Bettenbedarfs- und Belegungsplanung zwischen denTrägern wirksam zu koordinieren.

Der Bundesrechnungshof hatte bereits im Jahre 2004 ge-fordert, die notwendige Anzahl der trägereigenen Klinikenerstmals auf der Grundlage belastbarer Daten innerhalbeines Gesamtkonzeptes für die gesetzliche Rentenversi-cherung neu zu bestimmen. Hierzu sollte der Rehabilita-tionsbedarf indikationsbezogen umfassend und träger-übergreifend analysiert und bewertet werden. Die Reha-Planung sollte zwischen den Trägern abgestimmt undkoordiniert werden.

Im Dezember 2005 forderte auch das Bundesversiche-rungsamt als Aufsichtsbehörde von der DRV Bund eineumfassende indikationsbezogene Ist-Analyse (Gesamtbe-stand der privaten und trägereigenen Kliniken).

Die DRV Bund hat nunmehr Grundsätze zur Koordinie-rung der Reha-Planung beschlossen. Die Grundsätze se-hen vor, fünf Regionalverbünde der Träger zu schaffen.Die Verbünde – nicht mehr die einzelnen Träger – ent-scheiden über die Planung der ihnen regional zugeordne-ten Kliniken. Die DRV Bund ist mit jeweils einer Stimmein den Verbünden vertreten. Dadurch hat sie keinen ent-scheidenden Einfluss auf die dort vereinbarte Planung.Die vom Bundesrechnungshof und Bundesversicherungs-amt geforderte Analyse nebst verbindlichem Bedarfskon-zept lag nicht vor.

Der Bundesrechnungshof hält es für erforderlich, dass dasBundesministerium für Arbeit und Soziales (Bundesminis-terium) zunächst innerhalb seiner Aufsichtsbefugnissegegenüber der DRV Bund aktiv wird, soweit dieseGrundsatz- und Querschnittsaufgaben wahrnimmt. DasBundesministerium sollte die DRV Bund anhalten, ver-bindliche Planungsmaßstäbe für die Regionalverbündevorzugeben, um einheitliche, koordinierbare Planungs-daten zu erhalten. Weiterhin sollte die DRV Bund eine in-dikationsbezogene Ist-Analyse des Gesamtbestands allerKliniken und darauf aufbauend ein für alle Träger ver-bindliches Bedarfskonzept erstellen. Die dafür maßgeb-lichen Parameter sind offen zu legen. Nur so können derBettenbedarf- und die Belegung wirksam geplant und dienotwendige Anzahl trägereigener Kliniken sachgerechtbestimmt werden, um mit wettbewerbsfähigen Pflege-sätzen am Markt konkurrieren zu können.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

22 Bund verzichtet auf mindestens 190 Mio. Euro gegenüber der Deutschen Bahn AG

Der Bund hat hingenommen, dass sich die DeutscheBahn AG nicht an vertragliche Vereinbarungen hielt. Da-durch ist ihm ein Nachteil von mindestens 190 Mio. Euroentstanden.

Der Bund finanziert Investitionen in die Schienenwegeseiner Eisenbahnen. Im Jahre 1995 vereinbarten der Bundund die Deutsche Bahn AG den Bau und die Finanzie-rung der Neubaustrecke zwischen Köln und dem Rhein-Main-Gebiet. Der Bund begrenzte seine Finanzierungszu-sage auf 3 963 Mio. Euro, die die Deutsche Bahn AGnach Baufortschritt abrufen sollte. Mehrkosten hatte dieDeutsche Bahn AG zu tragen. Über rund 700 Mio. Eurofinanzieller Vorteile aus diesem Vorhaben für die Deut-sche Bahn AG hat der Bundesrechnungshof bereits demParlament berichtet.

Darüber hinaus hat der Bund weitere finanzielle Zuge-ständnisse eingeräumt:

● Die Deutsche Bahn AG vereinbarte mit den beauftrag-ten Baufirmen Vorauszahlungen und erreichte dadurchPreisnachlässe. Dem Vorteil der Preisnachlässe bei derDeutschen Bahn AG standen Zinsen für die vorzeitigeKapitalbereitstellung gegenüber, die der Bund zu tra-gen hatte. Nach Berechnungen des Eisenbahn-Bun-desamtes (Bundesamt) beliefen sich die zusätzlichenZinskosten für den Bund auf mindestens 37 Mio.Euro.

● Die Deutsche Bahn AG hat mit Zustimmung des Bun-desamtes einen Streckenabschnitt zwischen Köln-Deutz und Porz-Steinstraße nicht gebaut. Vom Bundhat die Deutsche Bahn AG die Mittel abgerufen, diefür den gesamten Bauabschnitt vorgesehen waren.Nach Schätzung des Bundesamtes hat die DeutscheBahn AG für den nicht gebauten Streckenabschnitt153 Mio. Euro erhalten. Das Bundesministerium fürVerkehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundesministe-rium) hat diese Mittel nicht zurückverlangt.

● Im Bahnhof Wiesbaden musste ein Bahnsteig verlän-gert werden, weil die auf der Neubaustrecke verkeh-renden Züge länger sind als herkömmliche Reisezüge.Diese Maßnahme wurde mit Zustimmung des Bundes-amtes durch zusätzliche Bundesmittel von 1,7 Mio.Euro finanziert, obwohl sie Bestandteil der Finanzie-rungsvereinbarung war.

Der Bundesrechnungshof erwartet vom Bundesministe-rium eine Prüfung, ob die zusätzlichen finanziellen Leis-tungen zurückgefordert werden können. Darüber hinaussollte das Bundesministerium alle weiteren rechtlichenKonsequenzen ziehen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/7100

23 Bund zahlt 60 Mio. Euro ohne Gegenleistung aus

Obwohl beim Ausbau der Bahnstrecke zwischen Ingol-stadt und München noch Arbeiten im Wert von 60 Mio.Euro ausstehen, hat das Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung (Bundesministerium) bereitsalle Mittel für dieses Projekt ausgezahlt.

Der Bund finanziert Investitionen in die Schienenwegeseiner Eisenbahnen. Im Jahre 1996 schlossen das Bundes-ministerium und die Deutsche Bahn AG eine Finanzie-rungsvereinbarung über den Ausbau der Bahnstreckezwischen Ingolstadt und München. Ein Eisenbahninfra-strukturunternehmen (Unternehmen) sollte den Ausbauim Jahre 2003 fertigstellen. Die Deutsche Bahn AG riefsämtliche Bundesmittel bis Ende 2003 ab, obwohl dasUnternehmen bisher einige Baumaßnahmen nicht ausge-führt hat. Beispielsweise baute es einige Streckenab-schnitte nicht für höhere Geschwindigkeiten aus. DasEisenbahn-Bundesamt schätzt den Wert der noch ausste-henden Arbeiten auf etwa 60 Mio. Euro.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumeine unzureichende Überwachung des Baufortschrittsvorgehalten. Außerdem hat er beanstandet, dass das Bun-desministerium von der Deutschen Bahn AG nicht ver-langt hat, den Ausbau fristgerecht und im vereinbartenUmfang fertigzustellen.

Der Bundesrechnungshof fordert das Bundesministeriumauf, mit der Deutschen Bahn AG einen verbindlichen Ter-min zu vereinbaren, bis zu dem der Ausbau abgeschlos-sen sein muss. Sollte der Ausbau nicht fertiggestellt wer-den, erwartet der Bundesrechnungshof, dass dasBundesministerium die ausgezahlten Mittel für die nochausstehenden Arbeiten einschließlich einer Verzinsungvon der Deutschen Bahn AG zurückfordert.

24 Bund bewilligt ohne Rechtsgrund 5,9 Mio. Euro für Bahnhofsvorplätze

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) hat entgegen den gesetzli-chen Bestimmungen für den Bau der Vorplätze des Bahn-hofs Berlin Südkreuz 5,9 Mio. Euro bereitgestellt.

Der Bund finanziert den Ausbau der Schienenwege.Bahnhofsvorplätze gehören nicht dazu. Sie dienen vor-rangig dem Öffentlichen Personennahverkehr, für den dieLänder zuständig sind. Dafür steht den Ländern gemäßArtikel 106a Grundgesetz ein Betrag aus dem Steuerauf-kommen des Bundes zu. Dennoch wies das Bundesminis-terium das Eisenbahn-Bundesamt schriftlich an, 5,9 Mio.Euro für den Bau der Vorplätze des Bahnhofs Berlin Süd-kreuz zu bewilligen. Dies verstößt gegen die gesetzlichenBestimmungen.

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass das Bundesminis-terium alle Möglichkeiten ausschöpft, um Bundesmittelzurückzufordern.

25 Einsparpotenzial bei Kennzeichnung von Seeschifffahrtsstraßen noch immer nicht ausgeschöpft

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) wendet jährlich über30 Mio. Euro für die Kennzeichnung der Seeschifffahrts-straßen auf. Ein dem Parlament seit Jahren angekündigtesKonzept zu deren Optimierung hat es noch immer nichtvorgelegt.

Der Bundesrechnungshof hatte dem Bundesministeriumbereits in seinen Bemerkungen 2001 empfohlen, dieKennzeichnung der Seeschifffahrtsstraßen mit schwim-menden Schifffahrtszeichen (Tonnen) flächendeckend zuprüfen. Der Rechnungsprüfungsausschuss des Haushalts-ausschusses des Deutschen Bundestages (Rechnungsprü-fungsausschuss) forderte das Bundesministerium darauf-hin auf, die Empfehlung umzusetzen und den sich dabeiergebenden Rationalisierungsspielraum zu nutzen. DasBundesministerium bestätigte im Februar 2003 in einemBericht an den Rechnungsprüfungsausschuss, dass einKonzept für die bedarfsgerechte Kennzeichnung von See-schifffahrtsstraßen mit Tonnen erarbeitet werde.

Im Juli 2006 legten die beiden Wasser- und Schifffahrts-direktionen Nord und Nordwest (Küstendirektionen) einKonzept vor, mit dem die Zahl der für Betrieb und Unter-haltung der Tonnen eingesetzten Schiffe von elf auf achtverringert werden könne. Sie räumten aber ein, dass esnoch weitere Optimierungsmöglichkeiten gebe. Das Bun-desministerium stimmte dem Konzept grundsätzlich zu.Wegen der noch ausstehenden Optimierungen ordnete esan, vier weitere Schiffe still zu legen.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Opti-mierungsbemühungen nicht umfassend sind und zudemin der falschen Reihenfolge geschehen. Es hätte nahe ge-legen, zunächst das im Februar 2003 angekündigte Kon-zept für die bedarfsgerechte Kennzeichnung von See-schifffahrtsstraßen mit Tonnen zu erarbeiten und dann dieFrage der für deren Unterhaltung erforderlichen Schiffezu klären. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb die Sys-temoptimierung bis heute nicht gelungen ist, obwohl sieerhebliche Einsparungen bewirken wird. Das Bundes-ministerium sollte sicherstellen, dass die Küstendirektio-nen das Konzept nunmehr zügig abschließen und umset-zen.

26 Bauauftrag in Millionenhöhe regel-widrig ohne Ausschreibung vergeben

Um kurzfristig zur Verfügung gestellte Bundesmittel aus-zunutzen, vergab die Straßenbauverwaltung des LandesSchleswig-Holstein Bauleistungen zur Sanierung einerBundesautobahn im Wert von 4,9 Mio. Euro ohne öffent-liche Ausschreibung.

Der Bundesrechnungshof hat dies als Verstoß gegen dasVergaberecht beanstandet. Die Straßenbauverwaltung er-

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leichterte mögliche Preisabsprachen und verstieß gegendie einschlägige Korruptionspräventionsrichtlinie. Einesolche Einschränkung des Wettbewerbs führt in der Regelzu einem unwirtschaftlichen Vergabeergebnis. Als beson-ders kritikwürdig sieht der Bundesrechnungshof an, dassdie fehlerhaften Entscheidungen vom Landesministeriumals Oberster Landesstraßenbaubehörde ausgingen. Dieshat eine negative Signalwirkung auf die nachgeordnetenBehörden.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) hat zwar dem Bundes-rechnungshof zugestimmt, dass die Bauleistungen hättenöffentlich ausgeschrieben werden müssen. Es nahm denRechtsverstoß des im Auftrag des Bundes tätigen Landesjedoch ohne weiteres hin.

Im Interesse eines ordnungsgemäßen und wirtschaftlichenStraßenbaus des Bundes muss das Bundesministerium da-für Sorge tragen, dass die Länder auch bei kurzfristigerMittelzuteilung die haushalts- und vergaberechtlichenVorschriften des Bundes einhalten. Der Bundesrech-nungshof erwartet, dass das Bundesministerium insbe-sondere Rechtsverstöße keinesfalls stillschweigend hin-nimmt, sondern gegenüber den Ländern auf einerrechtmäßigen Verwaltungspraxis besteht.

27 Baunutzungskosten bei Planung und Betrieb von Gebäuden des Bundes vernachlässigt

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) kann ganz überwiegendnicht beurteilen, ob die Gebäude in seinem Verantwor-tungsbereich wirtschaftlich geplant und betrieben wer-den. Bereits in der Planungs- und Genehmigungsphasefehlt es an einer vollständigen Darstellung und Erläute-rung der Baunutzungskosten. In der Betriebsphase erhebtdie Bauverwaltung diese Kosten überwiegend nicht voll-ständig und ordnungsgemäß. Daher hat sie nur wenigeMöglichkeiten, den Energieverbrauch der Gebäudesteuernd zu beeinflussen. Auch kann sie die „Energie-schleudern“ des Gebäudebestands nicht zuverlässig iden-tifizieren, um sie dann in dem Förderprogramm derBundesregierung zur energetischen Sanierung von bun-deseigenen Liegenschaften zu berücksichtigen.

Ein Vergleich der geplanten mit den nach Inbetriebnahmetatsächlich entstandenen Baunutzungskosten war auf-grund unvollständiger Daten nur in wenigen Fällen mög-lich. Eine Vergleichsrechnung des Bundesrechnungshofesergab, dass die in den geprüften Haushaltsunterlagen aus-gewiesenen Baunutzungskosten um rund 29,5 % höher zuveranschlagen gewesen wären. Dies entspricht alleine fürdie geprüften Liegenschaften einem Betrag von 5,3 Mio.Euro pro Jahr.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministeriumu. a. aufgefordert,

● nur noch Baumaßnahmen zu genehmigen, für dieBaunutzungskosten fachgerecht und vollständig ge-plant vorliegen, und

● auf den Liegenschaften des Bundes die Voraussetzun-gen für eine ordnungsgemäße, gebäudebezogene Be-triebsüberwachung zu schaffen.

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass es der Be-trachtung der Baunutzungskosten in der Vergangenheitnicht die erforderliche Wertschätzung und Aufmerksam-keit gewidmet habe. Auch sei die personelle und finan-zielle Ausstattung der für den Bund tätigen Betriebsüber-wachungsstellen, gemessen an den durchschnittlichenEnergiekosten, auf einem teilweise sehr niedrigenNiveau. Es habe bereits Maßnahmen eingeleitet, um denForderungen des Bundesrechnungshofes soweit wie mög-lich nachzukommen.

Bundesministerium der Verteidigung

28 Schwere Versäumnisse bei der Planung einer Halle zur Zielsimulation

Die Bundeswehr kann eine im Jahre 2004 übernommeneZielsimulationshalle bis heute nicht nutzen, weil bei de-ren Planung schwere Fehler gemacht worden sind. Fürdas Projekt hat sie bisher über 16 Mio. Euro ausgegebenund plant weitere Ausgaben, deren Erfolg zweifelhaft ist.Die nicht nutzbare Erprobungshalle verursacht Betriebs-kosten von 1,5 Mio. Euro pro Jahr. Mit der Zielsimulationsollten jährlich 4 Mio. Euro eingespart werden.

Die Zielsimulationshalle soll dazu dienen, Waffensys-teme kostengünstiger als bisher zu erproben. Unverzicht-barer Bestandteil ist eine Projektionswand, auf der mitHilfe von Lasern wirklichkeitsnahe Szenarien dargestelltwerden. Beim Betrieb der Laseranlage können sich Ver-unreinigungen, die auf der Projektionswand vorhandensind, einbrennen und diese irreparabel beschädigen.

Diese Problematik war dem Bundesministerium der Ver-teidigung (Bundesministerium) schon vor Baubeginn imJahre 1998 bekannt. Es griff sie jedoch erst auf, nachdembei der Abnahme der Projektionswand im Jahre 2004 auf-gefallen war, dass sich dort bereits Staub- und Rußparti-kel sowie ölhaltige Substanzen abgelagert hatten. Einespeziell entwickelte, mit Ohrenhaaren südamerikanischerRinder bestückte Reinigungsanlage, die das Bundesminis-terium für rund 1 Mio. Euro beschaffte, kann nur trockeneVerunreinigungen beseitigen. Hierauf hatte der Herstellerin seinem Angebot hingewiesen. Für ölhaltige Ver-schmutzungen auf der Projektionswand gibt es nach Aus-kunft des Bundesministeriums zurzeit kein geeignetesReinigungsgerät. Es beabsichtigt daher, die zu erproben-den Waffensysteme vor der Einfahrt in die Zielsimula-tionshalle reinigen zu lassen. Hierfür will es für 2,4 Mio.Euro eine Reinigungshalle anbauen.

Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass Schwierigkei-ten mit ölhaltigen Verschmutzungen auf der Projektions-

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wand dauerhaft zu vermeiden sind, indem die zu erpro-benden Waffensysteme gereinigt werden. Insbesonderewird so das Problem der bereits vorhandenen ölhaltigenAblagerungen nicht gelöst. Das Bundesministerium sollteschnellstmöglich ein Gesamtkonzept für das weitere Vor-gehen erarbeiten. Dabei ist zunächst zu klären, ob undwie das Problem der vorhandenen Ablagerungen gelöstwerden kann. Erst danach kann beurteilt werden, ob essinnvoll und notwendig ist, eine Reinigungshalle für dieWaffensysteme zu bauen, um künftige Verunreinigungenzu vermeiden.

29 Bundeswehr plant Unterkünfte ohne ausreichende Bedarfsprüfung

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat für die Schülerinnen und Schüler der Bundes-wehrfachschule München mehr Unterkünfte als benötigtgeplant. Wenn es sich bei der Planung dieser Unterkünfteam tatsächlichen Bedarf orientiert, kann es insgesamtrund 5,2 Mio. Euro einsparen. Dass die geplanten Über-kapazitäten durch erhöhte Teilnehmerzahlen bei anderenAusbildungsveranstaltungen ausgelastet werden, hat dasBundesministerium nicht nachgewiesen.

Im Rahmen eines langfristigen Kooperationsprojekts mitder Privatwirtschaft will das Bundesministerium eine Ka-serne in München sanieren lassen. Dort sollen u. a. Unter-künfte für die Schülerinnen und Schüler der Bundeswehr-fachschule entstehen. Den Bedarf für diese Unterkünftehatte das Bundesministerium indes nicht hinreichendsorgfältig ermittelt.

Auf die Kritik des Bundesrechnungshofes hat das Bun-desministerium erklärt, die geplanten Unterkünfte wür-den durch Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der soge-nannten Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildungausgelastet. Diese dient der Qualifizierung von Bewerbe-rinnen und Bewerbern für die Verwendung in der Bundes-wehr. Da hierfür am Standort München ein Schwerpunktgebildet werde, müssten sogar noch weitere Unterkünftegeschaffen werden.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes ist der zu-sätzliche Unterkunftsbedarf nicht nachgewiesen. Insbe-sondere ist nicht zu erkennen, dass das Bundesministe-rium ihn bei den kritisierten Planungen berücksichtigtund er deren Ergebnis beeinflusst hätte.

Einen echten Mehrbedarf hätte das Bundesministerium indie Konzeption des gesamten langfristigen Kooperations-projekts einbeziehen müssen. Der Bundesrechnungshofempfiehlt daher, zeitnah und vor Beginn baulicher Maß-nahmen den tatsächlichen Unterkunftsbedarf am StandortMünchen zu ermitteln. Sollte sich dabei ein die bisheri-gen Annahmen übersteigender Bedarf ergeben und aufdas Bauvolumen des Kooperationsprojekts auswirken, somüsste dessen Wirtschaftlichkeit unter den verändertenBedingungen noch einmal überprüft werden.

30 Wirtschaftlichkeit der Hard- und Softwarepflege bei Fregatten nicht ermittelt

Die Marine hat ohne Wirtschaftlichkeitsuntersuchungentschieden, die Pflege und Änderung der Hard- undSoftware für Fregatten ausschließlich von der Industriedurchführen zu lassen. Wie sich dies auf künftige Haus-halte auswirkt, hat sie nicht hinreichend ermittelt, obwohldie notwendigen Ausgaben erkennbar erheblich ansteigenwerden. Auch hat die Marine nicht ausreichend geprüft,wie sie ihre technische und wirtschaftliche Beurteilungs-kompetenz erhalten kann.

Um Informationen aufzubereiten, Befehle zu übermittelnund den Waffeneinsatz zu koordinieren, hat jede Fregatteein IT-gestütztes Führungs- und Waffeneinsatzsystem.Dieses muss regelmäßig gepflegt und angepasst werden,damit die Einsatzfähigkeit der Schiffe erhalten bleibt(Systempflege und -änderung).

Im Jahre 2004 wich die Marine von der bis dahin geübtenPraxis ab und vergab die Systempflege und -änderung andie Industrie, ohne vorher die Wirtschaftlichkeit unter-sucht zu haben. Absehbare erhebliche Mehrausgaben, dieerforderlich werden, sind im Bundeswehrplan nicht be-rücksichtigt. Mittelfristig sieht der Bundesrechnungshofdie Gefahr, dass die benötigten Finanzmittel nicht zurVerfügung stehen. Außerdem ist zu befürchten, dass dieMarine ihre über Jahre aufgebaute Kompetenz in diesemBereich verliert, die sie für die Vergabe von Aufträgenund die Abnahme der Leistungen dringend benötigt.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat zugesagt,die Wirtschaftlichkeit der Systempflege und -änderungkünftig zu untersuchen, bevor es sich auf eine Zusam-menarbeit mit der Industrie festlegt. Auch beabsichtigt esnunmehr zu ermitteln, mit welchem Aufwand die Marineals öffentlicher Auftraggeber diese Arbeiten zumindestkompetent begleiten kann.

Der Bundesrechnungshof hat darüber hinaus gefordert,die notwendigen Mittel für die Systempflege und -ände-rung korrekt in die Finanzplanung einzubringen. Außer-dem hält er es für erforderlich, möglichst bald über geeig-nete Maßnahmen zu entscheiden, um dem Anstieg dieserAusgaben entgegenzuwirken.

31 Führungsinformationssysteme der Bundeswehr können auch nach sechs Jahren Entwicklung nicht zusammenarbeiten

Die Bundeswehr will sicherstellen, dass die IT-gestütztenFührungsinformationssysteme von Heer, Luftwaffe undMarine zusammenarbeiten können. Dieses Ziel hat sieauch nach sechs Jahren Entwicklungsarbeit nicht erreicht.Stattdessen hat sie ein weiteres Führungsinformationssys-tem entwickelt, das derzeit nicht mit den bereits vorhan-denen Systemen zusammenarbeiten kann.

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Die Bundeswehr benötigt IT-gestützte Führungsinforma-tionssysteme, um ihre militärischen Führungsprozesse zuunterstützen. Diese Systeme führen dezentral eingege-bene Informationen zusammen, bereiten sie auf und stel-len sie bedarfsgerecht bereit, um z. B. die Befehlsgebungzu vereinfachen oder eine Gesamtlage darzustellen.

Mit einem Pilotprojekt beabsichtigte das Bundesministe-rium der Verteidigung (Bundesministerium), die vorhan-denen Führungsinformationssysteme mittelfristig in dieLage zu versetzen, durchgängig zusammenzuarbeiten.Langfristig wollte es diese Systeme zu einem gemeinsa-men Führungsinformationssystem für die gesamte Bun-deswehr zusammenführen. Die Bundeswehr entwickeltein dem Projekt jedoch zunächst ein neues Führungsinfor-mationssystem für internationale Einsätze. Weil dieseskeine Informationen mit den schon vorhandenen Syste-men austauschen kann, müssen Dienststellen teilweisemehrere Führungsinformationssysteme parallel einsetzen.Technische und inhaltliche Anforderungen an eine Har-monisierung der Systeme wurden bisher nicht abschlie-ßend festgelegt.

Nach wiederholter Kritik des Bundesrechnungshofes istdas Bundesministerium inzwischen von seinen ursprüng-lichen Plänen abgerückt. Es will nunmehr die vorhandenenFührungsinformationssysteme bis auf Weiteres beibehal-ten. Sie sollen in kleinen Schritten nach streitkräftege-meinsamen Vorgaben weiterentwickelt werden.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Führungsinfor-mationssysteme erst dann weiterzuentwickeln, wenn dasBundesministerium die notwendigen technischen und in-haltlichen Anforderungen festgelegt hat. Außerdem sollteorganisatorisch sichergestellt werden, dass die Bundes-wehr die daraus folgenden Vorgaben beachtet, wenn siedie Systeme weiterentwickelt.

32 Bundeswehr will die Ladeflächen von bis zu 30 Jahre alten Lastkraftwagen mit nahezu unbrauchbaren Sitzen ausstatten

Die Bundeswehr beabsichtigt, die Ladeflächen von bis zu30 Jahre alten Lastkraftwagen (Lkw) mit neuen Sitzen fürden Transport von Soldatinnen und Soldaten auszustatten.Diese Sitze sind nahezu unbrauchbar. Im Inland werdendie Lkw zudem nicht benötigt und für Auslandseinsätzemit schlechter Sicherheitslage sind sie ungeeignet. DieBundeswehr sollte deshalb auf die Sitze verzichten unddie Lkw aussondern. Hierdurch könnte sie 4,5 Mio. Eurosparen.

Bis zum Jahre 2004 beförderte die Bundeswehr Soldatin-nen und Soldaten auch auf Lkw, auf deren Ladeflächeneinfache Holzbänke montiert waren. Aus Sicherheits-gründen durften die Holzbänke danach nicht mehr zurPersonenbeförderung verwendet werden. Die Bundes-wehr ließ deshalb für ihre bis zu 30 Jahre alten Lkw Sitz-module mit je acht Sitzen entwickeln, die den gestiegenenSicherheitsanforderungen gerecht werden sollten. Bisheute beschaffte die Bundeswehr 375 dieser Sitzmodule.

Die Bundeswehr beabsichtigt, bis Ende 2008 weitere 205Sitzmodule zu beschaffen. Einschließlich der Kosten fürden Einbau und die Instandsetzung der für den Personen-transport vorgesehenen alten Lkw würde sie 4,5 Mio.Euro aufwenden müssen.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass die mit denneuen Sitzen ausgerüsteten Lkw nur sehr eingeschränktverwendet werden können. So stufte die Infanterieschuleder Bundeswehr die neuen Sitze für den Transport vonSoldatinnen und Soldaten nur als „eingeschränkt geeig-net“ ein. Das Bundesministerium der Verteidigung sahsich zudem aus Sicherheitsgründen veranlasst, die Nut-zung der umgerüsteten Fahrzeuge auf den unmittelbarenmilitärischen Auftrag und die dafür erforderliche Ausbil-dung zu beschränken. Heute werden die umgerüstetenLkw deshalb nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehrzur Personenbeförderung eingesetzt. Im Inland verfügtdie Bundeswehr zudem über ausreichende Transportka-pazitäten. Da die umgerüsteten Lkw nicht vor Minen undähnlichen Bedrohungen geschützt sind, sind sie für Aus-landseinsätze mit schlechter Sicherheitslage ungeeignet.

Der Bundesrechnungshof hat deshalb empfohlen, keineweiteren Lkw mit Sitzmodulen auszustatten und die Lkwauszusondern.

33 Planungsmängel führen zu unzweck-mäßiger Ersatzteilbevorratung bei der Luftwaffe

Seit 20 Jahren ist es der Luftwaffe nicht gelungen, einstandardisiertes Verfahren zur Ermittlung des sogenann-ten Ersatzteilerstbedarfs einzuführen. Mit einem solchenVerfahren könnte sie kostengünstig die Einsatzbereitschaftvon Waffensystemen in der ersten Zeit der Nutzung si-chern. Stattdessen haben unterschiedliche Verfahren dasRisiko von Fehlentscheidungen bei der Beschaffung derErsatzteilvorräte erhöht.

Werden neue Waffensysteme in Betrieb genommen, so istein bestimmter Erstvorrat an Ersatzteilen notwendig, umihre Einsatzbereitschaft von Anfang an sicherzustellen.Da zu diesem Zeitpunkt häufig nur lückenhafte Informa-tionen über die Waffensysteme vorliegen, enthält dieFestlegung des Bedarfs für den Erstvorrat (Ersatzteilerst-bedarf) Risiken, die es zu mindern gilt.

Bereits im Jahre 1987 hatte die Luftwaffe festgestellt,dass ein dokumentiertes, verbindliches Verfahren zurFestlegung des Ersatzteilerstbedarfs fehlte. Die zuständi-gen Bearbeiterinnen und Bearbeiter waren vielmehr ge-zwungen, individuelle Entscheidungen zu treffen, diedurch persönliche Erfahrungen und subjektive Annahmengeprägt waren. Daher plante und versuchte die Luftwaffe,ein standardisiertes Verfahren einzuführen. Ab dem Jahre1991 stand ihr eine unterstützende Software zur Verfü-gung. Obwohl sie für deren Einführung und Pflege bisherrund 5,5 Mio. Euro ausgab, zog sie daraus keinen erkenn-baren Nutzen. Auch verzichtete die Luftwaffe selbst beibesonders teuren Ersatzteilen darauf, ihre Planungen im

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Nachhinein systematisch auszuwerten, um Erfahrungenfür künftige Projekte zu nutzen.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, ein standardi-siertes Verfahren zur Festlegung des Ersatzteilerstbedarfsnunmehr zeitnah einzuführen. Dabei sollte die Nutzungder angeschafften Software umfassend geregelt werden,sofern diese nachweislich zur Unterstützung des Verfah-rens geeignet ist.

34 Geplante Organisation der Eurofighter-Geschwader ist rund 1,2 Mrd. Euro zu teuer

Die Bundeswehr will ihre neuen Kampfflugzeuge vomTyp Eurofighter in fünf Geschwadern betreiben, obwohlfür den Betrieb drei Geschwader ausreichend wären. Au-ßerdem rechnet sie mit einer unrealistisch hohen Zahl vonFlugstunden für die Eurofighter-Flotte. Insgesamt führendiese Planungen zu einer um rund 1,2 Mrd. Euro überteu-erten Organisation der Eurofighter-Geschwader.

Die Bundeswehr beabsichtigt, bis zur Mitte des nächstenJahrzehnts 180 Eurofighter zu beschaffen. Für die fünf ge-planten Luftwaffengeschwader sieht sie rund 5 800 Dienst-posten vor. Erfahrungen der Marine mit dem Kampfflug-zeug Tornado haben gezeigt, dass in einem Geschwadereine weit höhere als die von der Luftwaffe vorgeseheneAnzahl derartiger Kampfflugzeuge betrieben werdenkann.

Bis heute erreichte die Luftwaffe mit den bereits ausgelie-ferten Eurofightern bei Weitem nicht die vorgesehenejährliche Flugstundenzahl. Trotzdem plant sie, die Euro-fighter-Geschwader personell noch für deutlich mehrFlugstunden auszustatten.

Bei nur drei Geschwadern und realistischer Planung derFlugstunden könnten Personalausgaben von jährlich rund70 Mio. Euro eingespart werden. Über die geplante Nut-zungszeit der Eurofighter von 25 Jahren summieren sichdie möglichen Einsparungen abgezinst auf rund 1,2 Mrd.Euro.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen,

● die 180 Eurofighter in drei statt fünf Geschwadern zubetreiben,

● bei den Planungen von einer realistischen, höchstensaber der bisher vorgesehenen Flugstundenzahl auszu-gehen sowie

● die Personalstruktur entsprechend anzupassen und dasaufgezeigte Einsparpotenzial auszuschöpfen.

35 Trotz freier militärischer Kapazitäten 2 Mio. Euro für gewerbliche Luftab-fertigung ausgegeben

Für die Abfertigung von Lufttransporten nach Afghanis-tan hat die Bundeswehr in den Jahren 2005 und 2006 ins-gesamt 2 Mio. Euro an gewerbliche Anbieter gezahlt, ob-

wohl ihre eigenen Luftumschlagkapazitäten seit Jahrennicht ausgelastet sind. Ein Teil dieser Ausgaben bestandaus überhöhten Pauschalzahlungen. Ihren Bedarf an Luft-umschlagleistungen hat sie bisher weder umfassend er-mittelt noch ein Konzept entwickelt, wie er mit eigenenoder gewerblichen Kapazitäten gedeckt werden kann.

Zum sogenannten Luftumschlag gehört insbesondere dasAbfertigen von Flugzeugen einschließlich des Be- undEntladens. Obwohl die Bundeswehr ihren Bedarf an sol-chen Leistungen nicht genau kennt, stehen hierfür alleinbei der Luftwaffe 268 Personen zur Verfügung, die proJahr 10 Mio. Euro kosten. Sie waren seit dem Jahre 1998im Schnitt nicht einmal zur Hälfte ausgelastet. Trotzdembeauftragte die Bundeswehr zusätzlich gewerbliche An-bieter damit, Lufttransporte nach Afghanistan abzuferti-gen. Dabei stellte sie Anfang 2006 von der Einzelabrech-nung auf eine Pauschale von 2 000 Euro für das Be- undEntladepersonal pro Abfertigung eines Flugzeuges um.Bis dahin hatte sie dafür durchschnittlich nur halb so vielbezahlt.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen,

● den Bedarf an Luftumschlagleistungen umgehend zuermitteln und auf dieser Grundlage den optimalen Mixvon militärischen und kurzfristig verfügbaren gewerb-lichen Kapazitäten festzulegen,

● sicherzustellen, dass die verbleibenden militärischenLuftumschlagkräfte ausgelastet werden sowie

● die überhöhte Pauschale für gewerbliche Luftum-schlagleistungen so bald wie möglich zu reduzierenoder wieder auf Einzelabrechnung umzustellen.

36 Konzentration der Objektschutzkräfte in der Streitkräftebasis notwendig

Entgegen den Grundsätzen der Bundeswehrkonzeption,die ein gemeinsames Denken und Handeln für die ge-samte Bundeswehr fordern, hält die Luftwaffe an eigenenObjektschutzkräften fest. Wirksamer und wirtschaftlichwäre es, auch diese Kräfte in der sogenannten Streitkräf-tebasis zu konzentrieren. Dorthin sind bereits Aufgabendes Objektschutzes aus anderen Bereichen der Bundes-wehr verlagert worden.

Typische Aufgaben aller Objektschutzkräfte der Bundes-wehr sind z. B. das Bewachen und Sichern militärischerAnlagen (einschließlich Flugabwehr), der Brandschutzsowie ggf. das Beseitigen von Kampfmitteln und Schä-den. Für diese Aufgaben werden sie überwiegend ge-meinsam ausgebildet.

Im Jahre 2000 wurde bei der Bundeswehr der Organisati-onsbereich Streitkräftebasis eingerichtet, um gleichartigeAufgaben zu bündeln, die bis dahin bei Heer, Luftwaffeund Marine jeweils gesondert erledigt wurden. Auch dieAufgaben des Objektschutzes sind geeignet, zusammen-gefasst in der Streitkräftebasis wahrgenommen zu wer-den. Während dorthin vergleichbare Aufgaben des Heeresbereits verlagert wurden, beließ das Bundesministeriumder Verteidigung (Bundesministerium) sämtliche Objekt-

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schutzkräfte der Luftwaffe in deren Bereich und fasste siein einem neuen Regiment zusammen. Diese Kräfte sindbisher nur bedingt einsatzfähig, weil sie personell undmateriell nicht hinreichend ausgestattet wurden.

Das Bundesministerium hat es abgelehnt, die Objekt-schutzkräfte der Luftwaffe in die Streitkräftebasis zu inte-grieren. Dadurch erhöhe sich der Koordinierungsaufwandim Einsatz; außerdem handele es sich um hoch speziali-sierte, luftwaffenspezifische Einheiten.

Der Bundesrechnungshof hat bekräftigt, dass alle Objekt-schutzkräfte, die derzeit noch der Luftwaffe zugeordnetsind, in der Streitkräftebasis konzentriert werden sollten.Nach seinen Erkenntnissen stehen spezielle Anforderun-gen der Luftwaffe dem nicht entgegen. Auch sieht er überdie ohnehin notwendige Einsatzkoordinierung hinaus kei-nen nennenswerten Mehraufwand, der die wirtschaftli-chen Vorteile einer Konzentration in Frage stellen könnte.

37 Angebliche Privatisierungsvorteile behindern interne Optimierung einer Luftwaffenschule

Die Bundeswehr lässt erhebliches Einsparpotenzial beimBetrieb einer Luftwaffenschule ungenutzt, weil sie nochauf unrealistisch günstige Angebote privater Koopera-tionspartner hofft. Die geplante Privatisierung der Schulehat sie mit einem Kostenvorteil begründet, der jedoch aufeinem mangelhaften Wirtschaftlichkeitsvergleich be-ruhte. Nach dessen Korrektur kehrt sich der Kostenvorteilum und liegt bei einem Betriebsmodell, das die interneOptimierung der Schule vorsieht (Optimiertes Eigen-modell).

Im Auftrag der Bundeswehr entwickelte ein externer Be-rater im Jahre 2004 ein sogenanntes Kooperationsmodellfür die Privatisierung und führte einen Wirtschaftlich-keitsvergleich mit dem Optimierten Eigenmodell durch.Danach wies das Kooperationsmodell über einen Zeit-raum von zehn Jahren einen Kostenvorteil von rund110 Mio. Euro auf. Der Wirtschaftlichkeitsvergleich ent-hielt jedoch Mängel, z. B. vernachlässigte er verschie-dene Kostenarten und ging von weit überhöhten Gewin-nen aus Geschäften mit Dritten aus. Bei vollständigerKorrektur der Mängel kehrt sich der Kostenvorteil umund liegt mit rund 105 Mio. Euro beim OptimiertenEigenmodell. Obwohl die geplante Privatisierung damitunwirtschaftlich ist, bereitet die Bundeswehr eine Aus-schreibung für das Kooperationsmodell vor, anstatt um-gehend die Einsparmöglichkeiten des OptimiertenEigenmodells zu nutzen.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen,

● sämtliche Mängel des Wirtschaftlichkeitsvergleichsvollständig zu korrigieren und auf dieser Grundlage

● die Arbeiten am Kooperationsmodell einzustellen, be-vor diese weitere Kosten verursachen sowie

● das Einsparpotenzial des Optimierten Eigenmodellsumgehend zu erschließen.

38 Nutzlose Bunkeranlage kostet die Bundeswehr jährlich rund 1,7 Mio. Euro

Bis Ende 2009 wollte die Bundeswehr zu Versorgungs-zwecken eine unterirdische Bunkeranlage weiter betrei-ben, obwohl diese seit dem Jahre 2004 militärisch nichtmehr notwendig ist. Die jährlichen Betriebskosten liegenbei rund 1,7 Mio. Euro. Trotz mehrjähriger Planung isteine kostengünstige Alternativlösung nicht erkannt wor-den.

Die Bunkeranlage ist Teil eines Gesamtkomplexes unddiente der Luftüberwachung. Aus ihr wurden bisherandere, oberirdische Bauwerke mit Strom und Fernmel-dedaten versorgt. Bereits im Jahre 2001 hatte das Bundes-ministerium der Verteidigung (Bundesministerium) ent-schieden, dass die Anlage ab Anfang 2004 nicht mehrbenötigt wird. Die Umsetzungsplanungen hierzu zogensich bis zum Jahre 2006 hin. Sie sahen umfangreicheBaumaßnahmen vor, die im Jahre 2007 beginnen und erstEnde 2009 abgeschlossen sein sollten.

Das Bundesministerium und weitere Behörden suchtennicht nach Möglichkeiten, die teure Anlage schneller zuschließen. Dabei wäre es mit Hilfe einer anderen Bau-variante kurzfristig möglich, die Strom- und Fernmelde-versorgung des Gesamtkomplexes von der Bunkeranlageunabhängig zu machen. Letztere könnte dann stillgelegtund ihre erheblichen Betriebskosten könnten eingespartwerden.

Das Bundesministerium ist der Auffassung, dass die Pla-nungen angesichts der Gesamtumstände sachgerecht undverzugsfrei durchgeführt wurden. Es hat aber die Anre-gung des Bundesrechnungshofes aufgegriffen, die Bau-maßnahmen so zu gestalten, dass die Bunkeranlage fürdie Strom- und Fernmeldeversorgung schneller entbehr-lich wird.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen

● die Bunkeranlage so schnell wie möglich stillzulegensowie

● die Ursachen für die lange Dauer der Planungen undderen unwirtschaftliches Ergebnis zu klären und mitBlick auf künftige Fälle für Abhilfe zu sorgen.

39 Interessenkonflikt bei der Zulassung militärischer Flugzeuge kann Flug-sicherheit gefährden

Bei der Entwicklung und Zulassung von Flugzeugen derBundeswehr kann ein und dieselbe Person sowohl dieAufgaben des vorhabenbegleitenden Ingenieurs als auchdiejenigen des Musterprüfers wahrnehmen. Die bundes-wehrinternen Regelungen für das Prüf- und Zulassungs-wesen schließen den daraus entstehenden Interessenkon-flikt nicht aus. Die für die Flugsicherheit notwendige

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Unabhängigkeit der Musterprüfung ist so nicht sicherge-stellt.

Zweck einer Musterprüfung ist es festzustellen, ob ein be-stimmter Typ eines Luftfahrzeugs verkehrssicher undluftfahrttauglich ist. Dazu muss der Hersteller währendder Entwicklung und Erprobung eine Reihe von Nach-weisen erbringen, die ein Ingenieur abschließend unab-hängig und weisungsfrei zu prüfen hat.

Musterprüfer der Bundeswehr nahmen zugleich Aufga-ben eines Vorhabeningenieurs wahr. Sie begleiteten vonAnfang an die Entwicklung von Flugzeugtypen, die siespäter prüften. So bewerteten sie z. B. Entwicklungsfort-schritte, forderten Änderungen ein und arbeiteten dabeiauch mit den Technikverantwortlichen der Hersteller zu-sammen. Am Ende überprüften sie das Ergebnis dieserEntwicklung und somit letztlich auch sich selbst. Der da-mit verbundene Interessenkonflikt ist mit dem Zweck ei-ner Musterprüfung unvereinbar.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat einen Inte-ressenkonflikt bei der Musterprüfung von Luftfahrzeugenbestritten. Flugzeuge zu entwickeln und die erforderli-chen Nachweise zu führen, sei nicht Aufgabe des Prüf-personals, sondern allein der Hersteller.

Wenn Musterprüfer die Entwicklung von Flugzeugen vonAnfang an begleiten und dabei mit den Herstellern zu-sammenarbeiten, so nehmen sie typische Aufgaben einesVorhabeningenieurs wahr. Dessen Ziel ist jedoch im We-sentlichen der Fortschritt des Vorhabens. Der Interessen-konflikt mit den ausschließlich sicherheitsorientiertenZielen der Musterprüfung liegt auf der Hand. Der Bun-desrechnungshof hat daher empfohlen, in den Regelun-gen des Prüf- und Zulassungswesens eine eindeutige undstrikte Trennung zwischen den Tätigkeiten eines Vorha-beningenieurs und denjenigen eines Musterprüfers festzu-legen und dafür zu sorgen, dass dies in der Praxis aucheingehalten wird.

40 Unklare Vorschriftenlage führt zu nicht gerechtfertigten Zulagen an Beschäftigte der Bundeswehr

Die Bundeswehr hat im Bereich der Fernmeldeaufklärungund Elektronischen Aufklärung unberechtigt Stellenzula-gen gezahlt, indem sie ihre Vorschriften zum Teil nichtbeachtete oder unterschiedlich auslegte. Die Vorschriftensind nicht deutlich genug gefasst und berücksichtigenneue Entwicklungen nicht.

Beschäftigte der Bundeswehr, die im Bereich der Fern-meldeaufklärung und Elektronische Aufklärung einge-setzt werden, können eine Stellenzulage erhalten. Nachden Durchführungshinweisen des Bundesministeriumsder Verteidigung (Bundesministerium) darf die Zulagenur bei bestimmten Dienststellen oder nach vorherigerZustimmung des Bundesministeriums gewährt werden.Diese Zulage erhielten aber auch Beschäftigte aus anderen

Dienststellen, ohne Zustimmung des Bundesministeriumsund in einem nicht zulagenberechtigten Aufgabengebiet.Die Dienststellen legten die Durchführungshinweise un-terschiedlich aus, da die Voraussetzungen für die Stellen-zulage nicht eindeutig festgelegt waren. Auch waren dieHinweise nicht den neuen Entwicklungen angepasst.

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass die Zulagenteilweise noch auf der Grundlage eines veralteten undnicht mehr gültigen Erlasses bewilligt wurden. Es habedie zuständigen Dienststellen angewiesen, unrechtmäßigeZahlungen sofort einzustellen und Rückforderungs-ansprüche zu prüfen. Das Bundesministerium hat bestätigt,dass seine Hinweise nicht ausreichend die Voraussetzun-gen für die Zahlungen festlegten und neue Entwicklungennicht berücksichtigten.

Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass eine unbe-rechtigte Zahlung der Zulage vermieden werden kann,wenn die einschlägigen Vorschriften regelmäßig evaluiertund an neue Entwicklungen angepasst werden. Das Bun-desministerium sollte die Überprüfung der unberechtigtenZahlungen zügig abschließen und die Regelungen über-arbeiten, damit ihre Anwendung erleichtert und die Qua-lität der Bearbeitung der Zulage verbessert werden kann.

Bundesministerium für Gesundheit

41 Verwaltungsverfahren bei der Erstattung von Zuschüssen zum Mutterschaftsgeld aufwendig und fehleranfällig

Das Verfahren zur Erstattung der von den gesetzlichenKrankenkassen gezahlten Zuschüsse zum Mutterschafts-geld durch den Bund ist verwaltungsaufwendig. Es sollteaufgegeben werden. Die Zuschüsse sollten pauschal vomBund abgegolten werden.

Frauen erhalten von der gesetzlichen Krankenkasse, de-ren Mitglied sie sind, Mutterschaftsgeld. Für diese undandere versicherungsfremde Leistungen erhalten dieKrankenkassen aus dem Bundeshaushalt eine pauschaleErstattung, die in den Jahren 2007 und 2008 jeweils2,5 Mrd. Euro beträgt. Die Aufwendungen der Kranken-kassen für das Mutterschaftsgeld werden nicht einzeln ab-gerechnet.

Befinden sich Frauen, die Mutterschaftsgeld erhalten, ineinem ungekündigten Arbeitsverhältnis, hat der Arbeitge-ber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld zu zahlen.Wenn der Arbeitgeber nach einer Kündigung oder wegenInsolvenz nicht zahlt, so leistet bei Frauen, die Mitgliedeiner gesetzlichen Krankenkasse sind, zunächst die Kasseden Zuschuss. Das Bundesversicherungsamt (BVA) er-stattet den Krankenkassen die geleisteten Zahlungen.

Das Erstattungsverfahren ist verwaltungsaufwendig, weildas BVA die Aufwendungen der Krankenkassen nichtpauschal, sondern einzelfallbezogen erstattet. Fehler der

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Drucksache 16/7100 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Krankenkassen bei der Anspruchsprüfung erkennt dasAmt oft nicht, weil die Krankenkassen keine prüfungsge-eigneten Unterlagen vorlegen müssen. Eine Neuregelungdes Erstattungsverfahrens, welche die Ordnungsmäßig-keit der Entscheidungen sicherstellt, wäre mit einem zu-sätzlichen Arbeitsaufwand für die Krankenkassen und fürdas BVA verbunden.

Deshalb hat der Bundesrechnungshof beim Bundesminis-terium für Gesundheit angeregt, die Trennung der beidenErstattungsverfahren aufzugeben und die Erstattung desZuschusses zum Mutterschaftsgeld in die pauschale Er-stattung des Mutterschaftsgeldes einzubeziehen. Er ist derAuffassung, dass man ein nicht zwingend erforderliches,aufwendiges und fehleranfälliges Verwaltungsverfahrenabschaffen sollte. Es gibt keinen Grund, die Erstattungdes Mutterschaftsgeldes einerseits und des Zuschusseszum Mutterschaftsgeld andererseits für Mitglieder gesetz-licher Krankenkassen unterschiedlich zu behandeln. Mut-terschaftsgeld und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ha-ben denselben familienpolitischen Zweck und werdenvon den gesetzlichen Krankenkassen für ihre Mitgliedererbracht. Den Einwand, der Bund dürfe den Krankenkas-sen keine zusätzlichen finanziellen Lasten aufbürden, hältder Bundesrechnungshof angesichts der Beträge nicht fürstichhaltig. Die Erstattungen des Zuschusses zum Mutter-schaftsgeld im Jahre 2006 beliefen sich auf 325 000 Euro.Die pauschale Erstattung des Mutterschaftsgeldes und an-derer versicherungsfremder Leistungen beträgt derzeit2,5 Mrd. Euro mit steigender Tendenz.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

42 Einnahmeausfälle bei Bund und Ländern durch unzureichende Heranziehung von Unterhalts-pflichtigen im Ausland

Die Unterhaltsvorschussstellen bei den Jugendämtern ha-ben Unterhaltspflichtige, die im Ausland leben, nicht zurZahlung von Unterhalt herangezogen, weil sie derschwierigen Rechtsverfolgung nicht gewachsen sind.Dies hat zur Folge, dass Bund und Ländern Einnahmenvon 250 Mio. Euro verloren gehen.

Kinder unter zwölf Jahren erhalten Leistungen nach demUnterhaltsvorschussgesetz, wenn sie bei einem allein er-ziehenden Elternteil leben und der andere Elternteil kei-nen oder keinen ausreichenden Unterhalt an das Kindzahlt. In diesen Fällen geht der Unterhaltsanspruch desKindes auf den Staat über, der dann den Unterhalt gegen-über dem Unterhaltspflichtigen geltend macht. Dafür zu-ständig sind die Unterhaltsvorschussstellen bei den kom-munalen Jugendämtern.

Um einen Unterhaltsanspruch im Ausland durchzusetzen,müssen die Unterhaltsvorschussstellen eine Fülle vonRechtsfragen klären, die sich aus Vorschriften des inter-

nationalen Zivil- und Zivilprozessrechts, des EU-Ge-meinschaftsrechts sowie internationalen Abkommen er-geben. Neben der Beherrschung dieses verzweigten undkomplizierten Rechtsgebietes ist Erfahrung im Umgangmit ausländischen Behörden und Gerichten erforderlich.

Die Unterhaltsvorschussstellen setzten ihre Forderungengegenüber Unterhaltsschuldnern im Ausland nicht durch.Zum einen wussten sie nicht, welche rechtlichen Schrittesie im Einzelnen zu vollziehen hatten. Zum anderen er-schien ihnen der Aufwand häufig zu hoch und nicht loh-nend. Deshalb versuchten sie erst gar nicht, die Forderungengeltend zu machen. Den Kontakt zu den Unterhaltspflich-tigen konnten sie allenfalls in den Einzelfällen herstellen,in denen eine deutsche Vertretung im Ausland Amtshilfeleistete. Das Auswärtige Amt verwehrte die Amtshilfeaber in der Regel dann, wenn z. B. Urkunden ausgehän-digt oder Schriftstücke zugestellt werden sollten, weil da-für nicht die Auslandsvertretungen, sondern die in demausländischen Staat eingerichteten Verbindungsstellenzuständig sind.

Der Bundesrechnungshof hat die Rückgriffsquote von imAusland lebenden Unterhaltspflichtigen als nicht zufrie-denstellend angesehen und kritisiert, dass die Unterhalts-vorschussstellen entweder von vornherein von einemAuslandsrückgriff absahen oder aber untaugliche Mitteldafür einsetzten. Die zuständigen kommunalen Jugend-ämter verfügten nicht über das Spezialwissen, um Aus-landsfälle sachgerecht bearbeiten zu können. Der Bundes-rechnungshof hat deshalb vorgeschlagen, die Bearbeitungvon Auslandsfällen auf wenige Stellen in den Ländern zukonzentrieren. Er hält es auch rechtspolitisch für bedenk-lich, wenn die im Ausland lebenden Unterhaltsschuldnersich nur deshalb ohne Schwierigkeiten ihren Verpflich-tungen entziehen können, weil die Unterhaltsvorschuss-stellen nicht wissen, wie sie die Auslandsfälle bearbeitenmüssen.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauenund Jugend (Bundesministerium) hat die vom Bundes-rechnungshof aufgezeigten Mängel mit den Ländern erör-tert. Es hat eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die eineHandlungsanleitung für die Bearbeitung von Unterhalts-ansprüchen im Ausland erarbeiten soll.

Die Einberufung einer Arbeitsgruppe alleine wird diegrundlegenden Probleme bei der Bearbeitung von Aus-landsfällen nicht lösen. Um hier tatsächlich Abhilfe zuschaffen, müssten die Länder in ihrem Bereich Zentral-stellen schaffen, in denen das erforderliche Fachwissenfür die Bearbeitung von Auslandsfällen vorhanden ist.Sonst bleibt es bei dem Zustand, dass Unterhaltspflichtigeim Ausland nicht belangt werden, weil der Verwaltungs-vollzug unzureichend ist. Das Bundesministerium bleibtdeshalb aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern – nebender Erarbeitung einer Handlungsanleitung für den Rück-griff in Auslandsfällen – Lösungsvorschläge für die zen-trale Bearbeitung der Auslandsrückgriffe bei einer vomLand zu bestimmenden Stelle zu erarbeiten.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/7100

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

43 Zinszuschüsse korrekt veranschlagen und zielorientiert verwenden

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-arbeit und Entwicklung (Bundesministerium) hat es ver-säumt, Zinszuschüsse zur Verbilligung von Krediten derKfW Entwicklungsbank (KfW) korrekt im Bundeshaus-haltsplan zu veranschlagen. Ferner hat es den Bau einesKrankenhauses in Indien gefördert, ohne nachweisen zukönnen, dass es in erster Linie den Armen zugute kommt.

Das Bundesministerium gewährt Partnerländern der Ent-wicklungszusammenarbeit Zinszuschüsse. Damit verbil-ligt es Darlehen, die die KfW aus eigenen Mitteln finan-ziert.

Alle im Bundeshaushalt ausgewiesenen Investitionen bil-den die verfassungsrechtliche Obergrenze für die Netto-neuverschuldung des Bundes. Das Bundesministeriumveranschlagte die Zinszuschüsse zusammen mit den an-deren Haushaltsmitteln für die bilaterale Finanzielle Zu-sammenarbeit als Investitionen. Nach der Bundeshaus-haltsordnung sind sie jedoch konsumtive Ausgaben. DerBundesrechnungshof vertritt die Auffassung, dass an eineMitveranschlagung der Zinszuschüsse als Investitionenbesonders strenge Maßstäbe anzulegen sind. Andernfallswürde die verfassungsrechtliche Obergrenze für die Neu-verschuldung in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt. Einegesonderte Veranschlagung der Zinszuschüsse ist mög-lich, da das Bundesministerium bei der Haushaltsaufstel-lung 2008 den voraussichtlichen Umfang der Zinszu-schüsse offen legte. Der Bundesrechnungshof hat dieBundesregierung aufgefordert, die Zinszuschüsse künftiggesondert als konsumtive Ausgaben im Entwurf des Bun-deshaushaltes zu veranschlagen.

Das Bundesministerium zahlt den abgezinsten Betrag derinsgesamt benötigten Zinszuschüsse bei Unterzeichnungdes Darlehensvertrages in einer Summe an die KfW aus.Bei mehreren Projekten riefen die Darlehensnehmer dieKredite deutlich später oder in erheblich geringerem Um-fang als vorgesehen ab. Die KfW erzielte deshalb zusätz-liche, für die Zinsbezuschussung nicht benötigte Erträgeaus der Zwischenanlage der Bundesmittel. Nicht benö-tigte Zinszuschussmittel sollten nach Auffassung desBundesrechnungshofes an den Bundeshaushalt zurückge-führt werden. Ferner sollte das Bundesministerium aufdie KfW einwirken, den Bedarf für die zinssubventionier-ten Darlehen genauer als bisher zu prüfen.

Das Bundesministerium förderte in Indien den Bau einesKrankenhauses mit internationalen medizinischen Stan-dards. Dem Bundesministerium und der KfW gelang esnicht, einen Nachweis zu erbringen, dass dieses Kranken-haus für die Versorgung der Armen von wesentlicher Be-deutung ist. Die Gebühren für eine einzige Beratungübersteigen ihre täglichen Einkünfte um ein Vielfaches.

Der private Betreiber hatte im Übrigen ausreichend Mög-lichkeiten, Kredite auf dem Kapitalmarkt aufzunehmen.Das Bundesministerium sollte Projekte nur dann mitZinszuschüssen fördern, wenn sie mit dem entwicklungs-politischen Ziel der Armutsbekämpfung vereinbar sind.

Bundesministerium für Bildung und Forschung

44 Bauvorhaben der Fraunhofer-Gesellschaft unwirtschaftlich geplant und ausgeführt

Die Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) hat ihre Bauvorhabenunwirtschaftlich geplant und ausgeführt. Das Bundes-ministerium für Bildung und Forschung (Bundesministe-rium) hat den Planungen zugestimmt und gebilligt, dassdie FhG bei der Bauausführung nicht alle Möglichkeitenzur Kostensenkung nutzte. Es hat auch vergaberechtlicheVerstöße der FhG nicht beanstandet.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 zwei Bau-vorhaben der FhG mit Gesamtkosten von rund 42 Mio.Euro.

Die FhG bemaß den Raumbedarf ihrer Gebäude zu großund baute diese unnötig repräsentativ und gestalterisch zuaufwendig. Sie erweiterte z. B. eine mit 60 m2 geneh-migte Bibliothek zu einem 110 m2 großen dreigeschossi-gen gewölbten Hallenraum mit Galerien und Wendel-treppe sowie einer 130 m2 großen Dachterrasse. Trotz derFlächenüberschreitungen und der repräsentativen Aus-richtung verteidigte das Bundesministerium den Biblio-theksraum auch im Nachhinein als wirtschaftlich.

Das Bundesministerium hatte der FhG auferlegt, währendder Bauausführung alle Möglichkeiten zur Kostensen-kung zu nutzen. Dennoch verwendete die FhG Kostenein-sparungen für Mehrausgaben an anderer Stelle. Das Bun-desministerium billigte den von der FhG verfolgtenGrundsatz, alle bewilligten Mittel auszugeben, anstatt aufKostensenkungen bei den Bauvorhaben hinzuwirken.

Das Bundesministerium beanstandete nicht, dass dieFraunhofer-Gesellschaft gegen vergaberechtliche und derKorruption vorbeugende Regelungen verstieß. Die verga-berechtlichen Verstöße sollen zukünftig durch eine Verga-bestelle vermieden werden, die inzwischen auf Anregungdes Bundesrechnungshofes bei der FhG eingerichtet wor-den ist.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, die Bauvorhaben der FhG zukünftig eingehen-der zu prüfen. Dabei sollte es eine wirtschaftliche Pla-nung und eine auf Kosteneinsparungen ausgerichteteUmsetzung sicherstellen. Insbesondere sollte das Bundes-ministerium von seiner Auffassung abrücken, die FhGdürfe bei der Bauausführung anstreben, alle bewilligtenMittel vollständig auszugeben.

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Drucksache 16/7100 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

45 Dienstleister für Hochschulen trotz entfallener Rechtsgrundlage weiter gefördert

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (Bun-desministerium) hat nicht beachtet, dass der Grundgesetz-geber im Jahre 2006 Zuständigkeiten im Hochschulbe-reich auf die Länder übertrug. Es fördert weiterhin eineEinrichtung, die Hochschulen bei der Erfüllung ihrerAufgaben unterstützt. Dies ist nach aktueller Rechtslagejedoch allein Aufgabe der Länder.

Der Bund und die Länder fördern seit dem Jahre 1976eine gemeinnützige Gesellschaft. Sie finanzieren die Er-füllung der satzungsgemäßen Aufgaben durch Zuwen-dungen zur institutionellen Förderung. Hierfür stellt derBund etwa 3 Mio. Euro im Jahr bereit. Zusätzlich ge-währt er Zuwendungen zur Projektförderung.

Satzungsgemäßer Zweck der Gesellschaft ist, die Hoch-schulen und zuständigen Verwaltungen in ihrem Bemü-hen um eine rationelle und wirtschaftliche Erfüllung derHochschulaufgaben zu unterstützen. Das Bundesministe-rium begründete die institutionelle Förderung mit seinemInformationsbedarf für die Hochschulrahmenplanung so-wie für das Zusammenwirken mit den Ländern bei denGemeinschaftsaufgaben „Hochschulbau“ und „Bildungs-planung“.

Im Jahre 2006 regelte der Grundgesetzgeber mit der ers-ten Stufe der Föderalismusreform die Aufgabenverteilungvon Bund und Ländern im Grundgesetz neu. Die Neure-gelungen traten am 1. September 2006 in Kraft. Damitverlor der Bund seine Zuständigkeit für die Rahmenge-setzgebung in der Hochschulpolitik. Die Gemeinschafts-aufgaben „Bildungsplanung“ und „Hochschulbau“ entfie-len. Dennoch setzte das Bundesministerium dieinstitutionelle Förderung der Gesellschaft unverändertfort.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium da-rauf hingewiesen, dass nach den neuen Regelungen imGrundgesetz die Aufgaben der Gesellschaft in der alleini-gen Zuständigkeit der Länder liegen. Für eine weitere in-stitutionelle Förderung durch den Bund ist damit dieRechtsgrundlage entfallen.

Allgemeine Finanzverwaltung

46 Ungleichmäßige Besteuerung der Land- und Forstwirte

Zahlreiche land- und forstwirtschaftliche Betriebe legenihren Finanzämtern keine Steuererklärungen und Gewinn-ermittlungen vor, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtetsind. Die Finanzämter setzen diese Pflicht nicht durchund nutzen Ahndungsmöglichkeiten nicht. Stattdessenschätzen sie die Gewinne. Die tatsächlichen Erträge wer-den dabei nur unzureichend und ungleichmäßig erfasst,weil die Finanzverwaltungen der Länder unterschiedliche

Schätzungsverfahren anwenden. Dadurch entstehen Steu-erausfälle in Millionenhöhe.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium derFinanzen (Bundesministerium) aufgefordert, dafür Sorgezu tragen, dass Land- und Forstwirte künftig mit derSteuererklärung Gewinnermittlungen vorlegen. Nach sei-ner Auffassung sollten die Schätzungen der Erträge dieAusnahme bleiben.

Das Bundesministerium sollte bei den Ländern daraufhinwirken, dass

● die Finanzämter die Vorlage von Steuererklärungenund Gewinnermittlungen nachhaltig durch den Einsatzvon Zwangsmitteln durchsetzen,

● in Schätzungsfällen die bestehenden Spielräume aus-geschöpft werden,

● die Verletzung der Pflicht zur Abgabe einer Steuer-erklärung und der Gewinnermittlung als Ordnungs-widrigkeit verfolgt wird und

● zukünftig nur noch bundesweit abgestimmte Schät-zungsverfahren angewendet werden.

47 Steueraufsicht durch die Finanzämter nicht ausreichend

Die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle(Steueraufsicht) ist in den meisten Ländern häufig wenigsystematisch und wird lediglich in begrenztem Umfangwahrgenommen.

Die Steueraufsicht ist nach der Abgabenordnung denSteuerfahndungsstellen der Finanzämter übertragen.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass den Steuer-fahndungsstellen das dafür notwendige Personal odereine geeignete technische Ausstattung fehlt, z. B. eineausreichende Anzahl von Internetanschlüssen. Lediglichdrei Länder verfügen zur besseren Steueraufsicht derzeitüber zentrale Organisationseinheiten. Eine behörden- undressortübergreifende Zusammenarbeit fand nur seltenstatt.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bundesministe-rium der Finanzen, auf eine stärkere Zentralisierung derSteueraufsicht und eine weitgehende, behörden- und res-sortübergreifende Zusammenarbeit zu dringen. Die gutenErfahrungen einzelner Länder mit zentralen Organisa-tionseinheiten sollten dafür genutzt werden. Die Ausstat-tung der Fahndungsstellen mit Internetanschlüssen solltebedarfsgerecht verbessert werden.

48 Begünstigung von Reedern mit Lohnsteuer ihrer Seeleute verfehlt wesentliche Ziele

Seit dem Jahre 1999 dürfen Reeder nach § 41a Abs. 4Einkommensteuergesetz (EStG) einen Teil der Lohn-steuer ihrer Seeleute für sich einbehalten. Die zahlreichen

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/7100

Anspruchsvoraussetzungen hierfür lassen sich praktischnicht überprüfen. Die steuerliche Förderung fällt beson-ders hoch aus, wenn die Reeder ledige Seeleute beschäfti-gen. Begünstigt werden auch Arbeitsverhältnisse mit See-leuten, die nicht im Inland oder EU-Ausland ansässigsind.

Obwohl die steuerliche Förderung die bisher gezahltendirekten Finanzhilfen ab dem Jahre 1999 ersetzen sollte,werden bereits seit dem Jahre 2001 wieder Zuschüsse zuden Lohnnebenkosten gezahlt.

Der Bundesrechnungshof hält die steuerliche Förderungder Reeder für verfehlt und überdies für verfassungsrecht-lich bedenklich. Die mit der Regelung verfolgten Zielewerden nicht erreicht. Die Förderung verfehlt insbeson-dere das Ziel, die Beschäftigung deutscher Seeleute aufHandelsschiffen unter deutscher Flagge zu sichern. Sieführt darüber hinaus zu einer Benachteiligung von Eheund Familie.

Das Bundesministerium der Finanzen hat zugesagt, denLohnsteuer-Einbehalt durch Reeder zu überprüfen.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, § 41a Abs. 4 EStGaufzuheben. Soll die Beschäftigung von Seeleuten aufHandelsschiffen unter deutscher Flagge weiterhin übereine steuerliche Subvention gefördert werden, müssteeine Rechtsänderung nach Auffassung des Bundesrech-nungshofes sicherstellen, dass:

● die Förderung auf Beschäftigungsverhältnisse mitSeeleuten beschränkt wird, die im Inland oder im EU-Ausland ansässig sind,

● die Höhe der Förderung an vorhersehbare, objektiveFaktoren geknüpft wird,

● die Dauer der steuerlichen Subvention befristet wirdund

● die Ziele und Kriterien der Förderung so festgelegtwerden, dass sich überprüfen lässt, ob der damit er-strebte Zweck erreicht wurde.

49 Verfahren der Freistellungsaufträge zu aufwendig und nicht mehr zeitgemäß

Bürgerinnen und Bürger, die einen Freistellungsauftragerteilen, erhalten von den Banken und Sparkassen ihre in-ländischen Kapitalerträge bis zur Höhe der freigestelltenBeträge ohne Abzug ausgezahlt.

Die seit Jahren verringerten Sparer-Freibeträge verur-sachen jedoch vermehrte, zeit- und personalintensiveKontrollen der Freistellungsaufträge bei der Finanzver-waltung. Im Jahre 2004 wurden 665 000 Kontrollmittei-lungen an die Landesfinanzbehörden gerichtet, für dasJahr 2007 wird voraussichtlich die Millionengrenze über-schritten werden. Neben erheblichem Aufwand in Bun-des- und Landesfinanzbehörden entstehen den Kredit-instituten hohe Bürokratiekosten wegen gesetzlicherMeldepflichten und Beratungsaufgaben. Zahlreiche Steu-

erbürgerinnen und Steuerbürger sind mit der Überwa-chung ihrer Freistellungsaufträge überfordert.

Das Freistellungsverfahren führte im Verhältnis zu dembetriebenen Aufwand lediglich zu geringen zusätzlichenSteuereinnahmen. Auf jeden zu prüfenden Fall entfielenfür das Jahr 2003 rechnerisch durchschnittlich 21 Euro.Bislang verschwiegene inländische Kapitalerträge wur-den durch die Kontrollen kaum aufgedeckt.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Finanzen daher empfohlen, für die Abschaffung dessteuerlichen Freistellungsverfahrens einzutreten und dieverbliebenen Freibeträge nur noch im Veranlagungsver-fahren zur Einkommensteuer zu berücksichtigen. Dieswäre ein spürbarer Beitrag zum Bürokratieabbau undwürde sowohl die Bürgerinnen und Bürger, als auch dieKreditinstitute und die Finanzverwaltung von Informa-tionspflichten und Kosten entlasten.

50 Mangelnde Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand benachteiligt private Wettbewerber und verletzt europäisches Recht

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) hat auf die Feststellungen des Bundesrechnungs-hofes zur mangelnden Umsatzbesteuerung der öffentli-chen Hand nur unzureichend reagiert. Dadurch werdenweiterhin Leistungen der öffentlichen Hand oft auch dannnicht besteuert, wenn sie in Konkurrenz zum Angebotprivater Unternehmer stehen. Dies führt zu Wettbewerbs-verzerrungen und verletzt europäisches Recht. Obwohl derEuropäische Gerichtshof inzwischen entschieden hat,dass private Konkurrenten gegen die Ungleichbehand-lung klagen können, ist eine Neuregelung bisher nicht inSicht.

Der Bundesrechnungshof hatte in einem Bericht nach§ 99 Bundeshaushaltsordnung vom 2. November 2004(Bundestagsdrucksache 15/4081) auf verwaltungsmäßige,strukturelle und gemeinschaftsrechtliche Probleme hinge-wiesen, die bei der derzeitigen Umsatzbesteuerung deröffentlichen Hand bestehen. Er hatte empfohlen, die ak-tuellen Regelungen grundlegend zu überdenken und dasnationale Steuerrecht an die europäischen Vorgaben anzu-passen. Das Bundesministerium richtete daraufhin eineArbeitsgruppe aus Vertretern des Bundes und der Länderein, die den Bericht des Bundesrechnungshofes zum Ge-genstand ihrer Beratungen machte. Konkrete Ergebnisseliegen jedoch bis heute nicht vor.

Durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofesvom 8. Juni 2006 im Fall eines nicht besteuerten kommu-nalen Krematoriumsbetriebs ist der Handlungsbedarfnoch dringender geworden. Für die verschiedenen öffent-lichen Haushalte entstehen dadurch Rechts- und Pla-nungsunsicherheiten, die mit erheblichen finanziellen Ri-siken verbunden sein können.

Der Bundesrechnungshof hält deshalb eine nationaleNeuregelung, die eine gleichmäßige, vollständige und

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wettbewerbsneutrale Umsatzbesteuerung der öffentlichenHand sicherstellt, für nicht länger aufschiebbar.

51 Umsatzsteuerausfälle in Millionenhöhe durch unzutreffende Besteuerung von Kombinationsartikeln

Unternehmen haben sogenannte Kombinationsartikel, d. h.Warenzusammenstellungen, die einzeln betrachtet ver-schiedenen Umsatzsteuersätzen unterliegen, häufig zuniedrig besteuert. Die Finanzbehörden bekämpften diesbisher nicht wirksam. Steuerausfälle in Millionenhöhesind die Folge.

Kombinationsartikel bestehen beispielsweise aus einerZusammenstellung von Süßigkeiten und Spielzeug. DerGesamtpreis dieser Artikel ist für die Umsatzbesteuerunggrundsätzlichen in einen Anteil zum ermäßigten Steuer-satz von 7 % und einen Anteil zum allgemeinen Steuer-satz von 19 % aufzuteilen. Um das Besteuerungsverfah-ren zu vereinfachen, lässt die Finanzverwaltung unterbestimmten Voraussetzungen jedoch zu, dass in vollemUmfang der ermäßigte Umsatzsteuersatz angewandtwird.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass UnternehmenKombinationsartikel häufig auch dann ausschließlich er-mäßigt besteuerten, wenn die Voraussetzungen hierfürnicht vorlagen. Er hält es daher langfristig für sinnvoll,das Umsatzsteuerrecht zu ändern und Kombinationsarti-kel stets mit dem allgemeinen Umsatzsteuersatz zu bele-gen. Dies würde das Steuerrecht vereinfachen und dieFinanzbehörden von Kontrollaufwand entlasten.

Bis zur Umsetzung einer gesetzlichen Regelung hat derBundesrechnungshof dem Bundesministerium der Finan-zen empfohlen, bei den Ländern kurzfristig auf verstärkteAußenprüfungen hinzuwirken. Damit könnten die Finanz-behörden Fehler bei der Anwendung des ermäßigten Um-satzsteuersatzes schneller als bisher aufdecken und Steuer-ausfälle in Millionenhöhe vermeiden.

52 Gemeinschaftsrechtswidrige Steuer-begünstigungen für Kunstgegen-stände und Sammlungsstücke abschaffen

Kunstgegenstände und Sammlungsstücke sind durch denermäßigten Umsatzsteuersatz allein seit dem Jahre 1999mit schätzungsweise 500 Mio. Euro subventioniert worden,obwohl dies nach europäischem Recht (Gemeinschafts-recht) nicht mehr zulässig ist. Das Gemeinschaftsrechtschreibt schon seit dem Jahre 1995 für Kunstgegenständeund Sammlungsstücke den allgemeinen Umsatzsteuersatzverbindlich vor. Im deutschen Umsatzsteuerrecht wurdenentsprechende Anpassungen aber bis heute nicht vorge-nommen.

Zudem sind die Gründe für die Einführung der Steuerermä-ßigungen im Jahre 1968 inzwischen entfallen. Der natio-

nale Gesetzgeber begründete diese Ermäßigungen seinerzeitmit der Absicht, Mehrbelastungen im Zusammenhang miteinem Systemwechsel bei der Umsatzbesteuerung zu ver-meiden. Systembedingte Übergangsbelastungen dürften40 Jahre nach der Umstellung aber nicht mehr bestehen.Auch die Bundesregierung geht schon seit einigen Jahrendavon aus, dass eine Abschaffung des ermäßigten Steuer-satzes für Kunstgegenstände weder das Kaufverhaltennoch den Markt für bildende Kunst nennenswert beein-flussen würde.

Darüber hinaus stellte der Bundesrechnungshof fest, dassdie Finanzämter nicht oder nur unzureichend prüften, obdie Voraussetzungen für eine ermäßigte Besteuerung vonKunstgegenständen und Sammlungsstücken vorlagen.Aufgrund der mangelnden Kontrollen geht er davon aus,dass der ermäßigte Steuersatz in vielen Fällen zu Unrechtangewendet wird. Angemessene Kontrollen würden auf-grund zahlreicher schwieriger Abgrenzungsfragen (z. B.zum Seltenheitswert von Sammlungsstücken) aber zu ei-nem erheblichen Verwaltungsaufwand führen.

Der Bundesrechnungshof hält das Fortbestehen der steu-erlichen Begünstigungen sowohl aus gemeinschaftsrecht-lichen Gründen als auch aus sachlichen Erwägungennicht mehr für gerechtfertigt. Er hat deshalb empfohlen,den ermäßigten Steuersatz für Kunstgegenstände undSammlungsstücke baldmöglichst zu streichen.

53 Unternehmensneugründungen nur unzureichend auf umsatzsteuerliche Betrugsgestaltungen geprüft

Die Finanzämter haben bei Unternehmensneugründungenoftmals keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, umsystematische Umsatzsteuerhinterziehungen zu verhindern.Vor der Erteilung einer Steuernummer, die z. B. Vorsteuer-erschleichungen mit fingierten Rechnungen erst ermög-licht, wendeten sie bundeseinheitlich vereinbarte Prüfkri-terien häufig nicht konsequent an. BetrugsrelevanteVeränderungen bei bestehenden Unternehmen, wie dieÄnderung oder Erweiterung des Geschäftszwecks, unter-suchten sie grundsätzlich nicht. Auch im weiteren Be-steuerungsverfahren überwachten sie die Unternehmenvielfach nicht unter Betrugsgesichtspunkten.

Die Finanzämter müssen seit Anfang 2005 bundeseinheit-liche Prüfkriterien beachten, bevor sie Unternehmensneu-gründungen umsatzsteuerlich erfassen und ihnen eineSteuernummer erteilen. Auch „unechte Neugründun-gen“, d. h. betrugsrelevante Veränderungen bei bestehen-den Unternehmen, bedürfen einer Überprüfung. Verbind-liche Kriterien gibt es hierfür aber bisher nicht.

Da die Finanzämter auch bei sorgfältiger Prüfung nichtjeden Betrugsfall im Vorfeld verhindern können, ist eineÜberwachung im weiteren Besteuerungsverfahren not-wendig. Eine Grundlage hierfür bieten insbesondere dieUmsatzsteuervoranmeldungen, die neu gegründete Unter-nehmen den Finanzämtern zunächst monatlich vorlegenmüssen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/7100

Finanzämter, die für die steuerliche Erfassung von Unter-nehmensneugründungen keine Zentralstelle eingerichtethatten, setzten die bundeseinheitlichen Prüfmaßnahmenvielfach nicht oder nur unzureichend um. „Unechte Neu-gründungen“ überprüften die Finanzämter grundsätzlichnicht. Den Bearbeitern der Umsatzsteuervoranmeldungenwaren Erkenntnisse aus dem Verfahren der steuerlichenErfassung oftmals nicht bekannt. Teilweise berücksichti-gen sie Hinweise erst zu spät, da diese nicht Bestandteildes weitgehend maschinell ablaufenden Verfahrens sind.Ein bundeseinheitliches Risikomanagementsystem zur ma-schinellen Erkennung von Risikofällen war entgegen ur-sprünglicher zeitlicher Planungen von Bund und Ländernlediglich in Teilen umgesetzt.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Finanzen (Bundesministerium) daher empfohlen, beiden Ländern darauf hinzuwirken,

● dass die Finanzämter Zentralstellen für die umsatz-steuerliche Erfassung von Unternehmensneugründun-gen einrichten und die bundeseinheitlichen Prüfkrite-rien vollständig beachten,

● dass die Finanzämter für eine zuverlässige Berück-sichtigung aller relevanten Erkenntnisse im Umsatz-steuervoranmeldungsverfahren sorgen und bessereMöglichkeiten zur maschinellen Erkennung von Risi-kofällen erhalten,

● dass Bund und Länder auch für „unechte Neugründun-gen“ verbindliche Prüfkriterien entwickeln,

● dass Bund und Länder eine Änderung von § 18 Um-satzsteuergesetz (UStG) prüfen, die es den Finanzäm-tern ermöglicht, auch bei „unechten Neugründungen“generell monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen zuverlangen.

Das Bundesministerium will die Empfehlungen im We-sentlichen aufgreifen und mit den Ländern erörtern. DerBundesrechnungshof erwartet, dass es die Erörterungenmit Nachdruck vorantreibt. Die angeregte Änderung von§ 18 UStG schätzt das Bundesministerium aufgrund da-mit einhergehender Abgrenzungsprobleme kritisch ein.Diesen pauschalen Hinweis hält der Bundesrechnungshoffür nicht überzeugend. Er erwartet vielmehr, dass dasBundesministerium Vorschläge entwickelt, um die Pro-bleme zu lösen.

54 Wohnungsbauprämie nicht mehr notwendig

Die Wohnungsbauprämie ist seit mehreren Jahren nichtmehr notwendig, da der Wohnungsmarkt insgesamt aus-geglichen ist. Die Ausgestaltung des Wohnungsbau-Prä-miengesetzes steht zudem mit seinem Ziel, den Woh-nungsbau zu fördern, nicht in Einklang. Denn nach siebenJahren können die Sparerinnen und Sparer das Bauspar-guthaben und die Prämien auch für den Kauf von Kon-sumgütern frei verwenden.

Mit dem Wohnungsbau-Prämiengesetz fördert der Ge-setzgeber seit dem Jahre 1952 insbesondere das Sparen inBausparverträgen für Zwecke des Wohnungsbaus. Erwollte den akuten Wohnungsmangel nach dem ZweitenWeltkrieg beseitigen. Die Wohnungsbauprämie beträgtjährlich höchstens 45 Euro, bei Ehegatten höchstens90 Euro. Ein Anspruch darauf besteht nur, wenn das zuversteuernde Einkommen bei Alleinstehenden 25 600 Euround bei Verheirateten 51 200 Euro nicht überschreitet.Die Ausgaben für die Wohnungsbauprämie von rund500 Mio. Euro jährlich trägt der Bund seit dem Sparjahr1984 alleine.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Finanzver-waltung bei 26 % der Anträge nicht prüfen konnte, ob dieEinkommensgrenzen beachtet wurden. Ihr lagen zu die-sen Anträgen keine Steuererklärungen vor. Eine Ursachehierfür war, dass beispielsweise Steuerpflichtige, die aus-schließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit be-ziehen, grundsätzlich keine Steuererklärung abgebenmüssen.

Ein vom Bundesministerium der Finanzen (Bundesminis-terium) in Auftrag gegebenes Gutachten kam bereits imJahre 1998 zu dem Ergebnis, dass die Wohnungsbauprä-mie nicht mehr zeitgemäß und zielführend ist.

Der Versuch des Bundesministeriums, die Wohnungsbau-prämie mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 abzuschaf-fen, scheiterte im Bundesrat. Im Jahre 2006 erarbeitetedas Bundesministerium einen Referentenentwurf zur ver-besserten Einbeziehung des Wohneigentums in die pri-vate Altersvorsorge. Dieser sah u. a. vor, die Prämieabzuschaffen. Da in der Regierungskoalition unterschied-liche Ansichten zur Einbeziehung des Wohneigentums indie private Altersvorsorge bestehen, brachte das Bundes-ministerium den Entwurf jedoch bisher nicht in das Bun-deskabinett ein.

Die geplante Streichung der Wohnungsbauprämie be-gründete das Bundesministerium mit den in Deutschlandausgeglichenen Wohnungsmärkten und dem zur Haus-haltsentlastung notwendigen Subventionsabbau. DieEigenheimzulage und die degressive Abschreibung fürMietwohngebäude schaffte der Gesetzgeber mit dieserBegründung bereits ab.

Der Bundesrechnungshof sieht im Hinblick auf das haus-haltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Spar-samkeit Handlungsbedarf. Die Wohnungsbauprämie isteine Subvention, die nicht mehr notwendig ist. Ihre Aus-gestaltung steht zudem nicht in Einklang mit ihrer Ziel-setzung. Darüber hinaus bergen fehlende Kontrollmög-lichkeiten der Verwaltung die Gefahr, dass die Prämie zuUnrecht gewährt wird.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt daher dem Bundes-ministerium, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der einezügige Entscheidung über die Wohnungsbauprämie er-möglicht. Um weitere Verzögerungen zu vermeiden,sollte dieser Entwurf unabhängig von der Einbeziehungdes Wohneigentums in die private Altersvorsorge behan-delt werden können.

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Drucksache 16/7100 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

55 Kriminelle „Firmenbestatter“ verursachen Steuerausfälle

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) hat sich bisher nicht genug dafür eingesetzt, Steuer-ausfälle zu verhindern, die durch illegale gewerbsmäßige„Entsorgung“ von Unternehmen („Firmenbestattungen“)entstehen.

Gegen Entgelt entsorgen sogenannte Firmenbestatter in-solvenzbedrohte Unternehmen. Die Firmenbestatter set-zen Strohmänner als Gesellschafter ein, tauschen Ge-schäftsführer aus, firmieren die Gesellschaft um, verlegenden Firmensitz ins Ausland, vernichten Geschäftsunterla-gen und verwerten das vorhandene Vermögen. Dadurchhindern sie die Gläubiger an einer wirksamen Rechtsver-folgung.

Illegale Firmenbestattungen verursachen nach Experten-schätzungen in der Privatwirtschaft und den öffentlichenHaushalten jährlich einen Schaden von mindestens5 Mrd. Euro.

Der Bundesrechnungshof untersuchte die steuerlichenAuswirkungen der Firmenbestattung. Er stellte fest, dassdie Finanzbehörden Firmenbestattungsfälle oft nicht odererst zu spät erkannten. Dadurch entstanden der öffentli-chen Hand Einnahmenausfälle, weil die Firmen Ertrag-,Lohn- und Umsatzsteuern nicht zahlten.

Erste Anzeichen für Firmenbestattungen müssen frühzei-tig erkannt werden, um Steuerausfälle möglichst geringzu halten. Für die Finanzbehörden ergeben sich Anhalts-punkte für Unregelmäßigkeiten aber oft sehr spät. Bei derErtragsbesteuerung entstehen erste Auffälligkeiten häufigerst, wenn Unternehmen 18 Monate nach Entstehung desSteueranspruchs noch keine Steuererklärung abgegebenhaben.

Um frühzeitig tätig werden zu können, sind die Finanzbe-hörden deshalb auf frühzeitige Hinweise von Register-und Insolvenzgerichten und von Behörden angewiesen.Diese müssten nach Auffassung des Bundesrechnungsho-fes für die Arbeitsweise der Firmenbestatter aber stärkersensibilisiert werden. Der Bundesrechnungshof hat demBundesministerium daher empfohlen, ressortübergreifendeinen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Firmen-bestattungen und der damit verbundenen Steuerausfällezu entwickeln und umzusetzen.

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, dass das geplante„Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zurBekämpfung von Missbräuchen“ einige Neuregelungenvorsehe, um Firmenbestattungen zu erschweren. Gleichzei-tig ziele das Gesetz aber darauf ab, Handelsregistereintra-gungen zu beschleunigen und Existenzgründungen zu ver-einfachen. Weitergehende Kontrollmaßnahmen seien mitdiesen Zielen nicht vereinbar. Zudem hat das Bundesminis-terium mitgeteilt, dass es die bestehenden Regelungen fürausreichend hält, um eine angemessene Information derFinanzbehörden über mögliche Unregelmäßigkeiten si-cherzustellen. Sie müssten nur konsequent angewendetwerden.

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass Vorschriftenzur Bekämpfung der Firmenbestatter eingeführt werdensollen. Darüber hinaus hält er es aber für notwendig, dasssich das Bundesministerium bei den anderen zuständigenMinisterien für einen regelmäßigen behördenübergreifen-den Erfahrungsaustausch und eine konsequente Anwen-dung der bestehenden Informationspflichten einsetzt.

56 Trotz Verspätungszuschlägen häufig keine rechtzeitige Abgabe der Steuererklärungen

Finanzämter haben Verspätungszuschläge für nicht frist-gerecht abgegebene Steuererklärungen häufig nicht oderzu niedrig festgesetzt. Die Vorschrift über den Verspä-tungszuschlag verfehlt deshalb ihr Ziel, die Steuerpflich-tigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärungen an-zuhalten. Sie enthält zu viele Ermessensspielräume undverhindert eine einfache IT-gestützte Festsetzung des Zu-schlages.Nach § 152 Abgabenordnung (AO) können die Finanz-ämter bei verspätet abgegebenen Steuererklärungen einenVerspätungszuschlag festsetzen. Bei der Bemessung die-ses Zuschlages müssen sie unbestimmte Rechtsbegriffeberücksichtigen, die zum Teil Rückfragen beim Steuer-pflichtigen erfordern. Dies erschwert die Anwendung derVorschrift, verhindert eine ausreichende IT-Unterstützungund bindet unverhältnismäßig viel Arbeitskraft. DieFinanzämter setzten deshalb oft keine Verspätungszu-schläge fest.Festgesetzte Verspätungszuschläge führten nur in 7 % derFälle dazu, dass die Steuerpflichtigen in den beiden Fol-gejahren ihre Steuererklärungen rechtzeitig abgaben. We-sentliche Ursachen hierfür waren, dass die Finanzämtermeistens nur einen Teil der Ermessenskriterien beachte-ten und die Verspätungszuschläge sehr niedrig ansetzten.Die Praxis der Finanzämter entsprach damit nicht derRechtslage und verstieß gegen den Gleichbehandlungs-grundsatz.Der Bundesrechnungshof hat daher gefordert, die Vor-schriften zum Verspätungszuschlag neu zu regeln. DieHöhe des Zuschlages sollte sich nach eindeutigen Krite-rien bemessen, die automatisiert ermittelt werden können.Als Kriterien kommen z. B. die Dauer der Fristüber-schreitung, die Häufigkeit der Verspätung sowie die Höheder festgesetzten Steuer und des Zahlungsanspruchs inBetracht. Die Neuregelung sollte geeignet sein, Verhal-tensänderungen zu bewirken. Daher sollte zudem einMindestbetrag für den Verspätungszuschlag eingeführtwerden.Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) hat eine Neureglung befürwortet und angekündigt,diese mit den Ländern zu erörtern.Der Bundesrechnungshof hält im Interesse der rechtzeiti-gen Steuererhebung eine zügige Neuregelung für gebo-ten. Er fordert das Bundesministerium daher auf, die Re-gelung bald mit den Ländern zu erörtern und schnelleinen Gesetzentwurf zur Neufassung des § 152 AO vor-zulegen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/7100

57 Fördervoraussetzungen der Eigenheim-zulage unzureichend geprüft

Einige Finanzämter haben unzureichend geprüft, ob dieEmpfängerinnen und Empfänger der Eigenheimzulagedie Fördervoraussetzungen erfüllten. Sie verließen sichauf die maschinellen Prüfhinweise der Steuerfestset-zungsprogramme und konnten z. B. nicht erkennen, wennWohneigentum im Förderzeitraum veräußert wurde.

Die Eigenheimzulage fördert den Bau oder den Kaufselbst genutzten Wohneigentums. Sie ist für Neufälle abdem 1. Januar 2006 entfallen. Für Altfälle zahlen dieFinanzämter sie noch über das Jahr 2015 hinaus aus. Inden Jahren 2007 bis 2011 werden sie hierfür rund 28 Mrd.Euro gewähren. Der Bund wird davon rund 12 Mrd. Eurotragen.

Mehrere Fördervoraussetzungen, z. B. für die Gewährungeiner Kinderzulage, werden während des Förderzeitrau-mes durch Prüfhinweise der Steuerfestsetzungspro-gramme überwacht. Andere Voraussetzungen, wie dieEigentumsverhältnisse oder die Nutzung der Wohnung

durch die Eigentümerinnen und Eigentümer, werden nichtmaschinell geprüft.

Untersuchungen des Bundesrechnungshofes in fünf Län-dern zeigten, dass mehrere Finanzämter ergänzende Kon-trollen einführten, um eine ungerechtfertigte Gewährungder Eigenheimzulage zu erkennen und zu vermeiden. EinLand ließ automationsgestützt prüfen, ob die Wohnungwährend des gesamten Förderzeitraumes im Eigentumder Begünstigten stand. In zwei Ländern setzten Finanz-ämter gezielt Personal ein, um insbesondere festzustellen,ob die Eigentümerinnen und Eigentümer ihre Wohnungenselbst nutzten. Die Kontrollen in diesen Ländern warenlohnend und vermieden ungerechtfertigte öffentlicheLeistungen von rund 10 Mio. Euro. In zwei Ländern führ-ten Finanzämter keine zusätzlichen Kontrollen durch.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Finanzen empfohlen, auf geeignete Kontrollen in al-len Ländern hinzuwirken. Er regt insbesondere automa-tionsgestützte Kontrollen der Eigentumsverhältnisse an.Daneben empfiehlt er, stichprobenweise zu prüfen, wiedie Wohnung genutzt wird.

Teil III Weitere Prüfungsergebnisse

Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Bundesrechnungshofes. Ferner wird es bei seiner Förde-

58 Realistische Haushaltsmittelplanung und -bereitstellung für die IT der Deutschen Nationalbibliothek

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Me-dien achtet künftig mehr auf eine am tatsächlichen Bedarforientierte Planung der IT und dementsprechende Bereit-stellung der Haushaltsmittel für die Deutsche National-bibliothek. Regelmäßig angepasste Planzahlen und Wirt-schaftlichkeitsbetrachtungen zu den IT-Vorhaben sollenkünftig eine zu hohe Veranschlagung von Haushaltsmit-teln vermeiden und einen sparsamen Abfluss von Selbst-bewirtschaftungsmitteln gewährleisten.

Auswärtiges Amt

59 Jährliche Einsparungen durch Neu-organisation des German Institute of Global and Area Studies, ehe-mals Deutsches Übersee-Institut

Das Auswärtige Amt hat veranlasst, dass sich das vonihm geförderte German Institute of Global and Area Stu-dies in Hamburg (ehemals Deutsches Übersee-Institut)neu organisiert. Damit folgt es einer Empfehlung des

rung darauf achten, dass das Institut künftig die haus-haltsrechtlichen Vorschriften einhält. Hierdurch spart dasAuswärtige Amt seit dem Jahre 2006 Fördermittel von372 000 Euro jährlich ein.

Bundesministerium des Innern

60 Transparenz und Handhabung des Sponsorings verbessert

Die Bundesregierung folgt den Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes und verbessert Transparenz undHandhabung des Sponsorings.

Beim Sponsoring fördern Private die Tätigkeiten desBundes, indem sie z. B. Geld-, Sach- oder Dienstleistun-gen zur Verfügung stellen. Die Bundesregierung erließauf Empfehlung des Bundesrechnungshofes im Jahre2003 eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Rege-lung des Sponsorings (VV-Sponsoring). Danach sindSponsoringleistungen alle zwei Jahre in einem Berichtdes Bundesministeriums des Innern offenzulegen. Beiden obersten Bundesbehörden müssen Sponsoringbeauf-tragte benannt sein.

Der Bundesrechnungshof prüfte die Eignung der VV-Sponsoring, ihre Anwendung in der Praxis und die Aus-

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Drucksache 16/7100 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sagekraft des Ersten Sponsoringberichts. Er bemängelte,dass der Bericht die Namen der Sponsoren nicht nennt.

Er hat dem Bundesministerium des Innern empfohlen, inkünftigen Sponsoringberichten die Namen der Sponsorenzu veröffentlichen. Damit würden die Berichte transpa-renter und Interessenkonflikte besser erkennbar. Er hatauch angeregt, missverständliche Regelungen in der VV-Sponsoring zu überarbeiten.

Der Bundesrechnungshof hat ferner empfohlen, dass auchnachgeordnete Behörden im Geschäftsbereich des Bun-desministeriums für Gesundheit dessen Sponsoringbeauf-tragten beteiligen, wenn sie Sponsoringleistungen ein-werben oder annehmen.

Das Bundesministerium des Innern folgt den Empfehlun-gen des Bundesrechnungshofes und führt die Sponsorenin seinem Zweiten Sponsoringbericht namentlich auf. ImGeschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheitwird die Beteiligung des Sponsoringbeauftragten sicher-gestellt.

Der Bundesrechnungshof wird das Sponsoring im Be-reich des Bundes weiter beobachten.

61 Wesentliche Hemmnisse für die Optimierung der öffentlichen Beschaffung beseitigt

Das Bundesministerium des Innern und das Bundesminis-terium für Wirtschaft und Technologie griffen im Jahre2006 Empfehlungen des Bundesrechnungshofes zur Ein-führung der elektronischen Vergabe und des „Kaufhausesdes Bundes“ auf und beseitigten wesentliche Hemmnissefür eine durchgreifende Optimierung der öffentlichen Be-schaffung.

Die Bundesregierung hatte im Dezember 2003 beschlos-sen, die Vorteile elektronischer Kommunikation zurschnellen, transparenten und wirtschaftlichen Vergabevon öffentlichen Aufträgen zu nutzen. Hierzu plante siedie Einführung

● einer zentralen Internetplattform „eVergabe“, die esermöglicht, einen wesentlichen Teil des Vergabepro-zesses in elektronischer Form abzuwickeln, und

● eines „Kaufhauses des Bundes“, das den Bundesbe-hörden einen elektronischen Katalog für standar-disierte Dienstleistungen und Waren bereitstellt.

Das hierzu eingerichtete Projekt sollte unter der gemein-samen Federführung des Bundesministeriums des Innernund des Bundesministeriums für Wirtschaft und Techno-logie bis Ende 2005 abgeschlossen sein.

Der Bundesrechnungshof stellte bei einer Prüfung imJahre 2005 fest, dass sich das Projekt in einer kritischenPhase befand und zu scheitern drohte. Zu diesem Zeit-punkt nutzten nur wenige Ressorts „eVergabe“ und„Kaufhaus des Bundes“ in nennenswertem Umfang. Ur-sachen hierfür sah der Bundesrechnungshof – neben einerdeutlichen Zurückhaltung bei der Wirtschaft – insbeson-

dere in der unzureichenden Projektorganisation mit lang-wierigen Abstimmungsprozessen und in Defiziten bei derWirtschaftlichkeitsbetrachtung. Einzelne Ressorts stelltendaher die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens immer wiederin Frage.

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassnur durch ein konsequentes, umfassendes Vorgehen beider Umsetzung des Projekts die erheblichen Wirtschaft-lichkeitspotenziale einer optimierten elektronischen Be-schaffung genutzt werden können. Er hat daher insbeson-dere empfohlen, die Wirtschaftlichkeit des Projektsüberzeugend darzulegen, um die Beteiligung aller Res-sorts sicherzustellen. Er hat ferner geraten, ein Konzeptzur Förderung der Akzeptanz der elektronischen Vergabein der Wirtschaft zu entwickeln.

Die federführenden Bundesministerien haben die Emp-fehlungen des Bundesrechnungshofes im Wesentlichenaufgegriffen. Das Bundesministerium des Innern hat eineWirtschaftlichkeitsbetrachtung vorgelegt, die die erwar-tete Wirtschaftlichkeit von „eVergabe“ und „Kaufhausdes Bundes“ nachvollziehbar belegt. Das Bundesministe-rium für Wirtschaft und Technologie hat die Gesprächemit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft überdie Einführung elektronischer Medien im Beschaffungs-prozess intensiviert.

Der Bundesrechnungshof sieht hiermit wesentliche Vo-raussetzungen dafür geschaffen, die Ziele des Projekts„eVergabe/Kaufhaus des Bundes“ zu erreichen und dieEffizienzpotenziale einer optimierten Beschaffung nach-haltig zu nutzen.

62 Dienstsport in der Bundespolizei neu geregelt

Das Bundesministerium des Innern (Bundesministerium)wird den Dienstsport in der Bundespolizei neu regeln.Dabei hat es die Empfehlungen des Bundesrechnungs-hofes aufgegriffen, den Umfang des Dienstsports dembundeseinheitlichen Leitfaden für alle Polizeien des Bun-des und der Länder anzupassen und jährliche Leistungs-kontrollen durchzuführen. Durch die neue Regelung kanndie bisher für den Dienstsport zur Verfügung gestellte Ar-beitszeit deutlich reduziert werden.

Der Dienstsport in der Bundespolizei hat zum Ziel, diefür den Polizeivollzugsdienst erforderliche besonderekörperliche Leistungsfähigkeit der Polizeivollzugsbeam-tinnen und -beamten (Polizeikräfte) zu erhalten und zusteigern. Grundlage für den Dienstsport der Polizeien desBundes und der Länder ist der Leitfaden „Sport in derPolizei“. Dieser empfiehlt mindestens vier StundenDienstsport im Monat. Das Bundesministerium legte fürdie Bundespolizei im Jahre 1996 zehn Stunden Dienst-sport im Monat fest. Es berücksichtigte diesen Zeitansatzbei der Personalbedarfsermittlung.

Der Bundesrechnungshof stellte bei seiner Prüfung fest,dass 30 % aller Polizeikräfte keinen und 70 % durch-schnittlich 4,36 Stunden Dienstsport im Monat ausübten.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/7100

Die nach den Vorschriften vorgesehenen Leistungskon-trollen führte die Bundespolizei nicht flächendeckenddurch.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, den Zeitansatz für den Dienstsport am Leit-faden für den Dienstsport zu orientieren und auf flächen-deckende Leistungskontrollen zu achten.

Das Bundesministerium hat zugesagt, den Zeitansatz fürDienstsport von monatlich zehn Stunden auf ein Jahres-soll von 30 Stunden als Richtwert je Polizeikraft zu redu-zieren sowie jährliche Leistungsnachweise einzuführenund diese auszuwerten.

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass das Bundes-ministerium die geänderten Zeitvorgaben für Dienstsportbei der Personalbedarfsermittlung berücksichtigt.

63 Sicherheitsbehörden erzielen Einsparungen und Synergien

Das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei (Behör-den) haben eine Software zur IT-gestützten Fallbearbei-tung beschafft und dabei Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes umgesetzt. Dadurch konnten sie den Preissenken, Risiken minimieren und Synergien mit Polizeibe-hörden der Länder ermöglichen.

Bei der Beschaffung der Software unterbreitete eineFirma den Behörden jeweils ein Angebot, das jährlichePreissteigerungen für Lizenzen und Wartung vorsah. ImFalle eines gemeinsamen Angebots für beide Behördenkonnten höhere Rabatte erzielt werden als bei Einzelver-trägen. Um sicherzustellen, dass die Software langfristigverfügbar ist, beabsichtigten die Behörden, mit der Firmadie Überlassung des Programmcodes zu vereinbaren. DasProgramm ist bei mehreren Polizeibehörden der Länderbereits im Einsatz. Diese stimmen in einer Interessenge-meinschaft ihre Bedarfsanforderungen an die Softwareab.

Die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes habendazu geführt, dass

● die Behörden durch ein gemeinsames Auftreten hö-here Rabatte erhielten als zunächst vorgesehen (Ein-sparungen bis zum Jahre 2010: 1 Mio. Euro),

● Preissteigerungen für die ersten drei Jahre abgewendetwerden konnten,

● neben der Überlassung des Programmcodes und sämt-licher Nutzungsrechte ein Vorkaufsrecht des Bundesfür den Fall vereinbart wurde, dass Geschäftsanteileder Anbieterfirma veräußert werden sollen,

● das Bundeskriminalamt nunmehr in der Interessen-gemeinschaft der Programmanwender mitwirkt undSynergien mit Polizeibehörden der Länder nutzenkann.

64 Bundespolizei vermeidet unnötige Beschaffung von IT-Gerät

Die Bundespolizei wird auf Empfehlung des Bundesrech-nungshofes ihre Reserve an IT-Geräten reduzieren. Diedadurch verfügbaren Geräte wird sie in Dienststellen ein-setzen, die noch nicht vollständig mit Informationstech-nik ausgestattet sind. Auf diese Weise kann sie mehrereMillionen Euro für Beschaffungen einsparen.

Die Bundespolizei hielt IT-Geräte vor, die sie für ihre lau-fenden Aufgaben nicht benötigte. Ziel war es, kurzfristigErsatz bei technischen Ausfällen leisten sowie Sonder-projekte bewältigen zu können. Im Jahre 2005 begann dieBundespolizei, diese Reserve aufzustocken, ohne vorherdie Notwendigkeit ausreichend geprüft zu haben. Sie stat-tete auch solche Dienststellen mit Reservegeräten aus, de-ren nachgeordneter Bereich noch nicht über die vorgese-hene IT-Grundausstattung verfügte.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, mit Hilfe einerWirtschaftlichkeitsberechnung und einer Risikoabschät-zung zu untersuchen, ob und in welcher Höhe die vorge-haltene Reserve notwendig ist. Dabei sollten auch andereMöglichkeiten einbezogen werden, wie bei Bedarf kurz-fristig IT-Geräte beschafft werden können, z. B. aus be-stehenden Rahmenverträgen des Bundes. Der Bundes-rechnungshof hat weiter angeregt, bereits vorhandeneReservegeräte denjenigen Dienststellen zu überlassen, dieihren Sollbestand noch nicht erreicht haben. Für dieseDienststellen müssen dann weniger neue Geräte ange-schafft werden.

65 Alternativen zu Betriebs- und Büro-kommunikationssystemen in der Bundesverwaltung

Für die Bundesverwaltung wurden die Voraussetzungenverbessert, um künftig auch zu anderen als den bislangeingesetzten Betriebs- und Bürokommunikationssyste-men zu wechseln.

Die Bundesverwaltung verfügt über mehr als 300 000 mitInformationstechnik ausgestattete Arbeitsplätze. In denletzten Jahren überführte sie ihre Betriebssystem- undBürokommunikationssoftware regelmäßig auf neuereVersionen des etablierten Herstellers mit einem Markt-anteil von 90 %, ohne Alternativen ausreichend zu prü-fen.

Die Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundes-regierung für Informationstechnik in der Bundesverwal-tung im Bundesministerium des Innern hat Empfehlungendes Bundesrechnungshofes zum erleichterten Wechselvon Betriebssystem- und Bürokommunikationssoftwareaufgegriffen und entsprechende Materialien für die Bun-desverwaltung erarbeiten lassen. So wurden u. a. Vorga-ben für die Standardisierung von Software entwickelt undHilfsmittel für die Erstellung von Wirtschaftlichkeitsbe-trachtungen und zur Bewertung von Alternativen verbes-sert. Daneben wurden die Fachkompetenzen zum Thema

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„Open Source Software“ verstärkt und die Bundesstellefür Informationstechnik im Bundesverwaltungsamt mitdem Ausbau eines Competence Centers für Open SourceSoftware betraut.

66 Bundesministerien verbessern die Fachaufsicht über ihre nachge-ordneten Geschäftsbereiche

Die Bundesregierung wird auf Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes die Grundlagen für eine bessere Pla-nung und Organisation der Fachaufsicht der Bundes-ministerien über ihre nachgeordneten Geschäftsbereicheschaffen. Die Bundesministerien sollen ihre Fachaufsichtan diesen Grundlagen ausrichten. Die Bundesregierunghat bereits erste Maßnahmen beschlossen, um die Fach-aufsicht zu verbessern.

Die Fachaufsicht soll ein rechtmäßiges und zweckmäßi-ges Verwaltungshandeln der nachgeordneten Behörden-ebenen sicherstellen und ist eine der Kernaufgaben derBundesministerien. Diese müssen die Aufgabenerfüllungder ihnen nachgeordneten Einrichtungen beobachten,prüfen und bei Bedarf steuernd eingreifen. Die Aufsichtmuss geplant und organisiert werden, um z. B. klare Zu-ständigkeiten festlegen und notwendiges Personal bereit-stellen zu können.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Bundes-ministerien ihre Fachaufsicht kaum geplant und organi-siert hatten und es keine Vorgaben dazu gab. Die Bun-desministerien schenkten der Fachaufsicht nicht dienotwendige Beachtung.

Der Bundesrechnungshof hat den Bundesministerienempfohlen, Konzepte über Ziele, Aufgaben und Maßnah-men der Fachaufsicht zu entwickeln und umzusetzen, dasPersonal ausreichend zu qualifizieren und bei ressortüber-greifender Aufsicht die Abstimmung zwischen den be-troffenen Bundesministerien sicherzustellen.

Dem Bundesministerium des Innern hat er empfohlen,gemeinsam mit den anderen Bundesministerien

● die Fachaufsicht bei der Verwaltungsmodernisierungstärker zu berücksichtigen und auf ein einheitlichesVerständnis hinzuwirken,

● Mindeststandards für eine angemessene Fachaufsichtund für das Verfahren bei ressortübergreifender Fach-aufsicht zu entwickeln,

● Informationen, Hilfsmittel und Fortbildung anzubie-ten,

● die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesminis-terien um Regelungen zur Fachaufsicht zu ergänzenund

● einen übergreifenden Maßnahmenplan für die Verbes-serungen zu entwickeln und umzusetzen.

Die Bundesregierung hat erste Maßnahmen beschlossen,um die Fachaufsicht über ihre nachgeordneten Behördenzu verbessern.

67 Mehr Informations- und Beratungs-angebote für die Optimierung von Geschäftsprozessen in der Bundesverwaltung

Das Bundesministerium des Innern (Bundesministerium)ist den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes gefolgtund hat die Informations- und Beratungsangebote zurAnalyse und Optimierung von Verwaltungsabläufen (Ge-schäftsprozesse) für die Bundesbehörden wesentlich aus-gebaut. Mit diesen Hilfen können die Bundesbehördenihre Geschäftsprozesse untersuchen und wirtschaftlichgestalten. So können mittelfristig erhebliche Einsparun-gen bei Personal und Sachmitteln erzielt werden.

Bis Mitte 2007 untersuchte der Bundesrechnungshof30 Geschäftsprozesse in 21 Bundesbehörden nahezu allerGeschäftsbereiche. Dabei stellte er eine Vielzahl vonMängeln fest. Er fand u. a. unnötige Arbeitsschritte,fehlende Standards für Verwaltungsabläufe und Arbeits-ergebnisse, zu lange Durchlaufzeiten der Verwaltungs-vorgänge, mangelnde Automatisierung, ungenügendeKenntnis der Kundenwünsche und unzureichende Quali-tät von Arbeitsergebnissen. Neue IT-Systeme zur Unter-stützung von Geschäftsprozessen wurden vielfach einge-führt, ohne die Geschäftsprozesse vorher zu optimieren.Die Beseitigung derartiger Defizite, die auch für viele an-dere Prozesse der Verwaltung anzunehmen sind, dürftebundesweit mittelfristig zu erheblichen Einsparungenführen.

Die Bundesverwaltung muss daher der Analyse und Opti-mierung ihrer Geschäftsprozesse mehr Beachtung schen-ken und dazu die notwendigen Informationen und Bera-tungen erhalten. Der Bundesrechnungshof hat dem für dieOrganisation in der gesamten Bundesverwaltung zustän-digen Bundesministerium u. a. empfohlen,

● in das neue Organisationshandbuch der Bundesver-waltung die Themen Geschäftsprozesse, Geschäfts-prozessanalysen und -optimierung aufzunehmen,

● umfassende und aktuelle Informationen zur Methodeder Geschäftsprozessanalyse sowie einen umfangrei-chen, vom Bundesrechnungshof entwickelten Schwach-stellenkataloges im Intranet des Bundes bereitzustel-len,

● die Bundesverwaltung durch qualifiziertes Beratungs-personal des Bundesverwaltungsamtes zu unterstützenund

● sicherzustellen, dass vor der Einführung neuer IT-Sys-teme die jeweiligen Geschäftsprozesse analysiert undoptimiert werden.

Das Bundesministerium hat die empfohlenen Maßnah-men u. a. im Regierungsprogramm „ZukunftsorientierteVerwaltung durch Innovationen“, aufgegriffen und viel-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/7100

fach bereits umgesetzt. Der Bundesrechnungshof erwar-tet, dass die Bundesverwaltung auf dieser Grundlage ihreGeschäftsprozesse optimiert und so für wirtschaftlichesVerwaltungshandeln sorgt. Er wird die weitere Entwick-lung beobachten.

68 Projektarbeit in der mittelbaren Bundesverwaltung kann verbessert werden

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesministerien bera-ten, wie die Projektarbeit bei Einrichtungen der mittelba-ren Bundesverwaltung (Behörden) verbessert werdenkann. Diese sollten insbesondere die anerkannten Metho-den und Techniken des Projektmanagements konsequentanwenden.

Die Behörden setzen häufig projektbezogene Organisa-tionsformen ein, um zeitlich befristete, einmalige, neuartigeoder komplexe Aufgaben zu erledigen. Das Projekt-management war nach Feststellungen des Bundesrech-nungshofes bislang aber vielfach unzureichend. Planung,Steuerung und Controlling von Projekten kamen häufigzu kurz. So wurde z. B. kaum ein Projekt zum vorgegebe-nen Endtermin abgeschlossen. Schon bei der Planung warden Projektleitungen oft zu wenig bewusst, dass nicht nurdie Beauftragung Dritter, sondern auch der Einsatz des ei-genen Personals Kosten verursacht. Am Projektendekonnten die Projektleitungen die Kosten häufig nicht odernicht vollständig beziffern. Die Auftraggeber zeigtenvielfach kein hinreichendes Interesse an den Erfolgsfak-toren eines Projekts, wie Kosten, Terminen und Qualität.

Projekte können nur wirtschaftlich durchgeführt werden,wenn hierbei ein besonderes Augenmerk auf die Bedeu-tung von Terminen, Zeit, Kosten, Ressourcen und Quali-tät gelegt wird. Um dies sicherzustellen, müssen die Be-hörden die anerkannten Methoden und Techniken desProjektmanagements konsequent anwenden.

Das Bundesministerium des Innern unterstützt die Emp-fehlungen des Bundesrechnungshofes. Es wird seinen eige-nen Praxisleitfaden zum Projektmanagement überarbeitenund der gesamten Bundesverwaltung zur Verfügung stel-len. Ferner will es neue Möglichkeiten der direkten Betei-ligung der mittelbaren Bundesverwaltung im interminis-teriellen Ausschuss für Organisationsfragen erörtern.

69 Bundesregierung will einheitliche Rahmenbedingungen für Dienstleister schaffen

Bundesbehörden und Zuwendungsempfänger (Kunden)haben anderen, als Dienstleister tätigen Behörden (Dienst-leister) die Erledigung von Querschnittsaufgaben übertra-gen. Die Dienstleister können diese Aufgaben effektiverund effizienter erledigen. Hierzu will die Bundesregie-rung verbindliche einheitliche Rahmenbedingungenschaffen.

Die Dienstleister sind in vielfältigen Organisationsformentätig. Sie erledigen für ihre Kunden vor allem in großerMenge anfallende Querschnittsaufgaben, z. B. die Ab-rechnung von Gehältern und Beamtenbezügen. Die Ver-fahrensweise der Dienstleister bei dem Erschließen neuerAufgaben und dem Gewinnen ihrer Kunden, der Kalkula-tion der Konditionen und der Vertragsgestaltung war nachFeststellungen des Bundesrechnungshofes unterschied-lich. Ferner lagen den Kunden keine verlässlichen Ent-scheidungshilfen vor, in welchen Fällen eine Aufgabewirtschaftlich durch einen Dritten oder durch sie selbsterledigt werden kann.Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, für die Bünde-lung von Querschnittsaufgaben bei Dienstleistern in einemfür alle Bundesministerien verbindlichen Rahmenkonzepteinheitliche Kriterien zu vereinbaren. Die Bundesministe-rien des Innern und der Finanzen haben die Empfehlun-gen des Bundesrechnungshofes grundsätzlich unterstützt. Die Bundesregierung hat am 13. September 2006 dasProgramm „Zukunftsorientierte Verwaltung durch Inno-vationen“ beschlossen. Die „Bündelung von standardi-sierbaren Dienstleistungen in wenigen im Wettbewerbstehenden Dienstleistungszentren“ ist eines der Kernpro-jekte.

70 Organisation der Fortbildung kann verbessert werden

Die Fortbildung der Beschäftigten in der mittelbaren Bun-desverwaltung und bei institutionell vom Bund geförder-ten Zuwendungsempfängern kann effektiver durchgeführtwerden. Das Bundesministerium des Innern (Bundesminis-terium) hat zugesagt, die Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes aufzugreifen und die Einrichtungen zu unter-stützen.Der Bundesrechnungshof stellte bei Einrichtungen dermittelbaren Bundesverwaltung und bei institutionell ge-förderten Zuwendungsempfängern fest, dass Ziele für dieFortbildung nicht ausreichend definiert waren, die Fort-bildung selten aktiv geplant und gesteuert wurde und mit-tel- bis langfristige Fortbildungsplanungen fehlten. Auf-gaben, Strukturen und Arbeitsabläufe waren zumeistnicht eindeutig geregelt. Häufig wurden Schulungendurchgeführt, ohne zuvor deren Wirtschaftlichkeit zu prü-fen. Selten wurde mit anderen Einrichtungen in der Fort-bildung zusammengearbeitet. Die Fortbildungsmaßnah-men und deren Nutzen wurden nicht ausreichendevaluiert. Der IT-Einsatz im Fortbildungsbereich warvielfach improvisiert. Der Bundesrechnungshof hat die Bundesministerien bera-ten, wie die Fortbildung zielorientiert, reibungslos und ef-fektiv organisiert werden kann. Das Bundesministerium wird die Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes bei der Umsetzung des Regierungs-programms „Zukunftsfähige Verwaltung durch Innovatio-nen“ aufgreifen. Die Bundesakademie für öffentlicheVerwaltung wird sich mit ihrem Fortbildungsangebot fürEinrichtungen der mittelbaren Bundesverwaltung stärkeröffnen.

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Bundesministerium der Justiz

71 Generalbundesanwalt stellt Koordi-nierungs- und Steuerungsmängel bei Informationstechnik ab

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hatentsprechend den Empfehlungen des Bundesrechnungs-hofes begonnen, die Steuerung und Koordinierung seinesIT-Einsatzes neu zu organisieren, um erkannte Struktur-probleme bei seiner Informationstechnik künftig zu ver-meiden.Der Bundesrechnungshof stellte beim Generalbundesan-walt unzureichende Kompetenzen zur Steuerung undKontrolle von Auftragnehmern sowie zur IT-Planung und-Koordinierung fest. Dies führte zu Mängeln bei derBeschaffung von Software und Hardware. Der Bundes-rechnungshof erwartet, dass der im April 2007 gebildeteLenkungskreis Informationstechnik beim Generalbundes-anwalt dazu beiträgt, IT- und Managementkompetenzenaufzubauen.

Bundesministerium der Finanzen

72 Verwaltung kann größere Gesetzes-werke effektiver umsetzen

Die Umsetzung größerer Gesetzeswerke stellt die Verwal-tungen vor besondere Herausforderungen. Auf Empfeh-lung des Bundesrechnungshofes will das Bundesministe-rium der Finanzen Erfahrungen bei der Einführung dessogenannten Riester-Förderverfahrens nutzen, um künftiggrößere Gesetzeswerke mit Hilfe einer Projektorganisa-tion effektiver umzusetzen.Der Aufbau einer ergänzenden privaten Altersvorsorge(sog. Riester-Rente) wird seit Anfang 2002 staatlich ge-fördert. Die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögenberechnet die Altersvorsorgezulagen und zahlt sie aus.Um mit der Förderung termingerecht beginnen zu kön-nen, musste zügig ein komplexes Förderverfahren einge-richtet werden.Bei der Einrichtung des Förderverfahrens wirkten zahlrei-che Stellen mit teilweise überschneidenden Zuständigkeitenmit. Eine Stelle, die die Arbeit aller Beteiligten übergrei-fend koordinierte, gab es nicht. Stattdessen handeltendiese im Rahmen ihrer Zuständigkeiten grundsätzlichselbstständig. Anlassbezogen arbeiteten sie mit anderenStellen zusammen. Ein Gesamtplan für die Einrichtungdes Förderverfahrens lag nicht vor. Die Folgen waren ho-her Abstimmungsaufwand, unnötige Doppelarbeiten undVerzögerungen beim Arbeitsfortschritt.Das geschilderte Vorgehen wirkte sich auch auf das För-derverfahren selbst aus. Notwendige Informationen wur-den teilweise verspätet oder gar nicht ausgetauscht. Dieserschwerte und verzögerte die Einrichtung vieler Verwal-tungsabläufe. Die Zentrale Zulagenstelle nahm ihre ge-setzlichen Aufgaben auch mehr als viereinhalb Jahre nachihrer Errichtung noch nicht vollständig wahr.

Der Bundesrechnungshof hat bei der Einführung derRiester-Förderung eine geeignete Organisationsform fürein effektives und effizientes Zusammenwirken der Betei-ligten vermisst. Er hat für eine derartige befristete, fach-übergreifende und komplexe Aufgabe eine Projektorgani-sation empfohlen. Ferner sollten die noch ausstehendenEinführungsschritte identifiziert und ein Plan für derenUmsetzung aufgestellt werden.Mit Hilfe der Empfehlungen des Bundesrechnungshofeskönnen größere Gesetzeswerke in Zukunft effektiver um-gesetzt werden. Das Bundesministerium sollte aus denErfahrungen mit der Einrichtung des Riester-Förderver-fahrens lernen und bei diesen Vorhaben künftig von An-fang an eine Projektorganisation einsetzen.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

73 Kein weiteres Mittelstandspanel

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) hat aufgrund der Empfehlungen desBundesrechnungshofes darauf verzichtet, ein weiteresMittelstandspanel aufzubauen.Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat bereits einMittelstandspanel eingerichtet. Dennoch beabsichtigtedas Bundesministerium, ein eigenes Mittelstandspanelaufzubauen. Die Ausgaben für das auf vier Jahre ange-legte Projekt sollten 2 Mio. Euro betragen. Die KfW erhebt seit dem Jahre 2002 im Rahmen einerschriftlichen Wiederholungsbefragung systematisch Da-ten von kleinen und mittleren Unternehmen (Mittelstands-panel). Das Panel soll Analysen sowohl zu Veränderun-gen in der Struktur des Mittelstandes als auch zurEntwicklung dieser Unternehmen ermöglichen. Eine ein-gehende Analyse der Schwächen bzw. Stärken existieren-der Unternehmenspanels hatte das Bundesministeriumnicht vorgenommen. Daher hat der Bundesrechnungshofdem Bundesministerium empfohlen, die Kooperation mitder KfW zum Mittelstandspanel zu verbessern und aufdie Entwicklung eines eigenen Panels zu verzichten. DasBundesministerium hat die Empfehlung des Bundesrech-nungshofes aufgegriffen. Es beabsichtigt, auf ein eigenesMittelstandspanel zu verzichten und die Zusammenarbeitmit der KfW zum Mittelstandspanel zu verbessern.

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

74 Absatzfonds müssen dem Bund künftig jährlich 2,5 Mio. Euro Verwaltungs-kosten erstatten

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes hat der Ge-setzgeber im Absatzfonds- und im Holzabsatzfondsgesetzgeregelt, dass die Absatzfonds der Bundesanstalt fürLandwirtschaft und Ernährung (Bundesanstalt) die Kos-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/7100

ten für die Erhebung ihrer Beiträge erstatten müssen. Da-durch werden im Bundeshaushalt jährlich 2,5 Mio. Euroeingespart.

Die Absatzfonds sollen den Absatz und die Verwertungvon Erzeugnissen der deutschen Land- und Ernährungs-wirtschaft und der Holz- und Forstwirtschaft fördern. DieBetriebe dieser Wirtschaftsbereiche finanzieren die Ab-satzfonds mit Beiträgen, die überwiegend die Bundesan-stalt erhebt. Dadurch entstehen der Bundesanstalt jährlich2,5 Mio. Euro Verwaltungskosten, die die Absatzfondsbisher nicht bezahlen mussten.

Der Bundesrechnungshof hat angeregt, dass die Absatz-fonds die Kosten für die Erhebung ihrer Beiträge selbsttragen. Der Gesetzgeber hat diesen Vorschlag mit demGesetz zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und desHolzabsatzfondsgesetzes vom 26. Juni 2007 (BGBl. I2007 S. 1170) umgesetzt.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

75 Träger der Grundsicherung wollen das Verfahren verbessern, erwerbsfähige Hilfebedürftige durch beauftragte Dritte zu vermitteln

Die Träger der Grundsicherung können zu ihrer Unter-stützung Dritte beauftragen, erwerbsfähige Hilfebedürf-tige zu vermitteln. Sie wollen das Verfahren verbessernund setzen damit Empfehlungen des Bundesrechnungs-hofes um.

Zum 1. Januar 2005 wurden die Arbeitslosen- und die So-zialhilfe für erwerbsfähige Personen zu einer staatlichenFürsorgeleistung – der Grundsicherung für Arbeitsuchende(Grundsicherung) mit dem Arbeitslosengeld II – zusam-mengefasst. Rechtsgrundlage dieser Grundsicherung istdas Zweite Buch Sozialgesetzbuch – SGB II.

Die Verwaltung der Leistungen obliegt den Grundsiche-rungsstellen, d. h. den Arbeitsgemeinschaften und zuge-lassenen kommunalen Trägern. Diese können Dritte gegenBezahlung beauftragen, erwerbsfähige Hilfebedürftige inArbeit zu vermitteln und ihnen dazu Arbeitsuchende undAusbildungssuchende zuweisen.

Der Bundesrechnungshof hat die Beauftragung Drittermit der Vermittlung geprüft und Folgendes beanstandet:

● Die Grundsicherungsstellen wiesen den Beauftragtenhäufig innerhalb kurzer Zeiträume sehr viele erwerbs-fähige Hilfebedürftige zu, ohne die jeweiligen Zuwei-sungsgründe im Einzelfall zu nennen.

● Die Ergebnisberichte der Beauftragten waren häufignichtssagend. Die Grundsicherungsstellen nutztendiese selten für den weiteren Eingliederungsprozess.

● Trotz Kündigungsmöglichkeiten beendete keine Grund-sicherungsstelle einen Vertrag vorzeitig, wenn die Ver-mittlungstätigkeit der Beauftragten erfolglos war.

● Die Verträge der Beauftragten sahen eine Vergütungvor, die überwiegend nicht von einer erfolgreichenVermittlung abhängig war. Sie boten daher für die Be-auftragten keinen wirksamen finanziellen Anreiz,möglichst viele Vermittlungen zu erzielen.

● Die Grundsicherungsstellen werteten die Wirksam-keit und Wirtschaftlichkeit der Beauftragung Dritternicht systematisch aus. In bereits abgeschlossenenVerfahren haben die beauftragten Dritten bisher kaumerwerbsfähige Hilfebedürftige vermittelt.

Die Bundesagentur für Arbeit hat die festgestellten Män-gel eingeräumt. Sie geht davon aus, dass die Grundsiche-rungsstellen anfängliche Probleme überwunden und dasVerfahren mit der Beauftragung Dritter zwischenzeitlichverbessert haben. Sie habe den Arbeitsgemeinschaftenbereits eine Arbeitshilfe als Grundlage für örtliche Fach-aufsichtskonzepte zur Verfügung gestellt. Von deren Füh-rungskräften erwarte sie eine regelmäßige Kontrolle, dassArbeit- und Ausbildungssuchende individueller unter-stützt und die vertraglich vereinbarten Leistungen der be-auftragten Dritten regelmäßig eingehalten werden. DieVergütung der beauftragten Dritten habe sie inzwischenüberwiegend erfolgsabhängig ausgerichtet.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Bundes-ministerium) hat das zuständige Landesministerium alsAufsichtsbehörde einer Grundsicherungsstelle gebeten,die Mängel abzustellen. Ein kommunaler Träger regeltedie Verfahrensabläufe bei der Beauftragung Dritter auf-grund der Prüfungsfeststellungen neu.

Darüber hinaus kündigte das Bundesministerium an zuprüfen, ob die betroffenen kommunalen Träger die Mittelordnungsgemäß verwendet haben.

Der Bundesrechnungshof hält die von den Grundsiche-rungsträgern getroffenen Vorkehrungen für geeignet, dasVerfahren wirksamer und wirtschaftlicher zu gestalten,Hilfebedürftige durch beauftragte Dritte zu vermitteln.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

76 Eisenbahninfrastrukturunternehmen zahlte Bundesmittel in Millionenhöhe zurück

Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes hatrund 10,8 Mio. Euro an den Bund zurückgezahlt. DerBundesrechnungshof hatte das Eisenbahn-Bundesamt (Bun-desamt) darauf hingewiesen, dass Rechnungen des Eisen-bahninfrastrukturunternehmens fehlerhaft waren.

Der Bund finanziert die Schienenwege seiner Eisenbah-nen. Ein Wirtschaftsprüfer und das Bundesamt prüfen ge-meinsam anhand einer Stichprobe, ob die Mittel, die derBund für Investitionen in das bestehende Schienennetzzur Verfügung stellt, richtig verwendet wurden.

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Drucksache 16/7100 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesrechnungshof stellte bei der Prüfung einer zurStichprobe gehörenden Leistungsabrechnung Unstimmig-keiten fest, die das Bundesamt zunächst nicht erkannthatte.

Eine erneute Prüfung des Bundesamtes ergab, dass fürbundesfinanzierte Leistungen keine oder nicht ausrei-chend prüfbare Belege vorlagen. Außerdem hatte das Un-ternehmen zulasten des Bundes teils überhöhte Zuschlägesowie Rückstellungen abgerechnet. Das Unternehmenzahlte daraufhin rund 8,4 Mio. Euro zuzüglich 2,4 Mio.Euro Zinsen zurück.

77 Eisenbahn-Bundesamt fordert 1,6 Mio. Euro zurück

Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen (Unternehmen) hatBundesmittel für die Folgen der Insolvenz eines beauf-tragten Bauunternehmens verwendet. Es hatte versäumt,sich von dem Bauunternehmen die vertraglich vereinbarteBürgschaft geben zu lassen. Nach Hinweisen des Bundes-rechnungshofes hat das Eisenbahn-Bundesamt (Bundes-amt) 1,6 Mio. Euro von dem Eisenbahninfrastrukturunter-nehmen zurückgefordert.

Der Bund finanziert die Schienenwege seiner Eisenbah-nen. Dafür schließt er mit Unternehmen Verträge. DasBundesamt prüft die Verwendung der Mittel.

Bei einer Baumaßnahme am Berliner Innenring verein-barte das Unternehmen mit einem Bauunternehmen eineBürgschaft. Diese Bürgschaft sollte auch ein Insolvenz-risiko absichern. Der Bundesrechnungshof stellte fest,dass das Unternehmen es aber versäumte, sich dieseBürgschaft von dem Bauunternehmen aushändigen zulassen. Nach der Insolvenz des Bauunternehmens konntedas Unternehmen die Bürgschaft über 1,6 Mio. Euro zurDeckung des Insolvenzschadens deswegen nicht in An-spruch nehmen.

Das Bundesamt ist der Empfehlung des Bundesrech-nungshofes gefolgt und hat 1,6 Mio. Euro von dem Un-ternehmen zurückgefordert. Der Bundesrechnungshofwird die weitere Entwicklung beobachten.

78 Rückforderungen von 5 Mio. Euro nach Verstößen gegen die Förderrichtlinie Kombinierter Verkehr

Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion West (Direktion)fordert aufgrund einer Empfehlung des Bundesrech-nungshofes Fördermittel in Millionenhöhe wegen Verstö-ßen gegen die Förderrichtlinie Kombinierter Verkehr zu-rück.

Der Bund gewährt Hafenbetreibern seit dem Jahre 1998nach der Förderrichtlinie Kombinierter Verkehr Zuwen-dungen für den Aus- und Neubau von Umschlaganlagenfür Kombinierten Verkehr in den Binnen- und Seehäfen.Die Hafenbetreiber beantragen die Fördermittel bei der

Direktion. Die Direktion prüfte die Verwendung der Zu-wendungen nur unzureichend. Sie hat zahlreiche Verstößegegen die einschlägige Förderrichtlinie, wie z. B. vorzei-tige und überhöhte Anforderung von Zuwendungen, nichterkannt. Hinweise des Bundesrechnungshofes veranlasstendie Direktion, von den Zuwendungsempfängern 5 Mio. Eurozurückzufordern. Sie prüft noch, ob sie weitere 13 Mio. Eurozurückfordern kann.

79 Zentrale Bearbeitung der Statistik des Güterkraftverkehrs setzt Stellen frei

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) wird auf Empfehlung desBundesrechnungshofes die Güterkraftverkehrsstatistikzukünftig allein durch das Kraftfahrt-Bundesamt erstellenlassen.

Das Bundesamt für Güterverkehr in Köln und das Kraft-fahrt-Bundesamt in Flensburg erstellen die Güterkraftver-kehrsstatistik bisher gemeinsam. Die Beschäftigten bei-der Behörden erledigen dabei nahezu identische Arbeiten.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass die Be-schäftigten in Kraftfahrt-Bundesamt und Bundesamt fürGüterverkehr sehr unterschiedlich ausgelastet sind. DieAufteilung der Arbeit auf zwei Behörden verursacht un-nötigen Verwaltungsaufwand.

Das Bundesministerium will daher auf Empfehlung desBundesrechnungshofes die Güterkraftverkehrsstatistik künf-tig allein durch das Kraftfahrt-Bundesamt mit dort bereitsvorhandenem Personal erstellen lassen. Das Bundesamtfür Güterverkehr wird die hierdurch eingesparten Dienst-posten nutzen, um verstärkt neue Aufgaben in der Ver-kehrsstatistik zu übernehmen.

80 28 Mio. Euro bei Verkehrsbeein-flussungsanlagen eingespart

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) hat auf Empfehlung desBundesrechnungshofes auf den Bau nicht notwendigerVerkehrsbeeinflussungsanlagen auf Bundesautobahnen ver-zichtet. Außerdem hat es in mehreren Fällen die Anzahlder geplanten Verkehrszeichenbrücken verringert. Hier-durch sind mindestens 28 Mio. Euro eingespart worden.

Verkehrsbeeinflussungsanlagen informieren die Verkehrs-teilnehmer mit variablen Anzeigen auf Verkehrszeichen-brücken frühzeitig über die aktuelle Verkehrssituationund die daran angepasste zulässige Höchstgeschwindig-keit. Sie verbessern so auf überlasteten Autobahnabschnit-ten den Verkehrsfluss und erhöhen die Verkehrssicherheit.

Die Straßenbauverwaltungen planten Verkehrsbeeinflus-sungsanlagen für vier Autobahnabschnitte, die gleichzei-tig um zwei Fahrstreifen erweitert wurden oder deren Er-weiterung kurze Zeit bevorstand. Durch die zusätzlichenFahrstreifen verbessern sich Verkehrsfluss und Verkehrs-

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sicherheit erheblich. Der Bundesrechnungshof hat des-halb empfohlen, auf die Verkehrsbeeinflussungsanlagenzu verzichten.

Eine Straßenbauverwaltung plante beim Neubau einesAutobahnabschnitts eine Verkehrsbeeinflussungsanlage.Die Anlage war nicht notwendig, da die Autobahn bereitsfür zukünftige größere Verkehrsmengen bemessen war.

Bei einigen Anlagen planten die Straßenbauverwaltungenohne Grund kürzere Abstände zwischen den Verkehrszei-chenbrücken als im Regelwerk vorgegeben. Der Bundes-rechnungshof hat dem Bundesministerium empfohlen,zwischen den Verkehrszeichenbrücken nur bei begründe-ten Ausnahmen geringere als die Regelabstände zuzulas-sen.

Das Bundesministerium ist den Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes gefolgt. Durch den Verzicht auf dienicht notwendigen Anlagen und durch größere Abständezwischen den Verkehrszeichenbrücken sind so mindes-tens 28 Mio. Euro eingespart worden.

81 Erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Obersten Kontrollamt der Tschechi-schen Republik bei der Prüfung der Autobahn Prag–Dresden

Der Bundesrechnungshof und das Oberste Kontrollamt derTschechischen Republik (NKÚ) haben ihre Prüfungen desBaus der Autobahn Prag–Dresden koordiniert. Hierdurchhaben sie neben den landesspezifischen Feststellungen dennationalen Straßenbaubehörden übereinstimmende Emp-fehlungen für einen wirtschaftlichen Brückenbau gebenkönnen.

Bundesrechnungshof und NKÚ erarbeiteten eine einheit-liche Methodik zur Prüfung der Baukosten von Brückenund Tunneln. Die in den jeweiligen Ländern erhobenenDaten werteten sie gemeinsam aus. Die Analyse zeigte,dass die Brücken der Autobahn Prag-Dresden auf tsche-chischer Seite im Durchschnitt teurer waren als auf deut-scher Seite. Dies lag vor allem an der auf tschechischerSeite größeren Vielfalt von Brückenkonstruktionen undUnterschieden in der Vergabepraxis. Betonbrücken warenbilliger als Stahl- oder Stahlverbundbrücken. Die tsche-chischen Tunnel kosteten ungefähr doppelt so viel wievergleichbare deutsche Tunnel. Ursache hierfür war u. a.der in der Tschechischen Republik damals noch schwä-cher ausgeprägte Wettbewerb bei Tunnelbauten.

Die in ihrem jeweiligen Land getroffenen Prüfungsfest-stellungen teilten Bundesrechnungshof und NKÚ un-abhängig voneinander den Straßenbaubehörden ihrerLänder mit. Darüber hinaus haben sie den nationalenStraßenbaubehörden auf der Grundlage der koordiniertenPrüfungen übereinstimmend empfohlen,

● die Brückenkonstruktionen zu standardisieren und

● Stahlverbundbrücken und Brücken mit Sonderkon-struktionen nur dort auszuführen, wo Spannbetonbrü-cken unzweckmäßig sind.

Über ihr Vorgehen bei der Prüfung der AutobahnPrag–Dresden haben sie einen gemeinsamen Bericht ver-öffentlicht, der auch im Internet unter www.bundesrech-nungshof.de verfügbar ist.

82 Neue gesetzliche Regelung soll künftig Leistungsmissbrauch beim Wohngeld verhindern

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) will im neuen Wohngeld-gesetz die gesetzliche Grundlage für einen automatisier-ten Abgleich zwischen den Daten der Wohngeldstellenund der Minijob-Zentrale schaffen. Dadurch können dieWohngeldstellen dem vom Bundesrechnungshof aufge-deckten Leistungsmissbrauch beim Wohngeld künftigwirksamer begegnen.

Die Leistungen nach dem Wohngeldgesetz werden u. a.danach gewährt, welches Gesamteinkommen alle zumHaushalt gehörenden Familienmitglieder erzielen. Beider Ermittlung dieses Gesamteinkommens sind auch Ein-nahmen aus Minijobs zu berücksichtigen. Bei einem Mi-nijob darf der Verdienst nicht über 400 Euro im Monatliegen.

Das Einkommen kann festgestellt werden durch Vorlageeiner Verdienstbescheinigung, der Lohnsteuerbescheini-gung des Arbeitgebers oder des Einkommensteuerbe-scheids. Bei einem Minijob kann der Arbeitgeber einepauschalierte Lohnsteuer an die Minijob-Zentrale entrich-ten. In diesen Fällen wird der Lohn des Minijobs nicht aufder Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesen. Wird der Mi-nijob gegenüber den Wohngeldstellen verschwiegen undkeine Verdienstbescheinigung vorgelegt, geht aus einerLohnsteuerbescheinigung oder einem Einkommensteuer-bescheid nicht hervor, dass der Arbeitnehmer einem Mi-nijob nachgeht.

Die Wohngeldstellen müssten deshalb die Möglichkeithaben, bei der Minijob-Zentrale nachzufragen, ob dort einMinijob für den Antragsteller gemeldet ist. Bisher fehltedafür aber die gesetzliche Grundlage.

Nach Feststellungen des Bundesrechnungshofes gab imJahre 2006 mehr als der Hälfte der Antragsteller in ihrenWohngeldanträgen ihre Einnahmen aus Minijobs nichtan. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl bundesweit beste-hender Wohngeldhaushalte würden danach jährlich inmehr als 40 000 Wohngeldfällen Einnahmen aus Mini-jobs unberücksichtigt bleiben. Dann würden Bund undLänder, die das Wohngeld jeweils zur Hälfte finanzieren,unberechtigt rund 20 Mio. Euro Wohngeld auszahlen.

Angesichts des möglichen Schadens hat der Bundesrech-nungshof empfohlen, einen regelmäßigen automatisiertenAbgleich der Wohngelddaten mit den Daten der Minijob-Zentrale gesetzlich zu verankern.

Das Bundesministerium hat in der Novellierung zumWohngeldgesetz eine entsprechende Regelung vorgese-hen. Das neue Wohngeldgesetz soll zum 1. Januar 2008

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in Kraft treten. Dann werden die Wohngeldstellen dieMöglichkeit haben, unabhängig von den Angaben derAntragsteller zu überprüfen, ob Familienmitglieder ausMinijobs Einkommen erzielen.

Bundesministerium der Verteidigung

83 Bundesministerium verschärft die Kontrolle des Bauunterhalts

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat auf Hinweis des Bundesrechnungshofes dafürgesorgt, dass künftig besser überwacht wird, wie die Bun-deswehr die Haushaltsmittel für den Bauunterhalt ver-wendet. Zum Bauunterhalt gehören grundsätzlich nursubstanzerhaltende Arbeiten.

Ein Bundeswehrdienstleistungszentrum stattete in Ab-sprache mit einer militärischen Dienststelle die Dienst-räume des Kommandeurs Anfang 2007 ohne hinrei-chende Begründung mit einer Klimaanlage aus. Es gabhierfür fast 40 % der Haushaltsmittel aus, die zu diesemZeitpunkt für den Bauunterhalt der gesamten Kaserne imlaufenden Jahr eingeplant waren. Dafür wurde die drin-gend erforderliche Sanierung 30 Jahre alter Sanitärräumezurückgestellt. Der Einbau der Klimaanlage im Rahmendes Bauunterhalts verstieß gegen einschlägige Vorschrif-ten.

Auf Hinweis des Bundesrechnungshofes hat das Bundes-ministerium umgehend

● die Klimaanlage entfernen lassen,

● die Maßnahmen des Bauunterhalts in der militärischenDienststelle unter Genehmigungsvorbehalt gestelltund

● den Auftrag gegeben, Regressansprüche des Bundeszu prüfen.

Über den Einzelfall hinaus hat es Anweisungen erteilt,um das Verwaltungshandeln der Bundeswehrdienstleis-tungszentren beim Bauunterhalt zu verbessern.

Der Bundesrechnungshof hat die schnelle Reaktion desBundesministeriums anerkannt. Insbesondere angesichtsdes baulichen Zustands vieler Kasernen hat er dagegendas Verhalten der handelnden Personen in dem geschil-derten Fall als wenig vorbildlich kritisiert.

84 ÖPP-Projekt HERKULES: Ausschluss geeigneter Handlungsalternativen künftig erst nach Wirtschaftlichkeits-untersuchung

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) will künftig bei Projekten, die für eine Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) geeignet sind, Handlungsalter-nativen nicht ausschließen, bevor Wirtschaftlichkeitsun-tersuchungen vorliegen. Damit ist gewährleistet, dass es

sowohl bei Fortführung des Projektes HERKULES alsauch bei weiteren Projekten alle Handlungsalternativenhinsichtlich Kosten, Nutzen und Risiken bewertet, bevorEntscheidungen fallen.

In dem Projekt HERKULES arbeitet das Bundesministe-rium auf dem Gebiet der Informationstechnik mit einemPartner aus der Industrie zusammen. Gemeinsam mit die-sem gründete es eine IT-Gesellschaft, die erhebliche Teileder Informationstechnik der Bundeswehr modernisierensoll. Der Vertrag mit einem Auftragswert von rund 7 Mrd.Euro hat eine Laufzeit von zehn Jahren.

Nach Abschluss der Vertragsverhandlungen legte dasBundesministerium im Jahre 2006 eine Wirtschaftlich-keitsuntersuchung vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte esjedoch bereits wesentliche Entscheidungen getroffen, so-dass ein ergebnisoffener Vergleich aller (anfangs) geeig-neten Handlungsalternativen nicht mehr möglich war.

Auf der Grundlage der Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes wird das Bundesministerium nunmehr

● anhand fester Kriterien begleitend evaluieren, ob dieZiele des Projektes HERKULES auf wirtschaftlicheWeise erreicht werden,

● auf der Basis einer ergebnisoffenen Wirtschaftlich-keitsuntersuchung drei Jahre vor Ablauf des Vertragesdas weitere Vorgehen in dem Projekt festlegen sowie

● künftig auch bei anderen ÖPP-Projekten rechtzeitigalle geeigneten Handlungsalternativen auf ihre Wirt-schaftlichkeit untersuchen.

85 Bundeswehr verzichtet auf die Beschaffung von Zubehör für das Transportfahrzeug MULTI

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes hat die Bun-deswehr davon abgesehen, weiteres Zubehör für dasTransportfahrzeug MULTI zu beschaffen. Sie spart da-durch 16,8 Mio. Euro.

Die Bundeswehr setzt seit dem Jahre 1996 das Transport-fahrzeug MULTI ein. Zu jedem Fahrzeug gehören Zube-hörsätze. Die Bundeswehr hielt von Anfang an fünf Zu-behörsätze je Fahrzeug für erforderlich, stattete bisherjedoch nicht alle Fahrzeuge im vollen Umfang aus. Sieplante, das fehlende Zubehör für vorhandene Fahrzeugenachzubestellen. Neue Fahrzeuge wollte sie unmittelbarmit jeweils fünf Zubehörsätzen ausstatten lassen.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass Truppen-teile im Inland mit weniger Zubehör auskommen. Erempfahl, die Zahl der Zubehörsätze zu überdenken, zu-nächst keine neuen Sätze zu kaufen und bis dahin den Be-stand effektiv zu nutzen.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Anre-gungen des Bundesrechnungshofes aufgegriffen. Es willkein weiteres Zubehör beschaffen, sondern auf den Be-stand zurückgreifen. Im Vergleich zu ihrer ursprünglichenPlanung spart die Bundeswehr dadurch 16,8 Mio. Euro.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/7100

86 Bundeswehr verzichtet auf den Kauf von fünf Anlagen zum Befüllen und Reinigen von Kraftstoffkanistern

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes hat die Bun-deswehr auf die Beschaffung von fünf Anlagen zum Be-füllen und Reinigen von Kraftstoffkanistern verzichtet.Sie spart dadurch rund 3 Mio. Euro ein.

Die Bundeswehr hatte kein ausreichendes Konzept überdie Versorgung mit Benzin und anderen Betriebsstoffen.Sie wusste zum Beispiel nicht genau, wie viele Kraft-stoffkanister sie künftig noch benötigt. Dennoch beab-sichtigte sie, zehn Anlagen zum Befüllen und Reinigenvon Kraftstoffkanistern zu kaufen.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Verteidigung (Bundesministerium) empfohlen, vorder Beschaffung der Anlagen zunächst ein Konzept überdie Versorgung mit Betriebsstoffen zu erarbeiten.

Inzwischen hat das Bundesministerium ein Konzept er-stellt und mitgeteilt, die Bundeswehr benötige nur nochfünf Anlagen zum Befüllen und Reinigen von Kraftstoff-kanistern.

87 Bundeswehr verringert Anzahl der Sanitätsfahrzeuge erheblich

Die Bundeswehr hat damit begonnen, ihren Bestand an Sa-nitätsfahrzeugen deutlich zu verringern. Sie spart dadurchjährlich 1,2 Mio. Euro an Betriebskosten ein. Darüberhinaus will sie die teure Typenvielfalt der Sanitätsfahr-zeuge reduzieren und auf die Beschaffung von Lastkraft-wagen im Wert von 54 Mio. Euro verzichten.

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr verfügte im Jahre2006 über rund 5 000 Fahrzeuge unterschiedlichen Typszum Transport von Personen und Material. Um denaktuellen Anforderungen insbesondere im Auslandsein-satz gerecht zu werden, plante die Bundeswehr, für denSanitätsdienst 548 gegen Minen und ähnliche Bedrohun-gen geschützte Lastkraftwagen (Lkw) zu beschaffen.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass der Sanitäts-dienst 1 620 ungeschützte Fahrzeuge mehr hat, als diePlanungen der Bundeswehr für ihre Struktur im Jahre2010 vorsehen. Die Typenvielfalt der im Sanitätsdienstvorhandenen Fahrzeuge verursacht einen erheblichenAufwand bei der Instandsetzung, der Ersatzteilversor-gung und den Mitarbeiterschulungen. Die von der Bun-deswehr geplante Anzahl neuer geschützter Lkw hielt derBundesrechnungshof für überhöht.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Überbe-stände an Fahrzeugen eingeräumt und mitgeteilt, dass esbereits 528 Fahrzeuge ausgesondert habe. Damit würdenjährlich 1,2 Mio. Euro an Betriebskosten eingespart. Wei-tere 190 Fahrzeuge stünden kurzfristig zur Aussonderungan. Neue Fahrzeuge will die Bundeswehr nunmehr be-darfsgerecht beschaffen. Dazu verzichte sie auf die Be-schaffung von 135 geschützten Lkw im Wert von 54 Mio.

Euro. Außerdem hat die Bundeswehr begonnen, dieTypenvielfalt der Sanitätsfahrzeuge zu reduzieren.

88 Bundeswehr rechnet Abgabe von Betriebsstoffen an Dritte künftig rechtzeitig und kostendeckend ab

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes wird dieBundeswehr die Abgabe von Betriebsstoffen wie Dieselund Benzin an ausländische Truppenteile, Behörden undzivile Empfänger künftig rechtzeitig und kostendeckendabrechnen. Kurzfristig erzielte die Bundeswehr bereitsEinnahmen in Höhe von 9,7 Mio. Euro.

Die Bundeswehr versorgt aus ihren Beständen ausländi-sche Truppenteile, Behörden und zivile Empfänger mitBetriebsstoffen, wie z. B. Diesel (sog. Betriebsstoffab-gabe). Hierfür muss sie ein kostendeckendes Entgelt er-heben.

Die Bundeswehr hatte die Abrechnung der Betriebsstoff-abgabe nur ungenügend geregelt. Mitte 2006 waren des-halb noch Forderungen in Höhe von rund 14 Mio. Eurooffen.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium derVerteidigung (Bundesministerium) auf die Einnahme- undZinsverluste hingewiesen. Er hat empfohlen, die Abrech-nung der Betriebsstoffabgabe eindeutig zu regeln und dieAbgaben ohne Zeitverzug kostendeckend abzurechnen.

Das Bundesministerium hat zugesagt, schon kurzfristigeine kostendeckende und zügige Abrechnung der Be-triebsstoffabgabe sicherzustellen. Von den offenen Forde-rungen seien inzwischen bereits 9,7 Mio. Euro beglichenworden. Mittelfristig strebe das Bundesministerium mitden NATO-Partnern ein Verfahren an, das aufwendigeAbrechnungen von vornherein vermeidet.

89 Bundeswehr sondert überzählige Fernmeldekabinen aus

Die Bundeswehr hat nach einer Empfehlung des Bundes-rechnungshofes damit begonnen, über 1 300 nicht benö-tigte Fernmeldekabinen auszusondern. Zugleich hat siedarauf verzichtet, für 4,6 Mio. Euro 148 neue Kabinen zubeschaffen. Darüber hinaus wird sie ihren Bedarf anFernmeldekabinen insgesamt überprüfen.

Die Bundeswehr beschaffte seit Mitte der 70er-Jahre rund12 000 Fernmeldekabinen. Dies sind besondere Containerfür militärische Telekommunikationssysteme (z. B. Funk-anlagen), die zugleich als Arbeitsräume für das Be-dienungspersonal dienen. Der Bundesrechnungshof be-anstandete bereits im Jahre 1986, dass mehrFernmeldekabinen als erforderlich beschafft worden wa-ren und der überwiegende Teil ungenutzt in Gerätedepotslagerte. Das Bundesministerium der Verteidigung sagtedaraufhin zu, die Beschaffungsplanung für die Kabinenzu verbessern.

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Drucksache 16/7100 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Jahre 2005 prüfte der Bundesrechnungshof erneut denBedarf und Bestand an Fernmeldekabinen. Dabei stellteer fest, dass die Bundeswehr trotz der Verringerung desStreitkräfteumfangs den aktuellen Bedarf immer nochnicht ermittelt hatte. Ungeachtet des dadurch verursach-ten Überbestandes war sogar geplant, neue Kabinen zubeschaffen.

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes hat die Bun-deswehr nunmehr

● auf die Neubeschaffung verzichtet,

● begonnen, nicht benötigte Kabinen auszusondern,und

● angekündigt, ihren Bedarf an Fernmeldekabineninsgesamt dem geänderten Aufgaben- und Einsatz-spektrum anzupassen.

90 Marine legt nicht mehr benötigte Landungsboote vorzeitig still

Die Bundesmarine hat ihre letzten acht Landungsbooteder Klasse 521 vorzeitig außer Dienst gestellt. Dadurchspart sie insgesamt rund 6 Mio. Euro Betriebsausgabenein.

Mitte der 60er-Jahre hatte die Bundesmarine 28 Lan-dungsboote der Klasse 521 beschafft. 20 davon hatte siein den 80er-Jahren außer Dienst gestellt, nachdem der ur-sprüngliche Verwendungszweck entfallen war; die restli-chen acht überließ sie Marinestützpunkten und -schulenfür Personen- und Materialtransporte. Diese Boote solltenbis zum Jahre 2010 genutzt werden, obwohl sie bei wei-tem nicht ausgelastet waren. So war z. B. eines von ihnenüber mehrere Jahre hinweg durchschnittlich nur dreiein-halb Stunden pro Woche im Einsatz. Die Marine nutzte esvor allem für Gästetransporte bei Tagen der offenen Türoder Hafenfesten. Allein die Ausgaben für Instandhaltung(Ersatzteile, Werftleistungen) und Betriebsstoffe beliefensich auf rund 90 000 Euro je Boot und Jahr.

Der Bundesrechnungshof hat den Betrieb der Landungs-boote seit dem Jahre 1999 wiederholt geprüft. Er hat auf-gezeigt, dass der Einsatz unwirtschaftlich ist, zumal fürgelegentliche Hafentransporte kostengünstigere Booteverwendet werden können. Aufgrund seiner Feststellun-gen und Empfehlungen sind die verbliebenen acht Bootein den Jahren 1999 bis 2007 in mehreren Schritten stillge-legt worden.

91 9 Mio. Euro Betriebskostenerstattung für einen Luft/Boden-Schießplatz werden eingefordert

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) will nach Hinweisen des Bundesrechnungshofesrückwirkend rund 9 Mio. Euro anteilige Betriebskostendes Luft/Boden-Schießplatzes Nordhorn einfordern. Seitdem Jahre 2001 hat es die Bundeswehr versäumt, auslän-

dische Streitkräfte, die den Platz mitnutzen, an den Kos-ten zu beteiligen. Künftig wird sie ihren Anspruch zeitge-recht geltend machen.

Abrechnungsbestimmungen der Bundeswehr sehen vor,bei der Mitbenutzung von Truppenübungsplätzen durchDritte Entgelte von diesen für die anteiligen Betriebskos-ten zu erheben. Üblicherweise werden die Entgelte inMitnutzungsvereinbarungen geregelt. Im Jahre 2001übernahm die Bundeswehr den Luft/Boden-SchießplatzNordhorn, ohne solche Vereinbarungen mit den Mitnut-zern zu schließen. Einschließlich Zinsen summierten sichdie Einnahmeausfälle auf insgesamt rund 9 Mio. Euro.

Das Bundesministerium hat zugesagt, nunmehr Mitnut-zungsvereinbarungen abzuschließen. Außerdem wird esan die Mitnutzer herantreten, damit diese sich auch rück-wirkend an den Betriebskosten beteiligen.

Bundesministerium für Gesundheit

92 Gefahr der Interessenkollision abgewendet

Gehören Bedienstete eines Bundesministeriums dem Lei-tungs- oder Aufsichtsgremium eines Zuwendungsemp-fängers an, dürfen sie nicht gleichzeitig am Verwaltungs-verfahren zur Gewährung der Zuwendungen mitwirken.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat auf Empfeh-lung des Bundesrechnungshofes allgemeine Regelungenerlassen, um Interessenkollisionen künftig zu vermeiden.In seinem Geschäftsbereich dürfen keine Bedienstetenmehr an Zuwendungsverfahren oder Entscheidungen zu-gunsten eines Zuwendungsempfängers mitwirken, so-lange sie dessen Leitungs- oder Aufsichtsgremien ange-hören.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

93 Klare Richtlinien verbessern die Inanspruchnahme von Unterhalts-pflichtigen

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauenund Jugend (Bundesministerium) hat auf Empfehlung desBundesrechnungshofes die Richtlinien zum Unterhalts-vorschussgesetz umfassend überarbeitet. Die Richtlinienstellen nunmehr klar, dass Unterhaltspflichtige gegenüberder Unterhaltsvorschussstelle beweisen müssen, Unter-halt nicht leisten zu können. Von den Erläuterungen inden Richtlinien verspricht sich der Bundesrechnungshofeine erleichterte Sachbearbeitung vor Ort und einen er-folgreicheren Rückgriff gegenüber den Unterhaltspflich-tigen.

Kinder unter zwölf Jahren erhalten Leistungen nach demUnterhaltsvorschussgesetz, wenn sie bei einem allein er-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/7100

ziehenden Elternteil leben und der andere Elternteil kei-nen oder keinen ausreichenden Unterhalt an das Kindzahlt. Der unterhaltspflichtige Elternteil muss den Unter-haltsvorschuss an den Staat zurückzahlen, wenn er in demZeitraum, für den Unterhaltsvorschussleistungen gezahltwurden, leistungsfähig war. Deshalb müssen die Unter-haltsvorschussstellen prüfen, ob Unterhaltspflichtige leis-tungsfähig waren.

In den Richtlinien zur Durchführung des Unterhaltsvor-schussgesetzes war bisher nur knapp dargestellt, was dieUnterhaltsvorschussstellen prüfen müssen, wenn sie dieLeistungsfähigkeit feststellen wollen. Insbesondere fehl-ten klare Regelungen, nach denen Unterhaltspflichtigedarlegen und beweisen müssen, dass sie nicht leistungsfä-hig sind. Machen sie die notwendigen Angaben nichtoder nicht ausreichend, kann ihre Leistungsfähigkeit ohneweitere Prüfung vermutet werden.

Unterhaltsvorschussstellen war diese Beweislastregelhäufig nicht geläufig. Sie versuchten Unterhaltspflichti-gen nachzuweisen, dass sie leistungsfähig sind. Da einsolcher Nachweis in der Praxis nur schwer zu führen ist,stellten diese Stellen entweder umfangreiche, meist er-folglose Ermittlungen an oder sahen von vornherein davonab, Unterhaltspflichtige in Anspruch zu nehmen. Unter-haltsvorschussstellen, die hingegen die Beweislastum-kehr nutzten, konnten häufiger Rückgriff bei den Unter-haltspflichtigen nehmen und höhere Einnahmen erzielen.

Das Bundesministerium ist den Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes gefolgt. Es hat die Richtlinien zum1. Januar 2007 in den einschlägigen Punkten umfassendüberarbeitet und die Voraussetzungen der Leistungsfähig-keit sowie die Beweislastregel ausführlich dargestellt.

Allgemeine Finanzverwaltung

94 Bundesministerium der Finanzen will steuerliche Erfassung von Einkom-mensersatzleistungen verbessern

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) will dafür sorgen, dass die Finanzämter elektroni-sche Daten über Einkommensersatzleistungen erhalten,die dem sogenannten Progressionsvorbehalt unterliegenund deshalb den Steuersatz beeinflussen. Damit will esauf Empfehlung des Bundesrechnungshofes eine gleich-mäßige Besteuerung erreichen und allein beim Mutter-schaftsgeld jährliche Steuerausfälle von rund 20 Mio.Euro verhindern.

Einkommensersatzleistungen, wie das Mutterschaftsgeldund das Krankengeld, sind einkommensteuerfrei. Sie un-terliegen aber dem sogenannten Progressionsvorbehalt.Dies bedeutet, dass die Finanzämter bei der Bemessungdes Steuersatzes nicht nur die steuerpflichtigen, sondernauch diese steuerfreien Einkünfte berücksichtigen. Da der

Steuersatz mit steigenden Einkünften steigt, führt dies zueiner höheren Belastung der steuerpflichtigen Einkünfte.Einkommensersatzleistungen, die dem Progressionsvor-behalt unterliegen, sind deshalb in der Einkommensteuer-erklärung anzugeben.

Der Bundesrechnungshof prüfte die steuerliche Erfassungvon Einkommensersatzleistungen beispielhaft anhand desMutterschaftsgeldes. Bei einem Drittel der geprüftenFälle stellte er fest, dass Arbeitnehmerinnen das Mutter-schaftsgeld in ihren Steuererklärungen nicht angegebenhatten. Da die Finanzämter dies ohne Rückfragen hinnah-men, erfassten sie ein Drittel der Mutterschaftsgeldersteuerlich nicht. Dies führte zu Steuerausfällen und unge-rechtfertigten Vorteilen für Mütter, die das Mutterschafts-geld nicht angegeben hatten.

Um das künftig zu verhindern hat das Bundesministeriumden Vorschlag des Bundesrechnungshofes aufgegriffenund in dem Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 vor-gesehen, dass die Finanzverwaltung künftig elektronischeDaten aller Einkommensersatzleistungen erhalten soll,die dem Progressionsvorbehalt unterliegen.

Bundesagentur für Arbeit

95 Bundesagentur für Arbeit verbessert die Organisation und die Aufgaben-erledigung im Bereich ihres Daten-schutzes

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) hat Schwach-stellen der Organisation und der Aufgabenerledigung imBereich ihres Datenschutzes beseitigt. Sie setzt damit dieEmpfehlungen des Bundesrechnungshofes um.

Der Bereich des Datenschutzes bei der Bundesagenturwar bisher unzureichend organisiert. So wurden u. a. Ar-beiten doppelt ausgeführt, Entscheidungen uneinheitlichgetroffen und Informationen gingen verloren. Die Bun-desagentur hatte kein vollständiges und ordnungsgemä-ßes Verzeichnis über die maschinelle Verarbeitung perso-nenbezogener Daten. Darüber hinaus waren aufwendigeProgrammänderungen bei der Datenverarbeitung notwen-dig, weil die Bundesagentur den Datenschutzbeauftragtennicht rechtzeitig bei der Entwicklung einschaltete.

Der Bundesrechnungshof hat die Schwachstellen in derOrganisation und Aufgabenerledigung beim Datenschutzaufgezeigt. Er hat gefordert, den Datenschutzbeauftragtenkünftig an der Entwicklung von Datenverarbeitungspro-grammen zu beteiligen. Er hat ferner angeregt, Prüfpläneaufzustellen und Checklisten einzuführen. Außerdem hälter Schulungen und zielgerichtete Informationen der Be-schäftigten für notwendig.

Die Bundesagentur ist den Empfehlungen des Bundes-rechnungshofes gefolgt.

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Drucksache 16/7100 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

96 Bau- und Immobilienverwaltung der Bundesagentur für Arbeit hat sich trotz Privatisierung an das Vergabe-recht zu halten

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) ist derForderung des Bundesrechnungshofes nachgekommenund hat ihre privatisierte Bau- und Immobilienverwaltungangewiesen, bei sämtlichen Beschaffungen das Vergabe-recht zu beachten.

Die Bundesagentur vertrat die Auffassung, dass ihre Bau-und Immobilienverwaltung als juristische Person des pri-vaten Rechts nicht an das Vergaberecht gebunden sei. Siebeschaffte regelmäßig Waren und Dienstleistungen für ih-ren Geschäftsbetrieb, ohne Vergabeverfahren durchzufüh-ren. Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen,dass die Bundesagentur öffentliches Vergaberecht auchdann zu beachten hat, wenn sie ihre Aufgaben nicht mehrselbst, sondern durch ihren privatisierten Bau- und Immo-bilienbereich wahrnehmen lässt. Andernfalls könnte dasöffentliche Vergaberecht durch Privatisierungen umgan-gen und das Prinzip des freien Wettbewerbs sowie dasGebot der Transparenz und der Gleichbehandlung ausge-hebelt werden.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist derRechtsauffassung des Bundesrechnungshofes gefolgt undhat die Bundesagentur aufgefordert, ihre abweichendeAnsicht aufzugeben. Die Bundesagentur hat daraufhin dieGesellschaft angewiesen, künftig das Vergaberecht ohneEinschränkung anzuwenden.

97 Bundesagentur für Arbeit verbessert ihre Handlungsprogramme zur Beratung und Vermittlung Arbeitsuchender

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes hat die Bun-desagentur für Arbeit (Bundesagentur) ihre Vorgaben zurVermittlung und Beratung Arbeitsuchender verbessert.Sie erhöhte in den sogenannten Handlungsprogrammenfür Arbeitnehmer (Handlungsprogramme) u. a. die Zahlder Beratungsgespräche und stellte weitere Mittel für Ar-beitsuchende zur Verfügung, die bereits länger arbeitslossind. Außerdem will sie ihre Vermittlungsfachkräfte in-tensiver schulen, um die Umsetzung der Handlungspro-gramme zu verbessern.

Die Handlungsprogramme enthalten Anweisungen für dieVermittlungsfachkräfte und strukturieren deren Tätigkeit.Die Beschäftigten der Agenturen für Arbeit (Agenturen)erstellen für alle Arbeitsuchenden ein Kundenprofil undbestimmen deren individuellen Unterstützungsbedarf an-hand eines nach „Kundengruppen“ gegliederten Leis-tungskataloges. Sie legen in einer Zielvereinbarung fest,welche Eigenbemühungen von den Arbeitsuchenden er-wartet werden und welche Vermittlungsaktivitäten oderEingliederungsleistungen die Agenturen erbringen wol-len.

Nach den Handlungsprogrammen sollten Arbeitsuchende,die nach Einschätzung der Bundesagentur eigenständigeinen Arbeitsplatz finden können (Marktkunden), nureinmal innerhalb von drei Monaten ein Beratungsge-spräch erhalten. Für Arbeitsuchende, die aufgrund ge-sundheitlicher und sozialer Probleme oder wegenschlechter Arbeitsmarktlage Vermittlungshemmnisse ha-ben (Betreuungskunden), war keine kostenintensive Un-terstützung vorgesehen. Sie sollten in Mini-Jobs vermit-telt, zu einem „Rückzug aus dem Arbeitsleben“ oder zum„Abgang in die Erwerbsunfähigkeit“ veranlasst werden.Die Agenturen hatten die gesetzlich vorgesehene Zielver-einbarung nur in etwas mehr als der Hälfte der geprüftenFälle mit den Arbeitsuchenden abgeschlossen. Diese Ver-einbarungen waren größtenteils inhaltsleer.

Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass die Agenturennach den Handlungsprogrammen für Markt- und Betreu-ungskunden kaum noch Beratungs- und Förderleistungenzu erbringen haben. Mit dem gesetzlichen Auftrag derBundesagentur ist es auch nicht zu vereinbaren, wenn Ar-beitslose mit Vermittlungshemmnissen zu einem „Rück-zug aus dem Erwerbsleben“ oder zu einem „Abgang indie Erwerbsunfähigkeit“ veranlasst werden sollen.

Die Bundesagentur hat die Schwachstellen ihrer Hand-lungsprogramme für Arbeitnehmer erkannt. Sie hat in-zwischen ihre Vorgaben zur Vermittlung und BeratungArbeitsuchender verbessert. So hat sie die vorgeseheneZahl der Beratungen erhöht und weitere Mittel zur Ein-gliederung von „Betreuungskunden“ bereitgestellt, umderen Marktfähigkeit zu erhöhen. Die Vorgaben „Rück-zug aus dem Erwerbsleben“ und „Abgang in die Erwerbs-unfähigkeit“ hat sie aus der Liste ihrer Empfehlungen ent-fernt. Zudem hat die Bundesagentur die Schulungen ihrerBeschäftigten weiterentwickelt und die Fachaufsicht ver-bessert. Darüber hinaus erhalten die Agenturen eine ver-besserte IT-Unterstützung, um künftig aussagefähigeZielvereinbarungen erstellen zu können.

Der Bundesrechnungshof hält die ergriffenen Maßnahmenfür geeignet, die Vermittlung und Beratung Arbeitsuchen-der entscheidend zu verbessern.

98 Bundesagentur für Arbeit verbessert das Verfahren für die Zulassung von Saisonarbeitskräften aus dem Ausland in der Landwirtschaft

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) verbessertdas Zulassungsverfahren von Saisonarbeitskräften ausdem Ausland. Sie hat die Agenturen für Arbeit (Agentu-ren) angewiesen, künftig besser zu überwachen, ob dieBetriebe die vorgegebenen Zulassungskontingente ein-halten. Die Agenturen werden sich zudem stärker bemü-hen, inländische Arbeitskräfte in Beschäftigungen vorund nach der Ernte zu vermitteln. Außerdem werden siedie Lohn- und Arbeitsbedingungen für die Saisonbeschäf-tigten verstärkt prüfen. Die Bundesagentur folgt damitEmpfehlungen des Bundesrechnungshofes.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/7100

Arbeitskräfte aus dem Ausland, die in Deutschland eineSaisonbeschäftigung in der Landwirtschaft aufnehmenwollen, müssen dies vorher von der Bundesagentur ge-nehmigen lassen. Voraussetzung ist, dass für die Beschäfti-gung keine deutschen oder ihnen rechtlich gleichgestelltenausländischen Arbeitskräfte (inländische Arbeitskräfte)zur Verfügung stehen (Arbeitsmarktvorrangprüfung). Au-ßerdem müssen die Landwirte die Saisonarbeitskräfte ausdem Ausland zu denselben Lohn- und Arbeitsbedingun-gen beschäftigen wie vergleichbare inländische Arbeits-kräfte.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Bundes-ministerium) legte in der sogenannten EckpunkteregelungHöchstgrenzen für die Zulassung von Saisonbeschäftig-ten (Zulassungskontingente) für die Jahre 2006 und 2007fest. So dürfen die in einem Betrieb beschäftigten Saison-arbeitskräfte aus dem Ausland 90 % der Zulassungen desJahres 2005 nicht überschreiten. Mit dieser Regelungmöchte das Bundesministerium mehr inländische Ar-beitskräfte als bisher in die Saisonbeschäftigung vermit-teln und gleichzeitig die Zahl von Saisonarbeitskräftenaus dem Ausland verringern.

Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes hat-ten die Agenturen u. a. keine ausreichenden Daten überdie in den Vorjahren zugelassenen Saisonarbeitskräfte ausdem Ausland. Darüber hinaus erschlossen sie für inländi-sche Arbeitskräfte nur wenige Beschäftigungsmöglich-keiten in Bereichen vor und nach der Ernte, z. B. beimSortieren, Verpacken, Transport oder Verkauf. Bei großenVermittlungserfolgen einzelner Agenturen prüfte dieBundesagentur nicht, ob deren Vermittlungsstrategienauch für andere Agenturen erfolgversprechend sein könn-ten. Die Agenturen erfassten jeden Antrag auf Zulassungeiner ausländischen Saisonarbeitskraft als Stellenangebot

und veröffentlichten es in ihrer Jobbörse im Internet.Diese Angebote standen inländischen Arbeitskräftennicht offen, weil die Landwirte hierfür bereits ausländi-sche Arbeitskräfte, die sie von früheren Ernteeinsätzenkannten, namentlich angefordert hatten. Die Lohn- undArbeitsbedingungen beurteilten die Agenturen nur nachAktenlage.

Der Bundesrechnungshof hat das bisherige Verfahren be-anstandet, weil die Agenturen damit nicht feststellenkonnten, ob sie Saisonarbeitsplätze vermehrt mit inländi-schen Kräften besetzt hatten. Sie konnten auch nichtüberwachen, ob die Zulassungskontingente nach der Eck-punkteregelung der Bundesregierung eingehalten wur-den. Außerdem hat der Bundesrechnungshof es als unzu-reichend angesehen, die Lohn- und Arbeitsbedingungender Saisonarbeitskräfte nur nach Aktenlage zu beurteilen.Er hat eine Reihe von Empfehlungen gegeben, wie diefestgestellten Mängel behoben werden können.

Die Bundesagentur hat die Empfehlungen aufgegriffenund will die Zulassung von Saisonarbeitskräften aus demAusland sowie die Vermittlung inländischer Saisonar-beitskräfte verbessern und laufend überwachen. Sie hatdie Agenturen angewiesen, ihre Vermittlung insbesonderein Beschäftigungen vor und nach der Ernte zu verstärken.Bei der Arbeitsmarktvorrangprüfung haben die Agenturenkünftig einen strengen Maßstab anzulegen. Die Zahl derzugelassenen Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland ist be-triebsbezogen festzuhalten. Stellenangebote sind nur dannzu erfassen, wenn diese tatsächlich für eine Vermittlungoffen stehen. Darüber hinaus hat die Bundesagentur in ih-rem Intranet ein Forum eingerichtet, in dem sich dieAgenturen über erfolgversprechende Vermittlungsmodelleaustauschen können.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 57 – Drucksache 16/7100

Teil I Allgemeiner Teil

1 Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2006

1.0

Bei der Prüfung der Jahresrechnung für das Haushalts-jahr 2006 hat der Bundesrechnungshof keine für die Ent-lastung wesentlichen Abweichungen zwischen den Beträ-gen festgestellt, die in den Rechnungen und den Büchernaufgeführt sind; dies gilt auch für die Sondervermögen.Die stichprobenweise geprüften Einnahmen und Ausga-ben waren bis auf formale Fehler im Allgemeinen ord-nungsgemäß belegt. Der Anteil der formalen Fehler istgegenüber dem Vorjahr leicht angestiegen.

Die Gesamtausgaben des Bundes lagen im Jahre 2006mit 261,0 Mrd. Euro um 0,6 Mrd. Euro unter dem Soll-ansatz. Aufgrund erheblicher Steuermehreinnahmen über-schritten die Einnahmen (ohne Münzeinnahmen und Net-tokreditaufnahme) mit 232,8 Mrd. Euro das Haushaltssollum 9,6 Mrd. Euro. Das Finanzierungsdefizit betrug28,2 Mrd. Euro und unterschritt damit den im Haushalts-plan vorgesehenen Betrag von 38,4 Mrd. Euro um10,2 Mrd. Euro.

Im Haushaltsplan waren eine Nettoneuverschuldung von38,2 Mrd. Euro und Investitionsausgaben von 23,2 Mrd.Euro veranschlagt. Nach dem Haushaltsergebnis betrugdie Nettokreditaufnahme 27,9 Mrd. Euro; für Investitio-nen wurden 22,7 Mrd. Euro ausgegeben. Die verfas-sungsrechtliche Regelkreditgrenze wurde somit sowohlbei der Haushaltsplanung als auch im Haushaltsvollzugnicht eingehalten. Die Bundesregierung begründete dieseÜberschreitung – wie in Vorjahren – als notwendig zurAbwehr einer drohenden Störung des gesamtwirtschaft-lichen Gleichgewichts. Die wiederum hohe Nettokredit-aufnahme bestätigt den Bundesrechnungshof in seinerAuffassung, dass die geltende verfassungsrechtliche Kre-ditbegrenzungsregelung sich in der Haushaltspraxis alsweitgehend ungeeignet für eine wirksame Schuldenbe-grenzung erwiesen hat.

Die über- und außerplanmäßigen Ausgaben lagen mitrund 0,5 Mrd. Euro deutlich unter dem Gesamtbetrag desVorjahres (12,8 Mrd. Euro). Die Verpflichtungsermächti-gungen wurden in stärkerem Umfang als in den Vorjahrenin Anspruch genommen.

Die in das Haushaltsjahr 2006 übertragenen Ausgabensind gegenüber dem Jahre 2005 erheblich gesunken undliegen mit rund 7 Mrd. Euro wieder auf dem Niveau desJahres 2001. Der Abbau der Ausgabereste ist im Wesentli-chen darauf zurückzuführen, dass übertragbare Ausgabenin den Kapiteln 3205 (Verzinsung) und 3208 (Gewährleis-tungen) in Abgang gestellt wurden.

Die mit dem Haushaltsjahr 1998 flächendeckend einge-führten flexiblen Haushaltsinstrumente zählen zwischen-zeitlich zum festen Handwerkszeug der Bundesverwal-tung. Dies zeigt die intensive Nutzung der im Rahmen derFlexibilisierung zugelassenen Deckungs- und Übertra-gungsmöglichkeiten von Haushaltsmitteln. Die hierdurchunterstützte eigenverantwortliche und effiziente Mittelbe-wirtschaftung hat dazu beigetragen, dass Anträge auf Be-reitstellung von überplanmäßigen Haushaltsmitteln weit-gehend vermieden werden konnten. Allerdings erscheintdas Nebeneinander von Flexibilisierungselementen sowiesonstigen Deckungs- und Verstärkungsmöglichkeiten über-prüfungsbedürftig.

Die Nutzung der flexiblen Haushaltsinstrumente hat einegleichmäßigere unterjährige Ausgabenentwicklung ge-fördert und damit dem sogenannten Dezemberfieber ten-denziell entgegengewirkt. Der in den Jahren 2002 bis2005 zu beobachtende Anstieg der flexibilisierten Ausga-bereste hat sich im Jahre 2006 nicht fortgesetzt. Gegen-über dem Vorjahresergebnis standen zum Jahresende2006 rund 0,2 Mrd. Euro weniger Mittel für eine Über-tragung in das Folgejahr zur Verfügung. Als Ergebnis derim Jahre 2006 durchgeführten Bedarfsprüfung wurdenrund 14 % der übertragenen Haushaltsmittel in Abganggestellt. Dies ist der höchste Wert seit Einführung der fle-xiblen Haushaltsinstrumente. Die eingeleiteten Maßnah-men zur Begrenzung der Ausgabereste scheinen danachzu greifen.

Die Vermögensrechnung weist Ende 2006 einen Vermö-gensbestand in Höhe von 144,0 Mrd. Euro aus (Vorjahr:126,3 Mrd. Euro). Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr isthauptsächlich darauf zurückzuführen, dass der Bund imRahmen der Marktpflege den kreditfinanzierten Bestandseiner Wertpapiere erhöht hat.

Das Haushalts- und Rechnungswesen des Bundes erfor-dert über die in den letzten Jahren eingeleiteten Maßnah-men hinaus eine grundlegende Modernisierung. So ist dieStruktur der Ausgabetitel im Bundeshaushalt nicht ausge-wogen und wird der finanziellen Bedeutung der Titelnicht gerecht. Die Kosten- und Leistungsrechnung ist inder Bundesverwaltung bislang nicht hinreichend verbrei-tet, und ihre Ziele wurden vielfach noch nicht erreicht.Zudem fehlen einheitliche Vorgaben für eine verbindlicheVermögensbuchführung, die sowohl dem Nachweis desBundesvermögens als auch Zwecken der Kosten- undLeistungsrechnung dient. Der Bundesrechnungshof be-gleitet den Reformprozess und wird dem Bundesministe-rium der Finanzen weitere Hinweise geben, die es bei derModernisierung des Haushalts- und Rechnungswesensberücksichtigen sollte.

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Drucksache 16/7100 – 58 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1.1 Stand der Entlastungsverfahren

1.1.1 Entlastung für das Haushaltsjahr 2005

Für das Haushaltsjahr 2005 haben der Bundesrat am 16. Fe-bruar 2007 (Bundesratsdrucksache 244/06) und der Deut-sche Bundestag am 5. Juli 2007 (Plenarprotokoll 16/108i. V. m. Bundestagsdrucksache 16/5774) der Bundesregie-rung die Entlastung erteilt.

1.1.2 Vorlage der Jahresrechnung 2006

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) hat mit Schreiben vom 2. April 2007 die Haushalts-und Vermögensrechnung für das Haushaltsjahr 2006(Bundestagsdrucksache 16/4995) dem Deutschen Bun-destag und dem Bundesrat gemäß Artikel 114 Abs. 1Grundgesetz als Grundlagen für das parlamentarischeVerfahren zur Entlastung der Bundesregierung vorgelegt.

1.2 Prüfung der Jahresrechnung 2006

1.2.1 Ordnungsmäßigkeit der Jahresrechnung 2006 (Mitteilung nach § 97 Abs. 2 Nr. 1 BHO)

Die Jahresrechnung besteht aus der Haushalts- und derVermögensrechnung. In der Haushaltsrechnung sind dieim Haushaltsjahr gebuchten Einnahmen und Ausgabenden Ansätzen des Bundeshaushaltsplans unter Berück-sichtigung der Haushaltsreste und der Vorgriffe gegen-übergestellt (§ 81 BHO). In der Vermögensrechnung sindder Bestand des Vermögens und der Schulden zu Beginnund zum Ende des Haushaltsjahres sowie die Veränderun-gen während des Jahres nachzuweisen (§ 86 BHO).

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung seiner Prü-fungsämter die Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- undVermögensrechnung für das Haushaltsjahr 2006 des Bun-des geprüft. Er hat hinsichtlich des kassenmäßigen Ergeb-nisses keine für die Entlastung wesentlichen Abweichun-gen zwischen den Beträgen festgestellt, die in diesenRechnungen und in den Büchern aufgeführt sind; dies giltauch für die Sondervermögen.

Soweit die Einnahmen und Ausgaben stichprobenweisegeprüft wurden, waren diese im Allgemeinen ordnungs-gemäß belegt. Es wurden jedoch formale Fehler festge-stellt, die allerdings keine nennenswerten finanziellenAuswirkungen hatten (insbesondere fehlende oder fehler-hafte Feststellungsvermerke auf den begründenden Un-terlagen, unvollständige Unterlagen, fehlende oder nichthinterlegte Unterschriften der Anordnungsbefugten). Ins-gesamt hat der Bundesrechnungshof rund 13 000 Fällegeprüft. Der Anteil der fehlerhaften Belege ist auf 11 %angestiegen, nachdem er im Haushaltsjahr 2005 noch 9 %und im Haushaltsjahr 2004 10 % betragen hatte. Im Hin-

blick auf den notwendigen sorgfältigen Umgang mit denVorschriften und Grundsätzen über die ordnungsgemäßeBewirtschaftung von Haushaltsmitteln ist ein Fehleranteilvon 11 % zu hoch. Denn damit besteht zumindest die Ge-fahr, dass sich Fehler oder Unregelmäßigkeiten finanziellnachteilig für den Bundeshaushalt auswirken können.

Das Bundesministerium hat die Forderung des Bundes-rechnungshofes, Maßnahmen zur Vermeidung formalerFehler zu ergreifen, aufgegriffen und die Ressorts durchein Rundschreiben vom 7. August 2007 auf die Einhal-tung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften für dieBewirtschaftung von Haushaltsmitteln hingewiesen. Au-ßerdem wird das Bundesministerium in den regelmäßigstattfindenden Besprechungen mit den Leitern der Bun-deskassen sowie den Beauftragten für den Haushalt derRessorts zur Beachtung der entsprechenden Vorschriftenauffordern.

1.3 Haushaltsführung

1.3.1 Abschlussergebnisse im Überblick

Das Haushaltsgesetz 2006 wurde am 24. Juli 2006 ver-kündet.1 Bis zur Verkündung richtete sich der Haushalts-vollzug des Bundes nach den Vorschriften zur vorläufigenHaushaltsführung (Artikel 111 Grundgesetz), da wegender Bundestagswahl im Herbst 2005 und der damit ver-bundenen Diskontinuität2 keine rechtzeitige Verabschie-dung des Haushaltsgesetzes möglich war.

Der Bundeshaushalt sah Einnahmen und Ausgaben inHöhe von 261,6 Mrd. Euro vor (vgl. Tabelle 1). Das Bun-desministerium wurde zu einer Nettokreditaufnahme biszur Höhe von 38,2 Mrd. Euro ermächtigt. Bei geplantenInvestitionsausgaben von 23,2 Mrd. Euro überschritt dievorgesehene Nettoneuverschuldung damit die Regelkre-ditgrenze nach Artikel 115 Abs. 1 Grundgesetz deutlich.Die Bundesregierung begründete diese Überschreitungals notwendig zur Abwehr einer drohenden Störung desgesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (vgl. Nr. 1.4.2).

Im Haushaltsvollzug lagen die Gesamtausgaben bei261,0 Mrd. Euro knapp unter dem Soll. Die Einnahmen3

übertrafen mit 232,8 Mrd. Euro vor allem wegen höhererSteuereinnahmen das Soll um 9,6 Mrd. Euro. Insbeson-dere aufgrund der Mehreinnahmen unterschritt auch dieNettokreditaufnahme das Soll deutlich, lag aber auch imHaushaltsabschluss mit 27,9 Mrd. Euro um 5,2 Mrd. Euro(22,9 %) über den Investitionsausgaben (22,7 Mrd. Euro)und damit über der verfassungsrechtlichen Regelkredit-grenze.

1 Vgl. BGBl. I 2006, S. 1634.2 Vgl. § 125 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.3 Ohne Münzeinnahmen und Nettokreditaufnahme.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 59 – Drucksache 16/7100

Ta b e l l e 1

Wesentliche Abschlussergebnisse

1 Darunter fallen insbesondere Leistungen an die Sozialversicherung und andere Einrichtungen.2 Im Jahre 2005 ohne Betriebsmitteldarlehen in Höhe von 0,9 Mrd. Euro an die Rentenversicherung.3 Saldo aus Globalen Mehrausgaben von 0,4 Mrd. Euro (insbes. Ausgabemittel zur Restedeckung) und Globalen Minderausgaben von – 1,1 Mrd. Euro.

Haushaltsjahr

2006 2005

Soll Ist Abwei-chung Soll Ist Abwei-

chung

Mrd. Euro

Ausgaben 261,6 261,0 – 0,6 254,3 259,8 5,5

– Personalausgaben

– laufender Sachaufwand

– Zinsausgaben

– Zuweisungen und Zuschüsse1

– Sonstiges

– Investitionsausgaben2

– Globale Mehr-/Minderausgaben3

26,2

18,0

37,6

156,9

0,4

23,2

– 0,7

26,1

18,3

37,5

156,0

0,4

22,7

– 0,1

0,3

– 0,1

– 0,9

– 0,5

0,7

26,9

17,4

38,9

150,2

0,4

22,7

– 2,2

26,4

17,7

37,4

154,3

1,1

22,9

– 0,5

0,3

– 1,5

4,1

0,7

0,2

2,2

Einnahmen 261,6 261,0 – 0,6 254,3 259,8 5,5

– Steuereinnahmen

– Sonstige Einnahmen

– Münzeinnahmen

– Nettokreditaufnahme

194,0

29,2

0,2

38,2

203,9

28,9

0,3

27,9

9,9

– 0,3

0,1

– 10,3

190,8

41,2

0,3

22,0

190,1

38,3

0,2

31,2

– 0,7

– 2,9

– 0,1

9,2

nachrichtlich:Finanzierungssaldo – 38,4 – 28,2 10,2 – 22,3 – 31,4 – 9,1

1.3.2 Ausgaben Das Unterschreiten des Haushaltsansatzes um 0,6 Mrd.

Die Ist-Ausgaben des Haushaltsjahres 2006 betrugen261,0 Mrd. Euro. Sie lagen damit – trotz höherer Ausga-ben im Bereich des Arbeitsmarktes – um 0,6 Mrd. Euroknapp unter dem Soll 2006. Gegenüber dem Vorjahr ver-zeichnete der Haushalt einen leichten Anstieg um1,2 Mrd. Euro (0,5 %).

Euro ergibt sich aus dem Saldo der Mehrausgaben undMinderausgaben. Die wesentlichen Abweichungen be-treffen den Arbeitsmarktbereich sowie die Ausgaben beiden Gewährleistungen (vgl. Tabelle 2).

Die Investitionsausgaben lagen mit 22,7 Mrd. Euro leicht(0,5 Mrd. Euro) unter dem veranschlagten Soll und warenauch geringfügig niedriger (0,2 Mrd. Euro) als im Vorjahr.

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Drucksache 16/7100 – 60 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ta b e l l e 2

Wesentliche Mehr-/Minderausgaben im Bundeshaushalt 20061

1 Die in Höhe von – 1,1 Mrd. Euro veranschlagten globalen Minderausgaben sind als haushaltsneutral anzusehen; sie wurden in voller Höhe erwirt-schaftet (vgl. Nr. 6.8 der Jahresrechnung).

2 EU-refinanzierte Ausgaben werden im Haushalt grundsätzlich als Leertitel veranschlagt (vgl. Tabelle 3).3 Vgl. Nr. 1.9.7.

Soll 2006 Ist 2006 Abweichung

Mrd. Euro

Mehrausgaben

Arbeitslosengeld II 24,45 26,45 2,05

EU-refinanzierte Ausgaben (Epl. 09, 11, 12)2 –5 1,05 1,05

Erhaltung, Um- und Ausbau sowie Bedarfsplanmaßnahmen von Bundesautobahnen

0,95 1,45 0,55

Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung

3,65 4,05 0,45

Minderausgaben

Leistungen zur Eingliederung in Arbeit 6,55 4,55 – 2,05

Gewährleistungen 1,55 0,85 – 0,75

Beteiligung des Bundes an der Knappschaftlichen Renten-versicherung

6,85 6,55 – 0,35

Bezüge der Soldaten 5,65 5,35 – 0,25

Ausgabemittel zur Restedeckung3 0,25 –5 – 0,25

1.3.3 Einnahmen (38,3 Mrd. Euro). Dies beruht vor allem darauf, dass die

Die mit Abstand größte Haushaltsabweichung war beiden Steuereinnahmen zu verzeichnen. Vor allem auf-grund einer günstigen konjunkturellen Entwicklung lagensie um 9,9 Mrd. Euro über dem veranschlagten Soll (vgl.Tabelle 3). Gegenüber dem Vorjahr sind die Steuerein-nahmen sogar um 13,8 Mrd. Euro (7,2 %) gestiegen.

Die sonstigen Einnahmen (einschließlich Bundesbank-gewinn, ohne Münzeinnahmen) lagen mit 28,9 Mrd. Euroknapp unter dem Sollansatz 2006 (29,2 Mrd. Euro),aber wesentlich unter dem Ergebnis des Vorjahres 2005

Einnahmen aus der Veräußerung von Beteiligungen undsonstigem Kapitalvermögen (Privatisierungseinnahmen)mit 0,8 Mrd. Euro deutlich gegenüber dem Jahre 2005(8,9 Mrd. Euro) zurückgeführt wurden. Sie lagen damitauch erheblich unter dem veranschlagten Soll 2006 von6,6 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 3). Der sogenannte Aussteue-rungsbetrag der Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur)erreichte mit 3,3 Mrd. Euro ebenfalls nicht das Soll(4,0 Mrd. Euro). Die Bundesagentur konnte mehr Empfän-ger des Arbeitslosengeldes I in Arbeit vermitteln, wodurchsich die Zahlungsverpflichtung an den Bund verminderte.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/7100

Ta b e l l e 3

Wesentliche Mehr-/Mindereinnahmen im Bundeshaushalt 2006

1 Zuschüsse der EU werden im Bundeshaushalt grundsätzlich als Leertitel veranschlagt (vgl. Tabelle 2).

Soll 2006 Ist 2006 Abweichung

in Mrd. Euro

Mehreinnahmen

Steuereinnahmen 194,0 203,9 9,9

darunter:

Lohn- und Einkommensteuer

Nicht veranlagte Steuern vom Ertrag

Körperschaftssteuer

Umsatz- und Einfuhrumsatzsteuer

Energiesteuer

56,8

5,2

9,3

75,4

39,4

59,6

6,0

11,4

77,7

39,9

2,8

0,8

2,1

2,3

0,5

Gewährleistungseinnahmen 2,6 6,4 3,8

Einnahmen aus Zuschüssen der EU (Epl. 09, 11, 12) 1 – 1,0 1,0

Zinseinnahmen aus der Anlage von Kassenmitteln 0,1 0,7 0,6

Mindereinnahmen

Privatisierungseinnahmen 6,6 0,8 – 5,8

Aussteuerungsbetrag der BA 4,0 3,3 – 0,7

Nachrichtlich:Einnahmen aus Nettokreditaufnahme 38,2 27,9 – 10,3

Die Deutsche Bundesbank führte im Haushaltsjahr 2006 (vgl. Nr. 1.11.2), da nur die Einnahmen, die einen Betrag

den Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2005 in Höhe von2,9 Mrd. Euro an den Bund ab. Dieser Betrag entsprachdem veranschlagten Soll. Dem Erblastentilgungsfonds flos-sen keine Einnahmen aus dem Bundesbankgewinn zu

von 3,5 Mrd. Euro übersteigen, dem Fonds zuzuführensind. Gegenüber den beiden Vorjahren ist die Gewinnab-lieferung der Deutschen Bundesbank an den Bund jedochwieder angestiegen (vgl. Abbildung 1).

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Drucksache 16/7100 – 62 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Abbi ldung 1

Gewinnablieferung der Deutschen Bundesbank und ihre Verwendung

Verwendung zur Ausgabenfinanzierung Verwendung zur Schuldentilgung Zuführung an den Erblastentilgungsfonds

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

Mrd

. E

uro

2,63,6 3,6 3,6 3,6 3,6 3,6 3,6 3,6 3,6 3,6 3,6 3,6 3,5 3,5

0,20,7

2,9

2,61,5

0,7

3,83,1

5,8

1,6 1,70,9

8,8

4,7

0,3

4,8

7,7

1,9

1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Jahr

1.3.4 Finanzierungsdefizit ● Kreditermächtigung für Anschlussfinanzierungen (§ 2

Zur Deckung des im Haushaltsplan 2006 ausgewiesenenFinanzierungsdefizits von 38,4 Mrd. Euro wurden eineNettokreditaufnahme von 38,2 Mrd. Euro und Münzein-nahmen von 0,2 Mrd. Euro im Haushaltsplan veran-schlagt. Die Nettokreditaufnahme erreichte im Ist-Ergeb-nis 27,9 Mrd. Euro und die Münzeinnahmen betrugen0,3 Mrd. Euro. Das sich hieraus ergebende Finanzie-rungsdefizit war mit insgesamt 28,2 Mrd. Euro um10,2 Mrd. Euro geringer als ursprünglich geplant. Gegen-über dem Haushaltsabschluss 2005 (31,4 Mrd. Euro) liegtder Rückgang bei 3,2 Mrd. Euro.

1.4 Nettokreditaufnahme, Inanspruchnahme von Kreditermächtigungen

1.4.1 Kreditermächtigungen des Bundes

Im Rahmen des Haushaltsvollzugs standen dem Bundes-ministerium auf Grundlage des Haushaltsgesetzes 2006folgende Kreditermächtigungen zur Verfügung:

● Restkreditermächtigungen 2005 (§ 18 Abs. 3 BHO,§ 2 Abs. 9 HG 2006)

● Nettokreditermächtigung (§ 2 Abs. 1 HG 2006)

Abs. 2 HG 2006)

● Vorgriffsermächtigung (§ 2 Abs. 3 HG 2006)

● Marktpflegeermächtigung (§ 2 Abs. 5 HG 2006)

● Kassenverstärkungskreditermächtigung (§ 2 Abs. 10HG 2006)

Eine Übersicht über die Höhe der Ermächtigungen undderen Inanspruchnahme enthält Tabelle 4.4

Das Haushaltsgesetz 2006 enthielt eine Kreditermächti-gung zur Deckung von Ausgaben in Höhe von 38,2 Mrd.Euro. Hinzu kam eine Restkreditermächtigung (§ 18Abs. 3 BHO) aus dem Vorjahr in Höhe von 9,8 Mrd.Euro. Damit ergab sich ein Gesamtkreditermächti-gungsrahmen in Höhe von 48,0 Mrd. Euro. Seit demHaushaltsjahr 1999 schreiben die jährlichen Haushaltsge-setze vor, dass die neue Kreditermächtigung in Höhe desBetrages gesperrt ist, in der die Restkreditermächtigun-gen des Vorjahres 0,5 % (1,3 Mrd. Euro) der festgestell-ten Gesamtausgaben übersteigen. Die Aufhebung dieserSperre bedarf der Einwilligung des Haushaltsausschussesdes Deutschen Bundestages (vgl. § 2 Abs. 9 Haushaltsge-setz 2006).

4 Vgl. Nr. 5.2.6 der Jahresrechnung.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 63 – Drucksache 16/7100

Ta b e l l e 4

Kreditermächtigungen und Inanspruchnahme1

1 Differenzen durch Rundung.2 In Höhe dieses Betrages wird sie als Restkreditermächtigung in das Jahr 2007 übertragen.3 Bis 10 % des Betrages der umlaufenden Bundesanleihen, -obligationen und -schatzanweisungen.4 Die über 3,5 Mrd. Euro liegenden Mehreinnahmen aus dem Bundesbankgewinn vermindern gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 Haushaltsgesetz 2006 die

Kreditermächtigung nach § 2 Abs. 1 Haushaltsgesetz 2006.5 Im Ist-Ergebnis der Bruttokreditaufnahme enthalten sind Umbuchungen aus dem Jahre 2005 in das Jahr 2006 von 3,7 Mrd. Euro sowie aus dem

Jahre 2006 in das Jahr 2007 von -5,3 Mrd. Euro.6 Ohne Betriebsmitteldarlehen an die Rentenversicherung.

Ermächti-gungsbe-trag 2006

Inanspruch-nahme 2006 Abweichung

Inanspruch-nahme 2005

Mrd. Euro

Restliche Kreditermächtigung aus dem Vorjahr (§ 18 Abs. 3 BHO)

9,8 9,8 – 19,0

Kreditermächtigung nach dem Haushaltsgesetz 2006 zur Deckung von Ausgaben (§ 2 Abs. 1)

38,2(davon

gesperrt: 8,5)

18,1 – 20,12 12,2

Kreditermächtigungsrahmen (einschl. des gesperrten Betrages)

48,0

Für die Nettokreditaufnahme zur Verfügung stehend 39,5 27,9 – 11,6 31,2

Weitere Kreditermächtigungen nach dem Haushalts-gesetz 2005

a) zur Tilgung (§ 2 Abs. 2) 195,9 195,9 – 192,9

b) zur Marktpflege (§ 2 Abs. 5)3 15,1 15,1 – 6,4

c) Bundesbankmehrgewinn (§ 4 S. 2)4 – – – –

d) zum Vorgriff auf das folgende Haushaltsjahr (§ 2 Abs. 3)

10,5 – – 10,5 –

Gesamtermächtigung (Kreditermächtigungsrahmen und weitere Kreditermächtigungen)

269,5

Gesamtinanspruchnahme, zugleich Bruttokreditauf-nahme in haushaltsmäßiger Abgrenzung 5

238,9 230,7

Tilgungen aus Kreditmarktmitteln (a, b, c) – 211,0 – 199,5

Nettokreditaufnahme in haushaltsmäßiger Abgrenzung 38,2 27,9 10,3 31,2

nachrichtlich:Summe der Ausgaben für Investitionen 23,2 22,7 – 0,5 22,96

Insgesamt stand somit ein Betrag von 39,5 Mrd. Euro zur Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages nicht

Aufnahme neuer Kredite ohne Einschaltung des Parla-ments zur Verfügung. Er setzte sich zusammen aus demnicht gesperrten Anteil der bewilligten Nettokreditauf-nahme in Höhe von 29,7 Mrd. Euro sowie der Rest-kreditermächtigung in Höhe von 9,8 Mrd. Euro. Der da-rüber hinaus bis zur Kreditermächtigungsobergrenze von48,0 Mrd. Euro bestehende Saldo von 8,5 Mrd. Euro wargesperrt. Da die Ermächtigung zur Nettokreditaufnahmeim Haushaltsjahr 2006 nur in Höhe von 27,9 Mrd. Euro inAnspruch genommen wurde, war die Anrufung des

erforderlich.

Das Bundesministerium verwendet in ständiger Haushalts-praxis die sogenannte FiFo-Methode,5 nach der zuerst dieweiter geltende Kreditermächtigung des Vorjahres in An-

5 „First in, First out“. Aus dem Bereich der Warenwirtschaft stammen-de Bezeichnung für ein Verfahren, bei dem diejenigen Elemente, diezuerst gespeichert werden, auch zuerst wieder aus dem Speicher ent-nommen werden.

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Drucksache 16/7100 – 64 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

spruch genommen und damit in gleicher Höhe die für daslaufende Haushaltsjahr vom Parlament erteilte Kredit-ermächtigung zur Deckung von Ausgaben geschont wird.Diese Methode hat dazu geführt, dass – trotz der neuerlichenÜberschreitung der Regelkreditgrenze im Jahre 2006 – dieRestkreditermächtigung zu Beginn des Haushaltsjahres2007 auf immerhin 20,1 Mrd. Euro angewachsen ist (vgl.Abbildung 2). Angesichts dieser Entwicklung hat dasBundesministerium in der 36. Sitzung des Haushaltsaus-schusses des Deutschen Bundestages vom 31. Januar 2007mitgeteilt, dass es von der angesammelten Restkrediter-mächtigung einen Teilbetrag in Höhe von 10,0 Mrd. Euroin Abgang stellt.

Der Bundesrechnungshof hat das FiFo-Verfahren bereitsmehrfach in seinen Bemerkungen kritisiert (vgl. Bemer-kungen 2006, Bundestagsdrucksache 16/3200, Nr. 1.4.3).

Seiner Auffassung nach sollte auf Restkreditermächtigun-gen nur dann zurückgegriffen werden, wenn sie aus demletzten Haushaltsjahr stammen.6 Das Bundesverfassungs-gericht hat ebenfalls Zweifel an der Vereinbarkeit der bis-herigen Vollzugspraxis mit dem Normzweck des § 18Abs. 3 BHO, Restkreditermächtigungen zeitlich zu be-grenzen, geäußert.7 Vor diesem Hintergrund erscheinteine Überprüfung der FiFo-Methode anzeigt.

6 Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages wäre wie bisher– entsprechend der haushaltsgesetzlichen Regelungen (§ 2 Abs. 9HG 2007) – bei Überschreitung einer bestimmten Größenordnungeinzubinden.

7 Vgl. Urteil des BVerfG vom 9. Juli 2007 im Normenkontrollverfah-ren zum Haushaltsgesetz 2004 – 2 BvF 1/04 – Tz. 138, 159.

A b b i l d u n g 2

Restkreditermächtigungen aus dem Vorjahr und deren Inanspruchnahme1

1 Auf die Verfügbarkeit der jeweils zunächst weitergeltenden Restermächtigung hat das Bundesministerium in Höhe von 10,2 Mrd. Euro für 1992,von 12,8 Mrd. Euro für 1995 sowie von 10,0 Mrd. Euro für 2007 verzichtet.

davon im Haushaltsjahr in Anspruch genommenRestkreditermächtigung aus dem Vorjahr

Mrd

. E

uro

30,0

25,0

20,0

15,0

10,0

5,0

0,01992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Jahr

23,1

13,9 14

,6

24,3

11,0

1,6

5,2

5,2 6,

5

8,0

7,5

10,3

15,0

19,0

9,8

20,1

12,9 13

,9 14,6

11,6

11,0

1,6

5,2

5,2 6,

5

8,0

7,5

10,3

15,0

19,0

9,8

10,1

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/7100

1.4.2 NettokreditaufnahmeDie Nettokreditaufnahme ist gegenüber dem Vorjahr um3,3 Mrd. Euro gesunken; sie lag aber weiterhin über denInvestitionsausgaben (vgl. Abbildung 3).

Die Nettokreditaufnahme überschritt sowohl in der Pla-nung als auch im Haushaltsvollzug die Regelkreditgrenzedes Artikels 115 Abs. 1 Grundgesetz erheblich. Die Bun-desregierung begründete diese Überschreitung – wiebereits in Vorjahren – als notwendig zur Abwehr einerdrohenden Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichge-wichts.

Kriterien für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewichtsind gemäß § 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilitätund des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitäts- undWachstumsgesetz) die Stabilität des Preisniveaus, ein ho-her Beschäftigungsstand sowie ein außenwirtschaftlichesGleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirt-schaftswachstum.

Bei der Aufstellung des Bundeshaushalts 2006 sah dieBundesregierung die Ziele eines hohen Beschäftigungs-standes sowie eines angemessenen Wirtschaftswachstumsunmittelbar gefährdet. Ungeachtet einer erwarteten Zu-nahme des Bruttoinlandsprodukts um real 1,4 % bestehedas Ungleichgewicht zwischen außenwirtschaftlichenund binnenwirtschaftlichen Kräften fort mit der Gefahr,dass sich die derzeitige Schwäche des privaten Konsumssowie die unbefriedigende Situation am Arbeitsmarkt

verfestigten. Die im Haushaltsjahr 2006 erhöhte Netto-kreditaufnahme sei bestimmt und geeignet, einer drohen-den Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtsentgegenzuwirken, da sie begleitet werde durch ein Kon-solidierungsprogramm sowie Maßnahmen zur Stärkungdes Wachstumspotenzials.8

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtssteht dem Haushaltsgesetzgeber bei der Beurteilung, obeine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtsvorliegt oder unmittelbar droht, und bei der Einschätzung,ob eine erhöhte Kreditaufnahme zu ihrer Abwehr geeig-net ist, ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraumzu.9 Ob die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung desArtikels 115 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz vorliegen, mussder Haushaltsgesetzgeber plausibel begründen. Wenndiese Darlegungspflicht in angemessener Weise erfülltwird, so ist die Entscheidung, zu welchen Mitteln der Stö-rungsabwehr gegriffen wird, eine politische Aufgabe vonParlament und Regierung, die sie auch politisch zu ver-antworten haben.10

8 Vgl. Entwurf des Haushaltsgesetzes 2006 (Bundestagsdrucksa-che 16/750), Begründung I. Allgemeiner Teil.

9 Vgl. BVerfGE 79, S. 311, 343 f. sowie Urteil des BVerfG vom 9. Juli2007 im Normenkontrollverfahren zum Haushaltsgesetz 2004– 2 BvF 1/04 – Leitsatz 3 sowie Tz. 132, 141.

10 Vgl. BVerfGE 79, S. 311, 342 sowie Urteil des BVerfG vom 9. Juli2007 Tz. 143.

Abbildung 3

Entwicklung von Nettokreditaufnahme und Investitionsausgaben

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

30,0

35,0

40,0

45,0

Mrd

. E

uro

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Jahr

NettokreditaufnahmeInvestitionsausgaben

25,6 25,6

40,0

32,6

26,123,8

22,8

31,9

38,639,5

31,2

27,9

31,2

34,0

31,2

28,8

28,6 28,127,3

24,1

25,7

22,4

22,922,7

28,9

33,829,2

33,3

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Drucksache 16/7100 – 66 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Angesichts der erneuten Überschreitung der Regelkredit-grenze im Haushalt 2006 sieht sich der Bundesrechnungs-hof in seiner Auffassung bestätigt, dass sich die geltendeverfassungsrechtliche Kreditbegrenzungsregelung als weit-gehend wirkungslos erwiesen hat, die Nettokreditauf-nahme in Aufstellung und Durchführung des Bundes-haushalts wirksam zu begrenzen (vgl. dazu Nr. 2.4).11

Das Bundesministerium ist nicht dieser Auffassung. Dieszeige sich bereits daran, dass auf der Grundlage desHaushaltsentwurfs 2008 und des Finanzplans die Regel-kreditgrenze nach Artikel 115 Grundgesetz deutlich ein-gehalten und bis zum Jahre 2011 ein ausgeglichenerHaushalt ohne Nettokreditaufnahme erreicht werde. Zu-dem werde „die Eindämmung der Staatsverschuldung“von der Bundesregierung aktiv vorangetrieben. Sie ver-folge dazu eigene Reformüberlegungen und Modelle, diein den Beratungen der Kommission zur Modernisierungder Bund/Länder-Finanzbeziehungen (Föderalismusre-form II) eine zentrale Rolle einnähmen.

Der Bundesrechnungshof hält demgegenüber die weitge-hende Wirkungslosigkeit von Artikel 115 Grundgesetzzur Schuldenbegrenzung für erwiesen (vgl. Nr. 2.4).12

Das verfassungsrechtliche Regelwerk muss gerade inwirtschaftlich angespannten Perioden seine Bewährungs-probe als Schuldenbremse bestehen. Die Haushalte von2002 bis 2006 zeigen, dass dies nicht der Fall ist. DemErfordernis eines stringenteren Regelwerks steht deshalbdie derzeit günstige Haushaltsentwicklung nicht entge-gen. Im Übrigen räumt das Bundesministerium selbst ein,dass erheblicher Handlungsbedarf bei den Regelungenzur Begrenzung der Nettokreditaufnahme bestehe.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat in dem o. a. Ur-teil ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Rege-lungskonzept des Artikels 115 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetzals verfassungsrechtliches Instrument rationaler Steue-rung und Begrenzung staatlicher Schuldenpolitik sich inder Realität nicht als wirksam erwiesen habe (Tz. 133).Vieles spreche deshalb dafür, „verbesserte Grundlagenfür wirksame Instrumente zum Schutz gegen eine Erosiongegenwärtiger und künftiger Leistungsfähigkeit des de-mokratischen Rechts- und Sozialstaats zu schaffen“(Tz. 134). Es sei allerdings dem verfassungsänderndenGesetzgeber vorbehalten und aufgegeben, Mechanismenzu einer wirksameren Begrenzung staatlicher Schulden-aufnahmen zu entwickeln.

1.4.3 Einsatz derivativer Finanzinstrumente

Der Bund hat die gesamte Schuldenaufnahme zur „Bun-desrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH“ ausge-

lagert. § 2 Abs. 6 Haushaltsgesetz 2006 enthält eineErmächtigung, im Berichtsjahr im Rahmen der Kreditfi-nanzierung ergänzende Verträge zur Optimierung derZinsstruktur und zur Begrenzung von Zinsänderungsrisi-ken (Swapgeschäfte) bis zu einem Vertragsvolumen von80,0 Mrd. Euro und zur Begrenzung des Zins- und Wäh-rungsrisikos von Fremdwährungsanleihen bis zu einemVertragsvolumen von 30,0 Mrd. Euro abzuschließen. DieFinanzagentur GmbH nutzte diese Ermächtigungen fürderivative Finanzinstrumente teilweise. Auf den geson-derten Ausweis in einem eigenen Haushaltstitel wurdeseit dem Haushaltsjahr 2004 aufgrund der für den Kapi-talmarkt sensiblen Daten verzichtet. Art und Umfang derderivativen Geschäfte werden im vertraulich tagendenBundesfinanzierungsgremium des Deutschen Bundesta-ges laufend erörtert (vgl. § 3 Gesetz zur Modernisierungdes Schuldenwesens des Bundes – Bundesschuldenwe-senmodernisierungsgesetz).

1.5 Gesamtverschuldung

Die Bundesschuld betrug zum Ende des Haushaltsjahres2006 insgesamt 902,0 Mrd. Euro.13 Sie lag damit um29,4 Mrd. Euro höher als im Vorjahr.14

Die Finanzschulden der nicht in den Bundeshaushalt ein-gegliederten Sondervermögen beliefen sich zum Ende 2006auf 14,6 Mrd. Euro. Die Gesamtverschuldung, d. h. dieVerschuldung des Bundes aus seinen Finanzkrediten so-wie die Schulden der Sondervermögen des Bundes, be-trug somit insgesamt 916,6 Mrd. Euro (Tabelle 8 sowieNr. 2.5).

1.6 Haushaltsüberschreitungen

1.6.1 Entwicklung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben

Im Haushaltsjahr 2006 wurden überplanmäßige Ausgabenin Höhe von 513 Mio. Euro und außerplanmäßige Ausga-ben in Höhe von 14 Mio. Euro geleistet (vgl. Abbil-dung 4).15 Der Gesamtbetrag in Höhe von 527 Mio. Euroentspricht rund 0,2 % des Haushalts-Solls (261,6 Mrd.Euro). Er lag damit erheblich niedriger als der im Jahre2005 über- und außerplanmäßig aufgenommene Gesamt-betrag von 12,8 Mrd. Euro (5,0 % des Haushaltsvolumens2005).

11 Dies betont auch das BVerfG in seinem o. a. Urteil vom 9. Juli 2007Tz. 133.

12 Diese Position hat der Bundesrechnungshof auch in dem o. a. Nor-menkontrollverfahren zum Haushaltsgesetz 2004 erläutert.

13 Vgl. Nr. 5.2.4 der Jahresrechnung.14 Der Unterschiedsbetrag zur Nettokreditaufnahme (27,9 Mrd. Euro)

ist auf Umbuchungen zurückzuführen, die zum Ausgleich des kassen-mäßigen Jahresabschlusses vorgenommen wurden (vgl. Nr. 4.2.1.2 derJahresrechnung).

15 Vgl. Nr. 6.1.1 der Jahresrechnung.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/7100

A b b i l d u n g 4

Entwicklung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben1

1 2003 und 2004: Die zunächst überplanmäßig bewilligten Ausgaben für den Arbeitsmarkt und das Wohngeld (nur 2004) in Höhe von 10,5 Mrd.Euro bzw. 2,6 Mrd. Euro wurden nicht in der jeweiligen Jahresrechnung ausgewiesen, da das Haushaltssoll durch einen Nachtrag entsprechenderhöht wurde.

1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006Jahr

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

Mrd

. Eur

o

0,5

12,8

0,70,8

2,4

4,95,5

2,8

5,8

0,4

9,6

3,0

4,0

4,9

6,0

0,9

0,2

1,40,9

2,6

10,5

Das Volumen an überplanmäßigen Ausgaben ist wie in in sechs Einzelplänen insgesamt rund 4,2 Mio. Euro

den Vorjahren zum weit überwiegenden Teil auf höhereAusgaben im Bereich des Arbeitsmarktes zurückzuführen(Kapitel 1112). Für die Beteiligung des Bundes an denLeistungen für Unterkunft und Heizung wurden überplan-mäßige Ausgaben von 417 Mio. Euro benötigt. Weitereüberplanmäßige Ausgaben fielen im Einzelplan 08 insbe-sondere für die Verwaltungskostenerstattung an Länderzur Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (29 Mio.Euro) sowie im Einzelplan 16 insbesondere für die Sanie-rung des „ehemaligen Abgeordnetenhochhauses“ in Bonn(10 Mio. Euro) an.

Außerplanmäßige Ausgaben sind vor allem im Einzel-plan 08 für die Abführung der Eigenmittel an die EU(10 Mio. Euro) angefallen. Die über- und außerplanmäßi-gen Ausgaben wurden im Haushaltsjahr 2006 in vollerHöhe durch Minderausgaben an anderer Stelle des Bun-deshaushalts gedeckt.16

1.6.2 Haushaltsüberschreitungen ohne Zustimmung des Bundesministeriums

Von den im Haushaltsjahr 2006 entstandenen Haushalts-überschreitungen wurden in sechs Fällen (2005: 14 Fälle)

(2005: rund 35 Mio. Euro) ohne die notwendige Zustim-mung des Bundesministeriums geleistet. Gesamtsummeund Anzahl der Fälle dieser ungenehmigten Ausgabensind damit gegenüber dem Vorjahr deutlich gesunken(vgl. Abbildung 5). Das Bundesministerium hat in fünfFällen in der Jahresrechnung bestätigt, dass es bei recht-zeitiger Vorlage des Antrags seine Zustimmung zu derHaushaltsüberschreitung erteilt hätte.

In einem Fall hat das Bundesministerium eine solche Er-klärung nicht abgegeben, da die ungenehmigte überplan-mäßige Ausgabe (Kapitel 1606 Titel 812 55 Erwerb vonDatenverarbeitungsanlagen) in Höhe von rund 36 000 Euroerst im Rahmen der Rechnungslegung durch das Kompe-tenzzentrum für das Kassen- und Rechnungswesen desBundes festgestellt wurde. Das Ressort war von einer De-ckungsmöglichkeit im Rahmen der flexibilisierten Haus-haltsinstrumente ausgegangen und hatte daher auch kei-nen Antrag auf eine überplanmäßige Ausgabe gestellt.Diese Ausnahmekonstellation war auch die Ursache da-für, dass das Bundesministerium es versäumte, diese un-genehmigte Ausgabe in die vierteljährlichen Zusammen-stellungen zur Unterrichtung des Bundestages nach § 37Abs. 4 BHO aufzunehmen.

Das Bundesministerium hatte im letzten Jahr zugesagt,die Warnhinweise und Plausibilitätsprüfungen im auto-16 Vgl. Nr. 4.3.4.1 der Jahresrechnung.

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Drucksache 16/7100 – 68 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

matisierten Bewirtschaftungssystem für alle Bewirtschaf-tungsebenen zukünftig weiter zu präzisieren und zu ver-schärfen. Ob der Rückgang der ohne Zustimmungvorgenommenen über- und außerplanmäßigen Ausgabenbereits hierauf zurückzuführen ist, kann noch nicht ab-schließend beurteilt werden. Der Bundesrechnungshofwird weiter beobachten, ob die ergriffenen Maßnahmendazu führen, dass nicht genehmigte Ausgaben dauerhaftvermieden werden.

Die Beteiligung des Haushaltsausschusses des DeutschenBundestages nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Haushaltsgeset-

zes 2006 war ausweislich der Jahresrechnung 200617 nurin einem Fall mit über- und außerplanmäßigen Ausgabenzur Erfüllung von Rechtsverpflichtungen von mehr als50 Mio. Euro notwendig. Diesen Fall18 hat das Bundes-ministerium vor seiner Einwilligung dem Haushaltsaus-schuss des Deutschen Bundestages vorgelegt.

17 Vgl. Nr. 6.1.1 der Jahresrechnung.18 Hierbei handelt es sich um die Beteiligung des Bundes an den Kosten

der kommunalen Träger für Unterkunft und Heizung von Arbeitslo-sengeld II-Beziehern (Kapitel 1112 Titel 632 11).

A b b i l d u n g 5

Über- und außerplanmäßige Ausgaben ohne Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen

Gesamtsumme davon hätte das BMF bei rechtzeitiger Antragstellung bewilligt Fallzahl

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Jahr

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450

500

Mio

. E

uro

0

10

20

30

40

50

60

70

lle

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/7100

1.7 Ausgabereste

1.7.1 Entwicklung der Ausgabereste

Von den am Ende des Haushaltsjahres 2005 übertragba-ren Mitteln in Höhe von 12,3 Mrd. Euro wurden für dasHaushaltsjahr 2006 tatsächlich Ausgabereste in Höhevon 7,0 Mrd. Euro gebildet.19 Zum Ende des Haushalts-jahres 2006 weist die Haushaltsrechnung in das Folgejahrübertragbare Mittel in Höhe von 8,1 Mrd. Euro aus, da-von 1,3 Mrd. Euro Reste aus flexibilisierten Ausgaben(vgl. dazu Nr. 1.9.6).

Aus der Differenz der in das Jahr 2006 tatsächlich über-tragenen Reste und der in das Jahr 2007 übertragbarenReste ergibt sich das vorläufige rechnungsmäßige Jahres-ergebnis von –1,1 Mrd. Euro.20 Das rechnungsmäßige Er-gebnis des Haushaltsjahres 2006 ist nur vorläufig, weilnicht die tatsächlich übertragenen, sondern nur die über-tragbaren Mittel ausgewiesen werden (vgl. § 83 Nr. 2Buchstaben b und d BHO). Den Ausweis der tatsächlichgebildeten Haushaltsreste und das daraus abgeleitete end-gültige rechnungsmäßige Ergebnis des Jahres 2006 wird

das Bundesministerium in der Haushaltsrechnung 2007darlegen.

Die in das Haushaltsjahr 2006 übertragenen Ausgabensind gegenüber dem Vorjahr erheblich gesunken (um4,3 Mrd. Euro) und liegen nunmehr auf dem Niveau desJahres 2001 (vgl. Abbildung 6). Der Resteabbau ist imWesentlichen darauf zurückzuführen, dass das Bundes-ministerium im Kapitel 3205 (Verzinsung) und im Kapi-tel 3208 (Gewährleistungen) übertragbare Ausgaben inHöhe von zusammen rund 4,1 Mrd. Euro in Abgang ge-stellt hat.

Ausgabereste belasten den Haushalt des folgenden Jahresin dem Ausmaß, in dem sie in Anspruch genommen wer-den. Allerdings setzt die Inanspruchnahme der Ausgabe-reste außerhalb der flexibilisierten Verwaltungsausgabengrundsätzlich eine kassenmäßige Einsparung an andererStelle im Haushalt voraus, sodass sich die Gesamtausga-ben des Folgejahres insoweit nicht erhöhen.

Aufgrund des starken Anstiegs der Ausgabereste bis zumJahre 2003 hat der Bundesrechnungshof empfohlen, be-sonderes Augenmerk auf die Begrenzung der übertrage-nen Ausgabeermächtigungen zu richten. Das Bundes-ministerium fordert deshalb seit dem Jahre 2005 in seinenjährlichen Aufstellungsschreiben die Ressorts auf, den

19 Vgl. Nr. 4.3.3.2 der Jahresrechnung.20 Vgl. Nr. 4.2.2.2 und Nr. 6.7 der Jahresrechnung.

A b b i l d u n g 6

Gebildete Ausgabereste1

1 Der Wert für 2007 weist die in das Haushaltsjahr 2007 übertragbaren Mittel aus.

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

Jahr

1,71,4 1,5 1,8

4,85,4

4,9

3,84,1

5,45,8

5,4

6,57,2

10,4

13,4

11,911,3

7,0

8,1

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

16,0

Mrd

. E

uro

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Drucksache 16/7100 – 70 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Berichterstatterinnen und Berichterstattern für die Haus-haltsberatungen Übersichten zu den wesentlichen Ausga-beresten im flexibilisierten (vgl. dazu Nr. 1.9.6) und imnicht flexibilisierten Bereich zur Verfügung zu stellen.Dadurch sollen die Abgeordneten die Möglichkeit erhal-ten, die Ausgabenentwicklung im Zusammenhang mitden jeweiligen Neubewilligungen zu bewerten.

1.7.2 Aufteilung der übertragbaren Ausgaben

Von den zum Ende des Haushaltsjahres 2006 in das Fol-gejahr übertragbaren Mitteln (8,1 Mrd. Euro) entfallen6,8 Mrd. Euro auf den nicht flexibilisierten Bereich. Be-troffen sind vor allem die Einzelpläne 11 (Arbeitsmarkt),12 (Investitionsausgaben im Verkehr- und Wohnungsbe-

reich), 32 (Zinsen, Gewährleistungen) sowie 60 (Finanzhil-fen für Ganztagsschulen).21

Die aufgeführten wesentlichen Ausgabenbereiche umfas-sen 5,2 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 5) und damit rund dreiViertel der insgesamt – außerhalb der Flexibilisierung –übertragbaren Mittel. Das Bundesministerium hat zuge-sagt, die weitere Entwicklung im Auge zu behalten, damitein ähnlicher Aufwuchs wie im Zeitraum 2001 bis 2003vermieden wird. Auch im Bereich der nicht flexibilisier-ten Ausgaben gilt der Grundsatz, dass bei der Bildungvon Ausgaberesten ein strenger Maßstab anzulegen ist(vgl. VV Nr. 3 zu § 45 BHO).

21 Vgl. Nr. 6.7 der Jahresrechnung.

Ta b e l l e 5

In das Jahr 2007 übertragbare Mittel über 100 Mio. Euro

Haushaltsstelle im Haushaltsplan 2006 Zweckbestimmung Übertragbare Ausgaben

– Mio. Euro –

Kap. 3208 Titel 870 01 Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen

999

Kap. 6002 Titel 882 02 Ganztagsschulen 924

Kap. 1112 Tgr. 01 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose

514

Kap. 1222 Titel 891 01 Baukostenzuschüsse Schienenwege Eisenbahn

449

Kap. 0902 Tgr. 12 Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftsstruktur

382

Kap. 1226 Hochbau- und Förderungsmaß-nahmen in Berlin und Bonn

370

Kap. 3205 Schuldendienst 366

Kap. 1602 Titel 686 24 Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien

239

Kap. 1225 Tgr. 01 Städtebauförderung 215

Kap. 1222 Titel 861 01 Darlehen für Investitionen Schienen-wege Eisenbahn

172

Kap. 1102 Titel 686 51 Verwendung von Zuschüssen des Europäischen Sozialfonds

171

Kap. 1202 Tgr. 03 Zukunftssicherung der deutschen Magnetschwebebahn

141

Kap. 1225 Tgr. 02 Soziale Wohnraumförderung 138

Kap. 1218 Titel 891 01 Investitionszuschüsse für Vorhaben des öffentlichen Personennahverkehrs an die Deutsche Bahn AG

109

Gesamt 5 189

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/7100

1.8 Verpflichtungsermächtigungen

1.8.1 Inanspruchnahme der Verpflichtungs-ermächtigungen

1.8.1.1 Höhe der Inanspruchnahme

Im Haushaltsplan 2006 waren für den Bund Ermächtigun-gen zum Eingehen von Verpflichtungen in Höhe von ins-gesamt 57,6 Mrd. Euro vorgesehen (vgl. Abbildung 7).Die veranschlagten Verpflichtungsermächtigungen, die inkünftigen Haushaltsjahren zur Leistung von Ausgabenführen können, lagen damit um 7,3 Mrd. Euro über denendes Vorjahres (50,1 Mrd. Euro). Tatsächlich eingegangenwurden im Haushaltsjahr 2006 Verpflichtungen in Höhevon 41,8 Mrd. Euro.22 Das sind 17,5 Mrd. Euro mehr alsim Vorjahr (24,3 Mrd. Euro). Die Ermächtigungen wur-den zu rund 73 % und damit in deutlich stärkerem Um-fang als im Vorjahr (rund 49 %) in Anspruch genommen(vgl. Abbildung 7).

Der höhere Ausnutzungsgrad ist im Hinblick auf dieGrundsätze der Notwendigkeit und Fälligkeit (§§ 6, 11BHO) positiv zu bewerten. Danach sind Verpflichtungs-ermächtigungen nur dann und in der Höhe zu veranschla-gen, in der sie zur Erfüllung der Aufgaben auch tatsächlichbenötigt werden. Die Maßnahmen, die das Bundesminis-terium in den letzten Jahren aufgrund der getroffenenFeststellungen des Bundesrechnungshofes zum geringenAusschöpfungsgrad der Verpflichtungsermächtigungen er-griffen hat, scheinen demnach erste Wirkungen zu entfal-ten. Gleichwohl bleiben alle Ressorts aufgefordert, dieEtatreife von Verpflichtungsermächtigungen sorgfältig zuprüfen; dies entspricht den Grundsätzen der Haushalts-klarheit und Haushaltswahrheit.

Über- und außerplanmäßig wurden Verpflichtungen inHöhe von 505 Mio. Euro eingegangen (Vorjahr: 134 Mio.Euro), die sich auf 18 Titel in insgesamt zehn Kapitelnverteilen. Der Inanspruchnahme hat das Bundesministe-rium nach § 38 Abs. 1 Satz 2 BHO zugestimmt.23

22 Vgl. Nr. 4.1.4 der Jahresrechnung. 23 Vgl. Nr. 6.1.2 der Jahresrechnung.

Abbi ldung 7

Verpflichtungsermächtigungen und deren Inanspruchnahme

44,6

35,4

41,1

34,833,0

63,0

53,4

45,1

57,8

38,9

30,9

39,8

48,1

56,9

43,5

50,1

57,6

47,9

42,7

27,125,7

22,025,1

19,6

24,827,8

23,2

35,5

14,9

18,8 19,2

31,132,9

20,7

24,3

41,8

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

50,0

60,0

70,0

Mrd

. E

uro

Verpflichtungsermächtigungen lt. Haushaltsplan eingegangene Verpflichtungen

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008Jahr

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Drucksache 16/7100 – 72 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1.8.1.2 Beteiligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages

Nach § 4 Abs. 2 des Haushaltsgesetzes 2006 sind über-und außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen abeinem Betrag von 5 Mio. Euro (bei nur in einem Haus-haltsjahr fällig werdenden Ausgaben) bzw. von 10 Mio.Euro vor Einwilligung des Bundesministeriums dem Haus-haltsausschuss des Deutschen Bundestages zur Unterrich-tung vorzulegen.

Die Jahresrechnung 200624 weist insgesamt sechs Fälleaus, die dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundes-tages vorzulegen waren. In vier Fällen hat der Haushalts-ausschuss des Deutschen Bundestages die Unterlagenvorab zur Kenntnis erhalten. In zwei Fällen – Einzug derstreckenbezogenen Straßenbenutzungsgebühren für LKWdurch Private (Kapitel 1202 Titelgruppe 05 Titel 532 51)und projektbezogene Beiträge an internationale Organisa-tionen (Kapitel 1602 Titel 687 03) – konnte der Haus-haltsausschuss des Deutschen Bundestages aufgrund derEilbedürftigkeit der jeweiligen Maßnahmen erst nach-träglich informiert werden.

1.8.2 Gesamtbestand der eingegangenen Verpflichtungen

Insgesamt bestanden für den Bund zum 31. Dezember2006 Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben in

künftigen Haushaltsjahren in Höhe von 110,4 Mrd. Euro,deren Fälligkeit sich auf den Finanzplanungszeitraum unddarüber hinaus verteilt (vgl. Tabelle 6).

Ta b e l l e 6

Fälligkeit von Verpflichtungsermächtigungen

Damit sind die entsprechenden Vorbelastungen künftigerHaushalte gegenüber den Vorjahren 2004 und 2005 deut-lich angestiegen und haben einen neuen Höchststand er-reicht (vgl. Abbildung 8). Die Handlungsspielräume inden nächsten Haushaltsjahren werden hierdurch entspre-chend eingeschränkt.24 Vgl. Nr. 6.1.2 der Jahresrechnung.

Haushaltsjahr der Fälligkeit

von Verpflichtungen

VerpflichtungsvolumenMrd. Euro

2007 27,1

2008 19,2

2009 15,1

2010 und künftige Jahre 49,0

Gesamtvolumen 110,4

Abbi ldung 8

Gesamtbestand an eingegangenen Verpflichtungen

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Jahr

30,0

40,0

50,0

60,0

70,0

80,0

90,0

100,0

110,0

120,0

Mrd

. E

uro

57,8

65,5

70,0

86,8

100,3

93,289,9

99,7 101,4

108,7

100,2102,0

110,4

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/7100

1.9 Umsetzung der flexiblen Haushalts-instrumente

Der Bundesrechnungshof hat die Umsetzung der flexib-len Haushaltsinstrumente nach dem Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetz25 seit ihrer erstmaligen flächen-deckenden Einführung im Haushaltsjahr 1998 wieder-holt zum Gegenstand seiner Bemerkungen gemacht.26

Er hat dabei untersucht, inwieweit die mit der Neurege-lung verbundenen Erwartungen erfüllt wurden, dieHaushaltswirtschaft effizienter und sparsamer zu gestal-ten. Nach seinen Feststellungen waren zu Beginn derUmsetzungsphase erste positive Auswirkungen auf dasAusgabeverhalten in den meisten Verwaltungskapitelndes Bundeshaushaltes zu verzeichnen. Hierzu zählte vorallem der Rückgang des sogenannten „Dezemberfie-bers“. Auf der anderen Seite hat er insbesondere wirk-same Anstrengungen zur dauerhaften Begrenzung derAusgabereste im flexibilisierten Bereich angemahnt undauf das Spannungsverhältnis zwischen der als notwen-dig erkannten größeren Freiheit im Haushaltsvollzug ei-nerseits und dem parlamentarischen Budgetrecht ande-rerseits hingewiesen. Die Umsetzung der flexiblenHaushaltsinstrumente in der Bundesverwaltung bildetim Rahmen der Prüfung der Jahresrechnung 2006 erneuteinen Schwerpunkt.

1.9.1 Entwicklung der flexibilisierten Ausgaben

Der Umfang der in die Haushaltsflexibilisierung einbezo-genen Soll-Ausgaben wird jeweils im Gesamtplan inForm einer nach Einzelplänen gegliederten Haushalts-übersicht dargestellt. In der Jahresrechnung fehlt einevergleichbare Darstellung. Um das jährliche Ist-Ergebnisbei den flexibilisierten Ausgaben zu ermitteln, bedarf eseiner gesonderten Auswertung. Der Soll-Ist-Vergleichwird auch dadurch erschwert, dass in einem EinzelplanAusgabetitel veranschlagt sind, bei denen die jeweiligen

Mittelansätze nur mit prozentualen Teilbeträgen in dieFlexibilisierung einbezogen werden.27

Die flexibilisierten Ist-Ausgaben des Bundes sind imZeitraum von 1998 bis 2006 von 13,5 Mrd. Euro um1,5 Mrd. Euro auf 15,0 Mrd. Euro angestiegen (vgl. Ta-belle 7, Zeile 4). Dies entspricht einem Aufwuchs vonmehr als 11 %. Neben allgemeinen Ausgabesteigerungendürfte hierfür auch die Einbeziehung zusätzlicher Ausga-betitel in die Flexibilisierung verantwortlich sein.28

Der Anstieg der flexibilisierten Ist-Ausgaben erklärt sichzudem dadurch, dass ausgebrachte Deckungsvermerkebei nicht flexibilisierten Ausgabetiteln sowie Verstär-kungsvermerke bei Einnahmetiteln im Rahmen des Haus-haltsvollzugs genutzt wurden, um zusätzliche haushalts-wirtschaftliche Handlungsspielräume zu gewinnen (vgl.Nr. 1.9.3 und 1.9.4). Dies hat in den Haushaltsjahren 2002und 2006 dazu geführt, dass die Ist-Ausgaben über demveranschlagten Soll lagen (vgl. Tabelle 7, Zeile 5).

Der Anteil der flexibilisierten Ist-Ausgaben an den Ge-samtausgaben des Bundes lag in den Jahren 1998 bis 2006mit zwei Ausnahmen knapp unter 6 % (vgl. Tabelle 7,Zeile 9). Der überwiegende Teil des Bundeshaushaltes mitden sogenannten Programmausgaben (z. B. Sozialleistun-gen, Finanzhilfen, Forschungs- und Wirtschaftsförderung,militärische Beschaffungen) ist nach wie vor nicht in dieHaushaltsflexibilisierung einbezogen. Hier stehen politi-sche Schwerpunktsetzungen des Gesetzgebers im Vorder-grund, die die Exekutive grundsätzlich binden und nichtdurch umfassende Flexibilisierungsmöglichkeiten im Haus-haltsvollzug verändert werden sollen. Abweichungen in derHaushaltsdurchführung werden durch spezifische De-ckungs- und Übertragungsvermerke ermöglicht.

Innerhalb der flexibilisierten Ausgaben liegt das Haupt-gewicht mit mehr als 75 % bei den Personalausgaben, ge-folgt von den Sächlichen Verwaltungsausgaben mit einemAnteil von über 18 % (vgl. Abbildung 9).

25 Vgl. Gesetz vom 22. Dezember 1997, BGBl 1997 I S. 3521.26 Vgl. Bemerkungen 2000 (Bundestagsdrucksache 14/4226), Bemer-

kungen 2001 (Bundestagsdrucksache 14/7018).

27 Innerhalb einiger Kapitel des Einzelplans 14 (Verteidigung) sind Ti-telansätze der Gruppe 553 (Materialerhaltung im militärischen Be-reich) mit prozentualen Teilbeträgen flexibilisiert.

28 Hierzu zählen z. B. die sog. großen Baumaßnahmen von mehr als1 Mio. Euro (Titel 712.1)

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Drucksache 16/7100 – 74 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ta b e l l e 7

Entwicklung der flexibilisierten Verwaltungsausgaben (1998 bis 2006)1

1 Differenzen durch Rundung/Umrechnung auf Euro-Basis.2 Der Umfang der in die Flexibilisierung einbezogenen Kapitel/Titel hat sich in den Haushalten seit 1998 von Jahr zu Jahr verändert. Ab dem Jahre

2001 ist zusätzlich die Änderung des Gruppierungsplanes zu berücksichtigen.3 Vgl. Nr. 1.9.2.4 Durch die Jahresrechnung werden die max. übertragbaren flexibilisierten Ausgaben (Stand: Jahresende) ohne Berücksichtigung des tatsächlichen

Bedarfs festgestellt. Nach einer durchzuführenden Bedarfsprüfung wird bis Mitte des Folgejahres über die Höhe der tatsächlich zu bildendenAusgabereste entschieden.

Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

1 Anzahl der Kapitel2 117 115 112 112 118 107 106 104 108

2 Anzahl der Titel2 2 500 3 673 3 714 3 156 3 142 2 943 2 992 2 989 3 030

Mrd. Euro

3 Volumen Soll-Ausgaben 13,7 13,9 14,2 14,5 15,1 15,3 15,6 15,4 14,8

4 Volumen Ist-Ausgabendavon:Personal (HGr. 4)Sächl. Verw. Ausgaben (HGr. 5)Zuweisungen/Zuschüsse (HGr. 6)Investitionen (HGr. 7 u. 8)

13,5

11,01,6

0,0

0,8

13,7

11,21,7

0,0

0,8

14,1

11,22,1

0,0

0,8

14,2

11,22,1

0,1

0,8

15,3

11,52,9

0,1

0,9

15,0

11,52,5

0,1

0,9

15,1

11,62,6

0,1

0,9

15,3

11,32,9

0,1

1,0

15,0

11,32,7

0,1

1,0

5 Differenz Ist/Soll – 0,3 – 0,3 – 0,1 – 0,3 + 0,2 – 0,3 – 0,5 – 0,1 + 0,2

6 Effizienzrendite (globale Minderausgabe)3

0,2 0,3 0,3 0,3

7 Übertragbare Ausgabereste lt. Jahresrechnung4

0,5 1,0 1,1 1,1 1,0 1,2 1,4 1,5 1,3

8 Gesamtausgaben 233,6 246,9 244,4 243,2 249,3 256,7 251,6 259,8 261,0

Prozent

9 Anteil der Flexibilisierung an den Gesamtausgaben 5,8 5,5 5,8 5,8 6,1 5,8 6,0 5,9 5,7

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/7100

A b b i l d u n g 9

Prozentuale Verteilung der flexibilisierten Ausgaben im Haushalt 2006

Zuweisungen u. Zuschüsse

0,4 %Investitionen

6,1 %Sächl. Verw.

Ausgaben 18,1%

Personalausgaben 75,4 %

1.9.2 Effizienzrendite

Das Instrumentarium der flexiblen Haushaltsinstrumentewird ergänzt durch die gesetzlich nicht geregelte soge-nannte Effizienzrendite. Mit ihr sollen die aufgrund dererhöhten Flexibilisierung bei der Haushaltsbewirtschaf-tung anfallenden Effizienzgewinne zumindest teilweisezugunsten des Gesamthaushalts abgeschöpft werden.

In den Jahren 1998 bis 2001 wurde die Effizienzrendite inForm einer globalen Minderausgabe in den jeweiligenEinzelplänen veranschlagt. Sie belief sich jeweils auf biszu rund 0,3 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 7, Zeile 6). Seit demHaushaltsjahr 2002 wird die Effizienzrendite nicht mehrgesondert ausgewiesen. Im Rahmen der Haushaltsaufstel-lung 2002 wurde vielmehr die nach wie vor zu erwirtschaf-tende Rendite auf die Summe der in die Flexibilisierungeinbezogenen Ansätze des damals geltenden Finanzpla-nes umgelegt und fortgeschrieben.

Die Verfahrensumstellung hat einerseits den Nachteil,dass mit dem Wegfall der globalen Minderausgabe mittel-fristig zunehmend die unmittelbare Information über diemit der Flexibilisierung verbundenen Einsparungen ver-loren geht. Andererseits führt der Wegfall der globalenMinderausgabe zu einer Stärkung der Aussagekraft derSollansätze im Haushalt, da sich eine anteilige Verteilungdieser Minderausgabe auf die Einzeltitel im Haushalts-vollzug erübrigt. Das derzeitige Verfahren gewährleistetdarüber hinaus eine gleichmäßige Berücksichtigung derEinsparvorgaben auf die verschiedenen Bewirtschafter.

Der Bundesrechnungshof hat gegen die Verfahrensum-stellung keine Bedenken geltend gemacht. Er unter-streicht jedoch die Notwendigkeit, die Veranschlagungvon Haushaltsmitteln im Haushaltsaufstellungsverfahrenausschließlich am tatsächlichen Bedarf auszurichten und

Überveranschlagungen konsequent zu vermeiden. Die-sem Ziel dienen auch die Informationen über die beste-henden flexibilisierten Ausgabereste, die die Ressorts seitder Haushaltsaufstellung 2004 dem Haushaltsausschussdes Deutschen Bundestages für die parlamentarischenBeratungen zur Verfügung stellen müssen (vgl. Nr. 1.9.6).

1.9.3 Deckungsfähigkeiten

Im Rahmen der Haushaltsflexibilisierung wird derGrundsatz der sachlichen Bindung von Haushaltsmittelnmit dem Ziel der Optimierung des Ressourceneinsatzesdeutlich gelockert. So wird in den flexibilisierten Verwal-tungskapiteln eine vollständige gegenseitige Deckungsfä-higkeit innerhalb der Hauptgruppen sowie eine Haupt-gruppen übergreifende Deckungsfähigkeit in Höhe vonbis zu 20 % eingeräumt.29 Hierdurch können im Haus-haltsvollzug in dem vom Haushaltsgesetzgeber vorgege-benen Rahmen Schwerpunkte gesetzt und unvorhergese-hene Mehrausgaben finanziert werden. Die zugelassenenDeckungsfähigkeiten werden von den Verwaltungsbehör-den in der Haushaltspraxis sowohl innerhalb als auchzwischen den Hauptgruppen intensiv genutzt. Dies hatdazu geführt, dass Anträge auf Bereitstellung von über-planmäßigen Haushaltsmitteln insbesondere bei den indie Flexibilisierung einbezogenen sächlichen Verwal-tungsausgaben weitgehend vermieden werden konnten.

Neben den haushaltsgesetzlich eingeräumten Deckungs-fähigkeiten eröffnen einzelne Haushaltsvermerke zusätz-liche Deckungsmöglichkeiten, durch die flexibilisierte Ti-tel zulasten nicht flexibilisierter Titel verstärkt werdenkönnen. Die Nutzung derartiger Deckungskreise ist

29 Vgl. § 5 Haushaltsgesetz 2006.

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mitursächlich dafür, dass in den Jahren 2002 und 2006 dieflexibilisierten Ist-Ausgaben über dem veranschlagtenSoll lagen.

Aufgrund der in den ersten Jahren der Flexibilisierung ge-machten Erfahrungen und nicht zuletzt als Folge der Fest-stellungen des Bundesrechnungshofes30 hat das Bundes-ministerium ab dem Haushaltsjahr 2001 die zunächstzugelassenen Deckungsmöglichkeiten teilweise wiedereingeschränkt. So ist z. B. in den Haushaltsführungs-schreiben 2001 bis 2005 festgelegt, dass „ungeachtet derFlexibilisierungssystematik vom Parlament angeordneteHaushaltssperren und vorgenommene Titelkürzungen zubeachten sind“. Diese Formulierung ist in den Haushalts-führungsschreiben ab dem Haushaltsjahr 2006 nicht mehrenthalten. Das Bundesministerium hat darauf hingewie-sen, dass eine entsprechende Vorgabe zwischenzeitlichals Dauerregelung in ein gesondertes Rundschreiben auf-genommen wurde.31

1.9.4 Verstärkungsmöglichkeiten

Auf Grundlage der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit,vom Haushaltsgrundsatz der Gesamtdeckung abzuwei-chen (§ 8 Satz 1 BHO), werden über Haushaltsvermerke(Mehr-)Einnahmen zur Finanzierung von Ausgaben beiflexibilisierten Titeln herangezogen. Diese Verstärkungs-möglichkeiten wurden teilweise über den im laufendenHaushalt tatsächlich bestehenden Bedarf hinaus genutzt.Durch diese Praxis vergrößerten die Verwaltungsbehör-den ihren Spielraum zur Bildung von Ausgaberesten.

In Einzelfällen wurden zudem erzielte Mehreinnahmenzur Finanzierung von Mehrausgaben bei Titeln herange-zogen, die zwar der Haushaltsflexibilisierung unterliegen,vom Verstärkungsvermerk allerdings nicht erfasst sind. Indiesen Fällen wurde zunächst entsprechend dem Haus-haltsvermerk die Ausgabeermächtigung des verstär-kungsberechtigten Titels durch die Heranziehung vonMehreinnahmen erhöht. In einem zweiten Schritt wurdendiese Mittel im Rahmen der innerhalb der Flexibilisierungbestehenden Deckungsmöglichkeiten zur Verstärkung vonAnsätzen genutzt, die außerhalb des vom Haushaltsgesetz-geber über den Haushaltsvermerk geschaffenen Deckungs-

kreises liegen. Auf die vorrangige Nutzung vorhandenerAusgabereste wurde in diesen Fällen verzichtet.

Das haushaltswirtschaftliche Ziel, Anreize zur Erzielungvon Mehreinnahmen zu setzen, ist zu unterstützen. MitBlick auf das angewachsene Volumen der Ausgaberestesollte allerdings das Nebeneinander von Verstärkungs-möglichkeiten einerseits und den Flexibilisierungsinstru-menten andererseits nicht schematisch genutzt werden.Das Bundesministerium sollte vielmehr auch unter Trans-parenzgesichtspunkten und mit Blick auf das parlamenta-rische Budgetrecht prüfen, ob die derzeit bestehendenvielfältigen Deckungs- und Verstärkungsmöglichkeitenggf. zu begrenzen sind.

Das Bundesministerium hat dargelegt, dass es eine Vermi-schung von Deckungs- und Verstärkungsvermerken mitden Instrumenten der Flexibilisierung kritisch begleite undnur in begründeten Einzelfällen zulasse. Eine Ausnahmehierbei bilde der Einzelplan 14. Es sei vorgesehen, die indiesem Bereich im Laufe der Jahre entstandenen vielfälti-gen Deckungs- und Verstärkungsmöglichkeiten, die auchzum Teil mit Flexibilisierungsinstrumenten verbundenseien, beginnend mit der Haushaltsaufstellung 2008 er-heblich restriktiver als bisher zu handhaben und zurück-zufahren.

1.9.5 Ausgabeverhalten

Durch die Einführung der Flexibilisierungsinstrumentesollte u. a. ein gleichmäßiges Ausgabeverhalten gesichertund unzweckmäßiges Handeln zum Jahresende (sog. De-zemberfieber) vermieden werden. Einen Anhaltspunktdafür, ob dieses Ziel erreicht worden ist, kann die unter-jährige Ausgabenentwicklung liefern. Der Bundesrech-nungshof hat daher unter Heranziehung dreier Referenz-jahre die Mittelabflüsse untersucht und dabei diemonatlichen Ausgaben in den Haushaltsjahren 199532

(vor Einführung der Flexibilisierung), 2000 und 2006 ge-genübergestellt (vgl. Abbildung 10). Die Personalausga-ben wurden dabei nicht in die Betrachtung einbezogen, dadie jährlichen Sonderzuwendungen für tariflich bezahlteBedienstete und Beamte die Ausgaben in den MonatenNovember und Dezember verzerren.

30 Vgl. Bemerkungen 2000 Nr. 3.5.2 (Bundestagsdrucksache 14/4226).31 Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Juli 2006,

II A 2 – H 1200 – 97/06.

32 Das Jahr 1995 wurde als Vergleichsjahr ausgewählt, weil in denHaushaltsjahren 1996 und 1997 Haushaltssperren angeordnet undglobale Minderausgaben ausgebracht wurden, die erheblichen Ein-fluss auf die Ausgabenentwicklung der Verwaltungskapitel hatten.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/7100

A b b i l d u n g 10

Monatliche Ausgabenentwicklung bei den flexibilisierten Ausgaben (ohne Personalausgaben)

199520002006

0

5

10

15

20

25

Pro

zen

t

Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.Monat

Im Haushaltsjahr 1995 ist ab dem Monat Oktober eindeutlicher Anstieg der Ausgaben gegenüber dem rechneri-schen Monatsdurchschnitt (8,3 %) mit einem Spitzenwertvon 23,4 % für den Monat Dezember zu verzeichnen.Demgegenüber ist die Ausgabeentwicklung insbesondereim Haushaltsjahr 2000 gleichmäßiger verlaufen. Hin-sichtlich der für das Haushaltsjahr 2006 ermittelten Werteist zu berücksichtigen, dass bis Mitte Juli 2006 eine vor-läufige Haushaltsführung bestand. Es ist davon auszuge-hen, dass verschiedene Ausgaben in die zweite Jahres-hälfte verlagert werden mussten und so zu einem Anstiegder Dezember-Ausgaben auf 19,5 % beigetragen haben.

Bei einer quartalsweisen Betrachtung wird demgegenüberdeutlich, dass der Anteil der Ist-Ausgaben sowohl imvierten Quartal des Jahres 2000 (35,7 %) als auch desJahres 2006 (36,8 %) deutlich unter dem Anteil desJahres 1995 (41,6 %) zurückbleibt. An der bislang getrof-fenen Feststellung,33 dass die Nutzung der flexiblenHaushaltsinstrumente eine gleichmäßigere unterjährigeAusgabeentwicklung fördert und damit dem sogenanntenDezemberfieber tendenziell entgegen wirkt, kann daherim Grundsatz festgehalten werden. Der Bundesrechnungs-hof wird die Entwicklung des Mittelabflusses weiter be-obachten.

1.9.6 Übertragbarkeit und Bildung von Ausgaberesten

Zum Kernstück der Haushaltsflexibilisierung gehört dieLockerung des Grundsatzes der Jährlichkeit, d. h. nicht inAnspruch genommene Haushaltsmittel bleiben überjährigverfügbar, wobei das Bundesministerium auf Einsparvor-gaben aus dem betroffenen Einzelplan verzichtet. Die Re-gelung zielt darauf ab, die wirtschaftliche und sparsameVerwendung der Haushaltsmittel zu fördern (§ 19 Abs. 1BHO).

Das Zugeständnis ist allerdings ab dem Haushaltsjahr2006 insoweit eingeschränkt, als bei Inanspruchnahmeder Ausgabereste zunächst ein Gesamtbetrag in Höhe von300 Mio. Euro anteilig in den jeweiligen Einzelpläneneinzusparen ist. Mit dieser Festlegung soll gewährleistetwerden, dass die aufgrund der Koalitionsvereinbarungvorgenommene Absenkung der Verwaltungsausgaben auchin der Haushaltsdurchführung umgesetzt und nicht durchAusweichen in die flexibilisierten Reste zulasten des Ge-samthaushaltes konterkariert wird. Die Vorgabe wurdevon den Ressorts ausweislich der Jahresrechnung 2006eingehalten (vgl. Nr. 1.9.7).

Nachdem in den Jahren 2002 bis 2005 die übertragbarenAusgaben stetig angestiegen sind, betrugen sie zum Jah-resende 2006 knapp 1,3 Mrd. Euro. Sie liegen damit umrund 200 Mio. Euro unter dem Ergebnis des Vorjahres(vgl. Abbildung 11). 33 Vgl. Bemerkungen 2001, Nr. 1.4.5.

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Drucksache 16/7100 – 78 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A b b i l d u n g 11

Entwicklung der übertragbaren und übertragenen Ausgabereste

Übertragbare Ausgabereste Übertragene Ausgabereste

0

200

400

600

800

1 000

1 200

1 400

1 600

Mio

. E

uo

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006Jahr

492

952

1 100 1 0801 012

1 172

1 4251 501

1 290

492

816

1 050995

950

1 123

1 304 1 290

Bei der Bewertung dieses Rückgangs ist allerdings zu be-rücksichtigen, dass die im Haushaltsjahr 2006 in die Flexi-bilisierung einbezogenen Soll-Ausgaben um rund 600 Mio.Euro niedriger lagen als die des Jahres 2005. Insoweitstanden im Haushaltsjahr 2006 von vornherein wenigerHaushaltsmittel für eine Übertragung zur Verfügung alsim Vorjahr. Unter diesem Aspekt bleibt abzuwarten, obsich die rückläufige Entwicklung der Ausgabereste in denkommenden Jahren verfestigen wird.

Angesichts des Volumens der in den vergangenen Jahrenübertragenen Ausgabereste hat das Bundesministerium dieRessorts wiederholt darauf hingewiesen, dass eine Bildungvon Ausgaberesten ohne Bedarfsprüfung im Widerspruchzu den Zielen der Haushaltsflexibilisierung und den recht-lichen Vorgaben für die Bildung von Ausgaberesten steht.Es hat zudem angekündigt, im Rahmen der Verhandlungenzur Haushaltsaufstellung 2006 die Ausgabereste im Zu-sammenhang mit den Anmeldungen kritisch zu überprüfenund mit den geplanten Neuetatisierungen abzugleichen.Des Weiteren hat das Bundesministerium die Ressorts imInteresse einer wirksamen Ausgestaltung des parlamentari-schen Budgetrechtes aufgefordert, den Berichterstatternrechtzeitig Übersichten zu wesentlichen Ausgaberesten als

Unterlagen für die Haushaltsberatungen zur Verfügung zustellen.34 In den titelbezogenen Übersichten sollen insbe-sondere die beabsichtigten Maßnahmen benannt werden,für deren (Mit-)Finanzierung die gebildeten Ausgaberestevorgesehen sind. Zudem sollen neben den übertragbarenAusgaben die insgesamt gebildeten Ausgabereste sowiedie zusätzlich im letzten Haushaltsjahr neu entstandenenAusgabereste aufgezeigt werden.

Die vom Bundesministerium vorgenommene Bedarfsprü-fung für die übertragbaren flexibilisierten Mittel des Jahres2005 hat dazu geführt, dass die Ressorts Ausgabereste inHöhe von rund 211 Mio. Euro (14 %) in Abgang gestellthaben (vgl. Tabelle 8). Das ist der höchste Wert seit derEinführung der flexiblen Haushaltsinstrumente. Die vomBundesministerium angekündigte kritische Überprüfungder Entwicklung der Ausgabereste scheint danach wirksamzu greifen. Die Bedarfsprüfung für die Ausgabereste desHaushaltsjahres 2006 ist noch nicht abgeschlossen.

34 Damit wurde eine entsprechende Empfehlung des Bundesrechnungs-hofes aufgegriffen, vgl. Bemerkungen 2001 Nr. 1.4.6.4.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79 – Drucksache 16/7100

Ta b e l l e 8

Bildung von Ausgaberesten im flexibilisierten Bereich1

1 Differenzen durch Rundungen.2 Ressortbezeichnungen zu Beginn 2005.

Einzelplan Ressort2

Nach 2006 übertragbare

Ausgaben

In 2006 in Abgang

gestellt

In 2006 tatsächlich

übertragene Ausgaben

In 2006 anteilsmäßig

Abgang gestellt

Tausend Euro Prozent

01 BPrA 4 074 1 906 2 168 46,8

02 BT 73 190 20 110 53 080 27,5

03 BR 3 272 1 455 1 817 44,5

04 BK 47 297 424 46 873 0,9

05 AA 137 086 1 137 085 0,1

06 BMI 358 995 45 358 950 0,1

07 BMJ 39 264 319 38 945 0,8

08 BMF 401 236 156 349 244 887 39,0

09 BMWA 83 562 3 631 79 932 4,3

10 BMVEL 92 058 1 92 057 0,1

12 BMVBW 84 353 16 84 337 0,1

14 BMVg 16 371 1 16 370 0,1

15 BMGS 43 540 1 187 42 353 2,7

16 BMU 84 608 14 344 70 264 17,0

17 BMFSFJ 10 814 1 10 813 0,1

19 BVerfG 4 862 1 4 861 0,1

20 BRH 8 882 8 262 620 93,0

23 BMZ 13 1 13 2,9

30 BMBF 7 098 2 453 4 645 34,6

Gesamt 1 500 575 210 507 1 290 070 14,0

Die Höhe der in Abgang gestellten Reste ist bei den Ein-zelplänen sehr unterschiedlich. Sie liegen je nach Ressortzwischen 0,1 % und 93 % der übertragbaren Ausgaben.In acht Fällen wurde das Volumen der übertragbarenHaushaltsmittel nahezu vollständig zur Bildung von Aus-gaberesten genutzt.

Bei der Beurteilung des sachlichen Bedürfnisses zur Bil-dung von Ausgaberesten sind die ressortspezifischen Be-sonderheiten zu berücksichtigen (z. B. Höhe der bereitsrechtlich gebundenen Ausgabemittel, mehrjährige Inves-

titionsvorhaben). Haushaltsrechtlich setzt eine Ausgabe-restebildung zudem voraus, dass mit der Übertragungeine wirtschaftliche und sparsame Mittelverwendung ge-fördert wird. Hierfür besteht bei den durch besoldungs-und tarifrechtliche Vorschriften sowie durch Stellenpläneweitgehend festgelegten Personalausgaben nur wenig Ge-staltungsspielraum. Angesichts des nach wie vor nicht un-erheblichen Anteils der Personalausgaben an den insge-samt übertragbaren Ausgaben (vgl. Tabelle 9) sollte dahervor allem in diesem Bereich bei der Bedarfsprüfung einzel-planübergreifend ein kritischer Maßstab angelegt werden.

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Drucksache 16/7100 – 80 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ta b e l l e 9

Übertragbare Ausgaben nach Hauptgruppen1

1 Differenzen durch Rundung.

Hauptgruppen2005 2006

Mio. Euro Prozent Mio. Euro Prozent

4 – Personalausgaben 272,3 18,1 234,7 18,2

5 – Sächl. Verwaltungsausgaben 508,5 33,9 428,0 33,2

6 – Zuweisungen und Zuschüsse 10,4 0,7 7,3 0,6

7/8 – Investitionsausgaben 709,3 47,3 620,0 48,1

Summe der übertragbaren Ausgaben 1 500,5 1 290,0

1.9.7 Gegenfinanzierung der Ausgabereste sionsplanung nicht enthalten waren. Außerdem konnte

Zur haushaltsmäßigen Gegenfinanzierung der bisher imRahmen der Flexibilisierung gebildeten und im Haus-haltsjahr 2006 in Anspruch genommenen Ausgaberesteweist der Bundeshaushalt 2006 – wie in den vorherigenHaushalten – bei Kapitel 6002 Titel 971 02 „Ausgabemit-tel zur Restedeckung“ in Höhe von 250 Mio. Euro aus.Dieser Betrag wurde ausweislich der Haushaltsrechnung2006 nicht in Anspruch genommen. Die Ausgaberestekonnten vielmehr auch im Haushaltsjahr 2006 in den je-weiligen Einzelplänen kassenmäßig dadurch gedecktwerden, dass an anderer Haushaltsstelle veranschlagteMittel nicht bzw. nicht vollständig verausgabt wordensind (sog. Bodensatz).

1.10 Vermögensrechnung

Die Vermögensrechnung weist zum 31. Dezember 2006einen Vermögensbestand in Höhe von 144,0 Mrd. Euroaus (vgl. Tabelle 10). Dieser liegt um 17,7 Mrd. Euroüber dem Bestand zum Jahresende 2005 (126,3 Mrd.Euro). Das Bundesministerium hat zur Erläuterung derZunahme des Vermögensbestandes darauf hingewiesen,dass im Jahre 2006 insgesamt 9,0 Mrd. Euro inflations-indexierte Anleihen begeben wurden, die in der Emis-

der Nettokreditbedarf im Haushaltsjahr 2006 um über10,0 Mrd. Euro zurückgeführt werden. Da eine Änderungder Emissionsplanung in einer Größenordnung von20,0 Mrd. Euro gegen die Kapitalmarktinteressen desBundes verstoßen hätte, wurden kreditfinanzierte Eigen-bestände an Bundeswertpapieren in Höhe von rund15,0 Mrd. Euro aufgebaut, die zu einer entsprechendenErhöhung des Vermögensbestandes führten.

In der Gesamtsumme des Kapitalvermögens sind aus demBereich des Liegenschaftsvermögens lediglich die Anga-ben des von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben35

übernommenen Grundvermögens enthalten. Das übrigeLiegenschaftsvermögen des Bundes ist in der Vermögens-rechnung nicht wertmäßig, sondern nur mengenmäßigaufgeführt (vgl. Tabelle 10). Das bewegliche Vermögenwird seit dem Jahre 1956 nicht mehr in der Vermögens-rechnung erfasst. Der Vermögensbestand der Sonderver-mögen (vgl. dazu Nr. 1.11) wird gesondert ausgewiesen.36

35 Der Kapitalwert der Bundesanstalt für Immobilien betrug zum31. Dezember 2006 rund 9,6 Mrd. Euro (vgl. Nr. 5.1.1.4.1.1 der Ver-mögensrechnung).

36 Vgl. Nr. 6.10 der Jahresrechnung.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81 – Drucksache 16/7100

Ta b e l l e 10

Entwicklung von Vermögen und Schulden im Jahre 20061

1 Vgl. im Einzelnen: Jahresrechnung Nr. 5.1.1 (S. 1360 bis 1381); Differenzen durch Rundung.2 Im Eigentum des Bundes befindliche Wertpapiere (insb. Bundesanleihen).3 Der Aufwuchs erklärt sich daraus, dass ein Teil der Kanäle und Schifffahrtswege 2006 erstmals in der Vermögensrechnung erfasst wurde.

Vermögen Anfangs-bestand 2006

Differenz Zugänge abzgl.

Abgänge

Endbestand 2006

Kapitalvermögen Mrd. Euro

1. Vermögen der Bundesanstalten 0,0001 – 0,0001

2. Betriebsvermögen 32,0 0,5 32,5

darunter:

Aktien und Genussscheine (börsennotiert – insb. Deutsche Telekom AG; nicht börsennotiert – insb. Deutsche Bahn AG)

16,5 0,3 16,8

Anteile am Kapital von Unternehmen des öffentlichen Rechts (z. B. BImA, KfW)

13,9 0,2 14,1

3. Allgemeines Kapital- und Sachvermögen 94,3 17,3 111,5

darunter:

Kapitalbeteiligungen (Anteile am Kapital internationaler Einrichtungen)

18,3 0,5 18,8

Darlehensforderungen 15,1 – 0,9 14,2

darunter:

– an Gebietskörperschaften (insb. für Wohnungsbau, Siedlungswesen)

10,1 – 0,5 9,6

– an sonstige Empfänger (insb. für Wohnungsbau, BAföG)

4,0 – 0,2 3,8

Wertpapiere (Inhaber-Schuldverschreibungen)2 29,1 14,4 43,5

Sonstige Geldforderungen (insb. aus Darlehen an Entwick-lungsländer)

31,8 3,2 35,0

Gesamt 126,3 17,7 144,0

Liegenschaftsvermögen Tausend Hektar

Allgemeines Verwaltungsvermögen 370,5 – 14,3 356,2

Sachen in Gemeingebrauch (insb. Bundesautobahnen, -straßen, Schifffahrtswege)3

1 158,9 3 457,7 4 616,6

Vermögen der Bundesanstalten und Bundeseinrichtungen 2,4 0,01 2,4

Allgemeines Kapital- und Sachvermögen (insb. unbebaute Grundstücke)

52,8 0,10 52,9

Schulden

Mrd. Euro

Bund 872,6 29,4 902,0

Sondervermögen 15,4 – 0,8 14,6

Gesamt 888,1 28,5 916,6

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Drucksache 16/7100 – 82 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesrechnungshof hat in den vergangenen Jahrenmehrfach eine Vervollständigung der Vermögensrechnungangemahnt. Die vom Bundesministerium eingesetzte Pro-jektgruppe zur Modernisierung des Haushalts- und Rech-nungswesens wird sich auch mit den Möglichkeiten füreinen vollständigen und transparenten Ausweis der Ver-mögenslage des Bundes befassen (vgl. Nr. 1.12.2.3).

1.11 Sondervermögen des Bundes und Bundesbetriebe

Die Jahresrechnung weist 15 Sondervermögen des Bun-des aus, die unmittelbar von ihm oder von Stellen außer-halb der Bundesverwaltung verwaltet werden und derenVermögen bzw. Schulden dem Bund rechtlich und wirt-schaftlich zuzuordnen sind.37 Der Solidaritätsfonds „Auf-bauhilfe“ ist zum 31. Dezember 2006 aufgelöst worden(vgl. Nr. 1.11.4).

1.11.1 ERP-Sondervermögen

Das ERP-Sondervermögen (ERP-SV) wurde nach demEnde des Zweiten Weltkriegs aus dem sogenannten Ge-genwertaufkommen38 gebildet. Bis zum Jahre 1959 ent-stand dieses aus den Zahlungen im Rahmen der verschiede-nen Hilfsprogramme der Vereinigten Staaten von Amerika.Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

hat als Verwalter des Sondervermögens den gesetzlichenAuftrag, den Bestand des ERP-SV zu erhalten.

Die Fondsmittel des ERP-SV dienen seit Abschluss derWiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg der all-gemeinen Förderung von Investitions- und Innovations-vorhaben der deutschen Wirtschaft, insbesondere desMittelstandes, durch Vergabe zinsgünstiger Kredite. Mitder Vereinigung der beiden deutschen Staaten wurde dasKreditgeschäft des ERP-SV wesentlich erweitert. Da-rüber hinaus führt das Sondervermögen eine Reihe vonFörderprogrammen fort, die zunächst aus dem Bundes-haushalt finanziert worden waren. Für die damit über-nommenen, teilweise erheblichen Risiken hat es in denvergangenen Geschäftsjahren Rückstellungen gebildet.

Der Vermögensbestand (Eigenkapital) zum 31. Dezember2006 stieg um 207 Mio. Euro (1,6 %) und beträgt nun13,0 Mrd. Euro. Die in erheblichem Umfang angefallenenvorzeitigen Darlehenstilgungen wurden zum Abbau vonVerbindlichkeiten verwendet. Diese Verbindlichkeiten san-ken von 15,1 Mrd. Euro um 0,8 Mrd. Euro auf 14,3 Mrd.Euro. Mit dem Vermögenszuwachs hat das Bundesminis-terium für Wirtschaft und Technologie die Preissteige-rungsrate des Jahres 2006 (1,7 %) nicht ausgeglichen undsomit den realen Wert des Sondervermögens nicht erhal-ten. Der reale Wert des Vermögensbestandes entsprach imJahre 2006 etwa dem Vorjahreswert und lag damit erneutunter dem Wert des Gegenwertaufkommens (vgl. Abbil-dung 12).

37 Vgl. Nr. 6.10 der Jahresrechnung.38 In der Gründungsphase bis zum Jahre 1959 gebildeter Kapitalstock

des ERP-Sondervermögens.

A b b i l d u n g 12

Vermögensbestand und Gegenwertaufkommen des ERP-SV

Vermögensbestand in Preisen von 1959 Gegenwertaufkommen zum 31. März 1959

3,40

3,45

3,50

3,55

3,60

3,65

3,70

Mrd

. E

uro

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 83 – Drucksache 16/7100

Darüber hinaus ist festzustellen, dass durch die Verzin-sung der KfW-Rücklage und der Beteiligung an der KfWein Vermögenszuwachs in Höhe von 100 Mio. Euro ver-bucht wurde. Diese Zinserträge erhöhten nicht die Liqui-dität und sind daher nicht für das Fördergeschäft desERP-SV einsetzbar. Ohne Berücksichtigung der Verzin-sung der KfW-Rücklage sowie der Beteiligungen an derKfW wäre das Vermögen des ERP-SV demnach im Haus-haltsjahr 2006 nur um rund 107 Mio. Euro gestiegen.Dies entspräche einem Vermögenszuwachs von rund0,84 %.

Die Bundesregierung hatte im Kabinettsbeschluss zumEntwurf des Bundeshaushalts 2005 am 18. Juni 2004 ihreAbsicht erklärt, die aus dem ERP-SV finanzierte Wirt-schaftsförderung neu zu ordnen. Sowohl im Koalitions-vertrag als auch im Rahmen des Beschlusses zum Bun-deshaushalt 2007 bekräftigte die Bundesregierung denBeschluss zur Neuordnung der Wirtschaftsförderung ausdem ERP-SV. Die dafür notwendigen Maßnahmen wur-den in dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung derWirtschaftsförderung aus dem ERP-SV zusammenge-fasst, dem die Bundesregierung am 31. Januar 2007 undder Deutsche Bundestag am 24. Mai 2007 zustimmten.

Der Bundesrechnungshof hat am Gesetzgebungsverfah-ren beratend mitgewirkt. Auf seine Anregung ist der Ge-setzentwurf an maßgeblichen Stellen verändert bzw. er-gänzt worden. Der wesentliche Regelungsinhalt des am29. Juni 2007 in Kraft getretenen Gesetzes umfasst:

● die Abführung von 2,0 Mrd. Euro liquider Mittel ausdem Bestand des ERP-SV an den Bundeshaushalt,

● den Ausgleich für den Liquiditätsabfluss durch

● die Übernahme von Risiken, für die das ERP-SVRückstellungen im Umfang von 1,0 Mrd. Euro ge-bildet hat, durch den Bund sowie

● die Übertragung von Rechten an Rücklagen, diedem Bund in der KfW in Höhe von 1,0 Mrd. Eurozustehen, auf das ERP-SV,

● die Übertragung von Forderungen und Verbindlichkei-ten mit einem Nominalwert von 14,0 Mrd. Euro vomERP-SV auf den Bund,

● die Einbringung des Restvermögens des ERP-SV inHöhe von 9,3 Mrd. Euro in Form von Eigenkapitalund als Nachrangdarlehen in die KfW.

Mit der Neuordnung wird auch das Fördersystem desERP-SV geändert. Die Erträge der verschiedenen Vermö-gensbestandteile dienen im Wesentlichen der Verbilli-gung der Darlehen, die die KfW bereitstellt. Eine eigeneKreditaufnahme am Markt ist dem ERP-SV zukünftignicht mehr erlaubt. Mit den Änderungen soll die Erfül-lung des Substanzerhaltungsgebots dauerhaft sicherge-stellt werden.

1.11.2 Erblastentilgungsfonds

Das Sondervermögen Erblastentilgungsfonds (ELF) istaufgrund des Gesetzes über die Errichtung eines Erb-lastentilgungsfonds zum 1. Januar 1995 errichtet worden.Im ELF sind zusammengefasst:

● die Verbindlichkeiten des Kreditabwicklungsfondsund der Treuhandanstalt aus Krediten, übernommenenAltkrediten und Ausgleichsforderungen,

● die Altverbindlichkeiten von Wohnungsbauunterneh-men und privaten Vermietern im Beitrittsgebiet nachden Vorschriften im Altschuldenhilfe-Gesetz und

● die Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen imBeitrittsgebiet.

Der Gesamtbetrag der bis Ende 2006 übernommenen Ver-bindlichkeiten ohne Berücksichtigung von Tilgungen be-trägt 181,4 Mrd. Euro.

Mit dem Schuldeneingliederungsgesetz vom 21. Juni 1999übernahm der Bund als Mitschuldner ab 1. Januar 1999 dietatsächlichen Verbindlichkeiten nach Tilgung und weistsie seitdem als Bundesschuld aus; der hierauf entfallendeSchuldendienst wird unmittelbar aus dem Bundeshaushaltgeleistet.

Nach § 6 Abs. 1 Erblastentilgungsfondsgesetz werden diejährlichen Einnahmen aus dem Bundesbankgewinn demFonds zugeführt, soweit sie 3,5 Mrd. Euro übersteigen.Da die Deutsche Bundesbank für das Jahr 2005 einen Jah-resüberschuss von 2,9 Mrd. Euro erwirtschaftete (vgl.Nr. 1.3.3), flossen dem ELF im Haushaltsjahr 2006 keineEinnahmen aus dem Bundesbankgewinn zu.

Die Einnahmen aus den Zahlungen der Länder gemäßAltschuldenregelungsgesetz in Höhe von 134 Mio. Eurowurden an den Bundeshaushalt abgeführt. Der Bundtilgte für den ELF Schulden in Höhe von 61 Mio. Euro.Das Vermögen des Fonds reduzierte sich geringfügig um0,6 Mio. Euro. Der Stand der tatsächlichen Verbindlich-keiten (Saldo aus Vermögen und Schulden) blieb damitzum Jahresende 2006 nahezu unverändert bei 15,9 Mrd.Euro.39

1.11.3 Bundeseisenbahnvermögen

Das Sondervermögen Bundeseisenbahnvermögen (BEV)ist aufgrund des Gesetzes zur Zusammenführung undNeugliederung der Bundeseisenbahnen als Rechtsnach-folger der ehemaligen Sondervermögen „Deutsche Bun-desbahn“ und „Deutsche Reichsbahn“ am 1. Januar 1994errichtet worden. Von den gesetzlich beschriebenen Auf-gaben des Sondervermögens wurden der unternehmeri-sche Bereich auf die Deutsche Bahn AG ausgegründetund die hoheitlichen Aufgaben auf das neu gegründeteEisenbahn-Bundesamt übertragen.

39 Vgl. Nr. 6.10.1.7 der Jahresrechnung.

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Drucksache 16/7100 – 84 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Heute liegen die Aufgaben des BEV insbesondere noch in

● der Verwaltung des der Deutschen Bahn AG zugewie-senen beamteten Personals,

● der Festsetzung und Auszahlung von Versorgungsbe-zügen an Pensionärinnen und Pensionäre,

● der Aufrechterhaltung und Weiterführung der betrieb-lichen Sozialeinrichtungen und

● der Verwaltung und Verwertung von Liegenschaften.

Die Bundesregierung ist durch das Gesetz zur Zusam-menführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnenermächtigt, das BEV frühestens ab dem Jahre 2004 auf-zulösen und die von ihm noch wahrgenommenen Aufga-ben auf das Eisenbahn-Bundesamt, das Bundesministe-rium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (nunmehr:Stadtentwicklung) oder die Bundesschuldenverwaltung(nunmehr: Bundeswertpapierverwaltung) zu übertragen.Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh-nungswesen hatte im Jahre 2003 dem Vorschlag einer in-terministeriellen Arbeitsgruppe zugestimmt, das Bundes-eisenbahnvermögen mindestens bis zum Jahre 2010fortzuführen. Jedoch solle in der 16. Legislaturperiodeauf der Basis fortgeschriebener Daten überprüft werden,ob und ggf. welche Aufgaben auf Dritte übertragen wer-den können und welche gesetzlichen Regelungen dazunotwendig seien. Aufgrund der abnehmenden Aufgabenund der Struktur des Personalbestandes hat die Leitungdes Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung im Frühjahr 2007 entschieden, zum 1. Januar2009 das Eisenbahn-Bundesamt und das BEV zusam-menzuführen.

In der Zeit seit der Errichtung des BEV hat sich die Zahldes der Deutschen Bahn AG zugewiesenen beamtetenPersonals mehr als halbiert (von 119 098 Beschäftigtenim Jahre 1994 auf 50 045 Beschäftigte im Jahre 2006).

Von den in der Anlage zum Gesetz zur Zusammenfüh-rung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen genann-ten weiterzuführenden betrieblichen Sozialeinrichtungenwurde das Vermögen des Bahn-Sozialwerks im Jahre1997 aus dem Sondervermögen herausgelöst und in eineStiftung privaten Rechts eingebracht. Ferner ist die Bun-desbahnversicherungsanstalt Abteilung B zum 1. Oktober2005 in der Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS) aufgegangen.

Das zum 31. Dezember 200640 ausgewiesene Vermögendes Sondervermögens in Höhe von 1,78 Mrd. Euro be-steht im Wesentlichen aus:

● Immobilien (587 Mio. Euro),

● Finanzanlagen (753 Mio. Euro),

● aktiver Rechnungsabgrenzung für die Januarbezüge(367 Mio. Euro).

Die nicht durch eigene Einnahmen gedeckten Ausgabendes Sondervermögens werden aus dem Bundeshaushaltgetragen. Im Jahre 2006 betrugen die Ausgaben des Son-dervermögens 7,63 Mrd. Euro, die Bundeszuschüsselagen bei 5,72 Mrd. Euro.41 Im Haushalt 2007 sind Bun-desleistungen an das Sondervermögen zur Fehlbetrags-deckung in Höhe von 5,76 Mrd. Euro42 veranschlagt (beiAusgaben von 7,56 Mrd. Euro).

1.11.4 Fonds Aufbauhilfe

Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Aufbauhilfe-fondsgesetzes ist der nationale Solidaritätsfonds Aufbau-hilfe mit Wirkung vom 31. Dezember 2006 aufgelöstworden. Dem als Sondervermögen des Bundes ausgestal-teten Fonds standen Ende 2006 noch rund 1,2 Mrd. Euro(von ursprünglich rund 6,5 Mrd. Euro) zur Schadensbe-seitigung zur Verfügung. Die Restmittel des Fonds sindunter Beibehaltung der bisherigen Zweckbestimmung denfür die jeweiligen Aufbauhilfefondstitel zuständigen Bun-desressorts bzw. Ländern zur eigenverantwortlichen Be-wirtschaftung übertragen worden. Der Großteil der Mittelentfällt auf den Freistaat Sachsen, der noch erheblichmehr Schäden gemeldet hat, als durch die zur Verfügungstehenden Mittel abgedeckt werden können. SämtlicheRestmittel können somit zweckgerecht eingesetzt wer-den.

Mit der Auflösung des Fonds hat das Bundesministeriumeinen Vorschlag des Bundesrechnungshofes aufgegriffen.Eine Beibehaltung des Sondervermögens und der dadurchmit der Geschäftsführung des Fonds verbundene Verwal-tungsaufwand – insbesondere für die aufwendige Proze-dur der jährlichen Rückholung und Wiedervergabe vonRestmitteln – waren angesichts der weitgehend erledigtenAufgaben des Fonds nicht mehr zu rechtfertigen. DieSchadensermittlung war im Wesentlichen abschließenderhoben, die Mittel verteilt bzw. gebunden. Zudem wareine Vielzahl von Programmen mit Ablauf 2006 bereitsabgeschlossen.

Zur endgültigen Abwicklung der Schadensregulierungsieht das Änderungsgesetz eine Frist für die Verwendungder noch vorhandenen Restmittel vor. Bis spätestens Ab-lauf 2010 sollen sie von den jeweiligen Bewirtschafternauf Bundes- und Landesebene zweckentsprechend einge-setzt werden. Sollten danach noch Restmittel vorhandensein, werden diese nach Abzug noch bestehender Forde-rungen Betroffener innerhalb einer Frist von sechs Mona-ten dem Freistaat Sachsen zur weiteren Verwendung zurVerfügung gestellt. Werden die Restmittel vom FreistaatSachsen nicht spätestens bis zum Ende 2013 verbraucht,sind sie entsprechend den Anteilen an den Einzahlungenin den Fonds an Bund und Länder zu erstatten.

40 In der Jahresrechnung 2006 (Nr. 6.10.1.2) sind lediglich die Angabendes Jahresabschlusses des Jahres 2005 angegeben, da zum Zeitpunktder Drucklegung der Jahresabschluss 2006 noch nicht vorlag.

41 Davon 0,36 Mrd. Euro Zuschuss für Rentenleistungen für die KBSRenten-Zusatzversicherung.

42 Davon 0,34 Mrd. Euro Zuschuss für Rentenleistungen für die KBSRenten-Zusatzversicherung.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 85 – Drucksache 16/7100

1.11.5 Ausgleichsfonds für überregionale Maßnahmen zur Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft

Der Ausgleichsfonds für überregionale Maßnahmen zurEingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf undGesellschaft nach § 78 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch(SGB IX) ist ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen desBundes mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung.Er wird vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialesverwaltet. Das Fondsvermögen war bis zum 31. Dezem-ber 2005 bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)angelegt. Mit Geschäftsbesorgungsvertrag übertrug dasBundesministerium zum 1. Januar 2006 die Anlage desFondsvermögens der Bank für Sozialwirtschaft (BfS).

Zum Ende 2006 wies die Schlussrechnung des Sonder-vermögens Differenzen auf. Das Bundesministerium fürArbeit und Soziales sah sich daher außerstande, die Rech-nungslegung für das Jahr 2006 fristgerecht dem Bundes-ministerium der Finanzen vorzulegen.

Das Prüfungsamt des Bundes Berlin unterstützte das Bun-desministerium für Arbeit und Soziales bei der Aufklä-rung der Unstimmigkeiten. Es stellte fest, dass eine Dif-ferenz in der vorläufigen Vermögensrechnung von498 387,91 Euro auf fehlerhafte oder unterlassene Bu-chungen zurückzuführen war. So hatte die BfS u. a. eineEinnahme in Höhe von 185 345,20 Euro als Ausgabe ge-bucht. Zudem hatte das Bundesministerium für Arbeitund Soziales bereits zum Wirtschaftsjahr 2005 festge-stellte und mitgeteilte Buchungsfehler nicht korrigiert.

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, dass die notwendi-gen Korrekturbuchungen nach Mitteilung des Bundes-ministeriums für Arbeit und Soziales mittlerweile weitge-hend erfolgt seien, sodass die Rechnungslegung in Kürzeabgeschlossen werden könne.

1.11.6 Übrige Sondervermögen

Zu den übrigen Sondervermögen Fonds „Deutsche Ein-heit“, Entschädigungsfonds und den Fonds nach § 5 Mau-ergrundstücksgesetz liegen dem Bundesrechnungshofkeine besonderen Prüfungserkenntnisse vor. Gleiches giltfür die weiteren Sondervermögen, die von Stellen außer-halb der Bundesverwaltung verwaltet werden. Dabei han-delt es sich um das Zweckvermögen bei der DeutschenPostbank AG, das Zweckvermögen bei der Landwirtschaft-lichen Rentenbank, das Treuhandvermögen für den Berg-arbeiterwohnungsbau, das Bergmannssiedlungsvermö-gen, den Revolving Fonds und Freistellungs-Fonds, dieVersorgungsrücklage des Bundes und das Treuhandver-mögen aufgrund des Westvermögen-Abwicklungsgeset-zes.

1.11.7 Bundesbetriebe

Das Bundesministerium hat der Haushaltsrechnung jeweilsunter Nr. 6.11 Übersichten über den Jahresabschluss beiden Bundesbetrieben beigefügt (§ 85 Nr. 3 BHO). Be-triebszweck und Betriebsergebnisse sind aus Tabelle 11ersichtlich.

43

Ta b e l l e 11

Bundesbetriebe

43 Das Bundesministerium führt zu den Verlusten aus, dass zum einen Maßnahmen zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit ergriffen worden seien undzum anderen die Standortküchen der Bundespolizei den besonderen Einsatzbedingungen Rechnung tragen müssten und nach verwaltungseigenenVorschriften bewirtschaftet würden.

Bundesbetriebe Zweck Gewinn/Verlust

Wasserwerke Oerbke Wasserversorgung für NATO-Truppenlager Fallingbostel und die Gemeinden Fallingbostel, Ostenholz, Oerbke, Bockhorn und Westenholz

31.12.2006:Gewinn91 014 Euro

Wirtschaftsbetriebe Meppen Bewirtschaftung der Sicherheitszonen auf dem Schieß- und Erprobungsplatz Meppen

31.12.2006:Gewinn125 176 Euro

Behördeneigene Kantinen(insgesamt 23)

Verpflegung der Bediensteten 31.12.2006:Verluste bei 18 Kantinen, Gewinne oder ausgeglichenes Ergebnis bei den übrigen Kantinen43

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Drucksache 16/7100 – 86 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1.12 Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens

1.12.1 Neuer Impuls für eine umfassende Reform des Haushalts- und Rechnungswesens

Das Haushalts- und Rechnungswesen des Bundes ist trotzder in den letzten Jahren eingeleiteten Maßnahmen zurWeiterentwicklung grundlegend reformbedürftig. So gibtz. B. die Vermögensrechnung keine umfassende und zu-treffende Auskunft über den Bestand und die Veränderun-gen des Vermögens und der Schulden. Zukünftige Ver-pflichtungen (z. B. Pensionslasten) werden nur teilweiseberücksichtigt. Der mit der Leistungserstellung verbun-dene Werteverzehr wird nicht vollständig und nicht perio-dengerecht ausgewiesen. Zudem sind die bereitgestelltenHaushaltsmittel bislang nur unzureichend mit den ange-strebten Ergebnissen des Verwaltungshandelns verknüpft.Das Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetz vom 22. De-zember 1997 konnte diese Mängel nicht grundlegend be-heben.

Der Bundesrechnungshof hat in den vergangenen Jahrenmehrmals auf die Schwachstellen des Haushalts- undRechnungswesens aufmerksam gemacht. Im Jahre 2006hat er seine Erkenntnisse in einem Bericht nach § 99 BHOzusammengefasst und mögliche Ansätze zur Modernisie-rung aufgezeigt.44 Dabei hat er insbesondere angeregt,

● die Outputorientierung des Verwaltungshandelns an-hand von Zielen und Produkten zu stärken,

● die Generationengerechtigkeit durch eine periodenge-rechte Zuordnung des Werteverzehrs besser zu be-rücksichtigen,

● die Vermögensrechnung aussagefähiger zu gestalten,

● die Fach- und Finanzverantwortung weiter zusammen-zuführen,

● die Kosten und Leistungen des Verwaltungshandelnstransparent nachzuweisen und

● einen möglichst einheitlichen Ansatz für Bund undLänder anzustreben.

Der Bundesrechnungshof kommt insgesamt zu demSchluss, dass weitergehende Ansätze zur Modernisierungbis hin zur Einführung der doppelten Buchführung ge-prüft werden sollten. Dabei müssen die Vor- und Nach-teile möglicher Modelle sowie Kosten und Nutzen derUmstellung gegenübergestellt und bewertet werden. Zu-dem ist sicher zu stellen, dass das Budgetrecht des Parla-ments einschließlich der parlamentarischen Kontrollegewahrt bleibt. Ein umfassender Reformprozess solltemöglichst zügig in Gang gesetzt werden.

Das Bundesministerium hat hierzu am 1. Oktober 2006eine Projektgruppe eingerichtet, die intensiv und grund-sätzlich mit der Frage der Modernisierung des staatlichenHaushalts- und Rechnungswesens befasst ist. Ziel ist, in ei-

nem Zeitraum von zwei Jahren verschiedene Reformoptio-nen zu prüfen, eine Konzeption auszuarbeiten und in derzweiten Jahreshälfte 2008 einen Gesetzentwurf für daskünftige Haushalts- und Rechnungswesen vorzulegen.

Der Bundesrechnungshof begleitet und unterstützt die Ar-beit der Projektgruppe. Er bringt seine Prüfungserkennt-nisse in Form von Anregungen, Hinweisen und Empfeh-lungen in den Reformprozess ein. Dazu analysiert er dieSchwachstellen des herkömmlichen Haushalts- undRechnungswesens und nutzt seine Erfahrungen aus derPrüfung kaufmännisch orientierter Institutionen des Bun-des. Nachfolgende Prüfungserkenntnisse hat der Bundes-rechnungshof dem Bundesministerium in der ersten Jah-reshälfte 2007 mitgeteilt.

1.12.2 Hinweise des Bundesrechnungshofes im laufenden Reformprozess

1.12.2.1 Steuerungsrelevanz der Ausgabetitel im Bundeshaushalt stärker beachten

Die Struktur der Ausgabetitel im Bundeshaushalt ist nichtausgewogen. Die finanzielle Bedeutung der im Haushalt2006 insgesamt ausgewiesenen 5 421 Ausgabetitel istsehr unterschiedlich. Wenigen Titeln mit sehr hohen An-sätzen steht eine Vielzahl von Titeln mit geringen Ansät-zen gegenüber:

● So decken die zehn Titel mit den höchsten Sollansät-zen mit rund 140,1 Mrd. Euro einen Anteil von 54 %der Gesamtausgaben des Bundes ab.

● Die 20 Titel mit den höchsten Sollansätzen umfassenmit rund 171,7 Mrd. Euro 66 % der Gesamtausgabendes Bundes.

● Die 4 000 kleinsten Titel45 (74 % aller Ausgabetitel)umfassen hingegen mit rund 9,5 Mrd. Euro nur 3,65 %der Gesamtausgaben des Bundes. Von ihnen entfälltetwa die Hälfte (1 960 Titel) auf die Obergruppen 51bis 54 (Sächliche Verwaltungsausgaben).

Insbesondere Titeln mit hohen Mittelansätzen liegen inder Regel gesetzliche oder vertragliche Festlegungen zu-grunde; sie sind daher im Haushaltsaufstellungsverfahrennicht oder nur in geringem Umfang beeinflussbar. Dabeihandelt es sich hauptsächlich um die AusgabenbereicheSoziales, Zinsen und Personal. Sie allein decken rund70 % der Gesamtausgaben des Bundes ab.

Trotz des hohen Planungsaufwands im Haushaltsaufstel-lungsverfahren sind im Nachhinein zum Teil erheblicheAbweichungen zwischen Planwerten und Ist-Daten fest-zustellen. Die absoluten Abweichungen der Ist-Ausgabenvon den Soll-Ausgaben aller Einzeltitel addierten sich imHaushaltsjahr 2006 auf einen Betrag von rund 17,9 Mrd.Euro; dies entsprach 6,8 % des gesamten Haushaltsvolu-mens.

44 Bericht nach § 99 BHO über die Modernisierung des staatlichenHaushalts- und Rechnungswesens vom 17. August 2006, Bundes-tagsdrucksache Nr. 16/2400.

45 Ohne Leertitel sowie Ausgabetitel mit einem negativen Sollansatz.Der Haushaltsplan 2006 weist neun Titel (überwiegend globale Min-derausgaben) mit negativem Sollansatz sowie 953 Ausgabetitel miteinem Sollansatz von 0 Euro aus.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 87 – Drucksache 16/7100

Die Festlegung von Ausgabetiteln im Haushaltsaufstel-lungsverfahren dient der Umsetzung politischer Ziele undist somit ein zentrales Element der politischen Steuerungdurch den Haushaltsgesetzgeber („Regierungsprogrammin Zahlen“). Aufbau und Struktur des Haushaltsplanssollten diese Funktion des Haushalts unterstützen und dieunterschiedliche Steuerungsrelevanz und finanzielleBedeutung von Ausgabetiteln berücksichtigen. Der Bun-desrechnungshof geht daher davon aus, dass in einemmodernisierten Haushaltsverfahren die tatsächlich ent-scheidungsrelevanten und bedeutsamen Haushaltspositio-nen stärker als bisher deutlich werden. Zudem erwartet er,dass sich der Planungsaufwand stärker an der Bedeutungund Steuerungsrelevanz der Ausgaben ausrichtet.

Das Bundesministerium will die Hinweise des Bundes-rechnungshofes abhängig vom künftigen Grundkonzept desHaushalts- und Rechnungswesens berücksichtigen.

1.12.2.2 Kosten- und Leistungsrechnung in der Bundesverwaltung stärker nutzen

Nach § 7 Abs. 3 BHO ist in geeigneten Bereichen derBundesverwaltung eine Kosten- und Leistungsrechnungeinzuführen. Diese Vorschrift wurde durch das Haushalts-rechts-Fortentwicklungsgesetz vom 22. Dezember 1997eingeführt. Zehn Jahre danach hat der Bundesrechnungs-hof seine wesentlichen Prüfungserkenntnisse zum Ein-satz, zum Nutzen und zu den Wirkungen der Kosten- undLeistungsrechnung in der Bundesverwaltung zusammen-gefasst und bewertet.

Die Kosten- und Leistungsrechnung ist in der Bundesver-waltung bislang noch nicht hinreichend verbreitet. VieleBehörden haben sie noch nicht eingeführt oder befindensich erst in einer frühen Einführungsphase. Mehrere Be-hörden vertreten die Auffassung, ihre Haushalts- undWirtschaftsführung eigne sich nicht für den Einsatz einerKosten- und Leistungsrechnung, ohne dies bisher hinrei-chend zu belegen.

Durch die insgesamt schleppende Einführung der Kosten-und Leistungsrechnung stehen derzeit noch keine flä-chendeckenden, belastbaren Informationen bereit, diez. B. für eine aussagefähige Vermögensrechnung, einenKostenvergleich zwischen Behörden („Benchmarking“),die zwischenbehördliche Leistungsverrechnung oder alsZusatzinformation für die Kalkulation von Haushaltsan-sätzen erforderlich sind. Zudem steht für einen wesentli-chen Anteil der im Bundeshaushalt veranschlagten Ge-bühren noch keine Kosten- und Leistungsrechnung alsPlanungs- und Berechnungsgrundlage zur Verfügung.

Auch Behörden, die eine Kosten- und Leistungsrechnungeingeführt haben, erreichten viele Ziele bisher nur unvoll-ständig. Der stark dezentrale Ansatz und die großen Ge-staltungsspielräume des Handbuches zur Kosten- undLeistungsrechnung des Bundes (KLR-Handbuch)46 be-günstigen unterschiedliche Vorgehens- und Verfahrens-weisen in den Behörden. Dies schränkt vor allem den

behördenübergreifenden Nutzen der Kosten- und Leis-tungsrechnung ein. Weiterhin erschweren erhebliche Ak-zeptanzprobleme auf allen Ebenen die Einführung undNutzung von Kosten- und Leistungsrechnungen. Es fehltdie Bereitschaft der Führungsebenen, Informationen da-raus zur Entscheidungsfindung heranzuziehen.

Aufgrund dieser Erkenntnisse sieht der Bundesrechnungs-hof den Bedarf einer grundlegenden Neuorientierung. DasBundesministerium wird bei seinen Überlegungen zur Mo-dernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens denkünftigen Stellenwert der Kosten- und Leistungsrechnungfestlegen müssen.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Kosten-und Leistungsrechnung systematisch in ein modernisier-tes Haushalts- und Rechnungswesen einzubinden, umein stärker ergebnisbezogenes Haushaltsverfahren zu er-reichen. Dabei wird über Verbindlichkeit, Flächende-ckung sowie ggf. unterschiedliche Ausbaustufen neu zubefinden sein. Zudem sollte das Bundesministerium ins-besondere die Regelungen des KLR-Handbuchs ver-bindlicher ausgestalten sowie die Nutzung der Kosten-und Leistungsrechnung mit Anreizen und Sanktionenverknüpfen.

Insgesamt hält der Bundesrechnungshof mittelfristig einGesamtcontrollingkonzept für die Bundesverwaltung fürerforderlich, in das sowohl die Kosten- und Leistungs-rechnung als auch andere Führungs- und Steuerungs-instrumente systematisch integriert werden.

Das Bundesministerium will die Anregungen des Bun-desrechnungshofes aufgreifen und die gesetzlichen Vo-raussetzungen für eine flächendeckende Einführung derKosten- und Leistungsrechnung prüfen.

1.12.2.3 Einheitliche Vorgaben für die Vermögens-erfassung schaffen

Die Buchführungs- und Rechnungslegungsbestimmungenfür das Vermögen und die Schulden des Bundes(VBRO)47 haben den Zweck, den Bestand sowie Verän-derungen des Vermögens und der Schulden des Bundesim Zeitablauf nachzuweisen. Hierzu sind von der Bun-desverwaltung entsprechende Vermögensnachweise zuführen. Dienststellen, die eine Kosten- und Leistungs-rechnung eingeführt haben, unterhalten daneben überwie-gend eine Anlagenbuchhaltung, die wesentlicher Be-standteil der Kosten- und Leistungsrechnung ist. DieAnlagenbuchhaltung soll sämtliche Bestandsinformatio-nen über die inventarisierten Anlagengegenstände einerBehörde enthalten und dient u. a. als Grundlage für dieBerechnung der jährlichen Abschreibungen und der kal-kulatorischen Zinsen und Mieten.

Nach Feststellungen des Bundesrechnungshofes wandtendie Behörden bei der Anlagenbuchhaltung uneinheitlicheMethoden zur Ersterfassung der Anlagegüter, unter-

46 Veröffentlicht in der Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwal-tung, H 90 01, KLR-Handbuch des Bundes, Ausgabe Oktober 2006.

47 Entwurf der Buchführungs- und Rechnungslegungsordnung für dasVermögen des Bundes, Ministerialblatt des Bundesministers derFinanzen 1953, S. 166.

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schiedliche Bewertungsverfahren und abweichende Re-gelungen zur Inventur an. Nach eigenen Angaben nutztenweniger als die Hälfte der vom Bundesrechnungshofbefragten Behörden ihre Anlagenbuchhaltung auch fürZwecke des Vermögensnachweises.

Das KLR-Handbuch enthält derzeit keine ausreichendenVorgaben, um eine einheitliche Anlagenbuchhaltung bun-desweit sicherzustellen. Nach Auffassung des Bundes-rechnungshofes sollten die Vorschriften zum Vermögens-nachweis nach VBRO und zur Anlagenbuchhaltung fürdie Kosten- und Leistungsrechnung stärker aufeinanderabgestimmt werden. Zwei Verfahren mit ähnlichen Ziel-setzungen parallel zu führen ist unwirtschaftlich.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, ein Fachkonzept für eine einheitliche, für alle

Bundesbehörden verbindliche Vermögensbuchführung zuerarbeiten. Diese sollte sowohl dem Nachweis über dasVermögen dienen, als auch die Funktion einer Anlagen-buchhaltung für die Kosten- und Leistungsrechnung über-nehmen. Klare und praxisnahe Vorgaben für Vermögens-erfassung, -bewertung und Inventur würden sicherstellen,dass die Daten vollständig und vergleichbar sind. DasKonzept sollte auch für die Behörden verbindlich sein,die derzeit keine Kosten- und Leistungsrechnung einset-zen.

Das Bundesministerium teilt die Auffassung des Bundes-rechnungshofes weitgehend. Es will die Empfehlungenaufnehmen, die konkrete Gestaltung der Vermögensbuch-führung jedoch vom künftigen Grundkonzept des Haus-halts- und Rechnungswesens abhängig machen.

2 Finanzwirtschaftliche Entwicklung des Bundes – Chance zur nachhaltigen Haushaltskonsolidierung

2.0 Trotz der sichtbaren Erholung am Arbeitsmarkt bean-

Die günstige gesamtwirtschaftliche Entwicklung wirktsich auch positiv auf die Bundesfinanzen aus. Vor allemaufgrund der hohen Steuerzuwächse sind das Finanzie-rungsdefizit und die Nettokreditaufnahme im Bundes-haushalt 2007 und im Finanzplan bis 2011 rückläufig.Die mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 und anderengesetzlichen Maßnahmen auf den Weg gebrachten Konso-lidierungsmaßnahmen schlagen ebenfalls entlastend zuBuche. Allerdings weist der Bundeshaushalt eine nachwie vor ungünstige Ausgabenstruktur auf. Mehr als dreiViertel der Steuereinnahmen sind durch Sozial- und Zins-ausgaben gebunden. Außerdem belasten neue ausgaben-wirksame Maßnahmen – wie vor allem die steigendenBundesleistungen an die gesetzliche Krankenversicherung,die Mitfinanzierung des Ausbaus von Kinderbetreuungs-einrichtungen und das Elterngeld – den Bundeshaushaltzusätzlich.

Die Sozialausgaben bilden den mit Abstand größten Aus-gabenbereich. Dies ist u. a. auf die zunehmende Steuer-finanzierung der sozialen Sicherungssysteme zurückzu-führen, mit der die Sozialversicherung finanziell entlastetund damit auch die Lohnnebenkosten gesenkt werden sol-len.

Die Gesamtaufwendungen des Bundes für die verschiede-nen Alterssicherungssysteme bleiben auf hohem Niveau.Hierzu gehören vor allem die Leistungen des Bundes andie Rentenversicherung. Die Pensionszahlungen des Bun-des für die ehemaligen Postbediensteten werden gegen-über den Vorjahren wieder erheblich ansteigen; ab demJahre 2008 muss er diese Leistungen in vollem Umfangerbringen.

spruchen auch die Arbeitsmarktausgaben immer nocheinen erheblichen Anteil der Ausgaben im Bundeshaus-halt. Dies ist eine Folge der nach wie vor hohen Langzeit-arbeitslosigkeit, deren finanzielle Auswirkungen vor allemder Bund zu tragen hat. Der bisherige Aussteuerungsbe-trag wird zum Ende 2007 abgeschafft. Stattdessen soll dieBundesagentur für Arbeit einen neuen Eingliederungsbeitragan den Bund leisten. Die Zusammenführung von Arbeits-losenhilfe und Sozialhilfe zur Grundsicherung für Arbeit-suchende hat bislang für den Bund zu keinen finanzwirt-schaftlichen Entlastungen geführt.

Die Zinsausgaben des Bundes steigen. Aufgrund der im-mer noch wachsenden Gesamtverschuldung und des ten-denziell höheren Zinsniveaus ist mit deutlichen Mehrbe-lastungen zu rechnen. Der Bund zahlt damit den Preis fürdie hohen Schuldenaufnahmen der vergangenen Jahre.

Bei den Steuereinnahmen, die jahrelang stagnierten odersogar rückläufig waren, ist seit dem Jahre 2006 ein deut-licher Zuwachs zu verzeichnen. Wenn sich die Schätzun-gen für das Jahr 2008 bestätigen, wird das Steueraufkom-men des Bundes um etwa 50 Mrd. Euro bzw. um rund einViertel höher sein als im Jahre 2005. Dies wäre – abgese-hen vom einigungsbedingten Steuerzuwachs zu Beginnder 90er-Jahre – der bisher höchste prozentuale Anstiegim Bundeshaushalt. Die Steuereinnahmen des Bundessind allerdings nach wie vor durch die finanziellen Zuge-ständnisse an die Länder insbesondere im Rahmen desFamilienleistungsausgleichs, der Regionalisierung desöffentlichen Personennahverkehrs und der Bundesergän-zungszuweisungen belastet.

Im vertikalen Finanzausgleich leistet der Bund hohe Zu-weisungen vor allem als Aufbauhilfen an die neuen Län-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 89 – Drucksache 16/7100

der und das Land Berlin. Die Empfängerländer verwen-den die Mittel stärker als in den Vorjahren entsprechendder gesetzlichen Zielsetzung, insbesondere für die Förde-rung investiver Zwecke. Der Grad der Einhaltung desVerwendungszwecks weicht allerdings von Land zu Landimmer noch stark voneinander ab.

Die Privatisierungserlöse werden im Finanzplanungs-zeitraum bis 2011 weiterhin in erheblichem Umfang zurHaushaltsfinanzierung eingesetzt. Dadurch wird derstrukturelle Konsolidierungsbedarf im Bundeshaushaltteilweise verdeckt. Finanzwirtschaftlich richtig wäre es,künftig alle Einnahmen aus Vermögensverwertungen aus-schließlich für die Tilgung bestehender Schulden einzu-setzen. Auch aus Gründen der Generationengerechtigkeitsollte der Vermögensabbau mit dem Schuldenabbau kor-respondieren.

Die Nettokreditaufnahme hat in den Jahren 2002 bis2006 fünfmal hintereinander die Summe der Investitions-ausgaben und damit die Regelkreditgrenze des Arti-kels 115 Abs. 1 Grundgesetz überschritten. Nach denEckdaten des Haushalts 2007, des Haushaltsentwurfs2008 sowie des Finanzplans soll sie im Zeitraum 2007 bis2011 unterhalb dieser Regelgrenze schrittweise zurückge-führt werden. Für das letzte Finanzplanungsjahr 2011 istein Haushalt ohne Nettokreditaufnahme vorgesehen.Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes sollte – auchangesichts der im Finanzplanungszeitraum zugrunde ge-legten positiven Wirtschaftsentwicklung – eine stärkereAbsenkung der Nettoneuverschuldung angestrebt werden.Eine Fortsetzung des Konsolidierungskurses erscheintauch deshalb notwendig, weil der Bundeshaushalt weiter-hin strukturelle Deckungslücken und Finanzrisiken inMilliardenhöhe aufweist.

Angesichts der insgesamt verbesserten Haushaltslagesollte die Einführung einer wirksamen verfassungsrecht-lichen Kreditbegrenzungsregel zügig vorangetriebenwerden. Damit würde ein wesentliches Ziel der Födera-lismusreform II verwirklicht werden. Die neue Schulden-regel sollte nach Auffassung des Bundesrechnungshofesso ausgestaltet werden, dass zumindest in konjunkturellenNormalzeiten ein Haushaltsausgleich ohne Neuverschul-dung erreicht wird und Chancen für einen Schuldenabbaueröffnet werden.

Zu einer stringenten normativen Schuldenbegrenzunggibt es vor allem angesichts der bestehenden hohenGesamtverschuldung des Bundes keine Alternative. Trotzdes Rückgangs der Nettokreditaufnahme im Finanzpla-nungszeitraum nähert sich der Schuldenstand des Bundesder Billionengrenze. Dieser Schuldenstock ist eine erheb-liche Hypothek für künftige Haushalte. Der Bund befindetsich damit auch weiterhin in einer schwierigeren Haus-halts- und Verschuldungslage als der Durchschnitt derLänder und Gemeinden.

Auf der Grundlage des vorgelegten Stabilitätsprogrammshat der Rat der EU-Wirtschafts- und FinanzministerDeutschland aus dem seit Ende 2002 laufenden Defizit-verfahren entlassen. Der Bund hat allerdings das im Stabi-litätsprogramm angelegte Ziel eines in konjunkturellenNormallagen ausgeglichenen oder Überschüsse aufwei-senden Haushalts noch nicht erreicht. Die dauerhafte Erfül-lung der finanzwirtschaftlichen Verpflichtungen Deutsch-lands aus dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktist ein wichtiger Aspekt der Föderalismusreform II. Esist zu hoffen, dass Bund und Länder sich in diesem Rah-men auf die notwendigen institutionellen Vorkehrungenverständigen, um die Tragfähigkeit ihrer Haushalte dau-erhaft zu verbessern.

2.1 Entwicklung der Haushaltseckwerte

Als Folge der günstigen gesamtwirtschaftlichen Entwick-lung sowie der durchgeführten Konsolidierungsmaßnah-men ist die Finanzlage des Bundes im Haushaltsjahr 2007sowie im Finanzplanungszeitraum bis 2011 durch deut-lich steigende Steuereinnahmen gekennzeichnet. Im Ver-gleich dazu fällt das geplante Ausgabenwachstum überden Gesamtzeitraum (2007 bis 2011) geringer aus. Finan-zierungsdefizit und Nettokreditaufnahme sinken.

Der Haushaltsplan für das laufende Haushaltsjahr 2007sieht einen Anstieg des Haushaltsvolumens auf270,5 Mrd. Euro vor (vgl. Abbildung 1). Die Gesamtaus-gaben liegen damit im Soll um 9,5 Mrd. Euro oder 3,6 %höher als das Haushaltsergebnis 2006 (261,0 Mrd. Euro).Darin enthalten sind allerdings 6,5 Mrd. Euro für die Be-teiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförde-rung, die durch einen zusätzlichen Umsatzsteuerpunktfinanziert werden.

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Drucksache 16/7100 – 90 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A b b i l d u n g 1

Entwicklung der Einnahmen1 und Ausgaben

1 Einnahmen ohne Nettokreditaufnahme und Münzeinnahmen.Hinweis:Datenbasis für diese sowie die nachfolgenden Abbildungen und Tabellen: Ist-Ergebnisse bis einschließlich Haushaltsjahr 2006, Sollzahlen gemäßHaushaltsplan 2007, Haushaltsentwurf 2008 und Finanzplan bis 2011. Zahlen sind zum Teil gerundet.

0,0

50,0

100,0

150,0

200,0

250,0

300,0

Mrd

. E

uro

FinanzplanEinnahmen Ausgaben

1989 1990 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011Jahr

137,

9

169,

8

211,

7

192,

8

193,

5 204,

7 220,

6

220,

5

220,

2

216,

6

217,

5

211,

8 228,

4

232,

8 250,

7 270,

1

274,

8

282,

4

289,

5

148,

2

194,

4

237,

6

232,

9

225,

9

233,

6 249,

9

244,

4

243,

1

249,

3

256,

7

251,

6

259,

8

261,

0

270,

5 283,

2

285,

5

289,

7

288,

5

Die Einnahmen (ohne Nettokreditaufnahme und Münz- der Bund sogar mit Steuermehreinnahmen von rund

einnahmen) sind im Bundeshaushalt 2007 mit 250,7 Mrd.Euro veranschlagt. Gegenüber den Ist-Einnahmen imJahre 2006 (232,8 Mrd. Euro) steigen sie um 17,9 Mrd.Euro (7,7 %). Dieser Einnahmenanstieg ist wesentlich aufdas wachsende Steueraufkommen zurückzuführen. Nachdem Ergebnis der Steuerschätzung vom Mai 2007 kann

10 Mrd. Euro im laufenden Haushalt 2007 rechnen (vgl.Nr. 2.3.1). Die sonstigen Einnahmen sind um 1,3 Mrd.Euro höher veranschlagt als die Ist-Einnahmen desHaushaltsjahres 2006. Dies beruht u. a. auf höheren Ein-nahmenerwartungen aus der streckenbezogenen LKW-Maut.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91 – Drucksache 16/7100

A b b i l d u n g 2

Entwicklung des Finanzierungssaldos

– 10,3

– 24,6

– 27,2

– 20,1

– 34,2

– 40,1

– 32,4

– 28,9

– 29,3

– 23,9

– 32,7

– 39,2– 39,8

– 31,4

– 28,2

– 13,1

– 10,7

– 6,1

– 0,2

– 19,8

– 22,9

– 25,8

– 25,9

– 45,0

– 40,0

– 35,0

– 30,0

– 25,0

– 20,0

– 15,0

– 10,0

– 5,0

0,0

Mrd

. Eur

o

1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

JahrFinanzplan

Das – durch Nettokreditaufnahme und Münzeinnahmen ● der Anstieg des mehrwertsteuerfinanzierten Zuschus-

gedeckte – Finanzierungsdefizit sinkt mit geplanten19,8 Mrd. Euro auf den niedrigsten Wert seit dem Jahre1989 (vgl. Abbildung 2). Die mit 19,6 Mrd. Euro veran-schlagte Nettokreditaufnahme 2007 geht, verglichenmit dem Haushaltsergebnis 2006 (27,9 Mrd. Euro), umrund 30 % (8,3 Mrd. Euro) zurück. Erstmals seit demHaushaltsjahr 2001 wird die Regelkreditgrenze des Arti-kels 115 Grundgesetz unterschritten. Der Bundeshaushalt2007 trägt damit dazu bei, dass – wie bereits im Vorjahr –das gesamtstaatliche Defizit deutlich unterhalb des Refe-renzwerts des Maastricht-Vertrags bleiben wird.

In dem vom Bundeskabinett am 4. Juli 2007 beschlossenenEntwurf des Bundeshaushalts 2008 sind Gesamtausgabenvon 283,2 Mrd. Euro vorgesehen (vgl. Abbildung 1). Dassind 4,7 % mehr gegenüber dem Haushaltssoll 2007. Die-sen überproportionalen Ausgabenanstieg hat das Bundesmi-nisterium der Finanzen (Bundesministerium) mit den nach-folgenden Sonder- bzw. Einmaleffekten begründet, ohne diesich die Ausgaben lediglich um 1,9 % erhöhen würden:

● Die gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen des Bundesan die Postbeamtenversorgungskasse, die ab demJahre 2008 in vollem Umfang vom Bund zu leistensind (6,1 Mrd. Euro),

● die Leistungen, die durch eine Überschneidung vonbisherigem Erziehungsgeld und neuem Elterngeld ent-stehen (1,0 Mrd. Euro) sowie

ses an die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur)(1,1 Mrd. Euro).

Diese Mehrausgaben werden allerdings überwiegendnicht nur den Haushalt 2008, sondern auch die nachfol-genden Haushalte belasten. Daneben ist bei den Zinsaus-gaben ein erheblicher Ausgabenanstieg (2,8 Mrd. Euro)gegenüber dem Soll 2007 zu verzeichnen. Der Zuschussan die gesetzliche Krankenversicherung für die pauschaleAbgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für ge-samtgesellschaftliche Aufgaben (2,5 Mrd. Euro) wirdzwar gegenüber dem Vorjahr nicht erhöht, stellt aber eineZusatzbelastung gegenüber dem bisherigen Finanzplanbis 2010 dar, der hierfür keine finanzielle Vorsorge ge-troffen hatte. Die Einnahmen im Haushaltsentwurf 2008– ohne Nettokreditaufnahme und Münzeinnahmen – lie-gen bei 270,1 Mrd. Euro. Das Finanzierungsdefizit be-trägt demgemäß 13,1 Mrd. Euro (vgl. Abbildung 2).In den Haushalten 2009 bis 2011 sollen die Ausgabennach dem Finanzplan deutlich langsamer steigen. Nebenden sogenannten Sonder- und Einmaleffekten verursachtvor allem der Zuschuss an die gesetzliche Krankenversi-cherung zusätzliche Belastungen, da er sich um jeweils1,5 Mrd. Euro pro Jahr bis zu einem Volumen von14 Mrd. Euro (ab 2016) erhöht. Zudem sind mit den er-höhten Einnahmenprognosen auch die politischen Ausga-bewünsche gestiegen. So sollen als Ergebnis der Ver-handlungen zum Haushaltsentwurf 2008 und zum

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Drucksache 16/7100 – 92 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Finanzplan bis 2011 insbesondere die Politikfelder Innereund Äußere Sicherheit, Forschung und Bildung sowieEntwicklungshilfe durch einen Ausgabenaufwuchs voninsgesamt rund 2 Mrd. Euro jährlich gezielt verstärktwerden. Finanzierungsdefizit und Nettokreditaufnahmesollen nach der Planung schrittweise zurückgeführt wer-den. Der für das letzte Finanzplanungsjahr 2011 vorgese-hene Haushaltsausgleich ohne Neuverschuldung wirdallerdings nur durch den Einsatz von Privatisierungsein-nahmen erreicht (vgl. Nr. 2.3.4).Nach Auffassung des Bundesministeriums zeigt dieseEntwicklung, dass die Strategie der Bundesregierung auf-gehe, den Haushalt zu konsolidieren und gleichzeitig dasWirtschaftswachstum zu fördern. Es sei damit gelungen,die zu Beginn der Legislaturperiode noch bestehende fra-gile wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. Hiervon ausge-hend sei es nun möglich, neue Maßstäbe bei der Rückfüh-rung der Neuverschuldung des Bundes zu setzen. DerBund habe wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einemlangfristig tragfähigen Haushalt erreicht. Auch der Bundesrechnungshof sieht insoweit wichtigeKonsolidierungserfolge vor allem auf der Einnahmen-seite. Allerdings bedarf es noch weiterer erheblicher An-strengungen, um einen ausgeglichenen Haushalt und da-ran anschließend eine Rückführung der Verschuldung desBundes zu erreichen (vgl. Nr. 2.4.1).

2.2 Ausgabenentwicklung und -struktur

2.2.1 Entwicklung wesentlicher Finanzkennzahlen

Die Struktur der Ausgaben wird nach wie vor wesent-lich durch die Ausgaben für Soziales und für Zinsen be-stimmt. Die Sozialausgaben verteilen sich im Wesentlichen auf ● die Leistungen des Bundes an die Rentenversicherung

(vgl. Nr. 2.2.2.2),● die Ausgaben des Bundes für den Arbeitsmarkt (vgl.

Nr. 2.2.3.2),● die Zuschüsse des Bundes an die gesetzliche Kranken-

versicherung (vgl. Nr. 2.2.4.1) sowie ● weitere Sozialtransfers im Bereich der Familienförde-

rung (vgl. Nr. 2.2.4.2) und der landwirtschaftlichenSozialpolitik.

Sie belaufen sich insgesamt auf 138,0 Mrd. Euro (2007)bzw. 140,6 Mrd. Euro (2008). Das ist nochmals eine Stei-gerung gegenüber dem Jahre 2006 (134,5 Mrd. Euro).Der seit Anfang der 90er-Jahre zu beobachtende fortwäh-rende Anstieg ist nicht zuletzt die Folge einer zunehmen-den Haushaltsfinanzierung der sozialen Sicherungssys-teme. Die Sozialquote, der Anteil der Sozialausgaben anden Gesamtausgaben, ist gegenüber dem Höchststand desJahres 2006 leicht rückläufig, bleibt aber in den Jahren2007 und 2008 auf hohem Niveau (vgl. Tabelle 1). Ob-wohl sich als Folge des konjunkturellen Aufschwungs diefinanzielle Situation der Sozialversicherungen verbessert,wirkt sich dies nur bedingt auf die aus dem Bundeshaus-halt zu leistenden Zuschüsse aus. Die Sozialsteuerquote,das Verhältnis der Sozialausgaben zu den Steuereinnah-

men, geht aufgrund des hohen Steueraufwuchses stärkerzurück. Nach dem Haushaltsentwurf 2008 wird sie umrund 11 Prozentpunkte unter dem bisherigen Höchststandim Jahre 2005 liegen (vgl. Tabelle 1).Neben den Sozialausgaben sind die Zinsausgaben derzweitgrößte Ausgabenblock. Nachdem sie jahrelang sta-bil oder sogar rückläufig waren, führt der Anstieg desZinsniveaus zu deutlichen Mehrausgaben in den Haushal-ten 2007 und 2008 (vgl. Tabelle 1). Die Zinsquote, d. h.der Anteil der Zinsen an den Gesamtausgaben, bewegtsich demgegenüber noch unter dem Höchstniveau vonfast 18 % (1997), da der Anstieg der Zinsausgaben imVergleich zum Haushaltsvolumen geringer ausfällt. Aller-dings ist in den nächsten Haushaltsjahren mit einer stei-genden Zinsquote zu rechnen. Die Zins- und Sozialausgaben machen zusammengenom-men in den Haushaltsjahren 2007 und 2008 mit 65,5 %und 64,5 % nach wie vor fast zwei Drittel des Haushalts-volumens aus, d. h. nur ein Drittel des Haushalts steht fürdie Finanzierung anderer Aufgabenfelder zur Verfügung.Noch ungünstiger ist das Verhältnis, wenn die Zins- undSozialausgaben den Steuereinnahmen des Bundes gegen-über gestellt werden. Nachdem die Zins-/Sozialsteuer-quote im Bundeshaushalt 2005 fast 90 % erreicht hatte,liegt der auf diese Ausgabenblöcke entfallende Steueran-teil immer noch bei 80 % (2007) bzw. 77 % (2008) (vgl. Ta-belle 1). Für die Finanzierung der übrigen Aufgaben wirdim Bundeshaushalt 2008 – rechnerisch gesehen – wenigerals ein Viertel der Steuereinnahmen verwendet. Trotz deserheblichen Steueraufwuchses besteht also weiterhin we-nig Handlungsspielraum für die finanzielle Unterstützungwichtiger zukunftsrelevanter Felder. Eine Fortsetzung desKonsolidierungskurses würde die finanziellen Möglichkei-ten für eine gestaltende Haushaltspolitik weiter verbessern. Die anderen Ausgabenarten im Bundeshaushalt sind dem-gegenüber in den letzten Jahren nicht angestiegen odersogar rückläufig (vgl. Tabelle 1):● Bei den Personalausgaben (einschließlich Versor-

gungsausgaben) setzt sich die Entwicklung der letztenJahre fort. Bei einem Ausgabevolumen von 26 bis27 Mrd. Euro ist ihr Anteil am Haushaltsvolumenrückläufig. Die Personalausgabenquote erreicht nachdem Haushaltsentwurf 2008 mit 9,4 % einen histori-schen Tiefstand. Dies dürfte nicht zuletzt auch auf dieseit dem Jahre 1993 vorgenommenen pauschalen Stel-leneinsparungen und die Konsolidierungsmaßnahmenbei den Personalausgaben zurückzuführen sein.1

● Die Investitionsausgaben sind mit 24,0 Mrd. Euro(2007) bzw. 24,3 Mrd. Euro (2008) veranschlagt. Sieliegen damit etwas über den Werten der letzten dreiJahre, aber erheblich unter dem Ausgabenniveau der90er-Jahre (vgl. Tabelle 1). Die Investitionsausgaben-quote ist wegen des Anstiegs der Gesamtausgabenweiter rückläufig. Bei der Investitionssteuerquotezeigt sich ein ähnlicher Rückgang.

1 Für das Jahr 2008 soll die Stelleneinsparung – nach 1,2 % in 2007 –auf 0,75 % verringert werden, um die Handlungsfähigkeit der Ver-waltung sowie personalwirtschaftliche Möglichkeiten zur Nach-wuchsgewinnung zu erhalten.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93 – Drucksache 16/7100

Ta b e l l e 1

Wesentliche Ausgabenarten und Finanzkennzahlen

1 Bis 1995 einschließlich Kindergeld (1995: 10,5 Mrd. Euro); in vergleichsweise geringem Umfang enthalten die Sozialausgaben auch Investitions-anteile (bis zu jährlich 1,5 %).

2 Finanziert durch Aufkommen aus einem Umsatzsteuerpunkt.3 Investitionsausgaben 2005: Ohne Betriebsmitteldarlehen an die Rentenversicherung (0,9 Mrd. Euro).4 Hierzu gehören insbesondere die sächlichen Verwaltungsausgaben sowie die Ausgaben für militärische Beschaffungen, für die nicht investive

Wirtschafts- und Forschungsförderung sowie für Sondervermögen ohne Zinserstattungen.

Jahr 1989 1992 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Ausgaben Mrd. Euro Soll Entw

Sozialausgaben1 49,9 75,6 87,3 90,2 84,9 84,6 91,9 100,3 100,8 102,0 111,9 118,3 120,6 133,0 134,5 138,0 140,6

darunter:

– Rente, Knappschaft 21,3 30,6 37,6 39,2 41,2 44,2 51,3 60,5 65,0 69,1 72,9 77,2 77,3 77,4 77,0 78,3 78,6

– Arbeitsmarkt 5,7 14,0 19,4 20,0 24,1 21,8 21,7 21,5 15,5 15,4 21,0 23,7 25,0 37,9 39,5 42,9 42,9

darunter:

– BA-Zuschuss 1,1 4,6 5,2 3,5 7,0 4,9 3,9 3,7 0,9 1,9 5,6 6,2 4,2 0,4 0,0 0,0 0,0

– Arbeitslosenhilfe 4,2 4,7 8,9 10,5 12,4 14,3 15,6 15,6 13,2 12,8 14,8 16,5 18,8 1,5 0,0 0,0 0,0

– Grundsicherung 0,5 35,2 38,7 35,9 35,0

– Beteiligung an Kosten der Arbeitsförderung2

6,5 7,6

Zinsen/Zinserstattungen 16,7 27,6 32,9 40,2 40,3 40,4 40,9 41,1 39,9 38,3 37,4 37,0 36,5 37,4 37,5 39,3 42,2

Personalausgaben 21,1 26,3 26,9 27,1 27,0 26,8 26,7 27,0 26,5 26,8 27,0 27,2 26,8 26,4 26,1 26,2 26,7

Investitionsausgaben 3 18,5 33,7 31,3 34,0 31,2 28,8 29,2 28,6 28,1 27,3 24,1 25,7 22,4 22,9 22,7 24,0 24,3

Restliche Ausgaben 4 42,0 55,2 62,5 46,1 49,5 45,3 44,9 49,9 49,1 48,7 48,9 48,5 45,3 40,1 40,2 43,0 49,4

Gesamtausgaben 148,2 218,4 240,9 237,6 232,9 225,9 233,6 246,9 244,4 243,1 249,3 256,7 251,6 259,8 261,0 270,5 283,2

Ausgabenquoten Prozent

Anteil Sozialausgaben 33,7 34,6 36,2 38,0 36,5 37,5 39,3 40,6 41,2 42,0 44,9 46,1 47,9 51,2 51,5 51,0 49,6

Anteil Zinsausgaben 11,3 12,6 13,7 16,9 17,3 17,9 17,5 16,6 16,3 15,8 15,0 14,4 14,5 14,4 14,4 14,5 14,9

Anteil Personalausgaben 14,2 12,0 11,2 11,4 11,6 11,9 11,4 10,9 10,9 11,0 10,8 10,6 10,7 10,2 10,0 9,7 9,4

Anteil Investitionsausgaben 12,5 15,4 13,0 14,3 13,4 12,7 12,5 11,6 11,5 11,2 9,7 10,0 8,9 8,8 8,7 8,9 8,6

Anteil restliche Ausgaben 28,3 25,3 25,9 19,4 21,3 20,1 19,2 20,2 20,1 20,0 19,6 18,9 18,0 15,4 15,4 15,9 17,4

Summe 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

Ausgaben-/Steuerquoten Prozent

Sozialsteuerquote 39,5 41,9 45,1 48,2 49,1 50,0 52,6 52,1 50,7 52,7 58,3 61,6 64,5 70,0 66,0 62,6 59,3

Zins-Steuerquote 13,2 15,3 17,0 21,5 23,3 23,9 23,4 21,4 20,1 19,8 19,5 19,3 19,5 19,7 18,4 17,8 17,8

Zins/Sozialsteuerquote 52,7 57,2 62,1 69,7 72,4 73,9 76,1 73,5 70,8 72,4 77,8 80,9 84,0 89,6 84,4 80,4 77,1

Investitionssteuerquote 14,6 18,7 16,2 18,2 18,0 17,0 16,7 14,9 14,1 14,1 12,6 13,4 12,0 12,0 11,1 10,9 10,2

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Drucksache 16/7100 – 94 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2.2.2 Ausgaben für die Alterssicherung

2.2.2.1 Gesamtaufwendungen

Die Aufwendungen des Bundes für die Unterstützung derverschiedenen Alterssicherungssysteme belaufen sich imJahre 2007 auf insgesamt rund 94 Mrd. Euro.2 Neben denAusgaben für den Arbeitsmarkt stellen diese Leistungendie strukturelle Hauptbelastung auf der Ausgabenseitedes Bundeshaushalts dar. Ihr Anteil an den Gesamtausga-ben des Bundes liegt im Haushaltsjahr 2007 bei 35 %.

Außer den Leistungen an die Rentenversicherung (ein-schließlich der Ausgaben der knappschaftlichen Renten-versicherung) von 78,3 Mrd. Euro (2007) enthält derBundeshaushalt eine Reihe weiterer Ausgaben für die Al-terssicherung. Dazu gehören insbesondere die Ausgabenfür

● die Alterssicherung der Landwirte (Soll 2007:2,4 Mrd. Euro),

● Bezüge der Versorgungsempfänger in der Bundesver-waltung einschließlich sogenannte G 131-Fälle3 (Soll2007: 6,9 Mrd. Euro),

● die Sonderversorgungssysteme in den neuen Ländern(Soll 2007: 0,8 Mrd. Euro nach Abzug der Erstattun-gen der Länder),

● Bezüge der Versorgungsempfänger aus dem Bereichdes ehemaligen Sondervermögens Bahn (Soll 2007:5,0 Mrd. Euro),

● den Bundeszuschuss zur Mitfinanzierung der Pen-sions- und Beihilfeleistungen für die ehemaligen Post-bediensteten aus dem Bereich der früheren DeutschenBundespost und ihrer Nachfolgeunternehmen (Soll2007: 0,7 Mrd. Euro).

Im Haushalt 2007 bleiben die Gesamtausgaben für dieverschiedenen Alterssicherungssysteme nahezu auf Vor-jahresniveau. Durch den ab dem Jahre 2008 vom Bundallein zu leistenden Zuschuss zur Postbeamtenversor-gungskasse4 in Höhe von 6,1 Mrd. Euro werden sie im

Bundeshaushalt 2008 auf eine Größenordnung von100 Mrd. Euro ansteigen. Die Gesamtbelastung des Bun-deshaushalts wird somit weiter anwachsen.

2.2.2.2 Bundesleistungen an die Renten-versicherung

Die Leistungen des Bundes an die Rentenversicherungbilden seit Jahren den größten Ausgabenblock im Bun-deshaushalt. Seit Anfang der 90er-Jahre haben sich dieverschiedenen Bundesleistungen mehr als verdoppelt – von30,6 Mrd. Euro (1992) auf 78,3 Mrd. Euro (2007).5 In denletzten Jahren verläuft der Anstieg allerdings flacher (vgl.Abbildung 3).

Weniger steil entwickelten sich die Ausgaben der gesetz-lichen Rentenversicherung.6 Von 147 Mrd. Euro im Jahre1992 sind deren Gesamtausgaben auf 238 Mrd. Euro imJahre 2007 angewachsen, was einem Anstieg von 62 %entspricht. Mit dieser Entwicklung haben die beitragsfinan-zierten Einnahmen in der Rentenversicherung nicht Schrittgehalten. Der Bund hat den Ausgleich durch zusätzlicheLeistungen übernommen. Der Bundeshaushalt trägt seit ei-nigen Jahren fast ein Drittel der Rentenversicherungsaus-gaben und damit deutlich mehr als im Jahre 1992 (21 %).Ein Teil der zusätzlichen Leistungen finanziert der Bunddurch entsprechende Erhöhungen bei der Umsatzsteuerund der Energiesteuer (sog. Ökosteuer, vgl. Nr. 2.3.1).

Mittel- und langfristig bleibt die zunehmende Alterungder Gesellschaft das Hauptproblem für die Sicherstellungder Rentenfinanzierung. Der Rückgang der Geburtenzah-len und die verlängerte Lebenserwartung haben dazu ge-führt, dass sich das Verhältnis von aktiver Erwerbsphaseund durchschnittlicher Rentenbezugsphase verändert hat.Zudem liegt die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen7 mit 48 % (2006) noch deutlich unter demDurchschnitt (65 %), auch wenn die Erwerbsbeteiligung indieser Altersgruppe in den letzten Jahren angestiegen ist.8Ausweislich des Rentenversicherungsberichts 2006 ist davonauszugehen, dass sich die Lebenserwartung bis zum Jahre2030 um rund drei Jahre erhöhen wird, wodurch sich diedurchschnittliche Rentenbezugsphase entsprechend ver-längert. Die Beitragseinnahmen der Rentenversicherungwerden mit dieser Entwicklung voraussichtlich nichtSchritt halten.

2 Weitere Leistungen für die Alterssicherung in Milliardenhöhe wer-den durch die Beitragsleistungen für Bezieher von Arbeitslosengeld Iund II erbracht.

3 Dabei handelt es sich um ehemalige Beschäftigte des öffentlichenDienstes, die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder verwendetwurden oder deren Versorgung aus anderen Gründen weggefallen war.

4 Der Bundes-Pensions-Service für Post und Telekommunikation e. V.hat seine Pensions- und Beihilfeleistungen in den letzten Jahrendurch den Verkauf der Forderungen gegen die Postnachfolgeunter-nehmen finanziert. Der Bund ist dadurch in den Jahren 2005 bis 2007von seinen Leistungen entlastet worden. Nachdem die Verwertungs-erlöse für die Verpflichtungen des Post-Pensions-Service aufge-braucht worden sind, muss der Bundeshausalt den Finanzbedarf abdem Jahre 2008 vollständig abdecken.

5 Vgl. Einzelplan 11 (Bundesministerium für Arbeit und Soziales), Ka-pitel 13 Titelgruppe 02.

6 Einschließlich knappschaftlicher Rentenversicherung.7 Verhältnis von Erwerbstätigen zur Gesamtbevölkerung in dieser Al-

tersklasse.8 Vgl. BMF-Monatsbericht August 2007, S. 67–70.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95 – Drucksache 16/7100

A b b i l d u n g 3

Bundesleistungen an die Rentenversicherung und deren Gesamtausgaben30

,6

32,7 37

,6

39,2

41,2

44,2 51

,3 60,5 65

,0 69,1 72,9 77

,2

77,3

77,4

77,0

78,3

78,617

,7%

17,5

% 19,2

%

18, 6

%

19,2

%

20,3

%

20

,3%

19,5%

19,3

%

19,1

%

19,1

%

19,5

%

19,5

%

19,5

%

19,5

%

19,9

%

19,9

%

20,8

%

20,5

%

21,8

%

21,2

%

21,5

%

22,5

%

25,3

%

29,2 % 30

,4%

31,3

%

32,0

%

33,0

%

32,8

%

32,9

%

32,7

%

32,9

%

32,8

%

147,3

172,6

184,4191,6

196,3202,6

207,0214,0

220,5227,7

233,9 235,5 235,6 235,5 238,2

159,4

240,0

Ausgaben der gesetzl. RVLeistungen des Bundes an die RVProzentualer Bundesanteil an Ausgaben der gesetzlichen RVBeitragssatz in der RV der Arbeiter und Angestellten

0

50

100

150

200

250

Mrd

. Eur

o

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008Jahr

0

5

10

15

20

25

30

35

40

Pro

zent

Im Haushaltsjahr 2006 flossen der Rentenversicherung Die gesetzlichen Maßnahmen der letzten Jahre im Be-

durch die Vorverlegung der Fälligkeit des Gesamtsozial-versicherungsbeitrags9 einmalige Mehreinnahmen inHöhe von 10,5 Mrd. Euro zu. Dadurch konnte der Bei-tragssatz auf 19,5 % gehalten werden und die sogenannteNachhaltigkeitsrücklage erhöhte sich auf 0,62 Monats-ausgaben zum Jahresende 2006.10 Diese Maßnahme mitEinmaleffekt entlastete mittelbar auch den Bundeshaus-halt 2006. Eventuelle Fehlbeträge wären durch Entnahmeaus der Nachhaltigkeitsrücklage auszugleichen gewesen undhätten – soweit dies nicht ausgereicht hätte – zu einem er-höhten Beitragssatz und einem höheren Bundeszuschuss ge-führt. Belastet wurde die Rentenversicherung im Jahre 2007insbesondere durch die Absenkung des Rentenversiche-rungsbeitrags für Empfänger von Arbeitslosengeld II sowiedurch die Rentenerhöhung um 0,54 % vom 1. Juli 2007.

reich der Rentenversicherung zielten insbesondere daraufab, die Beitragseinnahmen zu stabilisieren und die Aus-gaben der Rentenversicherung zu begrenzen. Im Zusam-menwirken mit einer betrieblichen und privaten Alters-vorsorge sollen ein den Lebensstandard erhaltendesRentenniveau sichergestellt und die Grundlagen für einegenerationengerechte Rente geschaffen werden. Der seitJahresbeginn 2007 geltende Beitragssatz von 19,9 % sollbis zum Jahre 2009 stabil gehalten werden; bis zum Jahre2030 soll er unter 22 % bleiben.

Zur Einhaltung der Beitragssatz- und Niveausicherungs-ziele hat der Gesetzgeber im Rahmen des RV-Nachhaltig-keitsgesetzes 200411 die Rentenanpassungsformel umElemente ergänzt, die den Anstieg der Rente dämpfen.Mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz 200712 sind

9 Hierdurch fielen im Jahre 2006 einmalig rund 80 % eines monatli-chen Pflichtbeitrags zusätzlich an, was etwa 20,0 Mrd. Euro Mehr-einnahmen für alle Sozialversicherungsträger entspricht – vgl. Gut-achten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2005,Bundestagsdrucksache 16/905, Tz. 14–22.

10 Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestwert beträgt 0,2 Monatsaus-gaben.

11 Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen dergesetzlichen Rentenversicherung vom 21. Juli 2004, BGBl. I 2004,S. 1791 ff.

12 Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografischeEntwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der ge-setzlichen Rentenversicherung vom 20. April 2007, BGBl. I 2007S. 554 ff.

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Drucksache 16/7100 – 96 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

weitere Maßnahmen zur finanziellen Stärkung der gesetz-lichen Rentenversicherung beschlossen worden:

● Die Regelaltersgrenze von 65 Jahren wird schrittweisein den Jahren 2012 bis 2029 auf 67 Jahre angehoben.

● Durch eine Modifizierung der sogenannten Schutz-klausel werden die seit dem Jahre 2005 unterbliebenenRentendämpfungen mit Rentenerhöhungen ab 2011(soweit sie aufgrund der Lohnentwicklung möglichsind) verrechnet (sog. Nachholfaktor).

Zusammen mit dem zu Beginn 2007 angehobenen Bei-tragssatz von 19,9 % tragen die Maßnahmen zur Stabi-lisierung der Rentenfinanzen bei. Dies erscheint ange-sichts der demografischen Entwicklung mit immerlängeren Rentenbezugsphasen auch notwendig. Es bleibtüberdies abzuwarten, ob die derzeit günstige Entwicklungbei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsver-hältnissen anhält und sich damit auch das Verhältnis vonBeitragseinnahmen zu Rentenleistungen nachhaltig verbes-sert. Die Bundesleistungen an die Rentenversicherung wer-den allerdings auch bei einer Fortsetzung des wirtschaftli-chen Wachstums steigen. Bei ihnen handelt es sichüberwiegend um regelgebundene Leistungen. Diese hän-gen – neben der Beitragssatzentwicklung – insbesonderevon der Bruttolohnentwicklung und dem Umsatzsteuer-aufkommen ab.

2.2.3 Ausgaben für den Arbeitsmarkt

Die Ausgaben für den Arbeitsmarkt fallen sowohl imBundeshaushalt als auch im Haushalt der Bundesagenturan. Sie werden im Wesentlichen beeinflusst durch die kon-junkturelle Entwicklung und ihre Auswirkungen auf denArbeitsmarkt. Daneben gab es eine Reihe von gesetzlichenMaßnahmen, die auf eine Begrenzung der finanziellen Be-lastungen abzielten (vgl. Bemerkungen 2006, Nr. 2.2.3).

2.2.3.1

Die konjunkturelle Erholung wirkt sich günstig auf denHaushalt der Bundesagentur aus. Infolge des Rückgangsvor allem der Zahl der Kurzzeitarbeitslosen und der ver-kürzten Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld I13 wirddie Bundesagentur auf der Ausgabenseite entlastet underhält infolge der Zunahme sozialversicherungspflichti-ger Arbeitsverhältnisse zusätzliche Einnahmen.

Nachdem die Bundesagentur im Jahre 2006 einen Über-schuss von 11,2 Mrd. Euro zu verzeichnen hatte, ist auchim Jahre 2007 mit einer positiven Haushaltsentwicklungzu rechnen. Die im Haushalt 2007 der Bundesagenturveranschlagten Ausgaben liegen mit 43,7 Mrd. Euro um8,9 Mrd. Euro (16,9 %) unter den Ausgaben des Jahres2001 (52,6 Mrd. Euro). Auch die Einnahmeseite entwickeltsich trotz der bislang vorgenommenen bzw. geplanten Ab-senkungen des Arbeitslosenversicherungsbeitrags14 günstig.Zur finanziellen Unterstützung dieser Maßnahmen erhältdie Bundesagentur seit Jahresbeginn 2007 das Aufkom-men aus einem Umsatzsteuerpunkt (6,5 Mrd. Euro in2007; 7,6 Mrd. Euro in 2008).

2.2.3.2

Die Arbeitsmarktausgaben im Bundeshaushalt verhar-ren demgegenüber weiter auf einem vergleichsweise ho-hen Niveau. In den Haushaltsabschlüssen 2005 und 2006lagen sie bei 37,9 und 39,5 Mrd. Euro. Im Haushalt 2007und im Haushaltsentwurf 2008 sind jeweils 42,9 Mrd.Euro veranschlagt (vgl. Abbildung 4).

13 Vgl. Gesetzentwurf zu Reformen am Arbeitsmarkt, Bundestags-drucksache 15/1204, S. 3.

14 Der zum Jahresbeginn 2007 von 6,5 % auf 4,2 % abgesenkte Beitragsoll im Jahre 2008 auf 3,9 % verringert werden. Insoweit werden dieLohnnebenkosten allerdings nur stabilisiert, da im Gegenzug die Bei-träge zur Pflegeversicherung steigen sollen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97 – Drucksache 16/7100

A b b i l d u n g 4Ausgaben im Bundeshaushalt für den Arbeitsmarkt

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

Pro

zent

Ausgaben für den Arbeitsmarkt Anteil der Arbeitsmarktausgaben an den Gesamtausgaben im Bundeshaushalt

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

Mrd

. Eur

o

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008Jahr

14,0

24,3

19,4 20,0

24,1

21,8 21,7 21,5

15,5 15,4

21,0

23,725,0

37,939,5

42,9 42,9

6,4%

10,4

%

8,1%

8,4% 10

,3%

9,7%

9,3%

8,7%

6,3%

6,3%

8,4% 9,2% 9,

9%

14,6

%

15,1

%

15,9

%

15,1

%

Dies beruht zum einen darauf, dass sich der Bund seit Die Langzeitarbeitslosen profitieren bislang weit weniger

Jahresbeginn 2007 an der o. a. Beitragsabsenkung übereinen Zuschuss beteiligt, der dem Aufkommen eines Um-satzsteuerpunktes entspricht. Zum anderen finanziert derBund nach dem im Jahre 2005 durchgeführten System-wechsel vor allem die Kosten der Langzeitarbeitslosig-keit. Dabei handelt es sich vor allem um die Leistungender sogenannten Grundsicherung für Arbeitsuchende.

vom Aufschwung am Arbeitsmarkt.

Innerhalb der Aufwendungen für die Grundsicherungstellt vor allem das sogenannte Arbeitslosengeld II denwesentlichen Ausgabenfaktor dar (vgl. Tabelle 2).15

15 Vgl. Einzelplan 11 (Bundesministerium für Arbeit und Soziales), Ka-pitel 1112 Titelgruppe 01.

Ta b e l l e 2

Ausgaben im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende

2005Ist

2006Ist

2007Soll

2008Soll

Mrd. EuroArbeitslosengeld II 25,0 26,4 21,4 21,0Leistungen zur Eingliederung in Arbeit 3,6 4,5 6,5 6,4Beteiligung an Leistungen für Unterkunft und Heizung 3,5 4,0 4,3 3,9Erstattung der Verwaltungskosten für die Durchführung der Grund-sicherung

3,1 3,6 3,5 3,6

Sonstiges – 0,2 0,2 0,1Grundsicherung insgesamt 35,2 38,7 35,9 35,0

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Drucksache 16/7100 – 98 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zur Begrenzung der hohen finanziellen Aufwendungendes Bundes sind bereits im Jahre 2006 gesetzliche Entlas-tungsmaßnahmen im Bereich der Grundsicherung verab-schiedet worden. Dazu gehören insbesondere:

● die Absenkung des Rentenversicherungsbeitrags fürEmpfänger von Arbeitslosengeld II von 78 Euro auf40 Euro (ab 1. Januar 2007),

● die Abschaffung des Rentenversicherungsbeitrags fürerwerbstätige Leistungsbezieher (ab 1. Januar 2007),

● die Einbeziehung unter 25-Jähriger in die Bedarfsge-meinschaft bei Neufällen und Weiterbildungen (ab1. Juli 2006),

● die Einschränkung des Erstwohnungsbezugs unter25-Jähriger bei Neufällen (ab 1. April 2006),

● eine konsequente Bekämpfung des Leistungsmiss-brauchs.

Mit dem Haushaltsentwurf 2008 ist vorgesehen, die Lastender Arbeitsmarktausgaben zwischen der Bundesagenturund dem Bund neu zu verteilen. Der Aussteuerungsbe-trag, den die Bundesagentur für jeden Arbeitslosengeld-empfänger an den Bund zahlt, der in das Arbeitslosen-geld II wechselt, soll zum Ende 2007 abgeschafft unddurch einen von der Bundesagentur zu leistenden Einglie-derungsbeitrag ersetzt werden. Die Bundesagentur wirdsich dann jeweils zur Hälfte an den im Bundeshaushaltveranschlagten Ausgaben für Eingliederungsleistungen(2008: 6,4 Mrd. Euro) und an den Verwaltungskosten(2008: 3,6 Mrd. Euro) beteiligen; hieraus ergeben sich fürdas Jahr 2008 Einnahmen von 5,0 Mrd. Euro. Damit sollauch ein Anreiz für die Bundesagentur gesetzt werden,durch frühzeitige Eingliederungsmaßnahmen Langzeitar-beitslosigkeit nicht entstehen zu lassen und damit denEingliederungsbeitrag zu vermindern. Weitere Entlastun-gen in der Größenordnung von 0,3 Mrd. Euro resultierendaraus, dass die bislang aus dem Bundeshaushalt geleiste-ten Beiträge für Kindererziehungszeiten sowie für dasProgramm zur Einstiegsqualifizierung Jugendlicher abdem Jahre 2008 aus dem Haushalt der Bundesagentur fi-nanziert werden sollen.

Unter finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten erscheintdiese Neujustierung als ein angemessener Interessenaus-gleich zwischen dem Bundeshaushalt und dem Haushaltder Bundesagentur. Denn die Bundesagentur ist durch dieZusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfevon bis dahin erbrachten Eingliederungs- und Verwal-tungsleistungen für Langzeitarbeitslose entlastet worden.Zudem ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksich-tigen, dass der Bundeshaushalt in der Vergangenheit re-gelmäßig durch milliardenschwere Zuschüsse die Defi-zite in den Haushalten der Bundesagentur abdeckenmusste.16

Im Übrigen ist festzustellen, dass die finanzwirtschaftli-chen Folgen der Arbeitsmarktreformen für den Bundes-haushalt trotz der zusätzlichen Einnahmen durch den Ein-gliederungsbeitrag nach wie vor nachteilig sind.Verglichen mit dem letzten Bundeshaushalt vor der Ar-beitsmarktreform (2004) verbleibt per saldo eine erhebli-che Mehrbelastung.17 Es ist abzuwarten, ob die in Kraftgetretenen bzw. vorgesehenen Entlastungsmaßnahmen imZusammenwirken mit dem wirtschaftlichen Aufschwungmittelfristig auch die Arbeitsmarktausgaben im Bundes-haushalt nachhaltig verringern.

2.2.4 Weitere Sozialausgaben

2.2.4.1 Leistungen an die gesetzliche Krankenversicherung

Die Höhe des Bundeszuschusses an die gesetzliche Kran-kenversicherung (GKV) ist in den letzten Jahren mehr-fach geändert worden. Im Rahmen des Gesetzes zur Mo-dernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung stiegder Zuschuss für sogenannte versicherungsfremde Leis-tungen von 1,0 Mrd. Euro im Jahre 2004 über 2,5 Mrd.Euro im Jahre 2005 auf 4,2 Mrd. Euro im Jahre 2006. ZurGegenfinanzierung wurde in den Jahren 2004 und 2005die Tabaksteuer erhöht, die allerdings nicht die geplantenMehreinnahmen erbrachte. Nach dem Haushaltsbegleit-gesetz 2006 sollte der Bundeszuschuss für das Jahr 2007auf 1,5 Mrd. Euro reduziert werden und ab dem Jahre2008 in der bisherigen Form entfallen. Der Finanzplan biszum Jahre 2010 sah deshalb keine weiteren Ansätze fürdiesen Ausgabenzweck mehr vor. In den parlamentari-schen Beratungen zum Haushalt 2007 ist die Höhe desBundeszuschusses wieder auf 2,5 Mrd. Euro erhöht wor-den. Zudem sollte eine neue Form der Mitfinanzierunggesamtgesellschaftlicher Aufgaben in der GKV einge-führt werden.

Mit dem am 1. April 2007 in Kraft getretenen Gesetz zurStärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Kranken-versicherung wurde für diesen Zweck eine langfristigeFinanzierungsverpflichtung des Bundes gesetzlich fest-geschrieben.18 Danach werden die Bundeszuschüsse andie GKV von 2,5 Mrd. Euro (2007, 2008) um jährlich1,5 Mrd. Euro steigen, bis sie im Jahre 2016 eine Gesamt-summe von 14 Mrd. Euro erreichen.

Das Bundesministerium hat darauf hingewiesen, dass diegegenüber der bisherigen Finanzplanung anfallendenMehrausgaben für den Bundeszuschuss vor dem Hinter-grund der positiven Entwicklung bei den Steuereinnah-men bis zum Jahre 2011 aufgefangen werden könnten.

16 Im Zeitraum von 1991 bis 2005 betrugen die jährlichen Defizit-Zu-schüsse des Bundes insgesamt 67,6 Mrd. Euro. Ab dem Jahre 2007ist die Unterstützung der Bundesagentur durch den Bund neu gere-gelt worden. Statt des bisherigen Defizit-Zuschusses wird ein etwai-ger Liquiditätsbedarf der Bundesagentur durch zinslose Darlehen desBundes ausgeglichen.

17 Unter Berücksichtigung der Entlastungen bei den Einnahmen ausdem Bundesagentur-Haushalt (4,0 Mrd. Euro), dem Umsatzsteuer-punkt (6,5 Mrd. Euro) sowie beim Wohngeld (2,0 Mrd. Euro) ver-zeichnet der Haushalt 2007 Mehraufwendungen in der Größenord-nung von 5 Mrd. Euro gegenüber den Arbeitsmarktausgaben imHaushalt 2004 (rund 25 Mrd. Euro).

18 Vgl. Artikel 1 GKV-WSG Nr. 153: Änderung des § 221 Abs. 1 SGBV (BGBl. I 2007, S. 378, 423).

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 99 – Drucksache 16/7100

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes stellen diebis zum Jahre 2016 steigenden Bundeszuschüsse an dieGKV eine dauerhafte Vorbelastung für die folgendenFinanzpläne dar, die unabhängig von der künftigen Ein-nahmensituation des Bundes besteht. Es erscheint zudemnicht sicher, ob die jährlichen Ausgabensteigerungen von1,5 Mrd. Euro allein durch entsprechende Steuerzu-wächse kompensiert werden können. Bei der Fortschrei-bung der Finanzplanung sollten daher frühzeitig konkreteEinsparungsüberlegungen vorgenommen werden, um zuvermeiden, dass neue Schulden oder Einmalmaßnahmenzur Finanzierung des Mehraufwands herangezogen wer-den müssen.

2.2.4.2 Ausgaben für die Familienförderung

Zum Jahresbeginn 2007 ist das bisherige Erziehungsgelddurch das sogenannte Elterngeld als neue familienpoliti-sche Leistung ersetzt worden. Im Bundeshaushalt 2007sind 1,6 Mrd. Euro für das Elterngeld sowie 1,9 Mrd.Euro für die Abwicklung des Erziehungsgelds veran-schlagt. Im Haushaltsentwurf 2008 steigen die Ausgabenfür das Elterngeld mit seinem vollen Wirksamwerden aufgut 4 Mrd. Euro an; daneben werden nochmals 0,5 Mrd.Euro für das auslaufende Erziehungsgeld benötigt. Da-raus ergibt sich ein zusätzlicher Mittelbedarf gegenüberdem Soll 2007 von rund 1 Mrd. Euro. Im Vergleich zumbisherigen Erziehungsgeld ergibt sich mittelfristig einedauerhafte Mehrbelastung von rund 1 Mrd. Euro.

Darüber hinaus beabsichtigt der Bund, den Ausbau derBetreuungsinfrastruktur für Kinder unter drei Jahrenfinanziell zu unterstützen. Hierfür sollen bis zum Jahre2013 insgesamt 4 Mrd. Euro für Investitionen und Be-triebskosten der Länder und Gemeinden bereitgestelltwerden. Für die Beteiligung an den Investitionskostensind in den Jahren 2008 bis 2013 insgesamt 2,15 Mrd.Euro vorgesehen. Für die zusätzlich entstehenden Be-triebskosten sollen die Länder ab dem Jahre 2009 bis2013 Festbeträge bei der Umsatzsteuerverteilung von ins-gesamt 1,85 Mrd. Euro erhalten. In den Folgejahren will

sich der Bund mit jährlich 770 Mio. Euro an den Be-triebskosten beteiligen.

Der Bundesrechnungshof wird beobachten, ob die vonder Bundesregierung zugesagte Mitfinanzierung im Ein-klang mit den finanzverfassungs- und haushaltsrechtli-chen Vorgaben ausgestaltet wird.

2.2.5 Zinsausgaben

Die Zinsausgaben bilden seit Mitte der 90er-Jahre dennach den Sozialausgaben größten Ausgabenblock imBundeshaushalt. Nachdem die Zinsleistungen bis Endeder 90er-Jahre auf 41,1 Mrd. Euro gestiegen waren, gin-gen sie in den darauffolgenden Jahren zurück und lagenauch im Haushaltsabschluss 2006 mit 37,5 Mrd. Euronoch deutlich unter dem Höchststand des Jahres 1999.Neben einem im Langzeitvergleich niedrigen Zinsniveauwirkte sich positiv aus, dass die Einnahmen aus der Ver-steigerung der Mobilfunklizenzen (50,8 Mrd. Euro) inden Jahren 2000 und 2001 in vollem Umfang zur Schul-dentilgung eingesetzt wurden.

Im Haushalt 2007 und im Haushaltsentwurf 2008 sinddemgegenüber mit 39,3 Mrd. Euro und 42,2 Mrd. Eurowieder deutlich höhere Zinsausgaben veranschlagt. Nachdem Finanzplan erreichen die Zinsausgaben jährlich neueHöchststände und steigen bis zum Jahre 2011 auf45,5 Mrd. Euro an (vgl. Abbildung 5). Dieser Anstieg istFolge der hohen Nettokredite der letzten Jahre und deszwischenzeitlich wieder gestiegenen Zinsniveaus. SeitDezember 2005 hat die Europäische Zentralbank achtZinserhöhungsschritte um jeweils 0,25 % vorgenommen.Damit hat sich der Zentralbankzinssatz mit 4 % (Jahres-mitte 2007) gegenüber seinem niedrigsten Wert von 2 %verdoppelt. Aufgrund der günstigen konjunkturellen Ent-wicklung sind weitere Zinserhöhungen tendenziell nichtauszuschließen. Nach Angaben des Bundesministeriumssind für das sich daraus ergebende Zinsänderungsrisiko inden Planungsansätzen der Zinsausgaben Schwankungszu-schläge in angemessener Höhe berücksichtigt. Entlastendgegenüber der bisherigen Zinsausgabenplanung wirktsich die im Finanzplanungszeitraum rückläufige Netto-kreditaufnahme aus.

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Drucksache 16/7100 – 100 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A b b i l d u n g 5

Entwicklung der Zinsausgaben und Investitionsausgaben

1975 1980 1985 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011Jahr

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

30,0

35,0

40,0

45,0

50,0

Mrd

. Eur

o

FinanzplanZinsausgaben Investitionen

2,7

7,2

14,9

17,5

21,3

27,6

27,4

32,9

40,2

40,3

40,4

40,9

41,1

39,9

38,3

37,4

37,0

36,5 37,4

37,5 39

,3

42,2 43

,2 45,0

45,5

13,1

16,1 17

,1

20,1

31,5

33,7

33,3

31,3

34,0

31,2

28,8

29,2

28,6

28,1

27,3

24,1 25

,7

22,9

22,7 24

,0

24,3

24,1

24,1

23,7

22,4

Die strukturellen Belastungen des Gesamthaushalts durch 2.3 Einnahmenentwicklung und -struktur

die Zinslast lassen sich auch am Verhältnis von Investi-tionsausgaben zu Zinsausgaben ablesen (vgl. Abbil-dung 5). Nachdem bis einschließlich des Jahres 1993 dieInvestitionen den Zinsaufwand im Bundeshaushalt nochdeutlich übertrafen, hat sich dieses Verhältnis insbeson-dere auch im Zusammenhang mit den finanzwirtschaftli-chen Folgen der Wiedervereinigung nachhaltig umge-kehrt. Nach dem Haushaltsentwurf 2008 wird dieveranschlagte Zinslast 174 % der investiven Ausgabenausmachen, zum Ende des Finanzplanungszeitraums wirdsie sogar bei 192 % der Investitionen liegen. Der wach-sende Schuldenstand einerseits und die daraus folgendenZinsbelastungen andererseits wirken als „Schuldenfalle“und stellen eine erhebliche finanzwirtschaftliche Hypo-thek für künftige Haushalte dar. Umso wichtiger erscheintes, so schnell wie möglich einen – ohne Einmaleffekte –ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, um die Verschul-dung zumindest nicht weiter anwachsen zu lassen.

2.3.1 Steuereinnahmen und Steuerquote

Bei der Entwicklung der Steuereinnahmen setzt sich dieim Jahre 2006 begonnene Trendwende verstärkt fort. Be-reits im Jahre 2006 waren die Steuereinnahmen um 7,2 %gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Für das Haushaltsjahr2007 ist nach dem Ergebnis der Steuerschätzung vom11. Mai 2007 mit einem weiteren Anstieg der Steuerein-nahmen um 13,1 % auf 230,5 Mrd. Euro zu rechnen. Dieim Haushaltsentwurf 2008 veranschlagten Steuereinnah-men sollen mit 237,1 Mrd. Euro nochmals um 2,9 % hö-her liegen. Innerhalb des Zeitraums 2005 bis 2008 ver-zeichnet der Bund damit ein um fast 25 % höheresSteueraufkommen. Ein derartiger Anstieg der Steuerein-nahmen war zuletzt zu Beginn der 90er-Jahre im Zuge derWiedervereinigung zu verzeichnen. Der Finanzplan gehtvon einem weiteren steuerlichen Zuwachs bis auf260,3 Mrd. Euro im Jahre 2011 aus (vgl. Abbildung 6).

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 101 – Drucksache 16/7100

A b b i l d u n g 6

Entwicklung der Steuereinnahmen1

1 2007: Ergebnis der Steuerschätzung vom Mai 2007 – im Haushalt 2007 veranschlagte Steuereinnahmen: 220,5 Mrd. Euro.

90,1

105,

5

132,

3

162,

5 180,

4

182,

0

193,

7

187,

2

173,

0

169,

3

174,

6 192,

4

198,

8

193,

8

192,

0

191,

9

187,

0

190,

1 203,

9

230,

5

237,

1

247,

9

252,

6

260,

3

Geschätztes

Ist

1980 1985 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011Jahr

Finanzplan

0

50

100

150

200

250

300

Mrd

. Eur

o

Die im Finanzplan des Bundes für den Zeitraum bis „konjunkturbedingte“ Anpassung der Steuereinnah-

2011 veranschlagten Steuereinnahmen liegen insgesamtetwas unter den Ergebnissen der Steuerschätzung (vgl.Abbildung 7). Dies beruht im Wesentlichen auf folgendenAbweichungen:

● Das zum Schätzungszeitpunkt noch nicht verabschie-dete Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 mit ge-schätzten Mindereinnahmen für den Bund von12,5 Mrd. Euro19 im Zeitraum 2008 bis 2011 war indie Steuerschätzung nicht einbezogen.

● Andererseits enthält der Finanzplan gegenüber demErgebnis der Steuerschätzung höhere Einnahmeerwar-tungen, da die Bundesregierung aufgrund der günsti-gen konjunkturellen Entwicklung von einem stärkerenSteueranstieg ausgeht, als in der Steuerschätzung pro-gnostiziert worden ist (2008: + 2,0 Mrd. Euro). Diese

meprognosen war bereits im Rahmen des letztjährigenAufstellungsverfahrens praktiziert worden. Der Bun-desrechnungshof hält derartige Korrekturen gegenüberder Steuerschätzung für vertretbar, wenn sie auf be-lastbaren Annahmen beruhen; allerdings müssen siedann konsequenterweise auch vorgenommen werden,wenn die Prognosen sich gegenüber den Steuerschätz-ergebnissen ungünstiger entwickeln (vgl. Bemerkun-gen 2006, Nr. 2.3.1).

Vergleicht man den neuen Finanzplan mit den beiden vo-rangegangenen Finanzplänen, so ist eine deutliche Ver-besserung der steuerlichen Einnahmeerwartungen fest-zustellen. Danach kann der Bund mit jährlichenSteuermehreinnahmen in jeweils zweistelliger Milliar-denhöhe rechnen (vgl. Abbildung 7). Die in früherenFinanzplänen zu beobachtende zu hohe Schätzung undVeranschlagung der Steuereinnahmen mit der Folge einernegativen Revision bei der Finanzplanfortschreibungscheint sich nicht mehr fortzusetzen.

19 Für Bund, Länder und Gemeinden belaufen sich die geschätztenMindereinnahmen in diesem Zeitraum auf rund 26 Mrd. Euro.

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Drucksache 16/7100 – 102 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A b b i l d u n g 7

Abweichungen bei den geplanten Steuereinnahmen

100,0

150,0

200,0

250,0

300,0

Mrd

. Eur

o

Haushaltsentwurf 2007; Finanzplan bis 2009 Haushaltssoll 2007; Finanzplan bis 2010

Mai-Steuerschätzung für 2007 bis 2011 Haushaltsentwurf 2008; Finanzplan bis 2011

2007 2008 2009 2010 2011

Jahr

214,

5 221,

1 228,

2

220,

5

218,

2 226,

0

231,

1238,

2 250,

2

255,

5 263,

7

237,

1 247,

9

252,

6 260,

3

230,

5

Der Zuwachs bei den Steuereinnahmen ist im Wesentli- Allerdings setzt der in der mittelfristigen Finanzplanung

chen auf zwei Gründe zurückzuführen:

● Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird deutlichpositiver eingeschätzt. Für das Jahr 2007 wird einWachstum des nominalen Bruttoinlandsprodukts von4,0 % zugrunde gelegt, was einer Verbesserung von1,4 Prozentpunkten gegenüber der Herbstschätzung2006 entspricht. Für das Jahr 2008 soll der Zuwachs3,7 % und in den Folgejahren durchschnittlich 2,8 %betragen.

● Die in Kraft getretenen steuerlichen Maßnahmen – wiedas Gesetz zur Abschaffung der Eigenheimzulage,20

das Haushaltsbegleitgesetz 2006 (insbesondere mit derErhöhung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes und desRegelsatzes der Versicherungssteuer um jeweils dreiProzentpunkte), das Steueränderungsgesetz 2007 (u. a.mit der Beschränkung der Entfernungspauschale undder Absenkung des Sparer-Freibetrags) sowie das Bio-kraftstoffquotengesetz (mit dem Abbau der Subventio-nierung der Biokraftstoffe) – führen zu erheblichenSteuerzuwächsen.

zugrunde gelegte Einnahmenzuwachs ein weiterhin steti-ges und stabiles Wirtschaftswachstum voraus. Anderen-falls dürften sich die steuerlichen Einnahmeerwartungennicht realisieren lassen.

Die verbesserte Einnahmesituation für Bund, Länder undGemeinden lässt sich auch anhand der Entwicklung desSteueraufkommens in Relation zur gesamtwirtschaftli-chen Entwicklung ablesen. Die volkswirtschaftlicheSteuerquote – das Verhältnis der kassenmäßigen Steuer-einnahmen zum Bruttoinlandsprodukt – ist nach ihremTiefstand im Jahre 2004 wieder merklich angestiegen.Die Gebietskörperschaften insgesamt und auch der Bundweisen im Jahre 2007 eine gegenüber dem Vorjahr um1,1 (Bund: 0,8) Prozentpunkte höhere Steuerquote auf(vgl. Abbildung 8). Damit liegt die Steuerquote des Bun-des im Jahre 200721 (9,6 %) wieder auf der des Jahres2000, wenn auch die Steuerquoten insbesondere der Jahrevor 1995 nicht erreicht werden.

20 Die Eigenheimzulage wurde als Steuervergütung gewährt und in denöffentlichen Haushalten als steuerliche Mindereinnahmen gebucht.

21 Bei Zugrundelegung des Ergebnisses der Steuerschätzung vom Mai2007.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 103 – Drucksache 16/7100

A b b i l d u n g 8

Steuer- und Ausgabenquote des Bundes sowie Steuerquote des öffentlichen Gesamthaushalts1

1 In der Abgrenzung der Finanzstatistik – Die Steuerquote in Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) liegt teilweise umbis zu zwei Prozentpunkte höher, da einige steuerliche Abzüge wie z. B. das Kindergeld und die Eigenheimzulage in den VGR nicht als Steuer-mindereinnahmen, sondern als Staatsausgaben (Transferleistungen) gelten.2007: Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Steuerschätzung vom Mai 2007.

24,323,4

22,2 22,521,8 21,3 21,7

22,5 22,7

21,1 20,6 20,5 20,1 20,221,2

22,3 22,3

11,0 10,810,1

9,2 8,8 8,99,6 9,6 9,2 9,0 8,9 8,5 8,5 8,8

9,6 9,5

14,413,8

14,9

12,9 12,411,8 11,9 12,3 11,8 11,5 11,6 11,9 11,4 11,6 11,3 11,3 11,411,8

Steuerquote ÖGH Steuerquote BundAusgabenquote Bund

1980 1985 1990 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008Jahr

0

5

10

15

20

25

30

Pro

zent

vom

BIP

Die Ausgabenquote des Bundes – das Verhältnis seiner dem Jahre 1999 erhobenen sogenannten Ökosteuer

Ausgaben zum Bruttoinlandsprodukt – ist im Jahre2007 mit 11,3 % sogar niedriger als im Jahre 2000(11,8 %). Auf Basis des Haushaltsentwurfs 2008 ver-bleibt sie mit 11,4 % etwa auf diesem Niveau. Aller-dings relativiert sich dieses günstige Szenario dadurch,dass die Steuereinnahmen des Bundes in zunehmendemMaße für bestimmte Ausgabezwecke festgelegt sind.Die Vorabbindungen von Steuereinnahmen umfasseninsbesondere:

● bei der Umsatzsteuer rund 15 Mrd. Euro (2007) für dieteilweise Finanzierung der Senkung des Beitragssatzeszur Arbeitslosenversicherung seit dem Jahre 2007 so-wie des zusätzlichen Bundeszuschusses an die Allge-meine Rentenversicherung seit dem Jahre 1998,22

● bei der Mineral- und Stromsteuer rund 16 Mrd. Euro(2007) aus dem Aufkommen der fünf Stufen der seit

ebenfalls für Zwecke der Rentenversicherung.23

Diese „Reservierung“ von Steuereinnahmen für be-stimmte Ausgabezwecke beeinträchtigt den Haushalts-grundsatz der Gesamtdeckung (§ 8 Satz 1 BHO), nachdem alle Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausga-ben dienen. Der Handlungsspielraum innerhalb des Bun-deshaushalts wird also nicht nur auf der Ausgabenseite(vgl. Nr. 2.2), sondern auch auf der Einnahmenseite durchdie langfristige zweckgebundene Festlegung bestimmterSteueranteile in bedenklicher Weise eingeschränkt.

2.3.2 Strukturelle Veränderungen der Steuereinnahmenbasis

Im Vergleich zu den anderen Gebietskörperschaften stei-gen die Steuereinnahmen des Bundes im Jahre 2007 be-

22 Vgl. dazu die komplizierte Regelung in § 1 Finanzausgleichsgesetz,der noch weitere Vorwegabzüge und Umschichtungen zugunsten undzulasten von Bund, Länder und Gemeinden enthält.

23 Außerdem ist ein Teil des Mineralölsteueraufkommens nach Vorschrif-ten des Straßenbaufinanzierungsgesetzes und des Verkehrsfinanzie-rungsgesetzes für Zwecke des Straßenbaus gebunden. Nach haushalts-gesetzlicher Regelung (§ 6 Abs. 7 HG 2007) wird diese Zweckbindungauf sonstige verkehrspolitische Zwecke im Bereich des Bundesminis-teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ausgedehnt.

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Drucksache 16/7100 – 104 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sonders kräftig. Dadurch erhöht sich erstmals seit demJahre 2001 sein Anteil am Gesamtsteueraufkommen von41,7 % (2006) auf 43,1 %. Dies beruht im Wesentlichenauf dem ab dem Jahre 2007 höheren Umsatzsteueranteildes Bundes, den er an die Bundesagentur zur teilweisenDeckung der Absenkung des Arbeitslosenversicherungs-beitrags weiterleitet (vgl. Nr. 2.2.3). Auf einen längerenZeitraum gesehen liegt der Steueranteil des Bundes je-doch deutlich unter dem Niveau früherer Jahre.24 So ent-fiel zu Beginn der 90er-Jahre noch fast die Hälfte allerSteuereinnahmen auf den Bundeshaushalt (vgl. Abbil-dung 9). Nach dem Tiefstand im Jahre 1998 ist der Bun-desanteil dann wieder geringfügig gestiegen, obwohl ei-nige Steuererhöhungen ausschließlich dem Bundeshaushalt

zugeflossen sind. Dies betrifft in erster Linie die demBund in vollem Umfang zustehende Umsatzsteuererhö-hung des Jahres 1998 sowie die höhere Besteuerung desEnergieverbrauchs ab dem Jahre 1999 durch die fünf Öko-steuerstufen (vgl. Nr. 2.3.1).

Fast spiegelbildlich zum Rückgang des Bundesanteilsstiegen die Steueranteile der Länder. Sie bewegen sichseit Jahren in der Größenordnung von 40 %. Die Anteileder Gemeinden sowie der Europäischen Union25 sind seitBeginn der 90er-Jahre relativ konstant geblieben. DerAnteil der Gemeinden im Jahre 2007 entspricht mit13,2 % fast genau dem des Jahres 1990.

24 Gegenüber der Steuerverteilung zu Beginn der 90er-Jahre liegt derBundesanteil immer noch um rund sechs Prozentpunkte niedriger.

25 Der Haushalt der EU finanziert sich im Wesentlichen durch Abfüh-rungen von Zöllen und sog. Eigenmittel aus der Mehrwertsteuer undnach einem Berechnungsschlüssel, der das Bruttonationaleinkom-men zugrunde legt.

A b b i l d u n g 9

Anteile der Gebietskörperschaften am Gesamtsteueraufkommen

0

20

40

60

80

100

Pro

zen

t

1975 1980 1985 1990 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008Jahr

Anteil Bund Anteil Länder Anteil Gemeinden Anteil EU

49,8

48,3

47,2

48,7

44,9

42,3

41,5

41,0

42,5

42,5

43,4

43,5

43,4

42, 2

42,1

41,7

43,1

42,9

34,0

34,8

35, 3

34, 3

38, 5

41,0

41,1

41,3

40,6

40,6

40,0

40,4

40,2

40,6

39,9

39,9 39,5

39,5

13,7

14,0

14,1

13, 3

11,7

11,7

12,1

12,6

12,4

12,2

12,1

11,9

11,7

12,7

13,2

13,8

13, 2

13,1

2,4 2,9 3,4 3,8 4,9 4,9 5,3 5,1 4,5 4,7 4,4 4,2 4,7 4,4 4,8 4,5 4,2 4,5

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 105 – Drucksache 16/7100

Die Veränderungen bei den Steueranteilen von Bund undLändern beruhen insbesondere auf einer Reihe haushalts-wirksamer Maßnahmen, durch die die Steuereinnahmen-basis des Bundeshaushalts nachhaltig verringert wordenist:

● Im Rahmen des im Jahre 1995 neu geregelten bundes-staatlichen Finanzausgleichs hat der Bund zugunstender Länder seinen Anteil an der Umsatzsteuer dauer-haft um sieben Prozentpunkte reduziert. Das ent-spricht Mindereinnahmen im Bundeshaushalt 2007von 12,0 Mrd. Euro.

● Ebenfalls im Jahre 1995 wurden die im Rahmen desvertikalen Finanzausgleichs geleisteten Bundesergän-zungszuweisungen an finanzschwache Länder deut-lich aufgestockt. Im Bundeshaushalt 2007 erhalten dieLänder aus dem Steueraufkommen des Bundes insge-samt 14,6 Mrd. Euro gegenüber 3,7 Mrd. Euro imJahre 1994, also 10,9 Mrd. Euro mehr.

● Das Kindergeld wird seit der Reform des Familien-leistungsausgleichs im Jahre 1996 nach den Regelun-gen des Einkommensteuerrechts als Abzug von derSteuerschuld ausgezahlt. Nach mehrfacher Erhöhungbelaufen sich die Kindergeldleistungen im Jahre 2007auf 34,7 Mrd. Euro (gegenüber 10,9 Mrd. Euro imJahre 1995). Auf den Bundeshaushalt 2007 entfallenhiervon entsprechend seinem Anteil an der Einkom-mensteuer (42,5 %) 14,7 Mrd. Euro Steuerminderein-nahmen.

● Zur Kompensation der Mehrbelastungen der Länderaufgrund der Umstellung und der Verbesserungenbeim Familienleistungsausgleich ist der Länderanteilan der Umsatzsteuer zulasten des Bundes seit demJahre 1996 mehrmals erhöht worden.26 Dies entsprichtSteuermindereinnahmen im Bundeshaushalt 2007 von11,0 Mrd. Euro.

● Im Rahmen der Bahnreform erhalten die Länder nachArtikel 106a Grundgesetz vom Bund seit dem Jahre1996 einen Anteil aus dem Energiesteueraufkommen(früher: Mineralölsteueraufkommen)27 als finanziellenAusgleich für die Regionalisierung des Schienenper-

sonennahverkehrs. Die Einnahmeminderung des Bun-des hieraus beträgt im Jahre 2007 6,7 Mrd. Euro.28

Den steuerlichen Auswirkungen dieser Reformmaßnah-men auf den Bundeshaushalt sind Steuermehreinnahmenvor allem durch den im Jahre 1995 eingeführten Solidari-tätszuschlag (2007: 12,1 Mrd. Euro) sowie weitere nichtgenau bezifferbare Entlastungen gegenüberzustellen.Dies betrifft insbesondere das bis einschließlich des Bun-deshaushalts 1995 als Ausgabe gebuchte Kindergeld, densteuerlichen Kinderfreibetrag sowie die Leistungen fürdie ehemaligen Sondervermögen Deutsche Bundesbahnund Deutsche Reichsbahn. Diese Steuermehreinnahmenund Minderausgaben reichen aber nicht aus, den Rück-gang der Steueranteile aufgrund der beschriebenen syste-matischen und strukturellen Veränderungen auszuglei-chen. Per saldo bestehen für den Bundeshaushalterhebliche jährliche Zusatzbelastungen fort.29

2.3.3 Vertikaler Finanzausgleich (Bundesergänzungszuweisungen)

Die Bundesergänzungszuweisungen (BEZ) haben vorallem seit der Neuordnung des bundesstaatlichen Finanz-ausgleichs ab dem Jahre 1995 erhebliche finanzielle Grö-ßenordnungen erlangt. Aufgrund der Anschlussregelun-gen im Rahmen des Solidarpaktfortführungsgesetzes abdem Jahre 2005 werden die Zuweisungen auf hohem Ni-veau fortgeführt. Im Bundeshaushalt werden die Zuwei-sungen als negative Einnahmen bei Kapitel 6001 Titel016 02 veranschlagt und vermindern das zur Haushalts-finanzierung einsetzbare Steueraufkommen des Bundesentsprechend (vgl. Nr. 2.3.2).

Die BEZ betragen mit 14,6 Mrd. Euro im Jahre 2007 un-gefähr das Doppelte des Finanzvolumens des horizonta-len Länderfinanzausgleichs.30 In den Haushaltsjahren2007 und 2008 entfallen fast 95 % der BEZ auf die neuenLänder und Berlin (vgl. Abbildung 10). Die BEZ umfas-sen

● Allgemeine BEZ an leistungsschwache Länder (der-zeit 11) zur Anhebung ihrer Finanzkraft (2007:2,7 Mrd. Euro),

● Sonderbedarfs-BEZ an die neuen Länder und Berlinwegen teilungsbedingter Sonderlasten und zum Aus-gleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft(2007: 10,4 Mrd. Euro),

26 Vgl. § 1 Sätze 5 ff. Finanzausgleichsgesetz: rund 6,3 Prozentpunktezugunsten der Länder zum Ausgleich zusätzlicher Belastungen imRahmen des neu geregelten Familienleistungsausgleichs.Umsatzsteuerverteilung 2007 nach Finanzausgleichsgesetz: Vorab-Abzug i. H. v. 3,89 % zugunsten des Bundes für Arbeitslosenversi-cherung; vom Rest Vorab-Abzug i. H. v. 5,15 % zugunsten des Bun-des für Rentenversicherung; vom Rest 2,2 % zugunsten der Gemein-den; Umsatzsteueranteile vom verbleibenden Rest: beim Bund49,68 % zuzüglich Festbetrag, bei Ländern 50,32 % abzüglich Fest-betrag. Aufteilung entspricht rechnerisch einem Bundesanteil am gesamtenUmsatzsteueraufkommen 2007 von rund 54,4 % (Länderanteil: rund43,6 %; Gemeindeanteil: rund 2,0 %).

27 Zum 1. August 2006 ist das neue Energiesteuergesetz in Kraft getre-ten und hat das Mineralölsteuergesetz in vollem Umfang abgelöst.Die Bezeichnung „Mineralölsteuer“ wurde durch „Energiesteuer“ er-setzt.

28 Dies entspricht einem Anteil von 17,0 % am veranschlagten Energie-steueraufkommen 2007 (rund 39,5 Mrd. Euro). Die im Haushaltsbe-gleitgesetz 2006 enthaltenen Absenkungen der Regionalisierungs-mittel mit einer Festschreibung auf einen Jahresbetrag von 6,6 Mrd.Euro werden für den Zeitraum ab 2008 teilweise wieder zurückge-nommen. So ist ab dem Jahre 2009 wieder eine Dynamisierung derRegionalisierungsmittel um 1,5 %/Jahr vorgesehen.

29 Außerdem hat der Bund zugesagt, sich ab dem Jahre 2009 an den zu-sätzlich entstehenden Betriebsausgaben für Kinderbetreuungsein-richtungen dauerhaft zu beteiligen; hierzu sollen die Länder einenjährlichen Festbetrag bei der Umsatzsteuerverteilung erhalten, derbis zum Jahre 2014 auf 770 Mio. Euro ansteigt.

30 Das Volumen dürfte im Jahre 2007 etwa in der Größenordnung desVorjahres (2006: rund 7,3 Mrd. Euro) liegen.

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Drucksache 16/7100 – 106 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Sonderbedarfs-BEZ an kleinere alte und neue Länder(10) wegen überdurchschnittlich hoher Kosten politi-scher Führung (2007: 0,5 Mrd. Euro) sowie

● seit dem Jahre 2005 Sonderbedarfs-BEZ in Höhe vonjeweils 1,0 Mrd. Euro an die neuen Länder (ohne Ber-lin) wegen der Kosten struktureller Arbeitslosigkeit.

Die letztgenannten Sonderbedarfs-BEZ sollen dieaufgrund der vergleichsweise hohen Langzeitarbeits-losigkeit in den neuen Ländern entstehenden überpro-portionalen Lasten im Zusammenhang mit der Zusam-menführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe fürErwerbsfähige abdecken. Hierfür erhält der Bund ei-nen entsprechend erhöhten Anteil am Umsatzsteuer-aufkommen in Form eines Festbetrags von jährlich1,0 Mrd. Euro.31 Im Jahre 2010 wird überprüft, ob und

in welcher Höhe diese Sonderlasten der neuen Länderab dem Jahre 2011 auszugleichen sind.32

Auf der Grundlage des Solidarpaktfortführungsgesetzesaus dem Jahre 2001, das die Bund-Länder-Finanzbezie-hungen für den Zeitraum von 2005 bis einschließlich 2019regelt, werden die BEZ insbesondere für die neuen Länderund Berlin weiterhin in einem hohen Maße Steuereinnah-men des Bundes binden. Allein die im Rahmen des Soli-darpakts II aus dem sogenannten Korb I33 zugewiesenenSonderbedarfs-BEZ „zur Deckung von teilungsbedingtenSonderlasten aus dem bestehenden starken infrastruktu-rellen Nachholbedarf und zum Ausgleich unterproportio-naler kommunaler Finanzkraft“ belaufen sich im Zeit-raum 2005 bis 2019 auf insgesamt 105,3 Mrd. Euro.

31 Vgl. § 11 Abs. 3a Satz 1 und 2 i. V. m. § 1 Satz 4 Finanzausgleichs-gesetz.

32 Vgl. § 11 Abs. 3a Satz 3 Finanzausgleichsgesetz.33 Korb I umfasst die in § 11 Abs. 3 FAG gesetzlich fixierten Bundeser-

gänzungszuweisungen, die im Rahmen des vertikalen Finanzaus-gleichs gewährt werden.

A b b i l d u n g 10

Volumen und Aufteilung der Bundesergänzungszuweisungen auf alte und neue Länder

BEZ Alte Länder BEZ Neue Länder

3,5 3,5

3,5 3,7

3,7 3,8

3,2

3,0

2,5

2,2

0,8

0,8

0,8 0,9

9,4 9,4 9,4 9,4 9,5 9,6

9,4

12

,8

12

,7

12,9

13,8

13,9

13,8

13

,8

3,7

1,4

1989 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Jahr

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

16,0

Mrd

. Eur

o

Page 107: Deutscher Bundestag Drucksache 7100 · 11. 2007 Zugeleitet mit Schreiben des Bundesrechnungshofes vom 21. November 2007 gemäß § 97 Abs. 1 der Bundeshaushalts-ordnung. Unterrichtung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 107 – Drucksache 16/7100

Die neuen Länder und Berlin erhalten die Sonderbedarfs-BEZ wegen teilungsbedingter Sonderlasten nach einemgesetzlich festgelegten Aufteilungsschlüssel34: ● Sachsen 26,08 %● Berlin 19,02 %● Sachsen-Anhalt 15,73 %● Brandenburg 14,33 %● Thüringen 14,31 %● Mecklenburg-Vorpommern 10,54 %

Die Mittel beliefen sich in den Jahren 2002 bis 2005 aufjährlich 10,5 Mrd. Euro. Ab dem Jahre 2006 sind sie de-gressiv ausgestaltet. Für den Finanzplanungszeitraum unddie Folgejahre sind bestimmte Festbeträge gesetzlich35

festgeschrieben (vgl. Tabelle 3). Der Bundeshaushalt wirddamit auf der Einnahmenseite bis zum Ende des aktuellenFinanzplanungszeitraums im Jahre 2011 um insgesamt rund2,5 Mrd. Euro gegenüber der Jahresrate 2006 entlastet.Mit Ablauf 2019 laufen die Sonderbedarfs-BEZ aus.

34 Vgl. § 11 Abs. 3 Satz 2 Finanzausgleichsgesetz. 35 Vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 Finanzausgleichsgesetz.

Ta b e l l e 3

Sonderbedarfs-BEZ an die neuen Länder und Berlin (Solidarpakt II – Korb I)

JahrSonderbedarfs-BEZ Rückgang gegenüber

Vorjahr Rückgang gegenüber

Vorjahr

Mrd. Euro Mrd. Euro Prozent

2006 10,48 0,05 0,5

2007 10,38 0,10 1,0

2008 10,23 0,15 1,5

2009 9,51 0,72 7,0

2010 8,74 0,77 8,1

2011 8,03 0,72 8,2

2012 7,26 0,77 9,6

2013 6,54 0,72 9,9

2014 5,78 0,77 11,7

2015 5,06 0,72 12,4

2016 4,29 0,77 15,2

2017 3,58 0,72 16,7

2018 2,81 0,77 21,4

2019 2,10 0,72 25,5

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Drucksache 16/7100 – 108 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Neben den Zahlungen im Rahmen des Finanzausgleichshat sich der Bund verpflichtet, aus dem sogenanntenKorb II im Zeitraum 2005 bis 2019 rund 51 Mrd. Euroüberproportionale Haushaltsleistungen für den Auf- undAusbau wesentlicher Politikfelder36 in den neuen Ländernzu erbringen. Nach einer im November 2006 zwischenBund und Ländern erzielten Einigung sollen diese Leis-tungen von 5,8 Mrd. Euro im Jahre 2005 schrittweise auf1,7 Mrd. Euro im Jahre 2019 zurückgeführt werden.

Über die zweckentsprechende Verwendung der erhal-tenen Mittel aus Sonderbedarfs-BEZ und über diefinanzwirtschaftliche Entwicklung der Länder- und Kom-munalhaushalte einschließlich der Begrenzung der Netto-neuverschuldung berichten die neuen Länder und Berlindem Finanzplanungsrat jährlich in sogenannten Fort-schrittsberichten „Aufbau Ost“.37 Die – erstmals imJahre 2003 – vorgelegten Fortschrittsberichte werden zu-sammen mit einer Stellungnahme der Bundesregierungim Finanzplanungsrat erörtert.

Die Fortschrittsberichte für das Berichtsjahr 2005 wurdenvon den berichtspflichtigen Ländern fristgerecht bis Sep-tember 2006 der Bundesregierung übermittelt. DerFinanzplanungsrat hat die Fortschrittsberichte und dieStellungnahme der Bundesregierung hierzu am 10. No-vember 2006 erörtert.38 Aus der Stellungnahme der Bun-desregierung ergibt sich, dass die investive Verwendungder Sonderbedarfs-BEZ deutlich zugenommen hat. Sielag bei den ostdeutschen Flächenländern bei 48 % gegen-über 39 % im Jahre 2004. Auch insgesamt ist ein Anstiegdes sachgerechten Einsatzes, d. h. für Infrastrukturinves-titionen und zum Ausgleich der unterproportionalen kom-munalen Finanzkraft, zu verzeichnen. Allerdings lag diedurchschnittliche Verwendungsquote in den ostdeutschenFlächenländern mit 61 % (5,2 Mrd. Euro) immer nochunter einer vollständigen bestimmungsgemäßen Verwen-dung (8,5 Mrd. Euro). Zudem sind die Unterschiede inden einzelnen Ländern mit einer Bandbreite zwischen95 % (Sachsen) und 34 % bzw. 35 % (Thüringen, Sach-sen-Anhalt) noch sehr groß. In Berlin wurden die Sonder-bedarfs-BEZ von 2,0 Mrd. Euro wie in den Vorjahrenvollständig konsumtiv verwendet.

Aufgrund der verbesserten gesamtwirtschaftlichen Rah-mendaten und der positiven Steuereinnahmenentwick-lung dürfte es den neuen Ländern und Berlin in denkommenden Jahren leichter fallen, die im Solidarpakt-fortführungsgesetz normierten Verwendungszwecke stär-ker einzuhalten. Der Finanzplanungsrat hat in diesem Zu-sammenhang zu Recht auf die politische Verantwortung

der Länder hingewiesen, die Infrastrukturlücke bis zumJahre 2020 abzubauen. Allerdings haben Finanzplanungs-rat und Bundesregierung über derartige Appelle hinauskeine rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die soli-darpaktgemäße Mittelverwendung. Hierzu hätte es zu-mindest einer Ermächtigung im Finanzausgleichsgesetzbedurft, die Sonderbedarfs-BEZ im Fall einer wesentli-chen Abweichung von den zugrunde gelegten Erwartun-gen zu überprüfen.39

Das Bundesministerium hat darauf hingewiesen, dasssich die solidarpaktgerechte Verwendungen der Sonder-bedarfs-BEZ stetig verbessert habe und sich dieser Trendfür das Jahr 2006 fortsetze. Im Übrigen dienten die Son-derbedarfs-BEZ nach Artikel 107 Abs. 2 Grundgesetz derergänzenden Deckung des allgemeinen Finanzbedarfsund seien nicht zweckgebunden. Die mit dem Solidarpakt IIbeabsichtigte Planungssicherheit für die neuen Länder aufder Einnahmenseite wäre durch rechtliche Einwirkungs-möglichkeiten des Bundes reduziert worden.

Der Bundesrechnungshof teilt die Einschätzung des Bun-desministeriums zur bestehenden Rechtslage. Angesichtsder degressiven Jahrestranchen sollten die neuen Länderund Berlin aber aus eigenem Interesse heraus den Mittel-einsatz im Sinne des Solidarpaktes weiter verstärken, umden infrastrukturellen Auf- und Ausbau bis spätestenszum Ende des Förderzeitraums abzuschließen. Diesdürfte jedoch nur möglich sein, wenn deren Konsolidie-rungsanstrengungen bei den – mit Ausnahme Sachsens –immer noch überproportional hohen konsumtiven Ausga-ben vor allem im Bereich des Personals fortgesetzt wer-den.

2.3.4 Sonstige Einnahmen

Die sonstigen Einnahmen40 tragen neben den Steuerein-nahmen maßgeblich zur Haushaltsfinanzierung bei. ImBundeshaushalt 2007 ist dafür ein Betrag von 30,4 Mrd.Euro veranschlagt (vgl. Abbildung 11). Damit liegen diesonstigen Einnahmen deutlich unter dem Höchststand desHaushaltsjahres 2005 (38,5 Mrd. Euro). Im Jahre 2005trugen zur Haushaltsfinanzierung Beteiligungserlöse(8,9 Mrd. Euro) sowie hohe Einnahmen aus der Inan-spruchnahme von Gewährleistungen bei, von denen6,8 Mrd. Euro aus vorzeitigen Rückzahlungen insbeson-dere von Russland und Polen stammten. Auch von den imJahre 2006 erzielten Gewährleistungseinnahmen entfielein großer Teil auf vorzeitige Rückzahlungen.

Im Übrigen sind die Veränderungen bei den sonstigenEinnahmen vor allem auf die unterschiedlich hohen Er-löse aus der Veräußerung von Beteiligungen und sonsti-

36 Dazu gehören insbesondere Wirtschaft, Verkehr, Wohnungs- undStädtebau, Forschung und Entwicklung, EU-Strukturfondsmittel,ökologische Altlasten, Sportbereich.

37 Vgl. § 11 Abs. 4 Satz 2 Finanzausgleichsgesetz 2001 sowie – für denZeitraum ab 2005 – § 11 Abs. 3 Satz 3 Finanzausgleichsgesetz 2005.

38 Zudem wurde die Stellungnahme der Bundesregierung mit Zustim-mung der Länder dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestageszur Unterrichtung vorgelegt (Haushaltsausschussdrucksache 16/2911vom 6. Juni 2007).

39 Dies hatte der Bundesrechnungshof seinerzeit empfohlen – vgl. Be-merkungen 2002, Bundestagsdrucksache 15/60 Nr. 2.4.2.3.

40 Hierzu gehören insbesondere Verwaltungseinnahmen (vor allem Ge-bühren), Beteiligungserlöse, Rückflüsse aus Darlehen und Gewähr-leistungen, die Gewinnabführung der Deutschen Bundesbank sowieMünzeinnahmen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109 – Drucksache 16/7100

gem Kapitalvermögen zurückzuführen (vgl. Abbil-dung 11). Die aus den Vermögensverwertungen erzieltenErlöse wurden verstärkt zur Haushaltsfinanzierung einge-setzt, um die Nettokreditaufnahme zu begrenzen. Den-noch überschritten die Bundeshaushalte im Zeitraum2002 bis 2006 die verfassungsrechtliche Regelkreditgrenzezum Teil erheblich (vgl. Nr. 2.4.1).

Insgesamt hat der Bund im Zeitraum 1995 bis 2006 Kapi-tal- und Beteiligungsvermögen in der Größenordnungvon 86 Mrd. Euro verwertet und die Erlöse hieraus zurFinanzierung des laufenden Haushalts eingesetzt. Eine

Tilgung bestehender Schulden fand nicht statt. Ob die imBundeshaushalt 2007 veranschlagten Privatisierungsein-nahmen von 9,2 Mrd. Euro aufgrund der günstigen Ent-wicklung bei den Steuereinnahmen in geringeremUmfang realisiert werden, bleibt abzuwarten. Im Haus-haltsentwurf 2008 sind mit 10,7 Mrd. Euro wieder stei-gende Erlöse aus Vermögensverwertungen zur Haushalts-finanzierung veranschlagt. Für den Zeitraum von 2008bis 2011 sind insgesamt Verwertungserlöse in der Grö-ßenordnung von 30 Mrd. Euro zum Haushaltsausgleichvorgesehen, im letzten Finanzplanungsjahr 2011 immer-hin noch rund 6,8 Mrd. Euro.

A b b i l d u n g 11

Entwicklung der sonstigen Einnahmen

1 2005/2006 einschließlich vorzeitiger Rückzahlungen im Bereich der Gewährleistungen.0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

30,0

35,0

40,0

Mrd

. Eur

o

18,3 18,0

21,6

24,7

19,8

24,1

30,2

28,3

21,8

26,525,4

26,225,1

38,5

29,230,4

33,2

0,0

0,1 0,6

6,1

2,1

5,0

11,5

8,2

3,7

7,6

5,3

5,1

8,6

15,7

6,8

9,2

10,7

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Drucksache 16/7100 – 110 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesrechnungshof vertritt die Auffassung, dassEinnahmen aus Vermögensverwertungen grundsätzlichnicht zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung eingesetztwerden sollten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sieeine desinvestive Wirkung haben, denn sie verminderndas Vermögen des Bundes dauerhaft und engen damit diefinanzwirtschaftlichen Handlungsspielräume für dienachfolgenden Haushalte zusätzlich ein. Zum Haushalts-ausgleich verwendete Privatisierungseinnahmen wirkenzudem nicht nachhaltig im Hinblick auf eine Verbesse-rung der Haushaltsstruktur. Sie erwecken nur den An-schein einer Konsolidierung, da die zum Haushaltaus-gleich erforderliche Nettokreditaufnahme entsprechendniedriger ausfällt. Folgerichtig werden Privatisierungser-löse im Verfahren zur Ermittlung des öffentlichen Defi-zits nach dem EG-Vertrag und dem Europäischen Stabili-täts- und Wachstumspakt auch nicht als defizitminderndeEinnahmen berücksichtigt.

Privatisierungseinnahmen sollten daher – unter Nutzung derhaushaltsgesetzlichen Ermächtigung41 – dazu verwendetwerden, bestehende Schulden zu tilgen und damit zum Ab-bau des hohen Schuldenstandes beizutragen (vgl. Bemer-kungen 1999, Bundestagsdrucksache 14/1667 Nr. 2.3.2).Dies würde sicherstellen, dass dem Abbau von Vermö-genswerten eine entsprechende Reduzierung der Schul-den und damit eine Entlastung bei den Zinsausgaben inden kommenden Haushalten gegenüber steht. Der Vermö-gensabbau sollte – auch im Sinne einer verstärkten Gene-rationengerechtigkeit – mit dem Schuldenabbau korres-pondieren.

2.4 Nettokreditaufnahme

2.4.1 Langfristige Entwicklung und Risiken

Die Nettokreditaufnahme des Bundes hat sich seit An-fang der 90er-Jahre – auch als Folge der finanziellen Aus-wirkungen der Wiedervereinigung – auf eine Größenord-nung zwischen 20 und 40 Mrd. Euro eingependelt (vgl.Tabelle 4). In den Jahren 2002 bis 2005 lag sie zudem imHaushaltsabschluss deutlich über den ursprünglich veran-schlagten Soll-Werten. Nicht zuletzt deshalb mussten in

diesem Zeitraum drei Nachtragshaushalte (2002 bis 2004)aufgestellt werden. Im Jahre 2006 war das Haushalts-ergebnis (27,9 Mrd. Euro) erstmals wieder besser als dasSoll (38,3 Mrd. Euro). Auch für das Jahr 2007 ist mit ei-ner Unterschreitung der veranschlagten Nettokreditauf-nahme (19,6 Mrd. Euro) zu rechnen. Im Haushaltsent-wurf 2008 ist mit 12,9 Mrd. Euro der niedrigste Wert seitdem Haushaltsergebnis des Jahres 1989 (9,8 Mrd. Euro)veranschlagt.

In den Bundeshaushalten 2002 bis 2006 wurde die Ein-haltung der Regelkreditgrenze des Artikels 115 Abs. 1Satz 2 Grundgesetz42 durchgehend verfehlt. Das Verhältnisder Nettokreditaufnahme zur Summe der Investitionsaus-gaben (Kreditinvestitionsquote) betrug in diesem Zeit-raum zwischen 123 % und 176 % (vgl. Tabelle 4). Ab demJahre 2007 geht die Kreditinvestitionsquote deutlich zu-rück und wird im Haushaltsentwurf 2008 erstmals wiederdas Niveau des Jahres 1989 erreichen. Der Anteil derdurch die Nettokreditaufnahme gedeckten Gesamtausgaben(Kreditfinanzierungsquote) weist eine ähnliche Ent-wicklung auf. Nachdem die Kreditfinanzierungsquote imJahre 2004 mit 15,7 % ihren seit dem Jahre 1996 höchs-ten Stand hatte, ist sie seitdem rückläufig und wird abdem Jahre 2007 merklich unter dem Durchschnitt derletzten zehn Jahre liegen (vgl. Tabelle 4). Die Quote desHaushaltsentwurfs 2008 erreicht nach Aussagen des Bun-desministeriums mit 4,6 % den niedrigsten Stand seit demJahre 1973. Dieser Wert relativiert sich allerdings, wennman die Einnahmen aus Einmaleffekten berücksichtigt,die mit 10,7 Mrd. Euro etwa 3,8 % des Haushaltsvolu-mens 2008 entsprechen.

Nach dem aktuellen Finanzplan soll sich der weitereRückgang der Nettokreditaufnahme schrittweise fortset-zen und spätestens im Jahre 2011 ein ohne Neuverschul-dung ausgeglichener Bundeshaushalt aufgestellt werden(vgl. Tabelle 4). Gegenüber dem bisherigen Finanzplan,der bis zum Jahre 2010 Nettokreditaufnahmen zwischen22 und 20 Mrd. Euro jährlich vorsah, reduziert sich diegeplante Nettoneuverschuldung im Zeitraum 2008 bis2010 um insgesamt rund 34 Mrd. Euro.

41 Vgl. für den Bundeshaushalt 2007: § 2 Abs. 2 Satz 3 Haushaltsgesetz2007.

42 Die Regelkreditgrenze entspricht der Summe der im Haushaltsplanveranschlagten Ausgaben für Investitionen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 111 – Drucksache 16/7100

Ta b e l l e 4

Entwicklung der Nettokreditaufnahme in Soll und Ist (auch im Vergleich zur Regelkreditgrenze des Artikels 115 GG)1

1 Die Quoten beziehen sich für den Zeitraum bis 2006 auf Ist-Zahlen, danach auf Soll-Werte; Überschreitungen der Regelkreditgrenze sind grauunterlegt.

2 Im Jahre 1990 gab es drei Nachtragshaushalte.3 2007/2008 auf Basis der Frühjahrsprojektion 2007 der Bundesregierung.

Jahr

NKA-Soll gem.

ursprüng-lichem

Haushalt

NKA-Soll gem.

Nachtrag2NKA-Ist

Investitions-ausgaben = Regelkredit-

grenze

Kredit-investitions-

quote

Kredit-finanzie-

rungsquote

Nachricht-lich: Reale

Wachs-tumsrate des BIP3

Mrd. Euro Prozent Prozent/BIP1983 20,9 16,1 16,0 100,6 12,8 1,61984 17,2 16,0 14,5 17,2 84,3 11,3 2,81985 12,8 11,5 17,1 67,3 8,7 2,31986 12,1 11,7 16,8 69,6 8,8 2,31987 11,4 14,0 17,0 82,4 10,2 1,41988 15,1 19,8 18,1 17,1 105,8 12,9 3,71989 14,3 14,2 9,8 18,5 53,0 6,6 3,91990 13,8 34,2 23,9 20,1 118,9 12,3 5,31991 34,0 31,6 26,6 31,5 84,4 13,0 5,11992 23,2 20,7 19,7 33,7 58,5 9,0 2,21993 22,0 34,6 33,8 33,3 101,5 14,5 – 0,81994 35,3 25,6 31,3 81,8 10,6 2,71995 25,1 25,6 34,0 75,3 10,8 1,91996 30,6 40,0 31,2 128,2 17,2 1,01997 27,2 36,2 32,6 28,8 113,2 14,4 1,81998 28,8 28,8 29,2 98,6 12,3 2,01999 27,4 26,1 28,6 91,3 10,6 2,02000 25,3 23,8 28,1 84,7 9,7 3,22001 22,3 22,8 27,3 83,5 9,4 1,22002 21,1 34,6 31,9 24,1 132,4 12,8 0,02003 18,9 43,4 38,6 25,7 150,2 15,0 – 0,22004 29,3 43,5 39,5 22,4 176,3 15,7 1,22005 22,0 31,2 22,9 136,2 12,0 0,92006 38,2 27,9 22,7 122,9 10,7 2,72007 19,6 24,0 81,7 7,2 2,32008 12,9 24,3 53,1 4,6 2,42009 10,5 24,1 43,6 3,7 .2010 6,0 24,1 24,9 2,1 .2011 0,0 23,7 0,0 0,0 .

1983–2007 613,7 618,6 99,2 %/Jahr 2,1 %/Jahr

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Drucksache 16/7100 – 112 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der im Finanzplan vorgesehene Rückgang der Nettokre-ditaufnahme beruht auf mehreren Faktoren:

● Durch das für diesen Zeitraum zugrunde gelegte ste-tige Wirtschaftswachstum (real 1,8 % im Durch-schnitt der Jahre 2008 bis 2011) verbessert sich auchdie Lage des Bundeshaushalts aufgrund der konjunk-turell bedingten Minderausgaben bei den Sozialtrans-fers sowie der höheren Steuereinnahmen.

● Positive Auswirkungen auf den Bundeshaushalt habendaneben die Konsolidierungsmaßnahmen, die insbe-sondere im Jahre 2006 beschlossen und in Kraft ge-setzt worden sind.43 Hierzu gehören u. a. das Gesetzzur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuchund anderer Gesetze, das Gesetz zur Fortentwicklungder Grundsicherung für Arbeitsuchende, das Haus-haltsbegleitgesetz 2006, das Steueränderungsgesetz2007 sowie das Biokraftstoffquotengesetz. Diesehaushaltswirksamen Maßnahmen helfen dabei, vor al-lem die Einnahmenbasis zu stabilisieren.

● Die veranschlagten Einnahmen aus Vermögensver-wertungen tragen als Einmaleffekte in erheblichemUmfang zur Haushaltsfinanzierung bei und begrenzendamit die Nettokreditaufnahme (vgl. Nr. 2.3.4).

Die finanzwirtschaftliche Bewertung der mittelfristigenHaushaltsentwicklung fällt vor diesem Hintergrund zwie-spältig aus. Einerseits erscheint das finanzwirtschaftlicheUmfeld für die Haushalte 2007/2008 stabiler im Ver-gleich zur Situation der Jahre 2000/2001.44 Andererseitssind gegenüber der Haushaltslage 2000/2001 auch weni-ger günstige Entwicklungen im Bundeshaushalt zu ver-zeichnen:

● Der Schuldenstand ist seit damals erheblich gestiegen(2000: 774 Mrd. Euro; 2007: 930 Mrd. Euro) und wirdsich nach der Finanzplanung weiter erhöhen.

● Der Bestand an Vermögenswerten ist demgegenüberals Folge der zur Haushaltsfinanzierung eingesetztenEinmalmaßnahmen (Beteiligungserlöse, Forderungs-verwertungen im Bereich der Gewährleistungen undPostpensionen) weiter zurückgegangen.45

● Die Haushaltsstruktur auf der Ausgabenseite mit ei-nem hohen Anteil der konsumtiven Sozialtransfers istnach wie vor schlechter als im Jahre 2000 (vgl.Nr. 2.2).

● Die strukturelle Unterdeckung bleibt im Haushalts-entwurf 2008 unter Berücksichtigung der Verwer-tungserlöse nur knapp unterhalb des verfassungsrecht-lichen Regelkreditrahmens von 24,3 Mrd. Euro.

Dem Bundesministerium ist zuzugestehen, dass sich diestrukturelle Unterdeckung im Haushaltsentwurf 2008 ge-genüber der Haushaltslage zu Beginn der Legislatur-periode mehr als halbiert hat. Der Bundeshaushalt isttrotzdem immer noch weit von einem strukturell ausge-glichenen Budget entfernt. Zudem stehen den eingetrete-nen oder sich abzeichnenden Haushaltsentlastungenmittelfristige Haushaltsrisiken gegenüber, die bei derEinschätzung der weiteren Entwicklung der Haus-haltseckwerte zu berücksichtigen sind:

● Bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist mit wei-terhin steigenden Leistungen des Bundes zu rechnen(vgl. Nr. 2.2.2.2).

● Infolge der Veräußerung der Forderungen des Bundes-Pensions-Service für Post und Telekommunikatione. V. (Postbeamtenversorgungskasse) gegen die Post-nachfolgeunternehmen muss der Bund dauerhaft hö-here Ausgaben für die Versorgungs- und Beihilfe-leistungen an ehemalige Postbedienstete in derGrößenordnung von jährlich 6 Mrd. Euro schultern(vgl. Nr. 2.2.2.1).

● Ungeachtet der prognostizierten Fortsetzung des Auf-schwungs am Arbeitsmarkt fällt der Rückgang derArbeitsmarktausgaben noch vergleichsweise geringaus. Trotz der vorgesehenen Entlastungsmaßnahmenbelastet die auf hohem Niveau verharrende struktu-relle Langzeitarbeitslosigkeit einschließlich der damitverbundenen Ausgaben den Bundeshaushalt auch aufmittelfristige Sicht (vgl. Nr. 2.2.3).

● Die Bundeszuschüsse in der gesetzlichen Kranken-versicherung werden sich ab dem Jahre 2009 in Jah-resschritten von 1,5 Mrd. Euro bis auf 14 Mrd. Euroim Jahre 2016 erhöhen (vgl. Nr. 2.2.4.1).

● Die Leistungen für das Elterngeld stellen gegenüberden Ausgaben für das auslaufende Erziehungsgeldeine jährliche Mehrbelastung von über 1 Mrd. Eurodar (vgl. Nr. 2.2.4.2).

● Im Zusammenhang mit der Beendigung des subven-tionierten Steinkohlenbergbaus sollen aus dem Bun-deshaushalt im Zeitraum 2009 bis 2029 insgesamt biszu rund 17 Mrd. Euro an Haushaltsmitteln bereitge-stellt werden; zusätzlich entstehen nicht bezifferbareHaushaltsrisiken für den Bund, da er sich zu einemDrittel an der Ausfallhaftung für die sogenanntenEwigkeitslasten beteiligen soll.

● Vor dem Hintergrund der bislang erfolgten Zinserhö-hungsschritte durch die Europäische Zentralbank istangesichts der hohen Bruttokreditaufnahmen mit zu-sätzlichen Haushaltsbelastungen durch steigendeZinsausgaben zu rechnen (vgl. Nr. 2.2.5).

● Demgegenüber wird der Spielraum für Einnahmenaus Vermögensverwertungen kleiner. Insbesonderedie Bundesanteile an den Postnachfolgeunternehmensind inzwischen ganz (Deutsche Post AG) bzw. weit-

43 Vgl. dazu Bemerkungen 2006, Bundestagsdrucksache 16/3200,Nr. 2.4.2, Tabelle 4.

44 Seinerzeit verzeichnete die Gesamtwirtschaft mit einem realen Wirt-schaftswachstum von 3,2 % (2000) einen erheblichen Zuwachs. Be-reits im Folgejahr verminderte sich das Wachstum auf 1,2 % und fielim Jahre 2002 auf annähernd Null zurück.

45 Die für Haushaltszwecke verwendeten Vermögensverwertungen be-laufen sich im Zeitraum 2000 bis 2007 auf eine Größenordnung von70 Mrd. Euro.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 113 – Drucksache 16/7100

gehend (Deutsche Telekom AG) veräußert.46 Ob undggf. in welcher Höhe der Bund vor allem aus einemBörsengang der Deutschen Bahn AG zusätzliche Ein-nahmen erzielen wird, bleibt abzuwarten.

● Die Gewährleistungseinnahmen gehen ebenfallsspürbar zurück. Wesentlicher Grund hierfür ist, dassder Bund in den Jahren 2004 bis 2006 Sondereinnah-men aus der Kapitalisierung bzw. aus vorzeitigenRückzahlungen der Russischen Föderation und ande-rer Schuldnerländer erzielt hat. Diese Einnahmen feh-len in den kommenden Jahren.

● Ob im Finanzplan bis 2011 ein Bundesbankgewinnvon jeweils 3,5 Mrd. Euro zur Haushaltsfinanzierungeingesetzt werden kann, ist derzeit nicht abschätzbar;seit dem Haushaltsjahr 2004 wurde dieser Haushalts-betrag jedoch nur einmal (2007) erreicht.47

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes besteht vordiesem Hintergrund kein Anlass, in den Spar- und Konso-lidierungsanstrengungen nachzulassen. Sie könnten sogardurchaus stärker ausfallen, wenn man berücksichtigt, dassdie nach der aktuellen Finanzplanung für den Zeitraum2008 bis 2010 erwarteten Steuermehreinnahmen von62 Mrd. Euro nur gut zur Hälfte für den Abbau der Net-tokreditaufnahme (34 Mrd. Euro gegenüber dem altenFinanzplan in den Jahren 2008 bis 2010) eingesetzt wer-den sollen. Das günstige gesamtwirtschaftliche Umfeldsollte demnach genutzt werden, die Konsolidierungsliniekonsequent fortzusetzen und die Rückführung der Neu-verschuldung im Bundeshaushalt zu forcieren, um so frühwie möglich einen ohne Nettokreditaufnahme und Ein-malmaßnahmen ausgeglichenen Bundeshaushalt zu errei-chen. Dies schließt eine konsequente Verwendung nichtgeplanter Mehreinnahmen zur Schuldenreduzierung mitein. Daran anschließend sollte begonnen werden, durchdie Erzielung von Haushaltsüberschüssen die Vorausset-zungen dafür zu schaffen, den angehäuften Schuldenberg,der Ende 2007 bei voraussichtlich 930 Mrd. Euro liegendürfte, wieder abzubauen.

2.4.2 Normative Begrenzung der Nettokreditaufnahme

Die zulässige Nettokreditaufnahme wird durch Artikel 115Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz bestimmt. Die Regelobergrenzefür die Nettoneuverschuldung ist danach die Summe derim Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investi-tionen. Eine Überschreitung ist nur zur Abwehr einer Stö-rung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig.

Nach Artikel 109 Abs. 2 Grundgesetz haben Bund undLänder bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissendes gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zutragen. In Anknüpfung an die verfassungsgerichtliche

Rechtsprechung erfordert dies in konjunkturellen Normal-lagen einen Verzicht auf eine Nettokreditaufnahme, min-destens aber eine Begrenzung der Nettoneuverschuldungdeutlich unterhalb der Regelgrenze.48 Dem Haushaltsge-setzgeber steht bei der Beurteilung, ob die Voraussetzun-gen für eine Überschreitung der Regelkreditgrenze vorlie-gen, ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu.Ihn trifft allerdings im Gesetzgebungsverfahren eine ent-sprechende Darlegungslast, d. h. der Haushaltsgesetzge-ber muss seine Entscheidung, diese Ausnahmeregelung inAnspruch zu nehmen, plausibel begründen.49

Für die Bundeshaushalte 2002, 2003, 2004 und 2006stellte der Deutsche Bundestag jeweils fest, dass eine Stö-rung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorlagund die erhöhte Kreditaufnahme zu ihrer Abwehr geeig-net sei. In dem Normenkontrollverfahren gegen dasHaushaltsgesetz 2004, in dem u. a. die Verletzung desArtikels 115 Abs. 1 Grundgesetz geltend gemacht wordenist, hat das Bundesverfassungsgericht am 9. Juli 2007sein Urteil verkündet. Danach war das Haushaltsgesetz2004 mit Artikel 115 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz nochvereinbar. Das Gericht hat u. a. ausgeführt, dass der Ein-schätzungs- und Beurteilungsspielraum des Gesetzgeberszum Tatbestand der Abwehr einer Störung des gesamt-wirtschaftlichen Gleichgewichts zu respektieren sei. DasGericht hat darauf hingewiesen, dass grundlegende Revi-sionen des Regelungskonzepts der Artikel 115 Abs. 1Satz 2 und Artikel 109 Abs. 2 Grundgesetz dem verfas-sungsändernden Gesetzgeber vorbehalten blieben.50

Vor dem Hintergrund des fortlaufenden Anstiegs der jähr-lichen Nettoneuverschuldung hat der Bundesrechnungs-hof mehrfach dargelegt (vgl. u. a. Bemerkungen 2004,Bundestagsdrucksache 15/4200 Nr. 2.6), dass sich diegeltende verfassungsrechtliche Regelung des Artikels 115Grundgesetz als weitgehend wirkungslos erwiesen hat,den Schuldenaufwuchs im Bundeshaushalt zu begrenzen.Er sieht sich in dieser Bewertung durch die Entscheidungdes Bundesverfassungsgerichts bestätigt.51 Legt man denZeitraum der letzten 25 Jahre zugrunde, so hat der Bund614 Mrd. Euro an neuen Krediten zum Haushaltsaus-gleich aufgenommen; das entspricht rund 25 Mrd. Euroim Jahresdurchschnitt. Im gleichen Zeitraum betrugen dieInvestitionsausgaben insgesamt 619 Mrd. Euro. Die Net-toneuverschuldung hat mit 99 % also fast das Volumender Investitionsausgaben im Bundeshaushalt erreicht(vgl. Tabelle 4). Die Regelkreditgrenze wurde damit überdiesen Zeitraum vollständig ausgeschöpft, obwohl in der-selben Zeitspanne die Gesamtwirtschaft um immerhinrund 2,1 % im Jahresdurchschnitt real gewachsen ist. Inkeinem Jahr wurde ein Haushaltsausgleich ohne Netto-

46 Der börsennotierte Wert der Aktienanteile des Bundes an der Deut-schen Telekom AG lag zum Jahresende 2006 bei 8,95 Mrd. Euro(vgl. Vermögensrechnung des Bundes 2006, Nr. 5.1.1.4.1.2, S. 1373).

47 Die an den Bundeshaushalt abgeführten Beträge betrugen 0,25 Mrd.Euro (2004), 0,68 Mrd. Euro (2005), 2,86 Mrd. Euro (2006) und4,2 Mrd. Euro (2007).

48 Vgl. BVerfGE 79, 311, 334; VerfGH NRW, DÖV 2004, 121–124;VerfGH Berlin, DVBl. 2004, 308, 310.

49 Vgl. BVerfGE 79, S. 311, 342 f.50 Vgl. Urteil des BVerfG vom 9. Juli 2007 (2 BvF 1/04), Leitsatz 3,

Tz. 132, 135, 141-145. In den Minderheitsvoten wird demgegenübervon Verfassungs wegen ein Regelungsauftrag an den Gesetzgeberabgeleitet, den Investitionsbegriff zu konkretisieren und ein Konzeptzum Abbau des Schuldensockels vorzulegen (Tz. 165).

51 Vgl. Urteil des BVerfG vom 9. Juli 2007, Tz. 133–138; 179, 199,219.

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Drucksache 16/7100 – 114 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

kreditaufnahme auch nur annähernd erreicht. Vielmehrlag die Nettokreditaufnahme in den einzelnen Haushalts-jahren durchweg über 50 % der Investitionsausgaben(vgl. Tabelle 4).52

Für diese Entwicklung sind vor allem folgende Faktorenursächlich:

● Der für die Kreditobergrenze maßgebliche haushalts-rechtliche Investitionsbegriff ist weit gefasst mit derFolge, dass die Kreditermächtigung zu hoch ausfällt.Dies gilt vor allem für die Nichtberücksichtigung desWerteverzehrs an hergestellten oder beschafften Inves-titionen der laufenden Periode (Abschreibungen).Ebenfalls keine investitionsmindernde Berücksichti-gung finden Vermögensverwertungen wie der Verkaufvon Beteiligungen, die in ihrer haushaltsmäßigen Wir-kung den Charakter von Desinvestitionen haben.

● Die Ausnahmeregelung des Artikels 115 Abs. 1Grundgesetz ist häufig genutzt worden, um eine hö-here Nettokreditaufnahme zu ermöglichen (1997,2002, 2003, 2004, 2006). In zwei Haushalten (1996,2005) wurde die Regelkreditgrenze im Haushaltsvoll-zug deutlich überschritten, ohne dass ein Nachtrags-haushalt mit entsprechender Begründung vorgelegtworden ist. Wird die Regelkreditgrenze im Haushalts-vollzug überschritten, gibt es nach oben hin keine(weitere) Grenze. Die vom Bundesverfassungsgerichtentwickelte erhöhte Begründungs- und Darlegungslastbei Überschreiten der Regelkreditgrenze bildet in derHaushaltspraxis also kein Hindernis für eine höhere Neu-verschuldung.

● Einmal aufgenommene Schulden können durch neueKredite im Rahmen einer sogenannten Anschluss-finanzierung getilgt werden. Eine Verpflichtung zueiner echten Schuldentilgung ist finanzverfassungs-rechtlich nicht vorgesehen.

● Die Regelung, dass für Sondervermögen Ausnahmenvon der Regelobergrenze zugelassen werden können(Artikel 115 Abs. 2 Grundgesetz), ermöglicht es,durch Bildung von Sondervermögen zusätzlicheSchulden außerhalb der verfassungsmäßigen Kredit-beschränkungen aufzubauen.

● Wirksame Sanktionsmechanismen zur Ahndung vonVerstößen gegen die verfassungsrechtliche Kreditbe-grenzungsregelung gibt es nicht.

Vor diesem Hintergrund erscheint eine grundlegende Än-derung des Regelwerks hin zu einer deutlich wirksamerennormativen Begrenzung der Schuldenaufnahmemöglich-keiten angezeigt, wie sie die Rechnungshöfe von Bundund Ländern bereits im Jahre 2004 gefordert haben.53

Hierzu sollte die bisherige investitionsbezogene Bestim-mung des Artikels 115 Grundgesetz durch eine Regelungersetzt werden, die für die Haushaltspraxis deutlich gerin-

gere Spielräume zur Nettokreditaufnahme eröffnet. Sokönnte vorgeschrieben werden, dass das Ausgabevolu-men über den Konjunkturzyklus hinweg an den Einnah-men ausgerichtet wird. Defiziterhöhende Abweichungenim Haushaltsvollzug wären innerhalb eines vorgegebenenZeitraums auszugleichen. Die Eckpunkte einer solchenRegelung könnten sein:54

● Ein Haushalt ist über den Konjunkturverlauf hinwegin Ausgaben und Einnahmen ohne Nettokreditauf-nahme auszugleichen. Nur in außerordentlichen engumgrenzten krisenhaften Situationen (Rezession, Na-turkatastrophen) darf das Parlament zusätzliche Kre-dite bewilligen.

● Im Haushaltsplan sind einmalige Einnahmen, also ins-besondere Erlöse aus der Verwertung von Beteiligun-gen, nicht für die Haushaltsfinanzierung zu berücksich-tigen. Sie sind ausschließlich zur Tilgung bestehenderAltschulden einzusetzen.

● Fehlbeträge, die infolge höherer Ausgaben oder gerin-gerer Einnahmen gegenüber der Haushaltsplanungentstanden sind, und die durch Kredite im Haushalts-vollzug abgedeckt werden, sind in einem Ausgleichs-konto zu erfassen.

● Ab einer festzulegenden Größenordnung sind dieseFehlbeträge innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumswieder abzubauen. Dies sollte zuvorderst durch Kon-solidierungsmaßnahmen auf der Ausgabenseite umge-setzt werden. Wenn dies nicht in ausreichendem Maßgelingt, sind Einnahmeverbesserungen – z. B. durchsteuerliche Maßnahmen – vorzusehen.

Durch eine solche Regelung würde – von finanzwirt-schaftlichen Krisensituationen abgesehen – die Auf-nahme neuer Kredite dauerhaft verhindert. Zudem wür-den auch die Kriterien des Europäischen Stabilitäts- undWachstumspaktes eingehalten:

● Bei der Defizitquote wäre der erforderliche Abstandzur Obergrenze von 3 % des Bruttoinlandsproduktesgewährleistet.

● Die Schuldenquote – also das Verhältnis der Gesamt-verschuldung zum Bruttoinlandsprodukt – würdenachhaltig auf einen Wert unter 60 % des Brutto-inlandsproduktes gesenkt.

Einige Experten halten am Prinzip des intergenerativenAusgleichs grundsätzlich fest und schlagen vor, durcheine investitionsbezogene Verschuldungsregel eine Kre-ditfinanzierung von Investitionen auch in wirtschaftlichenNormalzeiten zu ermöglichen.55 Allerdings soll der bishe-rige Investitionsbegriff deutlich enger gefasst werden.56

52 Die niedrigste Kreditinvestitionsquote im Beobachtungszeitraumwies der Bundeshaushalt 1989 mit 53 % aus.

53 Vgl. Beschluss der Präsidentenkonferenz der Rechnungshöfe vonBund und Ländern vom 5. Mai 2004 mit der Empfehlung einer neuenVerschuldungsregelung mit „mehr Biss“.

54 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaft-lichen Entwicklung, Expertise „Staatsverschuldung wirksam be-grenzen“ vom 12. März 2007, Tz. 10–15; 135–170.

55 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaft-lichen Entwicklung, Expertise „Staatsverschuldung wirksam be-grenzen“, Tz. 7–9; 67–77; 116–133.

56 Unbeschadet einer umfassenden Verschuldungsneuregelung habensich auch die Rechnungshöfe von Bund und Ländern bereits im Mai2001 für einen engeren Investitionsbegriff ausgesprochen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115 – Drucksache 16/7100

Kreditaufnahmen sollen nur noch bis zur Höhe der eigen-finanzierten Nettoinvestitionen zulässig sein. Hierzu wä-ren von den Brutto-Investitionsausgaben insbesondereAbschreibungen aufgrund des Werteverzehrs, alle Ein-nahmen aus Vermögensverwertungen wegen ihrer des-investiven Wirkung sowie die Zuschüsse an Private undan das Ausland abzuziehen.57

Unter finanzwirtschaftlichen Aspekten erscheint es dem-gegenüber durchaus sinnvoll, zumindest in konjunkturel-len Normallagen keine Kreditfinanzierung von Netto-investitionen zuzulassen:

● Nach den Erfahrungen der Vergangenheit besteht dieGefahr, dass in der Haushaltspraxis die investitionsbe-zogenen Kreditfinanzierungsmöglichkeiten unabhän-gig von der konjunkturellen Lage weitgehend ausge-schöpft würden; hierdurch entstünde ein permanenterNeuverschuldungssockel.

● Zusammen mit dem Neuverschuldungsspielraum, dendie Schuldenbremse in wirtschaftlichen Krisenzeiteneröffnet, könnte hierdurch die notwendige schnelleRückführung der Schuldenquote zumindest verzö-gert werden.

● Angesichts der bereits bestehenden hohen Staatsver-schuldung sowie der wachsenden Belastungen auf-grund der demografischen Entwicklung erscheint ein(zusätzlicher) intergenerativer Ausgleich zulastennachfolgender Generationen durch Zulassung einer in-vestitionsbezogenen Kreditfinanzierung nicht notwen-dig.

● Durch den Verzicht auf eine investitionsbezogene Kre-ditfinanzierung würde der Bund verdeutlichen, dass er– dem Beispiel einiger Länder folgend58 – einen

Haushaltsausgleich ohne Neuverschuldung als Re-gelfall dauerhaft sicherstellen will.

Das Bundesministerium hat darauf verwiesen, dass dieBundesregierung das Ziel einer nachhaltigen Haushalts-konsolidierung durch die Konzeption einer stringentennormativen Schuldenbegrenzung begleite. Sie habe dasThema in die Beratungen der Kommission zur Moderni-sierung der Bund/Länder-Finanzbeziehungen einge-bracht, in der es einen Beratungsschwerpunkt bilde. DerBundesrechnungshof unterstützt dieses Reformprojekt(vgl. Nr. 2.6.2).

2.5 Verschuldung und Schuldendienst

Zum Jahresende 2006 betrug die Gesamtverschuldungdes Bundes 917 Mrd. Euro. Sie setzte sich zusammen ausSchulden des Bundeshaushalts in Höhe von 902 Mrd.Euro sowie der Sondervermögen (ERP und Entschädi-gungsfonds) in Höhe von 15 Mrd. Euro. Zum Ende 2007ist mit einem Gesamtschuldenstand in der Größenordnungvon 930 Mrd. Euro zu rechnen (vgl. Abbildung 13). DieGesamtverschuldung des Bundes wird sich dann gegen-über dem Beginn der 90er-Jahre (1989: 255 Mrd. Euro)um mehr als das Dreieinhalbfache erhöht haben.

In den Haushaltsjahren 2004 bis 2006 gab es keine Til-gungen beim Sondervermögen Erblastentilgungsfonds,da die Gewinnabführungen der Deutschen Bundesbankvollständig zur Haushaltsfinanzierung eingesetzt wordensind. Im März 2007 hat die Deutsche Bundesbank ihrenfür das Geschäftsjahr 2006 ausgewiesenen Bilanzgewinnvon 4,2 Mrd. Euro an den Bund abgeführt. Der über3,5 Mrd. Euro liegende Betrag (0,7 Mrd. Euro) wurdeentsprechend der gesetzlichen Regelung59 zur Schulden-tilgung beim Erblastentilgungsfonds eingesetzt. Den fort-währenden Schuldenzuwachs steht damit erstmals seitdem Jahre 2003 wieder ein – wenn auch nur geringfügi-ger – Schuldenrückgang gegenüber. Aufgrund der imFinanzplanungszeitraum vorgesehenen rückläufigen Net-tokreditaufnahmen wird auch der Schuldenstand langsa-mer als in den letzten Jahren ansteigen und im letztenFinanzplanungsjahr 2011 mit 960 Mrd. Euro unterhalbder Billionengrenze bleiben (vgl. Abbildung 12).

57 Nach der abweichenden Meinung im Urteil des BVerfG vom 9. Juli2007 ist der Nettoinvestitionsbegriff bereits aus der geltenden Ver-fassungsregelung abzuleiten, vgl. Tz. 171, 212–216.

58 Im Haushaltsjahr 2007 weisen drei Bundesländer (Bayern, Mecklen-burg-Vorpommern, Sachsen) ausgeglichene bzw. Überschüsse auf-weisende Haushaltspläne aus. Bayern hat im Jahre 2000 ein grund-sätzliches Kreditaufnahmeverbot in seiner Landeshaushaltsordnung(LHO) mit Wirkung ab dem Jahre 2006 normiert. Baden-Württem-berg und Hamburg haben im Jahre 2007 ebenfalls in der LHO veran-kerte Schuldenbremsen eingeführt. 59 Vgl. § 6 Abs. 1 Erblastentilgungsfondsgesetz.

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Drucksache 16/7100 – 116 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A b b i l d u n g 12

Verschuldung des Bundes einschließlich seiner Sondervermögen

Sondervermögen

Bundesschuld

55

118

201 27

7

300

310 35

0

364

386 42

6 460 488

708

716

697

720 76

1 803 87

3 902 930

943

954

960

960

24

1 14

271 26

7 264 25

7

56 58 59

59

57

15

15

97

48

59

29

3

2

34

11

9

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1 000

Mrd

. Eur

o

FinanzplanJahr

1970

1975

1980

1985

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

Aufgrund des bestehenden hohen Schuldenstandes muss der erreicht mittlerweile ein jährliches Volumen von bis zu

Bund in erheblichem Umfang Kredite aufnehmen, um dieAusgaben für die Tilgung fällig werdender Kredite frühererJahre zu finanzieren. Diese sogenannte Anschlussfinan-zierung ist in den letzten Jahren erheblich angestiegen und

220 Mrd. Euro (vgl. Abbildung 13). Die Bruttokreditauf-nahme, also die Summe von Anschlussfinanzierung undNettokreditaufnahme unter Berücksichtigung der Eigenbe-standsveränderungen, liegt dementsprechend noch etwas höher.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 117 – Drucksache 16/7100

A b b i l d u n g 13Entwicklung der Bruttokreditaufnahme1

1 Unter Einbeziehung der Eigenbestandsveränderungen.

Anschlussfinanzierung (Schuldentilgung)Nettokreditaufnahme

13,9

11,5 23

,9

25,6 40

,0

32,6

28,9

26,1

23,8

22,8 31

,8 38,6

39,5

31,2

27,9

19,6

12,9

10,5

16,6

23,3

41,8

60,6

56,9

96,6

95,5 11

8,0

125,

9

107,

1

143,

4

182,

2

192,

6

198,

2

211,

0

218,

4

218,

9

215,

6

215,

1

220,

0

6,0

0,0

50,0

100,0

150,0

200,0

250,0

Mrd

. Eur

o

Finanzplan

1980 1985 1990 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

Jahr

Die Anschlussfinanzierung wird wegen der haushaltsge- Mitgliedstaaten im Rahmen der Europäischen Währungs-

setzlich vorgeschriebenen Nettoveranschlagung nicht imHaushaltsplan, sondern nur in der Finanzierungsübersichtausgewiesen. Im Zuge der Tilgung fällig gewordenerWertpapiere müssen neue Kredite in entsprechenderHöhe aufgenommen werden. Es findet somit per saldokeine Schuldentilgung statt, Schuldenstand und die Zins-last werden vielmehr weitergewälzt. Aufgrund des höhe-ren Zinsniveaus können sich erhebliche Zinsmehrausga-ben für den Bundeshaushalt ergeben. Bei einerAnschlussfinanzierung im Umfang von rund 220 Mrd.Euro würde ein Anstieg des jahresdurchschnittlichenZinsniveaus um einen Prozentpunkt rechnerisch Zins-mehrausgaben von jährlich rund 2 Mrd. Euro bedeuten.

2.6 Haushaltsdisziplin im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion

2.6.1 Gesamtstaatliche Stabilitätsverpflichtungen gegenüber der EU

2.6.1.1 Referenzwerte und Verfahren zur Über-wachung der Stabilitätsverpflichtungen

Gemäß Artikel 104 Abs. 1 des Vertrags von Maastrichtzur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sind die

union verpflichtet, „übermäßige öffentliche Defizite“ zuvermeiden. Die hierfür maßgeblichen Referenzwerte be-tragen

● 3 % für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen De-fizit und dem Bruttoinlandsprodukt (Defizitquote) so-wie

● 60 % für das Verhältnis zwischen dem öffentlichenSchuldenstand (d. h. der Brutto-Gesamtschuldenstandam Jahresende) und dem Bruttoinlandsprodukt(Schuldenquote).

Die Referenzwerte dieser beiden finanzpolitischen Stabi-litätskriterien gelten als Obergrenzen, d. h. bei Über-schreitung dieser Kriterien besteht ein übermäßiges Defi-zit, soweit nicht besondere Umstände vorliegen. Darüberhinaus haben sich die Mitgliedstaaten im EuropäischenStabilitäts- und Wachstumspakt vom Juni 1997 ver-pflichtet, mittelfristig nahezu ausgeglichene oder Über-schüsse aufweisende Haushalte anzustreben.

Um die Haushaltsentwicklung zu überwachen und Anzei-chen möglicher finanzwirtschaftlicher Fehlentwicklungenerkennen zu können, wurde ein sogenanntes Frühwarn-system eingerichtet. Hierzu legen die Mitgliedstaaten

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Drucksache 16/7100 – 118 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dem Rat der Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN-Rat) und der Europäischen Kommission jährlich Stabili-tätsprogramme bzw. Konvergenzprogramme60 vor, in de-nen die mittelfristigen haushaltspolitischen Ziele darge-legt werden. Die Umsetzung der Programme wird von derKommission und vom ECOFIN-Rat überwacht. Danebenüberprüft die Kommission anhand der genannten Stabili-tätskriterien regelmäßig die Einhaltung der Haushaltsdis-ziplin. Hält sie ein übermäßiges Haushaltsdefizit für ge-geben, legt sie ihre Empfehlung dem ECOFIN-Rat vor,der mit qualifizierter Mehrheit darüber entscheidet, ob indem betroffenen Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizitbesteht. In der Folge richtet der Rat eine Empfehlung anden betroffenen Mitgliedstaat mit dem Ziel, das übermä-ßige Defizit auf der Grundlage von Empfehlungen desECOFIN-Rates zu korrigieren. Gelingt dies nicht, so kanngegenüber dem Mitgliedstaat eine Sanktion – z. B. eineunverzinsliche Einlage von bis zu 0,5 % des Brutto-inlandsproduktes – ausgesprochen werden. Besteht dasübermäßige Defizit auch danach weiter, so kann die Ein-lage in eine nicht rückzahlbare Geldbuße umgewandeltwerden.

2.6.1.2 Entwicklung von Staatsdefizit und Schuldenstand

Seit Einführung des haushaltspolitischen Meldeverfah-rens im Jahre 1993 haben sich Defizitquote und Schul-denquote in Deutschland unterschiedlich entwickelt:

● Das öffentliche Defizit hat sich seit dem Jahre 1993zwischen 1,2 % (2000) und 4,0 % (2003) des Brutto-inlandsproduktes bewegt (vgl. Abbildung 14). Nach-dem das Defizit in den Jahren 1999 und 2000 seineniedrigsten Werte erreichte, hat es sich danach inner-halb von zwei Jahren mehr als verdreifacht; es lag inden Jahren 2002 bis 2004 mit jeweils 4,0 % bzw.

3,7 % des Bruttoinlandsproduktes sogar deutlich hö-her als im „Rezessionsjahr“ 1993 mit 3,0 %. Nachdemdas Defizit auch im Jahre 2005 mit 3,2 % die Regelde-fizitgrenze nicht einhielt, konnte es im Jahre 2006 hal-biert werden und unterschritt mit 1,6 % erstmals wie-der seit dem Jahre 2001 den Referenzwert. Für dasJahr 2007 wird mit einem weiteren Rückgang des De-fizits auf eine Größenordnung von einem halben Pro-zent gerechnet. Nach dem Beschluss des Finanzpla-nungsrates vom 20. Juni 2007 soll der Staatshaushaltspätestens im Jahre 2010 strukturell ausgeglichen sein.Für den Bund wird dieses Ziel spätestens für das Jahr2011 angestrebt.

● Der öffentliche Schuldenstand hat sich gegenüberdem Jahre 1993 aufgrund der erheblichen Schuldenzu-wächse vor allem beim Bund (vgl. Nr. 2.5) erheblicherhöht. Nach einer kurzen Konsolidierungsphase inden Jahren 2000 und 2001 – vor allem dank der zurSchuldentilgung eingesetzten Erlöse aus der Verstei-gerung der Mobilfunklizenzen – ist die Gesamtver-schuldung bis zum Jahre 2005 unvermindert angestie-gen. Im Jahre 2006 stabilisierte sie sich mit 67,9 % aufdem hohen Niveau des Vorjahres (vgl. Abbildung 15).Für das Jahr 2007 dürfte angesichts des günstigenkonjunkturellen Umfelds sowie des zu erwartendenniedrigeren Staatsdefizits die Nominalverschuldungerstmals wieder langsamer wachsen als das nominaleBruttoinlandsprodukt. Infolgedessen erscheint einRückgang der Schuldenquote auf die Größenordnungvon 66 % möglich. Nach Einschätzung des Finanzpla-nungsrates wird trotz der rückläufigen Defizite derAbbau des Schuldenstandes nur relativ langsam vo-rankommen und zum Ende des Finanzplanungszeit-raums (2011) mit 61,5 % noch über dem Referenzwertvon 60 % liegen. Dem schnellen Anstieg der Schul-denquote zwischen 2002 und 2005 um fast acht Pro-zentpunkte folgt damit ein deutlich längerer Zeitraumder Rückführung.

60 Bei Ländern, die die einheitliche Währung noch nicht eingeführt ha-ben.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119 – Drucksache 16/7100

A b b i l d u n g 14

Entwicklung der Defizitquote1

1 Quellen: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 12. Januar 2007, Übersicht „Finanzierungssaldo des Staates“; Deutsche Bundesbank,Monatsbericht August 2007, Statistischer Teil S. 54; Defizitquote 2000: Ohne Erlöse aus der Versteigerung der Mobilfunklizenzen (50,8 Mrd. Euro); 2007: Schätzung auf Grundlage der Ergebnisse des Finanzplanungsrates vom 20. Juni 2007.

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Jahr

Defizit in Mrd. Euro

50,9 40,9 59,1 62,5 50,6 42,7 29,3 23,7 59,6 86,9 82,578,3 39,272,4

3,0 %

2,3 %

3,2 % 3,3 %

2,6 %

2,2 %

1,5 %

1,2 %

2,8 %

3,7 %

4,0 %

3,7 %

3,2 %

1,6 %

0,5 %

3,0 %: Referenzwert

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

Pro

zen

t v

om

BIP

Page 120: Deutscher Bundestag Drucksache 7100 · 11. 2007 Zugeleitet mit Schreiben des Bundesrechnungshofes vom 21. November 2007 gemäß § 97 Abs. 1 der Bundeshaushalts-ordnung. Unterrichtung

Drucksache 16/7100 – 120 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A b b i l d u n g 15

Entwicklung der Schuldenquote1

1 Quellen: s. Abbildung 14.

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Pro

zent

vom

BIP

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Jahr

779 857 1028 1096 1142 1185 1224 1231 1242 1293 1381 15221451 1567

Schulden in Mrd. Euro

58,4% 59,6% 60,3% 60,9% 59,7% 58,8%60,3%

67,9%66%

67,9%65,7%

55,6%

48,1%

63,9%

46,0%

60,0 %: Referenzwert

Zu Beginn 2006 hat der ECOFIN-Rat das seit Ende 2002 Der ECOFIN-Rat hat in seiner Stellungnahme zum deut-

anhängige Defizitverfahren verschärft und Deutschland mitder Maßgabe in Verzug gesetzt, das bestehende übermä-ßige Staatsdefizit spätestens im Jahre 2007 zu beenden.Um eine langfristige Defizit-Korrektur zu garantieren, hatder Rat Deutschland insbesondere aufgefordert, dasstrukturelle Defizit61 in den Jahren 2006 und 2007 uminsgesamt einen Prozentpunkt zu verringern. Die EU-Kommission hat die von Bund und Ländern daraufhin aufden Weg gebrachten Konsolidierungsmaßnahmen bewer-tet und festgestellt, dass das übermäßige Defizit glaub-würdig und nachhaltig korrigiert wurde. Sie würdigte da-bei, dass der Abbau der Neuverschuldung bereits ein Jahrvor der gesetzten Frist erreicht wurde. Auf Empfehlungder Kommission stellte der ECOFIN-Rat mit seiner Ent-scheidung vom 5. Juni 2007 das seit Oktober 2006 ru-hende Defizitverfahren gegen Deutschland endgültig ein.

schen Stabilitätsprogramm vom 27. Februar 200762 aller-dings auch Risiken für die Erreichung der Haushaltszielegesehen, weil sich die Schuldenquote möglicherweisenicht hinreichend rückläufig entwickeln wird.

Der Rat hat Deutschland daher aufgefordert,

● unter Ausnutzung der günstigen Konjunkturentwick-lung die strukturelle Anpassung im Jahre 2008 zu ver-stärken und insbesondere alle zusätzlichen Einnahmenzur Verringerung des Defizits zu verwenden. ZurHaushaltskonsolidierung sollen die Ausgaben be-grenzt werden. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dassdie geplante Reform der Unternehmensbesteuerungdie Haushaltskonsolidierung nicht gefährdet;

● in Anbetracht des Schuldenstands und des aufgezeig-ten Anstiegs der alterungsbedingten Ausgaben dielangfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zuverbessern, indem das mittelfristige Ziel erreicht wirdund Reformen, insbesondere im Gesundheitswesen,durchgeführt werden;

61 Unter dem – im europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren ver-wendeten – Begriff ist das um konjunkturelle Einflüsse sowie umeinmalige und sonstige befristete Maßnahmen (Einmaleffekte) berei-nigte Defizit zu verstehen (vgl. dazu Antwort der Bundesregierungauf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN„Strukturelles Defizit im Bundeshaushalt abbauen“, Bundestags-drucksache 16/4538). 62 Ratsdokument 2007/C 70/02.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121 – Drucksache 16/7100

● den Haushaltsrahmen zu verbessern, um die Haus-haltsdisziplin auf allen staatlichen Ebenen zu stärken,namentlich indem die Pläne für die zweite Stufe derFöderalismusreform umgesetzt werden.

2.6.2 Innerstaatliche Umsetzung der Europäischen Stabilitätsverpflichtungen

Die Beendigung des Defizitverfahrens gegen Deutsch-land ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg hin zu ei-ner dauerhaften Erfüllung der Ziele des Europäischen

Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Diese Zielsetzung istgerade für den Bund eine besondere Herausforderung,denn auf den Bundesbereich (einschließlich Sozialversi-cherung) entfällt seit Jahren der überwiegende Teil desStaatsdefizits und des Schuldenstands in den öffentlichenHaushalten. Im Jahre 2006 verantwortete der Bund überdrei Viertel des gesamtstaatlichen Defizits und auch beider Staatsverschuldung liegt der Anteil des Bundes mitrund 62 % deutlich über dem der anderen Gebietskörper-schaften (vgl. Tabelle 5).

Ta b e l l e 5

Aufteilung von Defizit und Schuldenstand1 innerhalb der öffentlichen Haushalte

1 Der Schuldenstand nach der für den Maastricht-Vertrag maßgeblichen Berechnung bezieht neben den Kreditmarktschulden insbesondere Kassen-verstärkungskredite, Platzhaltergeschäfte und den Münzumlauf ein (vgl. dazu Statistisches Bundesamt, Schulden der öffentlichen Haushalte2006, Fachserie 14, Reihe 5 – Methodische Erläuterungen Nr. 12).

Jahr Staatsdefizit Staatsdefizitdavon:

Bund einschl.Sozialversicherung

davon:Länder und Gemeinden

Mrd. Euro Prozent des BIP Anteil am Defizit

2001 59,6 2,8 52,5 47,5

2002 78,3 3,7 54,7 45,3

2003 86,9 4,0 54,4 45,6

2004 82,5 3,7 65,0 35,0

2005 72,4 3,2 70,3 29,7

2006 39,2 1,6 78,3 21,7

Jahr Schuldenstand Schuldenstanddavon:

Bund einschl.Sozialversicherung

davon:Länder und Gemeinden

Mrd. Euro Prozent des BIP Anteil am Schuldenstand

2001 1 242 58,8 62,7 37,3

2002 1 293 60,3 62,0 38,0

2003 1 381 63,9 61,6 38,4

2004 1 451 65,7 61,4 38,6

2005 1 522 67,9 61,5 38,5

2006 1 567 67,9 61,9 38,1

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Drucksache 16/7100 – 122 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die im Vergleich zu Länder und Gemeinden hohen Bundes-anteile am Staatsdefizit und an der Gesamtverschuldung ha-ben im Wesentlichen folgende spezifischen Gründe:● Der Bund hat seit Jahren niedrigere Deckungsquoten63

als der Durchschnitt der Länder und Gemeinden, d. h.er finanziert einen höheren Anteil seiner Ausgabenüber neue Kredite.64 Einen möglichen Anspruch ge-mäß Artikel 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 Grundgesetz aufzusätzliche Umsatzsteueranteile hat der Bund bislangpolitisch nicht durchsetzen können mit der Folge, dasser sich entsprechend höher verschuldete.

● Nachteilig ausgewirkt haben sich auch die erheblichenfinanziellen Zugeständnisse des Bundes gegenüberden anderen Gebietskörperschaften, nicht zuletzt umderen Zustimmung zu wesentlichen Reformvorhabenzu gewinnen (u. a. Solidarpakte I und II, Familienleis-tungsausgleich, Regionalisierung des Schienenperso-nennahverkehrs im Zuge der Bahnreform, diverseSteuer- und Arbeitsmarktreformen). Die finanzrele-vanten Folgen früherer Reformprojekte haben denBundeshaushalt in erheblichem Umfang zusätzlich be-lastet (vgl. Nr. 2.3.2).

● Zudem sind Bundeshaushalt und Sozialversicherungin besonderem Maß von konjunkturellen Schwankungenabhängig. So trägt ganz überwiegend der Bundeshaus-halt die Folgen schwachen Wirtschaftswachstums undhöherer Arbeitslosenzahlen über höhere Ausgaben fürden Arbeitsmarkt und für die Rentenversicherung.

Vor diesem Hintergrund hat der Bund ein erhebliches In-teresse daran, dass die europäischen Stabilitätskriteriendauerhaft eingehalten werden und damit Sanktionszahlun-gen wegen Verletzung der Haushaltsdisziplin vermiedenwerden.65 Die Zeichen hierfür stehen günstig, denn die in-

nerstaatliche Wahrung der Haushaltsdisziplin ist einer derzentralen Beratungspunkte der Kommission von Bundestagund Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen („Föderalismuskommission II“). Zu-dem hat der Finanzplanungsrat in seiner Sitzung am20. Juni 2007 sich einvernehmlich dafür ausgesprochen,66

dass

● die günstigere gesamtwirtschaftliche Situation ent-schlossen zur weiteren Haushaltskonsolidierung ge-nutzt wird,

● die jährliche Neuverschuldung zeitnah vermindert und– soweit es die unterschiedlichen Haushaltssituationenerlauben – mit dem Schuldenabbau begonnen wird,

● neue finanzrelevante Maßnahmen nur gegen Entlas-tung an anderer Stelle in Angriff genommen werdendürfen, wobei vorrangig zukunftsorientierte undwachstumsstärkende Investitionen zu fördern sind,

● zur Stärkung einer stabilen Einnahmenbasis Steuer-senkungswettläufe zu vermeiden sind und organisier-ter Steuerbetrug konsequent zu bekämpfen ist.

Es ist zu hoffen, dass es im Rahmen der Föderalismus-reform II gelingt, mehrheitsfähige Vorschläge für mate-rielle und verfahrensmäßige Regeln zu entwickeln, mitdenen der fortwährende Aufbau neuer Schulden in denöffentlichen Haushalten gestoppt und umgekehrt werdenkann. Damit würde auch dem Petitum des Rechnungsprü-fungsausschusses des Haushaltsausschusses des Deut-schen Bundestages Rechnung getragen, der sich in denletzten Jahren wiederholt für eine wirksame Umsetzungder gemeinschaftsrechtlichen Stabilitätskriterien im Rah-men eines Nationalen Stabilitätspaktes ausgesprochenhat. Die finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen füreine erfolgreiche Realisierung dieses Reformziels er-scheinen jedenfalls so gut wie seit Jahren nicht mehr.

63 Anteil der Ausgaben, die durch sog. laufende, d. h. nicht kreditfinan-zierte Einnahmen abgedeckt sind.

64 Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre (1997–2006) lag die De-ckungsquote des Bundes bei 87,6 % und die der Länder/Gemeindenbei 94,2 %.

65 Nach Artikel 109 Abs. 5 Grundgesetz tragen Bund und Länder Sank-tionsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft im Verhältnis 65zu 35.

66 Vgl. Konsolidierungsthesen des Finanzplanungsrates vom 20. Juni2007.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123 – Drucksache 16/7100

3 Verantwortungsvoller Umgang mit Haushaltsmitteln erfordert mehr und bessere Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen

3.0

Das Handeln der öffentlichen Verwaltung hat sich stetsam Grundsatz der Wirtschaftlichkeit auszurichten. DasGrundgesetz der Bundesrepublik Deutschland räumt demGebot der Wirtschaftlichkeit Verfassungsrang ein. DieBundeshaushaltsordnung verpflichtet die Verwaltung, füralle finanzwirksamen Maßnahmen angemessene Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen zu erstellen.

Der Bundesrechnungshof hat im Jahre 2006 Wirtschaft-lichkeitsuntersuchungen in der Bundesverwaltung über-greifend geprüft. Er hat festgestellt, dass die geprüftenBehörden der Verpflichtung, eine Wirtschaftlichkeitsun-tersuchung in der Planungs- und Entscheidungsphase füreine finanzwirksame Maßnahme durchzuführen, größten-teils nicht oder zumindest nicht vollumfänglich nach-gekommen sind. So blieben fast 85 % der von denBundesministerien und den nachgeordneten Behörden ge-meldeten finanzwirksamen Maßnahmen ohne Wirtschaft-lichkeitsuntersuchung im Sinne der Bundeshaushaltsord-nung. Ferner hat der Bundesrechnungshof zahlreichemethodische Defizite bei Wirtschaftlichkeitsuntersu-chungen vorgefunden. Schwachstellen wiesen auch dieOrganisation und die Wahrnehmung von Verantwortlich-keiten sowie die Verwendung der Ergebnisse von Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen im Entscheidungsprozessauf.

Es bedarf nach Auffassung des Bundesrechnungshofesdringend eines wachsenden Bewusstseins, dass jedemMitteleinsatz eine systematische und sorgfältige Aus-einandersetzung mit den wirtschaftlichen Auswirkungenund eine nachvollziehbare Auswahl der vorteilhaftestenLösung vorausgehen müssen. Der Bundesrechnungshofhält es ferner für notwendig, dass die Bundesregierungdie Weiterentwicklung des Regelungs- und Orientierungs-rahmens für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen unter derFederführung des Bundesministeriums der Finanzen als-bald einleitet, um die aufgezeigten Defizite zu beseitigen.Dabei sollte sie insbesondere darauf achten, übergrei-fende und für einzelne Formen finanzwirksamer Maßnah-men geltende Regelungen zu verdeutlichen und miteinan-der zu verzahnen. Sie sollte zudem alle Möglichkeitennutzen, der Verwaltung die notwendigen Grundlagen undInstrumente für methodisch sachgerechte und vergleich-bare Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an die Hand zu

geben, die Qualifikation in diesem Bereich zu verbessernund die Verantwortlichkeiten klar zu regeln.

3.1 Wirtschaftlichkeit als Grundprinzip staatlichen Handelns

Das Handeln der öffentlichen Verwaltung hat sich stetsam Grundsatz der Wirtschaftlichkeit auszurichten. DasGrundgesetz der Bundesrepublik Deutschland räumt inArtikel 114 Abs. 2 dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Ver-fassungsrang ein; es erhebt den Wirtschaftlichkeitsgrund-satz zugleich zu einem zentralen Maßstab der Prüfungstä-tigkeit des Bundesrechnungshofes.

Eine grundlegende Voraussetzung, um Haushaltsmittelwirtschaftlich einsetzen zu können, ist die Durchführungvon Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Sie dienen dersystematischen Klärung, ob eine vorgesehene finanzwirk-same Maßnahme ein politisches oder gesellschaftlichesZiel erreicht, ob die dabei eingesetzten Ressourcen unddas Ergebnis in einem vorteilhaften Verhältnis zueinanderstehen und ob sich der Mitteleinsatz auf ein Minimumbeschränkt. Bereits in der Planungs- und Entscheidungs-phase sollen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen Auf-schluss darüber geben, über welche Handlungsalternativendie Verwaltung verfügt und welche dieser Alternativenunter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten vorzuziehen ist.So lässt sich beispielsweise nur über eine Wirtschaftlich-keitsuntersuchung verlässlich bewerten, ob es vorteilhaftist, Fahrzeuge zu kaufen, zu leasen oder zu mieten. Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen können zudem wesentlichdazu beitragen, Entscheidungen der Verwaltung trans-parent und für Außenstehende nachvollziehbar zu ma-chen.

Der Bundesrechnungshof hat im Jahre 2006 Wirtschaft-lichkeitsuntersuchungen in der Bundesverwaltung über-greifend geprüft. Insgesamt 15 Bemerkungsbeiträge(s. Tabelle) beruhen auf Prüfungen, bei denen der Bun-desrechnungshof sich u. a. auch näher mit der Frage be-fasst hat, ob, in welchem Umfang und auf welche Weisedie Verwaltung Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durch-geführt hat. Ähnliche Fragestellungen verfolgt der Bun-desrechnungshof auch in vielen weiteren Prüfungsvorha-ben.

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Drucksache 16/7100 – 124 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bemerkungen mit Bezug zum Thema Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen

Nr. der Bemer-kung

Seite Geprüfte Stelle Bezug der Bemerkung zum Thema Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen

61 229 BMI, BMWi Umfassende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die Einführung der elektroni-schen Vergabe erst nach Empfehlung des Bundesrechnungshofes durchgeführt.

4 133 AA Entscheidungen über Liegenschaften im Ausland ohne Prüfung von Handlungs-alternativen und ohne Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen getroffen.

9 143 BMI(Bundespolizei)

Möglichkeit privater Leistungserbringung bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für die Beschaffung von Dienstkleidung und persönlicher Ausrüstung vernachläs-sigt.

30 180 BMVg(Marine)

Aufträge zur Pflege und Änderung der Hard- und Software für Fregatten ohne Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vergeben.

84 253 BMVg Handlungsalternativen zum ÖPP-Projekt HERKULES vor Durchführung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ausgeschlossen.

64 232 BMI(Bundespolizei)

Reservebestand von IT-Geräten ohne Risikoanalyse und Wirtschaftlichkeitsunter-suchung festgelegt.

35 189 BMVg Aufträge für gewerbliche Luftabfertigungsleistungen ohne Wirtschaftlichkeits-untersuchung vergeben.

37 193 BMVg(Luftwaffe)

Wegen erheblicher Mängel bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für den Betrieb einer Luftwaffenschule Privatisierungslösung bevorzugt.

17 159 Deutsche Rentenver-sicherung Bund

Bei der Planung von zwei Verwaltungsgebäuden überhöhten Raumbedarf zu-grunde gelegt und Wirtschaftlichkeit alternativer Nutzungsformen nicht geprüft.

80 249 BMVBS Bau von Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf überholter Datengrundlage geplant.27 175 BMVBS Unzutreffend ermittelte Baunutzungskosten erschweren Beurteilung der Wirt-

schaftlichkeit von Bauvorhaben.10 145 Deutsches Patent-

und MarkenamtBei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zur Miete von IT zu kurze Nutzungsdauer zugrunde gelegt.

65 233 BMI(Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik)

Notwendigkeit von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei Prüfung des Wechsels von Softwaresystemen auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes stärker ver-deutlicht.

58 226 BKM (Deutsche Na-tionalbibliothek)

Trotz klarer Vorgaben auf die Durchführung von Wirtschaftlichkeits-untersuchungen für IT-Vorhaben verzichtet.

69 239 verschiedene Ressorts

Vor der Entscheidung über die Art und Weise der Erledigung von bündelungsfähi-gen Querschnittsaufgaben sollten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchge-führt werden.

Gegenstand des übergreifenden Prüfungsthemas sind die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Die

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, die in der Planungs-und Entscheidungsphase von finanzwirksamen Maßnah-men zu erstellen sind. Ihnen kommt eine herausragendeBedeutung zu, da Fehleinschätzungen in dieser Phase dieöffentlichen Haushalte oftmals über einen sehr langenZeitraum belasten.

3.2 Grundlagen für Wirtschaftlichkeits-untersuchungen

3.2.1 Rechtliche Grundlagen

§ 7 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) konkretisiert dasim Grundgesetz verankerte Wirtschaftlichkeitsprinzip fürdie Bundesverwaltung. Ähnliche Regelungen finden sichz. B. in den Landeshaushaltsordnungen oder im Sozialge-setzbuch. § 7 Abs. 2 der BHO verpflichtet die Verwal-tung, für alle finanzwirksamen Maßnahmen angemessene

Vorschrift verweist in ihrer seit September 2005 gelten-den Fassung ausdrücklich auf die Notwendigkeit, den Ri-sikoaspekt bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu be-achten.

Diese allgemeinen Vorgaben werden durch Verwaltungs-vorschriften (VV) und eine vom Bundesministerium derFinanzen (Bundesministerium) im Jahre 1995 herausge-gebenen „Arbeitsanleitung Einführung in Wirtschaftlich-keitsuntersuchungen“ (Arbeitsanleitung) mit spezifischenHandlungsanweisungen, Erläuterungen und Mindest-anforderungen ergänzt.

3.2.2 Methodische Grundlagen

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen müssen alle für eineobjektive und transparente Entscheidungsfindung rele-vanten Informationen berücksichtigen. Dabei ist ein syste-matisches, vergleichbares und nachvollziehbares Vorgehen

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 125 – Drucksache 16/7100

sicherzustellen. Die dazu notwendigen Schritte reichenvon der Bedarfsanalyse und der Ermittlung geeigneterHandlungsalternativen über die Wirtschaftlichkeitsrech-nung bis hin zur abschließenden Bewertung der Untersu-chungsergebnisse. Der gesamte Erkenntnis- und Entschei-dungsprozess ist nachvollziehbar zu dokumentieren.

Wo immer die hierfür erforderlichen Daten verfügbarsind, steht im Mittelpunkt der Wirtschaftlichkeitsuntersu-chung die Wirtschaftlichkeitsrechnung, die sich an be-triebswirtschaftlichen Grundlagen orientiert. Dabei iststets zu beachten, dass für die Verwaltung – anders als inder Privatwirtschaft – nicht die Investition, die zu demhöchsten Mittelrückfluss führt, im Vordergrund steht,sondern diejenige, durch die man ein politisches oder ge-sellschaftliches Ziel am besten erreicht. Der Bundesrech-nungshof hat in seiner Analyse den Schwerpunkt auf dieWirtschaftlichkeitsrechnung gelegt, ohne dabei die Be-deutung der anderen Aspekte der Wirtschaftlichkeits-untersuchung, z. B. der Bedarfsanalyse oder der Zielbe-schreibung, zu relativieren. Diese Aspekte könnenebenfalls von wesentlicher Bedeutung für die Sicherstel-lung eines wirtschaftlichen Vorgehens sein. So zeigt Be-merkung Nr. 17, wie eine fehlerhafte Bedarfsanalyse zueiner unzureichenden Entscheidungsgrundlage und zurUnwirtschaftlichkeit der Maßnahme führen kann.

Der Verwaltung stehen im Wesentlichen die folgendenMethoden für die Wirtschaftlichkeitsrechnung zur Verfü-gung:

● Kapitalwertmethode,

● Kostenvergleichsrechnung,

● Nutzwertanalyse und

● Kosten-Nutzen-Analyse.

Insbesondere die Kapitalwertmethode ist für ein breitesSpektrum von Anwendungsfällen geeignet. Nach der Ar-beitsanleitung des Bundesministeriums soll sie immerdann angewendet werden, wenn sich über längere Zeit-räume erstreckende Maßnahmen in ihrer Wirkung auf denBundeshaushalt zu untersuchen sind. Die Methode be-wertet die einzelnen Handlungsalternativen nach ihrenfinanziellen Auswirkungen, indem sie den Gegenwarts-wert (Barwert) aller künftigen Ein- und Auszahlungenbestimmt. Dieses Verfahren macht die einzelnen Hand-lungsalternativen zum Zeitpunkt der Entscheidungs-findung vergleichbar. Mathematisch wird dies dadurcherreicht, dass künftige Zahlungen auf ihren aktuellenWert abgezinst werden.

Für Maßnahmen mit geringer finanzieller Bedeutungohne langfristige Auswirkungen kann hilfsweise dieKostenvergleichsrechnung angewandt werden. DieseMethode vergleicht die periodisch anfallenden Kostenmiteinander. Voraussetzung für ihren Einsatz ist die Ver-fügbarkeit von Kostendaten, die insbesondere bei kalku-latorischen Größen wie Abschreibungen von Zahlungs-daten abweichen. Kostenbezogene und zahlungsbezogeneBetrachtungsweisen dürfen nicht in einer Rechnung ver-mischt werden.

Eine Nutzwertanalyse kann die oben genannten monetä-ren Bewertungen dann ergänzen, wenn auch diejenigenWirkungen einer Maßnahme berücksichtigt werden müs-sen, die sich nicht in Zahlungsströmen niederschlagenoder in Geldeinheiten bewerten lassen. Dies ist beispiels-weise dann der Fall, wenn Handlungsalternativen zu ver-gleichen sind, die in unterschiedlichem Maß zur Errei-chung der von der Verwaltung zu verfolgenden Zielebeitragen.

Werden monetäre Betrachtungen um Nutzenaspekteergänzt, kommt es wesentlich darauf an, beide Aspekte zueiner eindeutigen und nachvollziehbaren Entscheidungs-grundlage zusammenzuführen. Einen Ansatzpunkt hier-für bietet das für die Bundesverwaltung entwickelte com-putergestützte Verfahren WiBe,1 das sich auf diemethodischen Grundlagen der Kapitalwertmethode undder Nutzwertanalyse stützt. Die WiBe wurde ursprünglichfür Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im IT-Bereichkonzipiert. Das Verfahren lässt sich aber bei sachgerech-ter Handhabung auch bei zahlreichen anderen Fragestel-lungen einsetzen.

Eine wichtige Rolle spielt die gemeinsame Betrachtungvon Kosten- und Nutzengrößen dann, wenn gesamtwirt-schaftliche Aspekte einzubeziehen sind. Kosten-Nutzen-Analysen, die die Wirkung von Investitionen auf gesamt-wirtschaftliche Größen wie Beschäftigung und regionaleWirtschaftsentwicklung einbeziehen, liegen beispiels-weise den Entscheidungen über große Verkehrsinfrastruk-turprojekte zugrunde. Für diese Fragestellungen wurdenbesondere Verfahrensformen entwickelt; sie sind in derfolgenden Darstellung, die sich auf einzelwirtschaftlicheBetrachtungen konzentriert, nicht berücksichtigt.

3.3 Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in der Verwaltungspraxis

3.3.1 Sachgerechte Wirtschaftlichkeitsunter-suchungen sind die Ausnahme

Der Bundesrechnungshof hat in einer querschnittlichenPrüfung bei Bundesministerien und nachgeordneten Be-hörden abgefragt, wie viele finanzwirksame Maßnahmenmit einem Volumen von über 50 000 Euro sie in den Jah-ren 2000 bis 2003 veranlasst haben und in welchem Maßesie dabei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zugrundegelegt hatten. Die Abfrage sollte zudem darüber Auf-schluss geben, welche Methode die Behörden für ihreWirtschaftlichkeitsuntersuchungen angewandt und wiesie Verantwortlichkeiten und organisatorischen Abläufegeregelt hatten.

Die Auswertung der Daten von mehr als 40 000 fi-nanzwirksamen Maßnahmen ergab folgende Verteilung(s. Abbildung):

1 Vgl. WiBe 4.0, Empfehlung zur Durchführung von Wirtschaftlich-keitsbetrachtungen in der Bundesverwaltung, insbesondere beimEinsatz der IT, Version 4.0, Schriftenreihe der KBSt, Band 68, Au-gust 2004.

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Drucksache 16/7100 – 126 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Häufigkeit von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und der dabei angewandten Methoden bei finanzwirksamen Maßnahmen des Bundes

17 %

8 %1,5 %

67 %

6 %0,3 %

Vergabeverfahren anstelle einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

Keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung aus anderen Gründen

Kostenvergleichsrechnung

Kapitalwertmethode

Kosten-Nutzen-Analyse/Nutzwertanalyse

Sonstige Methoden

Die statistische Auswertung der dem Bundesrechnungs-hof vorliegenden Daten ermöglicht keinen vollständigenund abschließenden Überblick über Art und Häufigkeitvon Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in der gesamtenBundesverwaltung. Sie erlaubt jedoch Rückschlüsse aufeinige wesentliche Grundtendenzen der gegenwärtigenPraxis in der Bundesverwaltung, die durch vielfältige ein-zelne Erkenntnisse des Bundesrechnungshofes untermau-ert sind.

Danach ist die Bundesverwaltung ihrer gesetzlichenPflicht, in der Planungs- und Entscheidungsphase vonfinanzwirksamen Maßnahmen eine Wirtschaftlichkeits-untersuchung zu erstellen, in der weit überwiegenden An-zahl der Fälle nicht oder zumindest nicht vollständignachgekommen. So blieben fast 85 % der dem Bundes-rechnungshof gemeldeten finanzwirksamen Maßnahmenohne Wirtschaftlichkeitsuntersuchung im Sinne von § 7BHO. Die Bemerkungen der Nr. 4, 9, 30, 64, 35, 80,58, 69 geben Beispiele fehlender oder fehlerhafter Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen.

Die Behörden, die keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchungvorgenommen hatten, führten zumeist zur Begründungan, sie hätten die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme durchdie Auswahl des wirtschaftlichen Angebotes in einemVergabeverfahren sichergestellt. Dabei verkannten sie je-doch, dass die Ausschreibung einer Leistung in aller Re-gel voraussetzt, dass die Verwaltung sich bereits zuvor füreine unter mehreren Handlungsmöglichkeiten entschie-den hat. Gerade eine solche Entscheidung erfordert aber

eine nachvollziehbare Bewertung der Wirtschaftlichkeitaller zur Verfügung stehenden Alternativen. So ist zwareine Ausschreibung der richtige Weg, um bei dem Kaufvon Geräten die Auswahl des günstigsten Anbieters zugewährleisten, sie lässt aber die Frage unbeantwortet, obbeispielsweise eine Anmietung vorteilhafter gewesenwäre.

In zahlreichen Fällen räumten die befragten Behördenein, Entscheidungen über finanzwirksame Maßnahmenbewusst ohne vorangegangene Wirtschaftlichkeitsunter-suchung getroffen zu haben. Zur Begründung führten siean, dass wegen politischer Vorgaben, bestehender Sach-zwänge oder „offenkundiger Wirtschaftlichkeit“ ohnehinkeine sinnvolle Alternative zu dem beabsichtigten Vorge-hen erkennbar gewesen sei. Bei näherer Betrachtung derzugrunde liegenden Fälle stellte der Bundesrechnungshofzumeist fest, dass durchaus wirtschaftliche Alternativenbestanden, die die Behörden vor ihrer Entscheidung inBetracht hätten ziehen müssen. Eine Entscheidung wirddem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz nicht gerecht, wenn sienicht alle grundsätzlich infrage kommenden Lösungs-möglichkeiten und deren finanziellen Auswirkungen um-fassend berücksichtigt. Dies gilt nach Auffassung desBundesrechnungshofes auch im Falle politischer Vorga-ben. Denn es ist Aufgabe der Verwaltung, den Entschei-dungsträgern alle Handlungsoptionen und ihre wirtschaft-lichen Folgen aufzuzeigen. Die Bemerkungen Nr. 4, 84,64 und 65 zeigen, dass die Verantwortlichen Handlungs-alternativen oftmals nicht ausreichend geprüft hatten.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 127 – Drucksache 16/7100

3.3.2 Methodische Schwachstellen bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen beseitigen

3.3.2.1 Richtige Methode für die Wirtschaft-lichkeitsuntersuchung wählen

Die Untersuchungen des Bundesrechnungshofes habengezeigt, dass die Kenntnis der angemessenen Methodenfür Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen innerhalb der Bun-desverwaltung unterschiedlich ausgeprägt ist. Die derzeitin der Praxis verfolgten Lösungsansätze weichen zudemdeutlich von den bestehenden methodischen Vorgaben ab.Die Arbeitsanleitung des Bundesministeriums zeigt zwardie infrage kommenden Methoden für ein breites Spek-trum finanzwirksamer Maßnahmen auf. Zur Frage, nachwelchen Kriterien das angemessene und sachgerechteVerfahren auszuwählen ist und wie eine Wirtschaftlich-keitsuntersuchung bei den oftmals komplexen Problem-stellungen des Verwaltungshandelns ausgestaltet werdensollte, gibt sie den Anwendern jedoch nur wenig konkreteHilfe an die Hand. Dementsprechend hat der Bundesrech-nungshof zahlreiche methodische Fehler in Wirtschaft-lichkeitsuntersuchungen, unterschiedliche Vorgehenswei-sen bei gleichgelagerten Fällen und eine Vielfalt von ineinzelnen Behörden selbst entwickelten, in der Regel IT-gestützten Rechenmodellen vorgefunden.

Die richtige Auswahl der Methode ist weit mehr als nureine reine Verfahrensfrage: Sie bestimmt die Aussagefä-higkeit der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und damitihre Eignung als Entscheidungsgrundlage. Die Kapital-wertmethode stellt bei sachgerechter Anwendung sicher,dass alle die Wirtschaftlichkeit beeinflussenden Faktorenunabhängig vom Zeitpunkt ihrer Wirkung angemessenberücksichtigt werden können. Sie hat jedoch nach denPrüfungsergebnissen des Bundesrechnungshofes in derPraxis bisher nur eine geringe zahlenmäßige Bedeutung.Eine Ausnahme stellen Investitionen im IT-Bereich dar,denen eine auf der Kapitalwertmethode beruhende Be-rechnung nach dem WiBe-Verfahren vorausgehen muss(vgl. Bemerkung Nr. 58). Die bestehenden methodischenUnsicherheiten bei der Anwendung der Kapitalwertme-thode haben dazu beigetragen, dass die als Hilfsverfahrenfür begrenzte Anwendungsbereiche vorgesehene Kosten-vergleichsrechnung vorrangig angewendet wird.

Die Verwaltung muss insgesamt stärker als bisher in dieLage versetzt werden, die im Einzelfall angemessene Me-thode der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung anzuwenden.Häufig ist dies die Kapitalwertmethode. Ein Beitraghierzu kann die Bereitstellung IT-gestützter Hilfsmittel,z. B. der WiBe, sein. Gleichwohl ist auch diese kein Ga-rant für eine fehlerfreie Vorgehensweise, wie die Bemer-kung Nr. 65 zeigt.

Die Nutzwertanalyse zur Bewertung der Wirtschaftlich-keit anhand nicht monetärer Faktoren erfordert nach denErfahrungen des Bundesrechnungshofes besondere Sorg-falt. Dies liegt daran, dass Nutzenbewertungen subjekti-ver und grundsätzlich missbrauchsanfälliger sind als mo-netäre Größen. So hat der Bundesrechnungshof eineWirtschaftlichkeitsuntersuchung in der Bundesverwal-

tung vorgefunden, bei der das Nutzenkriterium „Akzep-tanz bei den Beteiligten“ von ausschlaggebender Bedeu-tung war und damit die zuvor gewünschte Lösung alswirtschaftlich auswies. In anderen Fällen gab die Nutzen-bewertung den Ausschlag für die Wahl der teuersten Al-ternative, ohne dass ausreichend transparent wurde, wel-cher Vorteil die erheblichen Mehrausgaben rechtfertigte.

Eine Nutzenbewertung ist dann angezeigt, wenn dieHandlungsalternativen in ihrem Beitrag zur Erreichungder von der Verwaltung definierten Ziele deutlich vonei-nander abweichen. Daher ist es in diesen Fällen wichtig,dass die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung transparent dar-stellt, welche Ziele für die Bewertung ausschlaggebendsind. Die Nutzenbewertung muss sich dann streng an die-sen Zielen orientieren und auch für Dritte muss erkennbarsein, wie der Nutzen die Entscheidung beeinflusst hat.Zudem ist von entscheidender Bedeutung, dass Zahlungs-und Nutzendaten gesondert ausgewiesen und dann insachgerechter Weise zueinander in Beziehung gesetztwerden.

Wo immer möglich, sollten sowohl der Ressourcenver-brauch als auch die erzielbaren Vorteile monetär darge-stellt werden. Dies bietet die Gewähr für eine auch fürDritte nachvollziehbare Bewertung der Wirtschaftlich-keit. Deren Bedeutung zeigt auch der in BemerkungNr. 61 dargestellte Fall, bei dem erst auf Empfehlung desBundesrechnungshofes eine umfassende, monetäre Ana-lyse durchgeführt wurde.

3.3.2.2 Auswahl der Parameter sorgfältig festlegen

Eine entscheidende Rolle spielt die Wahl der dem Re-chenverfahren zugrunde liegenden Parameter. Dies giltinsbesondere für die Kapitalwertmethode, deren Ergebnissehr stark von dem für die Abzinsung der zukünftigenWerte verwendeten Kalkulationszinssatz und dem ge-wählten Betrachtungszeitraum abhängt.

Zur Wahl des Zinssatzes gibt das Bundesministerium inder Regel einmal jährlich für die Bundesverwaltung ver-bindliche Werte bekannt. Es ermittelt auf der Grundlageder Finanzierungskosten des Bundes der letzten fünfJahre einen Durchschnittszinssatz als nicht preisbereinig-ten (nominalen) Kalkulationszinssatz. Zusätzlich errech-net es hieraus einen realen Kalkulationszins, der umdurchschnittliche Preissteigerungsraten der Vergangen-heit bereinigt ist. Er soll nach Auffassung des Bundesmi-nisteriums vorrangig verwendet werden, um die wegender Unsicherheit der Preisentwicklung schwierige Schät-zung künftiger Zahlungen vermeiden zu können. Für dieBewertung der Wirtschaftlichkeit alternativer Finanzie-rungen verweist das Bundesministerium auf die von derBundesbank veröffentlichten Marktzinssätze für Bundes-anleihen verschiedener Laufzeiten (sog. Zinsstruktur-kurve).

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Vorgabendes Bundesministeriums nicht ausreichten, um Fehler undUnsicherheiten bei der Parameterwahl zu vermeiden. DieBehörden verwendeten Real- und Nominalzinssätze häu-fig im falschen Zusammenhang. Reale Zinssätze wähltensie auch dann, wenn zukünftige Ausgaben bereits der

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Höhe nach feststanden. Umgekehrt verwendeten sie denNominalzinssatz für Zahlungsreihen, bei denen der Effektkünftiger Preissteigerungen nicht berücksichtigt war. DieZinsstrukturkurve, die das Bundesministerium für alter-native Finanzierungen vorgesehen hat, fand selbst dannkeine Anwendung, wenn andere Finanzierungsquellen alsdie übliche Kreditaufnahme genutzt wurden.

Erhebliche methodische Unsicherheiten hat der Bundes-rechnungshof auch bei der Wahl der Betrachtungszeit-räume vorgefunden. Sie waren häufig nicht an einerrealistisch geschätzten Nutzungsdauer z. B. von Ge-bäuden oder anderen Vermögenswerten orientiert. EinBeispiel hierfür gibt Bemerkung Nr. 10. Einzelne Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen verglichen Handlungsalter-nativen mit unterschiedlicher Laufzeit, ohne auf die Ver-gleichbarkeit der Ergebnisse zu achten. In vielenWirtschaftlichkeitsuntersuchungen fehlten Angaben überdie nach dem Betrachtungszeitraum verbleibenden Rest-werte völlig.

Der Bundesrechnungshof hält es für unverzichtbar, durchdie richtige Festlegung der Parameter eine wesentlicheVoraussetzung für sachgerechte Wirtschaftlichkeits-untersuchungen zu schaffen. Die bestehenden Vorgabenbedürfen dabei der Präzisierung und Weiterentwicklung.So sollten die Anwender einheitlich dazu angehalten wer-den, den nominalen Zinssatz zu verwenden und – ggf. aufder Grundlage von Orientierungsgrößen für künftigePreiserwartungen – künftige Zahlungen so verlässlich wiemöglich zu schätzen. Es sollte zudem stärker bewusst ge-macht werden, dass der Kalkulationszinssatz stets dieFinanzierungskosten des Bundes widerspiegelt. Dennjede finanzwirksame Maßnahme wirkt sich unmittelbarauf die Höhe der Verschuldung aus. Eine starke Abwei-chung des Kalkulationszinssatzes von den aktuellenFinanzierungskonditionen des Bundes, wie sie für denvom Bundesministerium vorgegebenen Durchschnitts-zinssatz nicht auszuschließen ist, kann die Aussagekraftvon Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen beeinträchtigen.Dies gilt vor allem dann, wenn Alternativen mit privat-wirtschaftlichen Finanzierungskomponenten, beispiels-weise Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP), einbezo-gen werden. Hier kommt es in besonderem Maße daraufan, die Kapitalwertberechnung zeitnah an der Zinsent-wicklung am Kapitalmarkt auszurichten. Dabei ist dafürSorge zu tragen, dass die vom Bundesministerium fürdiese Fälle empfohlenen laufzeitabhängigen Kalkulati-onszinssätze, die den unterschiedlichen zeitlichen Finan-zierungserfordernissen des Projekts Rechnung tragen(Zinsstrukturkurve), in der Praxis auch verwendet werden.

3.3.2.3 Solide Datenbasis schaffen

Die Ermittlung insbesondere von Ausgaben- und Kosten-größen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen empfandendie befragten Behörden oftmals als schwierig, weil ihnenkeine belastbaren Daten zur Verfügung standen. Bemer-kung Nr. 27 zeigt ein Beispiel, bei dem die Verantwortli-chen die Daten unzureichend erfassen. Ein wesentlicherGrund für fehlende Daten ist, dass viele Behörden nochnicht über ein ausreichend entwickeltes System der Kos-ten- und Leistungsrechnung verfügen. Hilfsweise ermit-telte Daten wiesen immer wieder methodische Fehler auf.

Ebenso erwies sich die Schätzung künftiger Ausgaben-und Kostengrößen als problematisch. Auch wurden nichtimmer alle relevanten Faktoren berücksichtigt. Vor allemwurden bei Privatisierungsentscheidungen die anfallen-den Ausgaben für auch nach Wegfall der Aufgabe zu be-schäftigendes Personal (sog. Remanenzkosten) ganz oderteilweise außer Acht gelassen. Ein Beispiel hierfür findetsich in der Bemerkung Nr. 37. Ebenso sahen viele Behör-den Ausgaben und Kosten mit dem Argument als nichtrelevant an, dass diese unvermeidbar und deshalb bei derWirtschaftlichkeitsuntersuchung nicht zu berücksichti-gen seien.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Kapital-wertmethode stellte die Vermischung von Kosten- undZahlungsgrößen dar. So wurden Kosten, wie z. B. Rück-stellungen für künftige Risiken, fälschlicherweise alsAuszahlungen mit in die Wirtschaftlichkeitsrechnung ein-bezogen. Ferner stellte der Bundesrechnungshof fest, dassBehörden nur die im eigenen Geschäftsbereich anfallen-den Belastungen oder Einsparungen berücksichtigten.Auswirkungen auf den Gesamthaushalt ließen sie hinge-gen außer Acht.

In eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung müssen alle In-formationen einfließen, die für die Erfassung des Res-sourceneinsatzes und des Ergebnisses einer Maßnahmevon Bedeutung sind. Alle einer Maßnahme zuzuordnen-den finanziellen Wirkungen sind dabei auf der Grundlagenachvollziehbarer Schätzungen einzubeziehen. EinGrundproblem stellt dabei eine ausschließlich auf das ei-gene Ressort oder die eigene Behörde bezogene Sicht-weise bei der Entscheidungsfindung dar. Eine Handlungs-alternative, die aus Einzelsicht wirtschaftlich ist, kann ausBundessicht unwirtschaftlich sein. So könnte beispiels-weise die Beschränkung der Alternativenwahl für dieUnterbringung einer Behörde dazu führen, dass eineMietlösung wirtschaftlich erscheint und realisiert wird,obwohl sie im Vergleich zur Nutzung eines bundeseige-nen Grundstücks unwirtschaftlich wäre.

3.3.2.4 Risiken angemessen berücksichtigen

Die vom Bundesrechnungshof vorgefundenen Wirtschaft-lichkeitsuntersuchungen beschrieben die mit denfinanzwirksamen Maßnahmen verbundenen Risiken oft-mals nur in allgemeiner Form oder gar nicht. So wurde imFall der Bemerkung Nr. 64 gänzlich, in Nr. 84 und 37 aufeine vertiefte Risikoanalyse verzichtet. Eine umfassendeBewertung der Wirtschaftlichkeit von Handlungsalterna-tiven setzt aber auch die vollständige Berücksichtigungvon Risiken zwingend voraus. Durch die aktuelle Fas-sung des § 7 Abs. 2 BHO wird die Notwendigkeit, dieRisikoverteilung bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungenzu berücksichtigen, in eine konkrete Anforderung umge-setzt. Eine Entscheidungsgrundlage, die beispielsweiseein Neubauprojekt mit einer Mietlösung vergleicht, ohnedie erheblichen Risiken von Kostenüberschreitungenbeim Neubau zu berücksichtigen, kann zur unsachgemä-ßen Entscheidung für eine unwirtschaftliche Lösung füh-ren. Eine verbale Beschreibung ist nur ein erster Schritt,um Risiken zu identifizieren, da sie erhebliche Interpreta-tionsspielräume belässt. Der Verwaltung stehen verschie-dene Verfahren zur Verfügung, um Risiken auch quan-

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titativ zu erfassen und ihre Auswirkung auf dasGesamtergebnis einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchungdarzustellen. Sie sollten – trotz der unbestreitbar hohenmethodischen Anforderungen an solche Untersuchun-gen – wo immer möglich genutzt werden, um gerade fürProjekte mit hohem finanziellem Volumen die Entschei-dungsgrundlagen zu verbessern. Von wesentlicher Be-deutung wären auch hier konkrete Hilfestellungen undOrientierungen für die Praxis.

3.3.3 Organisatorische Grundlagen und Verant-wortlichkeiten für Wirtschaftlichkeits-untersuchungen stärken

Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung soll gemäß den VVzu § 7 BHO grundsätzlich von der Organisationseinheiterstellt werden, die auch mit der finanzwirksamen Maß-nahme befasst ist. Dem steht allerdings nicht entgegen,dass zentrale Organisationseinheiten der betroffenen Be-hörden, wie z. B. spezielle Servicestellen oder Kompe-tenzzentren, bei der Erstellung von Wirtschaftlichkeitsun-tersuchungen beratend tätig sind oder die Durchführungder Untersuchung weitgehend übernehmen.

Die Beauftragten für den Haushalt – als zentrale Verant-wortliche für alle Haushaltsfragen bei jeder Bundesbe-hörde – können sich nach eigenem Ermessen an Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen beteiligen oder sich überihr Ergebnis unterrichten lassen. Sie haben die Möglich-keit, die Berücksichtigung einer finanzwirtschaftlichenMaßnahme im Haushalt davon abhängig zu machen, dasseine angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vor-liegt.

Das Bundesministerium trägt die Gesamtverantwortungfür den Bundeshaushalt. Es hat gemäß § 28 BHO daraufzu achten, dass bei der Erstellung des jährlichen Bundes-haushaltes der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Spar-samkeit eingehalten wird. Auch hierfür ist die Frage, obangemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vorlie-gen, von grundsätzlicher Bedeutung.

Nach den vom Bundesrechnungshof ausgewerteten An-gaben der Bundesbehörden wurden 36 % der Wirtschaft-lichkeitsuntersuchungen von den fachlich zuständigenOrganisationseinheiten und 28 % von zentralen Organisa-tionseinheiten erstellt. Bei 28 % der Wirtschaftlichkeits-untersuchungen waren externe Berater beauftragt wor-den. Die Beauftragten für den Haushalt waren bei 69 %aller Behörden bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen be-teiligt; in 31 % waren sie nicht einbezogen.

Nach den Erfahrungen des Bundesrechnungshofes kanndie Bündelung von im Zusammenhang mit Wirtschaft-lichkeitsuntersuchungen stehenden Aufgaben bei zentra-len Organisationseinheiten positive Wirkungen erzielen.Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Bündelung desmethodischen Wissens, die Vereinheitlichung und Objek-tivierung von Maßstäben über den Einzelfall hinaus unddie Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Untersu-chungen. Der Bundesrechnungshof sieht hier auch einenAnsatzpunkt, um das Bewusstsein für die Notwendigkeitvon Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durch Beratungund Wissensvermittlung zu stärken.

Er hält es auch für angezeigt, dass die Beauftragten fürden Haushalt verstärkt von ihrem Recht Gebrauch ma-chen, die Berücksichtigung einer Maßnahme bei der Auf-stellung und Ausführung des Haushalts von der Vorlagevon Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen abhängig zu ma-chen. Eine Behörde, die Ausgaben ohne angemesseneWirtschaftlichkeitsuntersuchungen plant, wird ihrer Ver-antwortung für einen ordnungsgemäßen Umgang mitHaushaltsmitteln nicht gerecht. Das Bundesministeriumsollte bei der jährlichen Aufstellung des Bundeshaushaltsverstärkt darauf achten, dass Mittelanforderungen zumin-dest bei Maßnahmen von größerer finanzieller Tragweitemit einer angemessenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungunterlegt sind. Zusätzlich würde eine intensivere Dienst-und Fachaufsicht, die den Blick auf die Praxis der Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen richtet, sowohl innerhalbder Bundesministerien als auch in deren Geschäftsberei-chen zu häufigeren und besseren Wirtschaftlichkeits-untersuchungen beitragen.

Zur Beantwortung der Frage, ob Wirtschaftlichkeitsunter-suchungen angemessen im Sinne von § 7 BHO sind, ha-ben Bundesbehörden in letzter Zeit wiederholt auch pri-vate Wirtschaftsprüfer eingeschaltet. Diese wurden imAuftrag der für die Maßnahme verantwortlichen Stelle tä-tig und sollten die ordnungsgemäße und methodisch kor-rekte Durchführung der Untersuchung prüfen. In der Re-gel wurde die Angemessenheit des Vorgehens testiert. Einsolcher Auftrag darf nach Auffassung des Bundesrech-nungshofes nicht dazu führen, dass die Verantwortung derVerwaltung für eine sachgerechte Bewertung der Wirt-schaftlichkeit ihrer Maßnahmen auf Dritte verlagert wird.Sie kann auch nicht die kritische Kontrolle durch andereBeteiligte wie die Beauftragten für den Haushalt oder dasBundesministerium ersetzen. Dabei ist zu berücksichti-gen, dass die Aussagekraft einer Wirtschaftlichkeitsunter-suchung von Faktoren abhängt, die über eine für Außen-stehende mögliche Bewertung des ordnungsgemäßenVorgehens und der korrekten Darstellung deutlich hinaus-gehen. Hierzu gehören z. B. die Identifizierung derinfrage kommenden Alternativen, die Festlegung vonfachlich begründeten Annahmen über die künftige Ent-wicklung oder die Ermittlung der Datengrundlagen.

3.3.4 Die Ergebnisse von Wirtschaftlichkeits-untersuchungen im Entscheidungs-prozess konsequent nutzen

Soweit die Verwaltungen Wirtschaftlichkeitsuntersuchun-gen durchgeführt hatten, flossen deren Ergebnisse nachden Feststellungen des Bundesrechnungshofes zumeistnachvollziehbar in die Entscheidungsfindung ein. Gleich-wohl wird der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des § 7 BHOin der Praxis immer wieder durch andere Zielsetzungenüberlagert.

So gab es Fälle, bei denen das Ergebnis der Wirtschaft-lichkeitsuntersuchung nicht umgesetzt wurde, weil imlaufenden Jahr nicht genügend Haushaltsmittel für diewirtschaftliche Alternative zur Verfügung standen.Ebenso wurden mit dem Hinweis auf Obergrenzen fürjährliche Ausgaben nicht alle infrage kommenden Hand-lungsalternativen in die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungmiteinbezogen. Eine solche Einschränkung der in eine

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Wirtschaftlichkeitsuntersuchung einzubeziehenden Alter-nativen kann aber zur Folge haben, dass wirtschaftlicheLösungen nicht berücksichtigt werden. So kann beispiels-weise eine jährliche Ausgabenobergrenze zum Ergebnisführen, dass für die Unterbringung einer Behörde eineMietlösung wirtschaftlich erscheint, obwohl sie im Ver-gleich zu einer die Ausgabenobergrenze übersteigendenInvestition, wie dem Erwerb eines Gebäudes, unwirt-schaftlich wäre.

Das Fehlen von Haushaltsmitteln ist keine hinreichendeRechtfertigung, eine andere als die wirtschaftliche Alter-native zu wählen. Es darf erst recht nicht dazu führen,dass die Auswahl der möglichen Handlungsalternativenbei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von vornehereineingeschränkt wird. Es besteht ansonsten die Gefahr, dassWirtschaftlichkeitsüberlegungen bei hohen Staatsdefizi-ten von haushaltspolitischen Zwängen überlagert und inihrer Bedeutung relativiert werden.

Dies bedeutet nicht, dass die Mittel für als wirtschaftlicherkannte Handlungsoptionen im Zweifel zusätzlich zu ge-planten Budgets bereitgestellt werden müssten. Durch

eine sachgerechte Prioritätensetzung muss vielmehr dafürSorge getragen werden, dass für einen wirtschaftlichenUmgang mit öffentlichen Geldern notwendige Hand-lungsspielräume erhalten bleiben. Hierfür benötigt dieVerwaltung möglichst umfassende Kenntnis der wirt-schaftlichen Handlungsnotwendigkeiten. Deswegen sindfrühzeitige Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gerade beigrößeren Projekten unverzichtbar.

3.3.5 Besonderheiten bei verschiedenen finanz-wirksamen Maßnahmen Rechnung tragen

Die Prüfungen des Bundesrechnungshofes haben deutlichwerden lassen, dass methodische Ausgestaltung und Um-fang von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vielfach vonder Art der finanzwirksamen Maßnahme abhängig sind.Die Mehrzahl der vorgelegten Wirtschaftlichkeitsunter-suchungen hatte Beschaffungsmaßnahmen beweglicherGegenstände, wie den Erwerb von Fahrzeugen, zum Ge-genstand. Daneben haben gerade in den vergangenenJahren Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für ÖPP be-sondere Bedeutung erlangt.

Exkurs: Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei ÖPP

Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben sich grundsätzlich mit ÖPP-Projekten befasst und unter an-derem darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftlichkeit eines Projekts in jedem Einzelfall und über die gesamteLaufzeit hinweg (Lebenszyklusansatz) nachgewiesen werden muss.2 Nur durch eine vollständige und transparenteWirtschaftlichkeitsuntersuchung kann festgestellt werden, ob der ÖPP-Ansatz die wirtschaftliche Lösung darstellt.Die fachlichen Mindeststandards für die Methodik von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei ÖPP sind im letztenJahr durch den von der Finanzministerkonferenz verabschiedeten Leitfaden konkretisiert worden.3

Der Bundesrechnungshof verfügt angesichts der derzeit noch auf wenige Großprojekte begrenzten Erfahrungen mitÖPP-Vorhaben auf Bundesebene nur über punktuelle Prüfungserkenntnisse zu Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen indiesem Bereich. Hieraus sind jedoch folgende Beobachtungen festzuhalten, die auf künftig zu beachtende Problemehinweisen. In vom Bundesrechnungshof untersuchten Einzelfällen (vgl. z. B. Nr. 84 und Nr. 37) haben die für die Pla-nung der ÖPP-Vorhaben verantwortlichen Behörden

● Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen erst durchgeführt, nachdem das Vergabeverfahren abgeschlossen und die Ent-scheidung für die Durchführung des ÖPP-Vorhaben unumkehrbar war,

● Annahmen und Prognosen zugrunde gelegt, die über eine realistische, vorsichtige Schätzung der künftigen Ent-wicklung hinausgingen,

● Remanenzkosten, insbesondere nicht sofort abbaubare Personalkosten, nur unzureichend oder gar nicht berück-sichtigt,

● eine unvollständige Datenbasis herangezogen, insbesondere bei der Bewertung optimierter Eigenlösungen,

● durch die Vorgabe jährlicher Ausgabenobergrenzen die Auswahl der in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu be-rücksichtigenden Alternativen eingeschränkt,

● Nutzenaspekte sehr stark in den Vordergrund gerückt, so dass diese den Ausschlag gegenüber dem monetären Er-gebnis der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung gaben,

● Auswirkungen möglicher Risiken bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung im Wesentlichen nur qualitativ be-schrieben,

● Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Projektablauf nicht an veränderte Rahmenbedingungen angepasst.

2 Vgl. Beschluss der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder am 3. und 4. Mai 2006 inMünchen, abgedruckt in: Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht, VIII/2.16.

3 Leitfaden „Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei PPP-Projekten“, beschlossen von der Konferenz der Finanzminister des Bundes und der Län-der am 7. September 2006.

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Aus seinen Prüfungserfahrungen hat der Bundesrech-nungshof allgemeine Empfehlungen abgeleitet, denen dasParlament zugestimmt hat. Danach sollen die Bundes-ministerien Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei ÖPP-Projekten rechtzeitig erstellen, eine umfassende Bewer-tung aller Handlungsmöglichkeiten vornehmen, Risikendetailliert berücksichtigen und in Nutzenbetrachtungen– sofern diese erforderlich sind – die verfolgten Zielevollständig und transparent darstellen.

Die vorgenannten Beobachtungen weisen teils auf allge-meine, teils auf für ÖPP-Vorhaben spezifische Problem-stellungen und Fehlerquellen bei Wirtschaftlichkeits-untersuchungen hin. In ähnlicher Weise gelten auch fürandere Formen finanzwirksamer Maßnahmen neben ge-nerellen Anforderungen spezifische Besonderheiten oderSchwerpunkte. So wird bei einer Wirtschaftlichkeitsun-tersuchung für Ersatzbeschaffungen stets die Frage derRestwerte des vorhandenen Materials eine wesentlicheRolle spielen. Bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zuorganisatorischen Maßnahmen sind Schätzungen deskünftigen Personalbedarfs von wesentlicher Bedeutung.In manchen Bereichen sind spezifische Anforderungen– ähnlich wie im Fall des Leitfadens für Wirtschaftlich-keitsuntersuchungen bei ÖPP-Vorhaben – in besondereVorgaben umgesetzt worden, so z. B. für Baumaßnahmenin den Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgabendes Bundes (RBBau).

Für Fördermaßnahmen, wie z. B. staatliche Finanzhilfenoder Maßnahmen der Forschungsförderung, werden zwarhäufig vor Beginn der Maßnahme Einschätzungen zurWirksamkeit und Effizienz des geplanten Mitteleinsatzesvorgenommen. Die Aussagekraft und Nachvollziehbar-keit dieser Einschätzungen hängt dabei sehr stark davonab, inwieweit die Verwaltung die mit der Förderungverfolgten Ziele präzisiert hat. Wirtschaftlichkeitsunter-suchungen im Sinne von § 7 BHO, die verschiedeneHandlungsalternativen nachvollziehbar nach erwartetemRessourceneinsatz und Beitrag zur Erreichung der vorge-gebenen Ziele bewerten, spielen in diesem Bereich je-doch bisher kaum eine eigenständige Rolle.

Zu anderen Formen finanzwirksamer Maßnahmen vertra-ten einige Behörden auch die Auffassung, dass Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen generell nicht möglichseien. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Öffent-lichkeitsarbeit. Hier bestünden besondere Zwänge zurUmsetzung politischer Entscheidungen, aus denen sichInformationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit ablei-teten. Diese Verpflichtung dürfe nicht von einer Wirt-schaftlichkeitsuntersuchung abhängig gemacht werden.

Die Formen finanzwirksamen staatlichen Handelns sindso vielfältig, dass es nicht für alle sich ergebenden Beson-derheiten allgemeingültige Standardlösungen geben kann.Auch sind die Schwierigkeiten, den Ressourceneinsatzund den Ergebnisbeitrag einer Maßnahme nachvollzieh-bar in Beziehung zu setzen, in einigen Handlungsfeldernbesonders stark ausgeprägt. Dies darf nach Auffassungdes Bundesrechnungshofes jedoch keinesfalls dazu füh-ren, dass es Bereiche gibt, in denen die Verpflichtung zurkonsequenten Beachtung des § 7 BHO und zur Durchfüh-

rung sachgerechter WirtschaftlichkeitsuntersuchungenVorbehalten und Einschränkungen unterworfen wird.

Die grundlegenden Anforderungen an Wirtschaftlich-keitsuntersuchungen sind in allen Bereichen zu beachten.Dazu gehören insbesondere die möglichst konkrete Be-schreibung der von der Verwaltung zu verfolgendenZiele, die Ermittlung aller zur Lösung infrage kommen-den Alternativen, die realistische Berücksichtigung vonerwartetem Ressourceneinsatz, Ergebnisbeitrag und Ri-siko sowie ein transparentes Vorgehen. Es erscheint da-rüber hinaus notwendig, der Verwaltung in der notwendi-gen Differenzierung Orientierungen an die Hand zugeben, welche konkreten Schritte bei verschiedenen For-men finanzwirksamer Maßnahmen zur Erfüllung dergrundlegenden Ziele beitragen. Der für Wirtschaftlich-keitsuntersuchungen bei ÖPP-Projekten entwickelte Leit-faden ist ein Beispiel für eine solche Orientierung.

Ziel sollte es sein, übergreifende Regelungen und be-reichsspezifische Konkretisierungen so zu verzahnen,dass allen, die in der Bundesverwaltung Entscheidungenüber finanzwirksame Maßnahmen vorzubereiten und zutreffen haben, eine wirksame, transparente und wider-spruchsfreie Orientierung geboten werden kann. Es solltezum einen vermieden werden, dass die Regelungen – wiebisher – für viele komplexe Fragestellungen keine odernur allgemein gehaltene Vorgaben enthalten. Ebenso istzu vermeiden, dass es zu einem Nebeneinander von spe-zifischen Regelungen kommt. Die Aufgabe, den Orientie-rungsrahmen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen indiesem Sinne weiterzuentwickeln, sollte das Bundes-ministerium bei einer Überarbeitung der VV zu § 7 BHOund der Arbeitsanleitung für Wirtschaftlichkeitsuntersu-chungen aufgreifen.

3.4 Wie sollte es weitergehen?

Die Prüfungserkenntnisse des Bundesrechnungshofes zei-gen, dass Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in der Bun-desverwaltung noch nicht die Bedeutung zukommt, diedie Verantwortung für den sorgsamen Umgang mitöffentlichen Mitteln erfordert. Es ist ein besorgniserre-gender Befund, dass die meisten finanzwirksamen Maß-nahmen ohne sachgerechte Wirtschaftlichkeitsuntersu-chungen in der Planungsphase durchgeführt wurden. Inder Bundesverwaltung muss das Bewusstsein wachsen,dass jedem Mitteleinsatz eine systematische und sorgfäl-tige Auseinandersetzung mit dessen wirtschaftlichenAuswirkungen und eine nachvollziehbare Auswahl dervorteilhaftesten Lösung vorausgehen muss.

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen können nur dann ei-nen wirksamen Beitrag für wirtschaftliches Handeln leis-ten, wenn sie hohen Qualitätsanforderungen gerecht wer-den. Von zentraler Bedeutung sind dabei folgendeKriterien

● Konformität mit gesetzlichen Vorgaben;

● Transparenz des Vorgehens und der für die Ermitt-lung des Ergebnisses relevanten Faktoren, die auch fürDritte nachvollziehbar sein müssen;

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● Objektivität insbesondere im Hinblick auf Annah-men, Prognosen und die Bewertung nicht-monetärerFaktoren;

● Vergleichbarkeit der Ergebnisse sowohl im Hinblickauf verschiedene Alternativen als auch auf verschie-dene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen;

● Vollständigkeit der für die Beurteilung der Wirt-schaftlichkeit einer Maßnahme relevanten Alternati-ven und Faktoren;

● eine sachgerechte, möglichst quantitative Berücksich-tigung von Risiken;

● Wirtschaftlichkeit des Vorgehens im Sinne eines an-gemessenen Verhältnisses zwischen dem Aufwand füreine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und der Bedeu-tung der untersuchten Maßnahme.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes ist es Auf-gabe aller Bundesministerien, in ihren jeweiligen Zustän-digkeitsbereichen aufgezeigte Defizite zu beheben undVerbesserungen bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungeneinzuleiten. Darüber hinaus ist bei allen Bundesministe-rien das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Wirtschaft-lichkeitsuntersuchungen zwingende Voraussetzung fürden wirtschaftlichen Umgang mit Steuergeldern sind.Dies muss mit verbesserten Fähigkeiten der Verwaltungeinhergehen, sachgerechte Wirtschaftlichkeitsuntersu-chungen in der Planungs- und Entscheidungsphase vonfinanzwirksamen Maßnahmen zu erstellen. In diesemProzess kommt dem Bundesministerium der Finanzeneine wegweisende und koordinierende Rolle für die ge-samte Bundesregierung – insbesondere im Hinblick auf diezu verbessernden haushaltsrechtlichen Rahmenbedingun-gen – zu.

Das Bundesministerium hat für die Bundesregierung zuden Prüfungsergebnissen des BundesrechnungshofesStellung genommen und dabei deutlich gemacht, dass ei-nige Bundesministerien bereits aufgrund dieser Hinweiseihre Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen verbessert habenoder prüfen, wie sie zu verbessern sind. Inwieweit sichdarüber hinaus Anpassungsnotwendigkeiten ergeben,solle in einem zweiten Schritt konkret geprüft werden.Das Bundesministerium betrachte es wie der Bundesrech-nungshof als Ziel, die Grundlagen für sachgerechte Lö-sungen zur Umsetzung des Grundsatzes der Wirtschaft-lichkeit zu verbessern, ohne aber den Anspruch zuerheben, für jeden Praxisfall innerhalb der Bundesverwal-tung eine Handlungsanweisung zur Verfügung stellen zukönnen. Bei der notwendigen Überarbeitung der Arbeits-anleitung seien insbesondere auch die sachgerechte Wahldes Kalkulationszinssatzes, die Perspektiven für eine wei-tergehende Verwendung softwaregestützter Verfahrenund organisatorische Aspekte zu diskutieren.

Der Bundesrechnungshof hält es für notwendig, dass dieBundesregierung die Weiterentwicklung des Regelungs-

und Orientierungsrahmens für Wirtschaftlichkeitsuntersu-chungen alsbald einleitet. Aus seiner Sicht sollten dabeifolgende Zielrichtungen im Vordergrund stehen:

● Die allgemeinen Vorgaben für Wirtschaftlichkeitsun-tersuchungen, wie sie in den VV zu § 7 BHO und derArbeitsanleitung „Einführung in Wirtschaftlichkeits-untersuchungen“ niedergelegt sind, sollten mit demZiel weiterentwickelt werden, die durchgängigeVerpflichtung zur Durchführung von Wirtschaftlich-keitsuntersuchungen stärker zu verdeutlichen, grund-legende Qualitätsanforderungen zu benennen undEckpunkte für wesentliche Verfahrensschritte klarzu-stellen.

● In diesem Rahmen sollte ferner Klarheit darüber ge-schaffen werden, bei welchen Formen finanzwirksa-mer Maßnahmen spezifische Regelungen und Orien-tierungen zu beachten sind. Dabei sollte daraufgeachtet werden, dass eindeutige Verweise auf klar ab-gegrenzte, für die gesamte Bundesverwaltung verfüg-bare und anwendbare Regelwerke möglich sind.

● Zugleich sollten verbesserte allgemeine methodischeGrundlagen angestrebt werden. Dazu bedarf es insbe-sondere klarerer Aussagen zu den zu verwendendenMethoden der Wirtschaftlichkeitsrechnung, der ein-deutigen Bestimmung der zu verwendenden Kalkula-tionszinssätze und methodischer Vorgaben für die Be-rücksichtigung von Risikoaspekten.

● Es sollte geprüft werden, inwieweit mithilfe einessoftwaregestützten Verfahrens zur Durchführung vonWirtschaftlichkeitsrechnungen, das auf der Grundlageder WiBe-Methodik entwickelt werden könnte, wei-tere Fortschritte erreicht werden können.

● Ansätze zur Bündelung des Wissens zu Wirtschaft-lichkeitsuntersuchungen sollten weiterverfolgt wer-den.

● Die für die Dienst- und Fachaufsicht Verantwortlichen,die Beauftragten für den Haushalt und das Bundes-ministerium sollten im Rahmen ihrer Verantwortung fürdie Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes ver-stärkt darauf achten, dass der geplanten Verwendungöffentlicher Mittel angemessene Wirtschaftlichkeits-untersuchungen zugrunde gelegt werden.

● Die zur Durchführung sachgerechter Wirtschaftlich-keitsuntersuchungen in der Verwaltung notwendigenbetriebswirtschaftlichen Qualifikationen sollten ge-zielt gestärkt werden.

Der Bundesrechnungshof misst der Verbesserung derWirtschaftlichkeitsuntersuchungen grundlegende Bedeu-tung für die Qualität des Verwaltungshandelns bei. Erwird die Bundesregierung weiterhin beraten, um in die-sem wichtigen Punkt rasch Fortschritte zu erzielen.

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Teil II Einzelne Prüfungsergebnisse

Auswärtiges Amt(Einzelplan 05)

4 Auswärtiges Amt nutzt Liegenschaften 4.2

im Ausland nicht bedarfsgerecht und unwirtschaftlich (Kapitel 0501 und 0503)

4.0

Das Auswärtige Amt beansprucht zahlreiche Liegen-schaften im Ausland, ohne den Bedarf festgestellt, Alter-nativen ermittelt und die Wirtschaftlichkeit untersucht zuhaben. Es trennte sich nicht von Liegenschaften, die esnicht mehr benötigte oder deren weitere Nutzung unwirt-schaftlich war.

4.1

Das Auswärtige Amt verfügt weltweit an mehr als200 Orten über Büroräume für seine Kanzleien und überetwa 1 050 Dienstwohnungen für seine entsandten Be-diensteten. Nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungendarf das Auswärtige Amt Liegenschaften nur dann in An-spruch nehmen, wenn ein Bedarf nachgewiesen ist. Esmuss dann klären, welche Alternativen der Bedarfsde-ckung im Einzelfall bestehen (Bau, Kauf, Miete). Anhandeiner Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hat es anschließenddarzulegen, welche Form der Bedarfsdeckung wirtschaftlichist. Diese Untersuchungen muss das Auswärtige Amt auchbei vorhandenen Liegenschaften durchführen, wenn sichbeispielsweise die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarktoder der Bedarf an Büroflächen ändern. Nicht mehr benö-tigte bundeseigene Liegenschaften sind an das Bundes-ministerium der Finanzen (Bundesministerium) zurück-zugeben; bestehende Mietverträge mit Dritten sind zukündigen.

Der Bundesrechnungshof hat die Bewirtschaftung derLiegenschaften bereits mehrfach kritisiert. Er unterrich-tete das Parlament darüber in fünf Bemerkungen in denJahren 1995 bis 2002 sowie in einem Bericht an denHaushaltsausschuss des Deutschen Bundestages im Jahre2003 (Haushaltsausschussdrucksache 15/744). Der Rech-nungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses desDeutschen Bundestages hatte das Auswärtige Amt da-raufhin aufgefordert, ein bedarfsgerechtes und wirtschaft-liches Liegenschaftsmanagement zu gewährleisten.

Der Bundesrechnungshof stellte bei erneuten Prüfungenfest, dass das Auswärtige Amt weiterhin zahlreiche Lie-genschaften nutzt, ohne den Bedarf zu prüfen, Alternati-ven zu ermitteln und ohne Wirtschaftlichkeitsuntersu-chungen durchzuführen. Diese Mängel führten zuWertverlusten, Zinsnachteilen und Mehraufwendungenzulasten des Bundeshaushalts. Die Verfahrensweise desAuswärtigen Amtes und deren finanzielle Auswirkungenlassen sich an folgenden Fällen aufzeigen:

4.2.1

(1) In Aden (Jemen) ist die Bundesrepublik DeutschlandEigentümerin des Gebäudes der ehemaligen Kanzlei derDDR mit einer Nutzfläche von etwa 1 000 m2. Das Ge-bäude steht auf einem von der Stadt Aden gepachtetenGrundstück und hat neun teilweise als Büros hergerich-tete Wohnungen. Das Auswärtige Amt nutzte lediglicheine 80 m2 große Wohnung für den monatlichen Konsu-larsprechtag und für Botschaftssprachkurse. Es hatte be-reits im Jahre 1999 festgestellt, dass die Nutzung der Lie-genschaft unter monetären Gesichtspunkten nicht mehrwirtschaftlich war. Das Auswärtige Amt ging jedoch da-mals davon aus, dass sich die Region wirtschaftlich undpolitisch positiv entwickeln werde und es das Gebäudekünftig wieder für eine Vertretung in Aden nutzen könnte.Auf Antrag des Auswärtigen Amtes hatte das Bundesmi-nisterium daraufhin einer weiteren Nutzung des Gebäu-des bis zum Jahre 2002 zugestimmt. Wirtschaftlichkeits-untersuchungen in den Jahren 2002 und 2005 ergaben,dass es wirtschaftlich sei, das Gebäude zu veräußern. DasAuswärtige Amt ermittelte ferner, dass der Wert des Ge-bäudes von 536 000 Euro im Jahre 2001 bis Ende 2004auf 304 000 Euro gesunken war. Im Jahre 2003 begründetedas Auswärtige Amt die Beibehaltung der Liegenschaftu. a. damit, dass künftig mehr kulturelle Veranstaltungenin Aden durchgeführt werden sollten. Die Inspektion desAuswärtigen Amtes stellte Ende 2003 fest, eine Präsenzin Aden sei nicht mehr erforderlich.

(2) Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass das Aus-wärtige Amt das Gebäude in Aden weiter nutzt, obwohldies nach eigener Feststellung seit vielen Jahren unwirt-schaftlich ist. Allein der bisher eingetretene Wertverlustbeläuft sich auf mindestens 230 000 Euro. Zusätzlich sindseit dem Jahre 2000 für die vermeidbare KapitalbindungZinskosten von über 140 000 Euro entstanden.

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Drucksache 16/7100 – 134 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4.2.2

(1) In Genf nutzt das Auswärtige Amt für seine Residenzbundeseigene Grundstücke mit einer Fläche von insge-samt 17 000 m2. Zum Grundbesitz gehören ein 4 700 m2

großer Grundstücksteil mit dem Residenzgebäude, ein1 300 m2 großer separat bebaubarer Grundstücksteil(Baugrundstück) und eine 11 000 m2 große nicht bebau-bare Obstwiese:

Quelle: eigene Darstellung, Kartenbasis: Plan der Republik und desKantons Genf, Auszug aus dem Grundbuch, Gemeinde Corsier.

Das Auswärtige Amt hatte im Jahre 1999 festgestellt,dass es weder die Obstwiese (bis auf einen Sicherheits-streifen) noch die separat bebaubare Fläche für eigeneZwecke benötigte. Dennoch gab es die Flächen nicht andas Bundesministerium zurück.

Es befürchtete bei einem Verkauf der nicht benötigtenFlächen einen erheblichen Wertverlust des verbleibendenResidenzgrundstücks. Ein vom Auswärtigen Amt einge-holtes Gutachten rechnete dagegen beim Verkauf derObstwiese auch im Falle einer Bebauung nicht mit einemnennenswerten Wertverlust des verbleibenden Residenz-grundstücks. Das Auswärtige Amt bezweifelte dies undgab ein zweites Gutachten in Auftrag. Dieses erwarteteim Falle einer Bebauung der Obstwiese einen Wertverlustdes Residenzgrundstücks von bis zu 1,2 Mio. Euro. Einweiterer Wertverlust für das Residenzgrundstück von biszu 300 000 Euro wäre bei einem Verkauf des Baugrund-stücks zu erwarten. Dieser würde sich durch einen höhe-ren Verkehrswert des Baugrundstücks als Einzelgrund-stück auf 170 000 Euro reduzieren. Für die nichtbenötigten Flächen ließe sich nach Ansicht des Gutach-ters ein Verkaufserlös von 650 000 Euro erzielen.

(2) Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass dasAuswärtige Amt Flächen im Wert von 650 000 Euro nichtan das Bundesministerium zurückgegeben hat, obgleiches diese nicht benötigt. Abgesehen von dem entgangenenVerkaufserlös entstehen dem Bund jährliche Zinskostenfür die vermeidbare Kapitalbindung. Den für den Ver-kaufsfall befürchteten erheblichen Wertverlust hat dasAuswärtige Amt nicht überzeugend dargelegt. Bei einemVerkauf könnte es eine Bebauung der Obstwiese unddamit einen Wertverlust des Residenzgrundstücks ver-traglich ausschließen. Der vom Gutachter unterstellteWertverlust von 170 000 Euro durch den Verkauf desBaugrundstücks würde durch die eingesparten Zinskostenfür die Kapitalbindung durch das Grundstück bereits insieben Jahren ausgeglichen.

4.2.3

(1) Nach § 27 Abs. 3 des Gesetzes über den AuswärtigenDienst (GAD) soll eine Dienstwohnung für ins Auslandentsandte Bedienstete nur zur Verfügung gestellt werden,wenn für diese keine Möglichkeit besteht, innerhalb einerzumutbaren Frist eine geeignete Wohnung zu angemesse-nen Bedingungen zu mieten.

Der Bundesrechnungshof stellte bei stichprobenweisedurchgeführten Prüfungen fest, dass das Auswärtige Amtdiese gesetzlichen Vorgaben bei der Nutzung seiner über1 050 Dienstwohnungen mehrfach nicht beachtete. Man-gels Bedarfs vermietet es beispielsweise seit Jahren denüberwiegenden Teil seiner knapp 30 Dienstwohnungenaußerhalb der Residenzen in Brasilia, Danzig, Kinshasa,Kopenhagen und Paris an Ortskräfte und andere Dritte. InKuala Lumpur steht eine Dienstwohnung mit einem Mak-lerschätzwert von etwa 850 000 Euro seit dem Jahre 2004leer. Die dorthin entsandten Bediensteten mieten Woh-nungen auf dem freien Markt. Hierfür erhalten sie vomAuswärtigen Amt Mietzuschüsse.

An zahlreichen Orten, an denen das Auswärtige AmtDienstwohnungen unterhält, gibt es einen privaten Woh-nungsmarkt. In der Regel untersuchte es bei Neubelegun-gen oder Sanierungen von Dienstwohnungen dennochnicht, ob es sie weiterhin benötigte und ob deren Beibe-haltung wirtschaftlich war. Dabei hatte es bereits im Jahre2004 festgestellt, dass die Verwaltung der Dienstwohnun-gen erheblichen Aufwand verursacht und deshalb ihr Be-stand verringert werden sollte.

(2) Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass dasAuswärtige Amt vielfach nicht prüfte, ob die Bereitstel-lung von Dienstwohnungen noch notwendig und wirt-schaftlich war. Es behielt Dienstwohnungen auch an Or-ten bei, an denen offensichtlich der Bedarf fehlte.Hierdurch entstanden dem Bund nicht durch Mieteinnah-men gedeckte Zinskosten für das in den Wohnungen ge-bundene Kapital und vermeidbarer Verwaltungsaufwand.Der Bundesrechnungshof hat das Auswärtige Amt aufge-fordert, ein Konzept für die künftige Nutzung von Dienst-wohnungen zu entwickeln und auf dieser Grundlage dengesamten Dienstwohnungsbestand auf Bedarf und Wirt-schaftlichkeit zu untersuchen.

Residenzgebäude

Baugrundstück

Obstwiese

Grundstücksteil mit Residenzgebäude

N

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 135 – Drucksache 16/7100

4.3

Das Auswärtige Amt hat die Ansicht vertreten, von weni-gen Einzelfällen abgesehen verwalte es seine Liegen-schaften bedarfsgerecht und wirtschaftlich. Zu den Fest-stellungen des Bundesrechnungshofes im Einzelnen hates ausgeführt:

(1) Ohne die Liegenschaft in Aden könne es seinemdienstlichen Auftrag nicht mehr oder nur zu höheren Kos-ten nachkommen. Außerdem bestehe an der Nutzung desGebäudes ein kulturpolitisches Interesse, nicht zuletztweil die Kulturarbeit seit Mitte 2006 ausgeweitet wordensei. Das Bundesministerium habe der weiteren Nutzungder Liegenschaft im Juni 2006 zugestimmt.

(2) Zur Residenz in Genf hat das Auswärtige Amt geäu-ßert, ein Verkauf der nicht benötigten Flächen bewirke ei-nen Wertverlust des verbleibenden Residenzgrundstücksin Höhe von 1,5 Mio. Euro. Dagegen erwartet es nur ei-nen Verkaufserlös von 300 000 Euro für die nicht benö-tigten Flächen. Ein Verkauf liefe somit dem Gebot derwirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung zuwi-der.

(3) Hinsichtlich der Bereitstellung von Dienstwohnungenhat das Auswärtige Amt eingeräumt, dass es in der Ver-gangenheit an einigen Dienstorten vorhandene Dienst-wohnungen vorübergehend an Ortskräfte vermietet habe.Es sei sich bewusst, dass nicht mehr benötigte Dienst-wohnungen zu veräußern seien und habe damit bereits be-gonnen. Weiterhin werde es die Möglichkeiten und Fol-gen einer Auflösung von Mietverträgen mit Ortskräftenprüfen und Wertermittlungen einleiten. Es habe den ge-samten Dienstwohnungsbestand einer differenziertenAnalyse unterzogen. Damit sei es der Anregung des Bun-desrechnungshofes, ein Gesamtkonzept zu entwerfen, be-reits gefolgt.

4.4

Der Bundesrechnungshof teilt nicht die Auffassung desAuswärtigen Amtes, die Mängel bei der Liegenschafts-verwaltung beschränkten sich auf Einzelfälle. Die zahl-reichen Bemerkungen des Bundesrechnungshofes und dieFeststellungen aus seinen aktuellen Prüfungen zeigen,dass es sich um ein grundlegendes Problem handelt, das

fortbesteht. Immer wieder nahm das Auswärtige AmtLiegenschaften in Anspruch, ohne Belege für die notwen-digen Bedarfs- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorle-gen zu können.

(1) Nach den eigenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungendes Auswärtigen Amtes ist die Beibehaltung des Gebäu-des in Aden nicht wirtschaftlich. Seine Kulturarbeit kanndas Auswärtige Amt auch erfolgreich leisten, wenn esden Raumbedarf in Aden auf wirtschaftliche Weise deckt.Es bleibt daher aufgefordert, das Gebäude an das Bundes-ministerium abzugeben.

(2) Der vom Auswärtigen Amt behauptete Wertverlustdes Genfer Residenzgrundstücks kann wie dargelegt aus-geschlossen werden. Der vom Auswärtigen Amt erwar-tete Erlös von 300 000 Euro geht von einem teilweisenBauverbot auf dem Baugrundstück aus. Ein solches gibtes nicht und es besteht auch kein Bedarf. Die Flächen ha-ben somit einen Wert von 650 000 Euro. Der Bundesrech-nungshof hält daher an seiner Forderung fest, die nichtbenötigten Flächen in Genf an das Bundesministeriumabzugeben.

(3) Hinsichtlich der Bereitstellung von Dienstwohnungenüberzeugt die Darstellung des Auswärtigen Amtes eben-falls nicht. Das Auswärtige Amt stellte auch dann weiter-hin Dienstwohnungen zur Verfügung, wenn Auslands-vertretungen festgestellt hatten, dass ein privaterWohnungsmarkt vorhanden war.

Für das vom Bundesrechnungshof geforderte Konzeptfehlen der vom Auswärtigen Amt erstellten Analyse nochwesentliche Bestandteile. Dies sind z. B. eine Übersicht,welche Wohnungen nicht mit in das Ausland entsandtenBeschäftigten belegt sind, eine Darstellung der Verwal-tungsabläufe, die Ermittlung der Verwaltungskosten unddie Prüfung der Frage, ob die Verwaltung des Dienstwoh-nungsbestands auf Dritte übertragen werden kann.

Ein Konzept ist eine wesentliche Grundlage dafür, dassdas Auswärtige Amt seinen Dienstwohnungsbestandkünftig ordnungsgemäß und wirtschaftlich verwaltet undnicht wie bisher erst auf Hinweise des Bundesrechnungs-hofes im Einzelfall tätig wird. Das Auswärtige Amt bleibtaufgefordert, unverzüglich ein Konzept für die Verwal-tung seiner Dienstwohnungen zu erarbeiten.

Bundesministerium des Innern(Einzelplan 06)

5 Informationen über finanzielle auf Wirtschaft und Verbraucher weiter verbessern. Die

Gesetzeswirkungen verbessern

5.0Bei der Vorbereitung von Gesetzen und Verordnungensollten die Bundesministerien die Informationen über er-wartete Wirkungen auf die öffentlichen Haushalte sowie

Kostenfolgen von Gesetzgebungsmaßnahmen solltenauch in einer Rückschau analysiert werden, um wesent-liche Abweichungen von den vorausgesagten Wirkungenzu erkennen. Bei den Bundesministerien sollte für dieseAufgaben ein wirksames Gesetzescontrolling durchge-führt werden.

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Drucksache 16/7100 – 136 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5.1

Der Bundesrechnungshof setzt sich für eine verbesserteVorbereitung von Gesetzesentwürfen der Bundesministe-rien ein. Regierung und Parlament benötigen als Grund-lage ihrer Entscheidungen nachvollziehbare und umfas-sende Informationen über die Folgen von Gesetzen.Besondere Bedeutung kommt dabei den finanziellen Wir-kungen zu.

Das Haushaltsrecht gibt der Bundesregierung auf, ihrenGesetzesvorlagen einen Überblick über die Auswirkun-gen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung der öf-fentlichen Haushalte beizufügen. Außerdem soll angege-ben werden, auf welche Weise für Mehrausgaben desBundes ein Ausgleich gefunden werden kann (§ 10Abs. 1 BHO). Ein Ziel der am 1. September 2000 in Kraftgetretenen neuen Gemeinsamen Geschäftsordnung derBundesministerien (GGO) ist die Verbesserung der Infor-mationen über die voraussichtlichen Wirkungen von Ge-setzen. Die GGO verlangt in der amtlichen Begründungder Gesetzentwürfe und im Vorblatt (§§ 42 ff. GGO) um-fassende Angaben über die Auswirkungen des Gesetzesauf

● die Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haus-halte,

● die Kosten für die Wirtschaft, insbesondere die mittel-ständischen Unternehmen, sowie

● auf Einzelpreise, das Preisniveau sowie die Auswir-kungen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Auch ist festzulegen, ob und nach welchem Zeitraum zuprüfen ist, ob die beabsichtigten Wirkungen erreicht wor-den sind, ob die entstandenen Kosten in einem angemes-senen Verhältnis zu den Ergebnissen stehen und welcheNebenwirkungen eingetreten sind (§ 44 Abs. 7 GGO).

5.2

Der Bundesrechnungshof prüfte bereits im Jahre 2003 dieGesetzesvorlagen verschiedener Ressorts auf der Grund-lage der GGO und zeigte Mängel in der Vollständigkeitund Zuverlässigkeit der Gesetzesfolgenabschätzung auf. Erberichtete darüber u. a. in den Bemerkungen 2004 und 2006(Bundestagsdrucksachen 15/4200 Nr. 6 und 16/3200 Nr. 55).

Ein wesentlicher Aspekt der Prüfung betraf die Angabenüber Auswirkungen von Gesetzen auf den Haushaltsplanund die Finanzplanung von Bund, Ländern und Gemein-den. Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass diese An-gaben zahlreiche Lücken aufwiesen oder zu unbestimmtund formelhaft waren. Er unterrichtete das Bundesministe-rium der Finanzen über den Unterstützungs- und Bera-tungsbedarf der Fachministerien in Fragen der angemesse-nen Ermittlung und zutreffenden Darstellung finanziellerGesetzeswirkungen.

5.3

5.3.1

Auf Anregung des Bundesrechnungshofes erließ dasBundesministerium der Finanzen im Dezember 2006 All-gemeine Vorgaben für eine bessere Darstellung der Aus-wirkungen von Gesetzen auf die öffentlichen Haushalte.Diese Arbeitshilfe zeigt Beispiele für gelungene Kosten-aussagen auf und soll eine Orientierung bieten, wie dieKostenfolgenabschätzung von Gesetzgebungsvorhabenverbessert werden kann.

5.3.2

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologieveröffentlichte im Sommer 2005 ein Konzept für die Er-mittlung von möglichen Belastungen bei kleinen undmittleren Unternehmen. Ferner stellte es im Jahre 2007allen Ressorts ein Merkblatt zur Ermittlung der Kosten-folgen und Preiswirkungen von Rechtsetzungsmaßnah-men zur Verfügung.

5.3.3

Die bürokratischen Belastungen von Unternehmen durchInformationspflichten ermitteln die Bundesministerienmit Hilfe des Standardkosten-Modells. Hierzu müssenalle neuen Gesetze und Verordnungen im Hinblick auf dievon ihnen verursachten Informationskosten für die Wirt-schaft untersucht werden. Die Bundesministerien habendie Ergebnisse in den Begründungen der Gesetzentwürfedarzustellen. Daneben messen die Bundesministerien die-jenigen Informationskosten, die durch bereits vorhandeneRechtsnormen verursacht werden. Ziel ist es, 25 % derbestehenden Bürokratiekosten abzubauen.

Der im Jahre 2006 beim Bundeskanzleramt eingerichteteNationale Normenkontrollrat soll als unabhängiges Gre-mium die Bundesregierung dabei unterstützen, die durchInformationspflichten verursachten Bürokratiekosten zumessen und zu reduzieren. Er wacht über die Anwendungder Methode des Standardkosten-Modells und ist bei Ge-setzesvorlagen zu beteiligen.

5.4

In den Jahren 2006 und 2007 untersuchte der Bundes-rechnungshof bei drei Bundesministerien sieben Geset-zesvorlagen aus den Jahren 2003 und 2004 im Hinblickauf Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der dargestelltenfinanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushaltesowie die Evaluierung der Auswirkungen. Dabei stellte erim Wesentlichen Folgendes fest:

● Angaben zu den Kostenfolgen waren zum Teil lücken-haft, zu pauschal oder fehlten ganz.

● Die Berechnungen und die ihnen zugrunde liegendenAnnahmen waren nicht immer nachvollziehbar.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137 – Drucksache 16/7100

● Um zwischen den Auswirkungen auf die Haushaltevon Bund, Ländern und Gemeinden differenzieren zukönnen, sind gezielte Ermittlungen erforderlich. Sol-che Ermittlungen hatten die Bundesministerien nichtimmer systematisch vorgenommen. Aussagen warenteilweise ungenau.

● Geeignete Verfahren und methodische Grundlagenwaren weder in den Fachreferaten noch in den Haus-haltsreferaten hinreichend verbreitet.

● Das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer systema-tischen Auseinandersetzung mit finanziellen Gesetzes-wirkungen war nicht überall ausgeprägt.

● Angaben zu den Auswirkungen auf Haushaltsplan undFinanzplanung fehlten ebenso wie Vorschläge, aufwelche Weise für Mehrausgaben des Bundes ein Aus-gleich gefunden werden kann.

Ferner stellte der Bundesrechnungshof fest, dass Anga-ben über eine rückschauende Prüfung der Kostenfolgenfehlten und die erwarteten finanziellen Auswirkungenvon Rechtsetzungsmaßnahmen später nicht auf Abwei-chungen untersucht wurden. Es lagen keine Informatio-nen vor, ob und in welchem Umfang Abweichungen ge-genüber den ursprünglichen Berechnungen oderSchätzungen auftraten, welche Ursachen hierfür maßgeb-lich waren und welche Gegenmaßnahmen in Betracht kä-men.

5.5

Der Bundesrechnungshof hat es für wichtig gehalten, allevoraussichtlichen finanziellen Folgen eines Gesetzesnach geeigneten und einheitlichen Methoden und Krite-rien zu ermitteln. Dies war bei den untersuchten Gesetz-gebungsvorhaben nicht durchgehend der Fall.

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass die Hinweise undHilfen zur Abschätzung von Gesetzesfolgen von den Res-sorts konsequent angewendet werden und zu Verbesse-rungen führen.

Größere Bedeutung als bisher sollte nach Auffassung desBundesrechnungshofes die rückschauende Auseinander-setzung mit den prognostizierten Gesetzeswirkungen er-halten.

Er wird sich durch Auswertung weiterer Gesetzgebungs-maßnahmen hiervon überzeugen.

5.6

Die in die Prüfung einbezogenen Bundesministerien ha-ben die festgestellten Mängel überwiegend eingeräumt.

Das Bundesministerium des Innern hat sich zu den Aus-führungen des Bundesrechnungshofes nicht geäußert.

Das Bundesministerium der Finanzen hat ausgeführt, esteile die Auffassung des Bundesrechnungshofes, dasstransparente und vollständige Informationen über die Fol-

gen von Gesetzen eine wichtige Entscheidungsgrundlagefür Regierung und Parlament seien. Aussagen zu den fi-nanziellen Wirkungen kämen dabei besondere Bedeutungzu. Es habe deshalb umfangreiche „Allgemeine Vorgabenfür die Darstellung der Auswirkungen von Gesetzge-bungsvorhaben auf Einnahmen und Ausgaben der öffent-lichen Haushalte“ erarbeitet und den Ressorts zur Verfü-gung gestellt. Es biete ferner an, Kostendarstellungen zuGesetzesentwürfen bereits im Vorfeld – auch vor Versen-dung eines Referentenentwurfs – gemeinsam zu erörtern.Es wies darauf hin, dass die Arbeitshilfe des Bundesmi-nisteriums der Finanzen den Ressorts Anfang 2007 über-mittelt worden sei und die Verbreitung und Umsetzungder Hinweise erfahrungsgemäß etwas Zeit benötige. ImÜbrigen müsse den festgestellten Kritikpunkten und Defi-ziten von den fachlich zuständigen Ressorts abgeholfenwerden. Das Bundesministerium der Finanzen habe einenangemessenen Beitrag geleistet, um der Bedeutung derAufgabe gerecht zu werden.

Eine vom Bundesrechnungshof als erforderlich angese-hene rückschauende Auseinandersetzung mit den Abwei-chungen von prognostizierten finanziellen Gesetzeswir-kungen wirft nach Auffassung des Bundesministeriumsder Finanzen erhebliche methodologische und verfah-renstechnische Fragen auf, die einer vertieften Prüfungunter Einbeziehung des Sachverstandes verschiedenerRessorts bedürfe. Es hat darauf verwiesen, dass eine Ak-tualisierung der Kostenfolgen gesetzlicher Maßnahmenregelmäßig im Rahmen der Aufstellung des neuen Haus-haltsentwurfs und des neuen Finanzplans stattfinde undmit einer Unterrichtung über notwendige Anpassungeneinherginge.

5.7

Der Bundesrechnungshof erkennt die bisherigen Maßnah-men an, möglichst vollständige und belastbare Informa-tionen zur Wirkung von Gesetzen bereitzustellen. Er teiltdie Einschätzung des Bundesministeriums der Finanzen,dass die Einführung neuer Verfahren erfahrungsgemäßZeit benötige. Soweit hierzu noch methodologische undverfahrenstechnische Fragen zu klären sind, sollte dasBundesministerium der Finanzen im Benehmen mit denRessorts Hinweise erarbeiten.

Nachhaltige Wirkungen sind jedoch nur zu erzielen, wennder Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Ge-setzen auf die öffentlichen Haushalte sowohl auf der Lei-tungsebene der Ressorts als auch in den Fachreferatenbesondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Um ein wirk-sames Gesetzescontrolling durchführen zu können, hältder Bundesrechnungshof insbesondere folgende Maßnah-men für erforderlich:

● Geeignete Verfahren zur Gesetzesfolgenabschätzungsollten flächendeckend angewendet werden.

● Die Gesetzesvorlagen sollten sich stärker mit den fi-nanziellen Auswirkungen auf den Haushaltsplan unddie Finanzplanung von Bund, Ländern und Gemein-

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Drucksache 16/7100 – 138 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

den befassen. Sie sollten angeben, wie erwarteteMehrausgaben des Bundes ausgeglichen werden kön-nen.

● In rückschauenden Überprüfungen sollte festgestelltwerden, ob und inwieweit die prognostizierten Aus-wirkungen auf die öffentlichen Haushalte tatsächlicheingetreten sind. Bei wesentlichen Abweichungensollten mögliche Gegenmaßnahmen aufgezeigt wer-den.

6 Bundesanstalt Technisches Hilfswerk: Organisation straffen, Ehrenamt stärken(Kapitel 0629)

6.0

Das Technische Hilfswerk und das Bundesministeriumdes Innern wollen als Basis für die Arbeit des Techni-schen Hilfswerks das Ehrenamt der Helferinnen und Hel-fer stärken. Das Technische Hilfswerk soll zu diesemZweck seine Verwaltungsorganisation verbessern. Es un-tersuchte seine Organisation jedoch nur unvollständigund verzichtete auf die Ausschöpfung von Wirtschaftlich-keitsreserven.

Die Innenrevision des Technischen Hilfswerks war beieinem Haushaltsvolumen von 130 Mio. Euro mit nureinem hauptamtlichen Prüfer personell unterbesetzt.

6.1

Das Technische Hilfswerk (THW) ist eine nicht rechtsfä-hige Bundesanstalt mit Sitz in Bonn. Es gliedert sich inacht Landesverbände, denen 66 Geschäftsstellen zuge-ordnet sind. Das THW hat 850 hauptamtlich Beschäftigte,davon 170 in der zentralen Dienststelle mit der Leitung inBonn. In den 669 Ortsverbänden sind 80 000 ehrenamtli-che Helferinnen und Helfer tätig. Zu deren Aufgaben zäh-len technische Hilfe im Zivilschutz, in Katastrophenfäl-len, bei öffentlichen Notständen und bei größerenUnglücksfällen im In- und Ausland. Das Haushaltsvolu-men des THW beträgt 130 Mio. Euro jährlich.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes Frankfurt amMain (Prüfungsamt) die Verwaltungs- und Kontrollsys-teme des THW.

Das THW begann im Jahre 2004 mit einer Organisations-untersuchung, die es im Jahre 2005 abschloss. DerenZiele waren eine stärkere Ausrichtung der Organisationauf die Unterstützung des Ehrenamtes, die Anpassung anneue Aufgaben, die Einführung einer dezentralen Budge-tierung sowie die Einsparung von Personalkosten. DieOrganisation wurde nicht vollständig untersucht, so wa-ren z. B. die zentrale Dienststelle mit der Leitung sowieder mehrstufige Organisationsaufbau nicht einbezogen.

Der Abschlussbericht enthielt u. a. folgenden Organisa-tionsvorschlag: Verschiedene Verwaltungsaufgaben derLandesverbände und teilweise auch der Geschäftsstellensoll künftig in erster Linie die zentrale Dienststelle derBundesanstalt übernehmen. Hierzu gehören z. B. Rech-nungsbearbeitung, Personalangelegenheiten, Baumaßnah-men und das Vertragswesen. Dazu sollen Personalstellender Landesverbände in die zentrale Dienststelle der Bun-desanstalt umgesetzt werden. Stelleneinsparungen odereine Straffung der Organisation sind nicht vorgesehen.Alle Landesverbände, Geschäftsstellen und Ortsver-bände sollen erhalten bleiben.

Das THW plant, bis spätestens zum Jahre 2010 sein Lie-genschaftsmanagement auf die Bundesanstalt für Immo-bilienaufgaben zu übertragen. Außerdem will es künftigBeschaffungen vermehrt über das Beschaffungsamt desBundesministeriums des Innern (Bundesministerium) ab-wickeln. Dadurch wird sich der Personalbedarf in denLandesverbänden und Geschäftsstellen des THW weitervermindern. Die hierdurch erforderlichen organisatori-schen Straffungen sind in dem Organisationsvorschlag je-doch nicht berücksichtigt worden.

Die regelmäßige Kontrolle von Verwaltungsabläufen derGeschäftsstellen durch die Landesverbände war nicht ein-heitlich geregelt. Soweit vorhanden, beruhte sie auf derEigeninitiative einzelner Landesverbände.

Das Prüfungsamt stellte Mängel in der Haushalts- undWirtschaftsführung des THW, insbesondere bei der Be-schaffung, fest.

Einem im Vergabebereich tätigen Mitarbeiter einer Ge-schäftsstelle war es möglich, in den Jahren 2002 bis 2005mehrere Unterschlagungen zu begehen. Die Vorfälledeckte erst ein vertretungsweise mit der Leitung der Ge-schäftsstelle betrauter Beschäftigter im März 2005 auf.

Das THW verfügt über eine Stabsstelle Innenrevision, diemit zwei Personalstellen ausgestattet ist. Zum Zeitpunktder Prüfung durch das Prüfungsamt war eine der beidenStellen unbesetzt. Seit dem Jahre 2005 setzte das THWzeitweise drei Beschäftigte aus Geschäftsstellen oderLandesverbänden als zusätzliche Prüfer ein.

In einem auch an das THW adressierten Erlass vom19. März 1998 hatte das Bundesministerium darauf hin-gewiesen, dass die Innenrevision ausschließlich für Prü-fungsaufgaben zuständig sei und keine anderen (Linien-)Aufgaben habe. Die Durchführung von Prüfungen ob-liege grundsätzlich Angehörigen der Innenrevision, fürdie besondere Pflichten zur Unabhängigkeit gelten.

6.2

Der Bundesrechnungshof hat die Ansätze des THW füreine organisatorische Optimierung kritisiert. Zwar hat esdie Notwendigkeit organisatorischer Veränderungen er-kannt. Eine vollständige und vorbehaltlose Untersuchungseiner Organisation hat das THW jedoch nicht vorgenom-men. Die vorgesehenen Maßnahmen reichen nicht aus,

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 139 – Drucksache 16/7100

um die Organisation effektiv zu gestalten und die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Nach Auffassung des Bun-desrechnungshofes bietet nur eine Untersuchung der Ge-samtorganisation die Möglichkeit, die Aufgabenerfüllungauf allen Ebenen in geeigneter Weise zu organisieren undangemessene Steuerungs- und Kontrollsysteme einzufüh-ren. Hierzu müssen auch die bisherige Mehrstufigkeit desOrganisationsaufbaus sowie die Anzahl der Organisa-tionseinheiten auf den Prüfstand gestellt werden. Die per-sonellen Auswirkungen der anstehenden Aufgabenverla-gerungen sind zu berücksichtigen.

Der Bundesrechnungshof hat dem THW vorgeschlagen,weitere Verwaltungsaufgaben von den Geschäftsstellenauf die Landesverbände zu übertragen. Hierzu eignensich z. B. Beschaffungen, die Buchhaltung für die Orts-verbände, Einsatzabrechnungen sowie die Abrechnungvon Mehraufwandsentschädigungen für die ehrenamtli-chen Helferinnen und Helfer.

Der Bundesrechnungshof hat die unzureichende Stellen-und Personalausstattung der Innenrevision des THW be-anstandet. Das jährliche Haushaltsvolumen von 130 Mio.Euro kann von einem hauptamtlichen Beschäftigten nichtwirksam kontrolliert werden. Dies zeigen z. B. die Män-gel beim Beschaffungswesen und die lange unentdecktenUnterschlagungen eines Mitarbeiters.

Der Bundesrechnungshof hat auch den zeitweisen Ein-satz von Beschäftigten aus anderen Organisationseinhei-ten als Prüfer kritisiert. Das THW hat hiermit gegenallgemeine Revisionsprinzipien und den Erlass des Bun-desministeriums verstoßen. Mit Prüfungen beauftragteMitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hauptamtlich derInnenrevision zuzuordnen, um ihre Unabhängigkeit zugewährleisten. Sie dürfen nicht mit operativen Aufgabenaußerhalb der Innenrevision betraut werden.

Der Bundesrechnungshof hat gefordert, die Stellen- undPersonalausstattung der Innenrevision auf der Grundlageeiner Personalbedarfsermittlung unverzüglich angemes-sen zu verstärken. Das THW sollte nur hauptamtliche Be-schäftigte der Innenrevision mit Prüfungstätigkeiten be-auftragen.

6.3

Das THW hat sich zu den Prüfungsfeststellungen desBundesrechnungshofes trotz mehrfacher Aufforderungnicht geäußert.

Das Bundesministerium hat in seiner Stellungnahme wei-teren Handlungsbedarf zur Straffung der Organisation desTHW eingeräumt. Es hat eine Organisationsuntersuchungangekündigt, die auch die Zahl der Ebenen und Organisa-tionseinheiten berücksichtigen werde. Weiter hat es aufeine eingeleitete Organisationsuntersuchung der Leitungdes THW hingewiesen. Allerdings hat das Bundesminis-terium einschränkend hinzugefügt, dass das Geschäfts-stellennetz nicht gestrafft werden solle. Vielmehr sei eineindividuelle organisatorische Ausrichtung der Geschäfts-

stellen anhand der zu betreuenden Ortsverbände geprüftworden. Der Betreuungsumfang sei abhängig von denBedürfnissen des jeweiligen Ortsverbandes. Diese seienkaum messbar und von temporären Schwankungen ab-hängig. Deshalb werde der gleichförmige Aufbau der Ge-schäftsstellen beibehalten. Die Geschäftsstellen solltenaber von Verwaltungsaufgaben entlastet werden, um Ka-pazitäten für eine verbesserte Betreuung der Ehrenamtli-chen zu schaffen. So werde das Ziel erreicht, das Ehren-amt als Basis des THW zu stärken.

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass die Tätig-keit der Innenrevision in qualitativer und quantitativerHinsicht optimiert werden müsse. Allerdings werde unterBerücksichtigung der vorgegebenen Konsolidierung desBundeshaushalts an dem „personalkostenneutralen Kon-zept“ von nur zeitweise als Prüfer eingesetzten Beschäf-tigten festgehalten. Den prüfungstechnischen Sachver-stand erhielten diese Prüferinnen und Prüfer in einermehrwöchigen Einweisung und in einschlägigen Schu-lungen.

6.4

Der Bundesrechnungshof nimmt zur Kenntnis, dass dasBundesministerium den erheblichen Reorganisationsbe-darf beim THW bestätigt. Es äußert sich jedoch wider-sprüchlich. Einerseits kündigt es eine Organisationsunter-suchung an, die auch die Leitung sowie die Zahl derEbenen und der Organisationseinheiten einbeziehen soll.Andererseits lehnt es das Bundesministerium aber schonim Vorhinein ab, das Geschäftsstellennetz zu straffen,ohne dessen Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit ge-prüft zu haben. Nach Auffassung des Bundesrechnungs-hofes zeigt das Bundesministerium damit keine ernsthafteAbsicht, die Organisation des THW zu verbessern.

Das Bundesministerium bleibt aufgefordert, für eine vor-behaltlose Untersuchung der gesamten Organisation desTHW zu sorgen. Dabei sollte auch die Zahl der Ebenenund Organisationseinheiten auf den Prüfstand gestelltwerden, um einen schlanken und leistungsfähigen Orga-nisationsaufbau zu erreichen. So könnte Personal für eineverbesserte Betreuung und in der Folge eine wirkungsvol-lere Unterstützung der ehrenamtlichen Helferinnen undHelfer gewonnen werden. Mit dem Bundesverwaltungs-amt verfügt das Bundesministerium in seinem eigenenGeschäftsbereich über einen in der Organisationsberatungqualifizierten Dienstleister, den es mit dieser Aufgabe be-auftragen könnte.

Der Bundesrechnungshof hält an seiner Forderung fest,die Innenrevision des THW nur durch hauptamtliche Prü-ferinnen und Prüfer wahrzunehmen. Mit der Weigerung,dieser Forderung nachzukommen, setzt sich das Bundes-ministerium in Widerspruch zu seinen Grundsätzen fürdie Innenrevision, die es den Behörden seines Geschäfts-bereichs vorgegeben hat. Das Bundesministerium solltedarauf dringen, dass sich auch das THW an diese Grund-sätze hält.

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7 Bundespolizei zahlt für ihre Dienst-räume an Bahnhöfen zu viel Miete(Kapitel 0625 Titel 518 01)

7.0

Die Bundespolizei hat bundesweit an Bahnhöfen Dienst-räume für ihre polizeilichen Aufgaben angemietet. Nachden gesetzlichen Bestimmungen darf sie den Vermieternlediglich deren Selbstkosten erstatten. Vielfach zahlte dieBundespolizei jedoch frei verhandelte Mieten. Allein inden vom Bundesrechnungshof näher untersuchten Fällenentstehen dem Bund über einen Zeitraum von zehn Jahrenvermeidbare Mehrausgaben von 20 Mio. Euro.

7.1

Die Bundespolizei benötigt an Bahnhöfen Diensträumeund weitere Flächen (Parkplätze, Lager), um ihre polizei-lichen Aufgaben wahrnehmen zu können. Sie mietete da-für bundesweit Flächen von rund 60 000 m2. Diese Flä-chen befinden sich überwiegend im Eigentum einesgroßen Betreibers von Bahnhöfen sowie dessen zweiTochtergesellschaften (Vermieter). Insgesamt schloss dieBundespolizei an Bahnhöfen 253 Mietverträge mit einemVolumen von jährlich 6,7 Mio. Euro. Der Vermieter hateinen Anspruch darauf, dass ihm die Bundespolizei dieKosten für die von ihr genutzten Diensträume erstattet.Die Höhe der Erstattung ist nach dem Bundespolizeige-setz auf die Selbstkosten begrenzt. Die Festlegung vonPauschalen ist zulässig.

Der Bundesrechnungshof untersuchte mit Unterstützungdes Prüfungsamtes des Bundes Magdeburg die Mietver-träge der Bundespolizei an Bahnhöfen. Er stellte fest,dass das Bundesministerium des Innern (Bundesministe-rium) mit dem Vermieter im Jahre 1995 eine Rahmenver-einbarung geschlossen hatte, die monatliche Mietpauscha-len vorsah. Diese waren frei verhandelt worden undbasierten nicht auf geprüften Selbstkosten. Auf der Basisder Rahmenvereinbarung schloss die Bundespolizei168 Mietverträge.

In den Jahren 1998 und 1999 vereinbarten das Bundesminis-terium und der Vermieter für neue oder grundlegend um-gestaltete Bahnhöfe die Zahlung von Kostenmieten. DieBerechnungsmethode für die Kostenmiete stellte auf ei-nen Abschreibungszeitraum der Investitionen des Ver-mieters von zehn Jahren und kalkulatorische Zinsen von7 % ab. Die Investitionskosten sollten nachgewiesen wer-den. Auf der Grundlage dieser Zusatzvereinbarungenschloss die Bundespolizei mittlerweile für insgesamt37 Bahnhöfe Einzelmietverträge. Sie verpflichtete sich,über einen Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 31 Mio.Euro an den Vermieter zu zahlen.

Die Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträ-gen sieht für Selbstkosten von Anlagen und Gebäuden ei-nen Abschreibungszeitraum entsprechend der erfahrungs-mäßigen Nutzungsdauer und eine Verzinsung von 6,5 %

vor. Die Zollverwaltung, die ebenfalls Diensträume anBahnhöfen des Vermieters mietet, legt den Selbstkosten-prüfungen in Bahnhöfen einen Zinssatz von 6 % zu-grunde. Sie geht bei der Selbstkostenprüfung von Büro-gebäuden von einer Nutzungsdauer von 50 Jahren aus.Die Bundespolizei hätte ebenso von einer Nutzungsdauervon 50 Jahren und einem Zinssatz von 6 % ausgehenmüssen. Bei einer Nutzungsdauer von 50 Jahren würdender Bundespolizei innerhalb von zehn Jahren für die an-gemieteten Flächen an Bahnhöfen lediglich 11 Mio. Euroan Mietausgaben entstehen. Die Kostenmietverträge füh-ren zu Mehrausgaben des Bundes von 20 Mio. Euro.

Die Mehrzahl der Kostenmietverträge sieht zudem vor,dass ab dem elften Jahr die Mietpauschale gemäß Rah-menvereinbarung anstelle der Kostenmiete zu zahlen ist.Prüffähige Unterlagen über die Investitionskosten stellteder Vermieter bisher nicht zur Verfügung. ZusätzlicheÜberzahlungen können daher nicht ausgeschlossen wer-den.

7.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Bun-despolizei über Jahre hinweg Mietzahlungen für Dienst-räume an Bahnhöfen nicht auf die gesetzlich vorgeschrie-bene Erstattung der Selbstkosten begrenzt hat. Sie hatstattdessen Zahlungen auf der Basis ausgehandelter Miet-preise geleistet. Er hat kritisiert, dass den vereinbartenMietpauschalen keine geprüften Selbstkosten zugrundelagen. Er hat ferner kritisiert, dass das BundesministeriumKostenmieten vereinbarte und dabei preisrechtliche Vor-gaben nicht beachtete.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen,

● die bestehende Rahmenvereinbarung mit dem Vermie-ter zu kündigen und eine neue Vereinbarung abzu-schließen, die den Erstattungsanspruch auf die geprüf-ten Selbstkosten beschränkt,

● keine weiteren Verträge über sogenannte Kostenmie-ten abzuschließen und die laufenden Vertragsverhält-nisse nach Möglichkeit zu kündigen sowie

● bei allen bestehenden Kostenmietverträgen die Inves-titionskosten zeitnah zu prüfen, weitere Zahlungen nurunter Vorbehalt zu leisten und etwaige Überzahlungenfür die zurückliegenden Jahre zurückzufordern.

7.3

Das Bundesministerium hat den Feststellungen des Bun-desrechnungshofes im Wesentlichen eine Stellungnahmedes Vermieters entgegen gehalten. Danach seien die bis-lang vereinbarten Mietpauschalen für den Vermieter nichtkostendeckend. Ebenso lägen die Kostenmieten in denmeisten Fällen unter den tatsächlichen Selbstkosten. Dievom Bundesrechnungshof ermittelte Überzahlung würde

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 141 – Drucksache 16/7100

sich fast vollständig relativieren, wenn der aus der Sichtdes Vermieters korrektere Zinssatz von 6,5 % angesetztwürde.

Das Bundesministerium hat sich zu dem Vorwurf, es habeMieten ausgehandelt und nicht auf geprüfte Selbstkostenbegrenzt, nicht eindeutig bzw. gar nicht geäußert. So hates zu den Mietpauschalen mitgeteilt, es könne die Fest-stellungen nicht grundsätzlich entkräften. Zu den Kosten-mieten hat es sich nicht geäußert. Es hat jedoch zuge-sichert, Zahlungen für die laufenden Kostenmietverträgeunter Vorbehalt zu leisten und die Prüfung der Investi-tionskosten nachzuholen. Jeder einzelne Kostenmietver-trag müsse hinsichtlich seiner Kündigungsmöglichkeituntersucht werden. Gegensätzliche Auffassungen müss-ten im Wege der Verhandlungen mit dem Vermieter aus-geräumt werden. Bei der geplanten neuen Rahmenverein-barung bestehe mit dem Vermieter keine Einigung überdie Methode zur Ermittlung der pauschalierten Mieten.Man wolle jedoch die Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes beachten.

7.4

Der Bundesrechnungshof hält der Stellungnahme desVermieters entgegen, dass den Mietpauschalen keine ge-prüften Selbstkosten zugrunde lagen und die Berechnun-gen für die Kostenmieten auf unzulässigen Annahmenüber Abschreibungszeiträume und Zinssätze beruhten.

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium eine Reihe von Maßnahmen einleiten will,um weitere finanzielle Nachteile für den Bund zu vermei-den. Diese Maßnahmen stellen jedoch nicht sicher, dassdie Mietzahlungen der Bundespolizei künftig nur dieSelbstkosten der Vermieter erstatten. Die Antwort desBundesministeriums lässt nicht erkennen, dass es seinebesondere Rechtsposition aus dem Bundespolizeigesetzhinreichend wirksam nutzen und Vorgaben des Preis-rechts beachten wird, um eine wirtschaftliche Unterbrin-gung der Bundespolizei an den Bahnhöfen durchzuset-zen. Der Bundesrechnungshof hält daher erneut denHinweis für geboten, dass die Entgelte für die Überlas-sung von Diensträumen an Bahnhöfen nicht im Wege derVerhandlung festgelegt werden dürfen. Sie sind auf derGrundlage des Preisrechts anhand von nachgewiesenenSelbstkosten zu ermitteln. Da das Bundesministerium seitJahren keine Erkenntnisse über geprüfte Selbstkosten desVermieters hat, sieht der Bundesrechnungshof derzeitkeine Möglichkeit, in der neuen Rahmenvereinbarungpauschalierte Mieten festzulegen. Bis entsprechende Er-kenntnisse vorliegen, wird das Bundesministerium in je-dem Mietfall die Selbstkosten festzulegen haben.

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass das Bundesminis-terium die den Kostenmietverträgen zugrunde liegendenInvestitionskosten des Vermieters kurzfristig prüft. Etwa-ige Überzahlungen sollten noch vor dem Eintritt der Ver-jährung zurückgefordert werden. Das Bundesministeriumsollte zudem mit Nachdruck untersuchen, wie die Ver-träge über Kostenmieten zeitnah gekündigt werden kön-nen.

8 Bundespolizei hält zu viele Transport-hubschrauber vor(Kapitel 0625)

8.0

Die Bundespolizei hält für den sofortigen und gleichzeiti-gen Einsatz bei besonderen Lageentwicklungen 40 Trans-porthubschrauber vor. Obwohl diese in den vergangenenJahrzehnten nie sofort und gleichzeitig eingesetzt wurdenund seit vielen Jahren lediglich zu 10 % ausgelastet sind,hält die Bundespolizei an der Zahl der Transporthub-schrauber fest. Eine Einsatzkonzeption für besondereLageentwicklungen hat sie nicht entwickelt. Davonunabhängig könnte sie die Anzahl der teuren Transport-hubschrauber reduzieren, wenn sie im Falle einer beson-deren Lageentwicklung auch ihre vorhandenen Mehr-zweckhubschrauber verwendete. Durch den Verkauf vonmindestens drei überzähligen Hubschraubern könntenEinnahmen von 40 Mio. Euro erzielt und jährliche Be-triebsausgaben von mindestens 1 Mio. Euro vermiedenwerden.

8.1

Die Bundespolizei setzt Hubschrauber als polizeilichesEinsatz- und Transportmittel ein. Nach Abschluss der lau-fenden Ersatzbeschaffung und Modernisierung der Hub-schrauberflotte wird der Bundespolizeiflugdienst imJahre 2010 insgesamt über 63 Polizeihubschrauber verfü-gen. 40 dieser Hubschrauber sollen vorrangig für denTransport von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten(Polizeikräfte) eingesetzt werden.

Der Bundesrechnungshof untersuchte den Einsatz derTransporthubschrauber und stellte fest, dass in den Jahren2004 und 2005 jeweils etwa 8 500 Flugstunden für poli-zeiliche Aufgaben anfielen. Gemessen an der Zahl vonjährlich 83 000 möglichen Flugstunden ergab sich einerechnerische Auslastung von rund 10 %. Dieser Wertdeckte sich mit den Angaben des Bundesministeriums desInnern (Bundesministerium) für das Jahr 2002. Die Zahlder Transporthubschrauber begründete das Bundesminis-terium damit, dass bei besonderen Lageentwicklungen457 Polizeikräfte mit Einsatzausrüstung „in einer Welle“,d. h. sofort und gleichzeitig, an einen beliebigen Einsatz-ort transportiert werden müssten. Die Zahl von 457 Poli-zeikräften entspricht dem geschlossenen Einsatz von dreiHundertschaften mit Teilen des Führungsstabes, des Sani-tätsdienstes und von Spezialkräften. Eine Einsatzkonzep-tion für diese Lageentwicklungen gab es nicht. Die Bun-despolizei hat einen Transport von 457 Polizeikräften „ineiner Welle“ in der Vergangenheit weder geübt noch imRahmen eines Einsatzes durchgeführt.

Neben den Transporthubschraubern verfügt die Bundes-polizei über 23 Verbindungs- und Beobachtungshub-schrauber, die ebenfalls nicht ausgelastet sind. Mit diesenkleineren Mehrzweckhubschraubern können in der

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Drucksache 16/7100 – 142 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Summe rund 60 Polizeikräfte transportiert werden. Diesentspricht der Kapazität von drei Transporthubschrau-bern.

8.2

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium da-rauf hingewiesen, dass er den Bedarf an 40 Transporthub-schraubern der Bundespolizei wegen der geringen Aus-lastung und weil sie noch nie „in einer Welle“ im Einsatzwaren, nicht für schlüssig begründet hält. Eine in dieserGrößenordnung vorzuhaltende Lufttransportkapazität istzudem weder gesetzlich noch im Rahmen sonstiger ver-traglicher Vereinbarungen festgeschrieben.

Ungeachtet der Frage, ob die Lufttransportkapazität indem vorgehaltenen Umfang erforderlich ist, hat der Bun-desrechnungshof beanstandet, dass die Bundespolizei beider Ermittlung der Transportkapazität den Bestand anMehrzweckhubschraubern unberücksichtigt gelassen hat.Leistung, Reichweite und Zuladung dieser Hubschrauberließen es nach seiner Ansicht zu, sie im Falle einer außer-gewöhnlichen Einsatzlage ebenfalls für Transportaufga-ben einzusetzen. Dadurch könnten drei Transporthub-schrauber verwertet werden. Durch den Verkauf ließensich Einnahmen von rund 40 Mio. Euro erzielen und Aus-gaben bei Betrieb und Instandhaltung von jährlich über1 Mio. Euro einsparen.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, die erforderliche Anzahl an Transporthub-schraubern auf der Grundlage einer Einsatzkonzeptionmit einer prognostischen Abschätzung künftiger Szena-rien zu prüfen. Dabei sollten die vorhandenen Mehr-zweckhubschrauber berücksichtigt werden.

8.3

Das Bundesministerium teilt die Einschätzung und Be-wertung des Bundesrechnungshofes nicht. Es hat erwi-dert, die Auslastung von 10 % sei ein rein theoretischerRechenwert, der an den polizeilichen Einsatzerfordernis-sen vorbei gehe. Es sei ein ausreichendes Vorhaltepoten-zial erforderlich, um den häufig nicht vorhersehbaren Be-darf zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen mittelsHubschraubern bundesweit decken zu können.

Die verfügbaren Lufttransportkapazitäten der Bundes-polizei seien in der Vergangenheit bereits mehrfach beigrößeren polizeilichen Einsatzlagen in Anspruch genom-men worden. Beispielhaft hierfür seien u. a. die Einsätzeanlässlich der Castor-Transporte oder im Rahmen derFIFA-Weltmeisterschaft 2006. So seien bei dem Castor-Einsatz im Jahre 2001 an einem einzigen Tag über2 000 Polizeikräfte transportiert worden. Aus einsatztak-tischen Gründen müsse daher an der Vorgabe für die Luft-transportkapazität festgehalten werden. Im Übrigen habedas Bundesministerium die Zahl der Transporthubschrau-ber anlässlich der Modernisierung bereits von 46 auf

40 reduziert und sie damit dem aktuellen Bedarf ange-passt.

Der Auffassung des Bundesrechnungshofes, auch dieMehrzweckhubschrauber für Lufttransporte zu berück-sichtigen, könne aufgrund technischer und taktischerGegebenheiten nicht gefolgt werden. Die Mehrzweck-hubschrauber eigneten sich nicht für größere Trans-portaufgaben. Sie hätten bei Auslastung eine deutlich ge-ringere Reichweite und Reisegeschwindigkeit alsTransporthubschrauber. Auch seien die Flugkosten höher.Unabhängig davon stünden diese Hubschrauber für Luft-transporte nicht zur Verfügung, weil sie für andere gesetz-liche Aufgaben (Grenzschutz, Bahnpolizei) gebundenseien. Ein Abzug für größere Lufttransporte würde eineVernachlässigung dieser Aufgaben bedeuten. Dies sei si-cherheitspolitisch und einsatztaktisch nicht vertretbar.

8.4

Der Bundesrechnungshof hält die vom Bundesministe-rium erhobenen Einwendungen nicht für stichhaltig.Zwar teilt er die Auffassung des Bundesministeriums,dass für besondere Lageentwicklungen ein ausreichendesPotenzial an Transporthubschraubern vorzuhalten ist. Esbleibt allerdings unverständlich, warum das Bundesmi-nisterium hier an Vorgaben zur Lufttransportkapazitätfesthält, die bei polizeilichen Einsätzen in diesem Um-fang bisher noch nie „in einer Welle“ abgerufen wurden.Bei den vom Bundesministerium angeführten Einsätzenhandelte es sich ausschließlich um vorhersehbare, ausrei-chend planbare und über einen oder mehrere Tage ver-teilte Einsätze. Es waren dabei nie alle Transporthub-schrauber „in einer Welle“ mit 457 Polizeikräften imEinsatz. Die in den letzten Jahren bereits reduzierte An-zahl der Transporthubschrauber ist entgegen der Auffas-sung des Bundesministeriums nicht Folge eines veränder-ten Bedarfs. Sie ist vielmehr Ergebnis der höherenTransportkapazitäten und der geringeren Ausfallzeitenbeim Einsatz der leistungsfähigeren Hubschrauber. DerBundesrechnungshof ist deshalb unverändert der Ansicht,dass die Zahl der Transporthubschrauber überprüft wer-den muss.

Die vom Bundesministerium gegen den Einsatz derMehrzweckhubschrauber angeführten technischen Nach-teile vermögen ebenso wenig zu überzeugen wie die ver-meintlich höheren Flugkosten. Bei früheren Großeinsät-zen lag die Flugzeit für die überwiegende Mehrzahl derTransportflüge bei unter einer halben Stunde und damit ineinem Bereich, in dem auch Mehrzweckhubschraubereingesetzt werden können. Angesichts der Möglichkeit,Transporthubschrauber dauerhaft einzusparen, sind etwa-ige Mehrkosten bei einem ausnahmsweisen Einsatz derMehrzweckhubschrauber zu vernachlässigen.

Der Bundesrechnungshof hält es daher unverändert fürerforderlich, die Mehrzweckhubschrauber bei der Be-rechnung der Lufttransportkapazität für eine besondereEinsatzlage zu berücksichtigen. In einem derartigen, bis-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143 – Drucksache 16/7100

her nie dagewesenen Fall sollte es möglich sein, die übli-chen Aufgaben der Mehrzweckhubschrauber vorüberge-hend zurückzustellen. Der Bundesrechnungshof regt imÜbrigen an, in diese Überlegungen auch den ausnahms-weisen Einsatz geeigneter Polizeihubschrauber der Län-der einzubeziehen.

Er empfiehlt dem Bundesministerium, den Bedarf derBundespolizei an Transporthubschraubern auf der Grund-lage einer Einsatzkonzeption kritisch zu prüfen. Um ei-nen ausnahmsweisen Spitzenbedarf bei einer besonderenEinsatzlage abzudecken, sollten die Mehrzweckhub-schrauber der Bundespolizei berücksichtigt werden. DerBundesrechnungshof erwartet, dass das Bundesministe-rium die überzähligen Transporthubschrauber zeitnah ei-ner wirtschaftlichen Verwertung zuführt.

9 Versorgung der Bundespolizei mit Dienstkleidung schlecht organisiert (Kapitel 0625 Titel 514 01 und 812 01)

9.0

Die Versorgung der Polizeivollzugsbeamtinnen und -be-amten der Bundespolizei mit Dienstkleidung und persön-licher Ausrüstung ist dezentral organisiert, zeitaufwendigund unwirtschaftlich. Das Bundesministerium des Innernhat die von ihm geplante Neuorganisation des Beklei-dungswesens bislang nicht konsequent umgesetzt und Op-timierungsvorschläge des Bundesrechnungshofes nichtausreichend berücksichtigt. Allein die Personalkosten kön-nen gegenüber den Planungen des Bundesministeriumsdes Innern um 2 Mio. Euro jährlich gesenkt werden.

9.1

9.1.1

Die Bekleidungswirtschaft in der Bundespolizei hat dieAufgabe, die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten(Polizeikräfte) mit erforderlicher Dienstkleidung und per-sönlicher Ausrüstung sowie die Zivilbediensteten mitArbeitsschutzbekleidung auszustatten. Derzeit hat dieBundespolizei bundesweit 39 000 Polizeikräfte und Zivil-bedienstete zu versorgen. Dafür hält sie 6 500 Einzelarti-kel verfügbar. Im Bundeshaushalt werden jährlich 10 bis12 Mio. Euro für die Erst- und Ersatzbeschaffung veran-schlagt. Die Bundespolizei versorgt die Polizeikräfte überein dezentrales Versorgungssystem mit Bekleidung. Inden 25 Bekleidungskammern, 24 Bekleidungswerkstättenund vier Bekleidungsbussen sind rund 240 Beschäftigteeingesetzt.

Der Bundesrechnungshof untersuchte mit Unterstützungdes Prüfungsamtes des Bundes Magdeburg die Beklei-dungswirtschaft in der Bundespolizei. Er stellte fest, dassdas Bundesministerium des Innern (Bundesministerium)bereits Mitte der 90er-Jahre die dezentrale Versorgungder Polizeikräfte mit Dienstkleidung und persönlicherAusrüstung für zeitaufwendig und unwirtschaftlich hielt.

Nach einem Erprobungsprojekt und der Einrichtung einerProjektgruppe beauftragte das Bundesministerium dieBundespolizeidirektion im Dezember 2004, ein Realisie-rungskonzept für eine zentrale Versorgung der gesamtenBundespolizei zu erstellen. Das Realisierungskonzept ausdem Jahre 2005 sieht eine zeitnahe Versorgung der Poli-zeikräfte vor und zeigt erhebliche Einsparungsmöglich-keiten bei der Lagerhaltung auf. Die Zahl der Beschäftig-ten soll auf rund 100 zurückgeführt werden.

Das Bundesministerium setzte das Realisierungskonzeptzur Neuorganisation der Bekleidungswirtschaft in derBundespolizei bislang nicht um. Der Personalplanung lagkeine nach anerkannten Methoden durchgeführte Perso-nalbedarfsermittlung zugrunde.

9.1.2

Der Bund und die meisten Länder entwickeln und be-schaffen die Dienstkleidung für ihre Polizeien weitge-hend unabhängig voneinander. In Folge dessen ist dieAusstattung der Polizeien mit Dienstkleidung trotz ver-gleichbarer Aufgaben quantitativ und qualitativ unter-schiedlich. Einzelne Länder sind länderübergreifende Ko-operationen eingegangen und versorgen ihre Polizeikräftezentral über Logistikzentren. Dies führte zu günstigerenEinkaufspreisen, zum Abbau von Lagerkapazitäten undzu Personaleinsparungen. Soweit die Kooperationen aucheine gemeinsame Entwicklung einer modular konzipier-ten Dienstkleidung vorsahen, hat dies zu weiteren erheb-lichen finanziellen Einsparungen geführt.

9.2

9.2.1

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium das Realisierungskonzept bislang nichtumgesetzt und die darin aufgezeigten Verbesserungsmög-lichkeiten und Einsparungspotenziale nicht genutzt hat.Er hat daher gefordert, das Konzept kurzfristig umzuset-zen.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, zu dem Realisierungskonzept ein personalwirt-schaftliches Umsetzungskonzept zu erstellen und denkünftigen Personalbedarf nach anerkannten Methoden zuermitteln. Er hält es für möglich, den vom Bundesminis-terium für notwendig erachteten Personalbedarf weiter zusenken. In diesem Zusammenhang hat er auf vergleich-bare Logistikzentren der Länder verwiesen. Diese versor-gen die Polizeien mehrerer Länder und Andere mit weni-ger als der Hälfte der bei der Bundespolizei geplantenBeschäftigten. Dabei haben sie eine mit der Bundespoli-zei vergleichbare Größenordnung und vergleichbare Auf-gaben. Alleine durch eine weitere Straffung des künftigenPersonalbestandes von 100 auf 50 Beschäftigte könnten2 Mio. Euro jährlich an Personalausgaben eingespart wer-den.

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Drucksache 16/7100 – 144 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ungeachtet der geplanten Verbesserung der Versorgungder Bundespolizei mit Dienstkleidung und Ausrüstungmuss sich das Bundesministerium einer weiteren Opti-mierung der Bekleidungswirtschaft stellen. Es muss dabeiauch Möglichkeiten prüfen, ob Aufgaben oder Teilaufga-ben ebenso gut oder besser durch Ausgliederung oder Pri-vatisierung erfüllt werden können.

9.2.2

Der Bundesrechnungshof hat sich für ein gemeinsamesVorgehen von Bund und Ländern bei der Neu- und Wei-terentwicklung sowie bei der Beschaffung von Dienst-kleidung ausgesprochen. Eine Kooperation lässt erhebli-che Einsparpotentiale insbesondere bei Einkaufspreisen,Personalbedarf und Lagerkapazitäten erwarten. Der Bun-desrechnungshof hält eine gemeinsam abgestimmte Ent-wicklung und Beschaffung modular konzipierter Dienst-kleidung für Polizeikräfte von Bund und Ländern invergleichbaren Einsatzbereichen für sinnvoll und aufgrundmöglicher Einsparungen auch für angezeigt. Ein modula-rer Aufbau der Dienstkleidung schließt mit Blick auf dieföderalen Strukturen im Polizeibereich eine individuelleAusgestaltung der jeweiligen Uniformen nicht aus.

9.3

9.3.1

Das Bundesministerium hat die Feststellungen des Bun-desrechnungshofes bestätigt. Es hat zugesagt, die Neuor-ganisation der Bekleidungswirtschaft auf Grundlage derRealisierungskonzeption nach Abschluss des personal-vertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens sukzes-sive und sozialverträglich umzusetzen. Es hält die Perso-nalausstattung seiner geplanten zentralen Versorgung mitden Zentren der Länder für nicht vergleichbar, da seineEinrichtung umfangreichere Aufgaben habe. Es will einpersonalwirtschaftliches Umsetzungskonzept erstellen,um die erforderlichen Personalmaßnahmen zu realisieren.Zu der Forderung, den künftigen Personalbedarf nach an-erkannten Methoden zu ermitteln, äußert es sich nicht. Eshält eine Privatisierung der Bekleidungswirtschaft fürnicht praktikabel. Die Entwicklung sowie Bereitstellungvon Dienstkleidung und Ausrüstung sei eine wichtigeAufgabe für den Erhalt bzw. die kurzfristige Wiederher-stellung der Einsatzfähigkeit der Bundespolizei und somitfür deren Handlungsfähigkeit. Die Privatisierung der Be-kleidungswirtschaft gefährde die persönliche Sicherheitder Polizeikräfte.

9.3.2

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, es halte eine Ini-tiative zur Vereinheitlichung der Dienstkleidung und zueinem abgestimmten Vorgehen bei der Beschaffung undBewirtschaftung für nicht zielführend und erfolgverspre-chend. Alle Versuche zur Vereinheitlichung der Dienst-kleidung von Bund und Ländern seien in der Vergangen-

heit gescheitert. Es werde sich aber weiterhin bemühen,die Länder für eine gemeinsame Entwicklung und Be-schaffung zu gewinnen.

9.4

9.4.1

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundesminis-terium das Realisierungskonzept zur zentralen Versorgungder Bundespolizei mit Dienstkleidung sowie Ausrüstungumsetzen und damit die Versorgung wirtschaftlich gestal-ten will. Er hält es jedoch für notwendig, die Maßnahmenmit mehr Nachdruck voranzubringen.

Der Bundesrechnungshof fordert erneut, den künftigenPersonalbedarf im Rahmen des personalwirtschaftlichenUmsetzungskonzeptes nach anerkannten Methoden zu er-mitteln. Er hält es für möglich, den Personalbedarf gegen-über den Planungen des Bundesministeriums weiter zureduzieren. Entgegen der Auffassung des Bundesministe-riums sind die Logistikzentren der Länder sowohl von ih-rer Größenordnung als auch von ihren Aufgaben durch-aus mit der geplanten zentralen Versorgungseinrichtungder Bundespolizei vergleichbar. Zudem verfügen sie übereine große Warenvielfalt für die Länderpolizeien und fürandere Landesbehörden.

Die allgemeinen Hinweise des Bundesministeriums, einePrivatisierung der Bekleidungswirtschaft der Bundespoli-zei gefährde die persönliche Sicherheit der Polizeikräfteund damit die Einsatzfähigkeit und polizeiliche Hand-lungsfähigkeit, überzeugen nicht. Sie sind nicht geeignet,die Forderung, weitere Optimierungsmöglichkeiten zuprüfen, zu entkräften. Zudem zeigen die Entwicklungenbei den Polizeien der Länder und auch bei der Bundes-wehr, dass Ausgliederungen oder eine Privatisierung derBekleidungswirtschaft oder Teilen davon möglich sind,ohne dass die Einsatzfähigkeit beeinträchtigt ist. DerBundesrechnungshof bleibt daher bei seiner Forderung,bei einer weiteren Optimierung der Bekleidungswirt-schaft die Möglichkeiten der Ausgliederung und Privati-sierung zu prüfen.

9.4.2

Der Bundesrechnungshof erwartet von dem Bundesmi-nisterium, dass es sich trotz seiner bislang negativen Er-fahrungen weiterhin mit Nachdruck für ein gemeinsamesVorgehen von Bund und Ländern bei der Neu- und Wei-terentwicklung von Dienstkleidung einsetzt. Er hält esdarüber hinaus für erforderlich, dass sich das Bundesmi-nisterium verstärkt um eine gemeinsame Beschaffung mitden Ländern oder eine Beschaffung über die bestehendenzentralen Logistikzentren bemüht. Hier sieht der Bundes-rechnungshof die Möglichkeit, erhebliche Kosten einzu-sparen. Darum hat sich das Bundesministerium bishernicht nachdrücklich genug bemüht.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 145 – Drucksache 16/7100

Bundesministerium der Justiz (Einzelplan 07)

10 Mietverträge für Hard- und Software Nach Ablauf der Mietverträge übernahm das DPMA na-

sowie unzureichende Vertragsüber-wachung führen zu unnötig hohen Ausgaben (Kapitel 0710 Titelgruppe 55)

10.0

Als sogenanntes „Rundum-Sorglos-Paket“ mietete dasDeutsche Patent- und Markenamt seit dem Jahre 1999den Großteil seiner Computer, Software und Dienstleis-tungen im Gesamtwert von fast 8 Mio. Euro für dreiJahre. Es gab so im Vergleich zum Kauf und fünfjährigerNutzungsdauer über 1 Mio. Euro mehr aus. Für von demVermieter vermittelte Software bezahlte es das Dreifachedes Preises, den der Hersteller der Software beim Kaufverlangt hätte. Nach Ablauf der Mietverträge wurden dieMietgegenstände regelmäßig zum Restwert gekauft undRestwertzahlungen auch für Dienstleistungen geleistet,die im Rahmen der Mietverträge bereits abgegolten wa-ren.

10.1

Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) entschiedsich im Jahre 1999, den Großteil seiner Computer und desZubehörs fortan zu mieten anstatt zu kaufen. Es bezogsich dabei auf eine im Bundesministerium der Justiz(Bundesministerium) getroffene Grundsatzentscheidung.

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung des Prü-fungsamtes des Bundes Koblenz die Mietverträge für dieInformationstechnik des DPMA geprüft. Dabei stellte erfest, dass es Mietverträge mit einem Gesamtvolumen vonfast 8 Mio. Euro im Wege freihändiger Vergabe abge-schlossen hatte. Die Mietgegenstände umfassten im We-sentlichen Server, Computer und Zubehör, aber auchSoftware und Dienstleistungen, die aus einem bestehen-den Rahmenvertrag des Bundes bezogen wurden. DieLaufzeit der Verträge betrug überwiegend drei Jahre. Dieeigene Beschaffungsstelle hatte wegen nicht nachgewie-sener Wirtschaftlichkeit gegen die Mietverträge ge-stimmt.

Anderthalb Jahre nach Beginn der Vertragslaufzeit be-merkte die für die Vertrags- und Rechnungsführung zu-ständige Arbeitseinheit des DPMA, dass alle bis dahinaus einem der Mietverträge gestellten Rechnungen desVermieters um fast 40 % zu hoch waren, und korrigiertedies. In einem anderen Fall musste erst der Vermieter dasDPMA nach knapp einem Jahr darauf hinweisen, dasseine Rechnung in Höhe von über 40 000 Euro doppelt an-gewiesen worden war.

hezu den gesamten gemieteten Bestand an Hard- undSoftware zum Restwert von 10 % des Finanzierungsvolu-mens. Dabei entrichtete es Restwert-Beträge auch für be-reits erbrachte Dienstleistungen.

Zur automatisierten Einrichtung von Computern setztedas DPMA eine Spezialsoftware ein, für die es insgesamtrund 1 900 Nutzungsrechte (Lizenzen) benötigte. Zu-nächst kaufte es 500 Lizenzen dieser Software bei demHersteller. Seit dem Jahre 1999 bezog das DPMA dierestlichen Lizenzen und die zu erbringenden Pflegeleis-tungen für die Software von dem Vermieter. Die Verträgehatten eine Laufzeit von drei Jahren. Der Hersteller derSoftware hatte in seinem früheren Angebot mengenab-hängige Preisnachlässe angeboten. Dem gegenüber ver-einbarte das DPMA mit dem Vermieter um mehr als 50 %höhere Preise; diese wurden den Mietraten für die Hard-ware zugeschlagen.

Seit dem Jahre 2001 stellte der Vermieter sowohl für diegekauften als auch für die mit Softwarepflege gemietetenLizenzen rückwirkend ab dem Jahre 2000 zusätzlich Pfle-geleistungen in Rechnung. Eine Vertragsgrundlage konntedas DPMA dafür nicht vorweisen. Zusammen mit den um50 % höheren Zahlungen aus den Mietverträgen betrugder Gesamtpreis für diese vom Vermieter berechneten,aber vom Softwarehersteller zu erbringenden Pflegeleis-tungen mehr als das Fünffache des Preises, der bei einemdirekten Vertragsverhältnis mit dem Hersteller der Soft-ware zu zahlen gewesen wäre.

Darüber hinaus führte das DPMA im Jahre 2004 eineneue Spezialsoftware eines anderen Herstellers ein, ohnedie bislang genutzte Software, für die es 865 000 Eurobezahlt hatte, der übrigen Bundesverwaltung zur weiterenNutzung anzubieten.

10.2

Der Bundesrechnungshof hat die freihändige Vergabe derDienstleistungsaufträge und der Lieferungen von Hard-und Software als vergaberechtlich unzulässig kritisiert;Dienstleistungen, Spezialsoftware und Mietverträge wa-ren nicht Inhalt des Rahmenvertrages. Die Bedenken derBeschaffungsstelle waren berechtigt.

Die Fehler bei der Vertrags- und Rechnungsüberwachunghat der Bundesrechnungshof als nicht hinnehmbare Nach-lässigkeiten im Haushalts- und Kassenwesen des DPMAbemängelt.

Ferner hat der Bundesrechnungshof darauf hingewiesen,dass Dienstleistungen im Unterschied zu einer Ware indem Moment verbraucht sind, in dem sie erbracht wer-den. Folglich können sie am Ende eines (Miet-)Vertrags-

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Drucksache 16/7100 – 146 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

verhältnisses auch nicht zu einem Restwert übernommenwerden. Sie sollten grundsätzlich nicht Gegenstand einesMietvertrages, sondern einer gesonderten Vereinbarungsein.

Inakzeptabel sind die im Vergleich mit den Konditionendes Softwareherstellers an den Vermieter geleisteten er-heblichen Mehrausgaben des DPMA für die Miete vonLizenzen und die Pflege der Spezialsoftware gewesen.Der Bundesrechnungshof hat das DPMA aufgefordert,eine mögliche Rückforderung gegenüber dem Vermieterund die Haftungsfrage im DPMA zu prüfen; auch solltees die Voraussetzungen schaffen, die nicht mehr genutzteSoftware schnellstmöglich der Bundesverwaltung zurweiteren Verwendung anzubieten.

In einer Vergleichsrechnung hat der Bundesrechnungshofdem DPMA deutlich gemacht, dass es nach den Konditio-nen des Softwareherstellers für 1 900 Lizenzen der Spe-zialsoftware inklusive Softwarepflege über einen Zeit-raum von vier Jahren nur knapp 290 000 Euro hättebezahlen müssen. An den Vermieter hat es dagegen mit865 000 Euro fast das Dreifache bezahlt, obwohl derLeistungszeitraum der Softwarepflege kürzer war.

Insgesamt hat das DPMA für die von ihm gemieteteHard- und Software sowie Dienstleistungen im Vergleichzum Kauf über 1 Mio. Euro mehr bezahlt.

10.3

Das Bundesministerium hat erwidert, dass eine Beschaf-fung der Hard- und Software im Wettbewerb wegen derNutzung eines bestehenden Rahmenvertrages nicht not-wendig und nach dessen Wortlaut die „Lieferung vonEDV-Geräten“ auch in Form von Mietverträgen möglichgewesen sei. Eine nochmalige Überprüfung durch dasReferat für allgemeine Rechtsangelegenheiten im DPMAhabe diese Rechtsauffassung als vertretbar bewertet; einSchadenersatzanspruch bestehe insoweit nicht.

Ferner hat das Bundesministerium darauf hingewiesen,dass es aus seiner eigenen Entscheidung zur Miete vonInformationstechnik keine Vorgabe für den Geschäftsbe-reich abgeleitet habe; dieser sei lediglich über Miete alszusätzliche Beschaffungsoption informiert worden.

Eine vom DPMA für den Nutzungszeitraum von drei Jah-ren erstellte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung habe die Wirt-schaftlichkeit der Mietverträge belegt. Richtig sei aber,dass die Wirtschaftlichkeit von Miete gegenüber Kauf un-ter Berücksichtigung einer längeren Nutzungsdauer neuzu bewerten sei. Das DPMA werde daher künftig derEmpfehlung des Bundesrechnungshofes folgen, Informa-tionstechnik nur in Ausnahmefällen zu mieten und fünfJahre Nutzungsdauer zugrunde legen.

Das Bundesministerium hat weiter erklärt, dass dasDPMA schon vor Beginn der Prüfung durch den Bundes-rechnungshof strukturelle Probleme bei der Vertragsüber-

wachung erkannt und organisatorische Maßnahmen er-griffen habe. Durch Maßnahmen im System derRechnungserfassung und -bearbeitung seien künftig auchunbemerkte Doppelzahlungen weitestgehend ausge-schlossen.

Das DPMA hat erklärt, es habe wegen seiner schlechtenpersonellen Ausstattung ein „Rundum-Sorglos-Paket“vereinbart. Eine auch teilweise Rückforderung der Zah-lungen für die Softwarepflege käme nicht in Betracht. DieZahlungen hätten der Vertragslage entsprochen. Zu die-sen Ausführungen des DPMA hat das Bundesministeriumnicht Stellung genommen. Es hat aber darauf hingewie-sen, dass das DPMA die Spezialsoftware nicht vollstän-dig im Jahre 2004 abgelöst, sondern noch bis März 2005und teilweise darüber hinaus verwendet habe. Da dieSoftwarepflege zum September 2003 ausgelaufen sei,wäre eine Verwertung der Software wenig Erfolg verspre-chend gewesen.

Das Bundesministerium hat zugesichert, die beanstande-ten Vorgänge zu untersuchen und für eventuelle Rückfor-derungen Sorge zu tragen.

10.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das DPMAkünftig nur in Ausnahmefällen Informationstechnik mie-ten und diese nunmehr fünf Jahre nutzen will.

Die freihändigen Vergaben der Mietverträge des DPMAsieht er nach wie vor als vergaberechtlich problematischan. Wesentliche Teilleistungen, wie Dienstleistungen unddie Spezialsoftware, sind nicht Bestandteil des Rahmen-vertrages gewesen. Eine vom Kauf abweichende Finanzie-rungsart hätte unabhängig von der Lieferung der Gegen-stände einem gesonderten Vergabeverfahren unterzogenwerden müssen.

Der Einwand des Bundesministeriums, die Mietverträgeseien unter Annahme einer dreijährigen Nutzungsdauerwirtschaftlich gewesen, vermag nicht zu überzeugen.Selbst die Beschaffungsstelle des DPMA hatte in ihremablehnenden Votum auf diesen Mangel hingewiesen. DerBundesverwaltung war die Feststellung des Bundesrech-nungshofes bekannt, dass eine Nutzungsdauer für Com-puter von weniger als fünf Jahren nicht wirtschaftlich ist.

Der Bundesrechnungshof bleibt auch bei seiner Auffas-sung, dass Dienstleistungen keine für Mietverträge geeig-neten Vertragsgegenstände sind.

Vom DPMA erwartet der Bundesrechnungshof, dass esseine Aufträge dem Vergaberecht entsprechend vergibt,Hard- und Software in der Regel kauft und nur in begrün-deten und wirtschaftlichen Ausnahmefällen mietet. Er er-wartet ferner, dass das DPMA seine Zusage einhält undseine Informationstechnik möglichst über die Mindest-nutzungsdauer von fünf Jahren hinaus einsetzt.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 147 – Drucksache 16/7100

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung,dass es an einer vertraglichen Grundlage für die beson-dere Vergütung der Softwarepflege ab dem Jahre 2000fehlt. Das DPMA hat lediglich eine E-Mail des Vermie-ters vorweisen können. Darin führt er aus, dass ein geson-derter Pflegevertrag für die Software zwar bereits vorfünf Monaten ausgelaufen sei, sich aber automatisch ver-längert habe. Der Bundesrechnungshof hält dies als Belegfür bestehende vertragliche Verpflichtungen (Vertrags-grundlage) für nicht ausreichend.

Der um über 1 Mio. Euro höhere Preis, den das DPMAfür sein „Rundum-Sorglos-Paket“ akzeptiert hat, verstößtnach Auffassung des Bundesrechnungshofes gegen dasWirtschaftlichkeitsgebot der Bundeshaushaltsordnung.

Die Ergebnisse der vom Bundesministerium angekündig-ten Untersuchung der Vorgänge bei der Miete der Spezi-alsoftware durch das DPMA, aber auch, inwieweit es zueiner Rückforderung zu viel bezahlter Beträge kommenwird, bleiben abzuwarten.

Bundesministerium der Finanzen(Einzelplan 08)

11 Ermittlungsvorgaben bei der 2006 auf 601,7 Mio. Euro. In der Öffentlichkeitsarbeit

Bekämpfung von Schwarzarbeit bergen Fehlanreize

11.0

Das Bundesministerium der Finanzen steuert die Arbeitder Finanzkontrolle Schwarzarbeit über mehrere Zielgrö-ßen. U. a. gibt es vor, dass eine möglichst hohe Scha-denssumme aufgedeckt werden soll. Diese Vorgabe setztFehlanreize. So wird auch in Fällen mit hohen Schadens-summen aufwendig ermittelt, in denen keine Einnahmenzu erwarten sind – etwa, weil der Arbeitgeber bereits zah-lungsunfähig ist. Der Bundesrechnungshof schätzt, dassüber 90 % der ermittelten Sozialversicherungs- und Steu-erschäden nicht eingetrieben werden können.

Zudem fielen die statistischen Schadenswerte in der Ver-gangenheit zu hoch aus, da bei der Erfassung zahlreicheFehler gemacht wurden.

11.1

Anfang 2004 entstand die Finanzkontrolle Schwarzarbeit(FKS) aus Dienststellen der Zoll- und Arbeitsverwaltung.Nach der Begründung des Gesetzes zur Intensivierungder Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusam-menhängender Steuerhinterziehung sollten mit dem neueingeführten Instrumentarium und weiteren administrativenMaßnahmen bereits ab dem Jahre 2004 Mehreinnahmenvon 1 Mrd. Euro jährlich für den Bund erzielt werden.

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) steuert die Arbeit der FKS an den 113 Standortenauch mit quantitativen Zielen. Mit dem Zollverwaltungs-zielekatalog 2005 verpflichtete es die FKS u. a., eineSchadenssumme von mehr als 165 000 Euro pro Ermittlerzu erreichen. Für die Jahre 2006 und 2007 waren die Vor-gaben ähnlich hoch.

Bundesweit summierte die FKS die aufgedeckten Schä-den für das Jahr 2005 auf 553,6 Mio. Euro, für das Jahr

des Bundesministeriums wurden diese Beträge regelmä-ßig als Beleg für die erfolgreiche Arbeit der FKS ange-führt.

Was unter Schadenssumme zu verstehen ist, legte die Ver-waltung der FKS selbst fest. Sie setzt sich im Wesentli-chen aus folgenden Beträgen zusammen:

● die in Schwarzarbeitsfällen nicht gezahlten Sozialver-sicherungsbeiträge und Steuern,

● die Schäden, die der Bundesagentur für Arbeit (Bun-desagentur) durch Leistungsmissbrauch entstandensind, und

● die Arbeitnehmern in der Baubranche vorenthalteneDifferenz zu den Mindestlöhnen.

Bei Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern sowie beiSchäden der Bundesagentur entstehen die Schäden derAllgemeinheit, bei den Mindestlohnverstößen den betrof-fenen Arbeitnehmern. In den Veröffentlichungen desBundesministeriums werden die Schäden in einer Summezusammengefasst und nicht gesondert ausgewiesen.

Bei Prüfungen der FKS-Innenrevision im Jahre 2005 unddes Bundesrechnungshofes im Jahre 2006 zeigten sich er-hebliche Mängel bei der statistischen Erfassung der Schä-den. Manche verbuchte Schäden wurden doppelt erfasstoder standen nicht in Zusammenhang mit Schwarzarbeit.Andere Schäden wurden von der FKS geschätzt – entge-gen der Weisungslage ohne Mitwirkung der Sozialver-sicherungsträger und der Finanzbehörden.

Für das Jahr 2005 registrierte die FKS aufgedeckte Steu-erschäden von 105 Mio. Euro, für das Jahr 2006 nur nochvon 57 Mio. Euro. Nach verwaltungsinternen Vorgabensollen nur solche Steuerschäden statistisch erfasst wer-den, die

● mit den Prüfgegenständen der FKS unmittelbar zu-sammenhängen,

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Drucksache 16/7100 – 148 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● in einem eigenen, durch den jeweiligen FKS-Standortgeführten Verfahren ermittelt worden sind und

● für die eine Schadensberechnung der Finanzverwal-tung vorliegt.

Manche Dienststellen verbuchten jedoch Schäden entge-gen diesen Regelungen, z. B. Steuerschäden, die nicht dieFKS, sondern die Finanzbehörden aufgedeckt hatten.Auch beruhte ein hoher Anteil der Schäden in größerenFällen auf gemeinsamen Ermittlungen mit Steuerfahn-dungsstellen. Auch durch diese Erfassungsfehler wurdedie Schadenssumme insgesamt zu hoch berechnet.

In ihren Jahresbilanzen wies die FKS 222 Mio. Euro auf-gedeckte Sozialversicherungsschäden für das Jahr 2005aus, 329 Mio. Euro für das Jahr 2006. Auf der Grundlageeiner repräsentativen Auswertung von Akten über Sozial-versicherungsschäden in Höhe von 47 Mio. Euro erfragteder Bundesrechnungshof bei der Deutschen Rentenversi-cherung (DRV) die Höhe der daraus nacherhobenen Bei-träge und bei den Krankenkassen, die die Nachforderun-gen einziehen, die Höhe der erzielten Einnahmen.

Die Befragung ergab, dass die DRV rund 64 % dieser Be-träge nachforderte. Bei Schäden über 100 000 Euro wa-ren die betroffenen Arbeitgeber in den meisten Fälleninsolvent, sodass 80 % der DRV-Forderungen uneinbring-lich waren. Nur 2,6 % der nachgeforderten Beträge wur-den im Rahmen der Befragung als vereinnahmt gemeldet.Bei den vom Bundesrechnungshof geprüften Fällen ent-spricht dies 1,7 % der Schadenssumme, die von der FKSverbucht wurde.

Bei Steuerschäden zeigte sich ein ähnliches Bild: Hierkonnten 4,4 % einer vom Bundesrechnungshof bei denFinanzämtern abgefragten Schadenssumme in Höhe von27 Mio. Euro eingetrieben werden.

Die Ermittler der FKS informierten sich in der Regelnicht darüber, ob bei den betreffenden Unternehmen be-reits Insolvenz eingetreten war. In vielen Fällen be-schränkten sie die Ermittlungen nicht auf die für einestrafrechtliche Verurteilung relevanten Aspekte.

11.2

Der Bundesrechnungshof hat die Steuerung der Schwarz-arbeitsbekämpfung als zu undifferenziert beanstandet.Die Zielvorgabe einer möglichst hohen Schadenssummesetzt Fehlanreize. Anstatt die Kontrollen in Absprachemit den Staatsanwaltschaften auf die strafrechtlich rele-vanten Aspekte zu beschränken, verleitet sie die Bediens-teten der FKS zu aufwendigen Ermittlungen auch dann,wenn die Unternehmen bereits insolvent geworden sind.So werden zwar hohe Schadenssummen aufgedeckt, dieeingetriebenen Beträge sind jedoch gering. Eine solcheBearbeitung kann Ermittlungskapazitäten für mehrereJahre binden. Sie fehlen dann, wenn es gilt, aktuelle Ver-dachtsfälle aufzugreifen.

Die Zielvorgabe in ihrer derzeitigen Ausgestaltung istnach Auffassung des Bundesrechnungshofes kein geeigne-ter Leistungsindikator, weil sie Arbeitsaufwand und -qua-lität der Schwarzarbeitsbekämpfung nicht adäquat wider-spiegelt.

In ihrer der Öffentlichkeit präsentierten Form lässt dieSchadenssumme auch nicht erkennen, welche der zusam-mengefassten Schäden der Allgemeinheit oder – wie beiden Mindestlohnverstößen – den betroffenen Arbeitneh-mern entstanden sind. Die Addition so unterschiedlicherSchäden wie nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträgeund Steuern, missbräuchlich in Anspruch genommeneLeistungen und Mindestlohnunterschreitungen hat derBundesrechnungshof als intransparent kritisiert.

11.3

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass die internenRegeln für die Verbuchung von Schwarzarbeitsschädenhäufig nicht eingehalten wurden. Es habe die Erfassungs-fehler des Jahres 2005 pauschal korrigiert, die Fehler desJahres 2006 konkret behoben und werde die Fachaufsichtverstärken, um die Qualität der Daten dauerhaft zu ver-bessern.

An der Schadenssumme als einem von mehreren Steue-rungszielen will es aber festhalten. Sie spiele eine erhebli-che Rolle als Steuerungsgröße und führe nicht dazu, dassErmittlungsverfahren nur unter dem Aspekt einer mög-lichst hohen Schadenssumme geführt würden.

Die Kennzahl Schadenssumme führe auch nicht zu man-gelnder Transparenz in der Außendarstellung. Die Scha-denssumme stelle lediglich den abstrakt entstandenenSchaden dar. Mit ihrer Veröffentlichung solle die Schäd-lichkeit der Schwarzarbeit dargestellt und somit eine prä-ventive Wirkung erzielt werden.

Ein Zusammenhang zwischen den im Jahre 2004 ange-kündigten jährlichen Mehreinnahmen von 1 Mrd. Euround den Schadenssummen bestehe nicht. Die Mehrein-nahmen seien aufgrund der erwarteten Gesamtpräventi-onswirkung veranschlagt worden.

11.4

Auf der Grundlage seiner Abfragen bei der DRV, denKrankenkassen und Finanzämtern schätzt der Bundes-rechnungshof, dass weniger als 10 % der von der FKSstatistisch erfassten Sozialversicherungs- und Steuerschä-den auch eingenommen werden. Unter Einnahmege-sichtspunkten, die bei Gründung der FKS auch Erwäh-nung fanden, bleibt er bei seiner Auffassung, dass diebloße Vorgabe einer möglichst hohen SchadenssummeFehlanreize setzt.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, die Steuerungszieleweiter auszudifferenzieren und die Einnahmen aus derSchwarzarbeitsbekämpfung stärker zu beachten. Er be-grüßt dabei, dass verstärkte Maßnahmen zur Sicherung

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149 – Drucksache 16/7100

der Ansprüche der Sozialversicherungsträger durch dasAufspüren von Vermögenswerten (sog. Rückgewin-nungshilfe) in den Zollverwaltungszielekatalog 2007 auf-genommen wurden.

Fälle, welche zu Einnahmen führen, sollten für die Zieler-reichung höher gewichtet werden. Statt Kapazitäten durchErmittlungen gegen Firmen zu binden, die bereits zah-lungsunfähig sind, sollte die FKS ihre Kräfte stärker aufdiejenigen Fälle konzentrieren, bei denen Einnahmen zuerwarten sind. Auch bei Verstößen mit Schäden mittlererHöhe (zwischen 10 000 und 100 000 Euro) sind die Fol-gen für die Sozialkassen und den Fiskus sowie der straf-rechtliche Unrechtsgehalt so gravierend, dass die Verfol-gung nicht aus Kapazitätsgründen unterbleiben sollte.Dies gilt umso mehr, als gerade in diesen Fällen Einnah-men wahrscheinlicher sind. Bleiben die bei Prüfungenfestgestellten Verstöße in finanzieller oder strafrechtlicherHinsicht folgenlos, besteht die Gefahr, dass die FKS vonpotenziellen Tätern nicht mehr ernst genommen wird unddie generalpräventive Wirkung verloren geht.

12 Datenbankabrufverfahren für die Bekämpfung der Schwarzarbeit nicht einsatzbereit

12.0

Das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz sieht die Führungeiner Prüfungs- und Ermittlungsdatenbank durch dieFinanzkontrolle Schwarzarbeit sowie die Einrichtung ei-nes Datenbankabrufverfahrens für Staatsanwaltschaften,Finanz- und Polizeibehörden vor. Das Abrufverfahren istbislang noch nicht bundesweit in Betrieb gegangen. Auchweitere wichtige Unterstützungsfunktionen durch die Da-tenbank stehen bis heute nicht zur Verfügung, weil sichdie vollständige Realisierung des dafür vorgesehenenProgramms jahrelang verzögerte.

12.1

Seit dem Jahre 2004 verpflichtet das Schwarzarbeits-bekämpfungsgesetz die aus Dienststellen der Zoll- undArbeitsverwaltung entstandene Finanzkontrolle Schwarz-arbeit (FKS), eine zentrale Prüfungs- und Ermittlungs-datenbank zu führen. Die Staatsanwaltschaften, die Poli-zeivollzugsbehörden und die Finanzbehörden der Ländersollen im Wege eines automatisierten Abruf- oder An-frage- und Auskunftsverfahrens Zugang zu Datenbestän-den der FKS erhalten.

Die Datenbank wurde als Projektvorhaben ProFiS (Pro-grammunterstützung Finanzkontrolle Schwarzarbeit) inmehreren Schritten errichtet. Da die Zollverwaltung überkein geeignetes System verfügte, griff das Bundesminis-terium der Finanzen (Bundesministerium) auf ein bei derArbeitsverwaltung für die Schwarzarbeitsbekämpfung ver-wendetes Programm zurück. Das mit dem Projektvorhabenbeauftragte Zentrum für Informations- und Datentechnik

der Bundesfinanzverwaltung, das heutige Zentrum für In-formationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT),erhielt für die Weiterentwicklung und den anschließendenBetrieb von ProFiS 56 Planstellen von der FKS und vo-rübergehend weitere 7 IT-Fachleute.

Als Vorgangsbearbeitungssystem ging ProFiS in seinerGrundversion im Juni 2004 für die FKS in Betrieb. Beider Realisierung weiterer Funktionalitäten traten Verzö-gerungen ein. Die ursprüngliche Planung sah bis Ende2004 auch ein Statistikmodul vor. Damit sollten die Er-gebnisse der Schwarzarbeitsbekämpfung (Arbeitsstatis-tik) dokumentiert und Auswertungen für das Controllingund die Kosten- und Leistungsrechnung ermöglicht wer-den. Nach mehrfachen Änderungen an seinem Fachkon-zept entschied das Bundesministerium im März 2006, le-diglich das Statistikmodul zu verwirklichen und auf dieursprünglich geplante Schnittstelle zu der Kosten- undLeistungsrechnung einstweilen zu verzichten. Seit demJahre 2004 sollte ProFiS auch an die Bundeskasse ange-bunden sein. Dadurch wäre es den Bediensteten der FKSmöglich, Kassenanweisungen in Bußgeldverfahren elek-tronisch an die Bundeskasse zu übermitteln. Das Bundes-ministerium stellte diese Maßnahme wegen der geplantenStrukturreform der Zollverwaltung zurück.

Der Bundesrechnungshof schätzt den Mehraufwand fürdie nach wie vor manuellen Statistikaufschreibungen aufrund 100 Vollzeitarbeitskräfte. Die Ausgaben hierfür be-tragen mindestens 5,6 Mio. Euro jährlich.

Im Jahre 2004 richtete das Bundesministerium Anfragenan die Finanz-, Justiz- und Innenministerien der Länder,um den Bedarf an Abfragestellen für die Datenbank zu er-mitteln. Nach einem im Jahre 2005 vorgelegten Fachkon-zept geht es von 26 000 Zugriffsberechtigten aus. DieStaatsanwaltschaften sowie die Finanz- und Polizeibehör-den eines Landes erprobten Anfang 2007 erfolgreich denZugang zu fiktiven Daten des Systems. Einen Zugriff aufdie vorhandenen Daten der Schwarzarbeitsbekämpfungerhielten die Landesbehörden jedoch nicht, weil das Bun-desministerium die dafür erforderlichen Verwaltungsver-einbarungen mit den Ministerien dieses Landes nicht ab-geschlossen hatte. Auch die Anbindung von Dienststellender übrigen Länder steht noch aus.

12.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bundes-ministerium den gesetzlichen Auftrag, ein Datenbank-abrufverfahren bundesweit einzuführen, bis heute nochnicht erfüllt hat. Mängel des Programms ProFiS und diegroße Zahl beteiligter Stellen an unterschiedlichen Ortensind nach seiner Auffassung für die Verzögerungen ur-sächlich. Die eingeschränkten Auswertungsmöglichkei-ten sowie die fehlende Anbindung an die Bundeskassebinden Arbeitskapazitäten. Diese stehen für die Kernauf-gaben der FKS nicht zur Verfügung. Die Effektivität derSchwarzarbeitsbekämpfung wird dadurch beeinträchtigt.

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Drucksache 16/7100 – 150 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

12.3

Das Bundesministerium betrachtet den gesetzlichen Auf-trag zur Einrichtung eines Datenbankabrufverfahrens alserfüllt, weil es seit Januar 2006 die technischen Voraus-setzungen dafür geschaffen habe. Im Übrigen seien dieLänder für die Anbindung ihrer Behörden verantwortlich.Die verzögerte Realisierung des IT-Verfahrens gehe aufdie unsichere Planung und die Besonderheiten des ge-wählten IT-Programms zurück. Das Bundesministeriumräumte ein, dass es mit der Entscheidung, ein in der Bun-desfinanzverwaltung unbekanntes Programm der Arbeits-verwaltung zu übernehmen, bewusst Risiken in Kauf ge-nommen habe.

12.4

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes setzt die erfolg-reiche Bekämpfung der Schwarzarbeit auch ein funktio-nierendes IT-Verfahren voraus. Dazu gehört insbeson-dere, dass die mit der Bekämpfung der Schwarzarbeitbefassten Behörden der Länder Zugriff auf die in ProFiSgespeicherten Daten erhalten. Der Bundesrechnungshofempfiehlt daher dem Bundesministerium, aktiv die bun-desweite Einführung des Datenbankabrufverfahrens zubetreiben. Die notwendigen Verwaltungsvereinbarungenmit den zuständigen Behörden der Länder sollten zügigabgeschlossen werden.

Der Bundesrechnungshof hält es auch für erforderlich,dass die noch ausstehenden Funktionen des ProgrammsProFiS realisiert werden. Hierfür sollte das Bundesminis-terium die dem ZIVIT zur Verfügung gestellten 56 Plan-stellen effektiv nutzen und nicht benötigte Planstellen un-verzüglich wieder für die Bekämpfung der Schwarzarbeitverwenden.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bundesministe-rium, die vorhandenen ProFiS-Daten regelmäßig fürSteuerungszwecke auszuwerten und zu nutzen.

13 Familienkassen des öffentlichen Dienstes zentralisieren und Kindergeldfestsetzung vereinfachen(Kapitel 6001 Titel 011 01)

13.0

Derzeit gibt es rund 12 000 Familienkassen des öffent-lichen Dienstes. Bei einer Konzentration auf wenige Fa-milienkassen ließen sich Personal- und Sachausgabennach einer Schätzung von rund 100 Mio. Euro jährlicheinsparen. Die Bearbeitung des Kindergeldes für voll-jährige Kinder ist mit einem unverhältnismäßig hohenVerwaltungsaufwand verbunden. Sie sollte vereinfachtwerden.

13.1

13.1.1

Das Kindergeld für die Beschäftigten des öffentlichenDienstes wird von den Behörden festgesetzt und gezahlt,bei denen die Beschäftigten arbeiten. Für die Kindergeld-berechtigten außerhalb des öffentlichen Dienstes ist dieFamilienkasse der Bundesagentur für Arbeit (Bundes-agentur) zuständig. Die Beschäftigten im öffentlichenDienst beziehen das Kindergeld deshalb von ihrer Be-hörde, weil sie einen Familienzuschlag oder eine ver-gleichbare tarifliche Leistung erhalten, wenn für ihre Kin-der Kindergeld gezahlt wird. Der Familienzuschlag unddas Kindergeld werden dann durch die Stelle der Behördefestgesetzt, die für die Bezüge und das Entgelt der Be-schäftigten insgesamt zuständig ist. Diese Stelle handeltdann als Familienkasse und unterliegt – wie auch die Fa-milienkasse der Bundesagentur – insoweit als Bundes-finanzbehörde der Fachaufsicht des Bundeszentralamtesfür Steuern. Da die Körperschaften, Anstalten und Stif-tungen des öffentlichen Rechts auf Bundes-, Landes- undKommunalebene Behörden sind und damit als Familien-kasse gelten, gibt es im Bereich des öffentlichen Dienstesrund 12 000 Familienkassen. Diese bearbeiten Kinder-geldfälle von rund 1,8 Millionen Kindern, während dieFamilienkasse der Bundesagentur mit ihren 102 örtlichenFamilienkassen für rund 15 Millionen Kinder zuständigist.

13.1.2

Der Bundesrechnungshof hat in mehreren Prüfungen derzurückliegenden Jahre festgestellt, dass die Familienkas-sen des öffentlichen Dienstes wegen der geringen Fall-zahlen keine Standards und Routinen bei der Bearbeitungvon Kindergeldfällen entwickeln konnten. Auch könnensich die Bearbeiter in aller Regel nicht auf bestimmteFallkonstellationen spezialisieren. Solches Spezialwissenist insbesondere wegen der teilweise komplizierten An-spruchsvoraussetzungen für das Kindergeld der Kinderüber 18 Jahre erforderlich. Durch die fehlende Routineentstehen Bearbeitungsfehler mit dem Risiko fehlerhafterFestsetzungen und Überzahlungen des Kindergeldes. DerBundesrechnungshof hat deshalb empfohlen, die Bearbei-tung des Kindergeldes auf Bundes- und Landesebene aufwenige Familienkassen zu konzentrieren. In diesen „Zen-tralen Familienkassen“ könnte die notwendige Sachkundeentwickelt und vorgehalten werden.

Im Jahre 2003 setzte das Bundesministerium der Finan-zen (Bundesministerium) eine ressortübergreifende Ar-beitsgruppe „Neuorganisation der Familienkassen“ ein,die Vorschläge für eine Konzentration der Familienkassenund für Vereinfachungen bei der Kindergeldfestsetzungentwickeln sollte.

Im Ergebnis sprach sich die Arbeitsgruppe für ein soge-nanntes „Drei-Säulen-Modell“ aus. Danach sollte dieBundesfamilienkasse für alle Kindergeldfälle auf Bun-desebene zuständig werden (1. Säule), die teilweise noch

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 151 – Drucksache 16/7100

zu errichtenden Landesfamilienkassen für die Landesbe-schäftigten zuständig seien (2. Säule). Die Familienkasseder Bundesagentur bliebe unverändert Familienkasse füralle nicht im öffentlichen Dienst Beschäftigten (3. Säule).Nach diesem Modell würde sich die Anzahl der Familien-kassen auf rund 120 verringern.

Den für die Anschubfinanzierung des „Drei-Säulen-Mo-dells“ erforderlichen Betrag schätzte die Arbeitsgruppeauf 14 Mio. Euro, dem mittelfristig Einsparungen bei denPersonal- und Verwaltungskosten von rund 100 Mio.Euro jährlich gegenüberstünden. Nach Umsetzung derReform werde weniger Personal benötigt und es werdemit weniger Überzahlungen durch weniger Bearbeitungs-fehler gerechnet. Weitere Einsparungen könnten erzieltwerden, wenn die Festsetzung des Kindergeldes und dasVerwaltungsverfahren vereinfacht würden.

Der Bund und die Länder können seit dem Jahre 2000durch Rechtsverordnung Bundes- und Landesfamilien-kassen einrichten. Ab dem Jahre 2005 hat das Bundesmi-nisterium bei dem Bundesamt für zentrale Dienste und of-fene Vermögensfragen eine zentrale Bundesfamilienkasseeingerichtet. Die Bundesfamilienkasse ist zurzeit nur fürdie Beschäftigten der Bundesfinanzverwaltung zuständig.Eine darüber hinausgehende Konzentration auf Bundes-ebene – etwa unter Einbeziehung weiterer Bundesminis-terien – gibt es bisher kaum (z. B. Bundesverwaltungs-amt, Kraftfahrtbundesamt). Auf Landesebene habenbisher einige Bundesländer die rechtlichen Grundlagenfür zentrale Landesfamilienkassen geschaffen und auchLandesfamilienkassen für die Beschäftigten des Landes,der Kommunen und der Sparkassen eingerichtet.

Eine deutliche Verringerung der Zahl der Familienkassendes öffentlichen Dienstes ist damit aber nicht verbunden;sie liegt weiterhin unverändert bei rund 12 000.

13.1.3

Auch die Voraussetzungen für die Kindergeldfestsetzungkönnen vereinfacht werden. Dies würde nicht nur denVerwaltungsaufwand verringern, sondern auch dazu bei-tragen, Bearbeitungsfehler zu verhindern und damit dasRisiko von Überzahlungen zu verringern.

Kindergeld kann für volljährige Kinder bis zu 25 Jahren(früher 27 Jahren) gezahlt werden. Dazu müssen sich dieKinder noch in Berufsausbildung befinden, eine Über-gangszeit überbrücken oder weitere besondere Vorausset-zungen erfüllen. Die Kinder dürfen außerdem keine eige-nen Einkünfte und Bezüge haben, die über einen Betragvon 7 680 Euro (sog. Grenzbetrag) im Kalenderjahr hinaus-gehen. Die Prüfung dieser Anspruchsvoraussetzungen istim Einzelfall schwierig und verwaltungsaufwendig. Wäh-rend der Anteil der volljährigen Kinder an allen Kindern,für die Kindergeld gezahlt wird, etwa ein Fünftel beträgt,wird der Verwaltungsaufwand dafür auf etwa vier Fünfteldes Gesamtaufwands geschätzt.

Nach den Vorstellungen der Arbeitsgruppe sollten die Re-gelungen durchgreifend vereinfacht werden. Volljährige

Kinder sollten grundsätzlich bis zum 25. Lebensjahr be-rücksichtigt werden, sofern ihre Einkünfte und Bezügenicht über dem Grenzbetrag liegen. Unerheblich wäre da-bei, ob sie sich in einer Berufsausbildung oder in einerÜbergangszeit befinden.

Ein Vorschlag der Arbeitsgruppe wurde durch das Steu-eränderungsgesetz 2007 umgesetzt, indem die bisherigeAltersgrenze für das Kindergeld von 27 Jahren auf25 Jahre gesenkt wurde. Die weiteren Anspruchsvoraus-setzungen blieben unverändert.

13.2

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, seine Bemühungen zur Konzentration der Fa-milienkassen fortzusetzen. Die Anzahl von 12 000 Fami-lienkassen des öffentlichen Dienstes ist viel zu hoch. DasBundeszentralamt für Steuern kann mit seiner Fachauf-sicht nicht alle diese Dienststellen erreichen.

Durch Konzentration der Kindergeldbearbeitung könntenüberkommene und nicht wirtschaftliche Strukturen abge-löst werden, die fehlerhaftes Verwaltungshandeln begüns-tigen. Eine effizientere Bearbeitung dank größerer Spe-zialisierung wäre möglich. Bei den Personal- undSachausgaben ergäben sich erhebliche Einsparungen.

Das vorgeschlagene Drei-Säulen-Modell sollte deshalbumgesetzt werden. Das Bundesministerium sollte zusam-men mit den anderen Ressorts einen Fahrplan entwickeln,der die Konzentration der Kindergeldbearbeitung aufBundesebene vorsieht. Es sollte ferner gemeinsam mitden Ländern Anstrengungen unternehmen, dass zentraleLandesfamilienkassen eingerichtet werden.

Die Konzentration der Familienkassen des öffentlichenDienstes sollte auch mit einer Vereinfachung des materiel-len Kindergeldrechts einhergehen. Auch hier gibt es Vor-schläge der Arbeitsgruppe, die das Bundesministeriumaufgreifen sollte. Damit könnte der Verwaltungsaufwandbei allen Familienkassen deutlich verringert werden.Hinzu kämen im Einzelnen nicht bezifferbare Einsparun-gen beim Kindergeld selbst, weil einfachere Rechtsvor-schriften Fehlerquellen in der Bearbeitung und damit dasRisiko von Überzahlungen verringern.

13.3

Das Bundesministerium teilt die Bewertung des Bundes-rechnungshofes, dass zentrale Familienkassen auf Bundes-und Landesebene die Kindergeldbearbeitung verbessernund zu Einsparungen von Personal- und Verwaltungskos-ten in erheblicher Höhe führen können. Die derzeitigeZersplitterung der Familienkassen des öffentlichen Diens-tes auf Bundes- und Landesebene sollte baldmöglichstbeendet werden.

Es weist aber auf die Widerstände gegen zentrale Lösun-gen bereits auf der Bundesebene hin. Bisher sei allein einRessort bereit, eine Zentralisierung in seinem Geschäfts-

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Drucksache 16/7100 – 152 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bereich zu prüfen. Bei den anderen Bundesressorts be-stehe wenig Neigung, die Kindergeldbearbeitung in ih-rem eigenen Geschäftsbereich oder auf Bundesebene ineiner Familienkasse zu konzentrieren.

Trotz dieser Widerstände beabsichtige das Bundesminis-terium, alle Ressorts für die Konzentration der Kinder-geldbearbeitung auf Bundesebene zu gewinnen.

Es prüfe auch, ob und welche Möglichkeiten bestehen,die Länder dazu zu bewegen, zentrale Familienkasseneinzurichten. Dazu würden auch Überlegungen angestellt,ob durch eine Gesetzesinitiative des Bundes der Konzen-trationsprozess auf Länderebene beschleunigt werdenkönnte.

Das Bundesministerium hat weiter mitgeteilt, es habe ei-nige Verfahren geändert, die wichtige Voraussetzungenfür eine Konzentration der Familienkassen seien. Sowerde der Bescheid für das Kindergeld nun einheitlich er-teilt. Auch sei seit dem Jahre 2007 gesetzlich geregelt,dass in den Abrechnungen der Bezüge und des Arbeits-entgeltes der Beschäftigten nicht mehr das Kindergeld ge-sondert ausgewiesen werden müsse. Damit müssten dieVerfahren zur Auszahlung der Bezüge bzw. des Entgeltsund des Kindergeldes nicht mehr aufeinander abgestimmtsein. Die aufwendige maschinelle Datenübernahme ent-

fiele. Auch werde die Fachaufsicht des Bundeszentral-amtes für Steuern kontinuierlich verbessert.

13.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium für eine Konzentration der Familienkassenim öffentlichen Dienst eintritt. Es wird aber stärkere An-strengungen als bisher unternehmen müssen, um die Kon-zentration der Familienkassen auf Bundes- und Landes-ebene wegen der unterschiedlichen Interessenlagen undWiderstände voranzubringen. Insbesondere auf Bundese-bene sollte es die Initiative ergreifen, weil dort die füreine Reorganisation der Familienkassen notwendigenrechtlichen Rahmenbedingungen bereits bestehen und nurnoch umgesetzt werden müssten. Eine Konzentration derFamilienkassen auf Bundesebene hätte zudem Vorbild-charakter für den Dialog mit den Ländern.

Das Bundesministerium sollte sich auch um durchgrei-fende Vereinfachungen im materiellen Kindergeldrechtbemühen. Entsprechende Vorschläge liegen vor undmüssten vom Bundesministerium nur aufgegriffen wer-den. Die bisherigen vom Bundesministerium bereits um-gesetzten Verfahrensvereinfachungen sind dazu nur einerster Schritt.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Einzelplan 09)

14 Förderung überbetrieblicher 14.1

Berufsbildungsstätten kann verbessert werden(Kapitel 0902 Titelgruppe 06 Titel 893 61)

14.0

Die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstättendurch den Bund kann erheblich verbessert werden. ZweiBundesministerien – das Bundesministerium für Wirt-schaft und Technologie sowie das Bundesministerium fürBildung und Forschung – förderten Bau- und Beschaf-fungsmaßnahmen derselben Berufsbildungsstätten. DieFörderverfahren der Bundesministerien unterschiedensich erheblich, ohne dass dafür überzeugende Gründe er-sichtlich waren. Es gab weder eine Bestandsaufnahmenoch eine abgestimmte Planung des Aus- und Fortbil-dungsbedarfs, obwohl dieser deutlich zurückging. DurchUnklarheiten bei den Fördermöglichkeiten wurden dieAntragstellenden ungleich behandelt. Die Abwicklungder Förderung durch zwei Behörden verursachte unnöti-gen Verwaltungsaufwand und behinderte sachgerechteEntscheidungen. Der Bundesrechnungshof empfiehlt,eine abgestimmte Förderrichtlinie zu schaffen, den Be-darf zu analysieren und die Verwaltung beim Bund beieiner Stelle zusammen zu fassen.

14.1.1

Die Selbsthilfeeinrichtungen der Wirtschaft, vor allem dieHandwerkskammern, betreiben überbetriebliche Berufs-bildungsstätten, die Auszubildenden eine ergänzendepraktische Ausbildung und anderen Beschäftigten Fort-bildungsmöglichkeiten bieten. Das Bundesministeriumfür Wirtschaft und Technologie (Bundesministerium) för-derte die überbetriebliche Fortbildung im Jahre 2006 mit25,5 Mio. Euro. Das Bundesministerium für Bildung undForschung stellte für die überbetriebliche Ausbildung imJahre 2006 29 Mio. Euro zur Verfügung. Beide finan-zierten die Errichtung, Modernisierung und Ausstattungderselben Berufsbildungsstätten. Die Länder übernahmenin der Regel 10 bis 30 % der Kosten dieser Maßnahmen.

Für das Bundesministerium bearbeitete das Bundesamtfür Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Zuwen-dungen. Beim Bundesministerium für Bildung und For-schung war das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)für die Zuwendungen zuständig.

Fast immer wurden die Berufsbildungsstätten für Aus-und Fortbildung genutzt. Daher erhielten sie meistens Zu-wendungen von beiden Bundesministerien. Im Einzelfall

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 153 – Drucksache 16/7100

übernahm dasjenige Bundesministerium die Federführungeines Vorhabens, welches – aufgrund der Nutzungsanteilefür Fort- oder Ausbildung – den höheren Zuwendungsan-teil zahlte. In einigen Fällen förderte das BundesministeriumMaßnahmen außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs, weilihm mehr noch nicht gebundene Haushaltsmittel zur Ver-fügung standen als dem Bundesministerium für Bildungund Forschung. Das BAFA und das BIBB führten jeweilsein gesondertes Zuwendungsverfahren durch. An Koordi-nierungsgesprächen und Standortbesichtigungen nahmenbeide Bundesministerien teil.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hattedie zu fördernden Maßnahmen in einer Richtlinie festge-legt. Das Bundesministerium hatte keine Richtlinien. Eshatte lediglich in Merkblättern bestimmt, dass für Bau,Ausbau, Modernisierung und größere Instandsetzungtechnischer Ausrüstungen Investitionskostenzuschüssegewährt werden. Weitere Einzelheiten zum Gegenstandoder zu den Voraussetzungen der Förderung hatte es nichtgeregelt. So blieb beispielsweise offen, welche Bauunter-haltungsmaßnahmen als Modernisierung anzusehen unddamit förderfähig waren. Nicht geregelt war auch, ob Be-schaffungen, die lediglich mittelbar der Aus- und Fortbil-dung dienten, z. B. Kopierer für die Verwaltung, geför-dert werden konnten. Einige Berufsbildungsstättenbeantragten und erhielten Mittel für derartige Beschaffun-gen, andere finanzierten diese aus Eigenmitteln.

Bau- und Ausstattungsstandards waren ebenfalls nichtfestgelegt. Beispielsweise förderte das Bundesministeriumden Bau einer Berufsbildungsstätte mit rund 67 000 Euroje Teilnehmerplatz, während in einem anderen Fall füreine vergleichbare Einrichtung rund 18 000 Euro je Teil-nehmerplatz ausreichten.

14.1.2

Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsverträge ging inden letzten fünf Jahren um rund 150 000 auf rund500 000 zurück. Das Bundesministerium für Bildung undForschung erwartet, dass sich der Ausbildungsbedarf inden Berufsbildungsstätten dadurch erheblich verringernwerde. So werde er sich in den neuen Ländern bis zumJahre 2011 halbieren. Die Anzahl der Teilnehmenden anden überbetrieblichen Lehrgängen ging in den Jahren1998 bis 2005 bundesweit um etwa ein Drittel zurück. Inseinem jährlichen Bericht stellte ein Forschungsinstitutdes Handwerks fest, dass in vielen Berufen die Schu-lungsquoten gering seien und die vom Bund mitfinanzier-ten Kapazitäten in den Berufsbildungsstätten kaum ge-nutzt würden.

Das Bundesministerium untersuchte nicht, wie die Be-rufsbildungsstätten ausgelastet waren, und ob Unterneh-men die Lehrgänge ebenfalls anbieten. Eine bundesweiteAnalyse zum künftigen Modernisierungs- und Investi-tionsbedarf gab es ebenfalls nicht.

14.2

14.2.1

Bereits im Jahre 2003 hat der Bundesrechnungshof dieFörderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten ge-prüft und u. a. empfohlen, die Zuständigkeit für die Ab-wicklung der Förderung nur einer Stelle zu übertragen,um den Verwaltungsaufwand zu verringern und die För-derzuständigkeiten sinnvoll zu koordinieren. Die Anre-gungen des Bundesrechnungshofes sind bisher nicht auf-gegriffen worden.

Der Verwaltungsaufwand hat sich in der Zwischenzeitnicht vermindert. Daran hat auch die Abstimmung beiderBehörden über die Nutzungsanteile für Aus- und Fortbil-dung nichts ändern können, da die Berufsbildungsstättenüberwiegend für beide Zwecke genutzt werden. Zudemhat das Bundesministerium Maßnahmen u. a. nur deshalbfinanziert, weil es über höhere Mittel verfügt hat als dasBundesministerium für Bildung und Forschung. Dieszeigt, dass es keine Gründe für die Abgrenzung des För-dergegenstandes gegeben hat.

Da im Bereich des Bundesministeriums Richtlinien mitklaren Vorgaben fehlen, nach denen die Vorhaben geför-dert werden, sind die Antragstellenden ungleich behan-delt worden. Im Ergebnis sind diejenigen bevorzugt wor-den, die den geringsten Eigenanteil eingebracht und dieumfassendsten Anträge gestellt haben.

Der Bundesrechnungshof hat erneut empfohlen, die För-derung von einer Behörde bearbeiten zu lassen. Die För-derung sollte sich dabei auf abgestimmte Richtlinien stüt-zen, die den Kreis der Antragstellenden, denFördergegenstand und die Fördervoraussetzungen klarfestlegen. Damit stünde den Antragstellenden und denLändern nur eine Stelle auf Bundesseite gegenüber.

14.2.2

Baumaßnahmen oder die Beschaffung technischer Aus-rüstung erfordern Entscheidungen mit längerfristigen fi-nanziellen Bindungswirkungen. Wegen des vorhersehba-ren erheblichen Rückgangs der Nachfrage hätte dasBundesministerium ermitteln müssen, wie sich dies aufden Förderbedarf auswirkt. So könnten z. B. die Maßnah-men bei einer Berufbildungsstätte ähnliche Maßnahmenbei einer anderen erübrigen. Dazu hätte eine Bedarfsana-lyse erstellt werden müssen, die überregionale Aspekteberücksichtigt.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, den Bedarf anAus- und Fortbildungsplätzen zu analysieren. Dabei soll-ten Angebote gewerblicher Anbieter einbezogen werden.Anschließend sollte eine mit den Beteiligten abgestimmteüberregionale Bedarfsplanung künftiger Bau- und Be-schaffungsmaßnahmen erstellt werden, die als Grundlagefür Förderentscheidungen dient.

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Drucksache 16/7100 – 154 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

14.3

14.3.1

Das Bundesministerium hat darauf hingewiesen, dass beiihm die Leistungsfähigkeit des Mittelstandes im Vorder-grund stehe, während das Bundesministerium für Bildungund Forschung einen bildungspolitischen Ansatz ver-folge. Daher sei es nicht vorstellbar, aus seinem Einzel-plan Mittel für eine Förderung aus dem Zuständigkeitsbe-reich des anderen Bundesministeriums bereit zu stellen.Die unterschiedlichen Förderziele und Interessenlagenbeider Ressorts könnten nur von den jeweils passendenBehörden des Geschäftsbereichs erledigt werden. DerVerwaltungsaufwand sei vertretbar, weil sich das BAFAund das BIBB sehr früh einigten, wer die Federführungund die projektbezogenen Prüfarbeiten übernehme. So seiauch sichergestellt, dass die Länder und Antragstellendenfrühzeitig ihren Ansprechpartner kennen würden. Es seiangesichts der teils erheblichen Größenordnung undKomplexität der Maßnahmen sowie der unvermeidlichzeitlich aufwendigen Abwicklung vertretbar und ange-messen, dass für den Bund mehr als eine Person an denGesprächen teilnehme.

Eine Förderung unabhängig vom Nutzungsanteil habe esnicht gegeben. Das BAFA habe lediglich aufgrund verän-derter Nutzungsanteile Bildungsstätten gefördert, die zu-vor ausschließlich vom BIBB gefördert worden seien.

Das Bundesministerium hat bestritten, dass diejenigenZuwendungsempfänger bevorzugt worden seien, die dieumfassendsten Anträge gestellt haben. Seine „Förder-richtlinie Investitionen“ sei seit Jahren bekannt. Damithätten alle Antragstellenden die gleichen Voraussetzun-gen gehabt.

Die Anregungen des Bundesrechnungshofes, eindeutigeRegelungen zum Gegenstand der Förderung zu treffen,werde es aufgreifen. Ein Richtlinienentwurf läge bereitsvor. Beide Bundesministerien seien sich einig, dass esaufgrund der unterschiedlichen Förderansätze keine ge-meinsame Richtlinie geben könne.

14.3.2

Zur Bedarfsplanung hat das Bundesministerium mitge-teilt, eine Bestandserhebung habe ergeben, dass im Hand-werk mit einer deutlichen Steigerung der Fortbildung ge-genüber der überbetrieblichen Ausbildung zu rechnen sei.Damit würde sich der neue förderpolitische Ansatz bestä-tigen, Maßnahmen zur Modernisierung und Umstruktu-rierung bestehender Einrichtungen und neue Bildungsein-richtungen nur noch in begründeten Ausnahmefällen zufördern. In diesem Zusammenhang wies das Bundes-ministerium darauf hin, dass ein gemeinsames For-schungsvorhaben mit dem BIBB zur Erhebung von Struk-turdaten der Berufsbildungsstätten und zur Ermittlungvon deren Modernisierungsbedarf begonnen worden sei.

14.4

14.4.1

Der Bundesrechnungshof hält die Abwicklung der Förde-rung durch zwei Bundesbehörden weiterhin für unzweck-mäßig, da zwar die Mittel getrennt veranschlagt und un-terschiedliche Ziele verfolgt, aber gleiche Maßnahmenbei denselben Empfängern gefördert werden. Der Ansichtdes Bundesministeriums, dass die Zuständigkeiten imnachgeordneten Bereich aufgrund unterschiedlicher Inte-ressenlagen und förderpolitischer Ansätze zu Recht ge-teilt seien, folgt der Bundesrechnungshof nicht. DieseBehörden sollen lediglich eine Zuwendung verwaltungs-mäßig abwickeln. Sie haben keine eigenen politischenAnsätze. Der Bundesrechnungshof hält zudem an seinerAuffassung fest, dass die Antragstellenden auf Bundes-seite nur einen Ansprechpartner haben sollten. Daran än-dert die Abstimmung nach den Nutzungsanteilen in denRessorts nichts. Er hält es ebenfalls nicht für erforderlich,die Abwicklung der Förderung auf zwei Stellen zu ver-teilen, damit bei komplexen Maßnahmen mehr als einVertreter des Bundes an den Gesprächen teilnehmenkann.

Den Einwand des Bundesministeriums, die Zuwendungs-empfänger seien gleich behandelt worden, weil die För-dervoraussetzungen diesen bekannt gewesen sind, istnicht überzeugend. Die Ungleichbehandlung der Antrag-stellenden hat ihre Ursache vielmehr darin, dass die För-derkriterien nicht hinreichend bestimmt gewesen und da-durch Maßnahmen bewilligt worden sind, die andereAntragstellende erst gar nicht beantragt, sondern aus ei-genen Mitteln finanziert haben.

Der Bundesrechnungshof begrüßt die Absicht des Bun-desministeriums, seine Förderrichtlinien genauer zu fas-sen. Er hält es weiterhin nicht für zweckmäßig, verschie-dene Richtlinien für gleiche Maßnahmen zu haben. Auchbei einer abgestimmten Förderichtlinie könnten die unter-schiedlichen Ziele der Ressorts – wie bisher – durch dieVerteilung der Mittel auf die Maßnahmen berücksichtigtwerden. Er empfiehlt, die Förderrichtlinie so zu gestalten,dass die Förderung von einer Behörde bearbeitet und sounwirtschaftliches Verwaltungshandeln vermieden wird.Dadurch stünde den Antragstellenden nur ein Ansprech-partner auf Bundesseite gegenüber. Eine Liste der förder-fähigen Maßnahmen in einer einheitlichen Förderrichtliniewürde außerdem sicherstellen, dass die Antragstellendengleich behandelt werden.

14.4.2

Der Bundesrechnungshof hält es für sachgerecht, grund-sätzlich keine neuen Einrichtungen mehr zu fördern. DasBundesministerium kann die vorhandenen Einrichtungenjedoch nur dann zielgerecht fördern, wenn es nach einerBestandsaufnahme den überbetrieblichen Aus- und Fort-bildungsbedarf ermittelt. Eine solche bundesweit abge-stimmte Bedarfsplanung, die überregionale Aspekte und

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 155 – Drucksache 16/7100

auch die Angebote gewerblicher Anbieter berücksichtigt,ist als Grundlage für künftige Förderentscheidungen un-erlässlich. Die vom Bundesministerium eingeleitete Un-tersuchung reicht dazu nicht aus, da sie lediglich denBedarf einzelner Bildungsstätten abgefragt und über-regionale Aspekte nicht berücksichtigt hat.

Der Hinweis des Bundesministeriums, der Bedarf ver-schiebe sich von der Aus- zur Fortbildung, belegt nocheinmal, wie notwendig ein gemeinsames Vorgehen derbeiden Bundesministerien bei der Bedarfsplanung undder Abwicklung der Förderung ist.

15 Gewinnung außenwirtschaftlicher Informationen unwirtschaftlich(Kapitel 0906 Titel 531 03)

15.0

Die Tätigkeiten des Korrespondentennetzes der Bundes-agentur für Außenwirtschaft überschneiden sich bei derGewinnung außenwirtschaftlicher Informationen sowiebei der Vertretung deutscher Wirtschaftsinteressen imAusland mit denen der Auslandshandelskammern. DieAufgaben des Korrespondentennetzes sollten auf dieKammern übertragen und das Korrespondentennetz mit-telfristig aufgelöst werden. So könnten Wirtschaftlich-keitsreserven erschlossen werden.

15.1

15.1.1

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) unterstützt deutsche Unternehmenbei ihren außenwirtschaftlichen Aktivitäten insbesonderedurch die Bundesagentur für Außenwirtschaft (Bundes-agentur) und durch Zuwendungen an die Auslandshan-delskammern.

Die Bundesagentur mit ihren etwa 150 Beschäftigten solldie deutsche Wirtschaft vor allem mit außenwirtschaftlichrelevanten Informationen versorgen. Im Bundeshaushaltsind dafür jährlich rund 22 Mio. Euro veranschlagt. DieBundesagentur erhält ihre Informationen zu einem großenTeil von der bundeseigenen Gesellschaft für Außenhandels-informationen mbH. Diese unterhält an rund 40 Stand-orten weltweit ein Netz mit knapp 60 Korrespondenten.Sieben der Korrespondenten sind sogenannte Honorar-kräfte, die auf der Grundlage von Aufträgen tätig sind.Die Korrespondenten werden im Ausland von etwa40 Ortskräften unterstützt. Für die Tätigkeit der Korres-pondenten stehen im Bundeshaushalt rund 10 Mio. Eurojährlich zur Verfügung. Beschäftigte der Bundesagenturleiten und verwalten das Korrespondentennetz. Die Be-richte der Korrespondenten bilden neben anderen Infor-mationen die Grundlage für die Veröffentlichungen derBundesagentur, die zentral erstellt werden. Im Jahre 2002

hat die Bundesagentur den Korrespondenten zusätzlich„Repräsentationsaufgaben“ übertragen. Sie sollen in ih-ren Ländern bei geeigneten Anlässen, z. B. bei Messenund beim Briefing von Delegationen, neben den Wirt-schaftsdiensten der Botschaften und den Auslandshan-delskammern einzelne Vertretungsaufgaben überneh-men.

Die Auslandshandelskammern sollen Wirtschaftsbezie-hungen durch Auskunfts-, Beratungs- und Organisa-tionsdienste fördern und die deutsche Wirtschaft reprä-sentieren. Dazu gehört auch, deutsche Unternehmen mitWirtschaftsinformationen des jeweiligen Landes zu ver-sorgen. Das Bundesministerium fördert die Kammern mitZuwendungen in Höhe von rund 30 Mio. Euro jährlich.Das Kammernetz besteht aus etwa 120 Kammern, Dele-giertenbüros und Repräsentanzen in über 80 Ländern.Das Bundesministerium möchte das Kammernetz alsDienstleister für die Wirtschaft und als Plattform für dieVertretung deutscher Wirtschaftsinteressen im Auslandstärken.

Das Bundesministerium unterhält neben der Bundesagen-tur eine mit Standort- und Investorenwerbung beauftragteGesellschaft (Standortwerbegesellschaft), die an fünf aus-ländischen Standorten ebenfalls Repräsentanzen hat. DasBundesministerium möchte seit Ende 2006 die Förderungder Außenwirtschaft und die Werbung für den Wirt-schafts- und Investitionsstandort Deutschland neu ausrich-ten. Dazu will es die Bundesagentur und die Standort-werbegesellschaft in einer neuen Bundesgesellschaftzusammenführen. Im Ausland sollen alle Akteure derneuen Gesellschaft unter dem Dach der jeweiligenKammer tätig werden. Auch das Korrespondentennetzder Bundesagentur soll erhalten bleiben.

15.1.2

Der Bundesrechnungshof prüfte die Neuausrichtung derAußenwirtschaftsförderung und des Standortmarketingsbegleitend in mehreren Prüfungsverfahren. Er stellte fest,dass die Bundesagentur in verschiedenen Bereichen mitden Auslandshandelskammern zusammenarbeitete. Sovertrieben die Auslandshandelskammern Veröffentlichun-gen der Bundesagentur und beschafften Wirtschaftsin-formationen für 30 Korrespondenten, die neben ihremGastland auch für andere Nachbarländer zuständig wa-ren.

Die Korrespondenten arbeiteten an 31 Standorten in Büro-gemeinschaft mit der Auslandshandelskammer. Auch dortunterhielten Bundesagentur und Auslandshandelskammerngesonderte Strukturen. Die Korrespondenten hatten ei-gene Ortskräfte und eigene Arbeitsmittel. Sowohl dieKorrespondenten als auch die Kammern verfügten unab-hängig voneinander über Datensammlungen zu außen-wirtschaftlichen Informationen.

Das von Deutschland aus gesteuerte Korrespondenten-netz war sehr verwaltungsaufwendig und sehr teuer. Die

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Drucksache 16/7100 – 156 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Korrespondenten wechselten alle sechs Jahre ihren Stand-ort und verbrachten nach zwölf Jahren Auslandseinsatzzwei Jahre in der Zentrale der Bundesagentur. JederWechsel zog einen weiteren innerhalb des Korresponden-tennetzes nach sich. Allein die Ausgaben für Umzüge be-trugen jährlich etwa 250 000 Euro. Außerdem mussteninsbesondere familiäre und sprachliche Probleme gelöstwerden. Dies schränkte die Anpassungsfähigkeit des Kor-respondentennetzes ein.

15.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass sich dieTätigkeiten des Korrespondentennetzes und des Kammer-netzes bei der Gewinnung außenwirtschaftlicher Informa-tionen sowie bei der Vertretung deutscher Wirtschaftsin-teressen im Ausland überschneiden. Dies ist auf Dauerunwirtschaftlich. Das Korrespondentennetz kann nur miterheblichem Aufwand an aktuelle wirtschaftliche Ent-wicklungen angepasst werden. Das Kammernetz könntedagegen durch seine Präsenz an 120 Standorten in über80 Ländern leichter auf Veränderungen reagieren. Mit derÜbertragung der Aufgaben auf das Kammernetz könntendort wesentliche operative außenwirtschaftliche Funktio-nen wie die Dienstleistungen für Unternehmen und dieVertretung deutscher Wirtschaftsinteressen im Auslandkonzentriert werden.

Der Bundesrechnungshof hat angeregt, die bisherigenAufgaben der Korrespondenten mittelfristig von den Aus-landshandelskammern wahrnehmen zu lassen und auf eineigenständiges Korrespondentennetz zu verzichten. Diessollte bei der Zusammenführung der Bundesagentur mitder Standortwerbegesellschaft konzeptionell vorbereitetwerden.

15.3

Das Bundesministerium hat es für „nicht sachgerecht“ ge-halten, die Aufgaben des Korrespondentennetzes auf dieAuslandshandelskammern zu übertragen und auf ein ei-genständiges Netz zu verzichten. Allerdings sei vorgese-hen, grundsätzlich alle Korrespondenten in das Kammer-netz zu integrieren und weitere Bürogemeinschaften zuschaffen, um Kosten zu sparen. Aufgabenüberschneidun-gen seien „aufgrund bestehender Arbeitsteilung zwischenden Kammern und dem Korrespondentennetz nicht gege-ben“. Durch die Verbindung des Personals ließen sich„keine Einsparungen erzielen“. Auch sei die Anpassungs-fähigkeit der Korrespondenten nicht geringer als die beianderen Einrichtungen mit Personalrotation.

Das Bundesministerium hat an der Auffassung festgehal-ten, dass ein eigenes Korrespondentennetz wesentlicherBestandteil einer eigenständigen Außenwirtschaftsförderungfür deutsche Unternehmen sei. Die besondere Marktnäheder Korrespondenten, die zentrale Steuerung und die kon-tinuierliche Berichterstattung seien „komparative Vor-teile, welche zu der hohen Qualität der Berichterstattungbeitrügen“. Das eigenständige Korrespondentennetz be-

grenze die Leistungsfähigkeit nicht, sondern erhöhe diesegerade. Die aus einer Aufgabenübertragung auf die Aus-landshandelskammern folgenden dezentralen Zuständig-keiten und die Berücksichtigung der unterschiedlichen In-teressen einzelner Standorte würden die zentraleInformationsbeschaffung und Aufarbeitung erschweren.Die fachliche Steuerung der Informationsbeschaffungdurch die neue Bundesgesellschaft sei wegen der Organi-sationsstruktur der Kammern nicht zu realisieren.

15.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seinem Standpunkt,dass sich die Aufgaben des Korrespondentennetzes undder Auslandshandelskammern bei der Gewinnung von In-formationen weitgehend überschneiden. Zwar könntedurch die angekündigte Integration der Korrespondentenin die Kammern deren Infrastruktur besser genutzt wer-den. Der Bundesrechnungshof hält jedoch weitergehendeVerbesserungen der Organisation für möglich. Das erheb-lich größere Netz der Auslandshandelskammern und de-ren Personal könnte dazu genutzt werden, mehr Informa-tionen flexibler und schneller zu beschaffen. DasBundesministerium hätte damit sein Ziel erreicht, dasKammernetz als Dienstleistung für die Wirtschaft und alsPlattform für den Auftritt der deutschen Wirtschaft imAusland zu stärken.

Der Einwand des Bundesministeriums, die Korrespon-denten hätten eine besondere Marktnähe, überzeugt an-gesichts der gleichgelagerten Aufgaben und Tätigkeitender Auslandshandelskammern nicht. Auch verhindert dieOrganisationsstruktur der Kammern nicht, Aufgaben derKorrespondenten auf das Kammernetz zu übertragen.Die Kammern sind in vielen Bereichen bereits alsDienstleister für den Bund tätig. Beispiele hierfür sinddie Erstberatungen für Unternehmen oder die Durchfüh-rung von Kontaktveranstaltungen, Besuchsreisen undAuslandsmessen im Rahmen von Förderprogrammen desBundesministeriums. Die Bundesagentur bedient sichder Unterstützung von Honorarkräften auf Auftragsba-sis, was zeigt, dass die Frage der fachlichen Steuerungkein grundsätzliches Problem sein kann. Im Übrigenwerden die Kammern bereits von der Bundesagentur inden Ländern genutzt, in denen sie selbst nicht vertretenist. Durch entsprechende Verträge könnte vereinbart wer-den, dass die Informationsbeschaffung weiterhin von Be-schäftigten der Bundesagentur gesteuert wird. Diegleichbleibende Qualität stellt die Bundesagentur ohne-dies dadurch sicher, dass sie die Berichte zentral ver-fasst.

Der Bundesrechnungshof hält die Arbeitsteilung zwi-schen Korrespondentennetz und Auslandshandelskam-mern für historisch gewachsen. Eine sachliche Grundlagegibt es dafür nicht. Er hält an seiner Empfehlung fest, aufdas Korrespondentennetz der Bundesagentur mittelfristigzu verzichten. Die Gewinnung außenwirtschaftlicher In-formationen und die Vertretung deutscher Wirtschaftsin-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157 – Drucksache 16/7100

teressen im Ausland könnte weitgehend von den Aus-landshandelskammern übernommen werden.

16 Förderung von Weiterbildungs-angeboten im Tourismus verfehlt ihre Ziele(Kapitel 0902 Titel 686 12)

16.0

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologiefördert seit über 25 Jahren einen Verein, der Seminare zurWeiterbildung von Beschäftigten in der Tourismuswirt-schaft veranstaltet. Die Förderung verfehlt ihr Ziel, dieWettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Tourismus-wirtschaft zu stärken, und ist unwirtschaftlich. Die Semi-nare behandelten zum großen Teil allgemeine Themenohne besonderen Bezug zum Tourismus. An den Semina-ren nahmen überwiegend Personen teil, die nicht aus demGast- und Reisebürogewerbe kamen. Nur rund ein Drittelder Ausgaben des Vereins entfiel auf Ausgaben fürWeiterbildungsveranstaltungen. Der Bundesrechnungshofempfiehlt, die Förderung des Vereins einzustellen undWeiterbildungsmaßnahmen über bereits bestehende Ein-richtungen zu finanzieren.

16.1

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) fördert seit über 25 Jahren einengemeinnützigen Verein (Verein) in Berlin, der Seminarezur Weiterbildung für die Tourismuswirtschaft veran-staltet. Mitglieder des Vereins sind auf Bundesebene ver-tretene Verbände und Organisationen, wie der DeutscheStädtetag, der Deutsche Industrie- und Handelskammer-tag, Tourismusverbände und Verbände der Reiseunter-nehmen sowie die Deutsche Zentrale für Tourismus e.V.,die vom Bund institutionell gefördert wird und u. a. fürländerübergreifende Maßnahmen im Tourismus zustän-dig ist.

Der Bund gewährt dem Verein auf der Grundlage derjährlichen Veranstaltungspläne Zuwendungen von zu-letzt 750 000 Euro. Er trägt mehr als 70 %, das LandBerlin rund 4 % der Gesamtausgaben des Vereines; Bei-träge der Mitglieder decken weniger als 1 % der Ge-samtausgaben; Teilnahmegebühren und sonstige Einnah-men decken die übrigen Ausgaben. In den vergangenenfünf Jahren erhielt der Verein nahezu 4 Mio. Euro Zu-wendungen.

Das Bundesministerium verfolgt mit der Förderung dasZiel, die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Tou-rismuswirtschaft zu stärken. Das staatlich geförderte Wei-terbildungsangebot solle vor allem der zentralen Vermitt-lung von Kenntnissen und Fähigkeiten und demländerübergreifenden Informationsaustausch für Perso-nal des Gast- und Reisebürogewerbes dienen.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Koblenz die Zuwendungendes Bundesministeriums an den Verein und stellte Fol-gendes fest:

● Nur ein Teil der Weiterbildungsveranstaltungen warausschließlich tourismusbezogen. Vielmehr fandenWeiterbildungsveranstaltungen zu allgemeinen The-men der beruflichen Qualifizierung statt, z. B. Unter-nehmensstrategie und Führungskompetenz, Betriebs-wirtschaftlehre und Recht, die auch von vielenanderen Bildungseinrichtungen angeboten werden.

● Die Weiterbildungsveranstaltungen sprachen überwie-gend Beschäftigte kommunaler Einrichtungen an. Nurrund ein Drittel der Teilnehmenden an den Weiterbil-dungsveranstaltungen kam aus dem Gast- und Reise-bürogewerbe. Die übrigen Teilnehmenden waren Be-schäftigte von Kommunalverwaltungen, Kur- undBäderbetrieben, Tourismusverbänden, Bildungsein-richtungen und Studenten.

● Die Weiterbildungsveranstaltungen fanden nahezu aus-schließlich in Berlin statt. Beschäftigte aus stark touris-tisch orientierten Ländern, wie Baden-Württemberg,Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, waren beiden Weiterbildungsveranstaltungen wenig vertreten.Ein Drittel der Teilnehmenden kam aus Berlin und denumliegenden Ländern.

● Die Weiterbildungsveranstaltungen wurden im Mittelvon 15 bis 20 Teilnehmenden besucht. Weiterbildungs-veranstaltungen von wenigen Tagen wurden vielfachvon mehr als fünf, in Einzelfällen, von bis zu 15 Vor-tragenden betreut. So unterrichteten beispielsweise beidem zweitägigen Seminar „Winterfahrer und Weich-eier – Motorradtouristen als Zielgruppe“ neun Vortra-gende 14 Teilnehmende.

● Mehr als die Hälfte der Veranstaltungen wurde ganzoder teilweise durch regelmäßig anwesende Ange-stellte des Vereins begleitet.

Mehr als die Hälfte der Gesamtausgaben des Vereins ent-fielen auf Sach- und Personalausgaben, u. a. für einen Ge-schäftsführer und zehn Angestellte sowie Sachausgabender Verwaltung. Rund ein Drittel der Gesamtausgabenwendete der Verein für Weiterbildungsveranstaltungen,wie Honorare und Reisekosten der Vortragenden undSachkosten für Veranstaltungen, auf. Das Bundesministe-rium förderte in den letzten fünf Jahren rechnerisch jedenVeranstaltungstag mit rund 3 000 Euro.

16.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium mit den Zuwendungen an den Verein seinZiel im Wesentlichen verfehlt, die Wettbewerbsfähigkeitder mittelständischen Tourismuswirtschaft zu stärken.Die vom Bund geförderten Weiterbildungsveranstaltun-gen sprechen Teilnehmende aus der Zielgruppe kleine

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Drucksache 16/7100 – 158 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

und mittlere Unternehmen der Tourismusbranche nur un-zureichend an. Das ist aus Sicht des Bundesrechnungs-hofes darauf zurückzuführen, dass das Weiterbildungspro-gramm nicht hinreichend auf deren Bedarf ausgerichtetist. Auch das Ziel, einen länderübergreifenden Infor-mationsaustausch für Personal des Gast- und Reisebüro-gewerbes zu fördern, wird nur eingeschränkt erreicht,weil durch die Konzentration der Weiterbildungsveran-staltungen in Berlin Beschäftigte aus anderen stark touris-tisch orientierten Ländern nur in geringem Maß teilneh-men.

Der Bundesrechnungshof hat außerdem bemängelt, dassdie Veranstaltungen vielfach einen zu hohen Aufwand er-fordert haben, da eine große Anzahl von Vortragendenbeschäftigt worden ist und Vereinsangestellte die Veran-staltungen begleitet haben. Die aufwendige Begleitungder Veranstaltungen hat wesentlich zum hohen Anteil vonPersonal- und Sachausgaben des Vereins beigetragen.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, die Konzeption der Förderung von Weiterbil-dungsveranstaltungen im Tourismusbereich grundlegendzu überarbeiten.

16.3

Das Bundesministerium ist der Auffassung, es habe dasFörderziel erreicht. Der überwiegende Teil der Weiterbil-dungsveranstaltungen, rund 70 %, habe eindeutig einenengen Tourismusbezug gehabt. Die Teilnehmenden ausöffentlichen Tourismuseinrichtungen übernähmen Multi-plikatorfunktionen im Rahmen von Kooperationen undProjekten mit Tourismusunternehmen, sodass dadurch dieZielgruppe erreicht werde.

Dass die räumliche Nähe eine höhere Teilnahmezahl ausder Umgebung des Seminarstandortes verursache, seiauch bei anderen großstädtischen Standorten anzuneh-men. Dagegen sei bei Seminaren in Urlaubsregionen da-von auszugehen, dass Teilnehmende, z. B. aus Berlin,deutlich schwerer für ein Seminar im Schwarzwald zu ge-winnen seien als Teilnehmende aus dem Schwarzwald fürein Seminar in Berlin oder einer anderen Großstadt. Fort-bildungsveranstaltungen würden häufig auch als Incentivezur Beschäftigtenmotivation eingesetzt. Dieses Krite-rium werde durch den gegenwärtigen Seminarstandort er-füllt.

Das Bundesministerium hat die Notwendigkeit bekräftigt,auch Weiterbildungsveranstaltungen mit wenigen Teilneh-menden, aber einer Vielzahl Vortragender durchzuführen.Der Tourismus zeichne sich durch starke Zielgruppenseg-mentierung aus, die eine kleinteilige Angebotsvielfalt zurFolge habe. Aus diesem Grund seien bei derartigen Wei-terbildungsveranstaltungen mehrere Vortragende bei ver-gleichsweise geringer Teilnahmezahl einzusetzen, die theo-

retische Hintergründe erläuterten und praktischeBeispiele präsentierten. Das Bundesministerium werdeden Verein aber bitten, Seminare nur noch bei ausreichen-der Auslastung anzubieten und die Teilnahmegebühren sozu kalkulieren, dass zumindest die Kosten für Raummieteund Vortragende abgedeckt werden könnten.

Das Bundesministerium will darüber hinaus die Prüfungzum Anlass nehmen, „die Vergabe eines externen Evalua-tionsauftrages zur Konzeption und Struktur des Vereinszu prüfen“.

16.4

Der Bundesrechnungshof sieht – anders als das Bundes-ministerium – das Förderziel im Wesentlichen als nichterreicht an. Die Förderung erreicht die Zielgruppe– Personal des Gast- und Reisebürogewerbes – nur ingeringem Maße. Sie erzielt hauptsächlich regionale Wir-kung, so dass ein länderübergreifender Informations-austausch unter den Teilnehmenden kaum stattfindenkann.

Für seine Darlegung, die Teilnehmenden aus öffentlichenTourismuseinrichtungen übernähmen Multiplikatorfunk-tionen und die Zielgruppe werde auf diese Weise erreicht,führt das Bundesministerium keinen Nachweis. WennTeilnehmende aus öffentlichen Tourismuseinrichtungenals Multiplikatoren qualifiziert werden sollten, könntedies effektiver dadurch erreicht werden, dass die Förde-rung direkt auf diesen Zweck ausgerichtet wird.

Die Ankündigung des Bundesministeriums, auf eine aus-reichende Auslastung der Veranstaltungen hinzuwirkenund die Teilnahmegebühren so zu kalkulieren, dass zu-mindest die Kosten für Raummiete und Vortragende ab-gedeckt würden, ändert nichts daran, dass die Förderzieleim Wesentlichen auch künftig nicht erreicht werden kön-nen.

Das Bundesministerium will zwar prüfen, ob ein Evalua-tionsauftrag zur Konzeption und Struktur des Vereinsvergeben werden solle. Der Bundesrechnungshof hältdies jedoch nicht für ausreichend. Es ist nicht die Auf-gabe des Bundes, dauerhaft einen Verein zu fördern, derdie Förderziele im Wesentlichen verfehlt. Da es eineVielzahl privater und öffentlicher Einrichtungen gibt, dieentsprechende Weiterbildungsveranstaltungen im Touris-mus konzipieren und anbieten können, wie die Indus-trie- und Handelskammern und die vom Bund institutio-nell geförderte Deutsche Zentrale für Tourismus e.V.,bieten sich dem Bund Alternativen, seine Förderziele zuerreichen.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt daher, die Förderungdes Vereins einzustellen und die Förderziele über bereitsbestehende Einrichtungen und Organisationen zu verfol-gen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 159 – Drucksache 16/7100

Bundesministerium für Arbeit und Soziales(Einzelplan 11)

17 Deutsche Rentenversicherung Bund Die Gebäude sollen einen „mittleren Qualitätsstandard“

plant ihre neuen Verwaltungs-gebäude unwirtschaftlich(Kapitel 1113 Titel 636 81)

17.0

Die Deutsche Rentenversicherung Bund plant die Errich-tung von zwei Verwaltungsgebäuden in Berlin, die den beiBundesministerien üblichen Standard deutlich übertref-fen. Sie kann diese Gebäude um fast 60 Mio. Euro unddamit ein Drittel der Gesamtkosten günstiger errichten.Hierzu muss sie ihre Raumforderungen auf das erforderli-che Maß verringern und wirtschaftlich umsetzen lassen.Auf repräsentative Gestaltungen und aufwendige Gebäu-detechnik sollte sie verzichten.

17.1

17.1.1

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) isteine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstver-waltung. Sie betreut fast die Hälfte der Versicherten undRentner der Gesetzlichen Rentenversicherung. Die DRVBund finanziert ihre Ausgaben neben Beitragseinnahmenauch aus Zuschüssen und Erstattungen des Bundes. DasBundesministerium für Arbeit und Soziales (Bundes-ministerium) kann den Haushaltsplan der DRV Bund u. a.beanstanden, wenn die DRV Bund die Bewertungs- undBewirtschaftungsmaßstäbe des Bundes nicht beachtet.

Bauvorhaben der DRV Bund bedürfen der Genehmigungdes dem Bundesministerium nachgeordneten Bundesver-sicherungsamtes. Dieses hat hierzu Verfahrensgrundsätzeerlassen. Eine wichtige Genehmigungsunterlage ist derRaumbedarfsplan auf Grundlage eines Stellenplanes mitden entsprechend notwendigen Büro- und Sonderflächen.Das Bundesversicherungsamt empfiehlt, sich dabei anden Flächenrichtwerten der Richtlinien für die Durchfüh-rung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) zu orientie-ren, die z. B. auch bei Neubauten für Bundesministerienzu beachten sind. In den Genehmigungsunterlagen sindauch ausgewählte Kenndaten anzugeben, um die Wirt-schaftlichkeit der Planung nachzuweisen.

17.1.2

An ihrem Sitz in Berlin nutzt die DRV Bund sowohl ei-gene als auch gemietete Gebäude. Sie plant, mehr Be-dienstete in eigenen Gebäuden unterzubringen. Daher be-absichtigt sie, in der Nähe ihres Hauptsitzes in Berlin-Wilmersdorf zwei Verwaltungsgebäude mit Baukostenvon zusammen über 180 Mio. Euro errichten zu lassen.

erhalten. Die DRV Bund strebt leicht änderbare Raumauf-teilungen an, um auf organisatorische Veränderungenohne großen Aufwand reagieren zu können. Der Bundes-rechnungshof prüfte die Planungsunterlagen im Jahre2006 während des Genehmigungsverfahrens.

17.1.2.1

Die DRV Bund beabsichtigt laut ihrem Genehmigungsan-trag, auf einem Grundstück zwischen Nestor- und Cicero-straße ein Verwaltungsgebäude mit Tiefgarage errichtenzu lassen. In diesem soll Platz für elf Dezernate mit2 229 Büroarbeitsplätzen sein. Die Gesamtbaukosten desGebäudes sollen 130 Mio. Euro betragen. Die DRV Bundsah im Raumbedarfsplan gut die Hälfte der 40 000 m2

Hauptnutzflächen für Büroflächen und knapp die Hälftefür Sonderflächen vor. Sonderflächen sind z. B. Schu-lungs- und Besprechungsräume, „Teamflächen“, „Klau-surräume“, Registraturen und „Meetingpoints mit ange-nehmer Nicht-Arbeitsatmosphäre“.

Der von der DRV Bund beauftragte Planer entwarf meh-rere Gebäudekörper mit einer Tiefe von 34 m, zwischendenen er Verbindungsbauten anordnete. An den Außen-seiten des Gebäudekörpers plante er Büroräume, dazwi-schen 22 m breite Innenzonen. Insgesamt sah er entgegendem Raumbedarfsplan Büroflächen nicht für elf, sondernnur für neun Dezernate mit 2 052 Büroarbeitsplätzen vor.Die Sonderflächen plante er in einer Größe, wie sie dieDRV Bund im Raumbedarfsplan für elf Dezernate vorge-geben hatte. Im Vergleich zum Raumbedarfsplan fehlen2 500 m2 Büroflächen. Verkehrsflächen wie Flure sowieFlächen für betriebstechnische Einrichtungen (Funktions-flächen) plante er größer als bei vergleichbaren Gebäu-den.

Der Planer entwarf 13 runde Lichthöfe mit einem Durch-messer von 11 m und Glasfassaden, durch die die daranangrenzenden Flächen belichtet werden sollen. Er sahdort jedoch nur wenige Büroarbeitsplätze vor, da dieseFlächen trotz der Lichthöfe nicht genügend Tageslicht er-halten. Dagegen sollen in tagesbelichteten Bereichen derVerbindungsbauten „Meetingpoints“ entstehen. An denLichthöfen sah er ferner zehn verglaste Aufzüge vor, diedoppelt so teuer wie herkömmliche Aufzüge sind.

Der Planer sah für die Fassade eine annähernd raumhoheVerglasung vor. Er plante im Bereich der Fassaden 6 mtiefe Büroräume, die er maschinell durch in der Betonde-cke verlegte Rohre lüften, heizen und kühlen möchte (Be-tonkernaktivierung). Auf ein Kühlen von Büroräumen istin Gebäuden des Bundes in der Regel zu verzichten. DieAuswirkungen seiner gestalterischen Lösungen auf dieWirtschaftlichkeit untersuchte der Planer nicht.

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Drucksache 16/7100 – 160 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Insgesamt liegen die Baukosten des geplanten Gebäudesje Quadratmeter 10 % über denen vergleichbarer Büroge-bäude mittleren Standards.

17.1.2.2

Die DRV Bund kaufte im Jahre 2003 ein bebautes Grund-stück in der Eisenzahnstraße, auf dem sie ursprünglichein neues Bürogebäude für rund 1 000 Arbeitsplätze er-richten wollte. Laut dem Genehmigungsantrag möchte sienun ein Multifunktionsgebäude bauen lassen, das neben352 Büroarbeitsplätzen und einem Rechenzentrum mitDruckerei auch eine Post- und Scan-Stelle aufnehmensoll. Zurzeit befinden sich diese Einrichtungen an ver-schiedenen Standorten in Berlin. Die Gesamtbaukostendes Gebäudes sollen 51 Mio. Euro betragen. Die DRVBund untersuchte nicht, ob es wirtschaftlich ist, dasGrundstück mit einem Multifunktionsgebäude statt miteinem reinen Bürogebäude zu bebauen. Zudem gab sie imRaumbedarfsplan nicht an, wie viel Büro- und Sonderflä-chen sie insgesamt in diesem Gebäude schaffen will, son-dern stellte nur allgemein Raumforderungen für ein De-zernat auf. Auch fehlten Angaben zur Post- und Scan-Stelle.

Der von der DRV Bund beauftragte Planer überschrittdarüber hinaus die Raumforderungen der DRV Bund fürBüroräume, Rechenzentrum, Besprechungsräume und„Meetingpoints“. Er entwarf im Raumbedarfsplan nichtgeforderte Flächen wie hallenförmige Lichthöfe mit„Pausengalerien“, Verbindungsstege und Freitreppen. Eruntersuchte weder die Wirtschaftlichkeit der Lichthöfenoch deren Auswirkung auf das Gebäude. Auch sah erFassaden mit vielen Fensterflächen vor, die die Investi-tions- und Betriebskosten des Gebäudes erhöhen.

17.2

Die Planungen für die Neubauten sind nach Auffassungdes Bundesrechnungshofes äußerst unwirtschaftlich. DieDRV Bund hat ihren Raumbedarf zu hoch angesetzt undnicht auf eine wirtschaftliche Planung der Gebäude ge-achtet.

17.2.1

Die in den Raumbedarfsplänen für das Bauvorhaben Nes-torstraße angegebenen Flächen sind nach dem Maßstabder RBBau um über ein Viertel zu groß. Die DRV Bundbenötigt damit 10 000 m2 weniger Hauptnutzfläche alsvorgesehen, um die von ihr angestrebte Anzahl von Büro-arbeitsplätzen im Gebäude unterzubringen. Die DRVBund kann ferner auf die Tiefgarage verzichten, da sienach geltenden Vorschriften nicht notwendig und das Ge-bäude mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut zu errei-chen ist.

Darüber hinaus hat der Planer die überhöhten Raumforde-rungen mangelhaft umgesetzt. Die verlangte Anzahl vonBüroarbeitsplätzen hat er nicht erreicht. Die Sonderflä-chen sowie die Verkehrs- und Funktionsflächen plante erjedoch um 5 000 m2 größer als für die von ihm vorgese-hene Anzahl von Arbeitsplätzen notwendig. Ursächlich

hierfür sind vor allem die sehr breiten Innenzonen, dienicht ohne weiteres für Bürotätigkeit genutzt werden kön-nen. Ein weiterer Grund ist, dass der Planer in tagesbe-lichteten Bereichen „Meetingpoints“ statt Büroflächenvorgesehen hat.

Die Gestaltung des Gebäudes übersteigt einen mittlerenStandard und ist für ein reines Verwaltungsgebäude derDRV Bund unangemessen. Nach den Genehmigungs-grundsätzen sollen die Funktionen im Baukörper geeignetangeordnet und das Gebäude sachgerecht gestaltet wer-den, um aufwendige technische Anlagen zu vermeiden.So könnte z. B. der hohe Verglasungsanteil der Fassadezugunsten einer wärmegedämmten Außenwand verrin-gert werden. Ansonsten geht im Winter Wärme verloren,im Sommer erwärmen sich die Räume stark.

Die DRV Bund könnte bereits 36 Mio. Euro einsparen,wenn sie das Gebäudevolumen verringerte, indem sie bei-spielsweise auf unnötige Flächen, auf die Tiefgarage, dieLichthöfe und die Betonkernaktivierung verzichtete. Zu-dem könnte sie weitere 15 Mio. Euro sparen, wenn siesich bei dem Gebäude auf einen mittleren Standard be-schränkte und beispielweise auf die aufwendigen Fassa-den und technischen Anlagen sowie gläserne Aufzügeverzichtete.

17.2.2

Die DRV Bund hat bislang beim Bauvorhaben Eisen-zahnstraße nicht nachgewiesen, dass der Bau eines Multi-funktionsgebäudes anstelle eines reinen Bürogebäudeswirtschaftlich ist. Der vorliegende Raumbedarfsplan istnicht genehmigungsfähig und auch für die Planung nichtgeeignet, da wesentliche Bestandteile nicht aufgeführtsind. So fehlen Angaben über die benötigten Arbeits-plätze und Flächen. Wie bei dem Bauvorhaben in derNestorstraße ist der für ein Dezernat angegebene Raum-bedarf unangemessen hoch. Die DRV Bund könnte in derEisenzahnstraße auf 5 700 m2 Gebäudefläche verzichtenund so 8 Mio. Euro einsparen. Darüber hinaus ist die Pla-nung nicht ausgereift, da die Wirtschaftlichkeit vielergestalterischer und technischer Lösungen nicht nachge-wiesen ist. Durch eine Beschränkung auf einen mittlerenStandard könnte die DRV Bund die Baukosten um2,6 Mio. Euro senken.

17.2.3

Der Bundesrechnungshof hat der DRV Bund empfohlen,neue Raumbedarfspläne aufzustellen. Dabei sollte sie ih-ren Büroraumbedarf an den RBBau ausrichten und aufunbegründete Ansprüche an Sonderflächen verzichten.Anschließend sollte sie darauf hinwirken, dass die Planerdie auf das erforderliche Maß verringerten Raumforde-rungen sachgerecht und wirtschaftlich umsetzen. Dabeiist ein mittlerer Standard einzuhalten. So ließen sich nachüberschlägiger Berechnung des Bundesrechnungshofesdie beiden Gebäude für die in den Genehmigungsanträ-gen vorgesehene Anzahl von Büroarbeitsplätzen um fast60 Mio. Euro und damit ein Drittel der Gesamtkostengünstiger errichten.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 161 – Drucksache 16/7100

17.3

Die DRV Bund hatte zunächst erklärt, sich wie ein Inves-tor verhalten zu wollen, der seine zukünftigen Mieternicht kenne. Ihr Raumbedarf werde sich während der Le-bensdauer der Gebäude ändern. Sie habe die Gebäude da-her so planen lassen, dass sie diese in jeder zukünftigmöglichen Organisationsform nutzen könne. Darum werdesie die Anforderungen an die Büroraumgrößen und dieAnzahl der Büroarbeitsplätze im Gebäude erst zu einemspäteren Zeitpunkt anhand der tatsächlich einziehendenDezernate festlegen. Die Organisationsgrößen habe sie imRaumbedarfsplan nur beispielhaft angenommen. EineDiskussion darüber halte sie für verfehlt. Die geplantenGebäude seien auch durch die Lichthöfe und den großenGlasanteil an der Fassade in hohem Maße flexibel zu nut-zen. Dies erfordere hohe Aufwendungen für die techni-schen Anlagen. Die DRV Bund hat eingeräumt, dass– entgegen dem zunächst erklärten Planungsziel – derStandard der geplanten Neubauten über einen mittlerenhinausgehe.

Das Bundesversicherungsamt hat festgestellt, dass dieFlächenforderungen der DRV Bund für Arbeitsplätzeetwa 30 % über den Höchstflächen liegen, die nach denRBBau bei Verwaltungsbauten des Bundes eingehaltenwerden sollen. Es hat dargelegt, die Vorhaben erst geneh-migen zu wollen, wenn die Planungen überarbeitet wor-den sind.

Das Bundesministerium hat erläutert, dass die Leitideeder Entwürfe sei, die Grundstücke optimal auszunutzenund so intensiv wie möglich zu bebauen. Die DRV Bundverfolge damit das Ziel, die höchstmögliche Anzahl anArbeitsplätzen bei flexibler Grundrissgestaltung für zu-künftig zu schaffende Organisationsstrukturen unterzu-bringen. Eine Stellungnahme hat das Bundesministeriumaufgrund der laufenden Gespräche des Bundesrechnungs-hofes mit der DRV Bund unter Beteiligung des Bun-desversicherungsamtes für entbehrlich gehalten. Es hatjedoch angekündigt, dass die DRV Bund die Raumbe-darfspläne anpassen werde. Sie werde diese planerischumsetzen lassen und die Kosten darstellen.

Die DRV Bund hat sich inzwischen bereit erklärt, dieWirtschaftlichkeit der beabsichtigten flexiblen Raum-strukturen, der Fassadengestaltung, der Lichthöfe und dertechnischen Anlagen nachzuweisen. Sie hat zugesichert,eine Belegungsplanung aufzustellen, die auf die Nutzerzum Zeitpunkt des Einzugs abgestimmt sei. Zudem werdesie planerisch darstellen, wie die Gebäude mit der höchst-möglichen Zahl von Arbeitsplätzen belegt werden kön-nen. Bei dem Vorhaben Nestorstraße wolle sie auf dieTiefgarage verzichten.

17.4

Der Bundesrechnungshof sieht sich durch die Stellung-nahmen des Bundesministeriums und des Bundesversi-cherungsamtes darin bestätigt, dass die zur Genehmigungvorgelegten Planungen unwirtschaftlich sind. Er begrüßtdie nunmehr von der DRV Bund zugesagten Wirtschaft-lichkeitsuntersuchungen und planerischen Darstellungen

als ersten Schritt zu sparsamem Bauen. Bei den anstehen-den Umplanungen sollte die DRV Bund die Hinweise desBundesrechnungshofes beachten, um wirtschaftliche Lö-sungen zu finden. Der Bundesrechnungshof hält es fürnotwendig, dass das Bundesministerium insbesondere si-cherstellt, dass die DRV Bund so viele Büroarbeitsplätzewie möglich in den Gebäuden unterbringt. Dazu darf siedie Flächenrichtwerte nicht überschreiten. Ferner solltedas Bundesministerium die DRV Bund daran hindern,Gebäude mit einem Standard errichten zu lassen, der denbei Bundesministerien üblichen deutlich übertrifft. Hierzuhat die DRV Bund beispielsweise auf überflüssige Licht-höfe, aufwendige Fassaden und technische Anlagen so-wie gläserne Aufzüge zu verzichten.

18 Grundsicherungsstellen gewährten Einstiegsgeld nach unterschiedlichen Maßstäben und zahlten es vielfach ohne Anspruch der Empfänger aus

18.0

Der Bundesrechnungshof hat erhebliche Mängel bei derGewährung von Leistungen zur Eingliederung arbeits-loser erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in Form des so-genannten Einstiegsgeldes festgestellt. Die Grundsiche-rungsstellen zahlten Hilfebedürftigen oft Einstiegsgeld,obwohl sie die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüll-ten. Außerdem wurden die Leistungen unterschiedlichbemessen, sodass die Empfänger ungleich behandelt wur-den. Zudem war die Leistungsgewährung nicht transpa-rent.

18.1

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) und dieKommunen als Träger der Grundsicherung haben die er-werbsfähigen Hilfebedürftigen umfassend mit dem Zielzu unterstützen, deren Hilfebedürftigkeit zu überwinden.Die für die Grundsicherung zuständigen Stellen – Arbeits-gemeinschaften und zugelassene kommunale Träger –können finanzielle Anreize geben, um Hilfebedürftigendie Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. EinBeispiel hierfür ist das sogenannte Einstiegsgeld (§ 29Zweites Buch Sozialgesetzbuch – SGB II). Im Jahre 2006wurden rund 49 000 Personen Einstiegsgeld erstmalig be-willigt. Hierfür wurden 63,7 Mio. Euro ausgegeben.

Das Einstiegsgeld kann gezahlt werden, wenn arbeitsloseerwerbsfähige Hilfebedürftige eine sozialversicherungs-pflichtige oder selbstständige Erwerbstätigkeit aufneh-men. Dies muss zur Eingliederung in den allgemeinenArbeitsmarkt erforderlich sein. Eine Förderung setzt au-ßerdem voraus, dass das Einstiegsgeld zur Überwindungder Hilfebedürftigkeit gezahlt wird. Dies ist der Fall,wenn die Hilfebedürftigen langfristig nicht mehr auf dasArbeitslosengeld II angewiesen sind. Eine Förderung istausgeschlossen, wenn das erzielte Einkommen so niedrigbleibt, dass es für den Lebensunterhalt der Hilfebedürfti-gen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft le-benden Personen nicht ausreicht, sondern die Hilfebe-

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Drucksache 16/7100 – 162 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dürftigkeit nur mindert. Das Einstiegsgeld wird fürhöchstens 24 Monate gewährt. Bei der Bemessung solldie vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit sowie die Größeder Bedarfsgemeinschaft des Hilfebedürftigen berück-sichtigt werden. Der Gesetzgeber hat das Bundesministe-rium für Arbeit und Soziales (Bundesministerium) er-mächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wie dasEinstiegsgeld zu bemessen ist. Von dieser Ermächtigunghat das Bundesministerium bislang keinen Gebrauch ge-macht.

18.2

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes Berlin die Gewährung vonEinstiegsgeld bei fünf Arbeitsgemeinschaften und dreizugelassenen kommunalen Trägern. In 88 % der geprüf-ten Fälle nahmen die Hilfebedürftigen eine selbstständigeErwerbstätigkeit auf. Dieser Anteil entsprach den Ver-hältnissen bei allen Förderfällen. Der Bundesrechnungs-hof stellte nachfolgende erhebliche Mängel fest:

18.2.1

Die Grundsicherungsstellen zahlten in über 50 % der ge-prüften Fälle Einstiegsgeld, obwohl eine oder mehrereder Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. So bestand inrund 16 % der Fälle für den Antragsteller keine Aussicht,durch die beabsichtigte Erwerbstätigkeit seine Hilfebe-dürftigkeit zu überwinden. In 13 % der Fälle war es nichtmöglich, diese Voraussetzung überhaupt zu prüfen. DieAntragsteller hatten entweder keine oder nur unvollstän-dige Unterlagen eingereicht, die zudem keine Prognosezur Überwindung der Hilfebedürftigkeit zuließen odernur auf eine Minderung der Hilfebedürftigkeit hindeuteten.Bei der Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeithatten die Antragsteller in der Regel keine Stellungnah-men fachkundiger Stellen vorgelegt, die die Tragfähigkeitder Existenzgründung belegten. In rund 27 % der geprüf-ten Fälle beachteten die Grundsicherungsstellen nicht,dass ein Einstiegsgeld nur im zeitlichen und sachlichenZusammenhang mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeitund bei Arbeitslosigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürf-tigen geleistet werden darf, nicht aber früher oder später.

In 8 % der Fälle beachteten die Grundsicherungsstellennicht, dass ein Einstiegsgeld einen Anspruch auf Arbeits-losengeld II voraussetzt. Die Antragsteller waren in diesenFällen entweder nicht erwerbsfähig oder nicht hilfebe-dürftig, oder es bestanden erhebliche Zweifel am Vorlie-gen dieser Voraussetzungen.

18.2.2

Die Grundsicherungsstellen bemaßen die Höhe des Ein-stiegsgeldes unterschiedlich. Einige legten z. B. die Regel-leistungen für Alleinstehende zur Sicherung des Lebensun-terhalts zugrunde. Andere trafen keinerlei Festlegungen,welche Regelleistung sie zugrunde legen wollten oder sa-hen ein Einstiegsgeld nach monatlichen Pauschalen vor.Mehrere Grundsicherungsstellen senkten das Einstiegs-geld nach Höhe und Zeitablauf unterschiedlich ab.

18.3

18.3.1

Der Bundesrechnungshof hat die hohe Gesamtfehlerquoteund die mangelnde Qualität der Antragsbearbeitung bean-standet. Er sieht die Gefahr von Mitnahmeeffekten, wenndas Einstiegsgeld nur zur Minderung der Hilfebedürftig-keit führt. Er hält es daher für unabdingbar, von den Hilfe-bedürftigen die für den Antrag erforderlichen aussagefähi-gen Nachweise zur Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeitzu verlangen und diese sorgfältig zu prüfen. An die Pro-gnose eines langfristigen Wegfalls der Hilfebedürftigkeitsind strenge Anforderungen zu stellen. Es genügt nichtnur die vage Möglichkeit, dass die Hilfebedürftigkeit ent-fällt. Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes sollten beiAufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit aussa-gekräftige Unterlagen darüber vorgelegt werden, wie sichdie neu gegründete Existenz künftig entwickeln wird. BeiExistenzförderungen im Bereich der Arbeitsförderungnach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – SGB III – ha-ben sich hierfür Stellungnahmen fachkundiger Stellen be-währt. Diese sollten auch für die Prüfung einer Existenz-gründung mit Einstiegsgeld herangezogen werden. Der Bundesrechnungshof hat angeregt, den Beschäftigtender Grundsicherungsstellen klarstellende Arbeitshilfen zuden Voraussetzungen der Gewährung des Einstiegsgeldesan die Hand zu geben.

18.3.2

Darüber hinaus hat er darauf hingewiesen, dass die Höhedes Einstiegsgeldes nicht davon abhängen darf, welcheGrundsicherungsstelle (zufällig) für die Hilfebedürftigenzuständig ist. Die Verwaltung ist verpflichtet, in gleichge-lagerten Fällen auch nach den gleichen Maßstäben zu ent-scheiden. Der Bundesrechnungshof hält es daher für er-forderlich, Einstiegsgeld nach einheitlichen Kriterien zugewähren, auf deren Grundlage die konkrete Situation derHilfebedürftigen berücksichtigt werden kann. Eine Ver-ordnung des Bundesministeriums könnte dies erleichtern.

18.4

18.4.1

Das Bundesministerium hat die Feststellungen des Bun-desrechnungshofes zur mangelhaften Bearbeitung desEinstiegsgeldes grundsätzlich anerkannt. Es hat erklärt,das Einstiegsgeld solle dazu beitragen, die Hilfebedürf-tigkeit dauerhaft zu überwinden. Dies sei in einer Einglie-derungsvereinbarung zu dokumentieren. Außerdem habees die bestehende Arbeitshilfe zum Einstiegsgeld nachden Empfehlungen des Bundesrechnungshofes aktuali-siert, um die Arbeitsqualität zu verbessern. Weiter habe esdie Möglichkeit einer verstärkten Fachaufsicht geprüft.Hierzu werde erörtert, welche der in der Arbeitshilfe ge-gebenen Empfehlungen als Geschäftsanweisungen ver-bindlich gemacht werden sollen. Dabei wolle es den Ar-beitsgemeinschaften weitgehende Handlungsfreiräumebei Ermessensentscheidungen zugestehen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 163 – Drucksache 16/7100

Die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Beurtei-lung der Tragfähigkeit einer Existenzgründung hält dasBundesministerium nicht für erforderlich. Die Vorschrif-ten zur Gewährung des Einstiegsgeldes enthielten im Ge-gensatz zu denen über den Gründungszuschuss keinePflicht, die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzu-legen. Diese Stellungnahme könne sich nur als Prognoseauf die Erfolgsaussichten der angestrebten Selbstständig-keit beziehen. Die sich daraus ergebenden Wirkungen aufdas verfügbare Haushaltseinkommen könne letztlich nurdie zuständige Grundsicherungsstelle beurteilen. Die vomBundesrechnungshof vorgeschlagene Pflicht, dass dieHilfebedürftigen die Stellungnahme einer fachkundigenStelle vorlegen müssen, sei zudem problematisch, weildie Industrie- und Handelskammern (IHK) sowie dieHandwerkskammern in der Regel nicht bereit seien, hier-bei mitzuwirken. So habe sich der Deutsche Industrie-und Handelskammertag bislang nur bereit erklärt, in Einzel-fällen an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Einegenerelle Mitwirkungspflicht der IHK könne hierdurchnicht begründet werden.

18.4.2

Das Bundesministerium vertritt die Auffassung, dass durchdie Verordnung einer einheitlichen Bemessungsgrundlagedie Entscheidungsmöglichkeiten wesentlich eingeschränktwürden. Speziell für den Bereich der Grundsicherung seiaber „eine Vielfalt von Entscheidungsmöglichkeiten not-wendig. Eine starre Eingrenzung auf einen konkretenFörderbetrag liefe dieser Intention zuwider. Selbst bei ei-ner einheitlichen Bemessungsgrundlage muss noch Hand-lungsspielraum für am Einzelfall orientierte Abweichun-gen gegeben sein.“

Da es sich bisher bei der Gewährung von Einstiegsgeldüberwiegend um Existenzgründungen handele, sei eine„Standardförderung“ nicht sachgerecht. So solle das Ein-stiegsgeld als anrechnungsfreier Zuschuss auch daran be-messen werden, in welcher Höhe Erwerbseinkünfte zuerwarten seien und somit noch ergänzendes Arbeitslosen-geld II zu gewähren sei. Das Bundesministerium behaltesich aber eine Regelung durch Rechtsverordnung vor,nachdem Erkenntnisse über die noch laufende wissen-schaftliche Evaluation vorliegen.

18.5

18.5.1

Der Bundesrechnungshof begrüßt die vom Bundesminis-terium zugesagten Maßnahmen zur Verbesserung der Bear-beitungsqualität. Er hält diese jedoch für nicht ausreichend.Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung,dass die Hilfebedürftigen geeignete Nachweise bringenmüssen, die eine Beurteilung darüber ermöglichen, ob dieneue Existenz tragfähig ist und hierdurch die Hilfebedürf-tigkeit überwunden werden kann. Die Stellungnahme desBundesministeriums lässt nicht erkennen, wie sich dieQualität und die Prüfung der hierfür benötigten Unterla-gen bundesweit verbessern sollen, ohne dass eine aussa-

gekräftige fachkundige Stellungnahme abgegeben wird.Diese hat sich bei der Förderung einer selbstständigen Tä-tigkeit mit Überbrückungsgeld bzw. Existenzgründungs-zuschuss nach dem SGB III bewährt, weil sie das Risikoverringert, eine aussichtslose Existenzgründung zu för-dern. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Exis-tenzgründer sich zusätzlich verschulden. Der Gesetzgeberhatte bereits in seiner Begründung zum Entwurf einesVierten Gesetzes zur Änderung des SGB III ausgeführt,dass eine fachkundige Stellungnahme die Qualität desGründungsvorhabens verbessert, Mitnahmeeffekte ver-ringert sowie die Sicherheit für Gründerinnen und Grün-der verstärkt (s. Bundestagsdrucksache 15/3674). Es istnicht verständlich, dass für eine Leistung wie den Grün-dungszuschuss, der aus Sozialbeiträgen finanziert wird,ein höherer Maßstab angelegt wird, als für das durchSteuern finanzierte Einstiegsgeld. Dem Bundesrech-nungshof ist bewusst, dass die Stellungnahme einer fach-kundigen Stelle zur Existenzgründung die eigenständigePrüfung der Grundsicherungsstelle nicht ersetzen kann.Sie kann diese aber durch fachliche Hinweise zu denkünftigen Erfolgsaussichten wesentlich erleichtern.

Der Hinweis des Bundesministeriums, dass die IHK so-wie die Handwerkskammern nur im Ausnahmefall an derSachverhaltsaufklärung mitwirken wollen, kann als Argu-ment gegen eine fachkundige Stellungnahme nicht über-zeugen. Neben den genannten Kammern sind auch anderefachkundige Stellen, wie z. B. Fachverbände und Kredit-institute, in der Lage, eine Stellungnahme zur Tragfähig-keit einer Existenzgründung zu erstellen.

18.5.2

Der Bundesrechnungshof stimmt den Ausführungen desBundesministeriums insoweit zu, als bei der Einführungeiner einheitlichen Bemessungsgrundlage noch ein Hand-lungsspielraum für am Einzelfall orientierte Abweichun-gen gegeben sein muss. Die Gewährung des Einstiegsgel-des hat sich damit an der konkreten Situation dererwerbsfähigen Hilfebedürftigen auszurichten. Sozialleis-tungen müssen jedoch aufgrund erkennbarer und über-prüfbarer Regelungen gewährt werden. Die Leistungsge-währung sollte transparent gestaltet werden und für Allevergleichbare Voraussetzungen schaffen. Daher solltendie Kriterien, nach denen sich die Höhe eines Einstiegs-geldes mit Steigerungs- und Absenkungsmöglichkeitenrichtet, bundesweit einheitlich geregelt werden. Durch ei-nen Erlass der im Gesetz bereits vorgesehenen Rechtsver-ordnung könnte die einheitliche Rechtsanwendung si-chergestellt werden. Es ist nicht ersichtlich, warum dasBundesministerium erst nach Abschluss der Wirkungs-forschung zum Einstiegsgeld eine einheitliche Festlegungvon Bemessungskriterien in Erwägung ziehen will, zumalerste Befunde zur Wirkung des Einstiegsgeldes durch dasInstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bun-desagentur bereits vorliegen. Darüber hinaus sollten dieGleichbehandlung der Leistungsempfänger sowie die Be-rechenbarkeit der Leistungsvergabe nicht hinter einerAusrichtung am Effekt der Förderung zurückbleiben.

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Drucksache 16/7100 – 164 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

19 Leistungsbezahlung im Bereich der Bundesagentur für Arbeit nicht zielgerichtet

19.0

Die Bundesagentur für Arbeit hat Zulagen und Prämienfür herausragende besondere Leistungen nicht zielgerich-tet gewährt. Bei der Leistungsbezahlung im Bereich derArbeitsvermittlung unterliefen ihr grundlegende Fehler.Sie zahlte ihren Beschäftigten Leistungsprämien gegenKürzung ihrer Arbeitszeitguthaben. Dies war unzulässig,weil mit Leistungsprämien keine Zeitguthaben abgegoltenwerden dürfen, sondern besondere Einzelleistungen ho-noriert werden sollen. Die Bundesagentur für Arbeitsollte ihre Vergabeverfahren zur Leistungsbezahlungsorgfältig evaluieren. Das Aufsicht führende Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales sollte sicherstellen,dass die Bundesagentur für Arbeit die Regelungen zurLeistungsbezahlung künftig beachtet.

19.1

Beamtinnen und Beamte können für herausragende be-sondere Arbeitsleistungen Leistungszulagen und -prä-mien nach dem Bundesbesoldungsgesetz erhalten. Beson-dere Regelungen im Dritten Buch Sozialgesetzbuch fürdie Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) sollten abdem Jahre 2002 zusätzliche Leistungsanreize für die Be-schäftigten im Bereich der Arbeitsvermittlung schaffen.Diese erlaubten u. a. höhere Zulagen als nach den allge-meinen Regelungen des Bundesbesoldungsgesetzes. Siesollten mit dazu beitragen, die Ergebnisse in der Vermitt-lung zu verbessern.

Entscheidungen über die Gewährung von Leistungszula-gen und -prämien sind nach dem Grundsatz der dezentra-len Vergabe vor Ort zu treffen. Danach sind die Vorge-setzten in den jeweiligen Dienststellen einzubinden. Dennnur dort kann die Leistung der Beschäftigten individuellbeurteilt werden. Die Gewährung von Zulagen und Prä-mien für besonders herausragende Leistungen ist zu be-gründen. Leistungszulagen dürfen nur drei Monate rück-wirkend und monatlich nachträglich gezahlt werden, umbei verminderter Leistung reagieren zu können. Teamzu-lagen sind möglich, soweit alle Mitglieder eines Teams ander besonderen Leistung mitgewirkt haben. Für Teamzu-lagen gelten Höchstgrenzen.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Stuttgart im Geschäftsbereichder Bundesagentur die Gewährung der leistungsbezoge-nen Bezahlung.

Im Jahre 2004 erhielten Bedienstete des Geschäftsberei-ches der Bundesagentur, die mindestens 50 Stunden Ar-beitszeitguthaben erworben hatten, eine Leistungsprämievon 500 Euro. Im Gegenzug mussten sie sich damit ein-verstanden erklären, dass ihr Zeitguthaben um 25 Stun-den gekürzt wurde. Eine individuelle Leistungsfeststel-lung fand nicht statt. Die Bundesagentur berichtete Ende2004 dem Deutschen Bundestag über ihre Erfahrungenmit der leistungsbezogenen Bezahlung. Sie berichtete

nicht darüber, dass sie Prämien gegen Kürzung von Ar-beitszeitguthaben gewährt hatte.

Die Bundesagentur wendete die besonderen Regelungenzur leistungsgerechten Bezahlung erstmals im Jahre 2005an. Sie zahlte den Beschäftigten Leistungszulagen alsTeamzulagen, die die Höchstgrenzen weit überschritten.Sie wurden den Teamangehörigen der 25 besten Agentu-ren für Arbeit (Agenturen) im Bereich der Vermittlung ge-währt und als Einmalzahlung zum Jahresende rückwirkendfür sechs Monate gezahlt. Die besten Teamleistungen er-mittelte sie anhand von Kennzahlen der Agenturen. Einindividueller Leistungsbeitrag der Beschäftigten wurdenicht festgestellt. Dadurch konnten auch leistungsschwä-chere oder frei gestellte Beschäftigte, die einem der aus-gewählten Teams zugeordnet waren, eine Leistungszu-lage erhalten.

Die Bundesagentur wertete ihr Vergabeverfahren zur leis-tungsbezogenen Bezahlung der Beschäftigten nicht syste-matisch aus. Das für die Rechtsaufsicht der Bundesagen-tur zuständige Bundesministerium für Arbeit undSoziales (Bundesministerium) war in das Vorgehen derBundesagentur eingebunden. Es wies die Bundesagenturauf die Begründungspflicht für Leistungszulagen und -prä-mien hin. Daraufhin begründete die Bundesagentur die imJahre 2004 gewährten Leistungsprämien in Einzelfällennachträglich.

19.2

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur aufgrundlegende Fehler bei der leistungsbezogenen Bezah-lung hingewiesen. So beachtete sie den Grundsatz der de-zentralen Vergabe nicht. Die Entscheidungen darüber,wer leistungsbezogene Bezahlung erhielt, wurden zentralvom Vorstand getroffen, die Leitung der jeweiligen Agen-tur vor Ort war nicht eingebunden. Die Entscheidungenwaren nicht individuell begründet. Dies gilt auch für dieFälle, in denen nachträgliche Begründungen gefertigtwurden, da diese nicht Grundlage der Prämienvergabewaren.

Es war unzulässig, die Vergabe von Leistungsprämien mitder Abgeltung von Arbeitszeitguthaben zu verknüpfen.Die rückwirkende Gewährung von Zulagen für mehr alsdrei Monate war ebenso unzulässig wie die Zahlung in ei-ner Summe. Auch wurde die Höchstgrenze für Teamzula-gen weit überschritten. Freigestellte Beschäftigte, z. B.Personalratsmitglieder, durften keine Leistungszulagenoder -prämien erhalten, da sie keine Arbeitsleistung imBereich der Arbeitsvermittlung erbracht hatten.

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur aufge-fordert, künftig die maßgebenden Rechtsvorschriften undinsbesondere den Grundsatz der dezentralen Vergabe zubeachten. Ferner sollte regelmäßig evaluiert werden, obdie mit der leistungsbezogenen Bezahlung angestrebtenZiele, wie z. B. die Verbesserung der Vermittlungsergeb-nisse, in den begünstigten Bereichen erreicht werden. DerBundesrechnungshof hat das Bundesministerium über diePrüfungsergebnisse unterrichtet.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 165 – Drucksache 16/7100

19.3

19.3.1

Die Bundesagentur hat eingeräumt, dass sie die Sonderre-gelung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch erst im Jahre2005 angewendet habe. Im Jahre 2004 habe sie kurzfris-tig Leistungsprämien gewährt, um damit in erheblichemUmfang geleistete zusätzliche Arbeitsstunden zur termin-gerechten Einführung des Arbeitslosengeldes II abzugel-ten. Erhebliche Zeitguthaben der Beschäftigten wären an-sonsten ohne Ausgleich verfallen. Die Bundesagenturhabe die Dienststellen in Abstimmung mit dem Aufsichtführenden Bundesministerium aufgefordert, die besonde-ren Leistungen konkret zu begründen. In dem Bericht anden Deutschen Bundestag habe sie auf einen Hinweis aufdie reduzierten Zeitguthaben verzichtet, weil sie eine ent-sprechende Information nicht für erforderlich gehaltenhabe.

Der Begriff „Teamzulage“ sei bei der Vergabeentschei-dung des Vorstandes im Jahre 2005 versehentlich verwen-det worden. Vielmehr habe es sich um individuelle Leis-tungszulagen gehandelt, für die die Höchstgrenzen fürTeamzulagen nicht gelten. Die Leistung sei zentral nachvorgegebenen Kriterien bemessen worden, da nur so einWettbewerb zwischen verschiedenen Agenturen möglichgewesen sei.

Die Bundesagentur habe die Wirkung und Akzeptanz derleistungsbezogenen Bezahlung der Jahre 2004 und 2005aufmerksam beobachtet. Rückmeldungen aus einer Mit-arbeiterbefragung hätten dazu geführt, dass die Bundes-agentur im Jahre 2006 über die leistungsbezogene Bezah-lung ausschließlich dezentral in den Agenturen habeentscheiden lassen.

19.3.2

Das Bundesministerium hat dem Bundesrechnungshofzugestimmt, dass die Bundesagentur die Leistungsbezah-lung im Bereich der Vermittlung teilweise fehlerhaft ge-währt hat. So hat das Bundesministerium eingeräumt,dass die Vergabe von Leistungsprämien gegen eine Kür-zung des Zeitguthabens im Jahre 2004 ebenso fehlerhaftgewesen sei, wie die „Nachbesserung“ durch eine spätervorgenommene individuelle Leistungseinschätzung. Eshat ferner der Rechtsauffassung des Bundesrechnungsho-fes zugestimmt, dass die Gewährung von Leistungszula-gen im Jahre 2005 aus verschiedenen Gründen fehlerhaftwar. Es hat aber die Auffassung vertreten, dass derGrundsatz der dezentralen Vergabe nicht uneingeschränktanzuwenden sei. Es sei positiv zu bewerten, dass die Bun-desagentur Leistungszulagen nach objektiven Kriterienim Rahmen eines bundesweiten Vergleichs (Benchmar-king) vergeben habe.

Das Bundesministerium hat ferner darauf hingewiesen,dass es sich im Rahmen der Rechtsaufsicht über die Bun-desagentur weiterhin an der Umsetzung der Leistungsbe-zahlung durch die Bundesagentur beteiligen werde. ImMittelpunkt stünden neben den tariflichen Regelungenauch weitere Gesetzesänderungen im Bereich des Dienst-rechts.

19.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundesmi-nisterium seinen Feststellungen in wesentlichen Punktenzustimmt. Der Einsatz der Beschäftigten bei der Einfüh-rung des Arbeitslosengeldes II ist als besondere Leistunganzuerkennen. Gleichwohl war es, wie auch das Bundes-ministerium festgestellt hat, nicht zulässig, Leistungsprä-mien gegen Kürzung von Arbeitszeitguthaben zu zahlen.Über diese ungewöhnliche, von den allgemeinen Rege-lungen abweichende Vergabepraxis hätte die Bundes-agentur die parlamentarischen Gremien in ihrem Berichtzur leistungsbezogenen Bezahlung informieren müssen.

Der Bundesrechnungshof nimmt zur Kenntnis, dass dieBundesagentur im Jahre 2005 den Begriff Teamzulage„versehentlich“ verwendet habe. Er weist darauf hin, dassdie Bundesagentur es in diesem Fall versäumt hat, die in-dividuelle Leistung der Beschäftigten zu bewerten.Gleichwohl bleibt die rückwirkende Zahlung in einerSumme fehlerhaft. Auch geht dann die positive Einschät-zung des Bundesministeriums, die Bundesagentur habeLeistungszulagen nach objektiven Kriterien im Rahmeneines bundesweiten Benchmarking vergeben, fehl. Denndie Kennzahlen und der Vergleich bezogen sich aufTeamleistungen und nicht auf individuelle Arbeitsleistun-gen.

Die Bundesagentur sollte die Vorgaben zur leistungsbezo-genen Bezahlung künftig rechtlich einwandfrei umsetzen.Soweit die Bundesagentur darauf hinweist, dass aufgrundder Auswertung einer Mitarbeiterbefragung die Vergabe-entscheidungen im Jahre 2006 dezentral getroffen wordenseien, ist dies ein wesentlicher Schritt zu einem zielge-richteten Mitteleinsatz. Der Bundesrechnungshof emp-fiehlt, die Ergebnisse der leistungsgerechten Bezahlungkünftig systematisch zu evaluieren, um festzustellen, obdie Ziele erreicht werden.

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass das Aufsicht füh-rende Bundesministerium künftige Verfahren zur leis-tungsbezogenen Bezahlung bei der Bundesagentur inten-siver begleitet und seine Aufsichtspflichten auch beiNeuregelungen des Dienstrechts im Bereich der Bundes-agentur angemessen wahrnimmt.

20 Verfahren der Sozialversiche-rungswahlen weist erhebliche Legitimationsdefizite auf(Kapitel 1113)

20.0

Das Verfahren der Sozialversicherungswahlen bei denTrägern der Sozialversicherung, dessen Wurzeln nochaus dem Kaiserreich stammen, führt nicht zu einer reprä-sentativen Beteiligung der Betroffenen. Bei den Wahlendes Jahres 2005 galten die antretenden Personen bei fastallen Versicherungsträgern ohne Abstimmung als ge-wählt. Soweit Wahlen mit Abstimmung stattfanden, lagdie Wahlbeteiligung unter 30 %. Insgesamt entstandendurch die Sozialversicherungswahlen Ausgaben von mehrals 40 Mio. Euro.

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Drucksache 16/7100 – 166 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

20.1

Die Sozialversicherungswahlen (Wahlen) finden allesechs Jahre bei den Trägern der gesetzlichen Unfall-,Renten- und Krankenversicherung (einschließlich Pflege-versicherung) (Versicherungsträger, Träger) statt. Versi-cherte und Arbeitgeber wählen hierbei getrennt die Mit-glieder der Selbstverwaltungsorgane. Die ersten Wahlengab es im Jahre 1913. Die Grundsätze des Wahlverfah-rens sind seitdem im Wesentlichen gleich geblieben.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Magdeburg die Wahlen 2005und stellte fest:

● Bei 332 von 340 Trägern auf Versichertenseite und beiallen Trägern auf Arbeitgeberseite einigten sich diezur Wahl antretenden Organisationen (vor allem Ge-werkschaften bzw. Arbeitgeberverbände) entwederauf gemeinsame Vorschlagslisten oder stellten auf ih-ren Vorschlagslisten insgesamt nicht mehr Personenauf, als Mitglieder für die Selbstverwaltungsorgane zuwählen waren. Die Vorgeschlagenen galten damit vonGesetzes wegen als gewählt (Friedenswahlen).

● Nicht gewerkschaftlich oder in einer Arbeitnehmer-vereinigung organisierte Versicherte können nur alsfreie Liste an der Wahl teilnehmen. Hierfür benötigensie – abhängig von der Versichertenzahl bei demVersicherungsträger – bis zu 2 000 Unterstützerunter-schriften. Die Träger gaben unter Berufung auf denDatenschutz und das Sozialgeheimnis die Anschriftenihrer Versicherten nicht heraus. Freie Listen traten dahernur vereinzelt bei kleineren Versicherungsträgern an.

● Es ist gesetzlich nicht geregelt, wie die Kandidaten fürdie Vorschlagslisten aufzustellen sind. Teilweise stell-ten die Vorstände der Organisationen die Wahllistenauf oder „koordinierten“ die Kandidatenaufstellung.

● Scheiden Mitglieder aus den Selbstverwaltungsgre-mien während der Amtszeit aus, nominieren die Lis-tenträger die Nachfolger. Dabei können sie beliebigePersonen benennen ohne Bindung an die bei Einrei-chung der Wahllisten benannten Nachrücker oderStellvertreter. Auf diese Weise rückten auch Personenals Mitglieder in die Gremien nach, die nicht auf denVorschlagslisten gestanden hatten.

● Seit der Wiedereinführung der Sozialversicherungs-wahlen im Jahre 1953 ist die Wahlbeteiligung bei denWahlen mit echten Abstimmungen kontinuierlich zu-rückgegangen. Zwar kam es seit Einführung der Brief-wahl im Jahre 1974 und bei den folgenden drei Wah-len zu einer Verdoppelung der Wahlbeteiligung; dochnahm sie seit dem Jahre 1993 wieder ab. Im Jahre2005 lag die Wahlbeteiligung nach offizieller Be-kanntmachung bei 30,8 %. Dabei waren 1,4 MillionenWahlberechtigte nicht berücksichtigt, deren Anschrif-ten einem großen Versicherungsträger nicht bekanntwaren sowie weitere rund 390 000 Versicherte mitWohnsitz im Ausland, die nicht den erforderlichenAntrag gestellt hatten, ihnen die Wahlunterlagen zuzu-senden. Tatsächlich lag dadurch die Wahlbeteiligungunter 30 %. Die nachstehende Grafik zeigt die Ent-wicklung der Wahlbeteiligung in den Jahren 1953 bis2005.

Wahlbeteiligung bei Sozialversicherungswahlen seit dem Jahre 1953

Quelle: Schlussberichte der WahlbeauftragtenGrafik: Bundesrechnungshof

(Im Jahre 2005: Wahlbeteiligung aller Wahlberechtigter einschließlich derjenigen, deren Anschrift nicht bekannt war oder die im Ausland wohnten.)

0

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1953 1958 1962 1968 1974 1980 1986 1993 1999 2005

Jahr (seit dem Jahre 1974 Briefwahl)

Sozialwahlen

42,38

27,4626,21

20,45

43,7 43,78 43,8543,4

38,41

29,6

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 167 – Drucksache 16/7100

● Für die acht Wahlen im Jahre 2005, bei denen abge-stimmt wurde, gaben die Versicherungsträger, insbe-sondere für Öffentlichkeitsarbeit und umfangreicheWerbekampagnen, mehr als 40 Mio. Euro aus. Hinzukommen Ausgaben der Träger insbesondere für Perso-nal, Material und die Bereitstellung und Nutzung vonInfrastruktur in nicht bekannter Höhe. Wenn es bei al-len Trägern der gesetzlichen RentenversicherungWahlen mit Wahlhandlung gegeben hätte, wären nachihrer Schätzung allein bei ihnen Ausgaben von rund86 Mio. Euro angefallen.

20.2

Der Bundesrechnungshof hat seine Feststellungen demBundesministerium für Arbeit und Soziales (Bundesminis-terium) mitgeteilt. Er hat darauf hingewiesen, dass dasWahlverfahren den Verhältnissen eines modernen demo-kratischen Staats angepasst werden sollte. Es entfaltetheute keine oder nur noch geringe Legitimationswirkungund ist mit nicht unerheblichen Ausgaben verbunden.● Wenn Friedenswahlen fast ausnahmslos die Regel bil-

den, kann von echten Wahlen nicht mehr gesprochenwerden, da es keine Auswahl unter mehreren Personengibt. Solche Verfahren verengen die Entschließungs-freiheit der Wahlberechtigten und widersprechen demVerfassungsgrundsatz der freien Wahl.

● Die Mindestanzahl von Unterstützerunterschriften fürBewerber auf freien Listen ist bei den großen und mit-gliederstarken Versicherungsträgern eine praktisch un-überwindbare Hürde. Bewerber auf solchen Listenkönnen nicht gezielt Versicherte eines Trägers auf Un-terstützerunterschriften ansprechen, da ihnen Versi-cherte in der erforderlichen Zahl nicht bekannt seindürften und sie auch keinen anderweitigen erlaubtenZugriff auf die Versichertendaten haben. Dies verstößtgegen das Gebot der Allgemeinheit der Wahl, hier inGestalt der „Gleichheit“ zu wählen und gewählt zuwerden.

● Durch den rechtlichen Freiraum bei der Aufstellungder Listen für die Sozialversicherungswahlen habendie Führungsgremien der antretenden Organisationenhäufig einen hohen Einfluss auf die Auswahl der zurWahl antretenden Personen. Es bestehen ernsthafteZweifel, ob dem demokratischen Prinzip bei der Kan-didatenaufstellung noch genügt wird.

● Die nach dem Gesetz eröffnete und tatsächlich auch sopraktizierte Möglichkeit, frei gewordene Plätze ausge-schiedener Mitglieder der Selbstverwaltungsorganeunabhängig vom Votum der Versicherten neu zu beset-zen, ist mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit derWahl kaum noch vereinbar. Für die Wähler ist bei ih-rer Stimmabgabe nämlich nicht absehbar, wer im Falledes Ausscheidens der von ihnen gewählten Listenbe-werber in das Selbstverwaltungsorgan nachrückenwird. Würden alle Mandatsträger innerhalb einerWahlperiode ausscheiden, könnte das gesamte Gre-mium – selbst bei einer Wahl mit Abstimmung alleinaus Personen zusammengesetzt sein, die die Listenträ-ger ohne Beteiligung der Wahlberechtigten bestimmthaben.

● Die Wahlbeteiligung ist ein wichtiger Maßstab für dieAkzeptanz einer Wahl. Trotz des großen Aufwandsder Versicherungsträger ist sie in den letzten Jahrenkontinuierlich, ausgehend von einem schon niedrigenNiveau, weiter gesunken. Berücksichtigt man alleWahlberechtigten, lag sie bei den Wahlen des Jahres2005 unter 30 %. Dies deutet darauf hin, dass sich diewahlberechtigten Versicherten in ihrer großen Mehr-heit von den Wahlen nicht mehr angesprochen fühlen.

Angesichts der demokratischen, ihre Legitimation inFrage stellenden Defizite der Wahlen stellt sich die Frage,ob Ausgaben von mehr als 40 Mio. Euro sachgerechtsind.

20.3

Das Bundesministerium hat erwidert, dass es die Auffas-sung des Bundesrechnungshofes nicht in allen Punktenteilt, dies im Einzelnen aber nicht erläutert. Erst nach Ab-schluss des im Bundesministerium laufenden Projekts„Modernisierung der Sozialversicherungswahlen“ (etwaim März 2008) könne es umfassend und abschließendStellung nehmen. Bei diesem Projekt will das Bundesminis-terium die Geschichte der Sozialversicherungswahlen auf-bereiten, Reformvorschläge entwickeln, deren möglicheAuswirkungen untersuchen und „konsensfähige Empfeh-lungen“ für eine Modernisierung der Sozialversiche-rungswahlen vorlegen. Hierbei will es auch prüfen, ob dieSozialversicherungswahlen den allgemeinen Wahlgrund-sätzen entsprechen und ob andere Formen der Mitwir-kung der Betroffenen als das derzeitige Wahlverfahren inBetracht kommen.

20.4

Das vom Bundesministerium initiierte Projekt „Moderni-sierung der Sozialversicherungswahlen“ ist ein ersterSchritt, um die aufgezeigten Probleme aufzugreifen. DerBundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundesminis-terium die Wahlen modernisieren und dabei auch andereFormen der Mitwirkung der Betroffenen als das derzei-tige Wahlverfahren prüfen will.

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass das Bundesminis-terium das initiierte Projekt mit Nachdruck vorantreibt,um die vom Bundesrechnungshof aufgezeigten Legitima-tionsdefizite zu beseitigen.

21 Deutsche Rentenversicherung Bund koordiniert nicht ausreichend die Planung von Rehabilitations-maßnahmen (Kapitel 1113 Titelgruppe 02)

21.0

Seit der Neuordnung der Deutschen Rentenversicherungsind von ursprünglich 26 Trägern neun weggefallen. Umdie ihr anvertrauten Beitrags- und Steuermittel wirt-schaftlich zu verwenden, muss die Deutsche Rentenver-

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Drucksache 16/7100 – 168 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sicherung die Zahl der noch notwendigen trägereigenenRehabilitationskliniken neu festlegen und die Betten-bedarfs- und Belegungsplanung zwischen den Trägernwirksam koordinieren.

Bisher hat die Deutsche Rentenversicherung Bund ihrediesbezüglichen Grundsatz- und Querschnittsaufgabennicht ausreichend wahrgenommen. Die erforderlichenEntscheidungen hat sie noch nicht herbeigeführt.

21.1

Die verbliebenen 17 Träger der gesetzlichen Rentenversi-cherung (Rentenversicherungsträger, Träger) betreiben un-verändert rund 100 trägereigene Rehabilitationskliniken(Kliniken). Für höchstens ein Drittel der von ihnen ge-nehmigten Maßnahmen der medizinischen Rehabilitationsollen in den Kliniken Betten bereitgehalten werden.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) istseit der Neuordnung der Deutschen Rentenversicherungzum 1. Oktober 2005 Rentenversicherungsträger, der zu-gleich Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der gesam-ten Rentenversicherung wahrnimmt. Dazu gehört die Pla-nung von Rehabilitationsmaßnahmen zu koordinieren,insbesondere die Bettenbedarfs- und Belegungsplanung(im Weiteren: Reha-Planung). Wegen der fehlenden Aus-lastung der trägereigenen Kliniken und der nicht wettbe-werbsfähigen Pflegesätze hatte der Bundesrechnungshofim Jahre 2004 gefordert, die notwendige Zahl der träger-eigenen Kliniken erstmals auf der Grundlage belastbarerDaten innerhalb eines Gesamtkonzeptes für die gesetzli-che Rentenversicherung neu zu bestimmen. Hierzu sollteder Rehabilitationsbedarf indikationsbezogen, z. B. fürHerz-Kreislauf-Erkrankungen, umfassend und träger-übergreifend analysiert und bewertet werden. Die Reha-Planung sollte zwischen den Trägern abgestimmt und ko-ordiniert werden.

Eine umfassende Ist-Analyse, die neben den trägereige-nen Kliniken auch den Bestand der privaten Kliniken miteinbezieht, forderte im Jahre 2005 auch das Bundesversi-cherungsamt als Aufsichtsbehörde. Bei einer Kontroll-prüfung im Jahre 2006 stellte der Bundesrechnungshoffest, dass die DRV Bund inzwischen Grundsätze zur Ko-ordinierung der Reha-Planung beschlossen hat. Vorrangi-ges Ziel ist, medizinische Rehabilitationsmaßnahmen zumarktfähigen Preisen unter Berücksichtigung der Qualitätdurchzuführen. Die Grundsätze sehen vor, fünf Regional-verbünde der Träger zu schaffen. Die Verbünde – nichtmehr die einzelnen Träger – entscheiden über die Planungder ihnen regional zugeordneten Kliniken. Die DRVBund ist mit jeweils einer Stimme in den Verbünden ver-treten. Dadurch hat sie keinen entscheidenden Einflussauf die dort vereinbarte Planung. Die vom Bundesrech-nungshof und Bundesversicherungsamt geforderte Ana-lyse nebst verbindlichem Bedarfskonzept lag nicht vor.

21.2

Mit der Zuweisung der Grundsatz- und Querschnittsauf-gaben an die DRV Bund wollte der Gesetzgeber einestarke Spitzenorganisation der Deutschen Rentenversi-

cherung mit mehr Entscheidungsbefugnissen schaffen,um Rationalisierungs- und Synergiepotenziale durchzu-setzen. Die Struktur der aktuellen Reha-Planung wirddem nicht gerecht:

● Zuerst muss die notwendige Anzahl trägereigener Kli-niken auf der Grundlage belastbarer Daten bestimmtwerden.

● Die Planung in den Regionalverbünden führt nicht zukoordinierbaren Ergebnissen, weil es keine einheitli-chen und verbindlichen Kriterien (z. B. Reha-Bedarf,Auslastungsprognosen) gibt. Regionale Überschnei-dungen der Planung mit Auswirkungen auf mehrereRegionalverbünde bleiben unberücksichtigt.

● Die DRV Bund ist zwar an allen Entscheidungen derRegionalverbünde beteiligt, kann sie aber nicht maß-geblich – entsprechend den ihr übertragenen Grund-satz- und Querschnittsaufgaben – beeinflussen. Regio-nale Interessen stehen so einer verbindlichenKoordinierung auf Bundesebene entgegen.

● Um medizinische Reha-Maßnahmen zu marktfähigenPreisen durch die eigenen Kliniken anbieten zu kön-nen, sind die vom Bundesversicherungsamt geforderteIst-Analyse und ein für alle Träger verbindliches Be-darfskonzept notwendig.

● Eine wirtschaftlich sinnvolle Kooperation und Kon-zentration bei der medizinischen Rehabilitation lässtsich mit der derzeitigen Struktur der Regionalver-bünde nicht erreichen. Synergiepotenziale infolge derNeuorganisation der gesetzlichen Rentenversicherungkönnen innerhalb der Grenzen der Regionalverbündenicht erschlossen und ausgeschöpft werden.

21.3

Die DRV Bund hat auf die Grundsätze zur Koordinierungder Reha-Planung hingewiesen. Sie hat betont, dass ihrnach der gesetzlichen Regelung keine zentrale Steue-rungskompetenz zustehe. Über den Bedarf und das Ange-bot von Reha-Leistungen müsse zunächst nach regionalenund könne erst in zweiter Linie nach überregionalen Ge-sichtspunkten entschieden werden. Entscheidungen könn-ten nur mit Zustimmung der einzelnen Träger getroffenwerden. Die notwendige Anzahl der trägereigenen Klini-ken sei im Rahmen des Gesamtbedarfs aller Träger be-stimmt worden. Auf der Grundlage ihrer jährlichen Erhe-bungen gebe es keine Überkapazitäten.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Bundes-ministerium) hat sich der Stellungnahme angeschlossen.Es sieht die Aktivitäten der DRV Bund zur Koordinierungder Reha-Planung als sinnvoll und sachgerecht an.

21.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass die DRV BundInitiativen im Sinne seiner Empfehlungen ergriffen hat.Die Grundsätze für die Koordinierung der Reha-Planungsind ein erster Schritt. Dies allein reicht jedoch nicht aus,die Schwächen bei der bislang vorhandenen Planung und

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 169 – Drucksache 16/7100

Koordinierung zu beheben. Hierzu muss die DRV Bundin erster Linie die notwendige Anzahl eigener Klinikenauf der Grundlage belastbarer Daten im Rahmen des Ge-samtbedarfs der verbliebenen Träger bestimmen. Sie hatlediglich den Ist-Bestand (Anzahl der durchgeführtenReha-Maßnahmen) mitgeteilt, ohne die zugrunde liegen-den Daten offen zu legen. Konsequenzen, z. B. Indikatio-nen zwischen den Trägern anzupassen, hat sie nicht gezo-gen. Zwar weist sie zu Recht darauf hin, dass sie indiesem Regelungsbereich gegenüber den anderen Trägernkeine zentralen Steuerungskompetenzen hat. Die Koordi-nierung von Planungsaufgaben bedeutet aber mehr als dasbloße Sammeln von Belegungs- und anderen Daten. Sieumfasst auch das aktive Einwirken auf die Träger in denzuständigen Gremien, um zusammen mit ihnen wirt-schaftliche Klinikstrukturen zu schaffen. Insbesonderesollte die Deutsche Rentenversicherung nicht mit Bei-trags- und Steuermitteln inzwischen überholte Strukturenbeibehalten.

Der Bundesrechnungshof hält es für erforderlich, dass dasBundesministerium zunächst innerhalb seiner Aufsichts-befugnisse gegenüber der DRV Bund aktiv wird, soweitdiese Grundsatz- und Querschnittsaufgaben wahrnimmt.Das Bundesministerium sollte die DRV Bund anhalten,verbindliche Planungsmaßstäbe für die Regionalverbündevorzugeben, um einheitliche, koordinierbare Planungs-daten zu erhalten. Weiterhin sollte die DRV Bund eine in-dikationsbezogene Ist-Analyse des Gesamtbestands allerKliniken und darauf aufbauend ein für alle Träger ver-bindliches Bedarfskonzept erstellen. Die dafür maßgebli-chen Parameter, z. B. notwendige Anzahl der Betten fürHerz-Kreislauf Reha-Maßnahmen, sind offen zu legen.Nur so können der Bettenbedarf und die Belegung wirk-sam geplant und die notwendige Anzahl trägereigenerKliniken sachgerecht bestimmt werden, um mit wettbe-werbsfähigen Pflegesätzen am Markt konkurrieren zukönnen.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung(Einzelplan 12)

22 Bund verzichtet auf mindestens desamtes (Bundesamt) beliefen sich die zusätzlichen

190 Mio. Euro gegenüber der Deutschen Bahn AG(Kapitel 1222)

22.0

Der Bund nahm hin, dass sich die Deutsche Bahn AGnicht an vertragliche Vereinbarungen hielt. Dadurch ent-stand ihm ein Nachteil von mindestens 190 Mio. Euro.

22.1

Der Bund finanziert Investitionen in die Schienenwegeseiner Eisenbahnen. Im Jahre 1995 vereinbarten der Bundund die Deutsche Bahn AG den Bau und die Finanzie-rung der Neubaustrecke zwischen Köln und dem Rhein-Main-Gebiet. Der Bund begrenzte seine Finanzierungszu-sage auf 3 963 Mio. Euro, die die Deutsche Bahn AGnach Baufortschritt abrufen sollte. Mehrkosten hatte dieDeutsche Bahn AG zu tragen. Dies galt auch für Kostender Vorfinanzierung von Bauleistungen.

Der Bundesrechnungshof prüfte die Finanzierung derNeubaustrecke zwischen Köln und dem Rhein-Main-Ge-biet und stellte Folgendes fest:

● Die Deutsche Bahn AG vereinbarte mit den beauftrag-ten Baufirmen Vorauszahlungen und erreichte dadurchPreisnachlässe. Dementsprechend forderte sie die Mit-tel beim Bund ab, bevor die Baufirmen ihre Leistun-gen erbracht hatten. Dem Vorteil der Preisnachlässebei der Deutschen Bahn AG standen Zinsen für dievorzeitige Kapitalbereitstellung zulasten des Bundesgegenüber. Nach Berechnungen des Eisenbahn-Bun-

Zinskosten für den Bund auf mindestens 37 Mio.Euro.

Im Jahre 1998 hatte das Bundesministerium für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundesministerium)gegenüber der Deutschen Bahn AG erklärt, dass es„für diesen Einzelfall“ mit deren Vorgehen einverstan-den sei. Damit – so das Bundesministerium – bestünde„keine Grundlage“ für den Bund, die zusätzlichenKosten von der Deutschen Bahn AG zurückzufordern.

● Die Deutsche Bahn AG baute einen Streckenabschnittzwischen Köln-Deutz und Porz-Steinstraße nicht, ob-wohl er vertraglich zur Strecke gehört. Das Bundes-amt hatte dieser Abweichung von der ursprünglichenBauplanung zugestimmt. Die Deutsche Bahn AG hatdie Mittel abgerufen, die für den gesamten Bauab-schnitt vorgesehen waren. Nach Schätzung des Bun-desamtes hat die Deutsche Bahn AG für den nicht ge-bauten Streckenabschnitt 153 Mio. Euro erhalten. DasBundesministerium hat diese Mittel nicht zurückver-langt.

● Im Bahnhof Wiesbaden musste ein Bahnsteig verlän-gert werden, weil die auf der Neubaustrecke verkeh-renden Züge länger sind als herkömmliche Reisezüge.Diese Maßnahme wurde mit Zustimmung des Bundes-amtes durch zusätzliche Bundesmittel von 1,7 Mio.Euro finanziert, obwohl sie Bestandteil der ursprüngli-chen Finanzierungsvereinbarung war.

Bereits in seinem Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsord-nung zur Finanzierung der Bundesschienenwege vomMärz 2006 (Bundestagsdrucksache 16/840) hatte derBundesrechnungshof festgestellt, dass sich der Bund mit

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Drucksache 16/7100 – 170 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

über 700 Mio. Euro mehr an der Neubaustrecke beteiligthat als vertraglich vereinbart.

22.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium darauf verzichtete, Kosten von mindes-tens 37 Mio. Euro für die Vorfinanzierung von Bauleis-tungen von der Deutschen Bahn AG zu fordern. Nach denVereinbarungen hat diese die Kosten für Vorfinanzierun-gen zu tragen. Der Bundesrechnungshof kann nicht er-kennen, dass hier ein begründeter „Einzelfall“ vorliegt,der einen Verzicht des Bundes auf die Erstattung zusätzli-cher Kosten rechtfertigt. Das Bundesministerium hätteauf die Einziehung der Forderung nur dann verzichtendürfen, wenn dies eine besondere Härte für die DeutscheBahn AG bedeutet hätte (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 BHO). DieserFall liegt hier nicht vor.

Darüber hinaus hat der Bundesrechnungshof kritisiert,dass das Bundesministerium der Deutschen Bahn AG diezuviel gezahlten Mittel von 153 Mio. Euro für den Stre-ckenabschnitt zwischen Köln-Deutz und Porz-Steinstraßeüberlassen hat, obwohl ihnen keine Bauleistungen zu-grunde liegen.

Die Verlängerung des Bahnsteiges im Bahnhof Wies-baden wurde durch den Bund doppelt finanziert. Obwohldas Bundesamt dieses erkannte, gab es die Mittel unzu-lässigerweise frei.

22.3

Zu den Vorauszahlungen hat das Bundesministerium er-klärt, dass die Ausnutzung solcher Möglichkeiten aus-drückliche Absicht der Höchstpreisfinanzierung gewesensei. Außerdem hat es auf die Vereinbarungen zu dem Ein-zelfall verwiesen.

Wegen des Streckenabschnitts zwischen Köln-Deutz undPorz-Steinstraße hat das Bundesministerium ausgeführt,dass das Bundesamt den Vorschlag der DeutschenBahn AG befürwortet habe.

Das Bundesministerium hat bestätigt, dass das Unterneh-men 1,7 Mio. Euro zusätzlich für die Verlängerung desBahnsteiges im Bahnhof Wiesbaden erhalten hatte. DieseZahlung sei jedoch ausdrücklich vom Bundesamt geneh-migt worden. Damit genieße das Unternehmen Vertrau-ensschutz. Deshalb habe das Bundesamt die Mittel nichtzurückgefordert.

22.4

Der Bundesrechnungshof bestreitet nicht, dass dieHöchstpreisfinanzierung solche Möglichkeiten wie dieVorfinanzierung zulässt. Wenn sich durch eine Vorfinan-zierung finanzielle Vorteile ergeben, müssen diese demBund und nicht der Deutschen Bahn AG zugute kommen.

Sollte die Deutsche Bahn AG den Streckenabschnitt zwi-schen Köln-Deutz und Porz-Steinstraße endgültig nicht

bauen, hat das Bundesministerium die dafür bereitgestell-ten Mittel von 153 Mio. Euro zurückzufordern.

Der Bundesrechnungshof hält seine Kritik aufrecht, dassdie haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für den Ver-zicht auf mindestens 37 Mio. Euro Kapitalbereitstellungs-kosten nicht vorlagen. Er fordert das Bundesministeriumauf zu prüfen, ob die Mittel zurückgefordert werden kön-nen und welche weiteren rechtlichen Konsequenzen zuziehen sind. Dies gilt insbesondere für die doppelteFinanzierung der Bahnsteigverlängerung in Wiesbaden.

23 Bund zahlt 60 Mio. Euro ohne Gegenleistung aus(Kapitel 1222)

23.0

Obwohl beim Ausbau der Bahnstrecke zwischen Ingol-stadt und München noch Arbeiten im Wert von 60 Mio.Euro ausstehen, hat das Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung bereits alle Mittel für diesesProjekt ausgezahlt. Das Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung hätte die Deutsche Bahn AGveranlassen müssen, den Ausbau fertigzustellen oder diezuviel gezahlten Bundesmittel zurückzuzahlen.

23.1

Der Bund finanziert Investitionen in die Schienenwegeseiner Eisenbahnen. Das Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung (Bundesministerium) und dieDeutsche Bahn AG schlossen im Jahre 1996 eine Finan-zierungsvereinbarung über den Ausbau der Bahnstreckezwischen Ingolstadt und München. Ein Eisenbahninfra-strukturunternehmen (Unternehmen) sollte den Ausbauim Jahre 2003 fertigstellen.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Stuttgart das Verwaltungshan-deln des Bundesministeriums bei der Durchführung desStreckenausbaus. Er stellte fest, dass die Deutsche BahnAG zwar sämtliche Bundesmittel bis Ende 2003 abgeru-fen, das Unternehmen einen Teil des Ausbaus aber nichtabgeschlossen hatte.

Das Unternehmen hat den Ausbau bisher nicht vollstän-dig durchgeführt. Beispielsweise baute es den Strecken-abschnitt Ingolstadt-Petershausen nicht für höhereGeschwindigkeiten aus. Das Eisenbahn-Bundesamt (Bun-desamt) schätzt den Wert der ausstehenden Arbeiten aufrund 60 Mio. Euro.

23.2

Der Bundesrechnungshof hat bemängelt, dass das Bun-desministerium den Baufortschritt nicht ausreichendüberwacht hat. Es hat sämtliche Bundesmittel ausgezahlt,obwohl das Unternehmen einen Teil der vereinbartenBauleistung bisher nicht ausgeführt hat.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 171 – Drucksache 16/7100

Der Bundesrechnungshof hat gefordert, die bisher nichterbrachten Bauleistungen durchführen zu lassen und mitder Deutschen Bahn AG einen verbindlichen Termin zuvereinbaren, bis zu dem der gesamte Ausbau fertigzustel-len ist. Sollte das Bundesministerium die Fertigstellungder Arbeiten nicht durchsetzen können, sind die dafür be-reits ausgezahlten Bundesmittel mit Zinsen zurückzufor-dern.

23.3

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, das Unternehmenhabe zugesichert, die zurückgestellten Ausbaumaßnah-men durchzuführen. Einen konkreten Fertigstellungster-min habe es nicht genannt. Das Bundesamt werde diegenauen Kosten des noch fertigzustellenden Ausbaus er-mitteln. Danach werde das Bundesministerium entschei-den, ob es Bundesmittel in entsprechender Höhe zurück-fordern oder für den vorzeitig gezahlten Betrag Zinsenverlangen werde.

23.4

Der Bundesrechnungshof hält an seiner Forderung fest,mit der Deutschen Bahn AG einen verbindlichen Terminzu vereinbaren, bis zu dem der Ausbau fertiggestellt seinmuss. Sollte der Ausbau nicht fertiggestellt werden, hatdas Bundesministerium die ausgezahlten Mittel für dienoch ausstehenden Bauarbeiten einschließlich Verzinsungzurückzufordern.

Künftig sollte das Bundesministerium sicherstellen, dassBundesmittel nur den Baufortschritt entsprechend ausge-zahlt werden.

24 Bund bewilligt ohne Rechtsgrund 5,9 Mio. Euro für Bahnhofsvorplätze

24.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung hat entgegen den gesetzlichen Bestimmungenfür den Bau der Vorplätze des Bahnhofs Berlin Südkreuz5,9 Mio. Euro bereitgestellt.

24.1

24.1.1

Der Bund darf grundsätzlich nur für die ihm auferlegtenAufgaben Bundesmittel ausgeben (Artikel 104a Abs. 1Grundgesetz). Seit dem Jahre 1996 steht den Ländern fürden öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gemäß Ar-tikel 106a Grundgesetz ein Betrag aus dem Steuerauf-kommen des Bundes zu. Das Bundesministerium für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundesministerium)stellte bereits im Jahre 1995 fest, dass bei Bahnhöfen derBau von Vorplätzen dem ÖPNV zuzurechnen ist. Daherfinanzierte das Bundesministerium bislang auch keineBahnhofsvorplätze.

Beim Neubau des Bahnhofs Berlin Südkreuz (ehemalsPapestraße) waren auch die dazugehörigen Vorplätze, be-stehend aus Anlagen für Parkhäuser, Stellplätzen für Ta-xen und den Individualverkehr sowie Bushaltestellen(s. Abbildung), zu errichten. Der Senat von Berlin bestä-tigte, dass die Vorplätze dem ÖPNV dienen. Er wolle sichan der Finanzierung aber nicht beteiligen.

Westlicher Vorplatz des Bahnhofs Berlin Südkreuz

Die Gesamtkosten von rund 12,5 Mio. Euro sollte daszuständige Eisenbahninfrastrukturunternehmen (Unter-nehmen) finanzieren. Der Bund sollte lediglich rund800 000 Euro für Zufahrtswege der Feuerwehr zahlen.

24.1.2

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Berlin die Finanzierung desBahnhofs Berlin Südkreuz. Er stellte fest, dass der Bundden Bau der Vorplätze aus Mitteln für den Schienen-wegeausbau finanzierte.

Das für den Bau des Bahnhofs zuständige Unternehmenhatte Geld für den Bau der Bahnhofsvorplätze beim Eisen-bahn-Bundesamt (Bundesamt) beantragt. Das Bundesamtlehnte dies zunächst ab. Aufgrund der Entscheidung desBundesministeriums aus dem Jahre 1995 könnten Vorplätzenicht aus Mitteln des Bundesschienenwegeausbaugeset-zes (BSchwAG) finanziert werden, weil Bahnhofsvor-plätze dem ÖPNV zuzurechnen seien. Das Bundesminis-terium wies das Bundesamt schriftlich an, dem Antragdes Unternehmens stattzugeben. Daraufhin teilte dasBundesamt dem Unternehmen mit, dass die Vorplätze fürden Bahnhof Berlin Südkreuz nunmehr aus Bundesmit-teln des BSchwAG finanziert werden können und gabdazu 5,9 Mio. Euro frei.

24.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass der Bundden Bau der Vorplätze des Bahnhofs Berlin Südkreuz ausMitteln nach dem BSchwAG finanzierte. Diese Entschei-dung widerspricht der Rechtslage. Danach haben die Län-

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Drucksache 16/7100 – 172 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der den ÖPNV zu finanzieren. Das Bundesministeriumdurfte daher nicht das Bundesamt anweisen, Bundesmit-tel freizugeben, um den Bau der Vorplätze zu finanzieren.

24.3

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, „es sehe sich nichtin der Lage, eine sachgerechte Stellungnahme abzuge-ben“. Die getroffene Entscheidung zur Finanzierung derErschließungsanlagen halte es weiterhin aufrecht. EineBegründung für die Entscheidung gab es nicht.

24.4

Der Bundesrechnungshof hält an seinen Beanstandungenfest.

Der Bau von Bahnhofsvorplätzen, die dem ÖPNV dienen,mit Mitteln des Bundes, verstößt gegen die Rechtslage.

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass das Bundesminis-terium alle Möglichkeiten ausschöpft, um Bundesmittelzurückzufordern.

Der Bundesrechnungshof fordert das Bundesministeriumauf, künftig nur solche Bahnanlagen zu fördern, für dieder Bund die Finanzierungskompetenz besitzt.

25 Einsparpotenzial bei Kennzeichnung von Seeschifffahrtsstraßen noch immer nicht ausgeschöpft(Kapitel 1203)

25.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung hat ein dem Parlament seit Jahren angekündig-tes Konzept für die bedarfsgerechte Kennzeichnung vonSeeschifffahrtsstraßen mit Tonnen noch immer nicht vor-gelegt. Hierdurch lässt es Einsparpotenziale ungenutztund erschwert die Bedarfsplanung für die Schiffe, die fürdie Unterhaltung der Tonnen notwendig sind.

25.1

Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung wendet jährlichüber 30 Mio. Euro für die Kennzeichnung der Seeschiff-fahrtsstraßen mit schwimmenden Schifffahrtszeichen(Tonnen) auf. Deren Bedeutung nimmt wegen der nahezuvollständigen Ausrüstung der Schifffahrt mit elektroni-schen Navigationshilfen seit langem ab. Der Bundesrech-nungshof hatte daher dem Bundesministerium für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundesministerium)bereits in seinen Bemerkungen 2001 (Bundestagsdruck-sache 14/7018 Nr. 31) empfohlen, Art und Dichte derKennzeichnung der Seeschifffahrtsstraßen flächende-ckend zu prüfen. Der Rechnungsprüfungsausschuss desHaushaltsausschusses des Deutschen Bundestages (Rech-nungsprüfungsausschuss) forderte das Bundesministe-rium daraufhin am 19. April 2002 auf, die Empfehlung

des Bundesrechnungshofes umzusetzen und den sich da-bei ergebenden Rationalisierungsspielraum zu nutzen.Das Bundesministerium bestätigte in seinem Bericht anden Rechnungsprüfungsausschuss im Februar 2003, dassein für die gesamte Küste geltendes Konzept für die be-darfsgerechte Kennzeichnung von Seeschifffahrtsstraßenmit Tonnen erarbeitet werde. Der Rechnungsprüfungs-ausschuss bat den Bundesrechnungshof, die Entwicklungzu beobachten und bei Bedarf zu berichten.

Im Juli 2006 legten die beiden Wasser- und Schifffahrts-direktionen Nord und Nordwest (Küstendirektionen) einKonzept vor, mit dem die Zahl der für Betrieb und Unter-haltung der Tonnen eingesetzten Schiffe von elf auf achtverringert werden könne. Die mit externer Hilfe opti-mierte Einsatzplanung und der Ersatz von drei Tonnen-legern durch neu konzipierte, flexibler einsetzbareMehrzweckschiffe machten dies möglich. Die Küsten-direktionen räumten aber ein, dass es in zehn Aufgaben-feldern noch weitere Optimierungsmöglichkeiten gebe.Hierzu gehörten z. B.

● größere Wartungsintervalle für die ausgelegten Ton-nen,

● die Positionierung der Tonnen und

● ein verstärkter Einsatz der Schadstoffunfallbekämp-fungsschiffe für die Wartung der Tonnen.

Das Bundesministerium stimmte dem Konzept der Küs-tendirektionen grundsätzlich zu. Die Wirtschaftlichkeitmüsse jedoch im Hinblick auf die genannten Aufgaben-felder noch deutlich gesteigert werden. Der Einsatz derMehrzweckschiffe für sonstige Aufgaben führe zu einerzusätzlichen Einsparung von Arbeitsschiffen, die in demKonzept bislang noch nicht betrachtet worden sei. NachAuslieferung der neuen Schiffe seien deshalb zusätzlichzu den drei geplanten vier weitere Schiffe still zu legen.

25.2

Der Bundesrechnungshof hat grundsätzlich begrüßt, dassdie Küstendirektionen Betrieb und Unterhaltung der Ton-nen wirtschaftlicher gestalten wollen. Er hat jedoch bean-standet, dass dies nicht umfassend und zudem in derfalschen Reihenfolge geschieht. Es hätte nahe gelegen,zunächst das im Februar 2003 angekündigte Konzept fürdie bedarfsgerechte Ausstattung von Seeschifffahrtsstra-ßen mit Tonnen zu erarbeiten und dann die Frage der fürderen Unterhaltung erforderlichen Schiffe zu klären. Diezahlreichen, von den Küstendirektionen aufgezeigten Ra-tionalisierungsmöglichkeiten belegen, dass von einerdurchgreifenden Optimierung noch keine Rede sein kann.

Der Bundesrechnungshof hat anerkannt, dass das Bun-desministerium mit seiner Vorgabe, vier weitere Schiffestill zu legen, die Küstendirektionen zur Nutzung allerRationalisierungsspielräume zwingen will. Diese Vorgabeist allerdings nicht Ergebnis des Konzepts und sollte des-halb fundiert abgesichert werden.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173 – Drucksache 16/7100

25. 3

Das Bundesministerium hat weitere Einsparmöglichkei-ten bei den Tonnen nicht bestritten. Diese hätten jedochkeine Auswirkungen auf den in dem Konzept der Küsten-direktionen ermittelten Bedarf an Schiffen, da sich dieservorrangig aus den Anforderungen der Störfallbeseitigungableite. Im Übrigen sei das Konzept mit der Einsparungvon sieben Schiffen so knapp angelegt, dass aktuelle undzu erwartende Entwicklungen bei den Tonnen berück-sichtigt seien.

Als Reaktion auf den Beschluss des Rechnungsprüfungs-ausschusses vom 19. Februar 2002 habe das Bundesminis-terium mit den Küstendirektionen eine Zielvereinbarungabgeschlossen, nach der das Projekt „Bedarfsgerechteund wirtschaftliche Ausgestaltung von Seeschifffahrts-straßen“ parallel zu dem Konzept für den Schiffseinsatzzu bearbeiten sei. Letzteres sollte zuerst fertiggestelltwerden. Mit der Umsetzung könne man nicht bis zur Op-timierung der Ausgestaltung von Seeschifffahrtswegenmit verkehrstechnischen Systemen warten. Ansonstenträten die erheblichen Einspareffekte später ein und mantrage dem dringend notwendigen Ersatz der rund 40 Jahrealten Tonnenleger keinerlei Rechnung.

25.4

Für den Bundesrechnungshof ist die Argumentation desBundesministeriums in keinem Punkt plausibel. So ist esnicht sachgerecht, den zukünftigen Bedarf an Schiffen fürden Unterhalt der Tonnen aus den heutigen Anforderun-gen der Störfallbeseitigung abzuleiten. Eine umfassendeOptimierung des Systems der Tonnen wird u. a. zum Ein-satz von robusterer Lichttechnik und weniger wartungs-bedürftigen Tonnen sowie zu einer Reduzierung der Zahlder Tonnen führen. Es ist offensichtlich, dass dies direkteAuswirkungen auf den Gesamtaufwand für die Störungs-beseitigung und den Bedarf an Schiffen haben wird.

Der Bundesrechnungshof hat nicht empfohlen, jetzt nochmit der Umsetzung des Schiffskonzeptes zu warten. Erhält aber an seiner Auffassung fest, dass es wirtschaftlichgewesen wäre, zunächst das System der Tonnen an denSeeschifffahrtsstraßen zu optimieren und dann ein Kon-zept für deren Unterhaltung zu entwickeln.

Der Rechnungsprüfungsausschuss hat das Bundesminis-terium vor mehr als fünf Jahren aufgefordert, Art undDichte der Kennzeichnung der Seeschifffahrtsstraßen zuuntersuchen. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb dieSystemoptimierung bis heute nicht gelungen ist, obwohlsie erhebliche Einsparungen bewirken wird.

Das Bundesministerium wird sicherzustellen haben, dassdie Küstendirektionen

● das im Jahre 2003 zugesagte Konzept für die bedarfs-gerechte Kennzeichnung von Seeschifffahrtsstraßennunmehr zum Abschluss bringen,

● das Ergebnis zügig umsetzen und

● auf dieser Grundlage das Konzept für den Schiffsein-satz überprüfen und ggf. korrigieren.

26 Bauauftrag in Millionenhöhe regel-widrig ohne Ausschreibung vergeben(Kapitel 1210)

26.0

Um kurzfristig zur Verfügung gestellte Haushaltsmitteldes Bundes auszunutzen, vergab die Straßenbauverwal-tung Schleswig-Holstein Bauleistungen zur Sanierung ei-ner Bundesautobahn im Gesamtwert von rund 4,9 Mio.Euro ohne öffentliche Ausschreibung. Damit erleichtertesie mögliche Preisabsprachen und verstieß gegen die ein-schlägige Korruptionsrichtlinie. Dass die fehlerhaftenEntscheidungen von der Obersten Landesstraßenbaube-hörde ausgingen, entfaltet eine negative Signalwirkungauf die nachgeordneten Straßenbaubehörden des Landes.Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung nahm den Rechtsverstoß des im Auftrag desBundes tätigen Landes und die damit verbundene Ein-schränkung des Wettbewerbs ohne weiteres hin.

26.1

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes Hamburg dieSanierung eines Abschnitts der Bundesautobahn A 1Lübeck–Hamburg bei Bad Oldesloe. In diesem Bereichwar seit Oktober 1998 die zulässige Höchstgeschwindig-keit bei Nässe auf 80 km/h, ab Dezember 2004 teilweiseauf 60 km/h begrenzt, weil Regenwasser auf der Fahr-bahn unzureichend abfloss. Einen Unfallschwerpunktstellte der Bereich nicht dar.

Die im Auftrage des Bundes handelnde Straßenbauver-waltung des Landes Schleswig-Holstein entwickelte An-fang 2005 eine Erhaltungsstrategie für die A 1. Hierbeisah sie u. a. vor, in dem vorgenannten Abschnitt die Be-tondecke der rechten Spur im Jahre 2007 zu erneuern. Fürdie anderen Fahrspuren plante sie keine Erhaltungsmaß-nahmen.

Im August 2005 teilten Vertreter des Bundesministeriumsfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundesministe-rium) dem Land mit, der Bund könne im Jahre 2005 nochzusätzliche Finanzmittel für den Bundesfernstraßenbaubereitstellen. Mit diesen bis zum Jahresende 2005 verfüg-baren zusätzlichen Mitteln solle u. a. der oben genannteAbschnitt der A 1 saniert werden. Die dortigen Geschwin-digkeitsbegrenzungen entsprächen nicht dem „Standard ei-ner deutschen Autobahn“.

Für die Bundesfernstraßen in Schleswig-Holstein ist dasLandesministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Ver-kehr (Landesministerium) als Oberste Landesstraßenbau-behörde zuständig. In dem Bestreben, die kurzfristig inAussicht gestellten Haushaltsmittel zu nutzen, wies esden für die Vergabe der Bauleistungen zuständigen Lan-desbetrieb für Straßenbau und Verkehr Schleswig-Hol-stein (Landesbetrieb) am 6. September 2005 an, die Bau-

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Drucksache 16/7100 – 174 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

maßnahme bis zum 1. Dezember 2005 fertigzustellen.Diese umfasste nunmehr die Erneuerung der Betondeckeder gesamten Richtungsfahrbahn Hamburg auf einerLänge von 3,5 Kilometern. Trotz vergaberechtlicher Be-denken des Landesbetriebs ordnete das Landesministe-rium eine freihändige Vergabe der auf 3,2 Mio. EuroKosten geschätzten Baumaßnahme an. Das Landesminis-terium rechtfertigte dies vor allem mit der dringendenverkehrlichen Notwendigkeit, diesen angeblichen „Ge-fahrenpunkt“ im Autobahnnetz schnellstmöglich zu be-seitigen. Die vorliegende Maßnahme sei auch „ausfinanzpolitischer Sicht“ wegen der kurzfristig in Aussichtgestellten Haushaltsmittel dringlich gewesen. Hinsicht-lich der Auswahl, der Dringlichkeit und der Randbedin-gungen dieser Maßnahme habe Übereinstimmung mitdem Bundesministerium bestanden.

Der Landesbetrieb vergab die Leistungen in Form eines„Global-Pauschalpreisvertrages“ ohne Ausschreibung imVerhandlungsverfahren. Dieses Verfahren entspricht einerfreihändigen Vergabe, ist bei Bauaufträgen jedoch erst abeinem Auftragswert von 5 Mio. Euro vorgesehen. DasLandesministerium hatte dem Landesbetrieb vorgegeben,drei bis vier Bauunternehmen zur Abgabe eines Angebotsaufzufordern. Der Landesbetrieb begründete die Auswahlder drei aufgeforderten Unternehmen nachträglich mit de-ren besonderer Fachkunde und Zuverlässigkeit. Bei öf-fentlichen Ausschreibungen des Landesbetriebes für ähn-liche Bauvorhaben beteiligten sich üblicherweise siebenbis zehn Unternehmen.

Vor Abgabe der Angebote gingen Landesbetrieb, Landes-und Bundesministerium in allen aktenkundigen Kosten-schätzungen von Gesamtkosten in Höhe von 3,2 Mio.Euro aus. Bei der Eröffnung der Angebote lag der güns-tigste Anbieter mit einem Gesamtpreis von 4,9 Mio. Euroum 1,7 Mio. Euro oder 53 % über dem Schätzwert. Diebeiden anderen Unternehmen forderten Gesamtpreise von5,2 Mio. Euro und 6,1 Mio. Euro. Im Vergabevermerkverglich der Landesbetrieb die Gebote mit einem hier erst-mals genannten geschätzten Auftragswert von 4,2 Mio.Euro. Die Ermittlung dieses höheren Werts war aus denAkten nicht nachvollziehbar. Dem Bundesrechnungshofübergab der Landesbetrieb bei der Prüfung eine Kosten-schätzung über diese Summe als EDV-Ausdruck mitDruckdatum vom Tag der Angebotsöffnung.

Das Landesministerium entschied am 27. September 2006,„die Vergabe soll nicht an den Haushaltsmitteln scheitern,auch wenn die Kosten höher liegen als die vorab veran-schlagten 3,2 Mio. Euro“. Einen Tag später vergab derLandesbetrieb die Bauleistung an das Unternehmen, dasden niedrigsten Preis forderte.

Der Landesbetrieb nahm die Bauleistung am 12. Dezem-ber 2005 ab. Die von dem Bauunternehmen aufgebrachtevorläufige Fahrbahnmarkierung war wetterbedingt bereitsbei der Abnahme in großem Umfang abgängig. Daherblieb die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem frischsanierten Autobahnabschnitt noch bis zur endgültigen,

mangelfreien Markierung im April 2006 auf 80 km/h be-schränkt.

26.2

Der Bundesrechnungshof hat es für rechtswidrig gehal-ten, dass die Straßenbauverwaltung Schleswig-HolsteinBauleistungen im Gesamtwert von rund 4,9 Mio. Euroohne Ausschreibung vergab. Damit erleichterte sie mögli-che Absprachen der Bauunternehmen und verstieß gegenVorschriften zur Korruptionsprävention. Eine solche Ein-schränkung des Wettbewerbs führt in der Regel zu einemunwirtschaftlichen Vergabeergebnis zulasten des Bundes.

Eine freihändige Vergabe oder ein Verhandlungsverfahrenwäre nur bei Vorliegen einer besonderen „zwingenden Dring-lichkeit“ gerechtfertigt gewesen (§ 3 und § 3a VOB/A). DieGeschwindigkeitsbegrenzungen bestanden schon seit demJahre 1998 und sollten ursprünglich erst im Jahre 2007 be-seitigt werden. Die Straßenbauverwaltung zog die Sanie-rung lediglich vor, weil das Bundesministerium noch fürdas Haushaltsjahr 2005 kurzfristig zusätzliche Mittel be-reitstellte. Ein drohender Verfall von Haushaltsmitteln er-füllt aber keinesfalls den eng auszulegenden Tatbestandder zwingenden Dringlichkeit. Das Ziel der Baumaß-nahme, die Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der A 1noch im Jahre 2005 zu beseitigen, wurde zudem trotz dervom Landesministerium angeordneten kurzfristigen Bau-durchführung verfehlt.

Das gewählte Verhandlungsverfahren trug nach Auffas-sung des Bundesrechnungshofes mit dazu bei, dass die imVerhältnis zur Kostenschätzung überteuerten Angebotezwischen 4,9 Mio. Euro und 6,1 Mio. Euro lagen. Da dasVerhandlungsverfahren erst ab einer Auftragssumme von5 Mio. Euro vorgeschrieben ist, konnten die Unterneh-men davon ausgehen, dass der Landesbetrieb die Baukos-ten auf mindestens 5 Mio. Euro geschätzt hatte. Er hätte,als die Angebote die geschätzten Kosten um mehr als50 % überschritten, das Verfahren abbrechen und nachder Ursache für die große Abweichung von der Kosten-schätzung forschen müssen.

Der Bundesrechnungshof hat es als besonders kritikwür-dig angesehen, dass das Landesministerium den klarenVerstoß gegen die Vergabevorschriften – den die nachge-ordnete Behörde offensichtlich erkannte – selbst vorgab.Die vom Landesministerium angegebenen „finanzpoliti-schen Gründe“ setzen das Vergaberecht nicht außer Kraft.Besonders schwerwiegend ist, dass derartige Entschei-dungen des Landesministeriums als Oberste Landesstra-ßenbaubehörde und Vergabeprüfstelle eine negativeSignalwirkung auf die nachgeordneten Straßenbaubehör-den des Landes entfalten.

Die bei einer kurzfristigen Umverteilung von Straßenbau-mitteln entstehenden zeitlichen Zwänge rechtfertigengrundsätzlich keinen Verzicht auf öffentliche Ausschrei-bungen. Der Bundesrechnungshof hat daher das Bundes-ministerium aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass dieim Auftrage des Bundes tätigen Straßenbauverwaltungender Länder auch bei kurzfristiger Zuteilung von Haus-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175 – Drucksache 16/7100

haltsmitteln die haushalts- und vergaberechtlichen Vor-schriften des Bundes uneingeschränkt befolgen.

26.3

Das Bundesministerium hat in seiner Stellungnahme da-rauf hingewiesen, dass es dem Land Schleswig-Holsteindie zusätzlichen Mittel für den Bundesfernstraßenbau ausdem länderübergreifenden Mittelausgleich ohne eineZweckbindung an einzelne Maßnahmen zur Verfügunggestellt habe.

Die Bauleistungen hätten nach Auffassung des Bundes-ministeriums öffentlich ausgeschrieben werden müssen.Die Kritik des Bundesrechnungshofes sei insoweit be-rechtigt.

26.4

Der Bundesrechnungshof hält es nicht für ausreichend,dass das Bundesministerium die freihändige Vergabe desBauauftrags zwar ebenfalls für unzulässig hält, aber denRechtsverstoß wie auch den rechtfertigenden Hinweis desLandesministeriums auf die Abstimmung mit dem Bun-desministerium ohne weiteres hingenommen hat. Diesumso mehr, als der hier beschriebene schwerwiegendeVerstoß gegen Haushalts- und Vergaberecht über den Ein-zelfall hinaus bedeutsam ist.

Der Bundesrechnungshof sieht die Gefahr, dass die aufBundes- und Landesseite gleichermaßen eindeutigenRichtlinien zur Korruptionsprävention ins Leere laufen,wenn ein Landesministerium offenkundig unzureichendeEntschuldigungsgründe für den Verzicht auf öffentlicheAusschreibung für sich in Anspruch nimmt und diese zu-dem gegen berechtigte Einwände nachgeordneter Stellendurchsetzt.

Der Bundesrechnungshof hat bereits häufiger festgestellt,dass einzelne Straßenbauverwaltungen der Länder sichbei Verstößen gegen Rechtsvorschriften oder andere Vor-gaben des Bundes auf eine tatsächliche oder vermeintli-che Abstimmung mit dem Bundesministerium berufen.Daher bleibt es unbefriedigend, wenn das Bundesministe-rium diese Verstöße stillschweigend hinnimmt. Letztlichschwächt es dadurch den Anspruch des Bundes auf einenordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Straßenbau.

Der Bundesrechnungshof sieht unbeschadet der gesetzli-chen Verantwortung der Obersten Straßenbauverwaltun-gen der Länder für ihre Straßenbauverwaltung das Bun-desministerium in der Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dassdie Straßenbauverwaltungen der Länder auch bei kurz-fristiger Mittelzuteilung die haushalts- und vergaberecht-lichen Vorschriften des Bundes einhalten. Nur auf diesemWege ist ein insgesamt ordnungsgemäßer und wirtschaft-licher Bundesfernstraßenbau sichergestellt. Der Bundes-rechnungshof erwartet, dass das Bundesministerium ins-besondere Rechtsverstöße keinesfalls stillschweigendhinnimmt, sondern gegenüber den Ländern auf einerrechtskonformen Verwaltungspraxis besteht.

27 Baunutzungskosten bei Planung und Betrieb von Gebäuden des Bundes vernachlässigt

27.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung kann ganz überwiegend nicht beurteilen, ob dieGebäude in seinem Verantwortungsbereich wirtschaft-lich geplant und betrieben werden. Bereits in der Pla-nungs- und Genehmigungsphase fehlt es an einer voll-ständigen Darstellung und Erläuterung derBaunutzungskosten. In der Betriebsphase überwacht dieBauverwaltung diese Kosten überwiegend nicht ord-nungsgemäß. Daher bestehen nur wenige Möglichkeiten,z. B. den Energieverbrauch steuernd zu beeinflussen und„Energieschleudern“ zu identifizieren.

27.1

Zur ganzheitlichen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit ei-ner geplanten Baumaßnahme sind nach § 24 Abs. 1 letz-ter Satz der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in den erläu-ternden Haushaltsunterlagen die nach Fertigstellung derBaumaßnahme voraussichtlich entstehenden jährlichenHaushaltsbelastungen darzustellen. Die Einzelheiten re-geln die Richtlinien für die Durchführung von Bauaufga-ben des Bundes (RBBau). Ebenso regeln die RBBau, dassBetriebsüberwachungsstellen der Bauverwaltungen dentechnischen Betrieb der Gebäudeanlagen nach der Inbe-triebnahme zu überwachen haben. Ein Vergleich der ge-planten mit den nach Inbetriebnahme tatsächlich entstan-denen Baunutzungskosten und energiewirtschaftlichenKenndaten könnte danach Aufschluss über mögliche Pla-nungsdefizite geben. Nach DIN sind Baunutzungskostenim Hochbau alle in baulichen Anlagen und deren Grund-stücken entstehenden regelmäßig wiederkehrenden Kos-ten von Beginn ihrer Nutzbarkeit bis zu ihrer Beseitigung.

Die Bundesregierung fördert seit dem Haushaltsjahr 2006die energetische Sanierung von bundeseigenen Gebäu-den, um die Betriebskosten und die CO2-Emissionen zusenken. In den Bewilligungsverfahren zur Auswahl derGebäude sind die Erkenntnisse der Betriebsüberwa-chungsstellen zu berücksichtigen.

27.1.1

Der Bundesrechnungshof prüfte bundesweit mit Unter-stützung von fünf Prüfungsämtern des Bundes die geplan-ten Baunutzungskosten der 166 Baumaßnahmen, die dieBauverwaltungen in den Jahren 2000 bis 2002 im zivilenBereich für den Bund durchgeführt und zur Nutzungübergeben hatten. Das Baukostenvolumen betrug rund3,02 Mrd. Euro.

Die Bauverwaltungen legten dem Bundesministerium fürVerkehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundesministe-rium) insgesamt nur für 93 (56 %) der geprüften Baumaß-

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Drucksache 16/7100 – 176 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nahmen die von den RBBau vorgeschriebenen Datenblät-ter mit geplanten Baunutzungskosten vor. Von diesenenthielten lediglich 29 (17 %) eine vollständige Planungder Baunutzungskosten. So fehlten bei 45 MaßnahmenAngaben zu den Reinigungskosten, bei 54 Maßnahmenzu den Bauunterhaltungskosten und bei 26 Maßnahmenzu den geplanten Verbrauchswerten. Bei knapp einemDrittel der geprüften Baumaßnahmen wiesen die Daten-blätter in einzelnen Positionen Kostenwerte für dieBaunutzung aus, die von Vergleichs- oder Erfahrungswer-ten auffällig abwichen. Eine Beanstandung oder Nach-frage zu diesen Auffälligkeiten seitens des Bundesminis-teriums konnte der Bundesrechnungshof nicht feststellen.So wies die Haushaltsunterlage für die Baumaßnahme zurHerrichtung und Erweiterung von Dienstgebäuden desBundesministeriums in Berlin z. B. unbeanstandet einenweit überhöhten Jahresstrombedarf aus, der, fehlerfrei er-mittelt, zu erwartende jährliche Stromkosten in Höhe vonrund 29,8 Mio. Euro zur Folge gehabt hätte.

27.1.2

Bei 125 der 166 Liegenschaften lag die Betriebsüberwa-chung im Verantwortungsbereich der Bauverwaltungen.Die zuständigen Betriebsüberwachungsstellen konntenfür 111 (89 %) dieser Liegenschaften Datenblätter mitden tatsächlich entstandenen Baunutzungskosten vorle-gen. Davon wiesen lediglich 23 Datenblätter (18 %) voll-ständig erfasste Baunutzungskosten aus. Allerdings bezo-gen sich die Werte jeweils auf die gesamte Liegenschaft.Gebäudebezogene Werte lagen nur dann vor, wenn sichauf der geprüften Liegenschaft lediglich ein Gebäude be-fand. Die wichtigsten Gründe, die eine gebäudebezogeneDatenerfassung verhinderten, waren fehlende Zählein-richtungen je Gebäude und das verzögerte, fehlerhafteoder sogar unterlassene Melden von Baunutzungskosten-daten seitens der nutzenden Verwaltungen.

27.1.3

Das Bundesministerium führte keinen Vergleich der ge-planten mit den nach Inbetriebnahme tatsächlich entstan-denen Baunutzungskosten durch. Allerdings wäre ein sol-cher vollständiger Vergleich aufgrund der Datenlagelediglich für zwei Gebäude und zwei Liegenschaftenmöglich gewesen. Für weitere 11 Gebäude und 18 Lie-genschaften hätte es zumindest die tatsächlichen Ver-brauchsdaten für Abwasser, Wasser, Wärme und Strommit den geplanten vergleichen können.

Der Bundesrechnungshof verglich die geplanten mit dentatsächlich entstandenen Baunutzungskosten auf Basisder vorliegenden Daten der Betriebsüberwachung und un-ter vorsichtiger Hinzuschätzung der fehlenden Daten. Da-nach waren die Kosten um durchschnittlich 29,5 % höherals die in den Haushaltsunterlagen geplanten. Dies ent-spricht allein für die in die Vergleichsrechnung einbezo-genen Baumaßnahmen einem Betrag von 5,3 Mio. Europro Jahr.

27.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Bau-verwaltungen die Baunutzungskosten für die geprüftenBaumaßnahmen unzulänglich ermittelt und in den Haus-haltsunterlagen unvollständig ausgewiesen haben. Da-durch ist es ganz überwiegend nicht möglich gewesen,die durch die jeweiligen Baumaßnahmen entstehendenjährlichen Haushaltsbelastungen, den wirtschaftlichenBetrieb und damit auch die Mängel der Planung fachge-recht zu beurteilen. Da die zu erwartenden Baunutzungs-kosten den Bundeshaushalt während der gesamtenNutzungsdauer der Gebäude belasten, sind sie von we-sentlicher Bedeutung, um zu beurteilen, ob Hochbau-maßnahmen wirtschaftlich geplant sind. So müssten z. B.hohe Reinigungskosten aufgrund großer Glasflächenan-teile in der Fassade oder hohe Heizungs- und Stromkos-ten, verursacht durch großzügige Raumplanungen, eingewichtiger Grund sein, die Pläne zukünftiger Baumaß-nahmen zu optimieren. Die Abweichung der tatsächli-chen von den geplanten Baunutzungskosten um wenigs-tens 29,5 % erklärt sich daraus, dass die an der Erstellungder Haushaltsunterlagen beteiligten Dienststellen der Er-mittlung der Baunutzungskosten nur eine unzureichendeoder gar keine Bedeutung beigemessen haben. Das Bun-desministerium hätte die unvollständigen Haushaltsunter-lagen nicht genehmigen dürfen.

Für den überwiegenden Teil der geprüften Bundesliegen-schaften hat zudem keine ordnungsgemäße Betriebsüber-wachung stattgefunden. Fehlende Zähleinrichtungen undmangelhafte Beachtung bestehender Regelungen zur Be-triebsüberwachung seitens der nutzenden Verwaltungenhaben eine gebäudebezogene Datenerfassung und -aus-wertung der Baunutzungskosten verhindert. Die liegen-schaftsbezogene Erfassung von Baunutzungskosten lässtkeine verwertbaren Rückschlüsse auf den tatsächlichenEnergieverbrauch einzelner Gebäude zu. Die Betriebsüber-wachungsstellen haben somit nur wenige Möglichkeiten,den Energieverbrauch steuernd zu beeinflussen und einenwirtschaftlichen Gebäudebetrieb zu sichern. Sie sind nichtin der Lage, „Energieschleudern“ zu identifizieren und da-mit entsprechenden Handlungsbedarf zu beschreiben. Nurmit Hilfe einer funktionierenden Betriebsüberwachunglässt sich eine sachgerechte Auswahl der zu sanierendenbundeseigenen Gebäude vornehmen, um Nutzungskos-ten und CO2-Emissionen zu senken. Der Bundesrech-nungshof rät davon ab, die derzeit vorliegenden mangel-haften Baunutzungsdaten für eine Auswahlentscheidungbei der derzeit anlaufenden energetischen Gebäudesanie-rung zu nutzen.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, bei der Genehmigung von Baumaßnahmenkünftig die Bundeshaushaltsordnung zu beachten und dieBauverwaltungen auf das Einhalten der RBBau hinzuwei-sen. Dafür haben die Bauverwaltungen künftig dieBaunutzungskosten vollständig sowie fachgerecht zuplanen und in den Betriebsüberwachungsstellen die tat-sächlichen Baunutzungskosten gebäudebezogen sowie

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177 – Drucksache 16/7100

vollständig zu erfassen. Hierfür sollten möglichst alle Ge-bäude mit den notwendigen Erfassungsgeräten ausgestat-tet werden.

Das Bundesministerium muss einen regelmäßigen Ver-gleich der geplanten mit den tatsächlichen Baunutzungs-kosten und eine anschließende Abweichungsanalyse si-cherstellen. So kann es die Baunutzungskosten senkenund eine Qualitätsverbesserung im öffentlichen Bauen er-reichen.

27.3

Das Bundesministerium hat eingeräumt, die Analyse vonBaunutzungskosten habe in der Vergangenheit nicht dieerforderliche Wertschätzung und Aufmerksamkeit erfah-ren. Um den Forderungen des Bundesrechnungshofes so-weit wie möglich nachzukommen, habe es daher zwi-schenzeitlich u. a. eine Arbeitsgruppe beim Bundesamtfür Bauwesen und Raumordnung eingerichtet, die regel-mäßig Auswertungen der bundesweit erhobenen Be-triebsüberwachungsdaten (Benchmarks etc.) vorlegensolle. Es beabsichtige, künftig Baumaßnahmen mit un-vollständigen baufachlichen Unterlagen grundsätzlichnicht mehr zu genehmigen. Auch wolle es die Bauverwal-tungen anweisen, die Regelungen der RBBau zur Ermitt-lung der Baunutzungskosten und zur Betriebsüberwa-chung einzuhalten.

Das Bundesministerium hat ergänzend erklärt, dass dieRBBau keinen Vergleich der geplanten mit den tatsäch-lich entstandenen Baunutzungskosten vorsähen. Zudemsei er nur bedingt geeignet, Aufschluss über Planungsde-fizite zu geben. So lasse der zum Zeitpunkt der „Entschei-dungsunterlage Bau“ vorhandene Erkenntnisstand übereine Baumaßnahme eine fundierte Sollwertbestimmungder Baunutzungskosten nicht zu, da diese lediglich nachüberschlägiger Ermittlung geschätzt seien. Unabhängigdavon setze sich das Bundesministerium mit Nachdruckdafür ein, Unterbringungs- und Bauentscheidungen künf-tig noch stärker unter Berücksichtigung aller denkbarenBeschaffungsformen (einschließlich öffentlich-privaterPartnerschaften) und unter Betrachtung des gesamten Le-benszyklus eines Gebäudes zu treffen. Es sei keineswegsungewöhnlich, wenn die tatsächlich entstandenen Bau-nutzungskosten, wie vom Bundesrechnungshof ermittelt,um 29,5 % von den geplanten abwichen, da eineKommentierung zur einschlägigen DIN Abweichungenvon +/– 40 % als normal ansehe.

Das Bundesministerium hat weiter ausgeführt, die perso-nelle und finanzielle Ausstattung der in den Ländern fürden Bund tätigen Betriebsüberwachungsstellen befindesich, gemessen an den durchschnittlichen Energiekosten,auf einem teilweise sehr niedrigen Niveau. Es werde prü-fen, inwieweit es möglich sei, diesen Bereich unter Ein-beziehung von Lebenszyklusaspekten zu verstärken.

27.4

Der Bundesrechnungshof sieht in den zwischenzeitlicheingeleiteten Maßnahmen des Bundesministeriums ersteSchritte, den Baunutzungskosten künftig sowohl währendder Planung als auch im Betrieb die notwendige Beach-tung zu schenken. Hierfür kommt es allerdings darauf an,dass das Bundesministerium hohe Anforderungen an dieQualität der in der Planungsphase erhobenen Daten u. a.zu den Baunutzungskosten stellt. Wenn auch die Zahlenin der Planungsphase teilweise nur geschätzt werden kön-nen, muss die Datenqualität hinreichend gut sein, um überdie „Entscheidungsunterlage Bau“ die zu realisierendeVariante der Bedarfsdeckung (Eigenbau, öffentlich-pri-vate Partnerschaft, Anmietung etc.) auswählen zu kön-nen. Daher stimmt der Bundesrechnungshof nicht mitdem Bundesministerium überein, die Abweichungen dergeplanten von den tatsächlichen Baunutzungskosten seienunbedenklich. Gerade bei sich wiederholenden Bauaufga-ben mit durchschnittlichen Planungsanforderungen, wiez. B. bei Verwaltungsgebäuden, müssen und können dieBaunutzungskosten wesentlich genauer geplant werden.Auch stellt sich danach die Frage, wie das Bundesminis-terium die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen mögli-chen Formen einer Bedarfsdeckung zuverlässig beurtei-len will, wenn es den Zahlen zu den Baunutzungskostenin der Planungsphase nur eine eingeschränkte Aussage-kraft und Verlässlichkeit zubilligt. Da bei Betrachtung desgesamten Lebenszyklus eines Bauwerks die Baunut-zungskosten eine entscheidende Rolle spielen, muss dieBauverwaltung alles tun, diese schon in der Planungs-phase vollständig und verlässlich zu ermitteln.

Wenn auch die RBBau derzeit nicht den Vergleich der ge-planten mit den tatsächlich ermittelten Baunutzungskos-ten vorschreiben, so hätte es doch nahegelegen, dieseMöglichkeit angesichts des grundsätzlich hohen Detail-lierungsgrades der Daten zu nutzen, um unwirtschaftlichePlanungen zu vermeiden. Das Bundesministerium solltekurzfristig derartige Vergleiche anstellen lassen und fürdie Bauverwaltungen nutzbar machen.

Der Bundesrechnungshof begrüßt, dass das Bundesminis-terium die Bauverwaltungen zu einer regelgerechten Be-triebsüberwachung anhalten will, zugleich aber auch dieniedrige personelle und finanzielle Ausstattung proble-matisiert. Zur Sicherung eines wirtschaftlichen Gebäude-betriebes ist eine gebäudebezogene Betriebsüberwachungerforderlich. Die zurzeit praktizierte Betriebsüberwa-chung ist weit von dem entfernt, was eine ordnungsge-mäß funktionierende Betriebsüberwachung zu leisten imStande ist und sie im Ergebnis erst rechtfertigt. Um diederzeitig vernachlässigte Betriebsüberwachung in dieLage zu versetzen, fachgerecht arbeiten zu können, sindu. a. fehlende Zähleinrichtungen nachzurüsten, die Re-geln zur Betriebsüberwachung einzuhalten sowie ggf. zuüberarbeiten und das notwendige ausgebildete Personalbereitzustellen.

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Drucksache 16/7100 – 178 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bundesministerium der Verteidigung(Einzelplan 14)

28 Schwere Versäumnisse bei der Planung ten. Diese Verunreinigungen können sich bei Laserbe-

einer Halle zur Zielsimulation(Kapitel 1412)

28.0

Im Jahre 2004 hat die Bundeswehr eine Halle zur Ziel-simulation fertiggestellt. Dort sollten komplexe Waffen-systeme kostengünstiger als bisher getestet und weiterent-wickelt werden. Durch die Zielsimulation sollten jährlich4 Mio. Euro eingespart werden. Die Bundeswehr kanndiese Erprobungshalle jedoch bis heute nicht nutzen, weilbei deren Planung schwere Fehler gemacht wurden. Fürdas Projekt hat sie bisher über 16 Mio. Euro ausgegebenund plant weitere Ausgaben, deren Erfolg zweifelhaft ist.Die nicht nutzbare Erprobungshalle verursacht Betriebs-kosten von 1,5 Mio. Euro pro Jahr.

28.1

Die Bundeswehr begann im Jahre 1998 den Bau einerHalle mit Zielsimulationsanlage. Dort sollten Waffensys-teme und Waffenkomponenten getestet und weiterentwi-ckelt werden. Der Kuppelbau hat einen Durchmesser von46 m. Unverzichtbarer Bestandteil der Zielsimulations-anlage ist eine Projektionswand, die an der Kuppelinnen-seite befestigt ist. Auf ihr sollen u. a. mit Hilfe von La-sern wirklichkeitsnahe Szenarien dargestellt werden.

Der Bau ist auf die Bedarfsanmeldung einer Wehrtechni-schen Dienststelle im Jahre 1987 zurückzuführen. DiePlanungen setzte das Bundesministerium der Verteidi-gung (Bundesministerium) nach mehrjähriger Unterbre-chung im Jahre 1995 fort. Das Gebäude steht der Wehr-technischen Dienststelle seit dem Jahre 2004 zurVerfügung. Es ist Bestandteil eines für 23 Mio. Euro er-stellten Gebäudekomplexes und kostete allein 16 Mio.Euro.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes München die Projektplanun-gen und stellte fest:

Bei Baubeginn gab es keine Projektionsoberfläche, dieden Anforderungen genügte. Eine geeignete Oberflächeentwickelte das Bundesministerium erst nachträglich zu-sammen mit einem Anbieter. Schon vor Baubeginn hatteein beauftragtes Architekturbüro darauf hingewiesen,dass die Projektionsoberfläche durch Abgase der geteste-ten Waffensysteme verunreinigt werden kann. SolcheVerunreinigungen beeinträchtigen die Zielsimulation.Das war dem Bundesministerium seit dem Jahre 1998 be-kannt. Es zog seinerzeit jedoch keine Konsequenzen,indem es etwa Reinigungsverfahren beschaffte oder ent-wickelte. Bei der baulichen Abnahme der Projektions-wand im Jahre 2004 fiel auf, dass sich bereits Staub- undRußpartikel sowie ölhaltige Substanzen abgelagert hat-

strahlung in die Projektionsoberfläche einbrennen unddiese irreparabel beschädigen.

Daraufhin beschaffte das Bundesministerium für rund1 Mio. Euro eine vom Hersteller der Projektionsoberflä-che entwickelte Reinigungsanlage, deren Bürsten mit Oh-renhaaren südamerikanischer Rinder bestückt sind. Be-reits das Angebot des Herstellers machte deutlich, dassdiese nur trockene, nicht aber öl- und fetthaltige Verunrei-nigungen entfernt. Deshalb kann die WehrtechnischeDienststelle die Halle weiterhin nicht wie geplant fürTestreihen nutzen. Nach wie vor finden stattdessen realeFlüge statt. Die mit der Zielsimulation angestrebten Ein-sparungen von jährlich rund 4 Mio. Euro bleiben aus. Fürdie nicht nutzbare Erprobungshalle fallen Betriebskostenvon rund 1,5 Mio. Euro pro Jahr an.

Zuletzt forderte die Wehrtechnische Dienststelle, an dieErprobungshalle eine sogenannte Rüsthalle anzubauen, inder die Waffensysteme vor Einfahrt in die Erprobungs-halle gereinigt werden sollen. Die geschätzten Baukostenbetragen 2,4 Mio. Euro.

28.2

Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass die Erpro-bungshalle trotz des beträchtlichen zeitlichen Vorlaufsund erheblicher Ausgaben noch immer nicht zur Verfü-gung steht. Als Ursachen hierfür sieht er schwere Ver-säumnisse des Bundesministeriums und ein fehlendes Ge-samtkonzept.

So hätte sich das Bundesministerium vor Baubeginn da-von überzeugen müssen, dass die Erprobungshalle tech-nisch und planerisch realisierbar ist. Bei der Auswahl derzwingend notwendigen Projektionsoberfläche hat es sichaber allein auf deren Reflexionsverhalten konzentriert.Die für den dauerhaften Betrieb gleichrangigen Fragender Funktionserhaltung hat das Bundesministerium igno-riert, obwohl sie seit dem Jahre 1998 bekannt waren.Nachdem der Reinigungsbedarf der fertigen Projektions-wand offenkundig geworden war, hat es zudem eine un-zureichende Teillösung verfolgt. Darum sollen jetzt wei-tere Haushaltsmittel in Millionenhöhe für eine Rüsthalleausgegeben werden.

Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass die Reinigungder Waffensysteme die Probleme mit öl- und fetthaltigenRückständen auf der Projektionsoberfläche dauerhaft lö-sen kann. Er hat das Bundesministerium daher aufgefor-dert, kritisch zu hinterfragen, ob die geforderte Rüsthallesinnvoll und notwendig ist. Dazu ist insbesondere zu klä-ren, ob es ausreicht, die Verunreinigungen so weit mög-lich zu vermeiden – oder ob nicht zwingend eine Lösungzur Reinigung der Projektionsoberfläche gefunden wer-den muss.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179 – Drucksache 16/7100

28.3

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass ihm dieVerschmutzungsproblematik seit dem Jahre 1998 bekanntwar. Deshalb habe es jeweils als Teillösung eine Absaug-anlage, ein elektrobetriebenes Fahrgerät für die Waffen-systeme sowie die Reinigungsanlage für trockenen Staubbeschafft. Es sei auch richtig, dass es derzeit für die Pro-jektionsoberfläche kein Reinigungsgerät für ölhaltigeVerunreinigungen gibt. Deshalb beabsichtige das Bundes-ministerium, an die Erprobungshalle die geforderte Rüst-halle anzubauen, um Waffensysteme vor den Tests zu rei-nigen. Eine Untersuchung eines wehrwissenschaftlichenInstituts der Bundeswehr habe bestätigt, dass dieser An-bau notwendig sei. Insgesamt belege das Vorgehen desBundesministeriums, dass es die technische und planeri-sche Realisierbarkeit des Projektes ausreichend und zeit-gerecht geprüft habe.

28.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Bewertung undKritik.

Die vom Bundesministerium genannten Teillösungensind kein Beleg für eine ausreichende und zeitgerechtekonzeptionelle Vorarbeit. Sie sind vielmehr Ausdruck derBemühungen, ein mit erheblichem Aufwand begonnenesVorhaben mit immer neuen Haushaltsmitteln zu vollen-den. Es spricht für sich, dass die Bundeswehr die Erpro-bungshalle auch mehr als drei Jahre nach Fertigstellungnicht in Betrieb nehmen konnte.

Eine Rüsthalle mag zwar dazu beitragen, neue öl- undfetthaltige Verunreinigungen der Projektionsoberflächezu verhindern. Der Bericht des wehrwissenschaftlichenInstituts bestätigt jedoch, dass die Projektionsoberflächebereits durch solche Rückstände verunreinigt ist. Der ge-plante Anbau kann dieses Problem nicht lösen.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bundesministe-rium, schnellstmöglich ein Gesamtkonzept für das wei-tere Vorgehen zu erarbeiten, indem es alle sinnvollenHandlungsalternativen abwägt. Die mit der Erprobungs-halle verfolgten Ziele sind dabei ebenso zu berücksichti-gen wie wirtschaftliche Gesichtspunkte. Vordringlichwird zu klären sein, ob und wie das Problem der schonvorhandenen öl- und fetthaltigen Verunreinigungen derProjektionsoberfläche gelöst werden kann. Erst danachkann beurteilt werden, ob es sinnvoll und notwendig ist,die geplante Rüsthalle zu bauen, um künftige Verunreini-gungen zu vermeiden.

29 Bundeswehr plant Unterkünfte ohne ausreichende Bedarfsprüfung(Kapitel 1412)

29.0

Das Bundesministerium der Verteidigung hat für dieSchülerinnen und Schüler der BundeswehrfachschuleMünchen mehr Unterkünfte als benötigt geplant. Wenn es

sich bei der Planung dieser Unterkünfte am tatsächlichenBedarf orientiert, kann es insgesamt rund 5,2 Mio. Euroeinsparen. Dass die geplanten Überkapazitäten durch er-höhte Teilnehmerzahlen bei anderen Ausbildungsveran-staltungen ausgelastet werden, wies das Bundesministe-rium der Verteidigung nicht nach.

29.1

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) beabsichtigt, die Liegenschaft Fürst-Wrede-Kaserne in München sanieren zu lassen. Dort sollen u. a.Unterkünfte für die Schülerinnen und Schüler der Bun-deswehrfachschule München entstehen. Das Vorhaben istTeil eines Kooperationsprojekts mit der Privatwirtschaft.Danach sollen Sanierung und Betrieb der Liegenschaftfür 20 Jahre an einen privaten Investor vergeben werden.

Den Unterkunftsbedarf der Bundeswehrfachschulen be-ziffert das Bundesministerium auf 70 % der für Schüle-rinnen und Schüler vorgehaltenen Plätze in den Schulen.Auf der Grundlage der im Nutzungskonzept der Fürst-Wrede-Kaserne für die Bundeswehrfachschule Münchenausgewiesenen 591 Plätze ermittelte es so einen Bedarfvon 414 Unterkünften.

Anhand der Unterrichtsverteilungspläne stellte der Bun-desrechnungshof fest, dass die tatsächliche Zahl derSchülerinnen und Schüler der BundeswehrfachschuleMünchen seit dem Jahre 2002 unter 400 Personen liegt.Diese Zahl berücksichtigt bereits, dass das Bundesminis-terium in den Jahren 2001 und 2004 im süddeutschenRaum zwei Bundeswehrfachschulen geschlossen hatteund sich der Einzugsbereich der BundeswehrfachschuleMünchen dadurch vergrößerte. Das Bundesministeriumkonnte nicht erklären, warum es mit einer deutlich höhe-ren Anzahl an Plätzen für Schülerinnen und Schüler derBundeswehrfachschule München kalkuliert. Ausgehendvon durchschnittlich 400 Schülerinnen und Schülern er-gibt die vom Bundesministerium angewandte 70-%-Rechnung für die Bundeswehrfachschule München einenBedarf von lediglich 280 Unterkünften.

Das Nutzungskonzept für die Fürst-Wrede-Kaserne siehtdarüber hinaus gesonderte Kapazitäten für 180 Teilneh-merinnen und Teilnehmer an Lehrgängen der sogenann-ten Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung vor. Diesedient der Qualifizierung von Bewerberinnen und Bewer-bern für die Verwendung in der Bundeswehr. Für 70 %von ihnen sollen 126 Unterkünfte geschaffen werden.

Insgesamt ergibt sich demnach für die Fürst-Wrede-Kaserne

● nach den Planungen des Bundesministeriums eine Ge-samtzahl von 540 Unterkünften (414 Bundeswehr-fachschule und 126 Zivilberufliche Aus- und Weiter-bildung), aber

● ein tatsächlicher Bedarf von lediglich 406 Unterkünf-ten (280 Bundeswehrfachschule und 126 Zivilberufli-che Aus- und Weiterbildung).

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Drucksache 16/7100 – 180 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bezogen auf die aus dem Kooperationsprojekt resultierende20-jährige Nutzungszeit, könnten mindestens 5,2 Mio. Euroeingespart werden, wenn entsprechend weniger Unter-künfte geplant und hergerichtet würden. Dieser Betrag er-gibt sich aus den Angaben des Bundesministeriums in derWirtschaftlichkeitsuntersuchung des Kooperationsprojekts.

29.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassdie derzeitige Planung den Bedarf der Bundeswehrfach-schule München an Unterkünften deutlich übersteigt. Erhat das Bundesministerium aufgefordert, den Unter-kunftsbedarf auf der Basis belastbarer Zahlen zu ermit-teln. Dazu hat er empfohlen, die tatsächliche Zahl derSchülerinnen und Schüler aus den vergangenen Jahrenund absehbare Entwicklungen im Zusammenhang mit derReduzierung der Bundeswehr zu berücksichtigen.

29.3

Das Bundesministerium hat den Feststellungen des Bun-desrechnungshofes zur Ermittlung des Unterkunftsbe-darfs für die Bundeswehrfachschule München nicht wi-dersprochen.

Es geht nunmehr jedoch davon aus, dass neben den be-reits im Nutzungskonzept vorgesehenen Unterkunftsplät-zen weitere Kapazitäten für Teilnehmerinnen und Teil-nehmer der Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung amStandort München erforderlich seien. Das Fehlen zusätz-licher Unterkünfte sei ursächlich dafür, dass angestrebtehöhere Teilnehmerzahlen noch nicht erreicht wurden.München sei als Schwerpunktstandort der Zivilberufli-chen Aus- und Weiterbildung vorgesehen, wodurch diegeplanten 540 Unterkunftsplätze ausgelastet würden. Umden Bedarf zu decken, seien nach Planungen, die bis insJahr 2020 reichen, sogar weitere Unterkunftsplätze in derbenachbarten Ernst-von-Bergmann-Kaserne vorgesehen.

29.4

Der Bundesrechnungshof hält an seiner Kritik an der Be-rechnung des Unterkunftsbedarfs für die Bundeswehr-fachschule fest. Es spricht für sich, dass das Bundes-ministerium erst jetzt erklärt, die Auslastung dergeplanten Unterkünfte durch bislang nicht berücksich-tigte Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Lehrgängen derZivilberuflichen Aus- und Weiterbildung sicherstellen zuwollen.

Der Bundesrechnungshof kann nicht erkennen, dass dasBundesministerium seine Entscheidungen zu den Schwer-punktstandorten der Zivilberuflichen Aus- und Weiterbil-dung bei seinen Planungen für die Unterkunftsplätze inder Fürst-Wrede-Kaserne tatsächlich einbezogen hat.Auch die Erklärung, bis zum Jahre 2020 noch weitereUnterkünfte für diesen Personenkreis in einer anderenKaserne ausweisen zu wollen, überzeugt nicht. Sie istvielmehr ein Indiz dafür, dass das Bundesministerium den

Gesamtbedarf an Unterkünften bei seiner Planung nichtsorgfältig erhoben hat.

Einen langfristig planbaren höheren Bedarf an Unter-kunftsplätzen hätte das Bundesministerium bei der Kon-zeption des auf 20 Jahre angelegten KooperationsprojektsFürst-Wrede-Kaserne berücksichtigen müssen. Denn dieWirtschaftlichkeit solcher Projekte hängt sowohl von de-ren Volumen als auch von deren Laufzeit ab.

Das Bundesministerium ist nunmehr aufgefordert, zeit-nah und vor Beginn baulicher Maßnahmen den tatsächli-chen Bedarf an Unterkünften am Standort München zuermitteln. Sollte sich dabei ein die bisherigen Annahmenübersteigender Bedarf ergeben und auf das Bauvolumendes Kooperationsprojekts auswirken, so müsste dessenWirtschaftlichkeit unter den veränderten Bedingungennoch einmal überprüft werden.

30 Wirtschaftlichkeit der Hard- und Softwarepflege bei Fregatten nicht ermittelt(Kapitel 1418 Titel 553 01 und 554 01)

30.0

Die Marine hat ohne Wirtschaftlichkeitsuntersuchungentschieden, die Pflege und Änderung der Hard- undSoftware für Fregatten ausschließlich von der Industriedurchführen zu lassen. Wie sich dies auf die künftig not-wendigen Haushaltsmittel auswirkt, ermittelte sie nichthinreichend. In der Bundeswehrplanung sind die Ausga-ben nur teilweise berücksichtigt. Auch prüfte die Marinenicht ausreichend, wie sie ihre technische und wirtschaft-liche Beurteilungskompetenz erhalten kann.

30.1

Die Marine setzt drei Fregattenklassen mit unterschiedli-chen Fähigkeiten ein. Dazu gehören acht Fregatten derKlasse 122, vier der Klasse 123 und drei der Klasse 124.Für eine weitere Fregattenklasse 125 leitete das Bundes-ministerium der Verteidigung (Bundesministerium) imJahre 2007 die Beschaffung ein. Zur Informationsaufbe-reitung, Befehlsübermittlung und Koordination des Waf-feneinsatzes hat jede Fregattenklasse ein eigenes soge-nanntes Führungs- und Waffeneinsatzsystem. Für dieFregattenklasse 124 ließ das Bundesministerium diesesSystem von der Industrie vollständig neu entwickeln. Biszum Jahre 2010 sollen die Führungs- und Waffeneinsatz-systeme der Klassen 122 und 123 verbessert und der Ar-chitektur des neuen Systems angepasst werden (sog. Fä-higkeitsanpassung).

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung des Prü-fungsamtes des Bundes Koblenz die Pflege und Ände-rung der Software für Fregatten untersucht und festge-stellt:

Das Bundesministerium erließ im Jahre 1989 die „Rah-menweisung zur Softwarepflege und -änderung in derBundeswehr“. Danach sollten diese Aufgaben grundsätz-

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lich durch eigenes Personal und nur in Ausnahmefällendurch die Industrie wahrgenommen werden. Für die Füh-rungs- und Waffeneinsatzsysteme der Fregattenklassen122 und 123 führte die Marine demgemäß die Software-pflege und -änderung überwiegend selbst durch. Die Aus-gaben hierfür betrugen in den Jahren 2004 und 2005 je-weils rund 3,8 Mio. Euro.

Im Mai 2004 regelte die Marine für ihren Zuständigkeits-bereich, dass Pflege und Änderung der Hard- und Soft-ware, zusammenfassend als Systempflege und -änderungbezeichnet, grundsätzlich durch die Industrie zu leistensind. Eigenes Personal will sie nur noch für Auftragsver-gabe, Kostenschätzung, Qualitätssicherung und Abnahmeder Software einsetzen. Diese Entscheidungen traf dieMarine ohne Wirtschaftlichkeitsuntersuchung.

Das Bundesministerium schätzte die Ausgaben für dieSystempflege und -änderung bei den Fregattenklassen 122und 123 nach deren Fähigkeitsanpassung auf rund21 Mio. Euro pro Jahr. Wie es für die geplante Betriebs-dauer der Fregatten die notwendigen Haushaltsmittel be-reitstellen will, konnte das Bundesministerium nichtnachweisen. Fregatten dieser Klassen sollen mindestensbis zum Jahre 2020 genutzt werden.

Das Führungs- und Waffeneinsatzsystem der Fregatten-klasse 124 besteht aus zwei Teilsystemen. Für eines da-von ging die Marine von einem jährlichen Finanzbedarffür die Systempflege und -änderung von rund 21 Mio.Euro aus. Im Bundeswehrplan veranschlagte das Bundes-ministerium jedoch für die Jahre 2008 bis 2018 nur Haus-haltsmittel von maximal 10 Mio. Euro jährlich.

Die Gesamtausgaben für die Systempflege und -änderungbei allen Fregatten werden nach der geplanten Fähig-keitsanpassung auf mehr als 42 Mio. Euro jährlich an-wachsen. Darin sind das zweite Teilsystem der Fregatten-klasse 124 und die ab dem Jahre 2014 hinzukommendenFregatten der Klasse 125 noch nicht berücksichtigt.

Nach Angaben des Bundesministeriums muss die Sys-tempflege und -änderung etwa alle 18 Monate durchge-führt werden; andernfalls seien wesentliche Einschrän-kungen beim Einsatz der Fregatten die Folge. Diesekönnten soweit reichen, dass den Schiffen die Funktions-bereitschaft und Betriebssicherheit für wichtige Funk-tionsbereiche aberkannt wird.

30.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassdie Entscheidung der Marine, die Systempflege und -än-derung von der Industrie vornehmen zu lassen, nicht imEinklang mit der gültigen Rahmenweisung stand. Außer-dem hätte vorab eine ergebnisoffene Wirtschaftlichkeits-untersuchung durchgeführt werden müssen, die alle Lö-sungsalternativen einbezieht. Die Marine hat fernerunzureichend berücksichtigt, wie sie ihre technische undwirtschaftliche Beurteilungskompetenz erhalten kann.Personal, das über kein technisches Wissen hinsichtlichder einzelnen Komponenten der Führungs- und Waffen-einsatzsysteme verfügt, wird auch Auftragsvergabe, Kos-

tenschätzung, Qualitätssicherung und Abnahme der Soft-ware nicht selbstständig durchführen können. DieAbhängigkeit von der Industrie wird so vergrößert.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes war bei derFregattenklasse 124 bereits vor Entwicklungsbeginn ab-sehbar, dass die Ausgaben für die Systempflege und -än-derung erheblich über denen für die bisher eingesetztenSysteme liegen würden. Denn das Führungs- und Waffen-einsatzsystem dieser Klasse ist besonders komplex. Auchbei der Entscheidung zur Fähigkeitsanpassung in denKlassen 122 und 123 war klar erkennbar, dass diese Aus-gaben deutlich steigen würden. Der Bundesrechnungshofhat bemängelt, dass das Bundesministerium trotzdemnicht nachweisen konnte, wie es die Haushaltsmittel fürdie Systempflege und -änderung dauerhaft bereitstellenwill. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ausgaben hier-für kaum aufzuschieben sind, ohne die Einsatzfähigkeitder Fregatten zu gefährden.

Weiter hat der Bundesrechnungshof aufgezeigt, dass sichdie Schätzungen für die künftigen Ausgaben zur Sys-tempflege und -änderung nicht im Bundeswehrplan nie-derschlagen. Die bisher eingeplanten Haushaltsmittel undder tatsächliche Bedarf weichen allein für ein Teilsystemder Fregattenklasse 124 um mindestens 11 Mio. Eurojährlich ab.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen,

● die „Rahmenweisung zur Softwarepflege und -ände-rung in der Bundeswehr“ aus dem Jahre 1989 zu ak-tualisieren,

● vor der Vergabe von Aufträgen zur Systempflege und-änderung bei den Fregatten die Lösungsalternativen– darunter z. B. der Einsatz gemischter Teams ausBundeswehrangehörigen und Industriebediensteten –in einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung gegenüber-zustellen und

● die notwendigen Haushaltsmittel korrekt im Bundes-wehrplan sowie in der Finanzplanung abzubilden.

30.3

Das Bundesministerium hat im Dezember 2006 die „Rah-menweisung zur Softwarepflege und -änderung in derBundeswehr“ neu gefasst. Diese Arbeiten soll künftig inder Regel die Industrie durchführen, wobei die Wirt-schaftlichkeit beachtet und die Kernfähigkeit der Bundes-wehr berücksichtigt werden sollen. Das Bundesministe-rium will ermitteln, welche Aufwendungen für Personal,Infrastruktur und Ausbildung notwendig sind, um einekompetente Begleitung der Arbeiten durch die Bundes-wehr sicherzustellen. Es hat zugestimmt, mögliche For-men der Zusammenarbeit in einer Wirtschaftlichkeits-untersuchung gegenüberzustellen.

Hinsichtlich der Systempflege und -änderung bei der Fre-gattenklasse 124 hat das Bundesministerium geltend ge-macht, dass es verschiedene Varianten geprüft habe. ImErgebnis sei die Vergabe der Arbeiten an die Industrie dieeinzig mögliche Alternative gewesen. Denn genügend eige-

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nes qualifiziertes Personal habe nicht zeitgerecht zur Ver-fügung stehen können und bei gemischten Teams mit derIndustrie sei eine komplizierte Verantwortungsabgren-zung zu befürchten gewesen.

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass entgegenseinen Erwartungen die Ausgaben für die Systempflegeund -änderung durch die Industrie deutlich steigen wer-den. Welche Auswirkungen sich daraus auf künftige In-vestitionen der Marine ergäben, könne es derzeit nicht ab-schätzen. In die Finanzplanung könnten jedoch nur solcheAusgaben eingestellt werden, die durch bereits geschlos-sene Verträge tatsächlich anfielen.

Außerdem hat das Bundesministerium dargelegt, wie esdie Ausgaben für die Systempflege und -änderung be-grenzen will. So untersuche es die Möglichkeit, eine ein-heitliche Basis für die Führungs- und Waffeneinsatzsys-teme der Marine einzusetzen, und beabsichtige hierzueine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu erstellen. NachErreichen der vollen Funktionsfähigkeit des Führungs-und Waffeneinsatzsystems der Fregattenklasse 124 wollees neu bewerten, ob die Systempflege und -änderungzwingend alle 18 Monate notwendig sei. Auch prüfe es,ob auf die Fähigkeitsanpassung bei der Fregattenklas-se 122 verzichtet werden könne.

30.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundesminis-terium künftig Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchfüh-ren will, bevor es sich auf eine Zusammenarbeit mit derIndustrie festlegt. Er geht davon aus, dass es dies in der„Weisung zur Systempflege und -änderung von Waffen-systemen in der Materialverantwortung des Inspekteursder Marine“ klar zum Ausdruck bringen wird. Außerdembegrüßt er, dass das Bundesministerium ermitteln will,mit welchem Aufwand die Marine die Systempflege und-änderung zumindest kompetent begleiten kann.

Der Bundesrechnungshof hält an der Forderung fest, dienotwendigen Ausgaben für die Systempflege und -ände-rung bei allen Fregatten korrekt zu ermitteln und in denBundeswehrplan sowie in die Finanzplanung einzubrin-gen. Darüber hinaus hält er es für erforderlich, dem An-stieg dieser Ausgaben entgegenzuwirken und möglichstbald über geeignete Maßnahmen zu entscheiden.

31 Führungsinformationssysteme der Bundeswehr können auch nach sechs Jahren Entwicklung nicht zusammenarbeiten

31.0

Die Bundeswehr will sicherstellen, dass die IT-gestütztenFührungsinformationssysteme ihrer Teilstreitkräfte zu-sammenarbeiten können. Dieses Ziel hat sie auch nachsechs Jahren Entwicklung nicht erreicht. Der Bundes-rechnungshof wies bereits zu Beginn des Projekts auf er-hebliche Risiken hin. Mittlerweile hat das Bundesministe-

rium der Verteidigung diese ebenfalls erkannt undbeabsichtigt, sein Vorgehen zu ändern. Der Bundesrech-nungshof hat empfohlen, verbindliche inhaltliche undtechnische Detailvorgaben zu erstellen. Dies hat das Bun-desministerium der Verteidigung bisher nicht umgesetzt.

31.1

Die Bundeswehr entwickelte für ihre TeilstreitkräfteHeer, Luftwaffe und Marine jeweils eigene, IT-gestützteFührungsinformationssysteme, um die militärischen Füh-rungsprozesse zu unterstützen. Diese Systeme führen de-zentral eingegebene Informationen zusammen, bereitensie auf und stellen sie bedarfsgerecht bereit, um z. B. dieBefehlsgebung zu vereinfachen oder eine Gesamtlagedarzustellen (vgl. Abbildung). Durch die Teilnahme aninternationalen Einsätzen sah die Bundeswehr den Be-darf, die Systeme zu harmonisieren.

(© Bundeswehr/IT-ZentrumBw Stab Feldversuch FüInfoSys H)Lagedarstellung durch ein Führungsinformationssystem(hier: Mithilfe hochauflösender Monitore)

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) begann im Jahre 2000 ein Pilotprojekt. Es hattedas mittelfristige Ziel, dass die vorhandenen Führungsin-formationssysteme die Fähigkeit erlangen, durchgängigzusammenzuarbeiten (Interoperabilität). Bis zum Jahre2012 sollten die Systeme harmonisiert und zu einem ge-meinsamen Führungsinformationssystem zusammenge-führt werden. Das Bundesministerium beendete das Pilot-projekt im Jahre 2006 und führt es als reguläres IT-Projekt fort.

Der Bundesrechnungshof prüfte das Pilotprojekt seit demJahre 2001 begleitend. Er hat zum Abschluss der Pilot-phase untersucht, inwieweit das Bundesministerium seineZiele erreicht hat, und dabei festgestellt:

Die Bundeswehr benötigte für internationale Einsätze einFührungsinformationssystem, damit das Einsatzführungs-kommando streitkräftegemeinsame Operationen führenkann. Sie entschied, hierfür ein neues System („Füh-rungsinformationssystem Streitkräfte“) zu entwickeln

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 183 – Drucksache 16/7100

und die vorhandenen Führungsinformationssysteme darinzu integrieren. So wollte sie gleichzeitig den Bedarf desEinsatzführungskommandos decken und die weiterenZiele – Interoperabilität und Harmonisierung der vorhan-denen Systeme – verwirklichen. In einer Studie ließ sieu. a. untersuchen, welche Funktionen und Strukturen einstreitkräftegemeinsames Führungsinformationssystem auf-weisen müsste, sowie den Weg zu einem entsprechendenVerbund beschreiben.

Die Bundeswehr realisierte die Basisfunktionen desneuen Führungsinformationssystems. Mit 21 MonatenVerspätung richtete sie es beim Führungsstab der Streit-kräfte im Bundesministerium und im Einsatzführungs-kommando ein. In der derzeitigen Ausbaustufe bietet die-ses System keine Möglichkeit, Informationen mit denvorhandenen Führungsinformationssystemen der Teilstreit-kräfte auszutauschen. Die Dienststellen müssen daherteilweise mehrere Führungsinformationssysteme paralleleinsetzen.

31.2

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium be-reits zu Beginn des Pilotprojektes auf die erheblichen Risi-ken hingewiesen, die bestehen, wenn das neue Führungs-informationssystem entwickelt wird, bevor die technischenund inhaltlichen Anforderungen an eine Harmonisierungder vorhandenen Systeme abschließend festgelegt sind.Er hat mehrfach beanstandet, dass das Pilotprojekt dieInteroperabilität der Führungsinformationssysteme derBundeswehr nicht verbessert hat. Dazu hat er empfohlen,die Entwicklung des neuen und die Harmonisierung dervorhandenen Führungsinformationssysteme in getrenntenProjekten weiterzuführen.

Nach einer sechsjährigen Pilotphase hat die Bundeswehrdas mittelfristige Ziel der Interoperabilität nicht erreicht.Auch dem langfristigen Ziel der Harmonisierung ist siebislang nicht wesentlich näher gekommen. Sie hat viel-mehr in erster Linie den Bedarf des Einsatzführungskom-mandos und des Führungsstabes der Streitkräfte nach ei-nem neuen Führungsinformationssystem gedeckt.

31.3

Das Bundesministerium sieht jetzt das ursprüngliche Vor-gehen ebenfalls aus technischer Sicht als kritisch undriskant an. Es sei zudem sehr problematisch, die Füh-rungsprozesse von Heer, Luftwaffe und Marine zu har-monisieren und in einem gemeinsamen Führungsinforma-tionssystem abzubilden. Das Bundesministerium habesich daher auf ein geändertes Vorgehen festgelegt. Es be-absichtige nicht mehr, die vorhandenen Führungs-informationssysteme in das neue Führungsinformations-system zu integrieren. Vielmehr plane es, dievorhandenen Systeme mittelfristig beizubehalten und inkleinen Schritten nach streitkräftegemeinsamen Vorgabenweiterzuentwickeln. Ziel sei es, zunächst die Interopera-bilität des neuen Systems mit den vorhandenen Systemen

sowie mit den Führungsinformationssystemen andererNationen zu verbessern.

Das Bundesministerium hat weiter mitgeteilt, es strebelangfristig nach wie vor ein streitkräftegemeinsames Füh-rungsinformationssystem und die Ablösung der vorhan-denen Systeme der Teilstreitkräfte an. Das Bundesamt fürInformationsmanagement und Informationstechnik derBundeswehr (Bundesamt) habe detaillierte Anweisungenerhalten, hierfür Vorgaben zu erarbeiten. Einen Zeitpunkt,bis zu dem es das langfristige Ziel erreichen will, hat dasBundesministerium nicht genannt.

Das Bundesministerium sieht die Ziele des Pilotprojektesim Wesentlichen als erreicht an. Es habe mit der Studienachweisen können, dass einheitliche Kernfunktionalitä-ten grundsätzlich machbar seien.

31.4

Der Bundesrechnungshof hält an seiner Kritik fest, dassdas Bundesministerium die Ziele des Pilotprojektes nichterreicht hat. Denn es war nicht Ziel nachzuweisen, dasseinheitliche Kernfunktionalitäten für die Führungsinfor-mationssysteme der Bundeswehr machbar sind. Es gingvielmehr darum, dass die vorhandenen Systeme der Teil-streitkräfte die Fähigkeit erlangen, durchgängig zusam-menzuarbeiten.

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium mittlerweile die Risiken erkannt hat und siereduzieren will. Es fehlen aber nach wie vor eindeutigetechnische, inhaltliche und zeitliche Vorgaben. Derzeit istnoch offen, inwieweit die vom Bundesamt zu erarbeiten-den Vorgaben die notwendigen detaillierten Festlegungentreffen. Eine schrittweise Entwicklung der vorhandenenFührungsinformationssysteme ohne detaillierte Vorgabenwürde zu Abweichungen führen, die eine Harmonisie-rung ausschließen oder erheblich erschweren.

Der Bundesrechnungshof bekräftigt daher, dass die vor-handenen Führungsinformationssysteme erst weiterent-wickelt werden sollten, nachdem das Bundesministeriumdie notwendigen Vorgaben für ihre vollständige Interope-rabilität und Harmonisierung festgelegt hat. Hierzu zähltneben detaillierten technischen (Systemarchitektur) undinhaltlichen (Informationsversorgung) Festlegungen aucheine Zeit- und Kostenplanung. Darüber hinaus empfiehlter, organisatorisch sicherzustellen, dass die Bundeswehrdie Vorgaben vollständig beachtet, wenn sie die vorhan-denen Führungsinformationssysteme weiterentwickelt.

32 Bundeswehr will die Ladeflächen von bis zu 30 Jahre alten Lastkraftwagen mit nahezu unbrauchbaren Sitzen ausstatten(Kapitel 1415 und 1417)

32.0

Die Bundeswehr beabsichtigt, die Ladeflächen von bis zu30 Jahre alten Lastkraftwagen mit neuen Sitzen für den

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Drucksache 16/7100 – 184 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Transport von Soldatinnen und Soldaten auszustatten.Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass diese Sitzenahezu unbrauchbar sind. Im Inland werden die Last-kraftwagen zudem nicht benötigt und für Auslandsein-sätze mit schlechter Sicherheitslage sind sie ungeeignet.Die Bundeswehr sollte deshalb auf die Sitze verzichtenund die Lastkraftwagen aussondern. Hierdurch könnte sie4,5 Mio. Euro sparen.

32.1

Bis zum Jahre 2004 beförderte die Bundeswehr Soldatin-nen und Soldaten auch auf Lastkraftwagen (Lkw), auf de-ren Ladeflächen einfache Holzbänke montiert waren. Diebundeswehreigene Fahrzeugzulassungsstelle hatte ausSicherheitsgründen entschieden, dass die Holzbänke da-nach nicht mehr zur Personenbeförderung verwendetwerden durften. Die Bundeswehr ließ deshalb für ihre biszu 30 Jahre alten Lkw Sitzmodule mit je acht Sitzen ent-wickeln, die den gestiegenen Sicherheitsanforderungengerecht werden sollten. Bis heute beschaffte die Bundes-wehr 375 dieser Sitzmodule. Sie wurden bei einer In-standsetzung der alten Lkw, die weitere zehn Jahre ge-nutzt werden sollen, eingebaut. Einschließlich der Kostenfür die Instandsetzung und den Einbau investierte dieBundeswehr 8,9 Mio. Euro. Die Bundeswehr beabsich-tigt, bis Ende 2008 weitere 205 Sitzmodule zu beschaf-fen.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Berlin die Umrüstung derLkw. Er stellte fest, dass die mit den neuen Sitzen ausge-rüsteten Lkw nur sehr eingeschränkt verwendet werdenkönnen. So stufte die Infanterieschule der Bundeswehrdie neuen Sitze für den Personentransport nur als „einge-schränkt geeignet“ ein. Mit vollständiger Einsatzbeklei-dung sei es den Soldatinnen und Soldaten nicht möglich,bequem zu sitzen. Erforderliche Ausrüstung könne vonihnen nicht mitgeführt werden. Zudem seien sie zu denSeiten und nach hinten zu gering gesichert. Das Bundes-ministerium der Verteidigung (Bundesministerium) be-schränkte darauf hin die Nutzung der umgerüsteten Fahr-zeuge auf den unmittelbaren militärischen Auftrag unddie dafür erforderliche Ausbildung. Die Fahrzeugzulas-sungsstelle der Bundeswehr stellte fest, dass die Soldatin-nen und Soldaten beim Umstürzen eines umgerüstetenFahrzeuges größeren Gefahren als etwa in einem Bus aus-gesetzt sind und schränkte die Nutzung der umgerüstetenLkw weiter ein. Heute werden die umgerüsteten Lkw des-halb nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr zur Per-sonenbeförderung eingesetzt. In der Praxis hat dies z. B.zur Folge, dass die Soldatinnen und Soldaten mit ange-mieteten Bussen zum Übungsplatz transportiert werden.Erst dort nutzen sie für die Ausbildung die umgerüstetenLkw, die leer zum Übungsplatz gefahren werden. Somitentstehen zusätzliche Kosten. Die Beschaffung der205 Sitzmodule, deren Einbau und die Instandsetzung derfür den Personentransport vorgesehenen alten Lkw verur-sachen nach Berechnungen des BundesrechnungshofesKosten in Höhe von 4,5 Mio. Euro.

Mit den bereits umgerüsteten Lkw verfügt die Bundes-wehr im Inland über ausreichende Personentransportka-pazitäten.

Seit dem Jahre 2006 plant die Bundeswehr, grundsätzlichnur noch geschützte Fahrzeuge zu beschaffen. Im Aus-landseinsatz wurden Fahrten in ungeschützten Fahrzeu-gen bereits untersagt, weil sich die Sicherheitslage ver-schlechtert hatte. Die umgerüsteten Fahrzeuge sind nichtvor Minen und ähnliche Bedrohungen geschützt.

32.2

Der Bundesrechnungshof hat die beabsichtigte Beschaf-fung weiterer Sitzmodule beanstandet, da die Sitze na-hezu unbrauchbar sind und die umgerüsteten Lkw nur be-grenzt eingesetzt werden können. Er hat die Beschaffungweiterer Sitzmodule nicht für notwendig gehalten, weildie Bundeswehr im Inland über ausreichende Transport-kapazitäten verfügt. Bei schlechter Sicherheitslage kön-nen die bis zu 30 Jahre alten Lkw im Ausland nicht einge-setzt werden, weil sie nicht geschützt sind. DerBundesrechnungshof hat deshalb empfohlen, keine weite-ren Lkw mit Sitzmodulen auszustatten und die noch nichtumgerüsteten Lkw auszusondern.

32.3

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass die umge-rüsteten Lkw nur im Rahmen des unmittelbaren militäri-schen Auftrages und der dafür erforderlichen Ausbildungverwendet werden dürfen. Auch die zusätzlichen Kostenfür die Miete von Bussen hat es bestätigt. Die Hauptauf-gabe der Sitzmodule, die das Bundesministerium als „si-chere Beförderung von Soldatinnen und Soldaten auf derLadefläche von Lkw“ beschreibt, werde aber erfüllt. Eswill daher nicht darauf verzichten, weitere Sitzmodule zubeschaffen und die Lkw damit auszustatten. Sie seien un-verändert erforderlich. Der Verzicht auf die Sitzmodulewürde zu Qualitätseinbußen in der Ausbildung führen.

Zur Verwendung der umgerüsteten Lkw im Auslandsein-satz hat es geltend gemacht, derzeit käme auf dem Balkaneine hohe Anzahl ungeschützter Fahrzeuge zum Einsatz.Darunter seien auch 33 Lkw mit den neuen Sitzen. Aufdie Transportkapazität dieser Fahrzeuge könne auf abseh-bare Zeit nicht verzichtet werden.

Der finanzielle Aufwand für die Ausstattung der Lkw mitSitzmodulen beläuft sich aus Sicht des Bundesministe-riums auf rund 1,1 Mio. Euro. Die Kosten der Instandset-zung der Lkw sind hierin nicht enthalten.

32.4

Der Bundesrechnungshof hält die Einwände des Bundes-ministeriums nicht für überzeugend. Die geltend gemach-ten Qualitätseinbußen in der Ausbildung sieht er nicht.Schließlich stehen im Inland ausreichende Transportka-pazitäten zur Verfügung. Weiterhin decken die 375 bereitsmit Sitzmodulen ausgestatteten Lkw aus seiner Sicht denBedarf für den unmittelbaren militärischen Auftrag, z. B.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 185 – Drucksache 16/7100

für die Ausbildung an Truppenschulen und Übungsfahr-ten auf Truppenübungsplätzen.

Der Bundesrechnungshof sieht sich in seiner Auffassungbestätigt, dass keine weiteren ungeschützten Lkw fürAuslandseinsätze umgerüstet werden sollen. Schließlichsetzt die Bundeswehr im Ausland nur 33 von 375 bereitsumgerüsteten Lkw ein und benötigt dort auch keine wei-teren.

Der Bundesrechnungshof hält es weiterhin für sachge-recht, die Kosten für die Instandsetzung der alten Lkw beider Berechnung des gesamten finanziellen Aufwandesder Umrüstung auf Sitzmodule zu berücksichtigen. Ohnedie Umrüstung besteht kein Anlass, die Lkw weiter zunutzen.

Der Bundesrechnungshof hält an seiner Empfehlung fest,keine weiteren Sitzmodule zu beschaffen und die Lkwauszusondern.

33 Planungsmängel führen zu unzweck-mäßiger Ersatzteilbevorratung bei der Luftwaffe(Kapitel 1419)

33.0

Seit 20 Jahren ist es der Luftwaffe nicht gelungen, einstandardisiertes Verfahren zur Ermittlung des sogenann-ten Ersatzteilerstbedarfs einzuführen. Mit einem solchenVerfahren könnte sie kostengünstig die Einsatzbereit-schaft von Waffensystemen in der ersten Zeit der Nutzungsichern. Stattdessen erhöhten unterschiedliche Verfahrendas Risiko von Fehlentscheidungen bei der Beschaffungder Ersatzteilvorräte. Dennoch verzichtete die Luftwaffeselbst bei besonders teuren Ersatzteilen auf eine Evaluie-rung ihrer Planungen. Zudem zog sie keinen erkennbarenNutzen aus einer im Jahre 1991 eingeführten Softwarezur Festlegung des Ersatzteilerstbedarfs, obwohl derenEinführung und Pflege bisher Ausgaben von rund5,5 Mio. Euro verursachten.

33.1

Werden neue Waffensysteme in Betrieb genommen, so istein bestimmter Erstvorrat an Ersatzteilen notwendig, umihre Einsatzbereitschaft in der ersten Zeit sicherzustellen.Umfang und Zusammensetzung dieses Vorrats sind vontaktischen, logistischen, wirtschaftlichen und technischenGesichtspunkten abhängig. Da zu Beginn der Nutzunghäufig nur lückenhafte Informationen über die neu einge-führten Waffensysteme vorliegen, enthält die Festlegungdes Bedarfs an Ersatzteilen für den Erstvorrat (Ersatzteil-erstbedarf) Risiken. Diese können auf unterschiedlicheWeise gemindert werden, z. B. durch vorheriges Fest-schreiben des Konstruktionsstandes. Dies sichert diegleichbleibende Ausführung der Waffensysteme und derzugehörigen Ersatzteile für die vorgesehene Nutzungs-dauer.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Köln im Jahre 2006 die Fest-legung des Ersatzteilerstbedarfs durch die Luftwaffe. DiePrüfung ergab:

Im Jahre 1987 hatte die Luftwaffe festgestellt, dass eindokumentiertes und für alle Beteiligten verbindlichesVerfahren zur Festlegung des Ersatzteilerstbedarfs fehlte.Seitdem plante und versuchte sie, ein solches Verfahreneinzuführen.

Die punktuellen Regelungen, auf deren Grundlage dieLuftwaffe den Ersatzteilerstbedarf berechnete, variiertenje nach Waffensystem. Eine detaillierte Anweisung, wiebei der Festlegung des Ersatzteilerstbedarfs grundsätzlichvorzugehen ist, gab es nicht. So unterschied die Luftwaffenicht die jeweilige Bedeutung der taktischen, logisti-schen, wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkte.Die Gründe für ihre Entscheidungen über Art und Mengeder voraussichtlich benötigten Ersatzteile dokumentiertesie nicht. Weiterhin legte die Luftwaffe den Ersatzteilerst-bedarf fest, obwohl der Konstruktionsstand der Waffen-systeme noch nicht festgeschrieben war. Sie bevorrateteso Ersatzteile, für die mehr als zehn Jahre kein Bedarfentstand, und gab die für die Ersatzteilbeschaffung erfor-derlichen Haushaltsmittel unnötig früh aus. Auf der ande-ren Seite konnte die Luftwaffe nicht ausschließen, dass zuwenige Ersatzteile für den Erstvorrat beschafft wurden.Selbst bei besonders teuren Ersatzteilen verzichtete siedarauf, ihre Planungen zu evaluieren und so die aus derEinführung von Waffensystemen gewonnenen Erfahrun-gen für künftige Projekte zu nutzen.

Seit dem Jahre 1991 stand der Luftwaffe eine handels-übliche Software zur Verfügung, mit der die Festlegungdes Ersatzteilerstbedarfs unterstützt werden sollte. DerKauf, die Einführung und die ständige Aktualisierung derSoftware sowie das Personal der hierfür eingerichtetenProjektgruppe verursachten bisher Ausgaben von rund5,5 Mio. Euro. Die Luftwaffe setzte jedoch die Softwarenur in Einzelfällen ein und zog hieraus keinen erkennba-ren Nutzen.

33.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassdie Festlegung des Ersatzteilerstbedarfs ohne ein standar-disiertes Verfahren nachteilige Auswirkungen hatte. Sowaren die zuständigen Bearbeiterinnen und Bearbeitergezwungen, durch persönliche Erfahrungen und subjek-tive Annahmen geprägte, individuelle Entscheidungen zutreffen. Diese waren zudem nicht mehr nachvollziehbar,da sie nicht dokumentiert waren. Mögliches Verbesse-rungspotenzial für zukünftige Entscheidungsverfahrenwar weder zu erkennen noch zu erschließen.

Weiterhin hat der Bundesrechnungshof kritisiert, dass dieLuftwaffe mit der Festlegung des Ersatzteilerstbedarfsvor der Festschreibung des Konstruktionsstandes die ver-meidbaren Risiken der Beschaffung falscher Ersatzteileoder falscher Mengen in Kauf genommen hat.

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Drucksache 16/7100 – 186 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes konnte derVersuch der Luftwaffe, mit Hilfe einer Software die Fest-legung des Ersatzteilerstbedarfs zu optimieren, bishernicht überzeugen. Mit einer eher zufälligen Anwendungder Software, deren Ergebnisse bei der Bedarfsfestlegungdann unberücksichtigt bleiben, sind die bislang angefalle-nen Ausgaben von rund 5,5 Mio. Euro nicht zu rechtferti-gen.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen,

● ein standardisiertes Verfahren zur Festlegung des Er-satzteilerstbedarfs zeitnah einzuführen,

● das Risiko von Fehlentscheidungen aufgrund einesnicht festgeschriebenen Konstruktionsstandes zu ver-meiden,

● die Nutzung der Software dann umfassend zu regeln,wenn es sich nachweisbar um ein geeignetes Unter-stützungsmedium innerhalb des standardisierten Ver-fahrens handelt.

33.3

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat die Mängel eingeräumt und sein Vorgehen da-mit gerechtfertigt, dass es den Ersatzteilerstbedarf schonwegen der teilweise langen Lieferzeiten frühzeitig festle-gen müsse. Das Risiko von Fehlentscheidungen in dieserfrühen Phase werde durch gezielte Auswahl der Ersatz-teile und Festlegung der Stückzahlen minimiert. Vor al-lem bei besonders teuren Ersatzteilen würden die Risikensorgfältig abgewogen. Die Festlegung des Ersatzteilerst-bedarfs vor Festschreibung des Konstruktionsstandes seiinsbesondere dann erforderlich, wenn es sich um interna-tionale Projekte handele.

Das Bundesministerium hat zugesagt, künftig umfassendzu regeln, wie die im Jahre 1991 eingeführte Software ineinem standardisierten Verfahren zur Festlegung des Er-satzteilerstbedarfs zu nutzen ist.

33.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium die Nutzung der Software als Unterstüt-zungsmedium verbindlich regeln will. Die Software kannaber nur ein Baustein in einem standardisierten Verfahrenzur Ermittlung des Ersatzteilerstbedarfs sein. Erst stabileProzesse mit klaren Handlungsvorgaben sind geeignet,die mit der Festlegung des Ersatzteilerstbedarfs beauf-tragten Organisationseinheiten zu entlasten. Anhand einereinheitlichen Dokumentation der Entscheidungen könntedie Luftwaffe diese nachvollziehbar machen. Mit der soerreichten Transparenz würde sie über eine Grundlage fürdie Erfolgskontrolle verfügen, um Planungsfehler erken-nen und analysieren zu können. Das Risiko von Fehlent-scheidungen könnte verringert werden.

Inwieweit die vom Bundesministerium angekündigteMaßnahme in der Praxis Erfolg haben wird, bleibt abzu-warten.

34 Geplante Organisation der Eurofighter-Geschwader ist rund 1,2 Mrd. Euro zu teuer

34.0

Die Bundeswehr beabsichtigt, bis zur Mitte des nächs-ten Jahrzehnts 180 Kampfflugzeuge des Typs Euro-fighter zu beschaffen. Sie plant, die Flugzeuge in fünfLuftwaffengeschwadern zu organisieren und sieht dafürrund 5 800 Dienstposten vor. Erfahrungen der Marinemit dem Kampfflugzeug Tornado haben gezeigt, dass ineinem Geschwader eine weit höhere als die von der Luft-waffe geplante Anzahl derartiger Kampfflugzeuge betrie-ben werden kann. Daher wären drei Eurofighter-Ge-schwader ausreichend. Würde zudem das jährlicheAufkommen an Flugstunden realistisch geplant, könnteninsgesamt rund 70 Mio. Euro Personalausgaben pro Jahreingespart werden. Über die geplante Nutzungszeit desEurofighter von 25 Jahren ergeben sich so abgezinst Ein-sparmöglichkeiten von rund 1,2 Mrd. Euro.

34.1

Die Bundeswehr beabsichtigt, bis zur Mitte des nächstenJahrzehnts 180 Kampfflugzeuge des Typs Eurofighter zubeschaffen und diese in fünf Geschwadern der Luftwaffezu betreiben. Hierzu sieht sie rund 5 800 Dienstposten fürSoldatinnen und Soldaten sowie für Zivilbeschäftigte vor.Für zwei Geschwader sind ausschließlich Aufgaben imRahmen der Luftverteidigung der NATO vorgesehen. Inden drei übrigen Geschwadern soll der Eurofighter nebenden Luftverteidigungsaufgaben auch Luftangriffsaufga-ben übernehmen, die heute noch Kampfflugzeugen desTyps Tornado obliegen. Zu jedem der fünf Geschwadersoll ein Flugplatz gehören. Auf diesen Flugplätzen be-treibt die Luftwaffe zurzeit ebenfalls fünf Geschwader,die noch überwiegend mit anderen Kampfflugzeugen aus-gerüstet sind.

Der Bundesrechnungshof untersuchte im Jahre 2006 diePlanungen zur Aufbauorganisation und die Personalbe-darfsermittlung für den Betrieb des Eurofighter undstellte fest:

34.1.1

Für jedes Eurofighter-Geschwader sind rund 1 130 Dienst-posten geplant. Darüber hinaus sieht die Bundeswehr füralle Geschwader gemeinsam eine Planungsreserve von180 Dienstposten vor.

Jedes Geschwader soll aus einem Stab sowie einer Flie-genden und einer Technischen Gruppe bestehen. Zur Flie-genden Gruppe gehören ein Stab für Koordinations- undSpezialaufgaben, zwei Fliegende Staffeln mit den Pilotin-nen und Piloten sowie eine Flugbetriebsstaffel, die denBetrieb des Flugplatzes sicherstellt. Die TechnischeGruppe besteht aus einem Stab, einer Wartungs- und Waf-fenstaffel, einer Elektronik- und Instandsetzungsstaffelsowie aus einer Nachschub- und Transportstaffel. Etwa400 Dienstposten für fliegendes und technisches Personal

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 187 – Drucksache 16/7100

sind von den jährlich geleisteten Flugstunden abhängig.Rund 200 Dienstposten sind für den Betrieb des Flugplat-zes vorgesehen. Die übrigen rund 530 Dienstposten einesGeschwaders sind für Koordinations- und Spezialaufga-ben erforderlich.

In Diepholz, Jever, Trollenhagen und Erding betreibt dieLuftwaffe bereits jetzt Flugplätze ohne eine Geschwader-organisation. Dort sind sogenannte Fliegerhorststaffelnmit durchschnittlich knapp 200 Dienstposten eingerichtet.

Nach den bisherigen Planungen soll jedes der fünf Euro-fighter-Geschwader mit 35 Flugzeugen ausgestattet wer-den. Die verbleibenden fünf der 180 Eurofighter sind fürdie technische Ausbildung und Erprobung vorgesehen. DieEurofighter-Flotte soll jährlich zusammen 30 450 Flug-stunden erbringen. Auf jedes Geschwader entfallen damitim Durchschnitt 6 090 Flugstunden pro Jahr.

Im Gegensatz dazu waren die Marinefliegergeschwadermit bis zu 60 Kampfflugzeugen des Typs Tornado ausge-stattet, der dem Eurofighter an fliegerischem Anspruchund technischer Komplexität nicht nachsteht. Das Mari-nefliegergeschwader 2 flog damit im Jahre 1997 rund10 500 Flugstunden.

34.1.2

Das Jahressoll von 30 450 Flugstunden, das für die Euro-fighter-Flotte ab dem Jahre 2018 geplant ist, leitete dieLuftwaffe aus technisch-logistischen Vorgaben ab. Diesesind seit über zehn Jahren gültig und waren Grundlage fürdie Entwicklung und Beschaffung des Eurofighter. Perso-nell plante die Luftwaffe jedoch für ein Jahressoll von36 845 Flugstunden. Die Ausbildungskapazität und dieAnzahl des fliegenden Personals sowie der Berufssolda-tinnen und Berufssoldaten orientierten sich an dieserGröße.

Um schon anhand weniger Flugzeuge abschätzen zu kön-nen, ob das Jahresflugstunden-Soll langfristig erreichtwird, definierte die Luftwaffe Kennzahlen. Entscheidendist die Kennzahl „Flugstunden pro Luftfahrzeug desBuchbestandes und Jahr“. Für diese Kennzahl gab dieLuftwaffe Sollwerte für 15 Jahre vor. Diese Sollwertpla-nung korrigiert sie jährlich, bislang in der Regel nach un-ten. Gleichwohl wurden die mittelfristigen Sollwerte derletzten Jahre höchstens zu 50 % erreicht. Den im Jahre2005 für das Jahr 2006 festgelegten Sollwert erreichte dieLuftwaffe zu weniger als 60 % (vgl. Abbildung 1).

A b b i l d u n g 1

Flugstunden pro Eurofighter (des Buchbestandes) und Jahr

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 ff.

Jahr

250

200

150

100

50

0

Flu

gstu

nden

Planungsstand 2003/2004 Planungsstand 2005 Planungsstand 2006 Erhöhung langfristige Zielgröße Istwerte

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Drucksache 16/7100 – 188 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

34.2

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes sind für denEinsatz und den Betrieb der geplanten 180 Eurofighterdrei Geschwader ausreichend. Wie die Luftwaffe selbstbereits zeigt, erfordert nicht jeder Flugplatz eine ganzeGeschwaderorganisation, sondern es kann auch eine Flie-gerhorststaffel ausreichen. Ferner ist die scharfe Abgren-zung zwischen Luftverteidigungs- und Luftangriffsge-schwadern nicht mehr notwendig, da die Eurofightermehrrollenfähig sein werden.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministerium derVerteidigung (Bundesministerium) daher empfohlen, nurnoch auf drei der fünf Flugplätze eine Geschwaderorganisa-tion für den gemeinsamen Betrieb der Eurofighter im Luft-angriff und in der Luftverteidigung vorzusehen. Die übrigenbeiden Flugplätze sollten mit einer Fliegerhorststaffel aus-gestattet werden. So könnten rund 1 000 Dienstposten ein-

gespart werden. Ab dem Jahre 2018 entfielen bei dreiGeschwadern jährlich 10 150 Flugstunden auf jedes Ge-schwader. Dies wären immer noch weniger als die vomMarinefliegergeschwader 2 im Jahre 1997 geflogenen10 500 Flugstunden.

Darüber hinaus hat der Bundesrechnungshof empfohlen,die personelle Ausstattung der Eurofighter-Geschwaderan das Jahressoll von 30 450 Flugstunden anzupassen undhierdurch weitere 350 Dienstposten einzusparen. Dielangfristigen Planungen zur Ausbildungskapazität sowiezur Personalstärke sollten sich an dieser Obergrenze aus-richten.

Wird die Personalstruktur entsprechend angepasst (vgl.Abbildung 2), können jährlich rund 70 Mio. Euro Perso-nalausgaben eingespart werden. Über eine Nutzungs-dauer des Eurofighter von 25 Jahren summiert sich dieAusgabenersparnis abgezinst auf rund 1,2 Mrd. Euro.

A b b i l d u n g 2

Personalbedarf für den Betrieb des Eurofighter

0

1 000

2 000

3 000

4 000

5 000

6 000

7 000

An

za

hl

Die

nst

po

sten

Planung BMVg Vorschlag BRH Planung BMVg Vorschlag BRH

Jahr 2012 Jahr 2018

Betrieb Flugplatz Flugstundenabhängige Dienstposten Geschwaderorganisation

Erhöhung Jahresflugstunden-Soll Planungsreserve

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189 – Drucksache 16/7100

34.3

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass Synergieninsbesondere beim Personal zu erzielen wären, wenn Ein-satzverbände zusammengefasst würden. Werde die ge-plante Anzahl der Eurofighter-Geschwader reduziert, sobeeinträchtige dies aber die Einsatzbereitschaft. Genü-gend Führungs- und Funktionspersonal mit hinreichenderDurchhaltefähigkeit könne nur gestellt werden, wenn auffünf Geschwader zurückgegriffen werde. Nur dann könn-ten zudem alle Lufträume verzugsarm erreicht und eineübermäßige regionale Konzentration der Umweltbelas-tung durch Flugbetrieb vermieden werden. Eine solchkonzentrierte Umweltbelastung sei beim Marineflieger-geschwader 2 nur wegen der Ost-West-Konfrontation inMitteleuropa hinnehmbar gewesen. Ferner verfügtennicht alle Fliegerhorststaffeln über ausreichend Dienst-posten, um den Schichtbetrieb eines Einsatzverbandes invollem Umfang zu unterstützen.

Der Empfehlung des Bundesrechnungshofes, die geplantepersonelle Ausstattung an das Jahresflugstunden-Sollanzupassen, will das Bundesministerium im Grundsatzfolgen. Es hat aber gleichzeitig angekündigt, dieses Jah-ressoll ab dem Jahre 2018 von 30 450 Flugstunden auf35 200 Flugstunden zu erhöhen. Dass die bisherigenPlanwerte bis heute in keinem Fall erreicht worden sind,sei hierbei unerheblich, da dies durch die verminderteAnzahl von Flugzeugen im Geschwader und Ersatzteil-probleme begründet sei. Im Juni 2007 hat das Bundesmi-nisterium nachträglich mitgeteilt, dass es das Jahressollnunmehr sogar auf 35 904 Flugstunden erhöhen werde,und zwar schon ab dem Jahre 2017.

34.4

Auch wenn bei drei verbleibenden Geschwadern das Füh-rungs- und Funktionspersonal für mögliche Auslandsein-sätze verstärkt werden müsste, erwartet der Bundesrech-nungshof bei diesem Organisationsmodell erheblicheEinsparungen. Im Übrigen steht für solche Verstärkungenauch die Planungsreserve zur Verfügung. An der Luft-raumnutzung und der Verteilung der Umweltbelastungändert sich grundsätzlich nichts, weil alle fünf Flugplätzeweiter genutzt werden. Auch die durchschnittliche Stärkeder Fliegerhorststaffeln hat der Bundesrechnungshof beiseinem Kostenvergleich mit 200 Dienstposten ausrei-chend hoch angesetzt. Denn dies entspricht der Zahl, diein den Eurofighter-Geschwadern für die entsprechendenAufgaben vorgesehen ist. Die derzeit kleinste Flieger-horststaffel in Diepholz verfügt dagegen nur über122 Dienstposten.

Der Bundesrechnungshof bleibt daher bei seiner Empfeh-lung, nur noch auf drei der fünf Flugplätze eine Geschwa-derorganisation für den Betrieb des Eurofighter vorzuse-hen und den Personalumfang der Luftwaffe entsprechendzu reduzieren.

Soweit das Bundesministerium Verfügbarkeits- und Er-satzteilprobleme als Begründung dafür anführt, dass dietatsächlichen Jahresflugstunden bislang weit hinter denPlanwerten zurückbleiben, überzeugt dies den Bundes-rechnungshof nicht. Eine fiktive Korrektur der maßgebli-chen Kennzahl unter diesem Gesichtspunkt wirkte sichnur unerheblich aus. Der kurzfristige Planungswert würde

dann nicht zu knapp 60 %, sondern zu 65 % erreicht. Obangesichts der bisherigen Flugleistungen überhaupt daslangfristige Jahressoll von 30 450 Flugstunden erreichtwerden kann, ist fraglich. Es ist deshalb nicht nachvoll-ziehbar, dass das Bundesministerium dieses offenbar oh-nehin zu hoch angesetzte Soll noch weiter erhöhen will.Der Bundesrechnungshof hält daher auch seine Empfeh-lung aufrecht, die langfristigen Planungen zur Ausbil-dungskapazität sowie zur Anzahl des fliegenden Perso-nals sowie der Berufssoldatinnen und Berufssoldaten andem bisherigen Jahressoll von 30 450 Flugstunden auszu-richten. Die personelle Ausstattung der Geschwadersollte entsprechend reduziert werden.

35 Trotz freier militärischer Kapazitäten 2 Mio. Euro für gewerbliche Luftab-fertigung ausgegeben(Kapitel 1403)

35.0

Die Bundeswehr hat bislang weder ihren Bedarf an Luft-umschlagleistungen umfassend ermittelt noch konzeptio-nell festgelegt, wie er durch eigene oder gewerbliche Ka-pazitäten zu decken ist. Obwohl die Luftumschlagkräfte derLuftwaffe pro Jahr rund 10 Mio. Euro kosten, lastet dieBundeswehr sie seit Jahren nicht aus. Sie beauftragte viel-mehr in den Jahren 2005 und 2006 gewerbliche Anbietermit der Abfertigung von Lufttransporten nach Afghanistan.Dafür gab sie insgesamt rund 2 Mio. Euro aus, einen Be-trag, der wegen überhöhter Pauschalen zudem vermeid-bare Mehrausgaben von etwa 600 000 Euro enthielt.

35.1

In den letzten Jahren stiegen mit zunehmender Beteili-gung der Bundeswehr an Auslandseinsätzen die Bedeu-tung und die Kosten des Lufttransports. Dies gilt auch fürden sogenannten Luftumschlag, worunter die Bundes-wehr das Vorbereiten und Abfertigen eines Luftfahrzeugesund seiner Ladung (einschließlich des Be- und Entladensmit Personen oder Fracht) versteht (vgl. Abbildung 1).

A b b i l d u n g 1

(© Bundeswehr/PrInfoZLw)

Militärischer Luftumschlag

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Drucksache 16/7100 – 190 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Köln im Jahre 2006 den mili-tärischen Luftumschlag und stellte fest:

Die Bundeswehr ermittelte im Jahre 2002, wie viel Perso-nal und Material sie in Einsatzgebiete verlegen könnenmuss. Anhand dieser Daten bestimmte sie zwar die fürden Seetransport notwendigen Umschlagdaten und -leis-tungen. Entsprechende Daten für den Lufttransport ermit-telte sie aber nicht. Gleichwohl wies sie in ihren Organi-sationsbereichen „Luftwaffe“ und „Streitkräftebasis“Kräfte und Mittel für den Luftumschlag im Detail aus.Allein bei der Luftwaffe sind hierfür insgesamt 268 Per-sonen vorgesehen, die auf vier Lufttransportverbände auf-geteilt sind. Die Personalkosten betragen rund 10 Mio.Euro pro Jahr.

Die meisten Luftumschlagkräfte der Luftwaffe sind beider Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Vertei-digung (Bundesministerium) in Köln-Wahn eingesetzt.Die Auslastung im Bereich Frachtumschlag lag dort inden Jahren 1998 bis 2006 bei durchschnittlich 54 % derLeistungsvorgabe, wobei sie in sechs Jahren dieses Zeit-raums unter 40 % lag (vgl. Abbildung 2). Für die anderendrei Lufttransportverbände stellte die Luftwaffe keineLeistungsvorgaben auf. Verglichen mit der Leistungsvor-gabe der Flugbereitschaft des Bundesministeriums lag dieJahresumschlagleistung je Dienstposten in diesen Luft-transportverbänden in den Jahren 2001 bis 2005 imDurchschnitt bei etwa einem Fünftel. Ungeachtet dieserAuslastungsgrade bei der Luftwaffe begann die Streit-kräftebasis, zusätzliche Luftumschlagkräfte aufzustellen.

A b b i l d u n g 2

Auslastung Frachtumschlag bei der Flugbereitschaft des Bundesministeriums

* International Security Assistance Force (Einsatz in Afghanistan).** Fiktive Auslastung, da gewerblich abgefertigt.*** Einschließlich Personalverstärkung und angeordneter Überstunden.

Fracht ISAF* (militärisch abgefertigt) Fracht ISAF* (gewerblich abgefertigt)** sonstige FrachtMaximalkapazität*** Leistungsvorgabe

Jahr

1998 1999 2001 2002 2003 2004 2005 20062000

Pro

zen

t d

er L

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0

24

48

72

96

168

144

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500

1 000

1 500

2 000

2 500

3 000

3 500

4 000

To

nn

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pro

Mo

na

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fiktive Auslastung

100 %

174 %

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 191 – Drucksache 16/7100

Seit Jahren beauftragt die Streitkräftebasis zivile Unter-nehmen mit dem Lufttransport von Material nach Afgha-nistan. Von Januar 2002 bis Mitte 2005 übernahm dieLuftwaffe den Luftumschlag bei den gewerblichen Flug-zeugen. Sie lastete so ihre Kapazitäten besser aus; dieBundeswehr sparte dadurch (nach Angaben der Streit-kräftebasis) Ausgaben von rund 2,3 Mio. Euro ein. Trotzunveränderter Auslastung entschied die Luftwaffe, da-nach grundsätzlich keine gewerblichen Flugzeuge mehrabzufertigen, weil dies nicht zu ihrem Auftrag gehöre.Daraufhin nutzte die Streitkräftebasis neben ihren eige-nen auch gewerbliche Luftumschlagkräfte. Insgesamtkam es so bis Ende 2006 zu Mehrausgaben von rund2 Mio. Euro.

Ein Teil dieser Mehrausgaben entstand dadurch, dass dieBundeswehr von der Einzel- zur Pauschalabrechnungwechselte. Bis Februar 2006 bezahlte sie nach tatsächli-chem Aufwand. Das Be- und Entladepersonal für dieFremdabfertigung eines Flugzeugs kostete demnach imDurchschnitt etwa 1 000 Euro. Ohne dies auszuwerten,vereinbarte die Bundeswehr im Anschlussvertrag für jedeAbfertigung eine Pauschale von 2 000 Euro. Die Mehraus-gaben beliefen sich im Jahre 2006 auf rund 600 000 Euro.

35.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass dieBundeswehr seit Jahren den Luftumschlagbedarf nicht er-mittelt und so nicht in der Lage ist, die militärischen Luft-umschlagkräfte ausreichend auszulasten. Er hat Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen zum optimalen Mix vonbundeswehreigenen Luftumschlagkräften und gewerbli-chen Luftumschlagleistungen vermisst. Dagegen hat eranerkannt, dass die Luftwaffe bei der Flugbereitschaft desBundesministeriums Leistungsvorgaben für den Luftum-schlag gemacht hat.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, den Luftum-schlagbedarf umgehend zu ermitteln, auch bei den ande-ren Lufttransportverbänden Leistungsvorgaben einzufüh-ren und die Leistungsvorgaben bei der Flugbereitschaftan den tatsächlichen Bedarf anzupassen. Dabei sollte sichder Personalumfang aus einem wirtschaftlichen Mix voneigenen und kurzfristig verfügbaren gewerblichen Kapa-zitäten ergeben. Durch eine angemessene Reduzierungder eigenen Kapazitäten, die sich an der Auslastung derletzten Jahre orientiert, könnten Personalkosten von rund1 Mio. Euro pro Jahr eingespart werden.

Weiterhin hat der Bundesrechnungshof bemängelt, dassdie Bundeswehr in den Jahren 2005 und 2006 Haushalts-mittel für gewerbliche Luftumschlagleistungen aufge-wandt hat, obwohl die militärischen Kapazitäten nach wievor nicht ausgelastet waren. Dabei kannte die Bundes-wehr durch frühere Berechnungen das beachtliche Ein-sparpotenzial. Ursächlich für die mangelhafte Auslastungsind nach Auffassung des Bundesrechnungshofes die ge-teilten Zuständigkeiten von Luftwaffe (Kapazitätsauslas-tung) und Streitkräftebasis (Sicherstellung des Transpor-

tes) sowie der fehlende Auftrag für die militärischenLuftumschlagkräfte, auch gewerbliche Transportflüge ab-zufertigen.

Der Bundesrechnungshof hat deswegen empfohlen, dieZuständigkeiten auf eine Dienststelle zu konzentrieren.Des Weiteren sollte der Auftrag militärischer Luftum-schlagkräfte so ergänzt werden, dass sie bei freien Kapa-zitäten auch gewerbliche Flugzeuge abfertigen.

Schließlich hat der Bundesrechnungshof kritisiert, dassdie Bundeswehr eine überhöhte Pauschale für gewerbli-ches Be- und Entladepersonal vereinbart hat, ohne dievorliegenden Abrechnungsdaten ausgewertet zu haben.Er hat bereits Mitte 2006 empfohlen, umgehend eine Re-duzierung der Pauschale anzustreben und außerdem so-fort wieder auf freie Kapazitäten der Flugbereitschaft desBundesministeriums zurückzugreifen.

35.3

Das Bundesministerium hat bestätigt, dass der Bedarf anmilitärischer Luftumschlagkapazität errechnet werdenkann, und die geringe Auslastung der Luftumschlagkräfteder Luftwaffe eingeräumt. Es hat deshalb zugesichert,Bedarf und Kapazitäten zu untersuchen und dabei diekonzeptionellen Vorgaben und die Wirtschaftlichkeit zuberücksichtigen. Anhand der Ergebnisse solle anschlie-ßend der optimale Mix von militärischen und gewerbli-chen Kapazitäten festgelegt werden. Ob personelle Ein-sparungen in der vom Bundesrechnungshof empfohlenenHöhe möglich seien, könne es aber noch nicht absehen.

Eine Änderung der Zuständigkeiten beim Luftumschlaghält das Bundesministerium nicht für geboten. Um Wirt-schaftlichkeitsaspekten Rechnung zu tragen, könne dieStreitkräftebasis bei der Luftwaffe nach freien militäri-schen Luftumschlagkräften fragen, bevor sie gewerblicheKräfte beauftragt. Auch könne der Auftrag der Luftwaffenicht generell um die Abfertigung gewerblicher Lufttrans-porte ergänzt werden, da daraus zusätzliche Personal- undMaterialforderungen ableitbar wären. Das Bundesminis-terium hat gleichwohl zugesagt, freie militärische Kapa-zitäten umgehend auszulasten, um unnötige Ausgaben fürgewerblichen Luftumschlag zu vermeiden.

Zum laufenden Vertrag über gewerbliche Luftumschlag-leistungen hat das Bundesministerium ausgeführt, dieBundeswehr habe nach Auswertung mehrerer Angebotesowohl den günstigsten Gesamtpreis als auch die güns-tigste Pauschale für die Be- und Entladung vereinbart.Vor Erteilung des Zuschlags habe sie die Angemessenheitder Preise geprüft und festgestellt, dass es sich um Markt-preise handele. Das Bundesministerium habe durch Nach-verhandlungen erreicht, dass die Pauschale zum 1. Sep-tember 2006 von 2 000 Euro auf 1 750 Euro reduziertwurde. Eigene Abrechnungsdaten habe es aber nicht aus-gewertet und werde dies auch künftig nicht tun, weil diePauschale das Ergebnis eines am Markt durchgeführtenwettbewerblichen Vergabeverfahrens sei.

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Drucksache 16/7100 – 192 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

35.4

Der Bundesrechnungshof bekräftigt seine Empfehlung,den Bedarf an Luftumschlagleistungen umgehend zu er-mitteln und anschließend den optimalen Mix von militäri-schen und gewerblichen Kapazitäten festzulegen. Ob-wohl die Notwendigkeit seit dem Jahre 2002 anerkannt istund ein Einsparpotenzial in Millionenhöhe besteht, liegtbis heute kein Ergebnis vor.

Der Bundesrechnungshof sieht seine Bewertung bestätigt,dass Zuständigkeit, Verfahren und Auftrag für den Luft-umschlag unzureichend geregelt sind. Trotz seiner Emp-fehlungen und weiterhin freier Kapazitäten bei der Luft-waffe sind auch im zweiten Halbjahr 2006 vermeidbareAusgaben von 500 000 Euro entstanden. Er empfiehlt,dafür die Ursachen und Verantwortlichkeiten zu klären.Die Befürchtung des Bundesministeriums, dass ein er-gänzter Auftrag für die militärischen Luftumschlagkräftezu zusätzlichen Forderungen führe, teilt der Bundesrech-nungshof nicht. Dies ist zu verhindern, indem festgelegtwird, dass gewerbliche Lufttransporte nur bei freien Ka-pazitäten abzufertigen sind.

In der Reduzierung der Pauschale für die gewerblichenLuftumschlagleistungen von 200 % auf 175 % der durch-schnittlichen Kosten bei Einzelabrechnung sieht der Bun-desrechnungshof lediglich einen ersten Schritt in die rich-tige Richtung. Eigene Abrechnungsdaten auszuwerten istder geeignete Weg zu prüfen, ob eine Pauschale angemes-sen ist. Der Durchschnittspreis aus den Einzelabrechnun-gen stellt dann die Obergrenze für die Pauschale dar, weilsonst die Einzelabrechnung die günstigere Variante ist.Der Bundesrechnungshof empfiehlt daher, bei künftigenVerträgen die Pauschale angemessen zu reduzieren oderwieder die Einzelabrechnung zu vereinbaren.

36 Konzentration der Objektschutzkräfte in der Streitkräftebasis notwendig

36.0

Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Objekt-schutzkräfte der Luftwaffe in einem neu eingerichtetenRegiment zusammengefasst, jedoch vollständig im Orga-nisationsbereich „Luftwaffe“ belassen. Wirksamer undwirtschaftlich sowie in Übereinstimmung mit wesentli-chen Prinzipien und Vorgaben der Konzeption der Bun-deswehr wäre es, auch die Objektschutzkräfte der Luft-waffe im Organisationsbereich „Streitkräftebasis“ zukonzentrieren. Dorthin wurden bereits Aufgaben des Ob-jektschutzes verlagert, die streitkräftegemeinsam wahrge-nommen werden können.

36.1

Alle Objektschutzkräfte der Bundeswehr haben gleicher-maßen in erster Linie folgende Aufgaben:

● Infanteristischer Objektschutz, d. h. vor allem Bewa-chen und Sichern militärischer Anlagen am Boden,

● Flugabwehr im Objektschutz, z. B. mit dem Flug-abwehr-Raketensystem Stinger,

● Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Be-drohungen,

● Brandschutz,

● Schadensbeseitigung und Kampfmittelbeseitigung.

Für diese Aufgaben werden sie überwiegend gemeinsamausgebildet.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Hannover die Wirtschaftlich-keit des Objektschutzes bei der Luftwaffe und stellte fest:

Innerhalb der Bundeswehr wurde im Jahre 2000 der Or-ganisationsbereich „Streitkräftebasis“ eingerichtet, umAufgaben und Fähigkeiten zu konzentrieren, die vorherbei Heer, Luftwaffe und Marine durch eigene Arbeitsbe-reiche mit gleichen Tätigkeitsfeldern geleistet wurden.Dadurch sollten unter anderem die Teilstreitkräfte vonUnterstützungstätigkeiten entlastet, Synergien gewonnenund die Flexibilität der Bundeswehr insgesamt erhöhtwerden.

Die Aufgaben des Objektschutzes erfüllen überwiegenddie Kriterien, um in der Streitkräftebasis zusammenge-fasst wahrgenommen zu werden. So wurden dorthininzwischen z. B. Teile der Kräfte zur Abwehr atomarer,biologischer und chemischer Bedrohungen sowie Kampf-mittelbeseitigungskräfte des Heeres verlagert.

Abweichend davon beließ das Bundesministerium derVerteidigung (Bundesministerium) alle Objektschutz-kräfte der Luftwaffe in deren Bereich. Als luftwaffenspe-zifische Einheiten wertete es sie organisatorisch auf, in-dem es Anfang Juli 2006 die zuvor in einem Bataillonund mehreren Geschwadern verteilten Kräfte in einemneu aufgestellten Objektschutzregiment mit drei Bataillo-nen zusammenfasste.

Die Objektschutzkräfte der Luftwaffe sind derzeit nurstark vermindert einsatzfähig. Denn ihnen stehen nichtalle benötigten Großgeräte (z. B. Bau- und Räumfahr-zeuge) zur Verfügung, für den Brandschutz haben sie zuwenig Personal und das Hauptwaffensystem zur Flugab-wehr ist nur eingeschränkt einsetzbar.

36.2

Der Bundesrechnungshof hat aufgezeigt, dass die Aufga-ben und Fähigkeiten der Objektschutzkräfte der Luft-waffe im Wesentlichen nicht luftwaffenspezifisch sind.Dies bestätigen auch die Erfahrungen aus den bisherigenEinsätzen. Nach seiner Auffassung benötigt die Luftwaffedaher keine eigenen Objektschutzkräfte, zumal wenndiese weder personell noch materiell hinreichend ausge-stattet werden können. Für wirksamer und wegen weite-rer Konzentrationsmöglichkeiten auch wirtschaftlich hälter es, diese Kräfte der Streitkräftebasis zuzuordnen. Ent-sprechend deren Aufgabenstellung sollten dort alle über-greifend einsetzbaren Objektschutzkräfte, ausgestattetmit dem notwendigen Personal und Material, für den ge-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 193 – Drucksache 16/7100

samten Objektschutz der Bundeswehr als Unterstützungs-aufgabe vorgehalten werden.

Der Bundesrechnungshof hat dazu auf die wesentlichenPrinzipien und Vorgaben der Konzeption der Bundeswehrverwiesen. Eine zentrale Forderung dieser Konzeption istein uneingeschränkt bundeswehrgemeinsames Denkenund Handeln. Nicht die Fähigkeiten der einzelnen Orga-nisationsbereiche sollen im Vordergrund stehen, sonderndie Fähigkeit der Bundeswehr als Ganzes. Dieser Ge-samtansatz soll auch dazu dienen, wirtschaftliches Han-deln zu fördern.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Objekt-schutzkräfte der Luftwaffe – wie bei vergleichbaren Kräf-ten des Heeres bereits geschehen – der Streitkräftebasiszuzuordnen.

36.3

Das Bundesministerium hat die Zuordnung der derzeitvon der Luftwaffe wahrgenommenen Objektschutzaufga-ben zur Streitkräftebasis abgelehnt. Es hat ausgeführt, dieObjektschutzkräfte der Luftwaffe seien hoch speziali-sierte, luftwaffenspezifische Kräfte. Sie nähmen nicht diegleichen wie die in der Streitkräftebasis konzentriertenSchutzaufgaben wahr. Vielmehr stellten sie das gesamteAufgabenspektrum der Luftwaffe im Objektschutz sicherund gewährleisteten den Eigenschutz der von den Luft-streitkräften genutzten Anlagen, auch im Einsatzgebiet.In diesem Zusammenhang hat das Bundesministerium aufluftwaffenbezogene Anteile an der Objektschutzausbil-dung verwiesen, die in erheblichem Umfang zwingenderforderlich seien.

Weiterhin hat das Bundesministerium die Ansicht vertre-ten, ohne umfassende eigene Objektschutzkräfte der Luft-waffe entstehe ein zu großer Koordinierungsaufwand mitder Streitkräftebasis bei Einsätzen der Luftstreitkräfte.Diese seien als „Mittel der ersten Stunde“ auf kurzfris-tigste Reaktionszeiten angewiesen. Eventuellen gering-fügigen Personaleinsparungen bei der Zentralisierung vonSchutzaufgaben stehe ein erhöhter Personalbedarf fürKoordinierungsaufgaben gegenüber; das könne insgesamtsogar zu Mehraufwand führen.

Schließlich hat das Bundesministerium auf die aus derKonzeption der Bundeswehr abgeleitete Neuausrichtungder Luftwaffe hingewiesen. Danach bleibe die organisato-rische Zusammenfassung von Sicherung, Flugabwehr imniederen Luftraum, Kampfmittelabwehr und -beseiti-gung, Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Be-drohungen, Brandschutz und Startbahnschnellinstandset-zung in den Objektschutzkräften erhalten. Sie sei auf dieBedürfnisse von Luftstreitkräften optimiert und werde ineinem Objektschutzregiment realisiert.

36.4

Die Argumente des Bundesministeriums überzeugen denBundesrechnungshof nicht.

Die behauptete hohe Spezialisierung der Objektschutz-kräfte der Luftwaffe stimmt mit den Prüfungsfeststellun-gen zu den tatsächlich anfallenden Aufgaben nicht über-ein. Dabei handelt es sich eher um Heeresaufgaben, wiez. B. infanteristische Sicherung, Flugabwehr im niederenLuftraum, Kampfmittelabwehr und -beseitigung, Abwehratomarer, biologischer und chemischer Bedrohungen,Brandschutz und Pionierarbeiten. Dieses Aufgabenspekt-rum kann ohne Qualitätsverluste von der Streitkräftebasiswahrgenommen werden. Soweit für spezielle Bereicheluftwaffenspezifische Anteile an der Objektschutzausbil-dung erforderlich sind, können diese ebenfalls innerhalbder Streitkräftebasis vermittelt werden. Eigene Objekt-schutzkräfte der Luftwaffe sind hierfür nicht notwendig.

Der Bundesrechnungshof sieht durchaus, dass eine Koor-dinierung zwischen Luftwaffe und Streitkräftebasis not-wendig ist, wenn die Objektschutzaufgaben bei letztererkonzentriert werden. Er kann allerdings nicht erkennen,dass dies zu nennenswertem zusätzlichem Aufwand füh-ren soll, der die wirtschaftlichen Vorteile einer Konzen-tration in Frage stellen könnte. Denn schon jetzt ist bei je-dem Einsatz der Luftwaffe die enge Zusammenarbeit mitdem Einsatzführungskommando der Streitkräftebasis– auch wegen weiterer Unterstützungsfunktionen – vonAnfang an unerlässlich.

Der Bundesrechnungshof bleibt daher bei seiner Empfeh-lung, alle Objektschutzkräfte, die derzeit noch der Luft-waffe zugeordnet sind, in der Streitkräftebasis zu konzen-trieren. Nur so ist sicherzustellen, dass der Objektschutzwirksam und zugleich wirtschaftlich wahrgenommenwird. Nur so wird auch den wesentlichen Forderungender Konzeption der Bundeswehr Rechnung getragen, un-eingeschränkt bundeswehrgemeinsam zu denken und aufdieser Grundlage wirtschaftlich zu handeln. Die Aussa-gen der Konzeption zur Neuausrichtung der Luftwaffe,die in der Grobstruktur noch ein Objektschutzregimentder Luftwaffe vorsehen, stehen der Empfehlung in derSache nicht entgegen. Denn die Konzeption ist ausdrück-lich ein „lebendes Dokument“, das kontinuierlich anzu-passen ist, wenn dynamische Entwicklungsprozesse es er-fordern.

37 Angebliche Privatisierungsvorteile behindern interne Optimierung einer Luftwaffenschule(Kapitel 1403)

37.0

Die Bundeswehr verspricht sich Vorteile von der Privati-sierung einer Luftwaffenschule. In ihrem Auftrag ent-wickelte ein externer Berater hierfür ein „Kooperations-modell“ und führte einen Wirtschaftlichkeitsvergleich miteinem „Optimierten Eigenmodell“ durch. Danach wiesdas Kooperationsmodell über einen Zeitraum vonzehn Jahren einen Kostenvorteil von rund 110 Mio. Euroauf. Der Wirtschaftlichkeitsvergleich enthielt jedochMängel, z. B. vernachlässigte er verschiedene Kosten-arten und ging von weit überhöhten Gewinnen aus Ge-

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Drucksache 16/7100 – 194 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schäften mit Dritten aus. Bei vollständiger Korrektur derMängel kehrt sich der Kostenvorteil um und liegt mitrund 105 Mio. Euro beim „Optimierten Eigenmodell“.Damit ist die geplante Privatisierung der Luftwaffen-schule unwirtschaftlich. Trotzdem nutzte das Bundes-ministerium der Verteidigung die erheblichen Einspar-möglichkeiten des „Optimierten Eigenmodells“ bishernicht, sondern hofft noch auf unrealistisch günstige Ange-bote privater Kooperationspartner.

37.1

Die Bundeswehr beabsichtigt seit dem Jahre 2000, eineLuftwaffenschule zu privatisieren – zunächst für einenZeitraum von zehn Jahren. Zuerst versuchte sie in zweiInteressenbekundungsverfahren erfolglos, einen geeigne-ten Anbieter zu finden. In einem solchen Verfahren wirdprivaten Anbietern die Möglichkeit gegeben darzulegen,ob und inwieweit sie staatliche Aufgaben ebenso gut oderbesser erbringen können als die öffentliche Hand. ImJahre 2004 entwickelte dann ein externer Berater im Auf-trag der Bundeswehr ein sogenanntes Kooperations-modell und führte einen Wirtschaftlichkeitsvergleich miteinem sogenannten Optimierten Eigenmodell durch. DerWirtschaftlichkeitsvergleich umfasste einen Zeitraum vonzehn Jahren. Das Kooperationsmodell fällt nach Auffas-sung des Beraters und der Bundeswehr unter die Öffent-lich-Privaten-Partnerschaften (auch genannt: Public-Private-Partnership) und wurde der interessierten Öffent-lichkeit bereits mehrfach als Vorzeigeprojekt vorgestellt.

Der Bundesrechnungshof untersuchte u. a. den Wirt-schaftlichkeitsvergleich und stellte fest:

Die Bundeswehr legte beim Optimierten Eigenmodellweitgehend die bisherige, kaum verbesserte Organisationder Luftwaffenschule sowie deren personelle und mate-rielle Ausstattung zugrunde. Gegenüber den erwartetenKosten von 546 Mio. Euro für die Schule in ihrer beste-henden Form errechnete sie so eine Einsparung vonknapp 2 Mio. Euro. Beim Kooperationsmodell ging derexterne Berater dagegen von einer umfassend optimiertenOrganisation aus. Danach sollten Aufgabenbereiche aus-gelagert, die Zahl der in der Schule tätigen Soldatinnenund Soldaten erheblich reduziert sowie die Lehrverpflich-tung pro Lehrerin und Lehrer deutlich erhöht werden.Darüber hinaus sollten beim Kooperationsmodell Perso-nal und Material der Schule durch Kunden außerhalb derBundeswehr besser ausgelastet und damit Umsatzerlösevon rund 100 Mio. Euro erzielt werden (sog. Drittmarkt-geschäft). Insgesamt sah der externe Berater beim Koope-rationsmodell einen Kostenvorteil von 110 Mio. Euro.

Die Prüfung des Wirtschaftlichkeitsvergleichs ergab imEinzelnen:

● Das Kooperationsmodell bezog organisatorische undpersonelle Rationalisierungspotenziale von 40 Mio.Euro ein. Inwieweit diese Rationalisierungspotenzialeauch beim Optimierten Eigenmodell zu erzielen wä-ren, untersuchte die Bundeswehr nicht.

● Beim Optimierten Eigenmodell war der Anteil derSoldatinnen und Soldaten zu hoch angesetzt und

führte zu Mehrkosten von 49 Mio. Euro. Außerdemwurde dort die langjährige Besetzungsquote militäri-scher Dienstposten nicht berücksichtigt, sondern stetsmit einer Vollbesetzung gerechnet.

● Remanenzkosten wurden nur für ziviles, nicht aber fürmilitärisches Personal berechnet. Remanenzkostenentstehen, wenn Personal weiter bezahlt werden muss,dessen Aufgaben durch Rationalisierung weggefallensind. Für Soldatinnen und Soldaten fallen sie vor al-lem beim Kooperationsmodell an.

● Die Kosten für die Ausbildung der Lehrerinnen undLehrer wurden beim Kooperationsmodell nicht einge-rechnet.

● Nachträglich wurde eine Sachkostenpauschale einge-führt, obwohl die Sachkosten bereits erfasst waren.Diese Pauschale verteuerte das Optimierte Eigen-modell einseitig um 44 Mio. Euro.

● Die Kosten des Kooperationsmodells verringerten sichdadurch, dass hohe Gewinne (70 % der Umsatzerlöse)und Nutzungsentgelte aus dem Drittmarktgeschäft an-teilig verrechnet wurden.

● Eine Risikobetrachtung, wie sie § 7 Abs. 2 der Bun-deshaushaltsordnung seit September 2005 bei allenfinanzwirksamen Maßnahmen des Bundes vorschreibt,fehlte.

37.2

Der Bundesrechnungshof hat Mitte 2006 auf die Mängeldes Wirtschaftlichkeitsvergleichs hingewiesen und demBundesministerium der Verteidigung (Bundesministe-rium) empfohlen, sie zu korrigieren. Insbesondere solltenicht von einer Beteiligung am Drittmarktgeschäft ausge-gangen werden, weil bisher weder eine bessere Auslas-tung der Schule noch die hohen Gewinnerwartungennachgewiesen sind. Folglich sollten die Erlöserwartungenaus dem Wirtschaftlichkeitsvergleich gestrichen werden.Ferner kann die Anzahl der erforderlichen Soldatinnenund Soldaten nicht vom Betriebsmodell der Luftwaffen-schule abhängen. Sie hängt vielmehr allein von dem sol-datischen Aufgabenumfang nach der Definition militäri-scher Kernaufgaben ab und ist daher für beide Modellegleich.

Der Bundesrechnungshof hat weiter angeregt, nach derKorrektur des Wirtschaftlichkeitsvergleichs zu prüfen, obgünstigere Preise der anbietenden Unternehmen erreich-bar sind, sodass das Kooperationsmodell gegenüber demOptimierten Eigenmodell wirtschaftlich wäre. Für denFall, dass dies nicht möglich erscheint, hat er empfohlen,die Kooperationsbemühungen umgehend einzustellen.Vor allem sollte dann auf eine Ausschreibung verzichtetwerden, um mögliche Schadensersatzansprüche der Bie-ter zu vermeiden. Stattdessen sollte in diesem Fall der Ist-Zustand kurzfristig verbessert werden. Rationalisie-rungspotenziale, die im Kooperationsmodell aufgezeigtwurden, sollten dann soweit möglich mit dem Optimier-ten Eigenmodell erschlossen werden.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 195 – Drucksache 16/7100

37.3

Das Bundesministerium hat Mängel beim Wirtschaftlich-keitsvergleich eingeräumt. Um diesen zu überarbeiten,hat es einen Arbeitsstab eingerichtet und auch den exter-nen Berater hinzugezogen.

Bei dieser Überarbeitung hat das Bundesministerium

● unrealistisch erscheinende Annahmen zu Rationalisie-rungspotenzialen beim Kooperationsmodell herausge-rechnet,

● die bei diesem Modell noch berücksichtigten Rationa-lisierungspotenziale auch beim Optimierten Eigenmo-dell eingerechnet und so dessen Kosten um 140 Mio.Euro gesenkt sowie

● die Sachkostenpauschale gestrichen.

Der externe Berater hat seinerseits errechnet, dass sichauch die Kosten des Kooperationsmodells um 58 Mio.Euro reduzierten. Er hat dies u. a. damit begründet, dassdie Sachkostenpauschale gestrichen und außerdem erheb-liche Kosten nunmehr dem Drittmarktgeschäft zugeord-net worden seien. Im Übrigen ist er nach wie vor vonerheblichen Gewinnen aus dem Drittmarktgeschäft aus-gegangen.

Im Saldo hat sich der behauptete Kostenvorteil desKooperationsmodells von rund 110 Mio. Euro auf rund28 Mio. Euro verringert, nachdem der Wirtschaftlich-keitsvergleich überarbeitet wurde.

Das Bundesministerium hat seine Entscheidung über dasweitere Vorgehen zunächst zurückgestellt, bis die Finanz-planung 2008 geklärt ist. Die Bundeswehr soll bis dahindie Vorbereitung einer Ausschreibung für das Koopera-tionsmodell fortsetzen.

37.4

Der Bundesrechnungshof hält die Überarbeitung desWirtschaftlichkeitsvergleichs nicht für ausreichend. DasBundesministerium hat zwei wesentliche Kostenfaktorennoch nicht berücksichtigt: die Risikozuschläge und dieRemanenzkosten für Soldatinnen und Soldaten. Zwar hates diese Kosten für beide Alternativen ermittelt, abernicht wie vorgegeben in den Kostenvergleich aufgenom-men. Unter Berücksichtigung der beiden Positionen wärenicht mehr das Kooperationsmodell, sondern mit einemKostenvorteil von rund 69 Mio. Euro das OptimierteEigenmodell günstiger.

Insgesamt sieht sich der Bundesrechnungshof in seinerAuffassung bestätigt, dass das Optimierte Eigenmodellnach allen bekannten Daten die wirtschaftliche Varianteist. Der aufgezeigte Kostenvorteil dieses Modells erhöhtsich sogar auf rund 105 Mio. Euro, wenn die Erlöse aus demDrittmarktgeschäft aus dem Wirtschaftlichkeitsvergleichgestrichen und die weiteren Mängel korrigiert werden.

Der Bundesrechnungshof erwartet nicht, dass dieser Kos-tenvorteil durch günstigere Angebote privater Koopera-

tionspartner ausgeglichen werden kann. Er fordert dasBundesministerium deshalb auf, umgehend das Opti-mierte Eigenmodell zu realisieren und die Arbeiten amKooperationsmodell einzustellen, bevor diese weitereKosten verursachen.

38 Nutzlose Bunkeranlage kostet die Bundeswehr jährlich rund 1,7 Mio. Euro(Kapitel 1412)

38.0

Bis Ende 2009 wollte die Bundeswehr eine unterirdischeBunkeranlage weiter betreiben, obwohl diese seit demJahre 2004 militärisch nicht mehr notwendig ist. Aus derAnlage sollten andere Gebäude mit Strom und Fernmel-dedaten versorgt werden. Trotz eines mehrjährigen Pla-nungsverfahrens, an dem zahlreiche Stellen beteiligtwaren, wurden keine Möglichkeiten gesucht, die Abhän-gigkeit von der teuren Anlage eher zu beenden. Die jähr-lichen Betriebskosten von rund 1,7 Mio. Euro warenschon ab dem Jahre 2004 vermeidbar.

38.1

Die Bundeswehr überwacht im Rahmen der Luftverteidi-gung der NATO den Luftraum über Deutschland mittelsRadareinrichtungen, deren Radarbilder in Luftlagezen-tren ausgewertet werden. Diese Luftlagezentren sind ge-gen Beschuss und Bombenabwurf besonders geschützt inunterirdischen Bunkeranlagen (Bunkeranlagen) unterge-bracht. Durch die geänderte Sicherheitslage und die Ein-führung neuer Technik konnte auf einen Teil der Luftla-gezentren verzichtet werden, so auch auf das Zentrum inLauda-Königshofen. Das Bundesministerium der Vertei-digung (Bundesministerium) hatte daher im Jahre 2001entschieden, den Einsatzbetrieb so umzustellen, dass diedortige Bunkeranlage ab Anfang 2004 nicht mehr benö-tigt wurde.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes München die Planungen fürden Standort Lauda-Königshofen und stellte fest:

Die Bunkeranlage ist Teil eines Gesamtkomplexes, derauch mehrere oberirdische Bauwerke umfasst. DieseBauwerke wurden bisher aus der Bunkeranlage mit Stromund Fernmeldedaten versorgt. Zur Umstellung des Ein-satzbetriebes waren umfangreiche Baumaßnahmen vor-gesehen, die 2,8 Mio. Euro kosten und Ende 2009 abge-schlossen sein sollten. Dabei sollte auch sichergestelltwerden, dass der Gesamtkomplex unabhängig von derBunkeranlage mit Strom und Fernmeldedaten versorgtwerden kann. Die Planungen waren im Jahre 2006 abge-schlossen; die Bauarbeiten sollten im Jahre 2007 mit ei-nem Teilbetrag von 200 000 Euro beginnen.

Solange die Bunkeranlage zur Strom- und Fernmeldever-sorgung weiter betrieben werden muss, verursacht sie

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Drucksache 16/7100 – 196 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Kosten von jährlich rund 1,7 Mio. Euro. Die Betriebskos-ten summieren sich daher ab dem Jahre 2004 bis zumJahre 2009 auf rund 10 Mio. Euro. Ein Teil dieser Kostenist durch Personal (14 Feuerwehrleute, 7 Techniker) be-dingt, das für den Betrieb der Anlage benötigt wird.

Mit einem erhöhten Teilbetrag von rund 400 000 Euro zuBeginn der Bauarbeiten wäre es möglich, zuerst undkurzfristig die Strom- und Fernmeldeversorgung des Ge-samtkomplexes von der Bunkeranlage unabhängig zu ma-chen. So könnte letztere frühzeitig stillgelegt und diemehr als viermal höheren, jährlich anfallenden Betriebs-kosten könnten eingespart werden. Obwohl das Bundes-ministerium und ihm nachgeordnete Behörden die Ange-legenheit seit sechs Jahren bearbeiten, wurde dieseMöglichkeit nicht erkannt. Die fachliche Abstimmungzwischen Betrieb und Bau unterblieb.

38.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium und seine nachgeordneten Behörden nachder Grundentscheidung im Jahre 2001 fünf Jahre langBaumaßnahmen planten, ohne nach Möglichkeiten zu su-chen, wie weitere Betriebskosten der Bunkeranlage ver-mieden werden können. Er hat dies u. a. auf mangelhafteFachaufsicht durch das Bundesministerium und fehlendeAbstimmung zwischen den einzelnen Stellen zurückge-führt.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen,

● den Teilbetrag für den Baubeginn im Jahre 2007 so zuerhöhen, dass eine unabhängige Strom- und Fernmel-deversorgung des Gesamtkomplexes und damit dieStilllegung der Bunkeranlage so schnell wie möglicherreicht werden, sowie

● die Ursachen für das überlange Planungsverfahren unddessen unwirtschaftliches Ergebnis zu klären und fürAbhilfe zu sorgen.

38.3

Das Bundesministerium ist der Auffassung, dass die Pla-nungen für den Standort Lauda-Königshofen insgesamtsachgerecht und verzugsfrei durchgeführt worden seien.Dabei seien insbesondere die knappen Ressourcen für In-frastrukturprojekte, der erhebliche Bedarf der Streitkräftefür einsatzwichtige Vorhaben sowie die rechtlichen Rah-menbedingungen zu berücksichtigen. Vor diesem Hinter-grund sei die Planung nicht überlang gewesen. Die beab-sichtigte Stilllegung der Bunkeranlage mit Gesamtkostenvon 2,8 Mio. Euro habe zu einer Planungs-, Genehmi-gungs- und Durchführungsphase von mehreren Jahren ge-führt. Ein früherer Stilllegungstermin als Ende 2009 seidaher nicht möglich gewesen.

Allerdings hat das Bundesministerium die Anregung desBundesrechnungshofes aufgegriffen, den Teilbetrag fürden Baubeginn so zu erhöhen, dass eine von der Bunker-

anlage unabhängige Strom- und Fernmeldeversorgungdes Gesamtkomplexes schneller erreicht wird.

38.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Bewertung undsieht sich durch die Erhöhung des Teilbetrages für denBaubeginn bestätigt. So werden die Voraussetzungen da-für geschaffen, die Bunkeranlage eher stillzulegen undderen Betriebskosten einzusparen. Diese Schritte sindschon seit Jahren überfällig.

Der Bundesrechnungshof hält auch an seiner Empfehlungfest, die Ursachen für das überlange Verfahren und dasunwirtschaftliche Planungsergebnis zu klären. Nur sokönnen künftig die zuständigen Stellen der Bundeswehrangehalten werden, schnell und gezielt die jeweils wirt-schaftlichen Lösungen zu suchen.

39 Interessenkonflikt bei der Zulassung militärischer Flugzeuge kann Flug-sicherheit gefährden(Kapitel 1404)

39.0

Bei der Entwicklung und Zulassung von Flugzeugen derBundeswehr kann ein und dieselbe Person sowohl dieAufgaben des vorhabenbegleitenden Ingenieurs als auchdiejenigen des Musterprüfers wahrnehmen. Die bundes-wehrinternen Regelungen für das Prüf- und Zulassungs-wesen schließen den daraus entstehenden Interessenkon-flikt nicht aus. Die für die Flugsicherheit notwendigeUnabhängigkeit der Musterprüfung ist so nicht sicherge-stellt.

39.1

Zweck einer Musterprüfung ist es festzustellen, ob ein be-stimmter Typ eines Luftfahrzeugs unter vorgegebenen Be-triebs- und Umweltbedingungen verkehrssicher und luft-fahrttauglich ist. Dazu muss der Hersteller während derEntwicklung und Erprobung eine Reihe von Nachweisenerbringen, die ein Ingenieur mit Musterprüferlaubnis ab-schließend zu prüfen hat. Diese Aufgabe obliegt inDeutschland dem Luftfahrtbundesamt. Abweichend da-von ist für die Musterprüfung von Luftfahrzeugen derBundeswehr die Wehrtechnische Dienststelle 61/Muster-prüfwesen der Bundeswehr für Luftfahrtgerät (Wehrtech-nische Dienststelle) in Manching zuständig. Sie verfügtüber entsprechend ausgebildetes Personal, das seine Mus-terprüferlaubnis vom Leiter der Dienststelle erhält. Mus-terprüfer haben ihre Aufgabe weisungsunabhängig zu er-füllen. Nach geltendem Recht dürfen sie auch nicht an derErstellung der von ihnen zu prüfenden Nachweise mitwir-ken. Auf Anfrage hat das Luftfahrtbundesamt bestätigt,dass diese Unabhängigkeit und die strikte Trennung zwi-schen Erstellen und Prüfen der Nachweise wichtige Säu-len der Musterprüfung von Luftfahrtgerät sind.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 197 – Drucksache 16/7100

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes München das Verfahren derWehrtechnischen Dienststelle bei der Musterprüfung undZulassung unbemannter militärischer Luftfahrzeuge undstellte fest:

Musterprüfer nahmen zugleich Aufgaben eines Vorhaben-ingenieurs wahr. Beide Aufgabenkomplexe beanspruch-ten jeweils etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit. Sie begleite-ten von Anfang an die Entwicklung der unbemanntenLuftfahrzeuge und arbeiteten mit den Technikverantwort-lichen des Herstellers zusammen. Dabei vertraten sie u. a.die Anforderungen der Bundeswehr an die Luftfahrzeugegegenüber dem Hersteller, indem sie Entwicklungsfort-schritte bewerteten und Änderungen einforderten.

Die bundeswehrinternen Regelungen schlossen die Mög-lichkeit, Vorhabenbetreuung und Musterprüfung in Perso-nalunion wahrzunehmen, nicht aus.

39.2

Der Bundesrechnungshof hat auf den Interessenkonflikthingewiesen, der entsteht, wenn Vorhabenbetreuung undMusterprüfung von ein und derselben Person wahrge-nommen werden. Er hat bemängelt, dass die bundes-wehrinternen Regelungen die Zuständigkeiten für beideAufgaben nicht trennen und in der Praxis zu einer unzu-lässigen Vermischung der Verantwortlichkeiten führen.Prüfpersonal, das an der Entwicklung eines Luftfahrzeugsbeteiligt ist, überprüft so auch das Ergebnis dieser Ent-wicklung, letztlich also sich selbst. Die notwendige un-voreingenommene und unabhängige Kontrolle des Ent-wicklungsergebnisses ist auf diese Weise nicht zugewährleisten. Dies kann sich nachteilig auf die Flug-sicherheit auswirken.

Der Bundesrechnungshof hat daher empfohlen,

● die Vorhabenbetreuung und Erstellung der erforderli-chen Nachweise von der Kontrolle dieser Nachweisestrikt zu trennen sowie

● die jeweiligen Zuständigkeiten in den Regelungen derBundeswehr für die Musterprüfung und Verkehrszu-lassung eindeutig festzulegen.

39.3

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat zwar die Notwendigkeit einer unabhängigenMusterprüfung im Prinzip anerkannt. Nach seiner Auffas-sung ist jedoch ein Interessenkonflikt bei der Musterprü-fung von Luftfahrzeugen durch die WehrtechnischeDienststelle nicht gegeben. Luftfahrtgerät zu entwickelnund die erforderlichen Nachweise zu führen, sei alleinigeAufgabe der Hersteller. Deren vertraglich geschuldeteLeistung werde von der Projektleitung im Bundesamt fürWehrtechnik und Beschaffung und damit von einer ande-ren Dienststelle abgenommen. Die Projektleitung über-prüfe lediglich mit Hilfe des jeweiligen Musterprüfers, ob

die vereinbarte Leistung ordnungsgemäß erbracht wurde.Zu diesem Zweck werde das Prüfpersonal bei der Ent-wicklungsarbeit begleitend tätig.

Weiterhin hat das Bundesministerium geltend gemacht,die militärischen Bestimmungen gewährleisteten „eineinheitliches und hohes Schutzniveau für die europäi-schen Bürger“. Die Regelungen des Prüf- und Zulas-sungswesens hätten sich in langjähriger Praxis bewährt.Auch habe das Verwaltungsgericht München mit Be-schluss vom 8. August 1995 festgestellt, dass die Unab-hängigkeit des Musterprüfwesens ausreichend sicherge-stellt sei.

39.4

Der Bundesrechnungshof hält an seiner Bewertung fest.Das angeführte verwaltungsgerichtliche Verfahren betrafeinen Eilantrag gegen die Verlagerung des Musterprüfwe-sens der Bundeswehr für Luftfahrtgerät in die Wehrtech-nische Dienststelle vor zwölf Jahren. Das Gericht gingdamals entsprechend der Einlassung der Bundeswehr da-von aus, es sei organisatorisch geregelt, dass trotz dieserVerlagerung die Musterprüfer auf ihrem Gebiet völlig un-abhängig vom Bereich der Erprobung tätig sein könnten.Dies ist aber nicht mehr der Fall, wenn – wie nunmehrfestgestellt – Angehörige der Wehrtechnischen Dienst-stelle in Personalunion bei demselben Entwicklungspro-jekt sowohl Aufgaben eines Vorhabeningenieurs als auchsolche eines Musterprüfers wahrnehmen.

Wenn Musterprüfer im Auftrag der Projektleitung über-prüfen, ob ein Hersteller die vereinbarte Leistung ord-nungsgemäß erbracht hat, so zeigt sich dies in der Praxisals typische Aufgabe eines Vorhabeningenieurs. DessenZiel ist jedoch im Wesentlichen der Fortschritt des Vorha-bens. Der Interessenkonflikt mit den ausschließlich si-cherheitsorientierten Zielen der Musterprüfung liegt aufder Hand.

Der Bundesrechnungshof bekräftigt daher seine Empfeh-lung, dass das Bundesministerium in den Regelungen desPrüf- und Zulassungswesens eine eindeutige und strikteTrennung zwischen den Tätigkeiten eines Vorhabeninge-nieurs und denjenigen eines Musterprüfers verankern unddafür sorgen soll, dass dies in der Praxis auch eingehaltenwird.

40 Unklare Vorschriftenlage führt zu nicht gerechtfertigten Zulagen an Beschäftigte der Bundeswehr (Titel 422)

40.0

Die Bundeswehr hat im Bereich der Fernmeldeaufklä-rung und Elektronischen Aufklärung unberechtigt Stellen-zulagen gezahlt. Entgegen den zulagerechtlichen Vor-schriften des Bundesministeriums der Verteidigungerhielten auch Beschäftigte aus Dienststellen und Auf-

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Drucksache 16/7100 – 198 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gabengebieten, die nicht zulageberechtigt waren, dieZulage. Die Vorschriften wurden unterschiedlich aus-gelegt und waren nicht an neue Entwicklungen ange-passt.

40.1

Beschäftigte der Bundeswehr, die mit mindestens 80 %ihrer Gesamttätigkeit in der Nachrichtengewinnung durchFernmeldeaufklärung und Elektronische Aufklärung ein-gesetzt werden, erhalten eine Stellenzulage. Diese Zulagesoll die besondere Qualifikation und Verantwortung ab-gelten, die mit der Aufgabenstellung, den Arbeitsmetho-den und der Art der Nachrichtengewinnung verbundensind. Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundes-ministerium) hat den zulagenberechtigten Personenkreisim Jahre 2002 in seinen Durchführungshinweisen näherbestimmt. Danach kann die Zulage in bestimmten Dienst-stellen (sog. Katalogdienststellen) oder für bestimmteDienstposten nach vorheriger Zustimmung des Bundes-ministeriums gewährt werden. Bedienstete, die in einemSpezialgebiet der Aufklärung, der Optronik, verwendetwerden, dürfen nach den Vorschriften keine Zulage erhal-ten.

40.2

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung durchdas Prüfungsamt des Bundes Frankfurt am Main im Ge-schäftsbereich des Bundesministeriums die Gewährungder Stellenzulage und stellte dabei fest:

● Mehr als 30 Dienststellen gewährten die Zulage, ob-wohl sie keine Katalogdienststellen waren.

● Beschäftigte erhielten die Zulage auf Dienstposten,obwohl die erforderliche Zustimmung des Bundes-ministeriums fehlte.

● Im Bereich der Optronik gewährte die Bundeswehr dieStellenzulage ohne rechtliche Grundlage.

● Die Dienststellen legten die Durchführungshinweiseunterschiedlich aus und bewilligten die Zulagen un-einheitlich. So erhielten Beschäftigte der Datenverar-beitung und das Sicherheitspersonal die Zulage, auchwenn sie mit deutlich weniger als 80 % der Gesamt-tätigkeit in der Nachrichtengewinnung tätig waren.

● Die Durchführungshinweise wurden nicht regelmäßigauf aktuelle Entwicklungen hin untersucht.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministeriumaufgefordert, die beanstandeten Zulagenzahlungen zuüberprüfen und zu korrigieren. Soweit im Bereich der

Optronik unberechtigte Zahlungen geleistet wurden, hater das Bundesministerium gebeten, den entstandenenSchaden zu beziffern. Ferner hat er das Bundesministe-rium gebeten, die Durchführungshinweise deutlicher zufassen sowie den aktuellen Entwicklungen laufend anzu-passen.

40.3

In seiner Stellungnahme aus dem Jahre 2006 hat das Bun-desministerium eingeräumt, dass die Dienststellen dieZulage teilweise noch auf der Grundlage eines veralteten,nicht mehr gültigen Erlasses bewilligt hätten. Es habe diezuständigen Stellen angewiesen, unrechtmäßige Zahlun-gen sofort einzustellen und die Möglichkeit der Rückfor-derung zu prüfen. In vielen Fällen habe es auf die Einstel-lung der Zahlung der Stellenzulage bereits hingewirkt.Die Stellenzulage habe nicht in allen Fällen zurückgefor-dert werden können. Auch habe es nicht alle beanstande-ten Zahlungsfälle abschließen können. Für den Bereichder Optronik hat das Bundesministerium mitgeteilt, dasses auf eine unverzügliche Einstellung der Zahlungen hin-wirken werde. Es ermittle zurzeit noch die möglicheSchadenshöhe.

Das Bundesministerium hat zudem bestätigt, dass dieDurchführungshinweise in den genannten Bereichen dieVoraussetzungen für die Gewährung der Stellenzulagenicht ausreichend darstellen. Es hat mitgeteilt, dass es dieDurchführungshinweise um weitere Dienststellen ergänztund darüber hinaus für bestimmte Dienstposten die feh-lende Zustimmung nachträglich erteilt habe. Es werde diePrüfung des Bundesrechnungshofes zum Anlass nehmen,seine Durchführungshinweise weiter zu evaluieren und zuoptimieren. Dabei wolle es auch prüfen, ob die Regelun-gen nach dem Stand der Technik noch ausreichend undangemessen seien.

40.4

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes sollte dieim Jahre 2006 angekündigte Überprüfung der unrechtmä-ßigen Zahlungen zügig abgeschlossen werden, damit wei-tere Überzahlungen vermieden werden. Das Bundesmi-nisterium sollte ferner seine Durchführungshinweisedeutlicher fassen, sodass der zulagenberechtigte Perso-nenkreis im Bereich der Datenverarbeitung und desSicherheitspersonals alsbald abgegrenzt werden kann.

Das Bundesministerium sollte die Regelungen regelmä-ßig evaluieren und aktualisieren. Dadurch kann die An-wendung der Regelungen erleichtert und die Qualität derBearbeitung der Zulage verbessert werden.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 199 – Drucksache 16/7100

Bundesministerium für Gesundheit(Einzelplan 15)

41 Verwaltungsverfahren bei der kassen bzw. die Krankenkassen selbst, wenn sie keinem

Erstattung von Zuschüssen zum Mutterschaftsgeld aufwendig und fehleranfällig(Kapitel 1502 Titel 636 05)

41.0

Das Verfahren zur Erstattung der von den gesetzlichenKrankenkassen gezahlten Zuschüsse zum Mutterschafts-geld durch den Bund ist verwaltungsaufwendig. Es sollteaufgegeben werden. Die Zuschüsse sollten pauschal vomBund abgegolten werden.

41.1

Frauen erhalten während der Schutzfristen und für denEntbindungstag Mutterschaftsgeld. Es beträgt höchstens13 Euro für den Kalendertag. Zahlungspflichtig ist die ge-setzliche Krankenkasse, bei der die Frau Mitglied ist. Fürdiese – und andere – versicherungsfremde Leistungen er-halten die Krankenkassen aus dem Bundeshaushalt einepauschale Erstattung nach § 221 Fünftes Buch Sozialge-setzbuch (SGB V). Dafür zahlte der Bund über das Bun-desversicherungsamt (BVA) für das Jahr 2004 1 Mrd.Euro, für das Jahr 2005 2,5 Mrd. Euro und für das Jahr2006 4,2 Mrd. Euro an die Krankenkassen. In den Jahren2007 und 2008 wird der Bund den Krankenkassen jeweils2,5 Mrd. Euro zahlen. Eine Einzelabrechnung der Auf-wendungen der gesetzlichen Krankenkassen für das Mut-terschaftsgeld findet nicht statt.

Befinden sich Frauen, die Mutterschaftsgeld erhalten, ineinem ungekündigten Arbeitsverhältnis, hat der Arbeitge-ber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (§ 14 Abs. 1Satz 1 Mutterschutzgesetz) zu zahlen. Der Zuschussdeckt den Unterschied zwischen Mutterschaftsgeld(13 Euro) und kalendertäglichem Nettoarbeitsentgelt ab.Wird das Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaftoder während der Schutzfrist nach der Geburt zulässig ge-kündigt oder kann der Arbeitgeber den Zuschuss wegenInsolvenz nicht zahlen, zahlt bei Frauen, die Mitglied ei-ner gesetzlichen Krankenkasse sind, die Kasse den Zu-schuss, und zwar „zulasten des Bundes“ (§ 14 Abs. 2 und3 Mutterschutzgesetz). Auf Antrag der Krankenkasse er-stattet das BVA die geleisteten Zahlungen.

Frauen, die nicht Mitglied einer gesetzlichen Kranken-kasse sind, erhalten das Mutterschaftsgeld und den Zu-schuss zum Mutterschaftsgeld unmittelbar vom BVA.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2007 das Ver-fahren der Erstattung der von den gesetzlichen Kranken-kassen gezahlten Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld. Erstellte fest, dass es im Jahre 2005 353 Erstattungsfälle miteinem Ausgabevolumen von 598 000 Euro und im Jahre2006 199 Erstattungsfälle mit einem Ausgabevolumenvon 325 000 Euro gab. Die Landesverbände der Kranken-

Landesverband angehörten, beantragten die Erstattungbeim BVA. Soweit sie prüfungsgeeignete Unterlagen bei-gefügt hatten, stellte das Amt wiederholt fehlerhafte Be-willigungen fest. Häufig lagen diese Unterlagen dem Amtjedoch nicht vor, denn nach der Allgemeinen Verwal-tungsvorschrift über die Erstattung der Mutterschafts-geldleistungen sind die Krankenkassen zur Vorlage nichtverpflichtet. In diesen Fällen teilten die Krankenkassendem BVA nur die Zahl der Erstattungsfälle und den Er-stattungsbetrag mit. Das Amt musste die Zuschüsse auchohne Prüfung erstatten.

41.2

Das Verfahren zur Erstattung der von den gesetzlichenKrankenkassen gezahlten Zuschüsse zum Mutterschafts-geld ist verwaltungsaufwendig. Fehler der Krankenkas-sen bei der teilweise komplizierten Anspruchsprüfungund Leistungsfeststellung bleiben oft unerkannt, weil dieKrankenkassen auch ohne Vorlage prüfungsgeeigneterUnterlagen einen Anspruch auf Erstattung haben. Folg-lich müsste das Verfahren zur Erstattung der Zuschüssezum Mutterschaftsgeld so geregelt werden, dass das BVAdie Erstattungsforderungen der Krankenkassen verläss-lich prüfen kann. Dies würde die vollständige Vorlage derfür die Anspruchsprüfung und Leistungsfeststellung not-wendigen Nachweise erfordern. Eine solche die Ord-nungsmäßigkeit der Entscheidungen sicherstellende Neu-regelung des Erstattungsverfahrens wäre mit einemzusätzlichen Arbeitsaufwand für die Krankenkassen unddas BVA verbunden.

Deshalb hat der Bundesrechnungshof das Bundesministe-rium für Gesundheit (Bundesministerium) aufgefordert,eine einfache Lösung zu suchen. Er hat darauf hingewie-sen, dass derzeit die gesetzlichen Krankenkassen vomBund zwar eine pauschale Erstattung ihrer Aufwendun-gen für das Mutterschaftsgeld (und für andere versiche-rungsfremde Leistungen) erhalten, die Aufwendungender Krankenkassen für den Zuschuss zum Mutterschafts-geld jedoch einzelfallbezogen mit dem BVA abgerechnetwerden. Er hat angeregt, die Trennung aufzugeben unddie Erstattung der Aufwendungen der Krankenkassen fürden Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in die pauschaleAbgeltung der Aufwendungen für das Mutterschaftsgeldnach § 221 SGB V einzubeziehen.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes würdedadurch die Qualität der Bearbeitung durch die Kranken-kassen verbessert, denn im Gegensatz zu dem Einzeler-stattungsverfahren ginge jede Fehlentscheidung der Kran-kenkassen zu ihren eigenen Lasten. Auch die geringeZahl der Erstattungsfälle und das geringe Finanzvolumensprechen dafür, das gesonderte Erstattungsverfahren auf-zugeben. Würde der Bund die pauschale Erstattung derAufwendungen für versicherungsfremde Leistungen nicht

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Drucksache 16/7100 – 200 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

erhöhen, ginge der für den Zuschuss zum Mutterschafts-geld aufzuwendende Betrag (im Jahre 2005: 598 000 Euround im Jahre 2006: 325 000 Euro) zwar zulasten derKrankenkassen. Er fiele jedoch angesichts der Höhe derpauschalen Erstattung durch den Bund (in den Jahren2007 und 2008: jeweils 2,5 Mrd. Euro) nicht ins Gewicht.Ferner würde sich der Betrag auf alle (derzeit noch mehrals 200) Krankenkassen verteilen, wäre also im Haushaltder einzelnen Krankenkasse unbedeutend (im Durch-schnitt unter 2 000 Euro). Schließlich wäre auch der Weg-fall des Verwaltungsaufwands der Krankenkassen für dasEinzelerstattungsverfahren zu berücksichtigen. Aus die-sen Gründen hält der Bundesrechnungshof es für vertret-bar, das derzeitige Erstattungsverfahren für den Zuschusszum Mutterschaftsgeld abzuschaffen, ohne die pauschaleErstattung der Aufwendungen für versicherungsfremdeLeistungen zu erhöhen.

41.3

Das Bundesministerium hat den Feststellungen des Bun-desrechnungshofes nicht widersprochen. Es hat jedocherklärt, allein die Minderung des Verwaltungsaufwandskönne nicht dazu führen, die in gesetzlich eng definiertenAusnahmefällen (Auflösung des Arbeitsverhältnisses oderInsolvenz des Arbeitgebers) vom Bund übernommenenfamilienpolitischen Leistungen ohne finanziellen Aus-gleich den Krankenkassen zu übertragen. Zudem könntendie gesetzlichen Krankenkassen die Leistung nur für ge-setzlich krankenversicherte Frauen übernehmen. Für pri-vat oder nicht versicherte Frauen bleibe der Bund weiterzuständig.

41.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung,das nicht zwingend erforderliche, aufwendige und fehler-anfällige Verwaltungsverfahren abzuschaffen. Es gibtkeinen Grund, die Erstattung des Mutterschaftsgeldes ei-nerseits und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld ande-rerseits für Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen unter-schiedlich zu behandeln. Mutterschaftsgeld und Zuschusszum Mutterschaftsgeld haben denselben familienpoliti-schen Zweck und werden von den gesetzlichen Kranken-kassen für ihre Mitglieder erbracht. Für das Mutter-schaftsgeld erhalten die Krankenkassen jedoch einenpauschalen und für den Zuschuss zum Mutterschaftsgelderhalten sie einen gesonderten, einzelfallbezogenen Aus-gleich aus dem Bundeshaushalt.

Es trifft zu, dass der Bund für die Zahlung des Zuschusseszum Mutterschaftsgeld an Frauen, die nicht Mitglied ei-ner gesetzlichen Krankenkasse sind, weiterhin zuständigbliebe. Diese Fälle berühren jedoch nicht das vom Bun-desrechnungshof kritisierte Erstattungsverfahren zwi-schen dem BVA und den Krankenkassen, denn Frauen,die nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind,erhalten das Mutterschaftsgeld und den Zuschuss zumMutterschaftsgeld ohnehin unmittelbar vom BVA. Unddaran will der Bundesrechnungshof auch nichts ändern.

Das Bundesministerium hat keine Gründe vorgetragen,die dem Vorschlag des Bundesrechnungshofes entgegen-stehen. Es sollte die erforderlichen Rechtsänderungen aufden Weg bringen.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend(Einzelplan 17)

42 Einnahmeausfälle bei Bund und ziehenden Elternteil leben und der andere Elternteil kei-

Ländern durch unzureichende Heranziehung von Unterhalts-pflichtigen im Ausland(Kapitel 1710 Titel 232 07 und 632 07)

42.0Die Unterhaltsvorschussstellen bei den Jugendämternhaben Unterhaltspflichtige, die im Ausland leben, nichtzur Zahlung von Unterhalt herangezogen, weil sie derschwierigen Rechtsverfolgung nicht gewachsen sind.Bund und Ländern gehen dadurch erhebliche Einnahmenverloren. Durch Konzentration der Fallbearbeitung inden Ländern könnte die Rückgriffsquote deutlich verbes-sert werden.

42.1

42.1.1Kinder unter zwölf Jahren erhalten Leistungen nach demUnterhaltsvorschussgesetz, wenn sie bei einem allein er-

nen oder keinen ausreichenden Unterhalt an das Kindzahlt. In diesen Fällen geht der Unterhaltsanspruch desKindes auf den Staat über, der dann den Unterhalt gegen-über dem Unterhaltspflichtigen geltend macht. Dafür zu-ständig sind die Unterhaltsvorschussstellen bei den kom-munalen Jugendämtern.

Die Ausgaben nach dem Unterhaltsvorschussgesetz wer-den zu einem Drittel vom Bund, im Übrigen von den Län-dern getragen. Der Bund erhält ebenfalls ein Drittel derEinnahmen, die die Länder von den Unterhaltspflichtigeneinziehen.

In den letzten Jahren ist der Anteil der Unterhaltspflichti-gen gestiegen, die im Ausland leben. Anhand der statis-tischen Angaben des Bundesministeriums für Familie,Senioren, Frauen und Jugend (Bundesministerium) schätztder Bundesrechnungshof die Zahl der Auslandsfälle aufrund 50 000, das sind rund 5 % aller Unterhaltsvorschuss-fälle. Die Forderungen an Unterhaltspflichtige im Aus-land schätzt der Bundesrechnungshof auf 250 Mio. Euro.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201 – Drucksache 16/7100

In mindestens der Hälfte der Auslandsfälle hat der Unter-haltspflichtige seinen Wohnsitz in einem anderen Mit-gliedstaat der Europäischen Union oder anderen westli-chen Ländern. Zahlenmäßig ins Gewicht fallen auchUnterhaltspflichtige in osteuropäischen Staaten und in derTürkei.

Um einen Unterhaltsanspruch im Ausland geltend zu ma-chen, sind die Vorschriften des internationalen Zivil- undZivilprozessrechts, des EU-Gemeinschaftsrechts sowiebesondere Regelungen in internationalen Übereinkom-men zu beachten. Anhand dieser Vorschriften ist zu prü-fen, welches Unterhaltsrecht überhaupt anwendbar ist.Liegt ein deutscher Unterhaltstitel bereits vor, ist zu prü-fen, ob ein solcher Unterhaltstitel im Ausland anerkanntwird und vollstreckt werden kann. Andernfalls muss einsolcher Unterhaltstitel im Ausland erst erwirkt werden.Daneben sind weitere Kenntnisse, wie z. B. über die Zu-stellung von Schriftstücken im Ausland oder über dieAufenthaltsermittlung des Unterhaltspflichtigen im Aus-land, erforderlich.

Die vom Bundesministerium im Einvernehmen mit denLändern erlassenen Richtlinien zum Unterhaltsvorschuss-gesetz enthalten in ihrem Anhang eine Liste internationa-ler und gemeinschaftsrechtlicher Rechtsgrundlagen mitFundstellen. Eine konkrete Handlungsanleitung, welchenationalen oder internationalen Vorschriften in welchenFallkonstellationen überhaupt zur Anwendung kommenoder welche Schritte im Einzelnen in der Fallbearbeitungzu vollziehen sind, enthalten die Richtlinien bisher nicht.

42.1.2

Der Bundesrechnungshof stellte mit Unterstützung derPrüfungsämter des Bundes München, Köln und Frankfurtam Main im Jahre 2004 fest, dass die Hälfte der geprüftenUnterhaltsvorschussstellen Unterhaltsforderungen im Aus-land grundsätzlich nicht geltend machte. Die Stellen ga-ben an, der Rückgriff gegenüber den Unterhaltspflichti-gen im Ausland sei zu aufwendig und lohne sich imVergleich zu den möglicherweise zu erzielenden Einnah-men auch nicht. Weder kannten die Stellen alle anzuwen-denden Vorschriften, so z. B. über die Zustellung vonamtlichen deutschen Schriftstücken im Ausland, noch be-saßen sie Informationen, wie der Aufenthalt des Unter-haltspflichtigen im Ausland ermittelt werden kann. DieTitulierung eines Unterhaltsanspruchs im Ausland odereine Zwangsvollstreckung gelang den Unterhaltsvor-schussstellen nur mit Hilfe von Rechtsanwälten, die alsVertreter der Kinder tätig wurden, oder mit Unterstützungeiner nichtstaatlichen Organisation.

42.1.3

Nach den Ergebnissen einer erneuten Prüfung im Jahre2007 hat sich die Bearbeitung des Rückgriffs nicht ver-bessert. Die geprüften Unterhaltsvorschussstellen hattenbei Auslandsfällen keinerlei Einnahmen. Ihre Bemühun-gen beschränkten sich darauf, den im Ausland lebendenUnterhaltspflichtigen in einem in deutscher Sprache ab-gefassten Standardschreiben mitzuteilen, dass der An-

spruch des Kindes auf den Staat übergegangen sei und sieAuskunft über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gebenmüssten. Auf diese Schreiben antworteten nur 2 % derUnterhaltspflichtigen, wobei sie angaben, sie seien mittel-los. Die Unterhaltsvorschussstellen schlossen ihre Fallbe-arbeitung damit ab. Einige von ihnen erwirkten einenSuchvermerk im Ausländerzentralregister. Erfolg ver-sprachen sie sich davon nicht.

Nur wenn die Unterhaltsvorschussstellen die deutscheVertretung im Ausland um Amtshilfe ersuchten, gelanges, in Einzelfällen Kontakt mit den Unterhaltspflichtigenaufzunehmen. Das Auswärtige Amt wies diese Amtshilfe-ersuchen jedoch häufig zurück, weil z. B. für die Aushän-digung von Urkunden oder Zustellungen je nach Landnicht die deutschen Auslandsvertretungen, sondern dafürextra eingerichtete ausländische Verbindungsstellen zu-ständig sind.

Ein Bundesland ergriff bereits in der Vergangenheit Ini-tiativen, um den Auslandsrückgriff zu verbessern. Es be-traute in begrenztem Umfang juristisches Fachpersonal ineiner zentralen Landesbehörde mit dem Rückgriff imAusland. Dabei zeigte sich, dass die Einnahmen aus Aus-landsrückgriffen höher waren als die Sach- und Personal-ausgaben.

42.2

Der Bundesrechnungshof hat die Rückgriffsquote von imAusland lebenden Unterhaltspflichtigen als nicht zufrie-denstellend angesehen. Die Unterhaltsvorschussstellensehen von vornherein von dem Auslandsrückgriff ab odersetzen untaugliche Mittel ein. Für ein erfolgreiches Ver-waltungshandeln benötigen sie erhebliches Spezialwis-sen, insbesondere des internationalen Zivil- und Zivilpro-zessrechts, um Unterhaltsforderungen im Ausland zuverfolgen, durchzusetzen und zu vollstrecken. Über dieseKenntnisse verfügen selbst die Unterhaltsvorschussstel-len in Großstädten allenfalls in geringem Umfang, diekleineren Unterhaltsvorschussstellen nicht.

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dasssich eine wirkungsvolle Bearbeitungsroutine nicht bildenkann, wenn Auslandsfälle weiterhin dezentral in denkommunalen Jugendämtern bearbeitet werden. Er hatdeshalb das Bundesministerium aufgefordert, gemein-sam mit den Ländern Anstrengungen zu unternehmen, dieBearbeitung der Auslandsfälle auf wenige Stellen in denLändern zu konzentrieren. In diesen „Zentralstellen“könnte die notwendige Sachkunde entwickelt und vorge-halten werden. Der Personal- und Sachaufwand würdesich durch die zu erwartenden höheren Einnahmen ausRückgriffen refinanzieren. Der Bundesrechnungshof hatauch angeregt, die Richtlinien für den Auslandsrückgriffso zu fassen, dass sie als Handlungsanleitung für die Pra-xis taugen.

Im Übrigen hat es der Bundesrechnungshof für rechts-politisch bedenklich gehalten, wenn es den im Auslandlebenden Unterhaltsschuldnern ohne Schwierigkeiten ge-lingt, sich ihren Verpflichtungen zu entziehen, weil die

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Drucksache 16/7100 – 202 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Unterhaltsvorschussstellen nicht wissen, wie sie Auslands-fälle zu bearbeiten haben.

42.3

Das Bundesministerium hatte in einer ersten Stellung-nahme mitgeteilt, dass sich der Rückgriff gegenüber Un-terhaltsschuldnern im Ausland zum Teil – wie im Inland –problematisch gestalte. Es beabsichtige, sich in Gesprä-chen mit den Ländern für eine Verbesserung des Rück-griffs einzusetzen und den Informationsaustausch zwi-schen den Ländern zu fördern. Zentralisierungen könntenangesichts der komplizierten Materie zu besseren Ergeb-nissen führen. Es hat insoweit aber auf die Organisations-hoheit der Länder für den Verwaltungsvollzug des Unter-haltsvorschussgesetzes verwiesen. Zentralstellen hätten dieLänder bisher abgelehnt. Die für die Bearbeitung erfor-derliche Sachkompetenz sei in den kommunalen Dienst-stellen vorhanden.

Inzwischen hat das Bundesministerium mitgeteilt, eshabe die vom Bundesrechnungshof aufgezeigten Mängelmit den Ländern erörtert. Nunmehr hielten die Ländereine Handlungsanleitung mit Informationsmöglichkeitenfür die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Aus-land für wünschenswert. Das Bundesministerium habeeine Arbeitsgruppe einberufen, die nach Erledigung vonVorarbeiten in den Ländern zur Erarbeitung der Hand-lungsanleitung zusammenkommen werde.

42.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium die Bearbeitung von Auslandsfällen mit denLändern erörtert hat. Alleine mit der Einberufung der Ar-

beitsgruppe, die die Handlungsanleitung erarbeiten soll,können die grundlegenden Probleme bei Auslandsrück-griff aber nicht gelöst werden. Die Unterhaltsvorschuss-stellen werden nur dann in der Lage sein, diese Fällesachgerecht zu bearbeiten, wenn die Länder die organisa-torischen Voraussetzungen für eine zentrale Bearbeitungin ihrem Bereich schaffen. In diesen Zentralstellen kanndann spezialisiertes und fachlich hoch qualifiziertes Per-sonal eingesetzt werden. Dass diese Sachkompetenz unddieses Fachwissen bereits in den Unterhaltsvorschussstel-len vorhanden sein sollen, kann der Bundesrechnungshofnicht bestätigen. Die Stellen räumen selbst ein, dass derAuslandsrückgriff ihre fachlichen Möglichkeiten über-steigt.

Die Unterhaltspflichtigen im Ausland werden nicht be-langt, weil der Verwaltungsvollzug unzureichend ist undForderungen in Millionenhöhe nicht geltend gemachtwerden. Bestreben des Gesetzes ist es, Unterhaltspflich-tige gerade nicht aus ihrer Zahlungsverpflichtung zu ent-lassen. Dieses wesentliche Ziel wird nicht erreicht. DasBundesministerium bleibt deshalb aufgefordert, gemein-sam mit den Ländern – neben der Erarbeitung einerHandlungsanleitung für den Rückgriff in Auslandsfäl-len – Lösungsvorschläge für die zentrale Bearbeitung derAuslandsrückgriffe bei einer vom Land zu bestimmendenStelle zu erarbeiten.

Sollten die Länder bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben,sollte das Bundesministerium prüfen, ob die staatlicheUnterstützung Alleinerziehender völlig neu geregelt wer-den muss. Das Unterhaltsvorschussgesetz, das in wesent-lichen Teilen wegen Mängeln im Vollzug nicht umgesetztwerden kann, bedarf dann, nicht zuletzt mit Blick auf diefinanzielle Beteiligung des Bundes, einer grundlegendenNeuorientierung.

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Einzelplan 23)

43 Zinszuschüsse korrekt veranschlagen und zielorientiert verwenden(Kapitel 2302 Titel 866 01)

43.0

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar-beit und Entwicklung verbilligt mit Zinszuschüssen Dar-lehen der KfW Entwicklungsbank. Die Bank gewährt dieKredite an Darlehensnehmer in Partnerländern der deut-schen Entwicklungszusammenarbeit. Die Zinszuschüssesind keine Investitionen, werden aber trotzdem als solcheveranschlagt. Die Bank erzielte aus der Verwaltung derZinszuschüsse zusätzliche Erträge, die sie an den Bundes-haushalt abführen sollte. Das Bundesministerium fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sollteaußerdem Projekte nur dann mit Zinszuschüssen fördern,

wenn sie mit dem entwicklungspolitischen Ziel der Ar-mutsbekämpfung vereinbar sind.

43.1

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar-beit und Entwicklung (Bundesministerium) gewährt seitdem Jahre 2000 Partnerländern der Entwicklungszusam-menarbeit Zinszuschüsse. Damit verbilligt es Darlehen,die die KfW Entwicklungsbank (KfW) aus eigenen Mit-teln finanziert. Der Bundesrechnungshof hat mit Unter-stützung des Prüfungsamtes Koblenz die Zuschüsse ge-prüft und dabei Folgendes festgestellt:

43.1.1

Das Bundesministerium veranschlagt die Zinszuschüssezusammen mit den Haushaltsmitteln für Darlehen und

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203 – Drucksache 16/7100

Zuschüsse der bilateralen Finanziellen Zusammenarbeit(FZ) als Investitionen (Kapitel 2302 Titel 866 01). Beider Haushaltsaufstellung 2008 beantragte das Bundes-ministerium für diesen Titel einen Ansatz von 1,45 Mrd.Euro; daraus will es 145 Mio. Euro Zinszuschüsse ge-währen. Mittelfristig beabsichtigt es, deutlich mehr Zins-zuschüsse zu bewilligen.

Die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausga-ben für Investitionen stellt grundsätzlich die Obergrenzefür die Nettokreditaufnahme des Bundes dar (Artikel 115Abs. 1 Grundgesetz). Unter Ausgaben für Investitionensind öffentliche Ausgaben für Maßnahmen zu verstehen,die bei makroökonomischer Betrachtung die Produktions-mittel der Volkswirtschaft erhalten, mehren oder verbes-sern. Der Gesetzgeber hat Investitionen abschließend inder Bundeshaushaltsordnung (§ 13 Abs. 3 BHO) defi-niert. Investitionen sind demnach u. a. Ausgaben für Dar-lehen sowie Zuweisungen und Zuschüsse zur Finanzie-rung von Ausgaben für bestimmte investive Zwecke.Zinszuschüsse dagegen werden als konsumtive Ausgabenerfasst.

43.1.2

Das Bundesministerium zahlt aus wirtschaftlichen Grün-den den abgezinsten Betrag der für die gesamte Laufzeitbenötigten Zinszuschüsse in einer Summe an die KfWaus (Barwertmethode), sobald der Darlehensvertrag un-terzeichnet ist. Dabei zinst es die Zuschüsse mit demZinssatz ab, den die KfW für die Zwischenanlage der vo-rübergehend nicht benötigten Zuschüsse voraussichtlicherzielt. Die KfW verwaltet die Zinszuschüsse auf geson-derten Konten. Sie schreibt diesen Konten die Erträge ausden Zwischenanlagen zu und entnimmt ihnen die anteili-gen Zinszuschüsse, sobald Zinsen fällig werden.

Das Bundesministerium hat an die KfW bisher Zinszu-schüsse von 87 Mio. Euro für 19 Vorhaben ausgezahlt.Bei mehreren Projekten riefen die Darlehensnehmer dieKredite deutlich später oder in erheblich geringerem Um-fang als vorgesehen ab. Die KfW erzielte deshalb zusätz-liche Erträge aus der Zwischenanlage der abgerufenenBundesmittel. Diese Erträge werden für die Zinsbezu-schussung nicht benötigt. Eine Regelung über ihreVerwendung steht bisher aus. Bei den anderen Finanzie-rungsinstrumenten der FZ darf der geförderte Projektträ-ger im Partnerland nicht mehr benötigte Mittel innerhalbbestimmter Höchstgrenzen für sinnvolle Ergänzungs-oder Erweiterungsvorhaben einsetzen. Dafür ist die Zu-stimmung der KfW, teilweise auch des Bundesministe-riums erforderlich.

43.1.3

Die Bundesregierung bekennt sich zum Ziel der weltwei-ten Armutsbekämpfung. Dabei sollen Arme auch einenbesseren Zugang zu Einrichtungen der Gesundheitsver-sorgung erhalten. Allein in Indien leben 375 MillionenMenschen unterhalb der Armutsgrenze. Ihre täglichenEinkünfte liegen unter einem US-Dollar.

Nach einem Erdbeben gewährte die KfW im Jahre 2002einer Bausparkasse in Indien ein Darlehen von 15,3 Mio.Euro. Das Bundesministerium bewilligte dazu einenZinszuschuss von 4,1 Mio. Euro. Die Bausparkasse solltedas KfW-Darlehen u. a. für Kredite zur Schaffung öffent-licher sozialer Infrastruktur verwenden. Sie gewährtedem größten privaten asiatischen Gesundheitskonzern ei-nen Kredit von 4,5 Mio. Euro. Der Konzern finanziertedamit anteilig den Bau eines neuen Krankenhauses mit400 Betten. Der KfW war bekannt, dass dieses Kranken-haus internationalen medizinischen Standards entsprichtund für Patienten mit mittlerem und hohem Einkommenvorgesehen ist. Sie unterrichtete darüber das Bundes-ministerium nicht.

Das Krankenhaus gewährt Armen in Einzelfällen Nach-lässe auf die offiziellen Behandlungspreise. Die Gebührfür eine Beratung in der Ambulanz beträgt rund neun US-Dollar.

43.2

43.2.1

Der Bundesrechnungshof hat die Auffassung vertreten,dass Zinszuschüsse keine Investitionen im Sinne der Bun-deshaushaltsordnung sind. Ein Vermögenserhalt, ein Ver-mögenszuwachs oder eine Vermögensverbesserung wirdausschließlich mit den Darlehen aus eigenen Mitteln derKfW finanziert. Die Zinszuschüsse dagegen werden ein-gesetzt, um den Preis des Darlehens zu verbilligen. Siewerden dabei verbraucht. Sie sind daher als konsumtiveAusgaben zu veranschlagen – ebenso wie Zinsausgabenfür kreditfinanzierte Investitionen des Bundes.

43.2.2

Außerdem hat der Bundesrechnungshof kritisiert, dassdas Bundesministerium in einigen Fällen den Bedarf fürdie Darlehen nicht ausreichend hat prüfen lassen. Er hatangemahnt zu regeln, wie die von der KfW erwirtschafte-ten zusätzlichen Erträge aus den ausgezahlten Zinszu-schüssen des Bundes verwendet werden sollen.

43.2.3

Der Bundesrechnungshof hat schließlich beanstandet,dass das Bundesministerium mit Zinszuschüssen den Baueines Krankenhauses in Indien förderte, obwohl der pri-vate Betreiber ausreichend Möglichkeiten hatte, Krediteaufzunehmen. Die Nutzer des Krankenhauses entspre-chen nicht den Zielgruppen der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit. Die KfW hat das Bundesministeriumnur unzureichend über dieses Vorhaben informiert.

43.3

43.3.1

Das Bundesministerium hat erwidert, die derzeitige Ver-anschlagung der Zinszuschüsse als Investitionen sei kor-rekt. Die Veranschlagung im Bundeshaushalt solle nicht

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die äußere Form, sondern den inneren Zweck einer Aus-gabe abbilden. Die Zinszuschüsse sollten dem Partner-land nicht nur einen Finanzierungsvorteil verschaffen,sondern dazu beitragen, dass das vereinbarte Investitions-vorhaben tatsächlich verwirklicht werde.

Das Bundesministerium der Finanzen hat dem Bundes-rechnungshof zugestimmt, dass Zinszuschüsse keine In-vestitionen seien. Es sei jedoch zulässig, sie zusammenmit den FZ-Darlehen und FZ-Zuschüssen zu veranschla-gen. Die allgemeinen Hinweise zum Gruppierungs- undFunktionenplan des Bundeshaushalts sähen eine gemein-same Veranschlagung verschiedener Ausgaben nach demSchwerpunkt vor, wenn eine Aufteilung nicht vertretbarsei. Der Bund-Länder-Ausschuss „Haushaltsrecht undHaushaltssystematik“ habe diese Möglichkeit gebilligt,sofern auch die Zweckbestimmung des Titels dieszulasse. Die FZ-Mittel seien zum Zeitpunkt der Haus-haltsaufstellung nicht eindeutig den verschiedenen FZ-Instrumenten (Darlehen, Zuschüsse und Zinszuschüsse)zuzuordnen, da die einzelnen FZ-Vorhaben noch nichtfeststünden. Eine getrennte Veranschlagung würde zu ei-nem unverhältnismäßigen Aufwand bei der Titelbewirt-schaftung führen. Die verschiedenen FZ-Instrumentemüssten je nach Erfordernis austauschbar sein. Außerdementfiele auf Zinszuschüsse nur ein vergleichsweise gerin-ger Anteil der FZ-Mittel.

43.3.2

Zum Verbrauch der Zinszuschüsse hat das Bundesminis-terium ausgeführt, dass dieses Finanzierungsinstrumentvergleichsweise neu sei. Die Verzögerungen beim Abrufeinzelner KfW-Darlehen seien unvorhersehbar gewesen.Nicht benötigte Zuschussmittel stünden dem Bund zu.Das Bundesministerium werde eine Regelung zur Ver-wendung dieser Mittel erarbeiten.

Das Bundesministerium der Finanzen hat sich dafür aus-gesprochen, die Restmittel an den Bundeshaushalt zu-rückzuerstatten. Andernfalls würden sich die Vorteile desBundes aus der Barwertmethode in ihr Gegenteil verkeh-ren.

43.3.3

Schließlich hat das Bundesministerium mitgeteilt, mitdem Vorhaben in Indien habe es Schäden in der sozialenInfrastruktur nach einer Naturkatastrophe beseitigen wol-len. Es handele sich um kein spezielles Armutsprogramm.Private Dienstleistungen im Gesundheitssektor seien inIndien auch für ärmere Bevölkerungsschichten sehr wich-tig. Indische Familien würden ihre Angehörigen imKrankheitsfall finanziell unterstützen, damit sie eine bes-sere als die staatliche Versorgung erhalten. Das Kranken-haus spiele nach eigenen Angaben eine wichtige Rolle alsAmbulanz. Der überwiegende Teil der Patientinnen undPatienten stamme aus ländlichen Gegenden mehrererBundesstaaten. Das Bundesministerium teile allerdingsdie Auffassung des Bundesrechnungshofes, dass die KfWes nicht ausreichend über das Vorhaben unterrichtet habe.

43.4

43.4.1

Die Auffassung des Bundesministeriums zur Veranschla-gung der Zinszuschüsse kann nicht überzeugen, denn sielässt die finanzwirtschaftlichen Überlegungen unberück-sichtigt, die der verfassungsrechtlichen Kreditobergrenze(Artikel 115 Abs. 1 Grundgesetz) zugrunde liegen. DieseRegelung verpflichtet den Haushaltsgesetzgeber, nichtmehr an Krediten aufzunehmen, als für Investitionen aus-gegeben wird. Damit soll der haushaltswirtschaftlicheVorgriff auf künftige Einnahmen „jedenfalls dadurchbegrenzt werden, dass der Kredit nur im Umfang derAusgaben mit zukunftsbegünstigendem Charakter in An-spruch genommen werden darf“. Auf dieses „Grundele-ment der alten Deckungsregel“ hat das Bundesverfas-sungsgericht bereits in einem Urteil vom 18. April 1989ausdrücklich hingewiesen (vgl. BVerfGE 79, 311 ff.,334). Eine klare Begrenzung des Investitionsbegriffs hatdamit entscheidende Bedeutung für die Wirksamkeit derKreditobergrenze. Zuschüsse zu den Zinszahlungen fürein Darlehen tragen nach Auffassung des Bundesrech-nungshofes nicht unmittelbar dazu bei, das Bundesver-mögen zu erhalten, zu verbessern oder es anwachsen zulassen; dies gilt unabhängig davon, zu welchem Zweckdas Darlehen eingesetzt wird. Solchen Zuschüssen fehltder notwendige „zukunftsbegünstigende Charakter“, dennsie führen nicht zu einer Entlastung zukünftiger Haus-halte des Bundes.

Vor diesem Hintergrund sind Zuschüsse zu Zinszahlun-gen Dritter – auch nach Auffassung des Bundesministe-riums der Finanzen – keine Investitionen im haushalts-rechtlichen Sinn.

Entgegen der Einlassung des Bundesministeriums derFinanzen hält der Bundesrechnungshof an seiner Forde-rung fest, die Zinszuschüsse gesondert als konsumtiveAusgaben zu veranschlagen. Unter Berücksichtigung derAusführungen des Bundesverfassungsgerichts sind beider Entscheidung über die Mitveranschlagung konsum-tiver Ausgaben als Investitionen besonders strenge Maß-stäbe anzulegen. Die gesonderte Veranschlagung derZinszuschüsse ist ohne unangemessenen Aufwand mög-lich, denn das Bundesministerium hat bei den Haushalts-verhandlungen den voraussichtlichen künftigen Umfangder Zinszuschüsse offen gelegt. Für erforderliche Umwid-mungen zwischen den Zinszuschüssen und den übrigenFZ-Mitteln im Haushaltsvollzug könnten Deckungsver-merke ausgebracht werden. Da das Bundesministerium inZukunft von einem erheblichen Anstieg der Zinszu-schüsse ausgeht, würde eine Mitveranschlagung als In-vestition den Handlungsspielraum der Bundesregierungfür eine Neuverschuldung nach der derzeit noch gelten-den Verschuldungsregelung deutlich erhöhen.

43.4.2

Das Bundesministerium sollte auf die KfW einwirken,den Bedarf für die Darlehen genauer als bisher zu prüfen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205 – Drucksache 16/7100

Die für die Bezuschussung der Zinsen nicht benötigtenErträge sollten auf jeden Fall dem Bundeshaushalt zuge-führt werden.

43.4.3

Schließlich ist es aus Sicht des Bundesrechnungshofesmit der Armutsorientierung der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit unvereinbar, den Bau eines Krankenhau-ses zu fördern, das in erster Linie den indischen Bevölke-

rungsschichten mit mittlerem und hohem Einkommenzugute kommen dürfte. Dem Bundesministerium und derKfW ist es nicht gelungen, einen Nachweis zu erbringen,dass dieses Krankenhaus für die Versorgung der Armenvon wesentlicher Bedeutung ist. Die Gebühren für eineeinzige Beratung übersteigen ihre täglichen Einkünfte umein Vielfaches. Das Bundesministerium sollte Projektenur dann mit Zinszuschüssen fördern, wenn sie mit dementwicklungspolitischen Ziel der Armutsbekämpfungvereinbar sind.

Bundesministerium für Bildung und Forschung(Einzelplan 30)

44 Bauvorhaben der Fraunhofer- schaftlich umzusetzen haben. Bei einem der vom Bundes-

Gesellschaft unwirtschaftlich geplant und ausgeführt(Kapitel 3007 Titel 894 12)

44.0

Die Fraunhofer-Gesellschaft hat ihre Bauvorhaben un-wirtschaftlich geplant und ausgeführt. Sie bemaß denRaumbedarf ihrer Gebäude zu groß und baute diese un-nötig repräsentativ und gestalterisch zu aufwendig. DasBundesministerium für Bildung und Forschung stimmteden Planungen dennoch weitgehend zu und verfolgtenicht, ob die Fraunhofer-Gesellschaft die Zuwendungensparsam verwendete. Es beanstandete nicht, dass dieFraunhofer-Gesellschaft gegen vergaberechtliche undder Korruption vorbeugende Regelungen verstieß.

44.1

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung(Bundesministerium) bewilligt der Fraunhofer-Gesell-schaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.(FhG) jährlich fast 400 Mio. Euro Zuwendungen, davonrund 120 Mio. Euro für Investitionen. Die Kosten für dieBaumaßnahmen der FhG tragen in der Regel je zur Hälfteder Bund und das Bundesland, in dem das jeweilige Insti-tut der FhG seinen Sitz hat. Einige Bauvorhaben finan-ziert die Europäische Union mit.

Das Bundesministerium hat die von der FhG beantragtenBauvorhaben mit Hilfe der staatlichen Bauverwaltung zuprüfen und sicherzustellen, dass die Grundsätze der Wirt-schaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten werden.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes Berlin zwei Bau-vorhaben der FhG mit Gesamtkosten von rund 42 Mio.Euro.

44.1.1

Bevor ein Bauvorhaben geplant werden kann, muss derNutzer seinen Raumbedarf festlegen, den die Planer wirt-

rechnungshof geprüften Bauvorhaben genehmigte dasBundesministerium planerische Abweichungen von denursprünglichen Flächenanforderungen als zusätzlichenRaumbedarf. Die FhG wies zudem genehmigungspflich-tige Hauptnutzflächen teilweise als Nebennutzflächenund Verkehrsflächen aus. Diese unterliegen nicht der Ge-nehmigung durch das Bundesministerium.

Die FhG plante Räume, die den genehmigten Raumbe-darf erheblich überschritten. So erweiterte sie bei einemInstitut eine mit 60 m2 genehmigte Bibliothek auf 110 m2.Sie sah hierfür einen dreigeschossigen gewölbten Hallen-raum mit Galerien und Wendeltreppe sowie einer 130 m2

großen Dachterrasse vor. Die FhG wollte damit einen Be-zug „zu den schönen Bibliotheksräumen klassischer Ge-bäude“ herstellen. Die Flächen für die Institutsleitungdieses Hauses lagen 57 % über dem genehmigten Bedarf.Insgesamt überstiegen die hergestellten Flächen den funk-tional begründeten Raumbedarf um 8 %.

Bei diesem Institutsgebäude sah die FhG trotz schwieri-ger Bodenverhältnisse eine aufwendige Unterkellerungvor, um „wertvolle Fläche im Erdgeschoss“ anderweitignutzen zu können. Die im Kellergeschoss vorgesehenenNutzungen hätten auch in den oberirdischen Geschossenoder einem Nebengebäude untergebracht werden können.Bei dem anderen Bauvorhaben nahm allein das Atriummit dem Haupttreppenhaus rund 11 % des gesamten Ge-bäudevolumens ein.

Das Bundesministerium genehmigte die Vorhaben derFhG im Einvernehmen mit der Bauverwaltung, ohne diePlanungen zu beanstanden. Bei einem Bauvorhaben wieses die FhG aufgrund der Kritik des Bundesrechnungsho-fes nachträglich an, die Flächen auf die genehmigteGröße zu begrenzen. Daraufhin nahm die FhG an diesemfast abgeschlossenen Vorhaben kleinere Änderungen vor:So ließ sie das Büro des Institutsleiters durch Einbau ei-ner Registratur verkleinern. In eine Teeküche integriertesie eine Archivfläche für den stellvertretenden Instituts-leiter. Beiden neuen Nutzungen lag kein genehmigterRaumbedarf zu Grunde.

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Drucksache 16/7100 – 206 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Vorfeld der Zuwendungsbewilligung wies das Bun-desministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungauf die anhaltend angespannte Finanzlage der öffentli-chen Hand hin. Bei Zweckbauten für die Forschung solltedie FhG daher gestalterische Aspekte nicht überbewerten.Das Bundesministerium bewilligte die Zuwendungen mitder Auflage, bei der Bauausführung sämtliche Möglich-keiten zur Kostensenkung zu nutzen. Dies entspricht demfür die Ausführung des Haushaltsplanes vorgesehenenSparsamkeitsprinzip, wonach ein bestimmtes Ergebnismit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erzielen ist. DieFhG strebte jedoch keine Kostensenkung an, sondern er-höhte ihre Ausstattungsstandards unter Ausschöpfen dergenehmigten Mittel.

44.1.2

Die vom Bundesministerium beauftragte Bauverwaltunghat stichprobenweise zu prüfen, ob die FhG die vergabe-rechtlichen Regelungen einhält. Die FhG hat insbeson-dere die europarechtlichen Vorgaben des Gleichbehand-lungsgebots sowie der Transparenz und Dokumentationder Vergabeverfahren einzuhalten. Verstöße gegen dasVergaberecht können Verfahrensaufhebungen, Schadens-ersatzansprüche, erhebliche Verzögerungen und Mehr-kosten zur Folge haben.

Bei der Beurteilung der Bewerber und der angebotenenLeistungen wich die FhG von ihren zuvor bekannt ge-machten Wertungskriterien ab. Sie bewertete dabei z. B.die „Erfahrungen der FhG mit dem Büro“ oder die „Ent-fernung (des Bewerberbüros) zum Bauherrn“. Die FhGwählte Bewerber nicht nach der Reihenfolge der von ihrdurchgeführten Bewertungen aus und begründete ihreAuswahlentscheidungen nicht näher.

Die vorgeschriebenen Vergabevermerke wiesen auch zuFristverkürzungen oder produktbezogenen Ausschreibun-gen keine Begründungen auf oder fehlten. Nach den vor-handenen Vergabevermerken prüfte die FhG nur in weni-gen Fällen, ob die Angebotspreise der Bauleistungenangemessen waren. Bei einem Bauvorhaben wichen dieangebotenen Preise bei über 70 % der Aufträge um mehrals 10 % von den zuvor von der FhG ermittelten Kostenab.

Neben den Vergabevorschriften hat die FhG auch derKorruption vorbeugende Regelungen des Bundes einzu-halten. Diese sehen vor, dass der Bauherr manipulations-gefährdete Aufgaben nicht an Dritte überträgt sowie dieZuständigkeiten für Planung und Vergabe voneinandertrennt.

Die FhG beauftragte freiberuflich Tätige, die bei ihr ein-gegangenen Angebote zu prüfen. Die FhG sah die Ange-bote nicht auf Auffälligkeiten wie fehlende oder über-schriebene Preisangaben durch, dokumentierte undkennzeichnete sie nur teilweise und übergab die Originaleden freiberuflich Tätigen. Diese sandten der FhG meistnur das von ihnen zur Auftragserteilung vorgeschlageneAngebot zurück. Die übrigen Angebote verblieben beiden freiberuflich Tätigen. Bei einer Baumaßnahme prüftedie Angebote ein freiberuflich Tätiger, der nach Angabe

der FhG sowohl an der Planung als auch an der Vergabeder Bauleistungen beteiligt war.

Die vom Bundesministerium beauftragte Bauverwaltungstellte die Mängel bei der Vergabe von Leistungen nichtfest oder ließ sie unbeanstandet.

44.2

44.2.1

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium nachträgliche Anpassungen des Raumbe-darfs an die Planung genehmigt hat. Der Raumbedarf hatGrundlage der Planung zu sein und nicht umgekehrt. DasBundesministerium hätte deshalb darauf hinwirken müs-sen, dass die FhG nur den notwendigen Flächenbedarfplanerisch umsetzt.

Die FhG hätte bei der Gebäudeplanung die Grundsätzewirtschaftlichen Bauens stärker berücksichtigen müssen.Sie plante Flächen, die funktional nicht erforderlich wa-ren und lediglich repräsentativen Gesichtspunkten die-nen. Bibliothek und Leitungsbereich hätten wesentlichkleiner geplant werden können. Auf das aufwendigeAtrium und die teure Unterkellerung hätte die FhG ohnewesentliche funktionale Einschränkungen verzichtenkönnen.

Das Bundesministerium und die Bauverwaltung hättendie unwirtschaftlichen Planungen bei Prüfung und Ge-nehmigung der Bauunterlagen beanstanden müssen. Dienachträglichen Korrekturversuche waren kosmetischerNatur, ihr Nutzen zweifelhaft.

Auch während der Bauausführung hat die FhG die Auf-lage des Bundesministeriums, die Kosten zu senken, nichtbefolgt. Sie hätte nicht Einsparungen zu Mehrausgabenan anderer Stelle verwenden dürfen, um den genehmigtenKostenrahmen auszuschöpfen. Das Bundesministeriumhätte kontrollieren müssen, ob die FhG die Mittel nachdem Sparsamkeitsprinzip einsetzt. Nach Schätzung desBundesrechnungshofes hätte die FhG die Kosten ihrerBauvorhaben um mehr als 10 % verringern können.

44.2.2

Bei der Vergabe von Leistungen hat die FhG grundle-gende vergaberechtliche Bestimmungen missachtet unddadurch zahlreiche Anfechtungsmöglichkeiten geschaf-fen. Verfahrensaufhebungen hätten die Bauvorhaben be-hindern oder grundsätzlich in Frage stellen können.

Weil die FhG von ihren zuvor veröffentlichten Wertungs-kriterien abwich, konnten die Bewerber ihre Nachweisenicht auf die tatsächlich angewandten Kriterien ausrich-ten. Die FhG hat durch die von ihr angewandten Wer-tungskriterien bereits für sie tätige Bewerber bevorzugtund Bewerber – z. B. mit einem weiter entfernten Haupt-sitz – benachteiligt. Die Auswahlentscheidungen der FhGwaren nicht immer nachvollziehbar; sie hat damit dasGleichbehandlungs- und Transparenzgebot des europäi-schen Vergaberechts nicht eingehalten.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 207 – Drucksache 16/7100

Zudem verstieß die FhG gegen der Korruption vorbeu-gende Regelungen. Als Auftraggeber von Leistungenhätte sie wesentliche Entscheidungen im Vergabeverfah-ren selbst treffen müssen und nicht beauftragten Drittenüberlassen dürfen. So hätten die freiberuflich Tätigen dieAngebote in fast beliebigem Umfang ändern und damitden Wettbewerb beeinflussen können. Die FhG hätte dieAngebote zumindest selbst durchsehen und dokumentie-ren müssen, um Zeitpunkt und Urheberschaft der einge-tragenen Angaben zweifelsfrei festzustellen. Bei den frei-beruflich Tätigen hätte die FhG Planung und Vergabe vonBauleistungen organisatorisch trennen müssen, um Mani-pulationen vorzubeugen. Die Bauverwaltung hätte dieMängel erkennen müssen. Das Bundesministerium hätteden Verstößen der FhG gegen die vergaberechtlichen undder Korruption vorbeugenden Regelungen entgegenwir-ken müssen.

44.3

Das Bundesministerium hat die Beanstandungen des Bun-desrechnungshofes zum Raumbedarf sowie zur Planungund Ausführung weitgehend bestritten.

Die Abweichungen vom genehmigten Raumbedarf seiengeringfügig und vernachlässigbar, die Flächen nur teil-weise fehlerhaft zugeordnet. Das Bundesministerium hatangekündigt, künftig noch stärker auf notwendigen undangemessenen Raumbedarf zu achten. Es habe die FhGaufgefordert, Änderungen vom genehmigten Raumpro-gramm zukünftig abzustimmen.

Die Kritik an der Bauplanung hat das Bundesministeriumzurückgewiesen. So habe die FhG beispielsweise im Biblio-theksraum neben den Bibliotheksflächen auch Aufent-haltsflächen berücksichtigt. Sie habe deshalb den geneh-migten Raumbedarf für die Bibliothek nur geringfügigüberschritten. An diesem Beispiel zeige sich, dass dieFhG ihrer Verpflichtung zur wirtschaftlichen Planung vonBaumaßnahmen nachkomme und die Bauverwaltung diesgeprüft habe. Zur Raumplanung für die Institutsleitunghat das Bundesministerium dargelegt, es habe die Flächen-überschreitungen durch die angewiesenen Änderungenweitgehend beseitigt. Die übrigen Flächenüberschreitun-gen seien als „Pufferflächen“ für zeitweilige Auftragsspit-zen ungemein wertvoll.

Das Bundesministerium hat dargelegt, dass die FhG beiden Planungen das Sparsamkeitsprinzip bis zur Be-schlussfassung des Zuwendungsgebers eingehalten habe.Nach Zustimmung zur Gesamtfinanzierung verfolge siebei der Ausführung der Planung das Maximalprinzip.Dies bedeute, das bestmögliche Ergebnis unter Aus-schöpfung des Mittelansatzes zu erzielen. Das Bundesmi-nisterium hat diese Vorgehensweise der FhG ausdrücklichverteidigt. Mit dem Ausschöpfen des Kostenrahmenshabe die FhG notwendige und angemessene Qualitätsstei-gerungen erreichen können. Das Bundesministeriumkönne deshalb nicht bestätigen, dass die FhG erheblicheMehrkosten verursacht und damit unwirtschaftlich gehan-delt habe.

Zu den beanstandeten vergaberechtlichen Mängeln hatdas Bundesministerium auf die mittlerweile eingerichteteVergabestelle bei der FhG hingewiesen. Diese auf For-derung des Bundesrechnungshofes und Veranlassung desBundesministeriums gegründete Organisationseinheit sollegewährleisten, dass die aufgezeigten Verstöße gegen ver-gaberechtliche und der Korruption vorbeugende Bestim-mungen zukünftig nicht mehr auftreten werden. Das Bun-desministerium habe die FhG zudem aufgefordert, dieAufbau- und Ablauforganisation weiter zu verbessern.

44.4

Die Stellungnahme des Bundesministeriums zur Planungund Ausführung der FhG-Institutsbauten lässt nach Auf-fassung des Bundesrechnungshofes nicht erwarten, dassdie aufgezeigten Mängel bei zukünftigen Bauvorhabenvermieden werden. Die Darlegungen des Bundesministe-riums zu den Beispielen lassen über den Einzelfall hinausdarauf schließen, dass es auch im Nachhinein nicht er-kannt hat, dass die Planung unwirtschaftlich war.

Angesichts des Umfangs der Flächenüberschreitungenteilt der Bundesrechnungshof die Auffassung des Bun-desministeriums nicht, dass es sich dabei nur um gering-fügige Abweichungen handele. Das Bundesministeriumhat offen gelassen, ob es beabsichtigt, auch zukünftig denRaumbedarf nachträglich den Planungen anzupassen.

Bei seiner Bewertung hat das Bundesministerium beimBibliotheksraum vorhandene Flächen nicht berücksichtigtund im Leitungsbereich nicht bestehenden Raumbedarfherangezogen. Nicht nachvollziehbar ist, inwieweit zugroße Aufenthaltsflächen und ein zu großer Leitungsbe-reich mögliche Auftragsspitzen auffangen können.

Der Bundesrechnungshof stimmt auch den Ausführungendes Bundesministeriums zu den Fällen unwirtschaftlicherPlanung nicht zu. Der Bibliotheksraum stellt mit seinendrei Ebenen und der Dachterrasse in erster Linie einenRepräsentationsraum dar, der nicht an den Grundsätzensparsamen Bauens für einen Zweckbau ausgerichtet ist.Ferner ist er für das ungestörte Studium wissenschaftli-cher Literatur kaum geeignet, weil er auch der Kommuni-kation dienende Aufenthaltsflächen umfasst. Die erstkurz vor Fertigstellung des Bauwerks angeordneten Än-derungen im Leitungsbereich zeigen eine zuvor unkriti-sche Bewertung unwirtschaftlicher Planungen durch dasBundesministerium. Auch ist nicht erkennbar, welchenNutzen die Umbauten gehabt haben sollen.

Mit seiner Darlegung, die FhG habe das Maximalprinzipverfolgt, hat das Bundesministerium die Feststellung desBundesrechnungshofes bestätigt, dass die FhG nicht dieKosten senken, sondern den Mittelansatz ausschöpfenwollte. Das Bundesministerium hätte dies bei der Bau-durchführung der FhG nicht billigen dürfen. Es hat Ver-stöße gegen das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Spar-samkeit der Haushaltsführung zugelassen und seineeigene Genehmigungsauflage, sämtliche Möglichkeitenzur Kostensenkung zu nutzen, nicht durchgesetzt. Im Er-gebnis gewährte das Bundesministerium der FhG Ausga-

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Drucksache 16/7100 – 208 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bemöglichkeiten, die über die genehmigte Planung hi-nausgingen.

Der Bundesrechnungshof begrüßt, dass die FhG eine Ver-gabestelle eingerichtet hat. Das Bundesministerium sollteprüfen, ob dadurch die vergaberechtlichen und der Kor-ruption vorbeugenden Regelungen nunmehr eingehaltenwerden.

Der Bundesrechnungshof fordert das Bundesministeriumauf, die Bauvorhaben der FhG eingehender zu prüfen.Dabei sollte es eine wirtschaftliche Planung und die Ein-haltung des Sparsamkeitsprinzips bei deren Umsetzungsicherstellen. Das Bundesministerium sollte insbesonderevon seiner Auffassung abrücken, die FhG dürfe bei derAusführung genehmigter Vorhaben das Maximalprinzipanwenden.

45 Dienstleister für Hochschulen trotz entfallener Rechtsgrundlage weiter gefördert(Kapitel 3007 Titel 685 15 und 894 15)

45.0

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hatnicht beachtet, dass der Grundgesetzgeber im Jahre 2006Zuständigkeiten im Hochschulbereich auf die Länderübertragen hat. Es fördert weiterhin eine Einrichtung, dieHochschulen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unter-stützt. Dies ist nach aktueller Rechtslage jedoch alleinAufgabe der Länder.

45.1

Der Bund und die Länder fördern seit dem Jahre 1976eine gemeinnützige Gesellschaft. Deren satzungsgemäßerZweck ist, die Hochschulen und zuständigen Verwaltun-gen in ihrem Bemühen um eine rationelle und wirtschaft-liche Erfüllung der Hochschulaufgaben zu unterstützen.Dazu soll die Gesellschaft:

● Verfahren zur Rationalisierung der Hochschulverwal-tung entwickeln sowie bei deren Einführung und An-wendung mitwirken,

● durch Untersuchungen und Gutachten Entscheidungs-grundlagen schaffen,

● Grundlagen für den Hochschulbau entwickeln,

● Informationen bereitstellen und den Informationsaus-tausch organisieren.

Der Bund und die Länder finanzieren die Erfüllung dersatzungsgemäßen Aufgaben durch Zuwendungen zur in-stitutionellen Förderung. Der Bund trägt dabei ein Drittelder Fördersumme. Dafür bewilligte das Bundesministe-rium für Bildung und Forschung (Bundesministerium) imJahre 2006 knapp 3 Mio. Euro. Daneben gewährte es Zu-wendungen zur Projektförderung.

Das Bundesministerium begründete die institutionelleFörderung mit seinem Informationsbedarf für die Hoch-

schulrahmenplanung, für die Gemeinschaftsaufgabe„Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlichHochschulkliniken“ und für das Zusammenwirken mitden Ländern bei der Bildungsplanung.

Im Jahre 2006 regelte der Grundgesetzgeber mit der ers-ten Stufe der Föderalismusreform die Aufgabenverteilungvon Bund und Ländern im Grundgesetz neu. Die Grund-gesetzänderungen traten am 1. September 2006 in Kraft.Damit

● verlor der Bund die Rahmenkompetenz über die allge-meinen Grundsätze des Hochschulwesens,

● entfiel die bisherige Gemeinschaftsaufgabe „Ausbauund Neubau von Hochschulen einschließlich Hoch-schulkliniken“,

● wurde das bisherige Zusammenwirken des Bundesund der Länder bei der Bildungsplanung durch dasZusammenwirken „zur Feststellung der Leistungsfä-higkeit des Bildungswesens im internationalen Ver-gleich und bei diesbezüglichen Berichten und Emp-fehlungen“ nach Artikel 91b Abs. 2 Grundgesetzersetzt.

Ende September 2006 teilte das Bundesministerium demBundesrechnungshof mit: „Das wichtige Interesse desBundes an einer weiteren Förderung der Gesellschaft be-steht fort.“ Hierzu führte es aus, dass die Gesellschaft einsehr wichtiger Partner für die Hochschulen sei. Ohnediese Einrichtung könne eine gleich gute Wahrnehmungder Hochschulaufgaben nicht sichergestellt werden. DasBundesministerium setzte die institutionelle Förderungder Gesellschaft auch im Jahre 2007 unverändert fort.

45.2

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium da-rauf hingewiesen, dass seit Inkrafttreten der Grundge-setzänderungen (Föderalismusreform) die Aufgaben derGesellschaft in der alleinigen Zuständigkeit der Länderliegen. Für eine weitere institutionelle Förderung der Ge-sellschaft durch den Bund ist damit die Grundlage entfal-len.

45.3

Das Bundesministerium hat erwidert, auch nach der Fö-deralismusreform habe der Bund „verschiedene Kompe-tenzen mit Relevanz für den Hochschulbereich“. Dieseseien die Grundlage für die institutionelle Förderung unddie Projektförderung durch den Bund. So habe der Bunddie Gesetzgebungskompetenz:

● für die Statistik für Bundeszwecke,

● für die Ausbildungsbeihilfen und die Förderung derwissenschaftlichen Forschung sowie

● für die Hochschulzulassung und die Hochschulab-schlüsse.

Der neue Artikel 91b Grundgesetz ermögliche die ge-meinsame Förderung von außeruniversitären Einrichtun-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 209 – Drucksache 16/7100

gen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung so-wie von Vorhaben der Wissenschaft und Forschung anHochschulen einschließlich Großgeräten. Er ermöglichezudem ein Zusammenwirken von Bund und Ländern zurFeststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesensim internationalen Vergleich und bei diesbezüglichenEmpfehlungen und Berichten.

An der Arbeit der Gesellschaft bestehe ein erheblichesBundesinteresse. Sie unterstütze das Bundesministeriumbei der Wahrnehmung seiner Aufgaben durch Daten undInformationen. So seien z. B. Fragen der Hochschulver-waltung und Hochschulplanung sowie Informationenüber Studierentscheidungen und Bildungsverläufe einewesentliche Grundlage für gemeinsame Förderentschei-dungen von Bund und Ländern. Dass der Bund im Ver-gleich zu den Ländern nicht an jedem einzelnen Arbeits-gebiet der Gesellschaft ein gleich wichtiges Interessehabe, sei durch den Finanzierungsschlüssel berücksich-tigt. Danach beteilige sich der Bund zu einem Drittel unddie Länder zu zwei Dritteln an der Förderung.

45.4

Das Bundesministerium beschreibt in seiner Stellung-nahme lediglich die nach der Föderalismusreform imGrundgesetz geregelten Zuständigkeiten des Bundes fürBildung und Forschung. Eine konkrete Grundlage für dieweitere institutionelle Förderung der Gesellschaft lässtsich daraus aber nicht ableiten.

Um seinen gezielten Informationsbedarf für die Aus-übung der genannten Gesetzgebungskompetenzen zu de-cken, kann das Bundesministerium im Wege der Ressort-forschung Aufträge vergeben oder Zuwendungen zurProjektförderung auch an die Gesellschaft gewähren. Es

müsste dann nur die tatsächlich in Anspruch genomme-nen Leistungen der Gesellschaft bezahlen. Der vom Bun-desministerium erwähnte Finanzierungsschlüssel, dersich an der früheren Aufgabenverteilung zwischen Bundund Ländern orientiert, ist seit der Föderalismusreformohnehin überholt.

Für eine gemeinsame institutionelle Förderung der Ge-sellschaft stellt der vom Bundesministerium zitierte Arti-kel 91b Grundgesetz keine Rechtsgrundlage dar. NachArtikel 91b Abs. 1 Grundgesetz können der Bund und dieLänder außer Vorhaben der wissenschaftlichen For-schung, Forschungsbauten und Großgeräten nur Einrich-tungen der wissenschaftlichen Forschung außerhalb vonHochschulen gemeinsam fördern. Dazu gehört die Ge-sellschaft nach ihren satzungsgemäßen Aufgaben abernicht.

Das in Artikel 91b Abs. 2 Grundgesetz vorgesehene Zu-sammenwirken von Bund und Ländern zur Feststellungder Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internatio-nalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten undEmpfehlungen ist in einem Verwaltungsabkommen gere-gelt. Dieses sieht keine gemeinsame institutionelle Förde-rung von Einrichtungen vor.

Informationen und Daten für die Zusammenarbeit mit denLändern kann sich das Bundesministerium genauso be-schaffen, wie die für die Gesetzgebung notwendigen In-formationen. Es kann auch dafür die Instrumente der Res-sortforschung nutzen.

Der Bundesrechnungshof bleibt deshalb bei seiner Auf-fassung, dass die institutionelle Förderung der Gesell-schaft seit der Föderalismusreform allein Angelegenheitder Länder ist. Das Bundesministerium sollte seine insti-tutionelle Förderung einstellen.

Allgemeine Finanzverwaltung (Einzelplan 60)

46 Ungleichmäßige Besteuerung der 46.1

Land- und Forstwirte(Kapitel 6001 Titel 012 01 und 044 02)

46.0

Zahlreiche land- und forstwirtschaftliche Betriebe legenihren Finanzämtern keine Steuererklärungen und Gewinn-ermittlungen vor, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtetsind. Die Finanzämter setzen diese Pflicht nicht durchund nutzen Ahndungsmöglichkeiten nicht. Stattdessenschätzen sie die Gewinne. Die tatsächlichen Erträge wer-den dabei nur unzureichend und ungleichmäßig erfasst,weil die Finanzverwaltungen der Länder unterschiedlicheSchätzungsverfahren anwenden. Dadurch entstehenSteuerausfälle in Millionenhöhe.

Der Gewinn land- und forstwirtschaftlicher Betriebe wirdentweder

● durch Buchführung oder

● durch Einnahmeüberschussrechnung oder

● nach Durchschnittssätzen

ermittelt.

Land- und Forstwirte sind verpflichtet, Steuererklärungenund die dazugehörigen Gewinnermittlungen ihrenFinanzämtern einzureichen. Tun sie dies nicht, müssendie Finanzämter die Gewinne schätzen.

Der Bundesrechnungshof untersuchte mit Unterstützungdes Prüfungsamtes des Bundes München die steuerliche

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Drucksache 16/7100 – 210 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Behandlung von land- und forstwirtschaftlichen Betrie-ben, deren Gewinne für das Jahr 2002 geschätzt wordenwaren (Schätzungslandwirte). Dies betraf insgesamt rund21 000 Betriebe, wovon rund 56 % ihren Sitz in Bayernhatten. Sie gaben in der Regel über viele Jahre hinwegkeine Gewinnermittlungen ab und ließen es auf eineSchätzung durch die Finanzämter ankommen. Die meis-ten Land- und Forstwirte führten jedoch Aufzeichnungenüber ihre betrieblichen Einnahmen und Ausgaben; siehatten daher genaue Kenntnisse über ihre Betriebsergeb-nisse. Zudem legten fast alle land- und forstwirtschaftli-chen Betriebe bei der Landwirtschaftsverwaltung Buch-führungsunterlagen und/oder Betriebsdaten vor. Sie sindnotwendig, um bestimmte Leistungen aus landwirtschaft-lichen Förderungen zu erhalten.

Bundeseinheitliche Regelungen für die Gewinnschätzun-gen existieren nicht. Vielmehr entwickelten die Ländereigenständige, unterschiedliche und zum Teil streng for-malisierte Verfahren. Soweit die Bedingungen der jewei-ligen Schätzungsverfahren zugänglich sind, können dieLand- und Forstwirte das Ergebnis der Schätzung vorabselbst berechnen, mit ihrem tatsächlichen Betriebsergeb-nis vergleichen und das für sie günstigere Ergebnis wäh-len.

Die Finanzämter nutzten die vorhandenen Zwangsmittelnicht hinreichend, um die Vorlage von Steuererklärungenund Gewinnermittlungen durchzusetzen. Die Bußgeld-und Strafsachenstellen schalteten sie regelmäßig nichtein. Dementsprechend wurden keine Geldbußen verhängtoder strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Finanzäm-ter den ihnen eingeräumten Spielraum (Schätzungsrah-men) beim Ansatz der Besteuerungsgrundlagen nur seltenbis an die obere Grenze ausschöpften. Unsicherheitszu-schläge setzten sie im Regelfall nicht fest. Die streng for-malisierten Schätzungsverfahren räumten ohnehin keineeinzelfallbezogenen Ermessensspielräume ein. Vergleichemit den Ergebnissen von Betriebsprüfungen ergaben, dassdie geschätzten Gewinne regelmäßig unter den tatsäch-lich erzielten Gewinnen lagen. Land- und Forstwirte, wel-che entgegen den gesetzlichen Bestimmungen keine Steu-ererklärung und Gewinnermittlung vorlegten, erreichtenso im Durchschnitt eine niedrigere Besteuerung. Dadurchentstanden Steuerausfälle in Millionenhöhe.

Die Finanzämter führten nur selten Betriebsprüfungen beiSchätzungslandwirten durch. Soweit solche Prüfungenzum Beispiel in Bayern durch zentralisierte Betriebs-prüfungsstellen erfolgten, erbrachten sie regelmäßig er-hebliche Mehrergebnisse. Allerdings hob Bayern diezentralisierten Zuständigkeiten der Betriebsprüfungsstel-len ab dem Jahre 2006 auf.

Im außersteuerlichen Bereich sind Zuwendungen oderBeiträge häufig von der Höhe des Einkommens laut Steu-erbescheid abhängig. Dies führt dazu, dass bei Schät-zungslandwirten Zuwendungen häufig zu hoch oderBeiträge, z. B. zur Altersvorsorge oder zu Krankenversi-cherungen, vielfach zu niedrig ausfallen.

46.2

Die Finanzämter sollten die Schätzung des Gewinns land-und forstwirtschaftlicher Betriebe nicht als eigene,„vierte“ Gewinnermittlungsart praktizieren. Die von denLändern entwickelten Schätzungsverfahren sind nicht ge-eignet, eine zutreffende und gleichmäßige Besteuerungsicher zu stellen. Sie führen vielmehr dazu, dass sichLand- und Forstwirte ihrer gerechten Besteuerung entzie-hen können und ungerechtfertigte Vorteile erhalten.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Finanzen (Bundesministerium) daher empfohlen, beiden Ländern darauf hinzuwirken, dass Land- und Forst-wirte ihren gesetzlichen Vorlagepflichten künftig nach-kommen.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumauch empfohlen, bei den Ländern darauf zu dringen, zen-trale Betriebsprüfungsstellen für die Land- und Forst-wirtschaft beizubehalten oder einzurichten. In diesemZusammenhang bedauert er die Aufgabe der zentralenZuständigkeiten der bayerischen Betriebsprüfungsstellen.

46.3

Das Bundesministerium teilt die Auffassung des Bundes-rechnungshofes, dass die nach der Abgabenordnung ver-fügbaren Instrumente auszuschöpfen seien, um die steu-erlichen Verpflichtungen der Land- und Forstwirtedurchzusetzen. Im Rahmen der Fach- und Rechtsaufsichtdes Bundes könnten allerdings die Schätzungsverfahrenweitgehend vereinheitlicht und die Höhe der Schätzungs-grundlagen nach Art der Betätigung und dem Grad derPflichtverletzung bundeseinheitlich abgestimmt werden.Damit könne einerseits den regionalen BesonderheitenRechnung getragen und die Gleichmäßigkeit der Besteue-rung gewahrt werden. Andererseits könne auch ver-mieden werden, dass sich Schätzungen als „vierte“Gewinnermittlungsart in der Land- und Forstwirtschaftetablieren. Das Bundesministerium hat sich dafür ausge-sprochen, Sonderbezirke für Steuerpflichtige mit land-und forstwirtschaftlichen Einkünften beizubehalten odereinzurichten und die land- und forstwirtschaftlichen Be-triebsprüfungsstellen zu zentralisieren. Die Ertrags-besteuerung in diesem Bereich setze ein besonderesFachwissen voraus. Es hat dabei jedoch auf die Organisa-tionshoheit der Länder verwiesen.

46.4

Das Bundesministerium bleibt aufgefordert, dafür Sorgezu tragen, dass sich die Anzahl der Schätzungslandwirteerheblich verringert und die Land- und Forstwirte ihrenBuchführungs- und Aufzeichnungspflichten künftignachkommen. Schätzungen der Erträge sollten die Aus-nahme bleiben. Der Bundesrechnungshof begrüßt, dassdas Bundesministerium ebenfalls Vorteile darin erblickt,die Schätzungsverfahren mit dem Ziel einer gleichmäßi-gen Besteuerung zu vereinheitlichen. In jedem Fall soll-ten sie keine Anreize dafür bieten, dass sich Land- undForstwirte ihren Verpflichtungen zur Abgabe vollständi-ger Steuererklärungen entziehen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211 – Drucksache 16/7100

Das Bundesministerium sollte bei den Ländern daraufhinwirken, dass

● die Finanzämter die Vorlage von Steuererklärungenund Gewinnermittlungen nachhaltig durch den Einsatzvon Zwangsmitteln durchsetzen,

● in Schätzungsfällen der Schätzungsrahmen ausge-schöpft wird und Unsicherheitszuschläge festgesetztwerden,

● die Verletzung der Pflicht zur Abgabe einer Steuerer-klärung und der Gewinnermittlung als Ordnungswid-rigkeit verfolgt wird und

● zukünftig nur noch bundesweit abgestimmte Schät-zungsverfahren angewendet werden.

47 Steueraufsicht durch die Finanzämter nicht ausreichend(Kapitel 6001)

47.0

Die Steuerfahndungsstellen haben den gesetzlichen Auf-trag, unbekannte Steuerfälle aufzudecken (Steuerauf-sicht). Häufig nehmen sie diese Aufgabe nur unzurei-chend oder nicht wahr. Den Finanzämtern fehlt das dafürnotwendige Personal oder eine ausreichende technischeAusstattung. Der Bundesrechnungshof hat dem Bundes-ministerium der Finanzen empfohlen, auf eine stärkereZentralisierung der Steueraufsicht zu dringen. Die gutenErfahrungen einzelner Länder mit zentralen Organisa-tionseinheiten sollten dafür genutzt werden.

47.1

Die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle(Steueraufsicht) ist gemäß § 208 Abs. 1 Nr. 3 Abgaben-ordnung (AO) den Steuerfahndungsstellen der Finanzäm-ter übertragen. Der Bundesrechnungshof hatte bereits imJahre 1999 festgestellt, dass die Fahndungsstellen dieSteueraufsicht wegen erheblicher Arbeitsbelastung undhoher Arbeitsrückstände nur noch in geringem Umfangdurchführten. Auch das Bundesministerium der Finanzen(Bundesministerium) sah diesbezüglich Handlungsbe-darf.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes Berlin die Steu-erfahndungsstellen erneut. Er stellte fest, dass die Steuer-aufsicht nach wie vor unzureichend ist. In den meistenLändern nehmen die Finanzämter die Steueraufsicht ent-weder nicht oder häufig wenig systematisch und lediglichin begrenztem Umfang wahr. Einige Fahndungsstellenführen zwar auf einzelnen Gebieten, z. B. der Schwarzar-beit, der Geldwäsche, dem Internet-Handel und der Pros-titution, zumindest teilweise systematische Kontrollendurch. Andere Stellen üben dagegen kaum oder keineSteueraufsicht aus. Die Fahndungsstellen sind mit Aufga-ben im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oftmals aus-gelastet. Eine behörden- und ressortübergreifende Zusam-

menarbeit fand nur selten statt. Die Ausstattung derFahndungsstellen mit Internetanschlüssen entsprach nichtdurchgängig den Erfordernissen.

Drei Länder verfügen derzeit zur besseren Steueraufsichtüber zentrale Organisationseinheiten. Die sogenannte„Task-Force“ der niedersächsischen Steuerverwaltung istmit erfahrenen Fahnderinnen und Fahndern sowie IT-Fachleuten besetzt und verfügt über die notwendigentechnischen Einrichtungen. Die Sondereinheit ist in derLage, steuerlich relevante Prüffelder zu ermitteln, breitangelegte Risikoanalysen zu erstellen und Risikofälle an-hand automatisierter Auswahlverfahren herauszufiltern.Sie kann neue oder problembehaftete Sachverhalte syste-matisch analysieren und entsprechendes Kontrollmaterialanfertigen. Inzwischen haben auch die Länder Rheinland-Pfalz und Sachsen zentrale Sondereinheiten gebildet, diesich an dem niedersächsischen Modell orientieren.

47.2

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes genügt diein den meisten Ländern nur unzureichend wahrgenom-mene Steueraufsicht durch die Finanzämter nicht den An-forderungen des § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO. Ein präventivesund systematisches Vorgehen zur Umsetzung des gesetz-lichen Auftrages unterbleibt wegen fehlender personellerund technischer Kapazitäten zu oft. Die starke Auslastungder Fahndungsstellen mit strafprozessualen Ermittlungs-verfahren und anderen Aufgaben verhindert, dass dieSteueraufsicht bundesweit effektiv wahrgenommen wird.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, die Erfahrungen der in drei Ländern einge-richteten zentralen Sondereinheiten auszuwerten und dieErkenntnisse zu nutzen, um die Steueraufsicht bundes-weit zu verbessern. In Ländern, in denen zentrale Sonder-einheiten fehlen, sollten die Mittel- und Oberbehördenwenigstens in anderer Form verstärkt für eine wirksamereSteueraufsicht sorgen. Dazu sollte die behörden- und res-sortübergreifende Zusammenarbeit ausgebaut und dieAusstattung der Fahndungsstellen mit Internetanschlüs-sen verbessert werden.

47.3

Das Bundesministerium hat in seiner Stellungnahme mit-geteilt, dass die überwiegende Zahl der Länder zwar eineIntensivierung der Steueraufsicht für erforderlich halte,einer Zentralisierung aber ablehnend gegenüberstehe. Beider Steueraufsicht müssten auch regionale Besonderhei-ten berücksichtigt werden und die Grundsätze der Ver-hältnismäßigkeit und Wirtschaftlichkeit gewahrt bleiben.

Das Bundesministerium geht gleichwohl davon aus, dassdie Steueraufsicht auf Länderebene zentralisiert werdenkann. Vergleichbare Überlegungen existierten derzeitauch bei der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung. Das Bun-desministerium lehnt es jedoch ab, die Tätigkeit der indrei Ländern bestehenden zentralen Fahndungsstellenauszuwerten. Es ist lediglich bereit, auf eine einheitlicheIT-Ausstattung der Steuerfahndungsstellen hinzuwirken.

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Drucksache 16/7100 – 212 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

47.4

Der Bundesrechnungshof sieht nach wie vor die Notwen-digkeit, die Steueraufsicht effizient und wirtschaftlich zugestalten, damit sie den gesetzlichen Anforderungen ge-recht wird. Er empfiehlt deshalb ihre Zentralisierung undeine weitgehende, behörden- und ressortübergreifendeZusammenarbeit. Die Schlagkraft der Steueraufsichtwürde damit erhöht und durch die Bündelung von Perso-nal- und Sachmitteln könnten wirtschaftliche Vorteile er-zielt werden. Nicht entscheidend ist aus Sicht des Bun-desrechnungshofes, ob die Zentralisierung auf der Ebenedes Bundes oder der der Länder vorgenommen wird. Re-gionale Besonderheiten könnten in jedem Fall berück-sichtigt werden.

Der Bundesrechnungshof fordert das Bundesministeriumauf, die durch zentralisierte Behörden bisher gewonnenenErfahrungen auszuwerten und in künftige Planungen füreine einheitliche Steueraufsicht einzubeziehen.

48 Begünstigung von Reedern mit Lohnsteuer ihrer Seeleute verfehlt wesentliche Ziele(Kapitel 6001 Titel 011 01)

48.0

Seit dem Jahre 1999 dürfen Reeder einen Teil der Lohn-steuer ihrer Seeleute für sich einbehalten. Die entspre-chende Vorschrift im Einkommensteuergesetz ist verfas-sungsrechtlich bedenklich und darüber hinaus anfälligfür Missbrauch. Die mit ihr verfolgten Ziele wurden nichterreicht. Trotz umfassender Finanzhilfen und Steuer-erleichterungen ist die Zahl der beschäftigten deutschenSeeleute seit Jahren nahezu unverändert. Die steuerlicheFörderung der Reeder fällt besonders hoch aus, wenn sieledige Seeleute beschäftigen.

48.1

Seit dem Jahre 1999 dürfen Reeder 40 % der Lohnsteuerihrer Seeleute für sich einbehalten. Voraussetzung dafürist, dass die Seeleute in einem zusammenhängenden Ar-beitsverhältnis von mehr als 183 Tagen auf begünstigtenHandelsschiffen im internationalen Verkehr beschäftigtwerden. Begünstigt sind eigene oder gecharterte Schiffe,die in einem deutschen Seeschiffsregister eingetragensind, die deutsche Flagge führen und Personen oder Güterim Wesentlichen außerhalb deutscher Hoheitsgewässerbefördern.

Mit der entsprechenden Regelung in § 41a Abs. 4 Ein-kommensteuergesetz (EStG) sollten die bisher an inländi-sche Reeder gezahlten direkten Finanzhilfen durch einesteuerliche Förderung abgelöst werden. Mit der Steuer-vergünstigung verfolgte der Gesetzgeber auch das Ziel,den Reedereistandort Deutschland und die Beschäftigungfür deutsche und EU-Seeleute zu sichern.

Der Bundesrechnungshof untersuchte, wie die Finanzbe-hörden § 41a Abs. 4 EStG anwenden und wie sich diese

Vorschrift auf die Beschäftigungssituation inländischerSeeleute auswirkt.

Die Höhe des Lohnsteuer-Einbehalts und damit die Höheder Förderung hängt von der Steuerklasse der Arbeitneh-mer ab. Ein Reeder, der einen ledigen Arbeitnehmer mitder Steuerklasse I beschäftigt, wird deutlich stärkerbegünstigt als ein Reeder, der einen verheirateten Ar-beitnehmer beschäftigt, dessen Lohnsteuerabzug nachSteuerklasse III vorgenommen wird. Darüber hinaus be-einflussen auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Freibe-träge die Höhe der Lohnsteuer und damit auch die Höhedes Lohnsteuer-Einbehalts.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass der Innendienstder Finanzämter die Anspruchsvoraussetzungen der steu-erlichen Förderung anhand der Lohnsteueranmeldungennicht prüfen konnte, weil die Voraussetzungen der Förde-rung daraus nicht ersichtlich sind. Auch die Lohnsteuer-Außenprüfung war außerstande, die komplizierten An-spruchsvoraussetzungen bezogen auf das einzelne Ar-beitsverhältnis lückenlos zu ermitteln.

§ 41a Abs. 4 EStG setzt nicht voraus, dass die beschäftig-ten Seeleute ihren Wohnsitz im Inland oder in der Euro-päischen Union haben. Die Reeder können ihren Anteilan der Lohnsteuer auch dann einbehalten, wenn sie Ar-beitnehmer aus Drittstaaten beschäftigen. Die Förderungist auch nicht von seemännischen Kenntnissen abhängig.

Trotz der Tatsache, dass inländische Reeder seit Jahren inden Genuss von umfassenden Finanzhilfen und Steuer-erleichterungen kommen, und trotz der seit Jahren günsti-gen Gewinnsituation der Reeder, ist die Zahl der bei ih-nen beschäftigten deutschen Seeleute seit Jahren nahezuunverändert.

Im Vergleich hierzu stieg die Zahl der ausländischenMannschaften an Bord deutscher Handelsschiffe allein imZeitraum vom Jahre 2003 bis zum Jahre 2006 von 2 710um 1 320 auf 4 030 an. Die Zahl der im Ausland ansässi-gen Offiziere hat sich in dieser Zeit mehr als verdoppelt.

Obwohl die steuerliche Förderung die bisher gezahltenFinanzhilfen ab dem Jahre 1999 zunächst wie vorgesehenersetzte, werden bereits seit dem Jahre 2001 wieder Zu-schüsse zu den Lohnnebenkosten gezahlt. Diese direktenFinanzhilfen belaufen sich zwischenzeitlich auf das Drei-fache der steuerlichen Förderung nach § 41a Abs. 4 EStG.

48.2

Der Bundesrechnungshof hält die Förderung der Reederüber § 41a Abs. 4 EStG für verfehlt und überdies für ver-fassungsrechtlich bedenklich. Die Anspruchsvorausset-zungen der Norm sind praktisch nicht prüfbar. Die mit derVorschrift verfolgten Ziele werden nicht erreicht. Diesteuerliche Förderung verfehlt insbesondere das Ziel, dieBeschäftigung für deutsche Seeleute zu sichern, da dasdeutsche Schiffspersonal auf Schiffen unter deutscherFlagge nach dem Inkrafttreten der Regelung weiter ab-nahm. § 41a Abs. 4 EStG fördert jedes lohnsteuerlicheArbeitsverhältnis, unabhängig vom Wohnsitz des Arbeit-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 213 – Drucksache 16/7100

nehmers. Die Regelung führt darüber hinaus zu uner-wünschten Ergebnissen, da die Höhe des Lohnsteuer-Ein-behalts zugunsten des Reeders vom Familienstand undmöglichen Freibeträgen auf der Lohnsteuerkarte seinerArbeitnehmer abhängt. Der Bundesrechnungshof siehthierin eine Benachteiligung von Ehe und Familie.

48.3

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) hat zugesagt, den Lohnsteuer-Einbehalt nach § 41aAbs. 4 EStG zu überprüfen. Dabei werde es das Ziel derBundesregierung, „Verzerrungen des Steuerwettbewerbszulasten des Schifffahrtstandortes Deutschland zu ver-meiden“, berücksichtigen.

48.4

Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bundesministe-rium, darauf hinzuwirken, dass § 41a Abs. 4 EStG aufge-hoben wird. Soll die Beschäftigung von Seeleuten aufHandelsschiffen unter deutscher Flagge, neben den direk-ten Finanzbeihilfen, weiterhin auch über eine steuerlicheSubvention gefördert werden, müsste eine Rechtsände-rung nach Auffassung des Bundesrechnungshofes sicher-stellen, dass

● die Förderung auf Beschäftigungsverhältnisse mitSeeleuten beschränkt wird, die im Inland oder im EU-Ausland ansässig sind,

● die Höhe der Förderung an vorhersehbare, objektiveFaktoren geknüpft wird,

● die Dauer der steuerlichen Subvention befristet wirdund

● die Ziele und Kriterien der Förderung so festgelegtwerden, dass sich überprüfen lässt, ob der damit er-strebte Zweck erreicht wurde.

49 Verfahren der Freistellungsaufträge zu aufwendig und nicht mehr zeitgemäß (Kapitel 6001 Titel 013 01)

49.0

Verringerte Sparer-Freibeträge verursachen vermehrte,zeit- und personalintensive Kontrollen der Freistellungs-aufträge bei den Finanzämtern mit geringen steuerlichenErgebnissen. Bislang verschwiegene inländische Kapital-erträge werden durch die Kontrollen kaum mehr aufge-deckt. Neben erheblichem Kontrollaufwand in Bundes-und Landesfinanzbehörden entstehen den Kreditinstitutenhohe Bürokratiekosten wegen gesetzlicher Meldepflichtenund Beratungsaufgaben. Zahlreiche Steuerbürgerinnenund Steuerbürger sind mit der Überwachung ihrer Frei-stellungsaufträge überfordert. Das steuerliche Freistel-lungsverfahren sollte abgeschafft werden.

49.1

49.1.1

Den Freistellungsauftrag führte der Gesetzgeber nachdem sogenannten „Zinsurteil“ des Bundesverfassungsge-richts vom 27. Juni 1991 ein.

Banken und Sparkassen zahlen seither Kapitalerträge wieZinsen und Dividenden nicht mehr voll an die Anlegerin-nen und Anleger aus, sondern ziehen vorher die Zinsab-schlagsteuer ab und überweisen sie an das Finanzamt.Diese Abschlagsteuer in Höhe von 30 % der inländischenKapitalerträge ist eine Vorauszahlung auf die endgültigeSteuer, die erst nach Abgabe der Steuererklärung fest-steht.

Den Bürgerinnen und Bürgern stehen jedoch ein Sparer-Freibetrag und eine Pauschale für die Werbungskosten zu.Anlegerinnen und Anleger dürfen sich deshalb bis zurHöhe des Freibetrages und der Pauschale von der Zinsab-schlagsteuer befreien lassen. Wenn sie einen Freistel-lungsauftrag erteilen, erhalten sie ihre Kapitalerträge biszur Höhe der freigestellten Beträge ohne Abzug ausge-zahlt.

Die Banken und Sparkassen melden die aufgrund derFreistellungsaufträge steuerfrei gezahlten Kapitalerträgean das Bundeszentralamt für Steuern (Bundeszentralamt).Wenn die steuerfrei gezahlten Kapitalerträge das Freistel-lungsvolumen (Freibetrag zuzüglich Werbungskosten-pauschale) überschreiten, verschickt das Bundeszentral-amt Kontrollmitteilungen an die Landesfinanzbehörden.

Damit soll verhindert werden, dass das System der Frei-stellungsaufträge missbraucht wird, indem die Anlegerin-nen und Anleger mehrere Freistellungsaufträge bei unter-schiedlichen Banken einreichen und so mehrKapitalerträge zinsabschlagsteuerfrei erhalten, als ihnenzustehen.

Seit dem Jahre 1993 betrug das Freistellungsvolumen zu-nächst 6 100 DM (3 119 Euro) für Ledige und 12 200 DM(6 238 Euro) für Verheiratete. Für den Zeitraum zwischenden Jahren 2000 und 2007 senkte der Gesetzgeber diesenBetrag stufenweise auf zuletzt 801 Euro für Ledige und1 602 Euro für Verheiratete.

49.1.2

Der Bundesrechnungshof prüfte, wie die Bundes- undLandesfinanzbehörden die Freistellungsaufträge kontrol-lieren. Er untersuchte insbesondere, in welchem Umfangdie Finanzämter die Kontrollmitteilungen auswerten undwelcher Aufwand dem erzielten steuerlichen Ergebnis ge-genüber steht.

An den jährlich durchschnittlich 65 Millionen Freistel-lungsaufträgen sind viele beteiligt: Bürgerinnen und Bür-ger stellen Freistellungsaufträge aus; Kreditinstitute undBundes- und Landesfinanzbehörden erfassen und kontrol-lieren die Angaben.

Da die Sparer-Freibeträge gesenkt wurden, haben mehrBürgerinnen und Bürger Kapitalerträge zu versteuern. Siemussten dazu mehrere Rechtsänderungen beachten, neue

Page 214: Deutscher Bundestag Drucksache 7100 · 11. 2007 Zugeleitet mit Schreiben des Bundesrechnungshofes vom 21. November 2007 gemäß § 97 Abs. 1 der Bundeshaushalts-ordnung. Unterrichtung

Drucksache 16/7100 – 214 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Vordrucke beschaffen, Aufträge bei den Banken anpassenund die Erträge überwachen, um nicht unnötig Zinsab-schlagsteuern zahlen zu müssen. Viele Anlegerinnen undAnleger sind damit überfordert. So konnten sich Inhabermehrerer Bankverbindungen nicht immer rechtzeitig da-rauf einstellen, wenn das Steuerrecht kurzfristig geändertwurde. Viele Steuerbürgerinnen und Steuerbürger verlorenoftmals den Überblick über ihre Freistellungsaufträge oderverkannten die Bedeutung des Freistellungsverfahrens.

Banken und Sparkassen haben durch die Freistellungsauf-träge hohe Personal- und Sachkosten: Sie müssen Com-puterprogramme aufbauen und pflegen, Daten millionen-fach an das Bundeszentralamt übermitteln sowieratsuchende Bankkunden aufwendig beraten. Auf der Ba-sis von Messungen des Zentralen Kreditausschusses gehtder Bundesrechnungshof davon aus, dass die Banken undSparkassen jährlich mehrere hundert Millionen Euro fürdie Bürokratie um das steuerliche Freistellungsverfahrenausgeben.

Auch die Finanzverwaltung wird stark belastet: Im Jahre2004 wurden 665 000 Fälle an die Landesfinanzbehördengemeldet, bei denen die Freistellungsaufträge eines Spa-rers die steuerlichen Höchstgrenzen überschritten. Da dieSparer-Freibeträge weiter gesenkt wurden, wird die Zahlder Kontrollmitteilungen im Jahre 2007 voraussichtlichdie Millionengrenze überschreiten.

Die Finanzämter bemühten sich, die Kontrollmitteilungensach- und zeitgerecht auszuwerten. Die Kontrollmittei-lungen lagen meistens erst nach Abschluss der Steuerfest-setzungen vor. Außerdem übermittelten die Kreditinsti-tute die Daten der Freistellungsaufträge verspätet,unvollständig oder doppelt. Dies verursachte erheblicheMehrarbeit. Um den Kontrollaufwand in den Finanzäm-tern überschaubar zu halten, legten mindestens fünf Bun-desländer seit dem Jahre 2001 unterschiedliche, teilweiseansteigende Nichtaufgriffsgrenzen und Auswertungsbe-schränkungen für die Finanzämter fest. Dadurch verrin-gerten sich die zu bearbeitenden Fälle um bis zu 80 %.

Die Nachprüfungen führten im Verhältnis zu dem betrie-benen Aufwand lediglich zu geringen zusätzlichen Steu-ereinnahmen. In zahlreichen Fällen wurde zwar das Frei-stellungsvolumen überschritten, die Kapitalerträge warenjedoch so niedrig, dass sie aus anderen Gründen nichtversteuert werden mussten. Im Gegenteil: Legten dieSteuerpflichtigen die angeforderten Steuererklärungeneinschließlich der Steuerbescheinigungen vor, musstenoftmals bereits einbehaltene Abschlagsteuern zurücker-stattet werden. Hohe Einnahmen aus bislang unversteuer-ten Kapitalerträgen waren selten.

Der Bundesrechnungshof berechnete, dass die Finanzäm-ter für das Jahr 1998 lediglich 12,5 Mio. Euro aufgrundder Kontrolle der Freistellungsaufträge einnahmen. ImJahre 2003 waren es nur noch 5,6 Mio. Euro. Je Fall er-gab sich rechnerisch für das Jahr 1998 eine durchschnitt-liche Mehreinnahme von 46 Euro an Steuern, für das Jahr2003 waren es nur 21 Euro. Die Auswertung für das Jahr2004 zeigte einen weiteren Rückgang. Damit lagen diedarauf entfallenden anteiligen Personalkosten bei den Fi-nanzämtern deutlich höher als die Mehreinnahmen.

49.2

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes erfüllt dasFreistellungsverfahren heute nicht mehr seine Funktion,Verstößen gegen die Freibetragsgrenzen entgegenzuwir-ken. Es leistet auch keinen Beitrag zur wirksamen Prü-fung der erklärten Kapitalerträge. Das Verfahren ist fürdie Verwaltung, die Kreditinstitute sowie für die Bürge-rinnen und Bürger zu aufwendig und bürokratisch.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Finanzen (Bundesministerium) daher empfohlen, fürdie Abschaffung des steuerlichen Freistellungsverfahrenseinzutreten. Der Sparer-Freibetrag und der Werbungskos-ten-Pauschbetrag von derzeit insgesamt 801 Euro bei Le-digen und 1 602 Euro bei Verheirateten sollte ausschließ-lich bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigtwerden.

Haben etwa Rentner, Erwerbslose oder Kinder durch dieAbschlagsteuer zuviel Steuern bezahlt, sollten sie diese ineinem vereinfachten Verfahren erstattet bekommen. Da-mit wäre zwar ein geringfügiger Liquiditätsnachteil vonhöchstens 10 Euro pro Person verbunden. Dies sollte einerVereinfachung des Verfahrens aber nicht entgegenstehen.

49.3

Das Bundesministerium hat den Ausführungen des Bun-desrechnungshofes nicht widersprochen. Es hat jedochdarauf verwiesen, dass mit dem Unternehmensteuerre-formgesetz ab dem Jahre 2009 eine Abgeltungsteuer ein-geführt werden soll. Im Wesentlichen ziele diese Reformdarauf ab, „in möglichst vielen Fällen die erzieltenKapitaleinkünfte nicht in das Veranlagungsverfahren ein-zubeziehen, sondern schon bei der Erhebung der Kapital-ertragsteuer abschließend zu besteuern“. Die Empfehlun-gen des Bundesrechnungshofes liefen darauf hinaus,jeden Steuerpflichtigen mit noch so geringen Kapitalein-künften verpflichtend zu veranlagen – das wäre jedochmit dem Sinn und Zweck der Abgeltungsteuer nicht ver-einbar.

49.4

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes würde die Ab-schaffung des Freistellungsverfahrens möglicherweise zumehr Einkommensteuer-Veranlagungen führen. Die zu-sätzlichen Veranlagungsfälle werden nach seiner Auffas-sung jedoch nicht so zahlreich sein, wie vom Bundesmi-nisterium angenommen. So können Geringverdiener eineNichtveranlagungsbescheinigung beantragen – dann zah-len sie auch keine Abgeltungsteuer. Darüber hinaus dürf-ten nach den bestehenden und geplanten steuerlichen Re-gelungen ohnehin viele Bürgerinnen und Bürger eineEinkommensteuererklärung abgeben. Die Zahl der zu-sätzlichen Einkommensteuererklärungen nach abge-schafftem Freistellungsverfahren würde daher geringsein.

Insgesamt ist das Freistellungsverfahren sehr aufwendigund im Ergebnis unwirksam. Der Bundesrechnungshof

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 215 – Drucksache 16/7100

empfiehlt daher, die Vorschriften über das steuerlicheFreistellungsverfahren sowie über die Kontrolle der Frei-stellungsaufträge aufzuheben und den Sparer-Pauschbe-trag nur noch im Veranlagungsverfahren zu gewähren.Die Abschaffung der Freistellungsaufträge wäre ein spür-barer Beitrag zum Bürokratieabbau und würde sowohl dieBürgerinnen und Bürger, als auch die Kreditinstitute unddie Finanzverwaltung von Informationspflichten undKosten entlasten.

50 Mangelnde Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand benachteiligt private Wettbewerber und verletzt europäisches Recht(Kapitel 6001 Titel 015 01)

50.0

Das Bundesministerium der Finanzen hat auf die Fest-stellungen des Bundesrechnungshofes zur mangelndenUmsatzbesteuerung der öffentlichen Hand nur unzurei-chend reagiert. Dadurch kommt es weiterhin dazu, dassLeistungen der öffentlichen Hand oft auch dann nichtbesteuert werden, wenn sie in Konkurrenz zum Angebotprivater Unternehmer stehen. Dies führt zu Wettbewerbs-verzerrungen und verletzt europäisches Recht. Obwohlder Europäische Gerichtshof inzwischen entschieden hat,dass private Konkurrenten gegen die Ungleichbehand-lung klagen können, ist eine Neuregelung bisher nicht inSicht.

50.1

Wenn sich die öffentliche Hand im privatwirtschaftlichenBereich betätigt, tritt sie in Konkurrenz zu privaten Un-ternehmern. Unabhängig davon, ob dies ordnungspoli-tisch erwünscht ist, darf sie dabei aus Gründen der Wett-bewerbsgleichheit keinen Steuervorteil erhalten. DerGrundsatz der Wettbewerbsneutralität ist für die Umsatz-besteuerung im europäischen Recht (Gemeinschaftsrecht)verankert. Das nationale Steuerrecht muss diesen Vorga-ben genügen. Das bedeutet, dass alle Leistungen von ju-ristischen Personen des öffentlichen Rechts, die in Kon-kurrenz am Markt angeboten werden, zu besteuern sind.

Der Bundesrechnungshof hatte in einem Bericht nach§ 99 Bundeshaushaltsordnung vom 2. November 2004(Bundestagsdrucksache 15/4081) auf verwaltungsmäßige,strukturelle und gemeinschaftsrechtliche Probleme hinge-wiesen, die bei der derzeitigen Umsatzbesteuerung deröffentlichen Hand bestehen. Er hatte deutlich gemacht,dass juristische Personen des öffentlichen Rechts in vie-len Bereichen auch dann nicht besteuert werden, wenn sieim Wettbewerb mit privaten Konkurrenten Leistungenanbieten. Dies verzerrt den Wettbewerb zum Nachteil pri-vater Anbieter und steht mit dem Gemeinschaftsrechtnicht in Einklang.

Der Bundesrechnungshof hatte empfohlen, die Umsatz-besteuerung der öffentlichen Hand grundlegend zu über-

denken und das nationale Steuerrecht an die gemein-schaftsrechtlichen Vorgaben anzupassen. In seinem Berichthatte er dazu verschiedene Lösungsansätze aufgezeigt.Dabei hatte er sich für eine rasche Angleichung aus-gesprochen, um Vertragsverletzungsverfahren vor demEuropäischen Gerichtshof zu vermeiden.

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) richtete daraufhin eine Arbeitsgruppe aus Vertre-tern des Bundes und der Länder ein, die den Bericht desBundesrechnungshofes zum Gegenstand ihrer Beratun-gen machte. Konkrete Ergebnisse liegen jedoch bis heutenicht vor. Zudem forderte der Finanzausschuss des Deut-schen Bundestages das Bundesministerium auf, baldmög-lichst einen umfassenden Bericht zu erstellen und darinauch die finanziellen Auswirkungen einer künftigen Um-satzbesteuerung der öffentlichen Hand darzustellen. Einentsprechender Bericht wurde ebenfalls noch nicht vorge-legt.

Inzwischen fällte der Europäische Gerichtshof am 8. Juni2006 ein Urteil im Fall eines nicht besteuerten kommuna-len Krematoriumsbetriebs (Rechtssache C-430/04). Darinentschied er, dass sich ein privater Wettbewerber unmit-telbar auf das Gemeinschaftsrecht berufen kann, um dieUmsatzbesteuerung der öffentlichen Einrichtung durch-zusetzen. Der private Wettbewerber kann demnach vomFinanzamt eine Auskunft über die steuerliche Behand-lung der konkurrierenden juristischen Person des öffentli-chen Rechts verlangen. Falls diese nicht besteuert wird,kann er dagegen klagen.

50.2

Der Bundesrechnungshof hat die Auffassung vertreten,dass die von ihm bereits im Jahre 2004 aufgezeigten Pro-bleme bei der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Handfortbestehen. Durch die Entscheidung des EuropäischenGerichtshofes vom Sommer 2006 ist der Handlungsbe-darf noch drängender geworden. Dabei ist zu berücksich-tigen, dass die öffentliche Hand zahlreiche wirtschaftlicheTätigkeiten ausübt, die davon betroffen sind.

Es ist damit zu rechnen, dass auf der Grundlage der Ent-scheidung vermehrt Auskunftsersuchen auf die Finanz-ämter zukommen. Daran anschließende Konkurrenten-klagen dürften in vielen Fällen zur Besteuerung deröffentlichen Hand führen. Für die verschiedenen öffentli-chen Haushalte entstehen insoweit Rechts- und Planungs-unsicherheiten, die mit erheblichen finanziellen Risikenverbunden sein können.

Der Bundesrechnungshof hat deutlich gemacht, dass ereine nationale Neuregelung, die eine gleichmäßige, voll-ständige und wettbewerbsneutrale Umsatzbesteuerungder öffentlichen Hand sicherstellt, für nicht länger auf-schiebbar hält. Er hat das Bundesministerium deshalb ge-beten, sich dafür einzusetzen, dass die Arbeiten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe nunmehr ohne weitere Verzöge-rung zum Abschluss gebracht werden. Anschließendsollte es die Ergebnisse dem Finanzausschuss des Deut-schen Bundestages zuleiten.

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Drucksache 16/7100 – 216 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

50.3

Das Bundesministerium hat auf eine Stellungnahme ver-zichtet. Es hat die Sachverhaltsdarstellungen des Bundes-rechnungshofes nicht bestritten. Es hat aber auch keineBereitschaft gezeigt, den daraus abgeleiteten Empfehlun-gen kurzfristig zu folgen.

50.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung,dass die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand zügigneu geregelt werden muss.

51 Umsatzsteuerausfälle in Millionenhöhe durch unzutreffende Besteuerung von Kombinationsartikeln(Kapitel 6001 Titel 015 01)

51.0

Unternehmen haben sogenannte Kombinationsartikel, d. h.Warenzusammenstellungen, die einzeln betrachtet ver-schiedenen Umsatzsteuersätzen unterliegen, häufig zuniedrig besteuert. Die Finanzbehörden bekämpften diesbisher nicht wirksam. Steuerausfälle in Millionenhöhesind die Folge.

51.1

Kombinationsartikel sind Warenzusammenstellungen, diebeispielsweise aus Süßigkeiten oder Druckerzeugnissenund sogenannten „Non-Food-Artikeln“ (insbesondere Spiel-zeug) bestehen, und die einzeln betrachtet verschiedenenSteuersätzen unterliegen. Dies führt grundsätzlich dazu,dass der Gesamtpreis dieser Artikel für die Umsatzbe-steuerung in einen Anteil zum ermäßigten Steuersatz von7 % und einen Anteil zum allgemeinen Steuersatz von19 % aufzuteilen ist.

Um das Besteuerungsverfahren zu vereinfachen, veröf-fentlichte das Bundesministerium der Finanzen (Bundes-ministerium) im Jahre 2006 eine Vereinfachungsrege-lung. Danach ist die einheitliche Anwendung desermäßigten Steuersatzes bei Kombinationsartikeln nichtzu beanstanden, wenn

● das Verkaufsentgelt nicht mehr als 20 Euro beträgtund

● der Warenwert des steuerlich begünstigten Gegenstan-des mindestens 90 % ausmacht.

Nach den Erkenntnissen des Bundesrechnungshofesstellte die Finanzverwaltung bei Außenprüfungen fest,dass Unternehmen Kombinationsartikel häufig in vollemUmfang ermäßigt besteuerten, obwohl der Warenwert desbegünstigten Gegenstandes weniger als 90 % betrug unddamit die Voraussetzungen für die Anwendung der Ver-einfachungsregelung nicht vorlagen. Allein in einem Fallerwartet die Steuerverwaltung eines Landes dadurchNachforderungen in Millionenhöhe. Die Außenprüfungender Finanzbehörden zeigten, dass die unzutreffende An-

wendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes bei Kombi-nationsartikeln ein verbreitetes Problem ist.

51.2

Der Bundesrechnungshof hat die bisherigen, nur stichpro-benweise durchgeführten Kontrollen nicht für ausrei-chend gehalten, um eine zu niedrige Besteuerung wirk-sam zu bekämpfen. Er geht davon aus, dass bundesweitregelmäßig Steuerausfälle in Millionenhöhe entstehen,die die Finanzbehörden nicht oder erst sehr spät erken-nen.

Der Bundesrechnungshof hat die Auffassung vertreten,dass die Finanzbehörden durch verstärkte KontrollenFehler bei der Anwendung des Umsatzsteuersatzesschneller als bisher aufdecken und dadurch Steuerausfällevermeiden sollten.

Langfristig hat er es jedoch für besser gehalten, das Um-satzsteuerrecht zu ändern und Kombinationsartikel stetsmit dem allgemeinen Umsatzsteuersatz zu belegen. Einesolche gesetzliche Regelung würde das Steuerrecht ver-einfachen und die Finanzbehörden entlasten, weil sie indiesem Bereich keine Kontrollen mehr vornehmen müss-ten.

Bis zur Umsetzung einer gesetzlichen Regelung hat derBundesrechnungshof dem Bundesministerium empfoh-len, bei den Ländern kurzfristig darauf hinzuwirken, dassdiese verstärkt Außenprüfungen durchführen.

51.3

Das Bundesministerium hat auf eine Stellungnahme ver-zichtet. Es hat weder die Sachverhaltsdarstellungen nochdie Schlussfolgerungen des Bundesrechnungshofes be-stritten. Es hat aber auch keine Bereitschaft signalisiert,den Empfehlungen gegenwärtig zu folgen.

51.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung,dass die derzeitigen gesetzlichen Regelungen und die bis-herigen Kontrollen nicht geeignet sind, eine zu niedrigeBesteuerung von Kombinationsartikeln zu verhindern. Erhält daher an seinen Forderungen nach verstärkten Außen-prüfungen der Finanzbehörden und einer gesetzlichenNeuregelung fest.

52 Gemeinschaftsrechtswidrige Steuer-begünstigungen für Kunstgegen-stände und Sammlungsstücke abschaffen(Kapitel 6001 Titel 015 01)

52.0

Kunstgegenstände und Sammlungsstücke sind durch denermäßigten Umsatzsteuersatz allein seit dem Jahre 1999mit schätzungsweise 500 Mio. Euro subventioniert wor-den, obwohl dies nach europäischem Recht nicht mehr

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217 – Drucksache 16/7100

zulässig ist. Zudem sind die Gründe für die Einführungder Steuerermäßigungen im Jahre 1968 inzwischen ent-fallen. Abgesehen davon können die Finanzämter nur miterheblichem Aufwand feststellen, ob Gegenstände dieVoraussetzungen für eine ermäßigte Besteuerung erfül-len. Der Bundesrechnungshof hält die Steuerbegünstigun-gen daher für nicht mehr gerechtfertigt.

52.1

Kunstgegenstände und Sammlungsstücke unterliegen invielen Fällen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %(§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) i. V. m.Nr. 49f, Nr. 53 und Nr. 54 der Anlage 2 zum UStG). Siemüssen dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen.Kunstgegenstände müssen z. B. Originale oder vollstän-dig von Hand geschaffen sein. Sammlungsstücke müssenselten und wertvoll sein. Die Finanzämter können auf-grund zahlreicher Abgrenzungsfragen oft nur schwer fest-stellen, ob Gegenstände diesen Voraussetzungen entspre-chen.

Die Steuerbegünstigungen wurden im Jahre 1968 mit derUmstellung der Umsatzbesteuerung auf das Mehrwert-steuersystem eingeführt. Sie sollten insbesondere Mehr-belastungen im Zusammenhang mit dem Systemwechselvermeiden.

Allein in den Jahren 1999 bis 2006 wurden nach Schät-zungen des Bundesministeriums der Finanzen (Bundes-ministerium) Kunstgegenstände und Sammlungsstückemit rund 500 Mio. Euro subventioniert. Die Bundesregie-rung teilte im Jahre 2004 mit, dass eine Abschaffung derSteuerermäßigungen für Kunstgegenstände ihrer Ein-schätzung nach weder das Kaufverhalten noch den Marktfür bildende Kunst nennenswert beeinflussen würde.

Der Bundesrechnungshof stellte in den Jahren 2006 und2007 bei der Überprüfung von rund 400 Steuerfällen fest,dass die Finanzämter die Voraussetzungen für die An-wendung des ermäßigten Steuersatzes nicht oder nur un-zureichend prüften. Der Innendienst erkannte die Anga-ben in der Steuererklärung regelmäßig ohne weiterenNachweis an. Die Außendienste untersuchten selbst prü-fungswürdige Fälle nicht oder nicht ausreichend.

Das europäische Recht (Gemeinschaftsrecht) schreibt fürKunstgegenstände und Sammlungsstücke bereits seit demJahre 1995 den allgemeinen Umsatzsteuersatz verbind-lich vor. Dies wurde zusammen mit der Einführung dersogenannten Differenzbesteuerung für Gebrauchtgegen-stände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Anti-quitäten durch eine europäische Richtlinie festgelegt. DieDifferenzbesteuerung sieht vor, dass Händler nur diepositive Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem Ein-kaufspreis versteuern müssen, wenn sie die Gegenständeim Gemeinschaftsgebiet erworben haben und dafür keinRecht zum Vorsteuerabzug bestand. Im nationalen Um-satzsteuerrecht wurde zwar die Differenzbesteuerung ein-geführt (§ 25a UStG), eine entsprechende Anpassungbeim Steuersatz wurde aber bisher nicht vorgenommen.

52.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassDeutschland mit der unveränderten Beibehaltung des er-mäßigten Steuersatzes für Kunstgegenstände und Samm-lungsstücke das Gemeinschaftsrecht seit nunmehr 12 Jah-ren nicht umgesetzt hat. Dies birgt die Gefahr einesVertragsverletzungsverfahrens vor dem Europäischen Ge-richtshof.

Ungeachtet dessen sind auch die Gründe entfallen, die imJahre 1968 zur Einführung der Steuerermäßigungen indas UStG führten. Übergangsbelastungen dürften40 Jahre nach der Umstellung auf das Mehrwertsteuer-system nicht mehr bestehen. Auch die Bundesregierunggeht davon aus, dass ein Wegfall der Steuerermäßigungennicht zu nennenswerten Marktreaktionen führt. Darüberhinaus kann der betroffene Personenkreis inzwischen vonder günstigen Differenzbesteuerungsmethode nach § 25aUStG Gebrauch machen. Er kann zudem die Regelungnach § 19 UStG in Anspruch nehmen, nach der die ge-schuldete Umsatzsteuer bei nur geringem Jahresumsatznicht erhoben wird.

Aufgrund der mangelnden Kontrollen durch die Finanz-ämter ist der Bundesrechnungshof ferner zu der Einschät-zung gelangt, dass der ermäßigte Steuersatz in vielen Fäl-len zu Unrecht angewendet wird. Er hat die Auffassungvertreten, dass die Finanzämter die Voraussetzungen inangemessenem Umfang überprüfen müssen, solange dieSteuerermäßigungen gelten. Solche Kontrollen wären je-doch mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbun-den. Eine Abschaffung der Steuerbegünstigungen würdedagegen schwierige Abgrenzungsfragen vermeiden unddas Steuerrecht erheblich vereinfachen.

Der Bundesrechnungshof ist daher insgesamt zu demSchluss gekommen, dass die steuerlichen Begünstigun-gen für Kunstgegenstände und Sammlungsstücke sowohlaus gemeinschaftsrechtlichen Gründen als auch aus sach-lichen Erwägungen nicht mehr gerechtfertigt sind. Er hatdeshalb empfohlen, den ermäßigten Steuersatz für Kunst-gegenstände und Sammlungsstücke baldmöglichst abzu-schaffen.

52.3

Das Bundesministerium hat auf eine Stellungnahme ver-zichtet. Es hat die Sachverhaltsdarstellungen des Bundes-rechnungshofes nicht bestritten. Es hat aber auch nichtmitgeteilt, dass es den Empfehlungen gegenwärtig folgenund auf eine Abschaffung der Steuerbegünstigungen fürKunstgegenstände und Sammlungsstücke hinwirkenwird.

52.4

Der Bundesrechnungshof vertritt die Auffassung, dassdas Bundesministerium tätig werden muss. Er hält an sei-ner Forderung nach einer Abschaffung des ermäßigtenUmsatzsteuersatzes für Kunstgegenstände und Samm-lungsstücke fest.

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Drucksache 16/7100 – 218 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

53 Unternehmensneugründungen nur unzureichend auf umsatzsteuerliche Betrugsgestaltungen geprüft(Kapitel 6001 Titel 015 01)

53.0

Die Finanzämter haben bei Unternehmensneugründun-gen oftmals keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen,um systematische Umsatzsteuerhinterziehungen zu ver-hindern. Vor der Erteilung einer Steuernummer, die z. B.Vorsteuererschleichungen mit fingierten Rechnungen erstermöglicht, wendeten sie bundeseinheitlich vereinbartePrüfkriterien häufig nicht konsequent an. Betrugsrele-vante Veränderungen bei bestehenden Unternehmen, wiedie Änderung oder Erweiterung des Geschäftszwecks, un-tersuchten sie grundsätzlich nicht. Auch im weiteren Be-steuerungsverfahren überwachten sie die Unternehmenvielfach nicht unter Betrugsgesichtspunkten.

53.1

Umsatzsteuerhinterziehung verursacht in Deutschland injedem Jahr einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden.Ein Teil davon beruht auf systematischen Betrugsmodellen(z. B. Umsatzsteuerkarussellen, Vorsteuererschleichungen).Diese Modelle funktionieren nur, wenn die Finanzämterein Betrugsunternehmen zumindest für umsatzsteuerlicheZwecke erfasst und ihm eine Steuernummer zugeteilt ha-ben. Die Betrugsunternehmen machen z. B. mit fingiertenRechnungen Vorsteuern beim Finanzamt geltend. Siewerden oft schon nach kurzer Zeit aufgelöst, bevor es zuvertiefenden Ermittlungen kommen kann.

Die Unternehmen werden zumeist neu gegründet. DieFinanzämter sind daher angehalten, Unternehmensneugrün-dungen vor der Erteilung einer Steuernummer auf umsatz-steuerliche Betrugsgestaltungen zu untersuchen. Dabeisollen sie insbesondere die tatsächliche Existenz und un-ternehmerische Tätigkeit prüfen. Die obersten Finanzbe-hörden des Bundes und der Länder haben hierzu bundes-einheitliche Kriterien und Vorgehensweisen entwickelt,die seit Anfang 2005 von den Finanzämtern zu berück-sichtigen sind.

Auch Veränderungen bei bereits umsatzsteuerlich erfasstenUnternehmen können ein vergleichbares Betrugspotenzialwie Unternehmensneugründungen enthalten. Beispielefür solche „unechten Neugründungen“ sind Änderungenoder Erweiterungen des Geschäftszwecks sowie einWechsel der Gesellschafter oder Geschäftsführer.

Aufgrund vielfältiger, nicht immer im Vorhinein erkenn-barer Gestaltungen können die Finanzämter dennochauch bei sorgfältiger Prüfung nicht bei jedem Betrugsfalldie umsatzsteuerliche Erfassung verhindern. Das weitereBesteuerungsverfahren bietet jedoch Möglichkeiten, dieUnternehmen unter Betrugsgesichtspunkten weiter zuüberwachen. Insbesondere die Umsatzsteuervoranmel-dungen, die neu gegründete Unternehmen den Finanzäm-tern im Jahr der Gründung und im Folgejahr monatlich zuübermitteln haben, bilden hierfür eine Grundlage.

Der Bundesrechnungshof untersuchte mit Unterstützungdes Prüfungsamtes des Bundes Berlin im Jahre 2005, wiedie Finanzämter bei der steuerlichen Erfassung von Unter-nehmensneugründungen vorgehen. Zudem untersuchte erim Jahre 2006, ob die Finanzämter die Umsatzsteuervor-anmeldungen neu gegründeter Unternehmen auf Anhalts-punkte für Betrugsgestaltungen prüften. Dabei stellte erFolgendes fest:

● Nur wenige Finanzämter hatten Zentralstellen für Unter-nehmensneugründungen eingerichtet, denen die Ent-scheidung über die umsatzsteuerliche Erfassung ob-lag. Bei den übrigen Finanzämtern war dies Aufgabedes jeweils zuständigen Veranlagungsbezirkes.

● Im Gegensatz zu den Zentralstellen fand bei der de-zentralen Bearbeitung in den Veranlagungsbezirkeneine Prüfung unter Betrugsgesichtspunkten vor derumsatzsteuerlichen Erfassung vielfach nicht statt. DieBearbeiter mussten vielfältige Aufgaben bewältigen.Auf dem Gebiet der Betrugsbekämpfung hatten sienicht das erforderliche Fachwissen und keine ausrei-chende Erfahrung. Sie gaben sich mit unvollständigenAngaben der Unternehmensgründer zufrieden, be-rücksichtigten die bundeseinheitlich abgestimmtenPrüfkriterien nicht oder nur unzureichend und erkann-ten so vorliegende Risikofaktoren nicht. Oftmals un-terließen sie aber auch notwendige weiterführendePrüfungen, obwohl sie einen Steuerfall als risikobe-haftet erkannt hatten. Insbesondere nutzten sie dieMöglichkeit der Umsatzsteuer-Nachschau, d. h. derunangekündigten Besichtigung von Geschäftsräumen,zu wenig.

● „Unechte Neugründungen“ überprüften die Finanzäm-ter grundsätzlich nicht.

● Auch bei Bearbeitung der Umsatzsteuervoranmeldun-gen neu gegründeter Unternehmen nahmen sie viel-fach keine Prüfung auf Betrugsgestaltungen vor. Häu-fig waren den Bearbeitern wichtige Erkenntnisse ausdem Verfahren der steuerlichen Erfassung nicht be-kannt. Teilweise berücksichtigten sie entsprechendeHinweise erst zu spät, da diese nicht Bestandteil desweitgehend maschinell ablaufenden Verfahrens sind.Wiederholt nahmen sie jedoch weder vorliegende Er-kenntnisse aus der steuerlichen Erfassung noch ergän-zende Informationen aus dem Umsatzsteuervoranmel-dungsverfahren selbst, z. B. über das Abgabe- undZahlungsverhalten oder die wirtschaftliche Entwick-lung des Unternehmens, zum Anlass einer Prüfung.Nur einzelne Finanzämter stellten den Informations-austausch zwischen den Arbeitsgebieten unabhängigvom maschinellen Verfahrensablauf sicher.

● Der Einsatz eines bundeseinheitlichen Risikomanage-mentsystems für Umsatzsteuervoranmeldungen warentgegen ursprünglicher zeitlicher Planungen von Bundund Ländern lediglich in Teilen umgesetzt. Ziel desVerfahrens ist die Verbesserung der Umsatzsteuerbe-trugsbekämpfung durch ein maschinelles Erkennenvon Risikofällen. In erster Linie fehlt es dafür nach wievor an einer bundesweit verfügbaren Datenbasis.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219 – Drucksache 16/7100

53.2

Die bundeseinheitlich verbindlichen Prüfmaßnahmen beiUnternehmensneugründungen sind nach Auffassung desBundesrechnungshofes grundsätzlich geeignet, die Um-satzsteuerbetrugsbekämpfung zu verbessern. Vorausset-zung hierfür ist jedoch deren konsequente Umsetzung.Eine dezentrale Bearbeitung der umsatzsteuerlichen Er-fassung gewährleistet dies zumeist nicht. Der Bundes-rechnungshof hat dem Bundesministerium der Finanzen(Bundesministerium) deshalb empfohlen, bei den oberstenFinanzbehörden der Länder auf die Einrichtung von Zen-tralstellen für Unternehmensneugründungen hinzuwirken.Zudem sollte es die Länder auffordern, für eine vollstän-dige Umsetzung der bundeseinheitlichen Prüfmaßnahmenbei Unternehmensneugründungen zu sorgen, beispiels-weise durch vermehrte und intensivierte Schulungen.

Eine wirkungsvolle Betrugsbekämpfung kann jedoch nurgelingen, wenn auch „unechte Neugründungen“ in diePrüfung einbezogen werden. Nicht zuletzt aufgrund derverstärkten Prüfung der Unternehmensneugründungen istzu erwarten, dass Umsatzsteuerbetrüger vermehrt auf be-stehende Unternehmen zurückgreifen werden. Der Bun-desrechnungshof hat daher die Entwicklung einheitlicherPrüfkriterien auch für diese Fälle angeregt. Er hat weiterhinempfohlen, eine Änderung von § 18 Umsatzsteuergesetz(UStG) zu prüfen, die es den Finanzämtern ermöglichenwürde, auch in diesen Fällen – wie bei Unternehmensneu-gründungen – generell die monatliche Abgabe der Um-satzsteuervoranmeldungen zu verlangen.

Für die weitere Überwachung der Unternehmensneugrün-dungen ist es unerlässlich, die bei der steuerlichen Erfas-sung erlangten Informationen auch im Umsatzsteuervoran-meldungsverfahren nutzen zu können. Ein vollständigerInformationsfluss zwischen den verschiedenen Arbeitsbe-reichen ist aber in vielen Finanzämtern bisher nicht ge-währleistet. Zudem können weitergegebene Hinweise oftnicht sofort berücksichtigt werden. Der Bundesrech-nungshof hat dem Bundesministerium daher empfohlen,bei den obersten Finanzbehörden der Länder auf einenverbesserten Informationsfluss zwischen den verschiedenenBearbeitern hinzuwirken und eine schnelle und zuverläs-sige Berücksichtigung vorliegender Hinweise unabhängigvom maschinellen Verfahrensablauf sicherzustellen. Zu-dem hat er die Einführung eines maschinellen Prüfhin-weises für neu gegründete Unternehmen empfohlen, dieseit dem angegebenen Beginn ihrer Tätigkeit fortlaufendUmsatzsteuervoranmeldungen abgeben, in denen siekeine Umsätze oder Steuerabzugsbeträge erklären. Dennes besteht die Gefahr, dass diese Unternehmen zu Be-trugszwecken genutzt werden.

Um dem Steuerbetrug in einem weitgehend maschinellablaufenden Massenverfahren nachhaltig begegnen zukönnen, ist eine technische Unterstützung bei der Identi-fizierung von Risikofällen unerlässlich. Der Bundesrech-nungshof hat daher das Bundesministerium auch gebeten,im Zusammenwirken mit den Ländern auf den schnellst-möglichen Einsatz des bundeseinheitlichen Risiko-managementsystems für Umsatzsteuervoranmeldungen hin-zuwirken.

53.3

Das Bundesministerium ist der Auffassung, dass die Fest-stellungen des Bundesrechnungshofes aufgrund der Zeit-nähe zur Einführung der bundeseinheitlichen Prüfmaß-nahmen bei Unternehmensneugründungen zu relativierenseien. Die aktuellen Fallzahlen der abgelehnten Anträgeauf umsatzsteuerliche Erfassung seien ein Beleg dafür,dass die umgesetzten Maßnahmen inzwischen wirken.Angesichts der Masse der Fälle könne es aber immer wie-der vorkommen, dass Prüfungen nicht vollumfänglichdurchgeführt werden oder Maßnahmen nicht greifen.

Das Bundesministerium beabsichtigt, verschiedene Emp-fehlungen des Bundesrechnungshofes aufzugreifen:

● Es hat angekündigt, im Jahre 2007 die bundesweiteEinrichtung von Zentralstellen für die umsatzsteuerli-che Erfassung von Unternehmensneugründungen mitden Ländern zu erörtern.

● Es hat weiter mitgeteilt, dass die zuständige Bund-Länder-Arbeitsgruppe den Vorschlag zur Einführungeines neuen Prüfhinweises für Umsatzsteuervoran-meldungen neu gegründeter Unternehmen erörternwerde.

● Zudem hat es angekündigt, die weiteren Vorschlägedes Bundesrechnungshofes, die den Organisationsbe-reich der Länder betreffen, in die Besprechungen zurUmsatzsteuerbetrugsbekämpfung mit den Länderneinzubeziehen.

Darüber hinaus hat das Bundesministerium mitgeteilt,dass die Mehrheit der Länder den Vorschlag begrüße,Prüfkriterien auch für „unechte Neugründungen“ zu ent-wickeln, die ein vergleichbares Betrugspotenzial wie Un-ternehmensneugründungen bergen. Die angeregte Ände-rung von § 18 UStG schätze es aufgrund damiteinhergehender Abgrenzungsprobleme aber kritisch ein.Es werde einen entsprechenden Arbeitsauftrag an die zu-ständige Bund-Länder-Arbeitsgruppe erteilen.

53.4

Der Bundesrechnungshof führte seine Erhebungen zursteuerlichen Erfassung von Unternehmensneugründungenbereits ein gutes halbes Jahr nach der Einführung der bun-deseinheitlichen Prüfkriterien in den Finanzämtern durch.Er ist nach wie vor nicht der Auffassung, dass die Be-rücksichtigung der Prüfkriterien die Finanzämter vorkomplizierte Herausforderungen stellte, die eine längereUmstellungsphase erfordert hätten. Die Einschätzung desBundesministeriums, dass die Feststellungen des Bundes-rechnungshofes grundsätzlich zu relativieren seien, teilter daher nicht.

Im Übrigen erkennt der Bundesrechnungshof an, dasssich das Bundesministerium für die bundesweite Einrich-tung von Zentralstellen für Unternehmensneugründungenin den Finanzämtern einsetzen und die Empfehlungen zueiner verbesserten Prüfung der Umsatzsteuervoranmel-dungen neu gegründeter Unternehmen aufgreifen will. Ererwartet, dass das Bundesministerium die Erörterungenmit den Ländern hierzu mit Nachdruck vorantreibt. Er er-

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Drucksache 16/7100 – 220 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wartet auch, dass es die Länder auffordert, für die Beach-tung und Umsetzung der bereits vereinbarten Kriterienbei der Prüfung der Unternehmensneugründungen zu sor-gen.

Der Bundesrechnungshof begrüßt weiterhin, dass die zu-ständige Arbeitsgruppe Kriterien für eine Überprüfung„unechter Neugründungen“ erarbeiten soll. Gleichzeitigbekräftigt er seinen Vorschlag, auf eine Änderung von§ 18 UStG hinzuwirken. Die Finanzämter sollten die Ent-wicklung „unechter Neugründungen“ im weiteren Be-steuerungsverfahren genauso zeitnah begleiten könnenwie Unternehmensneugründungen. Den pauschalen Hin-weis des Bundesministeriums auf bestehende Abgren-zungsprobleme hält er für nicht überzeugend. Er erwartetvielmehr, dass das Bundesministerium Vorschläge entwi-ckelt, um diese zu lösen.

54 Wohnungsbauprämie nicht mehr notwendig(Kapitel 1225 Titel 893 01)

54.0

Die Wohnungsbauprämie ist seit mehreren Jahren nichtmehr notwendig, da der Wohnungsmarkt grundsätzlichausgeglichen ist. Die Ausgestaltung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes steht zudem mit seinem Ziel, den Woh-nungsbau zu fördern, nicht in Einklang. Nach sieben Jah-ren können die Sparerinnen und Sparer das Bauspargut-haben und die Prämien frei verwenden. Bei rund einemViertel der Anträge kann die Finanzverwaltung nicht prü-fen, ob ein Anspruch auf die Prämie besteht. Das Bundes-ministerium der Finanzen sollte daher einen Gesetzent-wurf erarbeiten, der eine zügige Entscheidung über dieWohnungsbauprämie ermöglicht.

54.1

54.1.1

Das Sparen in einem Bausparvertrag oder der Erwerb vonAnteilen an einer Wohnungsbaugenossenschaft werdenseit dem Jahre 1952 nach dem Wohnungsbau-Prämienge-setz gefördert. Die Wohnungsbauprämie sollte vor allemBürgerinnen und Bürger mit geringem Einkommen zumSparen für Wohneigentum anregen. Der Gesetzgeberwollte den Wohnungsbau fördern und den akuten Woh-nungsmangel beseitigen, der durch die umfangreicheWohnraumzerstörung im Zweiten Weltkrieg und den Zu-strom von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen entstan-den war.

Die Prämie beträgt jährlich höchstens 45 Euro, bei Ehe-gatten höchstens 90 Euro. Sie hängt von der Höhe derjährlichen Sparleistung ab. Die Prämie wird auf Antraggewährt, wenn das zu versteuernde Einkommen der Spa-rerinnen und Sparer unter 25 600 Euro liegt. Verheirateteerhalten die Prämie bis zu einem zu versteuernden Ein-kommen von 51 200 Euro. Wird die Bausparsumme vorAblauf einer Sperrfrist von sieben Jahren seit Vertragsab-

schluss ausgezahlt, müssen die Sparerinnen und Sparerdiese unverzüglich für den Wohnungsbau verwenden.Nach Ablauf dieser Frist kann frei über das Bauspargut-haben und die Prämien verfügt werden.

Die Wohnungsbauprämie ist eine Subvention. Der Bundträgt die Ausgaben in Höhe von rund 500 Mio. Euro jähr-lich seit dem Sparjahr 1984 alleine. Das Wohnungsbau-Prämiengesetz führen die Länder im Auftrag des Bundesaus. Die Bausparkassen prüfen die Anspruchsvorausset-zungen nach den Angaben der Antragsteller, schreibenden Berechtigten die Prämie gut und übermitteln dieDaten der Finanzverwaltung. Diese stellt durch einen ma-schinellen Abgleich mit ihren Daten fest, ob die An-spruchsvoraussetzungen vorliegen. Sie prüft dabei insbe-sondere, ob das Einkommen die festgelegten Grenzennicht überschreitet.

54.1.2

Der Bundesrechnungshof untersuchte im Jahre 2006 dieWirkungen des Wohnungsbau-Prämiengesetzes sowiedessen Anwendung durch die Länder. Er stellte fest, dassdas Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) bereits im Jahre 1998 die Wirkungen des Woh-nungsbau-Prämiengesetzes durch ein Gutachten hatte un-tersuchen lassen. Das Gutachten zu den „Wirkungenstaatlicher Sparförderungen“ war zu dem Ergebnis ge-kommen, die Förderung sei nicht mehr zeitgemäß undzielführend. Sie werde vorrangig von Haushalten mitmittleren Einkommen in Anspruch genommen.

Der Bundesrechnungshof stellte weiter fest, dass dieFinanzverwaltung bei 26 % der Anträge nicht prüfenkonnte, ob die Einkommensgrenzen beachtet wurden. Ur-sache hierfür war, dass ihr zu diesen Anträgen keine Steu-ererklärungen und damit keine Grundlagen für einenDatenabgleich vorlagen. So müssen beispielsweise Steu-erpflichtige, die ausschließlich Einkünfte aus nichtselbst-ständiger Arbeit erzielen, grundsätzlich keine Steuer-erklärung abgeben.

Der Versuch des Bundesministeriums, die Wohnungsbau-prämie mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 abzuschaf-fen, scheiterte im Bundesrat. Im Jahre 2006 erarbeitetedas Bundesministerium einen Referentenentwurf zur ver-besserten Einbeziehung des Wohneigentums in dieprivate Altersvorsorge. Dieser sah u. a. vor, die Woh-nungsbauprämie für alle Neufälle abzuschaffen. Das Bun-desministerium begründete dies wie folgt:

● Die Haushaltssanierung und der Subventionsabbauseien oberste Ziele der Bundesregierung.

● Der Abbau der überholten Subvention Wohnungsbau-prämie sei nach wie vor sachgerecht und dringend er-forderlich.

● Die Wohnungsmärkte seien ausgeglichen und in wei-ten Landesteilen herrsche Leerstand. Eine Subventionfür das Ansparen von Finanzmitteln zum Bau vonWohneigentum sei nicht mehr sinnvoll.

● Für den Rückbau leer stehender Wohnungen wendeder Bund enorme Finanzmittel auf.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221 – Drucksache 16/7100

Da in der Regierungskoalition unterschiedliche Ansichtenzur Einbeziehung des Wohneigentums in die private Al-tersvorsorge bestehen, brachte das Bundesministeriumden Referentenentwurf bisher nicht in das Bundeskabinettein.

Bei der Eigenheimzulage ist die Förderung des selbstge-nutzten Wohneigentums für alle Neufälle ab dem Jahre2006 entfallen. Daneben hat der Gesetzgeber ab demJahre 2006 die degressive Abschreibung für Mietwohnge-bäude gestrichen. Er hielt beide Fördermaßnahmen zurSchaffung von Wohnraum wegen der guten Wohnraum-versorgung in Deutschland nicht mehr für erforderlich.

54.2

Der Bundesrechnungshof hat die Haltung des Bundes-ministeriums unterstützt, die Wohnungsbauprämie abzu-schaffen. Er hat darauf hingewiesen, dass der Gesetzge-ber die Abschaffung der Eigenheimzulage und dieStreichung der degressiven Abschreibung für Mietwohn-gebäude mit der inzwischen guten Wohnraumversorgungin Deutschland begründet hatte. Vor diesem Hintergrundist es nicht mehr erforderlich, die Wohnungsbauprämieals staatlichen Anreiz zur Schaffung von Wohnraum zuerhalten.

Der Bundesrechnungshof hat außerdem darauf hingewie-sen, dass die Ausgestaltung des Gesetzes mit dem Ziel,den Wohnungsbau zu fördern, nicht in Einklang steht. DieBausparerinnen und Bausparer können die Prämien unddas Sparguthaben nach Ablauf einer siebenjährigen Fristfür Konsumgüter, z. B. für den Kauf eines Autos, verwen-den.

Darüber hinaus hat der Bundesrechnungshof beanstandet,dass die Finanzverwaltung bei 26 % der Fälle nicht fest-stellen konnte, ob die Einkommensgrenzen eingehaltenwurden. Er hat darauf hingewiesen, dass Subventionennur gewährt werden sollten, wenn die Verwaltung die An-spruchsvoraussetzungen prüfen und so eine ungerechtfer-tigte Inanspruchnahme verhindern kann.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumdaher empfohlen, kurzfristig auf eine Abschaffung derWohnungsbauprämie hinzuwirken.

54.3

Das Bundesministerium hat die Empfehlung zustimmendzur Kenntnis genommen. Für eine Abschaffung der Woh-nungsbauprämie müssten jedoch politische Mehrheitengefunden werden. Im Übrigen sei davon auszugehen,dass die überwiegende Zahl der Antragsteller die prä-mienrechtlichen Einkommensgrenzen nicht überschreite.

54.4

Die Gründe, die das Bundesministerium für eine Ab-schaffung der Wohnungsbauprämie angeführt hatte, be-stehen fort. Außerdem ist nach Ansicht des Bundesrech-nungshofes nicht sichergestellt, dass die Prämien demgesetzlichen Ziel entsprechend für den Wohnungsbau

verwendet werden. Er hält weiterhin die fehlenden Kon-trollmöglichkeiten bei rund einem Viertel der Fälle nichtfür vertretbar. Die Vermutung, dass die Einkommensgren-zen meistens nicht überschritten werden, kann eine Prü-fung dieser Anspruchsvoraussetzung nicht ersetzen.

Der Bundesrechnungshof sieht daher im Hinblick auf dashaushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit undSparsamkeit Handlungsbedarf. Er empfiehlt dem Bundes-ministerium, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der einezügige Entscheidung über den Fortbestand der Woh-nungsbauprämie ermöglicht.

Der Bundestag sollte bald entscheiden können, ob dieAusgaben von jährlich rund 500 Mio. Euro weiterhin not-wendig sind. Das Bundesministerium sollte deshalb einenGesetzentwurf vorsehen, der unabhängig von der Diskus-sion über die Einbeziehung des Wohneigentums in dieprivate Altersvorsorge behandelt werden kann.

55 Kriminelle „Firmenbestatter“ verursachen Steuerausfälle(Kapitel 6001 Titel 011 01, 012 01, 014 01,015 01, 044 01, 044 02 und 044 04)

55.0

Das Bundesministerium der Finanzen hat sich bishernicht genug dafür eingesetzt, Steuerausfälle zu verhin-dern, die durch illegale gewerbsmäßige „Entsorgung“von Unternehmen, sogenannte Firmenbestattungen, ent-stehen.

55.1

55.1.1

Gegen Entgelt entsorgen sogenannte Firmenbestatter in-solvenzbedrohte Unternehmen. Die Firmenbestatter ver-schleiern die Unternehmensverhältnisse und hinderndadurch die Gläubiger an einer wirksamen Rechtsverfol-gung. Dazu übertragen sie zunächst die Gesellschafts-anteile auf Strohmänner oder Briefkastenfirmen. Um denGläubigern den Zugriff auf die Firma zu erschweren, tau-schen sie daraufhin den Geschäftsführer aus, firmierendie Gesellschaft um und verlegen ihren Sitz ins Ausland.Betriebsvermögen verwerten sie zugunsten der ehemali-gen oder der neuen Gesellschafter. Zum Schaden derGläubiger wird damit erreicht, dass ein Insolvenzverfah-ren mangels Masse abgewiesen werden muss. Beweismit-tel, wie die Geschäftsunterlagen, werden vernichtet.

Illegale Firmenbestattungen verursachen nach Exper-tenschätzungen in der Privatwirtschaft und den öffentli-chen Haushalten jährlich einen Schaden von mindestens5 Mrd. Euro.

55.1.2

Der Bundesrechnungshof untersuchte die steuerlichenAuswirkungen der Firmenbestattung. Er stellte fest, dassdie Finanzbehörden Firmenbestattungsfälle oft nicht oder

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Drucksache 16/7100 – 222 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

erst zu spät erkannten. Dadurch entstanden der öffentli-chen Hand Einnahmenausfälle, weil die Firmen Ertrag-,Lohn- und Umsatzsteuern nicht zahlten. Beitreibungs-maßnahmen blieben erfolglos, da die Firmen ins Auslandverzogen waren oder kein verwertbares Vermögen mehrvorhanden war. Haftungsansprüche konnten wegen feh-lender Geschäftsunterlagen nicht geltend gemacht wer-den.

Das Besteuerungsverfahren ist komplex und zeitversetzt.Schon von der Entstehung des Steueranspruchs bis zurAbgabe einer Steuererklärung vergehen bei den Ertrag-steuern oft bis zu 18 Monate. Während dieser Zeit habendie Finanzbehörden meist keine Veranlassung von Unre-gelmäßigkeiten auszugehen. Frühzeitige gegenteiligeHinweise von Notaren oder Register- und Insolvenzge-richten erhielten sie in der Regel nicht. Dies war z. B.darauf zurückzuführen, dass diese für die Arbeitsweiseder Firmenbestatter nicht ausreichend sensibilisiert wa-ren. Sie gingen daher Anhaltspunkten (wie ungewöhnli-chen Sitzverlegungen) nicht konsequent genug nach undsahen keine Notwendigkeit, die Finanzbehörden auf mög-liche illegale Geschäftspraktiken hinzuweisen.

Im Jahre 1999 hatte das Bundeskriminalamt eine Arbeits-tagung zum Thema Firmenbestattungen mit Vertreternder Strafverfolgungsbehörden, Rechtsanwälten, Notarenund Richtern durchgeführt. Die Finanzverwaltung hattees daran nicht beteiligt. Im Jahre 2003 hatte sich das Bun-deszentralamt für Steuern (Bundeszentralamt) mit demProblem befasst und mögliche Lösungsansätze aufge-zeigt. Es hatte z. B. erwogen, Gesellschafter und Ge-schäftsführer gesetzlich zu verpflichten, eine Umfirmie-rung oder Sitzverlegung dem Finanzamt mitzuteilen.Zudem hatte es eine Arbeitsgruppe aus betroffenenFinanz- und Strafverfolgungsbehörden als sinnvoll erach-tet.

Weder die Aktivitäten des Bundeskriminalamtes noch desBundeszentralamtes führten jedoch zu behördenübergrei-fenden Maßnahmen oder einem fortlaufenden Informa-tionsaustausch.

55.2

Erste Anzeichen für Firmenbestattungen müssen frühzei-tig erkannt werden, um Steuerausfälle möglichst geringzu halten.

Der Bundesrechnungshof führt die verspätete Kenntnis-nahme der Finanzbehörden von Firmenbestattungsfällenauf die zeitversetzten und komplexen Abläufe im Besteu-erungsverfahren zurück. Die Finanzverwaltung ist des-halb auf frühzeitige Hinweise der Gerichte und von Be-hörden angewiesen, um illegalen Firmenbestattungen unddadurch entstehenden Steuerausfällen begegnen zu kön-nen. Diese müssten nach Auffassung des Bundesrech-nungshofes für die Arbeitsweise der Firmenbestatterstärker sensibilisiert werden. Zudem wären ergänzenderechtliche Regelungen (z. B. im Abgaben-, Handels- undGesellschaftsrecht) erforderlich, um die Tätigkeiten derFirmenbestatter zu erschweren.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Finanzen (Bundesministerium) daher empfohlen, res-sortübergreifend einen Maßnahmenkatalog zur Bekämp-fung von Firmenbestattungen und der damit verbundenenSteuerausfälle zu entwickeln und umzusetzen.

55.3

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, dass es eine Ände-rung der Abgabenordnung (AO) vorbereite. Diese sehevor, dass eine Verlagerung des Firmensitzes nicht zu ei-nem Zuständigkeitswechsel der Finanzbehörden führe,solange über einen Insolvenzantrag noch nicht entschie-den sei, ein Insolvenzverfahren noch laufe oder sich eineGesellschaft in Liquidation befinde. Auf diese Weisesolle vermieden werden, dass Firmenbestatter durch dienotwendige Aktenabgabe an das neu zuständige Finanz-amt Zeit gewinnen, um vorhandenes Vermögen beiseitezu schaffen.

Zu möglichen Änderungen im Handels- und Gesell-schaftsrecht hat das Bundesministerium die Stellung-nahme des Bundesministeriums der Justiz eingeholt. Die-ses hat auf die geplanten Änderungen durch das „Gesetzzur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämp-fung von Missbräuchen“ (MoMiG) hingewiesen. Das Ge-setz sehe verschiedene Neuregelungen vor, um illegaleFirmenbestattungen zu erschweren. So würden z. B. dieGründe erweitert, die zum Ausschluss von einer Ge-schäftsführertätigkeit führen. Zudem würden Gesell-schafter zur Vertretung der Gesellschaft verpflichtet,wenn der Geschäftsführer entlassen worden oder nichtmehr erreichbar sei. Die Wirksamkeit der geplanten Neu-regelungen müsse zunächst abgewartet werden. Weiterge-hende Maßnahmen widersprächen dem Deregulierungs-und Verwaltungsvereinfachungsziel des MoMiG undseien deshalb nicht geplant. Es sei beabsichtigt, Handels-registereintragungen zu beschleunigen und Existenzgrün-dungen zu vereinfachen.

Das Bundesministerium hat dem Bundesrechnungshofzugestimmt, dass Firmenbestattungsfälle so früh wiemöglich aufgedeckt werden müssen, damit die entstehen-den Steuerausfälle so gering wie möglich gehalten wer-den können. Es hat zudem bestätigt, dass vor allem eineSensibilisierung für die Arbeitsweise von Firmenbestat-tern bei den betroffenen Behörden erreicht werden müsse.Gesetzliche Änderungen zu Informationspflichten hält esnicht für notwendig. Die Regelung des § 116 AO, wonachdas Bundeszentralamt für Steuern über Tatsachen, die aufeine Steuerstraftat hinweisen, zu unterrichten ist, reicheaus und müsse nur konsequent angewendet werden.

55.4

Der Bundesrechnungshof weist darauf hin, dass die vomBundesministerium angekündigte Änderung der AO tat-sächlich keine Neuerung darstellt. Die Finanzbehördenwenden das Verfahren, das künftig gesetzlich festge-schrieben werden soll, bereits jetzt an.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223 – Drucksache 16/7100

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass durch das Mo-MiG Vorschriften zur Bekämpfung der Firmenbestattereingeführt werden sollen. Über die gesetzlichen Änderun-gen hinaus hält er es aber für notwendig, die betroffenenBehörden stärker für die Arbeitsweisen der Firmenbestat-ter zu sensibilisieren.

Vom Bundesministerium erwartet der Bundesrechnungs-hof deshalb, sich bei den anderen zuständigen Bundes-ministerien für einen regelmäßigen behördenübergrei-fenden Erfahrungsaustausch und eine konsequenteAnwendung der Informationspflichten nach § 116 AOeinzusetzen. Dazu sollte es an die Vorarbeiten des Bun-deszentralamtes anknüpfen. Es sollte z. B. anregen, dasseine behördenübergreifende Arbeitsgruppe Kriterien erar-beitet, die auf illegale Aktivitäten von Firmenbestatternhindeuten und daher Anlass für eine weitergehende Prü-fung und eine Mitteilung an die Finanzbehörden sein soll-ten.

56 Trotz Verspätungszuschlägen häufig keine rechtzeitige Abgabe der Steuererklärungen(Kapitel 6001)

56.0

Finanzämter haben Verspätungszuschläge für nicht frist-gerecht abgegebene Steuererklärungen häufig nicht oderzu niedrig festgesetzt. Die Vorschrift über den Verspä-tungszuschlag verfehlt deshalb ihr Ziel, die Steuerpflichti-gen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärungen an-zuhalten. Sie enthält zu viele Ermessensspielräume undverhindert eine einfache IT-gestützte Festsetzung des Zu-schlages.

56.1

Die Finanzämter können gegen diejenigen, die ihre Steu-ererklärung nicht oder nicht fristgerecht abgeben, nach§ 152 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) einen Verspätungs-zuschlag festsetzen. Der Verspätungszuschlag stellt zumeinem eine Sanktion dar. Er soll dafür sorgen, dass die zuspäte Abgabe der Steuererklärung dem Steuerpflichtigenkeine ungerechtfertigten Vorteile verschafft. Zum ande-rem soll der Verspätungszuschlag den Steuerpflichtigenanhalten, seiner Erklärungspflicht in Zukunft rechtzeitignachzukommen. Er soll damit zur rechtzeitigen Erhebungder Steuereinnahmen beitragen. Dies ist im Interesse vonBund und Ländern, da sie zu spät erhobene Einnahmenüber Kredite vorfinanzieren müssen.

Es liegt im Ermessen der Finanzämter, ob und in welcherHöhe sie bei verspätet abgegebenen Steuererklärungenmit der Steuer einen Verspätungszuschlag festsetzen.§ 152 AO sieht hierfür – neben dem Zweck, den Steuer-pflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe seiner Steuererklä-rung anzuhalten – folgende Ermessenskriterien vor:

● Dauer der Fristüberschreitung,

● Höhe des Zahlungsanspruchs aus der Steuerfestset-zung sowie

● Vorteile, Grad des Verschuldens und die wirtschaftli-che Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen.

Der Bundesrechnungshof stellte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Frankfurt am Main bei fünfFinanzämtern fest:

● Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages unter-blieb in vielen Fällen.

● Festgesetzte Verspätungszuschläge bewegten sichüberwiegend im unteren Bereich der möglichen Höhe.

● Die Finanzämter beachteten meistens nur einen Teilder Ermessenskriterien.

● Mehrere Ermessenskriterien erforderten häufig Rück-fragen beim Steuerpflichtigen. Insbesondere zur Beur-teilung des Verschuldens und der gegenwärtigen wirt-schaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigenbenötigten die Finanzämter Angaben, die in der Regelnicht automatisiert erfasst und verarbeitet werden kön-nen. Die IT-Unterstützung war entsprechend gering.Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages band da-durch im Vergleich zur Steuerfestsetzung unverhält-nismäßig viel Arbeitskraft.

● Von den rund 1 100 untersuchten Verspätungszuschlä-gen führten nur 7 % in den beiden Folgejahren zu ei-ner rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärungen.

56.2

Das wesentliche Ziel des § 152 AO, die Steuerpflichtigenzukünftig zur fristgerechten Abgabe ihrer Steuererklärun-gen anzuhalten, wird nach Auffassung des Bundesrech-nungshofes nur selten erreicht. Verspätungszuschläge führ-ten kaum zu Verhaltensänderungen der Steuerpflichtigen.Ursächlich hierfür war nach Ansicht des Bundesrech-nungshofes, dass die Finanzämter nicht alle Ermessens-merkmale heranzogen und sich die Verspätungszuschlägemeist im unteren möglichen Bereich bewegten. Hinzukommt, dass die Finanzämter häufig von Verspätungszu-schlägen absahen. Die Praxis der Finanzämter entsprachdamit nicht der Rechtslage und verstieß gegen denGleichbehandlungsgrundsatz.

Der Bundesrechnungshof führt die fehlende oder unzurei-chende Festsetzung von Verspätungszuschlägen daraufzurück, dass die Finanzämter bei der Ermessensentschei-dung Kriterien berücksichtigen müssen, die zum TeilRückfragen bei den Steuerpflichtigen erfordern. Zudemerschweren unbestimmte Rechtsbegriffe die Anwendungder Vorschrift. Auch die eingeschränkte IT-Unterstützungführt dazu, dass der Verspätungszuschlag ein Hemmnisbei der Steuerfestsetzung ist.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Finanzen (Bundesministerium) daher empfohlen, aufeine Neufassung des § 152 AO hinzuwirken. Ob die Vor-schrift ihr Ziel erreicht, die rechtzeitige Abgabe der Steu-ererklärungen zu bewirken, hängt wesentlich von ihrerAnwendbarkeit ab. Die Festsetzung eines Verspätungszu-schlages sollte den Finanzämtern daher ohne nennens-werten zusätzlichen Aufwand ermöglicht werden. Die

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Drucksache 16/7100 – 224 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Höhe des Verspätungszuschlages sollte sich nur nach Kri-terien bemessen, die automatisiert ermittelt werden kön-nen. Zu diesen Kriterien könnten beispielsweise zählen:die Dauer der Fristüberschreitung, die Häufigkeit der Ver-spätung sowie die Höhe der festgesetzten Steuer und desZahlungsanspruchs. Da diese Daten bereits elektronischvorgehalten werden, würde ein entsprechendes IT-Pro-gramm den Aufwand bei der Festsetzung von Verspä-tungszuschlägen erheblich verringern. Die Neuregelungsollte geeignet sein, Verhaltensänderungen zu bewirken.Daher sollte zudem ein Mindestbetrag für den Verspä-tungszuschlag eingeführt werden.

Der Bundesrechnungshof ist der Ansicht, dass eine so ge-staltete, für alle Beteiligten transparente und praktikableVorschrift sowohl der rechtzeitigen Erhebung der Steuer-einnahmen als auch der Vereinfachung des Steuerrechtesund der Verwaltungsvereinfachung dienen würde. Sietrüge außerdem zur Gleichbehandlung bei, weil eindeu-tige Kriterien für alle säumigen Erklärungsverpflichteteneinheitlich anzuwenden wären.

56.3

Das Bundesministerium hat es befürwortet, den Verspä-tungszuschlag neu zu regeln. Es teilt die Auffassung desBundesrechnungshofes, dass die Höhe des Verspätungs-zuschlages künftig nur nach denjenigen Kriterien bemes-sen werden sollte, die automatisiert ermittelt werden kön-nen. Das Bundesministerium hat darauf hingewiesen,dass es zurzeit mit den obersten Finanzbehörden der Län-der eine gesetzliche Neuregelung der Steuererklärungs-fristen erörtere und in diese Überlegungen eine Änderungdes § 152 AO einbeziehen werde.

56.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium eine Neuregelung des Verspätungszuschla-ges anstrebt. Im Interesse der rechtzeitigen Steuererhe-bung sollte das Bundesministerium die Erörterungen mitden Ländern daher zügig durchführen. Einen Gesetzent-wurf zur Neufassung des § 152 AO sollte es – auch unab-hängig von einer Neuregelung der Steuererklärungsfris-ten – bald vorlegen.

57 Fördervoraussetzungen der Eigenheim-zulage unzureichend geprüft(Kapitel 6001 Titel 012 01)

57.0

Einige Finanzämter haben unzureichend geprüft, ob dieEmpfängerinnen und Empfänger der Eigenheimzulagedie Fördervoraussetzungen erfüllten. Sie verließen sichauf die maschinellen Prüfhinweise der Steuerfestset-zungsprogramme und konnten z. B. nicht erkennen, wennWohneigentum im Förderzeitraum veräußert wurde. An-dere Finanzämter wendeten mit Erfolg ergänzende Kon-trollen an, um eine ungerechtfertigte Gewährung der

Eigenheimzulage zu vermeiden. Der Bundesrechnungshofregt an, bundesweit geeignete Kontrollen einzuführen.

57.1

Das Eigenheimzulagengesetz fördert den Bau oder denKauf selbst genutzten Wohneigentums. Die Eigenheimzu-lage wird seit dem Jahre 1996 gewährt und ist für Neu-fälle zum 1. Januar 2006 entfallen. Die Finanzämter zah-len sie auf Antrag im Jahr des Bezuges der Wohnung undin den sieben folgenden Jahren aus. Erwerberinnen undErwerber oder Bauherrinnen und Bauherren müssen denAntrag nur einmal stellen. Sie haben nur in den JahrenAnspruch auf die Förderung, in denen sie die Wohnungselbst nutzen. Ziehen sie aus oder veräußern sie die Woh-nung, sind sie verpflichtet, das Finanzamt hiervon zu un-terrichten.

Erwerberinnen und Erwerber haben noch Anspruch aufEigenheimzulage, wenn sie den Kaufvertrag vor dem1. Januar 2006 geschlossen haben. Bauherrinnen undBauherren erhalten sie noch, wenn sie den Bauantrag vordem 1. Januar 2006 gestellt haben. Baugenehmigungensind drei Jahre gültig. Bauherrinnen und Bauherren kön-nen daher mit dem Baubeginn bis zum Jahre 2008 warten.Wird die selbst genutzte Wohnung bereits im Jahre 2008bezugsfertig, zahlen die Finanzämter die Eigenheimzu-lage bis zum Jahre 2015 aus. Erstreckt sich die Bauphaseüber mehrere Jahre, geht die Förderung über das Jahr2015 hinaus.

Die Eigenheimzulage wird aus dem Aufkommen der Ein-kommensteuer gezahlt. In den Jahren 2007 bis 2011 wer-den die Finanzämter rund 28 Mrd. Euro Eigenheimzulageauszahlen. Der Bund wird davon rund 12 Mrd. Euro tra-gen.

Einige Voraussetzungen für die Gewährung der Eigen-heimzulage werden bundeseinheitlich durch sogenanntePrüfhinweise der Steuerfestsetzungsprogramme über-wacht. Wird z. B. mit der Eigenheimzulage eine Kinder-zulage ausgezahlt und ist kein Kind in der Steuer-erklärung angegeben, erhalten die Bearbeiterinnen undBearbeiter einen maschinellen Hinweis. Sie müssen die-sen Sachverhalt prüfen. Andere Voraussetzungen, insbe-sondere das Eigentum und die Nutzung der Wohnung,werden während des achtjährigen Förderzeitraumes ma-schinell nicht überwacht.

Der Bundesrechnungshof untersuchte die Anwendungdes Eigenheimzulagengesetzes bei fünf Finanzämtern infünf Ländern. Er stellte fest, dass einige Länder undFinanzämter ergänzende Kontrollen eingeführt hatten, umeine ungerechtfertigte Gewährung der Eigenheimzulagezu erkennen und zu vermeiden:

● Ein Land hatte eine Arbeitsgruppe eingerichtet, diemissbrauchsanfällige Steuertatbestände überprüfte.Einen Schwerpunkt legte die Arbeitsgruppe auf dieEigenheimzulage. Sie untersuchte u. a., ob die Woh-nung tatsächlich im Eigentum der Begünstigten stand

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225 – Drucksache 16/7100

oder vor Ablauf des Förderzeitraumes von acht Jahrenverkauft wurde („Verkaufsfälle“). Hierfür verglich siemit Unterstützung der Datenverarbeitung den Förder-zeitraum mit dem Zeitraum, in dem das Grundstückim Eigentum der Begünstigten stand. Fälle, in denender Förderzeitraum länger war, ließ sie von den Fi-nanzämtern prüfen. Die Finanzämter beanstandeten1 017 „Verkaufsfälle“. Dies führte zu einer Minderungder festgesetzten Eigenheimzulage von 6,5 Mio. Euro.

● Ein Finanzamt eines anderen Landes prüfte durchNachschauen vor Ort die tatsächliche Nutzung derWohnung. Es prüfte auch, ob es sich bei Baumaßnah-men tatsächlich um abgeschlossene förderungs-würdige Wohnungen handelte oder nur um eine Er-weiterung einer bereits bestehenden Wohnung. DasFinanzamt erzielte bei der Prüfung von 106 FällenEinsparungen von rund 670 000 Euro.

● Ein Finanzamt eines weiteren Landes hatte eine Zen-tralstelle eingerichtet, um Fachwissen und Erfahrungzu bündeln. Diese bearbeitete wechselnde Schwer-punktthemen und prüfte turnusmäßig auch die Förder-voraussetzungen der Eigenheimzulage. Sie unter-suchte dabei insbesondere die tatsächliche Nutzungder Wohnung. Im Jahre 2004 bearbeitete sie 1 549 An-träge und verhinderte ungerechtfertigte Auszahlungenvon 2,37 Mio. Euro.

Zwei Finanzämter in zwei Ländern hatten über die bun-deseinheitlichen maschinellen Prüfhinweise hinaus keineweiteren Maßnahmen ergriffen.

57.2

Die Finanzverwaltung wird die Eigenheimzulage nochbis über das Jahr 2015 hinaus gewähren. Die Steuermittel,die Bund und Länder hierfür in den kommenden Jahrenaufwenden werden, sind beträchtlich. Der Bundesrech-nungshof ist daher der Auffassung, dass neben der übli-chen Prüfung bei der Festsetzung und über die bundesein-heitlichen Prüfhinweise hinaus weitergehende geeigneteKontrollen stattfinden sollten.

Durch die bundeseinheitlichen Prüfhinweise können dieFinanzämter insbesondere nicht erkennen, wie ein geför-dertes Objekt tatsächlich genutzt wird und ob es weiterhinim Eigentum der Begünstigten steht. Einige Länder undFinanzämter wendeten daher erfolgreich weitergehendePrüfverfahren an. Nur durch diese ergänzenden Kontrol-len waren sie in der Lage, fehlende Fördervoraussetzun-gen zu erkennen. Ohne diese Kontrollen hätten sie dieEigenheimzulage ungerechtfertigt gewährt.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Finanzen (Bundesministerium) empfohlen, die Län-der für die Problembereiche der Eigenheimzulagegewäh-

rung zu sensibilisieren und auf geeignete Kontrollen in al-len Ländern hinzuwirken.

57.3

Das Bundesministerium hat angeführt, dass die Empfän-gerinnen und Empfänger der Eigenheimzulage verpflich-tet seien, dem Finanzamt unverzüglich alle Umständemitzuteilen, die zur Minderung oder zum Wegfall derEigenheimzulage führten. Es hat zudem mitgeteilt, eskönne der Empfehlung, die Länder zu zusätzlichen Prü-fungen anzuhalten, nicht entsprechen. Der Vorschlag seivon der Mehrheit der Länder abgelehnt worden. Bei demEigenheimzulagengesetz handele es sich um auslaufendesRecht mit sinkenden Fallzahlen.

Nach Ansicht des Bundesministeriums seien die Finanz-behörden der Länder für die Problemfelder des Eigen-heimzulagengesetzes durchaus sensibilisiert. Im Übrigenbenötige die Einführung ergänzender Kontrollen mit zu-sätzlichem Personaleinsatz eine längere Vorlaufzeit. Esmüsste u. a. zunächst geklärt werden, welches Personaldafür in den Ländern zur Verfügung stehe. Auch in derFinanzverwaltung seien die Haushaltsmittel knapp be-messen.

57.4

Die Mitteilungspflichten der Begünstigten gegenüber denFinanzbehörden reichen nach Ansicht des Bundesrech-nungshofes nicht aus, um die Schwächen der maschinel-len Prüfhinweise auszugleichen und eine ungerechtfer-tigte Auszahlung der Eigenheimzulage zu verhindern.Die ergänzenden Kontrollen einiger Länder und Finanz-ämter zeigen, dass die Empfängerinnen und Empfängerder Eigenheimzulage ihre Mitteilungspflichten nicht im-mer erfüllten. Der zusätzliche Einsatz dieser Finanzämterwar daher lohnend und vermied ungerechtfertigte öffent-liche Leistungen von rund 10 Mio. Euro.

Zwar werden die Fallzahlen zur Eigenheimzulage in denkommenden Jahren rückläufig sein, jedoch werden dieFinanzämter allein bis zum Jahre 2011 rund 28 Mrd. Euroauszahlen. Der Bundesrechnungshof hält es daher nichtfür hinnehmbar, dass die Finanzämter wesentliche För-dervoraussetzungen, insbesondere das Eigentum und dietatsächliche Nutzung der Wohnung durch den Bezieherder Eigenheimzulage, während des gesamten Förderzeit-raumes von acht Jahren nicht prüfen.

Er vertritt nach wie vor die Auffassung, dass das Bundes-ministerium bei den Ländern auf geeignete Kontrollenhinwirken sollte, und regt insbesondere automationsge-stützte Kontrollen der Eigentumsverhältnisse an. Dane-ben hält er es für angebracht, stichprobenweise zu prüfen,wie die Wohnung genutzt wird.

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Drucksache 16/7100 – 226 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Teil III Weitere Prüfungsergebnisse

Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt(Einzelplan 04)

58 Realistische Haushaltsmittelplanung und -bereitstellung für die IT der Deutschen Nationalbibliothek(Kapitel 0405 Titelgruppe 55)

58.0

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Me-dien achtet künftig mehr auf eine am tatsächlichen Bedarforientierte Planung der IT und dementsprechende Bereit-stellung der Haushaltsmittel für die Deutsche National-bibliothek. Regelmäßig angepasste Planzahlen und Wirt-schaftlichkeitsbetrachtungen zu den IT-Vorhaben sollenkünftig eine zu hohe Veranschlagung von Haushaltsmit-teln vermeiden und einen sparsamen Abfluss von Selbst-bewirtschaftungsmitteln gewährleisten.

58.1

Zu den Aufgaben der Deutschen Nationalbibliothek(DNB) gehört neben dem Sammeln gedruckter Publika-tionen auch das Sammeln und Archivieren von elektroni-schen Veröffentlichungen. Diese soll sie nun durch denEinsatz von IT den Nutzern zugänglich machen. DerHaushalt der DNB wird jährlich vom Verwaltungsrat derDNB unter dem Vorsitz des Beauftragten der Bundes-regierung für Kultur und Medien (Beauftragter der Bun-desregierung) beschlossen. Mittlerweile verwendet dieDNB 10 % ihrer Haushaltsmittel für IT.

Den Großteil ihrer Ausgaben deckt die DNB mit Zu-schüssen des Bundes, die der DNB seit dem Jahre 2001mit dem Ziel einer sparsamen Bewirtschaftung vollstän-dig zur Selbstbewirtschaftung zugewiesen werden. Beidiesem Verfahren kommt dem Beauftragten der Bundes-regierung in seiner Funktion als Rechtsaufsicht und alsVorsitzender des Aufsichtsorgans der DNB bei der Auf-stellung und Genehmigung des Haushalts eine besondereAufgabe zu: Er muss regelmäßig prüfen, ob die DNB dasZiel – Selbstbewirtschaftung unter Beachtung der Haus-haltsgrundsätze – erreicht hat und ggf. Konsequenzen zie-hen.

Bei der Prüfung der IT der DNB stellte der Bundesrech-nungshof fest, dass die DNB ihre geplanten IT-Vorhabenlediglich zum Teil durchgeführt und dabei in den Haus-haltsjahren 2002 bis 2005 im Durchschnitt nur rund 70 %der von ihrem Verwaltungsrat genehmigten IT-Haushalts-mittel verausgabt hatte.

Die nicht in Anspruch genommenen „Überschüsse“ ließdie DNB unter dem ursprünglichen Verwendungszweckauf das Selbstbewirtschaftungsmittelkonto überweisen.

Mit den unveränderten Ansätzen der geplanten IT-Maß-nahmen erhöhte sich der Bestand der aus dem Bundeshaus-halt ausgezahlten, aber nicht verausgabten Selbstbewirt-schaftungsmittel immer weiter. Er erreichte schließlichein Vielfaches der letztlich erforderlichen Ausgaben.Ende 2006 entsprachen die so auf dem Selbstbewirt-schaftungsmittelkonto vorgehaltenen Mittel in Höhe von1,8 Mio. Euro einem Jahresetat, den der Verwaltungsratfür alle IT-Maßnahmen der Bibliothek genehmigt.

58.2

Der Bundesrechnungshof hat den Beauftragten der Bun-desregierung auf den Umfang und die Folgen der langjäh-rigen Praxis der DNB aufmerksam gemacht, überhöhteAnsätze in den Haushaltsplan einzustellen. Diese wider-spricht nicht nur gesetzlich verankerten Haushaltsprinzi-pien der Haushaltswahrheit und -klarheit, sondern ins-besondere dem Fälligkeitsprinzip. Die Transparenz derstaatlichen Haushaltsführung ist wesentlich beeinträchtigtgewesen. Mit den Zuweisungen der nicht verausgabten„Überschüsse“ auf das Selbstbewirtschaftungsmittel-konto hat die DNB mangels näherer Informationen überden Stand der einzelnen Maßnahmen einen „Nebenhaus-halt“ für IT-Ausgaben eingerichtet. Dieser war vom Be-auftragten der Bundesregierung nur schwer zu kontrollieren.

Der Bundesrechnungshof hat den Beauftragten der Bun-desregierung zudem auf die Vorgaben der Bundeshaus-haltsordnung (BHO) und einen Beschluss des Rech-nungsprüfungsausschusses des Haushaltsausschusses desDeutschen Bundestages hingewiesen. Danach dürfen beiHaushaltsverhandlungen keine Finanzmittel ohne zuge-hörige angemessene Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen alsEntscheidungsgrundlage bewilligt werden. Dies gilt auchfür IT-Maßnahmen der DNB. Den für den Haushalt ver-antwortlichen Aufsichtsgremien haben keine aussage-kräftigen Kennzahlen dazu vorgelegen, ob und welche IT-Maßnahmen finanzierungswürdig und dringlich waren.Da der Beauftragte der Bundesregierung die für eine be-darfsgerechte Steuerung bereitstehenden Hilfsmittel fürdas Haushaltsaufstellungsverfahren der DNB nicht ge-nutzt hat, hat er nur ungenügend auf Einsparmöglichkei-ten für den Bundeshaushalt – zuletzt in Höhe von mehre-ren Hunderttausend Euro – hinwirken können.

Der Bundesrechnungshof hat den Beauftragten der Bun-desregierung aufgefordert, künftig ein Verfahren zurSchätzung der Haushaltsansätze für IT-Maßnahmen zuentwickeln, das den tatsächlichen Bedarf der DNB wider-spiegelt und Transparenz für den Verwaltungsrat derDNB schafft. Um den Grundsätzen der Haushaltswahr-heit und -klarheit und dem Fälligkeitsprinzip zu entspre-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 227 – Drucksache 16/7100

chen, sollte das Verfahren auch regelmäßig den neustenStand der Ausgabenplanung wiedergeben; damit kannzeitnah nachverfolgt werden, wie die Selbstbewirtschaf-tungsmittel genutzt werden.

58.3Der Beauftragte der Bundesregierung hat Versäumnissebei der Aufstellung und Genehmigung des Haushalts derDNB eingeräumt. Er bezeichnete die in den vergangenenJahren nicht mehr angepasste Planung als „historisch ge-wachsen“. Er räumte ein, die geplanten IT-Vorhaben beiden Haushaltsverhandlungen aufgrund des Verzichts aufWirtschaftlichkeitsbetrachtungen gemäß § 7 BHO nichtbewertet und später deren Umsetzung nicht weiterver-folgt zu haben. So sei der Grundsatz fälligkeitsbezogenerHaushaltsklarheit beeinträchtigt gewesen. In der Rück-schau seien Haushaltsmittel des Bundes für teilweisenoch nicht gestartete IT-Maßnahmen zu hoch veran-schlagt worden. Für Einzelheiten des Haushaltsvollzugsund der Durchführung einzelner IT-Maßnahmen habe erjedoch keine Überwachungszuständigkeit.Auf Empfehlungen des Bundesrechnungshofes hat derBeauftragte der Bundesregierung mehrere Maßnahmeneingeleitet. Diese sollen eine realistische und transparenteHaushaltsplanung der IT-Finanzmittel insbesondere un-ter Berücksichtigung der vorhandenen Selbstbewirtschaf-tungsmittel der DNB gewährleisten. Er hat über erste Er-gebnisse für die Haushaltsverhandlungen 2008 berichtet.Um große und zyklisch wiederkehrende IT-Beschaffun-gen haushälterisch zu bewältigen, seien Übersichten er-stellt worden. In diesen werden die Ausgaben für zu-künftige Haushaltsjahre abgeschätzt und die bislang inAnspruch genommenen Mittel berücksichtigt. Die darausabzuleitende finanzielle „Grundversorgung“ für die IT

der DNB würde um Pauschalen für kurzfristig notwen-dige, unvorhergesehene Investitionen ergänzt. Darüberhinausgehenden Mehrbedarf bei IT-Beschaffungen könn-ten vorhandene Selbstbewirtschaftungsmittel decken.Die für eine realistische Finanz- und Investitionsplanungder IT geforderten Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen wür-den erstellt, für das Jahr 2008 aufgrund personeller undtechnischer Engpässe allerdings mit Verzögerung.

58.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass der Beauf-tragte der Bundesregierung als Rechtsaufsicht und maß-gebliche Genehmigungsinstanz für den Haushalt derDNB die Empfehlungen aufgegriffen und ansatzweise be-reits für die Haushaltsverhandlungen 2008 umgesetzt hat.Mit realistischen Plandaten und Wirtschaftlichkeitsbe-trachtungen zu den IT-Maßnahmen sind erste Schritteunternommen, die eine bedarfsorientierte Planung derAusgaben – unter Beachtung der vorhandenen Selbstbe-wirtschaftungsmittel – der DNB gewährleisten.Ungeachtet dessen sollte der Beauftragte der Bundes-regierung Haushaltsmittel der DNB nur in denjenigenFällen zur Selbstbewirtschaftung zuweisen, in denen eraufgrund hinreichender und aktueller Planungsunterlagendie gesetzliche Voraussetzung erfüllt sieht, dass die IT-Mittel sparsam bewirtschaftet werden. Wird dieses Zielnicht erreicht, dürfen Selbstbewirtschaftungsmittel für IT-Vorhaben nicht mehr veranschlagt werden.Der Bundesrechnungshof wird beobachten, inwieweit dieauf dem Selbstbewirtschaftungsmittelkonto vorhandenen„Überschüsse“ durch die neu eingeführten Verfahrenwirtschaftlich verwendet und abgebaut werden.

Auswärtiges Amt(Einzelplan 05)

59 Jährliche Einsparungen durch Neu- Global and Area Studies in Hamburg (Institut). Das Insti-

organisation des German Institute of Global and Area Studies, ehe-mals Deutsches Übersee-Institut(Kapitel 0502 Titel 632 01)

59.0

Das Auswärtige Amt hat veranlasst, dass sich das vonihm geförderte German Institute of Global and Area Stu-dies in Hamburg neu organisiert. Damit folgt es einerEmpfehlung des Bundesrechnungshofes. Ferner wird esbei seiner Förderung darauf achten, dass das Institutkünftig die haushaltsrechtlichen Vorschriften einhält.Hierdurch spart das Auswärtige Amt seit dem Jahre 2006Fördermittel von 372 000 Euro jährlich ein.

59.1

Das Auswärtige Amt und die Freie und Hansestadt Ham-burg finanzieren zu jeweils 50 % das German Institute of

tut nannte sich bis zum Jahre 2006 Deutsches Übersee-Institut. Es ist eine überregionale Forschungseinrichtungmit 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Der Bundesrechnungshof prüfte die Bereitstellung undVerwendung der Förderung. Er stellte insbesondere fest:

● Das Deutsche Übersee-Institut war ein Zusammen-schluss aus fünf rechtlich selbstständigen Stiftungen.Diese waren auf drei Standorte innerhalb Hamburgsverteilt. Jede Stiftung hatte eine eigene Bibliothek undeine eigene Buchhaltung.

● Das Institut hatte im Personalhaushalt erhebliche Mit-tel veranschlagt, die es für die Finanzierung der ausge-wiesenen Planstellen nicht benötigt und für andereZwecke ausgegeben hatte.

● Das Institut hatte die gesetzlich geforderte Stellenein-sparung von jährlich 1,5 % seit Jahren nicht vorge-nommen.

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Drucksache 16/7100 – 228 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Es hatte sich arbeitsvertraglich an Personal gebunden,für das keine Planstellen zur Verfügung standen.

59.2

Der Bundesrechnungshof hat dem Auswärtigen Amtempfohlen, das Institut nur dann weiter zu fördern, wenndieses die fünf Stiftungen rechtlich, organisatorisch undräumlich zusammenführt und dadurch eine wirtschaftli-che Verwendung der Fördermittel ermöglicht. Das Aus-wärtige Amt sollte das Institut außerdem veranlassen,künftig die haushaltsrechtlichen Vorschriften zu beachten.Bei seiner Förderung soll es darauf achten, dass das Insti-tut insbesondere seine Haushaltsansätze bedarfsgerecht

ermittelt, den Stellenplan einhält sowie die gesetzlicheStelleneinsparung vornimmt.

59.3

Das Auswärtige Amt ist den Empfehlungen des Bundes-rechnungshofes gefolgt. Das Institut hat die oben genann-ten Maßnahmen bereits umgesetzt. Dadurch spart dasAuswärtige Amt seit dem Jahre 2006 im Vergleich zumJahre 2003 Fördermittel von jährlich 372 000 Euro ein.Die Freie und Hansestadt Hamburg spart bei ihrer anteili-gen Finanzierung des Instituts einen Betrag in gleicherHöhe ein.

Bundesministerium des Innern(Einzelplan 06)

60 Transparenz und Handhabung des Einen ersten Bericht über die Sponsoringleistungen an die

Sponsorings verbessert

60.0

Die Bundesregierung verbessert Transparenz und Hand-habung des Sponsorings. Sie folgt damit den Empfehlun-gen des Bundesrechnungshofes.

60.1

Tätigkeiten des Bundes können durch Private (Sponso-ren) gefördert werden. Dabei werden in der Regel Geld-,Sach- oder Dienstleistungen zur Verfügung gestellt(Sponsoring).

Der Bundesrechnungshof hatte die Förderung von Aufga-ben des Bundes durch Private bereits im Jahre 2000 ge-prüft. Nach seiner Auffassung darf die öffentliche Ver-waltung Sponsoringleistungen nur dann annehmen, wennsie jeden Anschein fremder Einflussnahme vermeidet undihre Unabhängigkeit wahrt. Der Bundesrechnungshofhatte daher gefordert, zumindest die Voraussetzungen undVerfahrensabläufe des Sponsorings zu regeln und dieHerkunft und die Verwendung der Mittel transparent zumachen. Auf der Grundlage dieser Empfehlungen erließdie Bundesregierung im Jahre 2003 die Allgemeine Ver-waltungsvorschrift zur Förderung der Tätigkeiten desBundes durch Leistungen Privater (VV-Sponsoring). Sieenthält die Grundsätze für die Einwerbung und Annahmevon Sponsoringleistungen. Die VV-Sponsoring schreibtu. a. vor, in den obersten Bundesbehörden einen Sponso-ringbeauftragten zu bestimmen und diesen bei den Ange-legenheiten des Sponsorings zu beteiligen. Das Bundes-ministerium des Innern hat die Aufgabe, alle zwei Jahrein einem Bericht die Geld-, Sach- und Dienstleistungenaus Sponsoring zu veröffentlichen.

Bundesverwaltung (Erster Sponsoringbericht) legte dasBundesministerium des Innern Ende 2005 vor. Der Be-richtszeitraum umfasst die Zeit vom 1. August 2003 biszum 31. Dezember 2004. Die empfangenen Leistungenbeliefen sich auf rund 55,4 Mio. Euro. Die Namen derSponsoren wurden nicht genannt.

Dem Bundesministerium für Gesundheit kamen im Be-richtszeitraum annähernd 80 % (rund 44,5 Mio. Euro) dergesamten Sponsoringmittel des Bundes zugute. Davonentfiel der Großteil auf Sachleistungen an die zu seinemGeschäftsbereich gehörende Bundeszentrale für gesund-heitliche Aufklärung (Bundeszentrale). Nach den Anga-ben der Bundeszentrale beträgt der Wert dieser Leistun-gen rund 41 Mio. Euro.

Das Bundesministerium für Gesundheit erließ im Jahre2004 eine eigene Sponsoringanweisung. Sie ergänzt dieVV-Sponsoring der Bundesregierung. Danach muss derSponsoringbeauftragte vor Einwerbung oder Annahmevon Sponsoringleistungen beteiligt werden, wenn derenWert 1 000 Euro übersteigt. Eine Übersicht über dieSponsoringleistungen war nicht vorhanden.

Zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ge-sundheit gehört auch das Deutsche Institut für medizini-sche Dokumentation und Information (DIMDI). DasDIMDI warb Mittel von Sponsoren ein, um damit die He-rausgabe und Pflege eines einheitlichen Begriffsystems(Klassifikation) von Medizinprodukten zu finanzieren.Dies ist eine gesetzlich geregelte Pflichtaufgabe.

60.2

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 die Eig-nung der VV-Sponsoring, ihre Anwendung in der Praxissowie die Aussagekraft des Ersten Sponsoringberichts.Der Bundesrechnungshof bemängelte, dass der Erste

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229 – Drucksache 16/7100

Sponsoringbericht die Namen der Sponsoren nicht nennt.Dies ist nach seiner Auffassung jedoch eine wichtige Vo-raussetzung dafür, dass der Bericht Transparenz herstel-len und damit seinen Zweck erfüllen kann. Der Bundes-rechnungshof hat dem Bundesministerium des Innernempfohlen, die Namen der privaten Mittelgeber in künfti-gen Sponsoringberichten offen zu legen, damit Interes-senkonflikte erkannt werden können. Er hat darüber hi-naus auch angeregt, die VV-Sponsoring eindeutiger zuformulieren. Dies betrifft z. B. die Bestimmungen zurEinwerbung und Auswahl möglicher Sponsoren oder zumzulässigen Umfang privater Finanzierungsanteile.

Der Bundesrechnungshof prüfte gesondert die Sponso-ringpraxis des Bundesministeriums für Gesundheit. Erstellte fest, dass dessen Sponsoringbeauftragter nur in we-nigen Fällen vorab beteiligt worden war. Der Bundes-rechnungshof hat die Beteiligung des Sponsoringbeauf-tragten auch durch nachgeordnete Behörden für gebotengehalten und empfohlen, dafür Ansprechpersonen einzu-setzen. Er hat ferner empfohlen, die von privater Seite er-haltenen Geld-, Sach- und Dienstleistungen nach Ab-schluss jedes Haushaltsjahres im Geschäftsbereichabzufragen. Dadurch könnten alle Sponsoringfälle erfasstwerden, auch solche, bei denen der Sponsoringbeauf-tragte nicht beteiligt wurde.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes eignet sichdie gesetzliche Pflichtaufgabe der medizinischen Klassi-fikation nicht für eine Finanzierung durch Sponsoring.Diese Aufgabe sollte unabhängig von privater Finanzie-rung wahrgenommen werden.

60.3

Das Bundesministerium des Innern ist den Empfehlungendes Bundesrechnungshofes gefolgt und hat die Sponsorenin seinem Zweiten Sponsoringbericht namentlich aufge-führt. Es hat angekündigt, missverständliche Regelungenklarzustellen und – soweit erforderlich – die VV-Sponso-ring neu zu fassen.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat mitgeteilt, eshabe zur Beteiligung des Sponsoringbeauftragten sowohlin der Bundeszentrale als auch im DIMDI jeweils eineAnsprechperson für Fragen des Sponsorings benannt.Auch in den übrigen Behörden seines Geschäftsbereichssei die Beteiligung des Sponsoringbeauftragten sicherge-stellt. Das Bundesministerium für Gesundheit will künf-tig nach Abschluss jedes Haushaltsjahres eine Abfrageüber Art und Umfang von Sponsoringleistungen durch-führen. Die Finanzierung der medizinischen Klassifika-tion durch Sponsoring werde es nicht fortsetzen.

60.4

Die von den Bundesministerien ergriffenen Maßnahmenführen zu mehr Transparenz bei der Einwerbung und An-nahme von Sponsoringleistungen. Sie gewährleisten ein-heitliche und nachprüfbare Verfahren und Verwaltungsab-läufe und sichern so die Unabhängigkeit des Staates. DerBundesrechnungshof wird die Unterstützung öffentlicherAufgaben des Bundes durch Sponsoring weiter beobachten.

61 Wesentliche Hemmnisse für die Optimierung der öffentlichen Beschaffung beseitigt

61.0

Mängel im Projektmanagement, Zweifel an der Wirt-schaftlichkeit des Vorgehens und Vorbehalte einzelnerRessorts haben die Umsetzung eines Projekts der Bundes-regierung zur Optimierung der öffentlichen Beschaffungerheblich verzögert. Einen wesentlichen Anstoß erhieltdas Projekt Ende 2006 dadurch, dass die federführendenBundesministerien des Innern und für Wirtschaft undTechnologie wesentliche Hemmnisse beseitigten und da-bei Empfehlungen des Bundesrechnungshofes berück-sichtigten. Damit sind wichtige Voraussetzungen geschaf-fen, um durch die Bündelung der Nachfrage und durchden systematischen Einsatz elektronischer Medien im Be-schaffungsprozess erhebliche Einsparungen zu erzielen.

61.1

Die Bundesregierung hatte im Dezember 2003 beschlos-sen, die Vorteile elektronischer Kommunikation zurschnellen, transparenten und wirtschaftlichen Vergabevon öffentlichen Aufträgen zu nutzen. Hierzu plante siedie Einführung

● einer zentralen Internetplattform „eVergabe“, die esermöglicht, einen wesentlichen Teil des Vergabepro-zesses in elektronischer Form abzuwickeln und

● eines „Kaufhauses des Bundes“, das den Bundes-behörden einen elektronischen Katalog für standar-disierte Dienstleistungen und Waren bereitstellt. DerBedarf hieran soll zuvor gebündelt und über Rahmen-verträge im Wettbewerb gedeckt werden.

Das hierzu eingerichtete Projekt sollte spätestens bis zumEnde 2005 abgeschlossen sein. Die gemeinsame Feder-führung hatten das Bundesministerium des Innern unddas Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.

61.2

Der Bundesrechnungshof prüfte das Projekt „eVergabe/Kaufhaus des Bundes“ im Jahre 2005. Er stellte fest, dasses sich in einer kritischen Phase befand und zu scheiterndrohte. Dies zeigte sich insbesondere daran, dass

● die angestrebte Digitalisierung der Vergabe- und Be-stellprozesse bis Ende 2005 nicht mehr zu verwirkli-chen war,

● entgegen den Vorgaben nur wenige Ressorts „eVer-gabe“ und „Kaufhaus des Bundes“ in nennenswertemUmfang nutzten, obwohl bereits erhebliche Bundes-mittel in das Projekt geflossen waren. Die Vorteile dergebündelten Beschaffung sowie mögliche Einsparun-gen bei den Prozesskosten kamen dadurch nur einge-schränkt zum Tragen,

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Drucksache 16/7100 – 230 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● die Wirtschaft deutlich zurückhaltender auf die Mög-lichkeit der elektronischen Vergabe reagierte als er-wartet,

● einige Bundesministerien Vorbehalte gegen das Pro-jekt hatten,

● zwischen den Bundesministerien umstritten war, wiedie Kosten des Projekts verteilt werden sollten; dasgefährdete die weitere Finanzierung.

Die Ursachen hierfür sah der Bundesrechnungshof insbe-sondere in der unzureichenden Projektorganisation mitlangwierigen Abstimmungsprozessen und in Defizitenbei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Einzelne Ressortsstellten daher die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens immerwieder infrage. Sie setzten auf Sonderwege und Eigenent-wicklungen, was dem Ziel der Bundesregierung, ein ein-heitliches System zu entwickeln, widersprach.

61.3

Nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes kann dieEinführung von „eVergabe“ und „Kaufhaus des Bundes“wirtschaftlich sein, wenn die Kostensenkungspotenzialevollständig genutzt werden. Hierfür sprechen auch zahl-reiche wissenschaftliche Untersuchungen. Als Vorausset-zung dafür hat der Bundesrechnungshof insbesondere diebreite Beteiligung der Bundesverwaltung, die Einbettungdes Projekts in eine optimierte Beschaffungskette und dieBündelung der Nachfrage des Bundes herausgestellt.

Um dies zu erreichen hat der Bundesrechnungshof insbe-sondere empfohlen,

● die Wirtschaftlichkeit des Projekts überzeugend dar-zulegen, um die Beteiligung aller Ressorts sicherzu-stellen,

● die zur Fortführung des Projekts erforderlichen Mittelzur Verfügung zu stellen und eine Entscheidung überdie Aufteilung der Kosten zu treffen,

● ein Konzept zur Förderung der Akzeptanz in der Wirt-schaft zu entwickeln,

● für den gesamten Beschaffungsprozess eine elektroni-sche Unterstützung anzustreben sowie

● zügig standardisierte Produkte zu definieren und fürdie Beschaffung zu bündeln.

Er hat dabei gefordert, die durch das Projekt zu erwarten-den finanziellen Belastungen und Einsparungen für denBund in einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsuntersu-chung gegenüberzustellen.

61.4

Die federführenden Bundesministerien haben die Emp-fehlungen des Bundesrechnungshofes im Wesentlichenaufgegriffen. Das Bundesministerium des Innern hat imNovember 2006 eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vor-gelegt, die die erwartete Wirtschaftlichkeit von „eVer-gabe“ und „Kaufhaus des Bundes“ nachvollziehbar be-

legt. Es hat zudem die Ausgaben für die Fortführung desProjekts in seinem Haushalt veranschlagt. Die übrigenRessorts haben ihre Eigenentwicklungen eingestellt undzentrale Vergabestellen festgelegt, die den Bündelungs-prozess vorantreiben sollen. Das Bundesministerium fürWirtschaft und Technologie hat die Gespräche mit denSpitzenverbänden der deutschen Wirtschaft über die Ein-führung elektronischer Medien im Beschaffungsprozessintensiviert. Zurzeit stimmt es mit diesen eine Empfeh-lung zur schrittweisen Einführung vollelektronischer Ver-gabeverfahren ab. Parallel dazu hat das Bundesministe-rium für Wirtschaft und Technologie einen Beraterkreisaus Vertretern der Gebietskörperschaften einberufen, umdurch ein möglichst koordiniertes Vorgehen der öffentli-chen Auftraggeber Hemmnisse bei der Nutzung der„eVergabe“ zu beseitigen.

61.5

Der Bundesrechnungshof sieht hiermit wesentliche Voraus-setzungen dafür geschaffen, die Ziele des Projekts „eVer-gabe/Kaufhaus des Bundes“ zu erreichen und die Effi-zienzpotenziale einer optimierten Beschaffung nachhaltigzu erschließen. Entscheidend hierfür wird sein, dass dieRessorts die „eVergabe“ und das „Kaufhaus des Bundes“künftig umfassend nutzen und so dazu beitragen, dass dieVorteile dieser Instrumente langfristig zu deutlichen Ent-lastungen des Bundeshaushaltes führen.

Der Bundesrechnungshof wird das Projekt weiterhin kri-tisch begleiten.

62 Dienstsport in der Bundespolizei neu geregelt(Kapitel 0625)

62.0

Das Bundesministerium des Innern wird den Dienstsportin der Bundespolizei neu regeln. Dabei hat es dieEmpfehlungen des Bundesrechnungshofes aufgegriffen,den Umfang des Dienstsports dem bundeseinheitlichenLeitfaden für alle Polizeien des Bundes und der Länderanzupassen und bereits vorgesehene Leistungskontrollenflächendeckend durchzuführen. Durch die neue Regelungkann die bisher für den Dienstsport zur Verfügung ge-stellte Arbeitszeit deutlich reduziert werden.

62.1

Der Dienstsport in der Bundespolizei hat zum Ziel, die fürden Polizeivollzugsdienst erforderliche körperliche Leis-tungsfähigkeit der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beam-ten (Polizeikräfte) zu erhalten und zu steigern. Die Poli-zeikräfte sollen ihre körperliche Leistungsfähigkeit auchdurch Sport in ihrer Freizeit verbessern. In dem für denDienstsport der Polizeien des Bundes und der Länder gel-tenden Leitfaden „Sport in der Polizei“ werden mindes-tens vier Stunden Dienstsport im Monat empfohlen. DasBundesministerium des Innern (Bundesministerium) legtefür die Bundespolizei im Jahre 1996 zehn Stunden

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 231 – Drucksache 16/7100

Dienstsport im Monat fest. Somit standen für die32 500 Polizeikräfte der Bundespolizei jährlich 3,9 Mio.Arbeitsstunden für den Dienstsport zur Verfügung. Die-sen Zeitansatz berücksichtigte das Bundesministeriumauch bei der Ermittlung des Personalbedarfs.

Die Mehrheit der Bundesländer sieht für den Dienstsportder Polizeikräfte maximal vier Stunden der Regelarbeits-zeit pro Monat vor.

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung des Prü-fungsamtes des Bundes Magdeburg den Dienstsport beider Bundespolizei im Jahre 2006 bundesweit geprüft. Da-bei stellte er fest, dass 30 % aller Polizeikräfte keinenDienstsport ausübten. 70 % der Polizeikräfte triebendurchschnittlich 4,36 Stunden Dienstsport im Monat. DieTeilnahmequote zwischen den Dienststellen differierte er-heblich und lag zwischen 14 % und 77 %.

Der Bundesrechnungshof stellte weiter fest, dass die Bun-despolizei die nach den Vorschriften vorgesehenen Kon-trollen zur körperlichen Leistungsfähigkeit nicht flächen-deckend durchführte. Diejenigen Polizeikräfte, die sich inden geprüften Dienststellen Leistungsnachweisen stell-ten, erfüllten mehrheitlich die Leistungen unvollständigoder erhielten ausreichende bis mangelhafte Bewertun-gen. Erfüllte eine Polizeikraft die Leistungsnachweisenicht oder nahm daran nicht teil, blieb dies ohne Konse-quenzen.

62.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die vorge-sehenen Zeiten für Dienstsport weit über den Vorgabendes bundeseinheitlichen Leitfadens und den Vorgaben derLänderpolizeien liegen. Er hat kritisiert, dass die Bundes-polizei die körperliche Leistungsfähigkeit der Polizei-kräfte nicht flächendeckend kontrollierte. Ihr fehlt inso-fern ein Überblick, inwieweit die Polizeikräfte die für denPolizeiberuf erforderliche Fitness besitzen.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, die Regelungen zum Dienstsport in der Bun-despolizei grundlegend zu überarbeiten und dabei

● den Zeitansatz für den Dienstsport am Leitfaden fürden Dienstsport und den Regelungen in den Bundes-ländern zu orientieren (monatlich vier Stunden) sowie

● flächendeckende Leistungskontrollen durchzuführenund geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wenn Leis-tungsstandards nicht erfüllt werden.

62.3

Das Bundesministerium hat zugesagt, den Dienstsport imZusammenhang mit der Entwicklung des sogenanntenPolizeitrainings neu zu konzipieren. Bis dahin werde eskurzfristig den Zeitansatz für Dienstsport von monatlichzehn Stunden auf ein Jahressoll von 30 Stunden als Richt-wert je Polizeikraft reduzieren. Auch werde es jährlicheLeistungsnachweise für Schnellkraft und Ausdauer ein-

führen und die Erfüllungsquote jährlich erfassen und aus-werten.

62.4

Der Bundesrechnungshof hält die vom Bundesministeriumvorgesehenen Maßnahmen für geeignet, den Umfang desDienstsports künftig bundeseinheitlich zu gestalten. Mitder Erfassung und Auswertung von Leistungsnachweisenerhält das Bundesministerium eine Grundlage, auf der esgezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Leistungsfä-higkeit der Polizeikräfte veranlassen kann. Der Bundes-rechnungshof erwartet, dass das Bundesministerium denPersonalbedarf mit Blick auf das reduzierte Jahressollvon 30 Stunden Dienstsport neu ermittelt. Er wirdbeobachten, inwieweit das Bundesministerium die Neu-konzeption des Polizeisports im Zusammenhang mit derEinführung eines Polizeitrainings auch über die bisheri-gen Schritte hinaus weiter vorantreibt.

63 Sicherheitsbehörden erzielen Einsparungen und Synergien(Kapitel 0610 und 0625 Titel 812 55)

63.0

Das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei habeneine Software zur IT-gestützten Fallbearbeitung beschafftund dabei Empfehlungen des Bundesrechnungshofes um-gesetzt. Dadurch konnten sie den Preis senken, Risikenminimieren und Synergien mit Polizeibehörden der Län-der ermöglichen.

63.1

Das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei (Behör-den) planten, eine Software zur IT-gestützten Fallbearbei-tung einzuführen. Mit dieser können Informationen zuverdächtigen Personen (z. B. Adressen, Kontonummern),Sachen (z. B. Fahrzeugdaten) und Orten miteinander ver-knüpft und Verbindungen bildhaft dargestellt werden.Eine Softwareentwicklungsfirma bot dieses IT-Systemsowie weitere Entwicklungsarbeiten an. Sie legte den Be-hörden jeweils ein Angebot vor. Das Preissystem derFirma sah erhebliche Rabattstaffelungen bei dem Erwerbvon Softwarelizenzen vor. Bei einem gemeinsamen An-gebot für beide Behörden waren höhere Rabatte zu er-zielen als bei Einzelverträgen. Außerdem enthielten dieEinzelangebote eine jährliche Preissteigerung für die Li-zenzen und die Wartung.

Die Behörden gingen davon aus, dass eine Software fürdie Kernaufgaben polizeilicher Fallbearbeitung langfris-tig verfügbar sein muss. Da es sich bei dem Anbieter umeine kleinere mittelständische Firma handelte, sahen siedas Risiko einer Übernahme durch andere Unternehmen.Um die Software auch in diesem Fall weiterentwickeln zukönnen, beabsichtigten sie, mit der Firma die Überlas-sung des Programmcodes zu vereinbaren.

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Drucksache 16/7100 – 232 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das Fallbearbeitungssystem ist bei mehreren Polizeibe-hörden der Länder bereits im Einsatz. Vertreter dieser Po-lizeibehörden stimmen in einer Interessengemeinschaftihre Bedarfsanforderungen an die Software ab.

63.2

Der Bundesrechnungshof prüfte begleitend die Einfüh-rung der Software. Er hat gegenüber dem Aufsicht füh-renden Bundesministerium des Innern (Bundesministe-rium) deutlich gemacht, dass die Behörden durch eingemeinsames Auftreten ihre Verhandlungsposition ver-bessern können. Er hat empfohlen darauf hinzuwirken,dass die Entwicklungsfirma den Rabatt nach dem Ge-samtbedarf beider Behörden berechnet und auf eine jähr-liche Preiserhöhung verzichtet.

Wird für Kernaufgaben der Polizei eine Software einge-setzt, so ist es besonders wichtig, dass diese auch künftiguneingeschränkt zur Verfügung steht. Wegen des Um-fangs und der Komplexität des IT-Systems hat der Bun-desrechnungshof hierfür die Überlassung des Programm-codes nicht als ausreichend angesehen. Er hat es fürnotwendig gehalten, dass die Behörden das Fallbearbei-tungssystem unabhängig von der Entwicklungsfirma zu-verlässig weiterentwickeln können. Daher hat er empfoh-len, zusätzliche Möglichkeiten zur Absicherung zuprüfen.

Der Bundesrechnungshof hat außerdem angeregt, Vertre-ter der Behörden in die Interessengemeinschaft der Län-der zu entsenden, um die Verhandlungsposition des Bun-des und der Länder gegenüber der Entwicklungsfirma zustärken und die Anforderungen aller Sicherheitsbehördenan die Software besser zu koordinieren.

63.3

Das Bundesministerium ist den Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes gefolgt. Es konnte für die BehördenLizenzbedingungen vereinbaren, die im Vergleich zumersten Angebot bis zum Jahre 2010 zu Einsparungen vonrund 1 Mio. Euro führen. Auch hat es Preiserhöhungenfür die ersten drei Jahre abgewendet.

Der geschlossene Vertrag sieht weiterhin vor, dass demBund sämtliche Nutzungsrechte an der Software sowiederen Programmcode überlassen werden. Außerdem ent-hält der Vertrag ein Vorkaufsrecht des Bundes, falls Ge-schäftsanteile der Entwicklungsfirma an Dritte veräußertwerden sollen. Damit sind die Behörden gegen vorher-sehbare Risiken abgesichert.

Das Bundeskriminalamt nimmt seit Vertragsabschluss anden Sitzungen der Interessengemeinschaft der Software-anwender teil. Dabei stimmen diese sich über künftigeVerfahren beispielsweise zu Auftragsvergabe, Preisver-handlungen mit der Entwicklungsfirma sowie Kostenauf-teilung ab. Dadurch werden Synergieeffekte genutzt unddie Verhandlungsposition der Sicherheitsbehörden weitergestärkt.

64 Bundespolizei vermeidet unnötige Beschaffung von IT-Gerät(Kapitel 0625 Titelgruppe 55)

64.0

Die Bundespolizei wird auf Empfehlung des Bundesrech-nungshofes ihre Reserve an IT-Geräten reduzieren. Diedadurch verfügbaren Geräte wird sie in Dienststellen ein-setzen, die noch nicht vollständig mit Informationstechnikausgestattet sind. Auf diese Weise kann sie mehrere Mil-lionen Euro für Beschaffungen einsparen.

64.1

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung des Prü-fungsamtes des Bundes Koblenz den Einsatz der Informa-tionstechnik (IT) bei der Bundespolizei geprüft und dabeifestgestellt:

Die Bundespolizei ermittelte ihren Bedarf an Arbeits-platzcomputern und anderen IT-Geräten (z. B. Druckernund Scannern) auf der Grundlage ihres Organisations-und Dienstpostenplans. Darüber hinaus sah sie IT-Aus-stattungen für besondere Funktionen (z. B. Personalratund Vertrauenspersonen) sowie in Lehrsälen vor. Überdas so ermittelte Ausstattungssoll hinaus hielt sie weitereIT-Geräte vor, um kurzfristig Ersatz bei technischen Aus-fällen bereitstellen und Sonderaufgaben bewältigen zukönnen (sog. Kreislaufreserve).

Das Bundesministerium des Innern (Bundesministerium)hatte die Kreislaufreserve auf 15 % des ermittelten Aus-stattungssolls festgelegt. Im Dezember 2004 plante dieBundespolizei, die Reserve auf 20 % zu erhöhen. Dabeierstellte sie weder eine Risikoanalyse noch eine Wirt-schaftlichkeitsberechnung. Andere Möglichkeiten zur Ri-sikovorsorge bezog sie nicht in ihre Überlegungen ein.

Ab dem Jahre 2005 begann die Bundespolizei, die Kreis-laufreserve wie geplant auf insgesamt rund 2 900 Arbeits-platzausstattungen aufzustocken. Es erhielten auch solchePräsidien Reserven, deren nachgeordnete Dienststellennoch nicht über die vorgesehene IT-Grundausstattung ver-fügten. Bei einem Preis von durchschnittlich 2 000 Euro proArbeitsplatzausstattung wären für die gesamte geplanteKreislaufreserve Ausgaben in Höhe von rund 5,8 Mio.Euro angefallen.

Ende 2006 begann das Bundesministerium mit einer Neu-organisation der Bundespolizei, die sich auch auf die Or-ganisation der IT auswirken wird.

64.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassdie Kreislaufreserve erhebliches Kapital bindet. Er hatempfohlen, in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung ver-bunden mit einer Risikoabschätzung zu untersuchen, obund in welcher Höhe eine solche Reserve notwendig ist.Dabei sollte als Alternative vorrangig geprüft werden, in-wieweit bei Bedarf kurzfristig IT-Geräte aus Rahmenver-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 233 – Drucksache 16/7100

trägen des Bundes abgerufen werden können. Es solltenaber auch weitere Möglichkeiten, wie der Kauf bei örtli-chen Händlern oder Leasing, einbezogen werden.

Der Bundesrechnungshof hat weiter angeregt, bereits fürdie Kreislaufreserve beschaffte Geräte denjenigen Dienst-stellen zu überlassen, die ihren IT-Sollbestand noch nichterreicht haben. Für diese Dienststellen müssten dann we-niger neue Geräte angeschafft werden.

64.3

Das Bundesministerium hat zugesagt, bei der begonnenenNeuorganisation der Bundespolizei die Empfehlungendes Bundesrechnungshofes einzubeziehen und die Kreis-laufreserve anzupassen.

64.4

Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass keineNachteile für den IT-Betrieb entstehen, wenn die Kreis-laufreserve wegfällt oder zumindest erheblich reduziertwird. Denn im Bedarfsfalle gibt es andere, wirtschaftlicheMöglichkeiten, um kurzfristig benötigte IT-Geräte zu be-schaffen. Die Bundespolizei kann die schon vorhandenenGeräte aus der Kreislaufreserve nutzen, um ihre Dienst-stellen wie geplant mit IT auszustatten, und dadurch Aus-gaben für Beschaffungen in Millionenhöhe einsparen.

Der Bundesrechnungshof wird im Jahre 2009 eine Kon-trollprüfung durchführen und sich davon überzeugen,dass die Bundespolizei die Zusagen umgesetzt hat.

65 Alternativen zu Betriebs- und Büro-kommunikationssystemen in der Bundesverwaltung

65.0

Die Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundes-regierung für Informationstechnik in der Bundesverwal-tung im Bundesministerium des Innern hat Empfehlungendes Bundesrechnungshofes zum erleichterten Wechsel vonBetriebssystem- und Bürokommunikationssoftware aufge-griffen und entsprechende Materialien für die Bundesver-waltung erarbeiten lassen. So wurden u. a. Vorgaben fürdie Standardisierung von Software entwickelt und Hilfs-mittel für die Erstellung von Wirtschaftlichkeitsbetrach-tungen verbessert. Daneben wurden die Fachkompeten-zen zum Thema „Open Source Software“ verstärkt unddie Bundesstelle für Informationstechnik im Bundesver-waltungsamt mit dem Ausbau eines Competence Centersfür Open Source Software betraut.

65.1

Die Bundesverwaltung hat mehr als 300 000 mit Informa-tionstechnik ausgestattete Arbeitsplätze. In den letztenJahren wechselte sie regelmäßig ihre Betriebssystem- undBürokommunikationssoftware auf eine neuere Version

des etablierten Herstellers, der einen Marktanteil von90 % hält. Diese sogenannten Migrationen wurden häufigdamit begründet, dass der Hersteller der Software ange-kündigt habe, die Pflege der bisherigen Versionen einzu-stellen; die reibungslose Kommunikation mit externenPartnern erfordere eine aktuelle Programmversion.

Auch bei jüngeren Migrationsentscheidungen war im Re-gelfall nur ein Wechsel innerhalb des Angebotsspektrumsdes bereits etablierten Herstellers vorgesehen; Alternati-ven anderer Hersteller oder anbieterunabhängige, soge-nannte Open Source Software, wurden nur in Einzelfällenin Erwägung gezogen. Open Source bedeutet in Bezugauf Software, dass diese beliebig und ohne Zahlungsver-pflichtungen gegenüber einem Lizenzgeber kopiert,verbreitet, verändert und genutzt werden darf. Wirtschaft-lichkeitsbetrachtungen bei der Migration von Betriebs-system- und Bürokommunikationssoftware nahm dieBundesverwaltung nur vereinzelt vor. Alternativen be-trachtete sie in der Regel nicht.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass ein Großteilder Bundesbehörden wünschte, zu Fragen der Software-migration von der ressortübergreifend für den Einsatz derInformationstechnik in der Bundesverwaltung zuständi-gen Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundes-regierung für Informationstechnik in der Bundesver-waltung im Bundesministerium des Innern (KBSt)umfassender informiert und unterstützt zu werden. DieKBSt hatte einen „Migrationsleitfaden“ herausgegeben,der die Bundesverwaltung bei der Bewertung unter-schiedlicher Migrationsszenarien unterstützen sollte. Die-ser war zum Teil nicht aktuell und für den praktischenEinsatz zu kompliziert. Die befragten Bundesbehördenbedauerten, dass neuere Erfahrungen aus Open Source-Pilotprojekten in Industrie und öffentlicher Verwaltungnicht oder nur teilweise innerhalb der Bundesverwaltungkommuniziert würden. Über Alternativen zu der an denArbeitsplätzen standardmäßig eingesetzten Betriebssys-tem- und Bürokommunikationssoftware und deren Vor-und Nachteile würde nur unzureichend informiert.

65.2

Der Bundesrechnungshof hat die KBSt aufgefordert, dasvorhandene Material möglichst bald zu aktualisieren undentsprechend den Wünschen aus der Bundesverwaltungpraxisnäher zu gestalten. Insbesondere sollten der Migra-tionsleitfaden und die darin enthaltenen Anleitungen zurErstellung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und zurBewertung von Alternativen vereinfacht und regelmäßigdem aktuellen technischen Stand angepasst werden.

Der Bundesrechnungshof hat der KBSt zudem empfoh-len, u. a.

● ihre Bemühungen um offene Standards zu verstärken,die die Abhängigkeit von einem Hersteller von Soft-ware löst,

● die Beratungs- und Unterstützungskapazität und -kom-petenz deutlich zu erweitern,

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Drucksache 16/7100 – 234 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● den Informationsaustausch, insbesondere über OpenSource Software, zu verbessern und

● Ergebnisse von Pilotverfahren aus dem Open Source-Bereich zu verbreiten.

65.3

Die KBSt hat mitgeteilt, sie habe begonnen, wesentlicheEmpfehlungen des Bundesrechnungshofes aufzugreifenund umzusetzen. So habe sie u. a. den Migrationsleitfa-den für Softwaremigrationen grundlegend überarbeitenlassen. In einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Bun-desbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltungseien dabei auch das Kapitel zu Wirtschaftlichkeitsbe-trachtungen entsprechend überarbeitet sowie ein speziellfür Softwaremigrationen nutzbarer Kriterienkatalog erar-beitet worden. Dieser stehe der Bundesverwaltung nunzur Verfügung.

Die KBSt habe auch die Fachkompetenz zum Themenbe-reich Open Source Software verstärkt. Die Bundesstellefür Informationstechnik im Bundesverwaltungsamt seimit dem Aufbau eines Competence Centers für OpenSource beauftragt. Das Informationsangebot zum ThemaOpen Source sei auch um Informationen zu Pilotprojek-ten erweitert worden, die nun aktuell aus dem Internet-angebot der KBSt abgerufen werden können.

Mit den verstärkten Aktivitäten zur Standardisierung vonSoftware und den Bemühungen zu offenen Lösungen imBereich des Dokumentenaustausches stelle die KBSt denBundesbehörden praktisch nutzbare Hilfsmittel für einenwirtschaftlichen IT-Einsatz zur Verfügung.

65.4

Der Bundesrechnungshof hält die von der KBSt eingelei-teten Schritte und Verbesserungen grundsätzlich für ge-eignet, die Grundlagen für Entscheidungen beim Wechselvon Betriebssystem- und Bürokommunikationssoftwaredeutlich zu verbessern. Die Bemühungen der KBSt, Fach-kompetenz im Bereich der Open Source Software ver-stärkt aufzubauen, lassen erwarten, dass beim Einsatz vonInformationstechnik in der Bundesverwaltung auch Alter-nativen zu den bisher eingesetzten Softwaresystemen be-trachtet und ggf. eingesetzt werden. Der Bundesrech-nungshof wird die weitere Entwicklung konstruktivbegleiten.

66 Bundesministerien verbessern die Fachaufsicht über ihre nachge-ordneten Geschäftsbereiche

66.0

Die Bundesregierung ist aufgefordert, Grundlagen füreine bessere Planung und Organisation der Fachaufsichtzu schaffen. Die Bundesministerien sollen ihre Fachauf-sicht über die nachgeordneten Geschäftsbereiche an die-sen Grundlagen ausrichten. Einen entsprechenden Be-schluss hat der Haushaltsausschuss des Deutschen

Bundestages nach einer Beratung durch den Bundesrech-nungshof gefasst. Die Bundesregierung hat mit dem„Umsetzungsplan zum Regierungsprogramm Zukunfts-orientierte Verwaltung durch Innovationen einschließlichdes e-Governmentprogramms 2.0“ erste Maßnahmen be-schlossen, um die Fachaufsicht über nachgeordnete Be-hörden zu verbessern.

66.1

Fachaufsicht soll ein rechtmäßiges und zweckmäßigesVerwaltungshandeln der nachgeordneten Behördenebe-nen sicherstellen. Sie ist eine der Kernaufgaben der Bun-desministerien. Um diese Kernaufgabe zu erfüllen, müs-sen die Bundesministerien die Aufgabenerfüllung derihnen nachgeordneten Verwaltungseinrichtungen undBehörden beobachten, prüfen und bei Bedarf steuerndeingreifen. Für die Aufsichtsführung sind z. B. klare Zu-ständigkeiten festzulegen und notwendiges Personal undFinanzmittel bereitzustellen. Bei der Fachaufsicht könnenneben modernen Steuerungsinstrumenten, wie z. B. Ziel-vereinbarungen oder Controllingsysteme, auch bisherübliche Instrumente, wie z. B. Besprechungen oderBerichtspflichten, eingesetzt werden. Sofern mehrereBundesministerien dieselbe Einrichtung beaufsichtigen,müssen sie Art und Weise ihrer Fachaufsicht untereinan-der abstimmen. Die Leitung jedes Bundesministeriumsmuss sicherstellen, dass die Aufsichtsführung daraufhinüberwacht wird, ob sie entsprechend den Anforderungenorganisiert ist und ob sie funktioniert. Bei Bedarf ist sieanzupassen.

Der Bundesrechnungshof untersuchte bei den OberstenBundesbehörden, wie die Fachaufsicht organisiert ist undwie sie verbessert werden kann. Hierzu befragte er alleObersten Bundesbehörden schriftlich über Planung, Or-ganisation und Durchführung ihrer Fachaufsicht und er-hob bei sechs Bundesministerien sowie drei ihrer nachge-ordneten Einrichtungen Sachverhalte vor Ort.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass in den Bundes-ministerien

● ein unterschiedliches Verständnis über die Bedeutungder Fachaufsicht, die mit ihr verfolgten Ziele sowiedie maßgeblichen Verwaltungsabläufe (Geschäftspro-zesse) bestand und

● Leitlinien und Handlungsempfehlungen für die Ge-staltung der Fachaufsicht fehlten.

Bei gleichzeitiger Aufsichtszuständigkeit mehrerer Bun-desministerien über dieselbe Einrichtung (ressortüber-greifende Aufsicht) fehlten abgestimmte Regelungen zurOrganisation der Fachaufsicht.

Innerhalb verschiedener Bundesministerien

● waren häufig keine Ziele für die Aufsichtsführung do-kumentiert,

● waren die zu beaufsichtigenden Aufgaben des nachge-ordneten Bereichs überwiegend nicht konkret be-schrieben,

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 235 – Drucksache 16/7100

● wurde nicht systematisch untersucht, welche Risikensich für den Bund ergeben können, wenn die nachge-ordneten Einrichtungen ihre Aufgaben nicht oderschlecht erfüllen,

● wurde der Personalbedarf für die Fachaufsicht häufignicht oder nicht nach anerkannten Methoden ermittelt,

● konnte der aktuelle Personaleinsatz, u. a. wegen un-klarer Abgrenzungen zu anderen Aufgaben, nur seltenbeziffert werden,

● existierten kaum konkrete Vorgaben zu Umfang undVerfahrensweise der Fachaufsicht und über Zuständig-keiten, die dokumentiert und allgemein bekannt wa-ren,

● standen für die bei der Aufsichtsführung notwendigenSoll-/Ist-Vergleiche nur selten hinreichend differen-ziert beschriebene Soll-Zustände und Informationenüber die Ist-Zustände der Aufgabenerfüllung zur Ver-fügung und

● wurden unzweckmäßige und unwirtschaftliche Ent-scheidungen der nachgeordneten Verwaltungen häufignicht früh genug erkannt und verhindert bzw. korri-giert.

66.2

Der Bundesrechnungshof hat bezweifelt, dass die Bun-desministerien ihrer fachaufsichtlichen Verantwortungausreichend gerecht wurden. Er hat auch die Gefahr gese-hen, dass die Kontrolle der Bundesverwaltung durch dasParlament beeinträchtigt wird. Er hat den Bundesministe-rien empfohlen,

● Konzepte über Ziele, Aufgaben, Maßnahmen etc. fürdie Aufsichtsführung zu entwickeln und umzusetzen,

● ihre mit der Aufsichtsführung beauftragten Bedienste-ten ausreichend für diese Aufgabe zu qualifizieren und

● bei ressortübergreifender Aufsicht die Abstimmungzwischen den betroffenen Bundesministerien sicher-zustellen.

Dem für Organisationsfragen zuständigen Bundesminis-terium des Innern (Bundesministerium) hat der Bundes-rechnungshof empfohlen, gemeinsam mit den anderenBundesministerien

● die Fachaufsicht bei der Verwaltungsmodernisierungstärker zu berücksichtigen und auf ein einheitlichesVerständnis der Fachaufsicht als ministerielle Kern-aufgabe hinzuwirken,

● Mindeststandards für eine angemessene Fachaufsichtund für das Verfahren bei ressortübergreifender Fach-aufsicht zu entwickeln,

● Informationen, Hilfsmittel und Fortbildung anzubie-ten,

● die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesminis-terien (GGO) um Regelungen zur Fachaufsicht zu er-gänzen, mindestens aber Hinweise zu einem Leitfaden

aufzunehmen, für den der Bundesrechnungshof bereitsVorschläge entwickelte und den Bundesministerienzur Verfügung gestellt hat, und

● einen übergreifenden Maßnahmenplan für die Verbes-serungen zu entwickeln und umzusetzen.

66.3

Das Bundesministerium hat sich in seiner innerhalb derBundesregierung abgestimmten Stellungnahme den Emp-fehlungen des Bundesrechnungshofes weitgehend ange-schlossen. Es hat erklärt, dass trotz der stetig geringerwerdenden personellen und finanziellen Ressourcen diefür die Aufgabenerledigung notwendigen Voraus-setzungen durch die Ressorts geschaffen werden, um dieFachaufsichtsaufgaben effizient, sach- und fachgerechtwahrzunehmen. Die Bundesregierung habe mit dem„Umsetzungsplan des Regierungsprogramms Zukunfts-orientierte Verwaltung durch Innovationen einschließlichdes e-Governmentprogramms 2.0“ beschlossen, dass u. a.folgende Maßnahmen im Jahre 2007 umgesetzt werdensollen:

● Entwicklung von Mindeststandards für eine angemes-sene Fachaufsicht,

● Entwicklung eines Schulungsleitfadens und Angebotentsprechender Schulungen durch die Bundesakade-mie für öffentliche Verwaltung,

● ressortübergreifender Erfahrungsaustausch zur Aus-übung der Rechts- und Fachaufsicht sowie

● Ergänzung der GGO um eine einheitliche Definitionder Fachaufsicht.

66.4

Wegen der Bedeutung der Prüfungserkenntnisse für dieparlamentarische Kontrolle der Bundesregierung hat derBundesrechnungshof dem Haushaltsausschuss des Deut-schen Bundestages die Prüfungserkenntnisse mitgeteilt.Dieser hat den Bericht des Bundesrechnungshofes zu-stimmend zur Kenntnis genommen und die darin enthal-tenen Empfehlungen durch einen an die Bundesregierungund die Bundesministerien gerichteten Beschluss bekräf-tigt.

Der Bundesrechnungshof wird die Umsetzung der ange-kündigten Maßnahmen der Bundesministerien beobachten.

67 Mehr Informations- und Beratungs-angebote für die Optimierung von Geschäftsprozessen in der Bundesverwaltung (Kapitel 0615 u. a.)

67.0

Das Bundesministerium des Innern ist den Empfehlungendes Bundesrechnungshofes gefolgt und hat die Informa-tions- und Beratungsangebote zur Analyse und Optimie-

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Drucksache 16/7100 – 236 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

rung von Geschäftsprozessen für die Bundesbehördenwesentlich ausgebaut. Mit diesen Hilfen können die Bun-desbehörden ihre Geschäftsprozesse untersuchen undwirtschaftlich gestalten. So können mittelfristig erhebli-che Einsparungen bei Personal und Sachmitteln erzieltwerden.

67.1

Die Bundesregierung will die Verwaltung modernisieren.Der Bürger und die Wirtschaft sollen Dienstleistungender Bundesverwaltung künftig einfacher, schneller undkostengünstiger in Anspruch nehmen können. Dazu müs-sen die Verwaltungsabläufe (Geschäftsprozesse) analy-siert und optimiert werden. Dies kann geschehen, indemVerwaltungsabläufe vereinheitlicht und beschleunigt, un-nötige Arbeitsschritte beseitigt und Verantwortlichkeitengeklärt werden. Dadurch werden Kosten reduziert und dieQualität der Prozessergebnisse verbessert. Gleichzeitigkann die Zufriedenheit der Kunden, d. h. der Bürger undder Wirtschaft, sowie der Beschäftigten erhöht werden.Im Gegensatz zu herkömmlichen Organisationsuntersu-chungen betrachtet die Analyse von Geschäftsprozessennicht nur einzelne Arbeitsschritte, sondern durchgängigden gesamten Verwaltungsablauf. Ausschlaggebend sinddabei die Anforderungen der Kunden an die Produkte,d. h. die Ergebnisse der Geschäftsprozesse.

In den Jahren 2003 bis 2007 untersuchte der Bundesrech-nungshof 30 Geschäftsprozesse in 21 Bundesbehördennahezu aller Geschäftsbereiche. Dabei unterstützten ihndie Prüfungsämter des Bundes in Frankfurt am Main,Hamburg und Koblenz.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Behördenvielfach an historisch gewachsenen Arbeitsabläufenfesthielten, ohne deren Wirtschaftlichkeit kritisch zu hin-terfragen. So gab es unnötige Mehrfacharbeit und Tätig-keiten, die für die Geschäftsprozesse bzw. deren Produkteohne Wert waren. Typische Mängel waren:

● Es fehlten Standards, um Geschäftsprozesse und damitihre Produkte und deren Qualität zu vereinheitlichen.

● Die Geschäftsprozesse durchliefen mehr Organisa-tionseinheiten als notwendig. An diesen unnötigenSchnittstellen kam es u. a. zu erhöhtem Kommunika-tionsaufwand. Vorgänge blieben unnötig lange liegen.

● Verwaltungsvorgänge wurden nicht durchgängig elek-tronisch bearbeitet. So wurden beispielsweise An-träge, die elektronisch bei einer Behörde eingingen,ausgedruckt und dann in Papierform weiterbearbeitet(Medienbruch).

● Die Zeit vom Beginn bis zum Abschluss eines Ge-schäftsprozesses (Durchlaufzeit) war im Verhältnis zureigentlichen Bearbeitungszeit eines Vorgangs zu lang.Die Durchlaufzeiten waren häufig zehnmal länger alsdie (reinen) Bearbeitungszeiten. Teilweise waren dieVerhältnisse noch weit ungünstiger.

● In vielen Fällen kannten die Behörden die Bedürfnisseihrer Kunden kaum; die Produkte waren daher nichtauf die Kunden abgestimmt.

● Wegen unzureichender Qualitätssicherung wurdenbeispielsweise missverständliche Bescheide versandt.

● Papiergebundene Posteingänge waren noch stark ver-treten. Die dadurch ausgelösten Folgearbeiten wie ma-nuelles Sortieren von Belegen, Scannen und Erfassenverursachten einen zu hohen Personalaufwand.

● Die Möglichkeiten der Informationstechnik bliebenvielfach noch weitgehend ungenutzt. So könnten z. B.elektronische Vorgangsbearbeitungssysteme für kür-zere Durchlaufzeiten, geringere Fehlerraten und ver-besserte Auskunftsfähigkeit der Behörden sorgen.

● Neue IT-Systeme zur Unterstützung von Geschäftpro-zessen wurden vielfach eingeführt, ohne dass die Ge-schäftsprozesse vorher ausreichend analysiert undoptimiert worden waren.

Als ein zentrales Element der Verwaltungsmodernisie-rung beschloss die Bundesregierung im November 2001die eGovernment-Initiative „BundOnline 2005“. Ziel derInitiative war es, alle internetfähigen Dienstleistungen derBundesverwaltung bis Ende 2005 online bereit zu stellen.Als Informations- und Beratungsstelle für die an der Ini-tiative teilnehmenden Bundesbehörden richtete die Bun-desregierung das Kompetenzzentrum „Vorgangsbearbei-tung, Prozesse und Organisation“ ein. Für die Analyseund Optimierung der in die Initiative einbezogenen Ge-schäftsprozesse waren 400 Mio. Euro vorgesehen. DieArbeit des Kompetenzzentrums trug dazu bei, dass in derBundesverwaltung in den letzten Jahren die Kenntnisüber den Nutzen von Geschäftsprozessanalysen wesent-lich verbessert wurde. Der überwiegende Teil der Behör-den analysierte und optimierte ihre Geschäftsprozesse je-doch bisher nicht umfassend.

Unabhängig von der Initiative berät die Abteilung VIIIdes Bundesverwaltungsamtes Bundesbehörden in allge-meinen Organisationsfragen sowie zu Geschäftsprozess-analysen.

67.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassdie festgestellten Mängel und die fehlende Ausrichtungder Geschäftsprozesse auf die Kunden zu vermeidbarenAusgaben bei Personal und Sachmitteln führen. Er hatinsbesondere beanstandet, dass die Einführung von IT-Systemen ohne vorherige Analyse und Optimierung desjeweiligen Geschäftsprozesses gegen verbindliche Emp-fehlungen für die Bundesverwaltung verstößt. Der Bun-desrechnungshof hat den geprüften Behörden spezifischeMängel in ihren jeweiligen Prozessen aufgezeigt undkonkrete Hinweise für verbesserte, wirtschaftlicheAbläufe gegeben. In einzelnen Fällen hat der Bundes-rechnungshof hierbei jährliche Einsparmöglichkeiten inMillionenhöhe gesehen. Vor allem in Behörden mit Mas-sengeschäft könnten durch vermehrten elektronischenPosteingang und den intensiveren Einsatz zeitgemäßer In-

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 237 – Drucksache 16/7100

formationstechnik (IT) erhebliche Personalkosten einge-spart werden.

Der Bundesrechnungshof hat bei seiner querschnittlichenBetrachtung ein repräsentatives Spektrum an Geschäfts-prozessen der Verwaltung untersucht. Er geht daher da-von aus, dass die von ihm festgestellten Mängel in derBundesverwaltung sehr weit verbreitet sind. Die Analyseund Optimierung aller Geschäftsprozesse, die nur lang-fristig zu leisten ist, dürfte zu erheblichen Einsparungenführen.

Die Bundesverwaltung sollte dabei unterstützt werden,ihre Prozesse selbst zu analysieren und zu optimieren.Der Bundesrechnungshof hat daher dem ressortübergrei-fend für die Organisation zuständigen Bundesministeriumdes Innern (Bundesministerium) u. a. folgende Maßnah-men empfohlen:

● Die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofeseinschließlich eines umfangreichen Schwachstellenka-talogs sollten der Bundesverwaltung in geeigneterWeise zur Verfügung gestellt werden.

● Bei der Neukonzeption des Organisationshandbuchesfür die Bundesverwaltung sollten die Themen Ge-schäftsprozesse, -analysen und -optimierung sowieKundenorientierung hinreichend einbezogen werden.

● Umfassende und aktuelle Informationen zur Methodeder Geschäftsprozessanalyse, grundsätzliche Anlei-tungen, aber auch Praxiserfahrungen sollten im Intra-net des Bundes angeboten werden.

● Das Bundesministerium sollte – vor allem bei künfti-gen eGovernment-Aktivitäten – sicherstellen, dass dieBehörden keine neuen IT-Systeme ohne vorausge-hende Geschäftsprozessoptimierung einführen (Prin-zip „Organisation vor IT“).

● Auch nach dem Abschluss der eGovernment-Initiative„BundOnline 2005“ sollte der Bundesverwaltung fürdie Prozessoptimierung qualifiziertes Beratungsperso-nal zur Verfügung stehen. Beratung mit dem Ziel, Pro-zesse zu verbessern, muss dabei auch unabhängig vonIT- oder eGovernment-Projekten gewährleistet sein.

67.3

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass die ge-schäftsprozessorientierte Aufgabenwahrnehmung in denBundesbehörden Effizienzpotenziale berge, die nochnicht zufrieden stellend realisiert worden seien. Es habedaher das Ziel, den Prozessansatz in der Bundesverwal-tung zu stärken und zu fördern. Dazu seien im Regie-rungsprogramm „Zukunftsorientierte Verwaltung durchInnovationen“ verschiedene Projekte, u. a. das Projekt„Prozessorientierte Organisation“, vorgesehen. Die vomBundesrechnungshof vorgeschlagenen Maßnahmen habees überwiegend aufgegriffen:

● So habe es die Prüfungsfeststellungen des Bundes-rechnungshofes in das Intranet des Bundes eingestellt.Zudem habe es den vom Bundesrechnungshof erstell-ten „Katalog der vorgefundenen Optimierungspoten-

ziale“ als Annex in das neue Organisationshandbuchaufgenommen.

● Im neuen Organisationshandbuch, das im Juli 2007erschienen ist, habe das Bundesministerium die The-men Geschäftsprozesse, Geschäftsprozessanalysenund -optimierung vertieft und den Aspekt der Kunden-orientierung stärker berücksichtigt.

● Das im Juli 2006 neu gestartete Intranet des Bundessolle als Plattform für die Vermittlung von Wissen zurGeschäftsprozessoptimierung sowie zu geplanten oderlaufenden Projekten der Bundesbehörden genutzt wer-den. Darüber hinaus werde Geschäftsprozess-Know-how über Lernplattformen, eLearning-Kurse, ressort-übergreifende Arbeitskreise, Fachforen und Arbeits-gruppen vermittelt und dokumentiert.

● Dem vom Bundesrechnungshof dringend empfohle-nen Prinzip „Organisation vor IT“ stimme das Bun-desministerium zu; es werde an ihm festhalten.

● Aufgrund der beständig hohen Nachfrage an Bera-tungsleistungen werde das Kompetenzzentrum nachdem Abschluss von „BundOnline 2005“ weiterge-führt. Dessen Aufgaben konzentrierten sich weiterhinauf IT-bezogene Geschäftsprozessoptimierung. Dievom Bundesrechnungshof geforderte eigenständige(von der IT unabhängige) Beratung zur Geschäfts-prozessoptimierung nehme die Abteilung VIII desBundesverwaltungsamtes wahr. Hier erwarte das Bun-desministerium zwölf zusätzliche Stellen für Organi-sationsberatung ab dem Jahre 2008. Dies reiche zurDeckung des Beratungsbedarfs allerdings noch nichtaus.

67.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundesmi-nisterium die Empfehlungen des Bundesrechnungshofesüberwiegend bereits umgesetzt hat und weitere Maßnah-men in diesem Sinne durchführen will. Sie werden dazubeitragen, das notwendige Bewusstsein für ein wirtschaft-liches Verwaltungshandeln nachhaltig zu stärken.

68 Projektarbeit in der mittelbaren Bundesverwaltung kann verbessert werden

68.0

Projekte können nur wirtschaftlich durchgeführt werden,wenn hierbei ein besonderes Augenmerk auf die Bedeu-tung von Terminen, Zeit, Kosten, Ressourcen und Qualitätgelegt wird. Um dies sicherzustellen, müssen die Einrich-tungen der mittelbaren Bundesverwaltung die anerkann-ten Methoden und Techniken der Projektarbeit konse-quent anwenden. Das Bundesministerium des Innern hatzugesagt, die Empfehlungen des Bundesrechnungshofesfür eine erfolgreiche Projektarbeit der gesamten Bundes-verwaltung zugänglich zu machen.

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Drucksache 16/7100 – 238 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

68.1

Der Bundesrechnungshof hatte Ende der 90er-Jahre dieProjektarbeit bei mehreren Bundesministerien geprüft. Erhatte festgestellt, dass diese erst wenige zeitlich befristetekomplexe Aufgaben mittels projektbezogener Organisa-tionsformen durchführten. Soweit Projektorganisationenvorhanden waren, wurden die dafür erforderlichen Instru-mente nicht immer angemessen eingesetzt. Hierüber hatteder Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen 1999(Bundestagsdrucksache 14/1667 Nr. 12) berichtet.

Der Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsaus-schusses des Deutschen Bundestages hatte daraufhin dasfür Organisationsfragen zuständige Bundesministeriumdes Innern (Bundesministerium) aufgefordert, die Res-sorts zu einem vermehrten Einsatz projektbezogener Or-ganisationsformen anzuhalten. Für seinen eigenen Ge-schäftsbereich entwickelte das Bundesministerium imJahre 2001 einen „Praxisleitfaden Projektmanagement“.Auch andere Ressorts erarbeiteten inzwischen ähnlicheArbeitshilfen.

68.2

Im Jahre 2006 prüfte der Bundesrechnungshof die Projekt-arbeit in Einrichtungen der mittelbaren Bundesverwal-tung (Behörden). Er stellte fest, dass diese mittlerweilehäufig projektbezogene Organisationsformen einsetzten.Das Projektmanagement war aber auch hier vielfach un-zureichend. Viele Projekte waren ausschließlich auf dieErgebnisziele ausgerichtet, ohne hinreichend auf Ter-mine, Kosten, Ressourcen und Qualität als Erfolgsfakto-ren zu achten. Planung, Steuerung und Controlling vonProjekten kamen oft zu kurz. Kaum ein Projekt wurdezum vorgegebenen Endtermin abgeschlossen. Vereinzeltverstetigten sich Projektorganisationen, obwohl sie nurauf Zeit angelegt waren. Schon bei der Planung war denProjektleitungen oft zu wenig bewusst, dass nicht nur dieBeauftragung Dritter, sondern auch der Einsatz des eige-nen Personals Kosten verursacht. Am Projektende konn-ten die Projektleitungen die Kosten häufig nicht odernicht vollständig beziffern. Zu beobachten war auch, dassseitens der Auftraggeber zum Teil kein hinreichendes In-teresse an diesen Informationen bestand.

Der Bundesrechnungshof hat den Rechtsaufsicht führen-den Bundesministerien die Schwachstellen in der Projekt-arbeit der Behörden aufgezeigt. Er hat besonders auf dieBedeutung der anerkannten Methoden und Techniken derProjektarbeit für einen erfolgreichen Projektverlauf hin-gewiesen:

● Die Behörden sollten eine strukturierte Vorgehens-weise bei der Projektarbeit durch eine verbindlicheProjektdefinition und eindeutige Projektregeln sicher-stellen. Wesentliches Merkmal eines Projektes ist diezeitliche Befristung, mit definiertem Anfang und Endeder Aufgabe. Sie sollte einmalig, neuartig oder kom-plex sein. Die Wahl der Organisationsform für ein Pro-jekt sollte von Umfang und Bedeutung der Aufgabeabhängig gemacht werden. Hilfreich ist es, Projekteanhand bestimmter Kriterien zu klassifizieren und für

jede Projektklasse Mindeststandards für Organisa-tionsform, Projektmanagement und -controlling zu de-finieren.

● Fallen in einer Behörde regelmäßig projektwürdigeAufgaben an, empfiehlt es sich, in der Gesamtorgani-sation eine für Projektmanagement zuständige Stellezu verankern. Dies kann z. B. eine Stabsstelle, ein Pro-jektbüro oder das Organisationsreferat sein. Zu denAufgaben dieser Stelle gehört es, Projektanträge zubearbeiten, Projekte zu priorisieren und vorzubereiten,die Behördenleitung zu beraten und die Projektleitun-gen zu unterstützen. Projekte sollten immer von derLeitungsebene getragen werden. Dies fördert die Ak-zeptanz von Projekten und unterstreicht deren Bedeu-tung. Einen hochrangigen „Projektpaten“ zu berufen,kann hierbei hilfreich sein.

● Mitentscheidend für einen reibungslosen und erfolg-reichen Projektverlauf ist die personelle Besetzungvon Projekten. Die Projektleitung sollte wegen derVielfältigkeit der wahrzunehmenden Aufgaben beson-ders sorgfältig ausgewählt werden. Neben der notwen-digen Fach- und Methodenkompetenz sollte sie immerauch über soziale und persönliche Kompetenz verfü-gen. Auch bei der Auswahl der Projektgruppenmit-glieder sollten diese Qualifikationen bedacht werden.

● Für einen erfolgreichen Projektverlauf kommt einemschriftlichen Auftrag eine besondere Bedeutung zu. Erhat die Anforderungen, die Ziele, die mit dem Projektbeauftragten Beschäftigten und die zur Verfügung ste-henden Sachmittel klar und eindeutig zu beschreiben.Unmissverständliche Projektaufträge beugen Konflik-ten vor und sichern die Projektleitung gegenüber demAuftraggeber ab.

● Die Behörden sollten der Projektplanung mehr Auf-merksamkeit schenken. Projekte sind konkret und inausreichender Tiefe zu planen. Für die Feinplanungsind insbesondere Struktur-, Ablauf-, Termin-, Mei-lenstein- und Kostenpläne unverzichtbar. Sie machendie Projektarbeit transparent und dienen als Grundlagefür die Projektsteuerung und das Projektcontrolling.

● In der Phase der Projektdurchführung kommt es we-sentlich auf das Zusammenspiel von Projektsteuerungund -controlling an. Die Projektleitung hat das Projektso zu lenken, dass es rechtzeitig und zu den vorgege-benen Bedingungen fertig gestellt wird. Aufgabe desControllings ist es, Abweichungen von der Planungfrühzeitig in Form von Soll-Ist-Vergleichen aufzuzei-gen und so ein Gegensteuern zu ermöglichen. Einstandardisiertes Berichtswesen, das regelmäßig denStand der laufenden Arbeiten, den Ressourcenver-brauch, die Termine und den Entscheidungsbedarfaufzeigt, kann hierbei besonders nützlich sein. Einekontinuierliche und vollständige Projektdokumenta-tion gehört ebenfalls zur Projektdurchführung unddient der Qualitätssicherung.

● Die Projektorganisation ist nach Abschluss des Pro-jekts aufzulösen. Wenn sich aus einem Projekt neueAufgaben ergeben, sind diese regulären Organisa-tionseinheiten dauerhaft zu übertragen. So ist z. B.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 239 – Drucksache 16/7100

nach Einführung eines Intranets das entsprechendeProjekt beendet, die laufende Pflege des Intranets wirddann eine neue Daueraufgabe. Jedes Projekt ist mit ei-nem Bericht und einer ausführlichen Bewertung abzu-schließen. Hierbei ist festzustellen, ob das Projektzielerreicht und ob Zeit- und Kostenpläne eingehaltenwurden. Besondere Erfahrungen sollten für künftigeProjekte festgehalten werden.

68.3

Der Bundesrechnungshof hat seine Erkenntnisse allenBundesministerien zur Weitergabe an die Behörden über-mittelt. Er hat die Bundesministerien gebeten, auf die Be-achtung seiner Empfehlungen hinzuwirken.

Das Bundesministerium unterstützt die Empfehlungendes Bundesrechnungshofes im Hinblick auf die künftigenSchwerpunkte der Verwaltungsmodernisierung des Bun-des. Es wird seinen Praxisleitfaden zum Projektmanage-ment überarbeiten und der gesamten Bundesverwaltungzur Verfügung stellen. Zudem will es neue Möglichkeitender direkten Beteiligung der mittelbaren Bundesverwal-tung im interministeriellen Ausschuss für Organisations-fragen erörtern.

Der Bundesrechnungshof wird die weitere Entwicklungbeobachten.

69 Bundesregierung will einheitliche Rahmenbedingungen für Dienstleister schaffen

69.0

Bundesbehörden und Zuwendungsempfänger lassen ver-schiedene Querschnittsaufgaben durch andere, als Dienst-leister tätige Behörden erledigen. Der Bundesrechnungs-hof hat der Bundesregierung empfohlen, auf der Basiseines für alle Bundesministerien verbindlichen Rahmen-konzeptes die Aufgabenerledigung in diesem Bereich zuverbessern. Die Bundesregierung hat ein entsprechendesProjekt in das neue Regierungsprogramm „Zukunfts-orientierte Verwaltung durch Innovationen“ aufgenom-men.

69.1

Bundesbehörden und Zuwendungsempfänger (Kunden)haben anderen, als Dienstleister tätigen Behörden (Dienst-leister) die Erledigung von Querschnittsaufgaben übertra-gen. Der Bundesrechnungshof hat querschnittlich dieAufgabenwahrnehmung der in vielfältigen Organisations-formen tätigen Dienstleister untersucht. Der Schwerpunktder Prüfung lag auf bündelungsfähigen Querschnittsauf-gaben, die die Dienstleister in großer Menge für ihreKunden erledigen. Solche Aufgaben sind z. B.:

● Die Abrechnung von Gehältern und Beamtenbezügen,

● die Berechnung von Beihilfen in Krankheitsfällen,

● Reisekosten- und Trennungsgeldabrechnungen.

Der Bundesrechnungshof hat hierbei insbesondere festge-stellt, dass die Verfahrensweise der Dienstleister bei demErschließen neuer Aufgaben und dem Gewinnen ihrerKunden, der Kalkulation der Konditionen und der Ver-tragsgestaltung uneinheitlich war. Auch den Kunden la-gen keine verlässlichen Entscheidungshilfen vor, in wel-chen Fällen eine Aufgabe wirtschaftlich durch einenDritten oder durch sie selbst erledigt werden kann.

69.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassüber die Frage, wie eine Behörde ihre bündelungsfähigenQuerschnittsaufgaben erledigen lässt, nur auf der Grund-lage einheitlicher Rahmenbedingungen entschieden wer-den kann.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, ein für alleBundesministerien verbindliches Rahmenkonzept zu ver-einbaren; Kernelemente sollten hierbei sein:

● Bündelungsfähige Querschnittsaufgaben sollten hin-sichtlich Art und Menge ermittelt werden.

● Eine wirtschaftlich sinnvolle Betriebsgröße für dieWahrnehmung der einzelnen Querschnittsaufgabensollte definiert und angestrebt werden.

● Es sollte über die organisatorische Anbindung derDienstleister Einvernehmen erzielt werden.

● Für die Dienstleister sollte ein zweckmäßiges Aufga-benspektrum festgelegt werden. Hierzu gehört auchdie Entscheidung, ob sie als Generalisten oder als Spe-zialisten tätig sein sollen.

● Es sollte geregelt werden, inwieweit Dienstleisterneue Aufgaben und Kunden gewinnen dürfen undwelche Bedingungen sie dabei zu beachten haben. Diehierfür abzuschließenden Verträge einschließlich derKalkulationsmethoden zu den Konditionen solltenvereinheitlicht werden.

● Die mit der Bündelung von Querschnittsaufgaben beiDienstleistern angestrebten Effizienzgewinne solltennach einheitlichen Kriterien ermittelt, offen gelegt undrealisiert werden.

Auf der Grundlage einheitlicher Rahmenbedingungenbliebe es den einzelnen Bundesministerien vorbehalten,für sich und ihren Geschäftsbereich

● organisatorische und personalwirtschaftliche Einzel-heiten der ihnen nachgeordneten Dienstleister zu re-geln,

● die Mengen der bündelungsfähigen Querschnittsauf-gaben ermitteln zu lassen und

● auf der Basis von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungenüber die Aufgabenübertragung an Dienstleister zu ent-scheiden.

Ziel des verbindlichen Rahmenkonzeptes sollte es sein,die Effizienz bei der Wahrnehmung von Querschnittsauf-gaben sicherzustellen und zugleich eine hohe Bearbei-tungsqualität zu gewährleisten.

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Drucksache 16/7100 – 240 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

69.3

Die Bundesministerien des Innern und der Finanzen habendie Empfehlungen des Bundesrechnungshofes grundsätz-lich unterstützt. Die Schaffung verbindlicher Rahmenbe-dingungen für die Bündelung von Querschnittsaufgabenbei Dienstleistern sei ein Schwerpunkt bei der Verwal-tungsmodernisierung des Bundes.

Die Bundesregierung hat am 13. September 2006 dasProgramm „Zukunftsorientierte Verwaltung durch Inno-vationen“ beschlossen und in einem Umsetzungsplankonkretisiert. Die „Bündelung von standardisierbarenDienstleistungen in wenigen im Wettbewerb stehendenDienstleistungszentren“ ist eines der Kernprojekte.

Das Bundesministerium des Innern beabsichtigt, gemein-sam mit dem Bundesministerium der Finanzen die Bünde-lung von Querschnittsaufgaben in Dienstleistungszentrenvoranzutreiben. Hierdurch soll die Effizienz gesteigertund die Qualität zum Nutzen aller Bundesministerien undihrer nachgeordneten Behörden verbessert werden. AlleBundesministerien und deren Geschäftsbereiche sollenspätestens ab 31. Dezember 2009 Querschnittsaufgabendurch Dienstleister erledigen lassen können. Deren Ange-bot soll unterstützende Tätigkeiten insbesondere in denBereichen Personalwesen, Haushaltswesen, Beschaf-fungswesen, IT, Organisation und Innere Dienste umfas-sen.

69.4

Der Bundesrechnungshof sieht in der Aufnahme des vonihm empfohlenen Rahmenkonzeptes zur Bündelung vonQuerschnittsaufgaben in das Regierungsprogramm „Zu-kunftsorientierte Verwaltung durch Innovationen“ einenersten Schritt in die richtige Richtung. Das Bundesminis-terium des Innern ist nunmehr gefordert, die im Umset-zungsplan verankerten Projekte voranzutreiben und dieübrigen Bundesministerien in diesem Veränderungspro-zess mitzunehmen. Diese sollten sich an den Projektenaktiv beteiligen und die hierbei entwickelten konkretenVorhaben bei sich und in ihren Geschäftsbereichen ver-wirklichen.

Der Bundesrechnungshof wird die weitere Entwicklungbeobachten.

70 Organisation der Fortbildung kann verbessert werden

70.0

Die Fortbildung der Beschäftigten in der mittelbarenBundesverwaltung und bei institutionell vom Bund geför-derten Zuwendungsempfängern kann effektiver durchge-führt werden. Das Bundesministerium des Innern hat zu-gesagt, die Empfehlungen des Bundesrechnungshofesaufzugreifen und die Einrichtungen zu unterstützen.

70.1

Der Bundesrechnungshof untersuchte mit Unterstützungdes Prüfungsamtes des Bundes Koblenz die Organisationder Fortbildung bei sieben Einrichtungen der mittelbarenBundesverwaltung und institutionell vom Bund geförder-ten Zuwendungsempfängern mit zusammen mehr als22 000 Beschäftigten. Gegenstand der Prüfung warenKonzeption, Umsetzung und Evaluierung der Fortbil-dung.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass der Fortbil-dung vielfach keine Konzepte zugrunde lagen. Aufgaben,Strukturen und Arbeitsabläufe, wie z. B. die Ermittlungdes Fortbildungsbedarfs und die Mitarbeiterauswahl, wa-ren zumeist nicht eindeutig geregelt. Die für Fortbildungzuständigen Organisationseinheiten planten und steuertendie Fortbildung selten aktiv. Mittel- bis langfristige Fort-bildungsplanungen lagen nicht vor. Häufig wurden Schu-lungen durchgeführt, ohne zuvor zu prüfen, ob eine selbstdurchgeführte oder eine an externe Anbieter vergebeneSchulung wirtschaftlich ist. Die Möglichkeit, mit anderenEinrichtungen in der Fortbildung zusammenzuarbeiten,wurde nur selten genutzt. Keine der in die Prüfung einbe-zogenen Stellen evaluierte ihre Fortbildungsmaßnahmenund deren Nutzen ausreichend. Der IT-Einsatz war viel-fach improvisiert. Vorhandene Module in IT-gestütztenPersonalverwaltungssystemen blieben teilweise ungenutzt.

70.2

Der Bundesrechnungshof hat aufgezeigt, wie die Einrich-tungen die Organisation ihrer Fortbildung zielorientiert,reibungslos und effektiv gestalten können:

● Die Einrichtungen sollten, ausgehend von ihren Auf-gaben, ihren grundsätzlichen Fortbildungsbedarf ana-lysieren und messbare Ziele für die Fortbildung undfür deren Organisation entwickeln. Zur Umsetzungdieser Ziele sind eindeutige und transparente Struktu-ren, Aufgabenbeschreibungen und Verantwortlichkeitensowie optimierte Arbeitsabläufe festzulegen. Dies sindnotwendige Voraussetzungen, um die Beschäftigtenwirkungsvoll und wirtschaftlich qualifizieren zu kön-nen. Sowohl Ziele als auch Maßnahmen sind in einerKonzeption, die den Bedürfnissen der jeweiligen Ein-richtung gerecht wird, zu dokumentieren.

● Für die Bereitstellung eines bedarfsgerechten Fortbil-dungsangebots ist die Bedarfsermittlung und -planungvon besonderer Bedeutung. Der Fortbildungsbedarfmuss sich an den aktuellen und künftigen fachspezifi-schen Anforderungen an die Beschäftigten und ihremKenntnisstand orientieren. Die Fortbildungsplanungist mittel- bis langfristig an den jeweiligen strategi-schen Zielen der Einrichtungen auszurichten.

● Für die Mitarbeiterauswahl sind eindeutige und einheit-liche, auf die Erledigung der Fachaufgabe ausgerichteteRegelungen festzulegen. Das Mitbestimmungsverfahrenkann im Einvernehmen mit den Interessenvertretun-gen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Mitbe-stimmungserfordernisse einfacher gestaltet werden.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 241 – Drucksache 16/7100

● Bei der Planung von Fortbildungsmaßnahmen sollteregelmäßig untersucht werden, ob eine Durchführungmit eigenen Kräften oder durch Externe wirtschaftlichist. Auch können Kooperationen mit anderen Anbie-tern von Fortbildungsleistungen in der Bundesverwal-tung und mit anderen Einrichtungen der Bundes-, Lan-des- oder Kommunalverwaltung insbesondere dannsinnvoll sein, wenn diese in vergleichbaren Aufgaben-bereichen tätig sind. Dadurch können die Auslastungvon Fortbildungsmaßnahmen insgesamt verbessertund der Wissensaustausch gefördert werden.

● Zur zielgerichteten Steuerung der Fortbildung der Be-schäftigten ist die Evaluierung von Fortbildungsmaß-nahmen wichtig. Diese sollte allerdings über das bloßeBewerten der Seminare durch die Teilnehmenden undeine punktuelle Auswertung hinausgehen.

● Durch einen zielgerichteten Einsatz der Informations-technik können Verwaltungsabläufe unterstützt undbeschleunigt werden. Vorhandene Module in IT-ge-stützten Personalverwaltungssystemen sollten genutztwerden, damit erforderliche Daten nur einmal voll-ständig erfasst und an einer Stelle vorgehalten werdenkönnen.

● Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministeriumdes Innern (Bundesministerium) gebeten zu prüfen,

inwieweit den Einrichtungen notwendige Hilfsmittelund Informationen an zentraler Stelle bereitgestelltwerden können, um die Organisation und Qualität ih-rer Fortbildung nachhaltig zu verbessern.

70.3

Der Bundesrechnungshof hat seine Erkenntnisse allenBundesministerien zur Weitergabe an die Einrichtungender mittelbaren Bundesverwaltung und institutionell vomBund geförderten Zuwendungsempfängern übermittelt.Er hat die Bundesministerien gebeten, auf die Beachtungseiner Empfehlungen hinzuwirken.

Das Bundesministerium hat den Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes, wie die Organisation der Fortbildungzielorientiert, reibungslos und effektiv gestaltet werdenkann, grundsätzlich zugestimmt. Es wird diese bei derUmsetzung des Regierungsprogramms „ZukunftsfähigeVerwaltung durch Innovationen“ aufgreifen. Außerdemwird sich die Bundesakademie für öffentliche Verwaltungstärker der mittelbaren Bundesverwaltung öffnen und die-ser mehr Fortbildung als bisher anbieten.

Der Bundesrechnungshof wird die weitere Entwicklungbeobachten.

Bundesministerium der Justiz (Einzelplan 07)

71 Generalbundesanwalt stellt Koordi- anwalts mit der Gesamtplanung und Koordinierung der

nierungs- und Steuerungsmängel bei Informationstechnik ab(Kapitel 0704 Titelgruppe 55)

71.0

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hatentsprechend den Empfehlungen des Bundesrechnungs-hofes begonnen, die Steuerung und Koordinierung seinesIT-Einsatzes neu zu organisieren, um erkannte Struktur-probleme bei seiner Informationstechnik künftig zu ver-meiden.

71.1

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 mit Un-terstützung des Prüfungsamtes des Bundes Koblenz dasManagement von IT-Projekten und die Beschaffung vonIT beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof(Generalbundesanwalt). Die IT spielt für den General-bundesanwalt eine „Schlüsselrolle, die alle wesentlichenstrategischen und operativen Funktionen und Aufgabenmaßgeblich unterstützt“.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass sich kein Aus-schuss und keine Arbeitsgruppe des Generalbundes-

IT befasste.

Ein IT-Großprojekt für staatsanwaltliche Fachabteilungen(GBA 2000) führte der Generalbundesanwalt mangels ei-genen IT-Personals nach dem sogenannten Zweifirmen-prinzip durch. Hierzu beauftragte er für 1,3 Mio. Euro ei-nen sogenannten Realisierer und einen von diesemunabhängigen Berater; letzterer sollte die Konzepte er-stellen und den Realisierer kontrollieren. Die Projekt-steuerung auf Seiten des Generalbundesanwalts oblageinem Projektlenkungskreis; diesem gehörten u. a. Ver-treter der Behördenleitung sowie des Bundesministeriumsfür Justiz (Bundesministerium) an. Erst nachdem die vomRealisierer entwickelte Software das vom Berater maß-geblich geleitete Abnahmeverfahren durchlaufen hatte,zeigte sich, dass das System verschiedene Praxis-Anfor-derungen nicht erfüllte. Gewährleistungsansprüche konnteder Generalbundesanwalt gegenüber dem Berater wegenVerjährung nicht geltend machen. Der Generalbundesan-walt räumte ein, seine Obliegenheiten als Auftraggeberund Koordinator zwischen den Auftagnehmern nicht aus-reichend wahrgenommen zu haben.

Bei einem Nachfolgeprojekt zu GBA 2000 berücksich-tigte der Generalbundesanwalt nicht den Vorschlag eige-ner Bediensteter, Beschäftigte des staatsanwaltlichenDienstes als künftige Nutzer in das Projekt mit einzube-ziehen.

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Drucksache 16/7100 – 242 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Rahmen eines anderen Großprojektes (Hardware2003) sollten Hard- und Software weiter vereinheitlichtund bei einer flächendeckenden Ersatzbeschaffung alleArbeitsplätze mit möglichst gleicher, handelsüblicherHardware ausgestattet werden. Hierzu schrieb der Gene-ralbundesanwalt nicht nur die Lieferung der Hardware,sondern auch die mit dem Hardware-Tausch verbundenenDienstleistungen der Konzeption und Durchführung desAustauschs nebst Schulungsveranstaltungen ausdrücklichals „Lieferung aus einer Hand“ aus; eine Aufteilung inLose ließ er nicht zu.

Den Zuschlag erhielt ein Anbieter mit einem Gesamtpreisvon 570 000 Euro. Die Summe der Angebotspreise der je-weils günstigsten Anbieter einzelner Leistungspakete lagum mehr als 90 000 Euro niedriger. Wesentliche Hard-ware-Komponenten, die geliefert wurden, erfasste die imLiefervertrag vereinbarte Preisgleitklausel nicht. Dahermusste der Generalbundesanwalt für später gelieferte Ge-räte den vereinbarten und nicht den bis dahin um ca.60 000 Euro gesunkenen Marktpreis bezahlen.

71.2

Der Bundesrechnungshof hat den Generalbundesanwaltdarauf hingewiesen, dass er nicht in der Lage gewesen ist,von Externen erbrachte Leistungen ausreichend zu bewer-ten. Den Berater hat er nicht hinreichend kontrolliert. Un-zureichende Kompetenzen zur Steuerung und Kontrolleseiner Auftragnehmer und zur IT-Planung und -Koordi-nierung waren dafür ursächlich.

Bei dem Nachfolgeprojekt hätte er den Vorschlag seinerMitarbeiter aufgreifen sollen, Beschäftigte aus dem staats-anwaltlichen Dienst als Nutzer in das Projekt mit einzu-beziehen.

Der Generalbundesanwalt hätte auch als Auftraggeber si-cherstellen müssen, dass die wesentlichen Grundliniendes Vergaberechts beachtet werden. Der Bundesrech-nungshof hat ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er imZusammenhang mit dem Projekt Hardware 2003 keinezweckmäßigen Lose gebildet und damit verbundene Ein-sparmöglichkeiten außer Acht gelassen hat. Weiterhin hater im Vertrag eine zu eng gezogene Preisgleitklausel ver-einbart. Ohne diese Mängel bei der Ausschreibung undDurchführung des Projektes Hardware 2003 hätte der Ge-

neralbundesanwalt bis zu 150 000 Euro weniger ausge-ben müssen.

71.3

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, dass der General-bundesanwalt Ende 2006 damit begonnen habe, die Auf-bauorganisation des IT-Bereichs zu verändern. Dieerkannten strukturellen Probleme würden dadurch abge-stellt. Ein zwischenzeitlich eingerichteter LenkungskreisInformationstechnik kontrolliere die Planung und Steue-rung der IT.Das Bundesministerium hat darauf hingewiesen, dass dasZweifirmenprinzip beim Projekt GBA 2000 wegen unzu-reichender Kompetenzen zur IT-Planung und Steuerunggewählt worden sei. Die Personalausstattung der beimGeneralbundesanwalt für die IT zuständige Organisations-einheit habe aber nur eine begrenzte Kontrolle der Auf-tragnehmer erlaubt.Zum Beschaffungsprojekt Hardware 2003 hat das Bun-desministerium die Auffassung vertreten, im Nachhineinkönne nicht festgestellt werden, inwieweit eine Auftrags-vergabe in Losen zu niedrigeren Ausgaben geführt hätte.Bei den vom Bundesrechnungshof ermittelten Mehraus-gaben von 90 000 Euro handele es sich allenfalls umeinen Maximalwert. Es sei davon auszugehen, dass dietatsächliche Differenz bei einer Aufteilung der Lose deut-lich geringer gewesen wäre.Den Regelungen des Vergaberechts würde künftig Rech-nung getragen.

71.4

Der Bundesrechnungshof sieht in dem im April 2007 ge-bildeten Lenkungskreis Informationstechnik einen richtigenSchritt zum Aufbau von IT- und Managementkompeten-zen beim Generalbundesanwalt. Der Bundesrechnungs-hof erwartet, dass dadurch Risiken bei künftigen Projek-ten verringert werden können und sich auch bei weiterenBeschaffungen die beim Projekt GBA 2000 und beim Be-schaffungsprojekt Hardware 2003 festgestellten Mängelnicht wiederholen.Der Bundesrechnungshof wird die weitere Entwicklungbeobachten.

Bundesministerium der Finanzen(Einzelplan 08)

72 Verwaltung kann größere Gesetzes- sogenannten Riester-Förderverfahrens nutzen, um künftig

werke effektiver umsetzen

72.0

Die Umsetzung größerer Gesetzeswerke stellt die Verwal-tungen vor besondere Herausforderungen. Auf Empfeh-lung des Bundesrechnungshofes will das Bundesministe-rium der Finanzen Erfahrungen bei der Einführung des

größere Gesetzeswerke mit Hilfe einer Projektorganisa-tion effektiver umzusetzen.

72.1

Das Altersvermögensgesetz vom 26. Juni 2001 sieht diestaatliche Förderung der ergänzenden privaten Altersvor-sorge (Riester-Rente) vor. Seit dem 1. Januar 2002 hat die

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 243 – Drucksache 16/7100

Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen die Aufgabe,die Altersvorsorgezulagen zu berechnen und auszuzahlen.Zur Umsetzung des Gesetzes musste zügig ein komplexesFörderverfahren mit zahlreichen Beteiligten eingerichtetwerden. Dem Bundesministerium der Finanzen (Bundes-ministerium), das in dem Gesetzgebungsverfahren zumAltersvermögensgesetz federführend war, fiel faktischauch die Führungsrolle bei dessen Umsetzung zu.

Der Bundesrechnungshof prüfte den Prozess der Einrich-tung und praktischen Ausgestaltung des Riester-Förder-verfahrens (Implementierungsprozess). Dabei unter-suchte er besonders, wie das Bundesministerium diesenProzess organisierte und steuerte.

Am Implementierungsprozess wirkten zahlreiche Stellenmit teilweise einander überschneidenden Zuständigkeitenmit. Innerhalb des Bundesministeriums waren mehr alszehn Referate betroffen. Hinzu traten als Hauptbeteiligteallein auf Seiten des Bundes fünf weitere Behörden. EineFederführung war nicht bestimmt. Auch gab es keineStelle, die die Arbeit der Beteiligten übergreifend koordi-nierte. Ein Gesamtverantwortlicher oder zentraler An-sprechpartner für den Implementierungsprozess als Gan-zes existierte nicht. Innerhalb des Bundesministeriumsführte die Vielzahl der beteiligten Referate zu erhebli-chem Abstimmungsbedarf, z. B. in Form von Bespre-chungen, Schriftverkehr und formellen Mitzeichnungs-verfahren. Doppelarbeiten und Verzögerungen beimArbeitsfortschritt waren weitere Folgen.

Die beteiligten Stellen handelten im Rahmen ihrer jewei-ligen Zuständigkeit grundsätzlich selbstständig. Anlass-bezogen arbeiteten sie mit anderen Stellen zusammen.Wesentliche Teile des Förderverfahrens mussten unter er-heblichem Zeitdruck eingeführt werden. Der Prozess wardaher häufig von sich ergebenden Anforderungen ge-prägt, die unmittelbar bewältigt werden mussten. Ein Ge-samtplan lag nicht vor.

Elemente einer Projektorganisation wurden im Imple-mentierungsprozess nur in wenigen Teilbereichen ge-nutzt. Das Organisationsreferat des Bundesministeriumswar in die Organisation der Zuständigkeiten und Arbeits-abläufe nicht eingebunden.

Das Vorgehen bei der Implementierung wirkte sich auchauf das Förderverfahren selbst aus. Die Einrichtung vielerVerwaltungsabläufe war erschwert; notwendige Informa-tionen zur Ausgestaltung und Abgrenzung der einzelnenAufgaben waren nicht rechtzeitig verfügbar. Die ZentraleZulagenstelle nahm die ihr gesetzlich zugewiesenen Auf-gaben mehr als viereinhalb Jahre nach ihrer Errichtungnoch nicht vollständig wahr. Bei der Öffentlichkeitsarbeitfür die Riester-Rente traten mehrere Stellen innerhalb derBundesverwaltung ohne durchgängige Kooperation miteigenen Produkten, z. B. Broschüren oder Internetauftrit-ten, auf. Erst in jüngerer Zeit wurde ein gemeinsamesProjekt aufgelegt.

72.2

Angesichts der besonderen Herausforderung bei der Ein-führung des Förderverfahrens hat der Bundesrechnungs-

hof geeignete Organisationsformen für eine effektive undeffiziente Zusammenarbeit der Beteiligten vermisst. DasGeflecht der zahlreichen unterschiedlichen Zuständigkei-ten war für viele Stellen nur schwer überschaubar. Eshätte bereits geholfen, wenn eine klare Federführung mitKoordinierungs- und ggf. Steuerungsfunktion festgelegtworden wäre.

Für zeitlich befristete, fachübergreifende und komplexeAufgaben kommen Projektorganisationen in Betracht. ImRahmen eines Projektes können das Fachwissen gebün-delt, der Koordinierungs- und Abstimmungsaufwand ver-ringert und die Aufgaben wirksam und wirtschaftlicherledigt werden. Zu Methode und Techniken der Projekt-arbeit gibt es nicht nur in der Organisationslehre umfäng-liches Schrifttum. Seit einigen Jahren liegen auch Ar-beitshilfen speziell für die Bundesverwaltung vor. MitHilfe einer Projektorganisation, ggf. unterstützt durch dasOrganisationsreferat des Bundesministeriums, hätten sichdie Zusammenarbeit der Beteiligten erheblich verbessernund das Förderverfahren effektiver implementieren las-sen.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, den Implementierungsprozess zu evaluieren,noch ausstehende Implementierungsschritte zu identifi-zieren und einen Plan für die Umsetzung dieser Schritteaufzustellen. Dabei sollten auch beabsichtigte Änderun-gen des Förderverfahrens einbezogen werden. Das Bun-desministerium sollte prüfen, ob und wie die Instrumenteder Projektorganisation für die weitere Umsetzung sowiefür zukünftige Verfahrensänderungen genutzt werdenkönnen.

Für die Zentrale Zulagenstelle hat der Bundesrechnungs-hof empfohlen, ein Konzept zu entwickeln, wie, ab wannund mit welcher Personalausstattung diese die ihr zuge-wiesenen Aufgaben vollständig wahrnehmen kann. Auchdie Öffentlichkeitsarbeit für die Riester-Rente bedarf ei-nes Konzepts, um erheblichen Mehraufwand durch Dop-pelarbeiten zu vermeiden.

Der Bundesrechnungshof hat ferner empfohlen, die Prü-fungserkenntnisse nicht nur bei der weiteren Implemen-tierung des Riester-Förderverfahrens zu berücksichtigen.Eine effektive und effiziente Zusammenarbeit der oftzahlreichen Beteiligten bei der Umsetzung eines größerenGesetzeswerkes kann durch geeignete Organisationsfor-men und Instrumente ermöglicht werden. Durch den Ein-satz der Projektorganisation kann die erfolgreiche undwirtschaftliche Realisierung der Vorhaben nachhaltig ge-fördert werden.

72.3

Das Bundesministerium hat den Empfehlungen des Bundes-rechnungshofes zugestimmt. Es will die Projektarbeit ingeeigneten Aufgabenbereichen verstärken. Hierzu steheein eigener Projekt-Leitfaden zur Verfügung. Es strebeweiter an, zukünftig größere Gesetzeswerke und konzep-tionelle Arbeiten einschließlich deren Umsetzung als Pro-jekte zu organisieren. Sowohl bei solchen Großprojektenals auch bei künftigen Implementierungsschritten der

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Drucksache 16/7100 – 244 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Riester-Förderung würden die vom Bundesrechnungshoferkannten Optimierungsmöglichkeiten berücksichtigt.

Das Bundesministerium hat weiterhin ausgeführt, dass eszwischenzeitlich eine Bestandsaufnahme der noch ausste-henden Implementierungsschritte für das Riester-Förder-verfahren veranlasst habe. Auf dieser Grundlage werdeein Gesamtplan für deren Umsetzung aufgestellt. Dabeisolle auch ermittelt werden, wann und mit welchem Per-sonalaufwand die Zentrale Zulagenstelle ihre Aufgabenvollständig wahrnehmen kann.

72.4

Der Bundesrechnungshof hält die vom Bundesministe-rium eingeleiteten Schritte grundsätzlich für geeignet, dasRiester-Förderverfahren innerhalb angemessener Zeit

vollständig zu implementieren. Noch bestehende Verfah-rensmängel können mit Hilfe der Empfehlungen desBundesrechnungshofes beseitigt werden. Der Bundes-rechnungshof behält sich vor, die weitere Entwicklung zubeobachten.

Der zielgerichtete Einsatz moderner Managementinstru-mente zur Förderung des wirtschaftlichen Verwaltungshan-delns ist ein zentrales Anliegen des Bundesrechnungshofes.Er sieht deshalb in der Aussage des Bundesministeriums,Projektorganisation und Projektarbeit auch innerhalb deseigenen Hauses zu stärken, einen wichtigen Schritt in dierichtige Richtung. Dabei wird es von entscheidender Be-deutung sein, aus den Erfahrungen mit der Implementie-rung der Riester-Förderung zu lernen und die Umsetzungkünftiger größerer Gesetzeswerke von Anfang an durchgeeignete Organisationsformen zu flankieren.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Einzelplan 09)

73 Kein weiteres Mittelstandspanel statistischen Datenbasis des Mittelstands entwickelt hat.

73.0

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologiehat aufgrund der Empfehlungen des Bundesrechnungs-hofes darauf verzichtet, ein eigenes Mittelstandspanelaufzubauen. Mit diesem Panel wollte das Bundesministe-rium für Wirtschaft und Technologie regelmäßig und sys-tematisch mittelständische Unternehmen befragen. DieAusgaben für das auf vier Jahre angelegte Projekt sollten2 Mio. Euro betragen. Die Kreditanstalt für Wiederauf-bau nimmt diesen Aufgabenbereich bereits mit ihrem ei-genen Mittelstandspanel wahr.

73.1

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhebt seitdem Jahre 2002 im Rahmen einer schriftlichen Wiederho-lungsbefragung systematisch Daten von kleinen und mitt-leren Unternehmen (Mittelstandspanel). Das Panel sollAnalysen sowohl zu Veränderungen in der Struktur desMittelstandes als auch zur Entwicklung der Einschätzun-gen, Probleme und Pläne dieser Unternehmen ermögli-chen. Es ist vorrangig als Instrument der Unternehmens-planung, Öffentlichkeitsarbeit und der Evaluierung vonKfW-eigenen Produkten konzipiert, kann jedoch auchDaten und Erkenntnisse für Politik und Wissenschaft lie-fern.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 die Struk-tur, Qualität und Nutzung des von der KfW erstellten Mit-telstandspanels. Er stellte fest, dass sich das KfW-Mittel-standspanel zu einer gesicherten und aussagekräftigen

Trotz des bereits vorhandenen KfW-Mittelstandspanelsbeabsichtigte das Bundesministerium für Wirtschaft undTechnologie (Bundesministerium) ein eigenes Mittel-standspanel aufzubauen. Die Ausgaben dieses auf vierJahre angelegten Projektes sollten 2 Mio. Euro betragen.Eine eingehende Analyse der Stärken bzw. Schwächenexistierender Unternehmenspanels hatte das Bundesminis-terium nicht vorgenommen.

73.2

Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass das Bundes-ministerium bislang mit der KfW zu den Inhalten desMittelstandspanels nicht zusammen arbeitete. Er hat da-rauf hingewiesen, dass geeignete Instrumente zur De-ckung des akuten Informationsbedarfs sowie zur Wir-kungskontrolle und Evaluierung der Mittelstandspolitikbereits bestehen. Der Bundesrechnungshof hat dem Bun-desministerium empfohlen, die Kooperation mit der KfWzum Mittelstandspanel zu verbessern. Dadurch kann dasPotenzial des KfW-Mittelstandspanels besser genutztwerden und das Bundesministerium auf die Entwicklungeines eigenen Panels verzichten.

73.3

Das Bundesministerium hat die Empfehlung des Bundes-rechnungshofes aufgegriffen und beabsichtigt, die Zu-sammenarbeit mit der KfW zum Mittelstandspanel zuverstärken. Auf ein eigenes Mittelstandspanel hat dasBundesministerium deshalb verzichtet.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 245 – Drucksache 16/7100

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Einzelplan 10)

74 Absatzfonds müssen dem Bund künftig Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und

jährlich 2,5 Mio. Euro Verwaltungs-kosten erstatten

74.0

Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährungzieht die Beiträge für zwei Absatzfonds der Land- undForstwirtschaft ein. Die Verwaltungskosten dafür hat dieBundesanstalt bisher selbst getragen. Auf Empfehlungdes Bundesrechnungshofes hat der Gesetzgeber im Ab-satzfonds- und im Holzabsatzfondsgesetz geregelt, dassdie Absatzfonds der Bundesanstalt die anteiligen Verwal-tungskosten erstatten müssen. Dadurch werden im Bun-deshaushalt jährlich 2,5 Mio. Euro eingespart.

74.1

Die Absatzfonds sollen den Absatz und die Verwertungvon Erzeugnissen der deutschen Land- und Ernährungs-wirtschaft sowie der Holz- und Forstwirtschaft im In- undAusland fördern. Die Betriebe der jeweiligen Wirtschafts-bereiche finanzieren die Absatzfonds mit Beiträgen, dieüberwiegend durch die Bundesanstalt für Landwirtschaftund Ernährung (Bundesanstalt) im Geschäftsbereich des

Verbraucherschutz erhoben werden. Dadurch entstandendem Bund jährlich 2,5 Mio. Euro Verwaltungskosten, diedie Absatzfonds bisher nicht bezahlen mussten.

74.2

Der Bundesrechnungshof hat angeregt, dass die Absatz-fonds die Kosten für die Erhebung ihrer Beiträge selbsttragen. Die Bundesanstalt wird bei der Beitragserhebungfür die Absatzfonds tätig. Da diese die Nutznießer derLeistung sind, sollte der Gesetzgeber regeln, dass die Ab-satzfonds der Bundesanstalt die Verwaltungskosten er-statten. Dies entspricht dem Ziel, die Kosten offen zulegen und sie dem Empfänger der Leistung zuzurechnen.

74.3

Bundesregierung und Bundestag haben den Vorschlag desBundesrechnungshofes mit dem Gesetz zur Änderung desAbsatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzesvom 26. Juni 2007 (BGBl. I 2007 S. 1170) umgesetzt.Durch die Kostenerstattung werden jährlich 2,5 Mio.Euro im Bundeshaushalt eingespart.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales(Einzelplan 11)

75 Träger der Grundsicherung wollen das Verfahren verbessern, erwerbsfähige Hilfebedürftige durch beauftragte Dritte zu vermitteln

75.0

Die Träger der Grundsicherung können zu ihrer Unter-stützung Dritte beauftragen, erwerbsfähige Hilfebedürf-tige zu vermitteln. Sie wollen das Verfahren verbessernund setzen damit Empfehlungen des Bundesrechnungs-hofes um.

75.1

Zum 1. Januar 2005 wurden die Arbeitslosen- und die So-zialhilfe für erwerbsfähige Personen zu einer staatlichenFürsorgeleistung – der Grundsicherung für Arbeitsuchende(Grundsicherung) mit dem Arbeitslosengeld II – zusam-mengefasst. Rechtsgrundlage dieser Grundsicherung ist

das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SBG II). Die Verwal-tung der Leistungen übernimmt eine Grundsicherungs-stelle. Als Grundsicherungsstellen haben die Kommunenund die Agenturen für Arbeit sogenannte Arbeitsgemein-schaften errichtet. Daneben wurden 69 Kommunen ge-stattet, alle Aufgaben der Grundsicherungsstelle und desTrägers der Leistung zu übernehmen (zugelassene kom-munale Träger).

Die Grundsicherungsstellen sollen erwerbsfähige Hilfe-bedürftige umfassend unterstützen, um sie in den Arbeits-markt einzugliedern. Dazu können sie Dritte mit der Ver-mittlung beauftragen und ihnen Arbeitsuchende sowieAusbildungssuchende zuweisen. Diese Beauftragten wer-den in der Regel vertraglich verpflichtet, Ergebnisbe-richte über jeden Einzelfall vorzulegen. Für ihre Vermitt-lungstätigkeit erhalten sie eine Vergütung.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes Hannover die Vermittlungdurch Dritte bei acht Arbeitsgemeinschaften und zwei zu-gelassenen kommunalen Trägern. Dabei stellte er fest:

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Drucksache 16/7100 – 246 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Die Grundsicherungsstellen wiesen den Beauftragtenhäufig innerhalb kurzer Zeit sehr viele erwerbsfähigeHilfebedürftige zu, ohne die jeweiligen Zuweisungs-gründe im Einzelfall zu nennen.

● Die Berichte der Beauftragten waren häufig nichtssa-gend. Die Grundsicherungsstellen nutzten diese seltenfür den weiteren Eingliederungsprozess.

● Einige Arbeitsgemeinschaften konnten den Beauftrag-ten kündigen, wenn deren Vermittlung erfolglos war.Keine dieser Arbeitsgemeinschaften machte von ih-rem Recht Gebrauch.

● Die Verträge mit den Beauftragten sahen eine Vergü-tung vor, die überwiegend nicht von einer erfolgrei-chen Vermittlung abhängig war.

● Die Grundsicherungsstellen werteten die Wirksam-keit und Wirtschaftlichkeit der Beauftragung von Drit-ten nicht systematisch aus. In bereits abgeschlossenenVerfahren hatten die beauftragten Dritten bisher kaumerwerbsfähige Hilfebedürftige vermittelt.

75.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Zu-weisungspraxis der Grundsicherungsstellen mit demGrundsatz der individuellen Förderung nach dem SGB IInicht vereinbar ist. Eine intensive Betreuung durch Drittesoll dazu dienen, die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen beidem Eingliederungsprozess zu unterstützen. Die Ein-schaltung eines Dritten muss für jeden Einzelfall begrün-det sein und sollte geeignet sein, erwerbsfähige Hilfebe-dürftige bei ihrer Eingliederung in den Arbeitsmarkteinen Schritt weiter zu bringen.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, erfolglose Be-auftragungen möglichst umgehend zu beenden. Im Inte-resse eines wirtschaftlichen Mitteleinsatzes sollten dieGrundsicherungsstellen die Leistung der Beauftragtenvorrangig erfolgsorientiert honorieren. Dies schafft zu-sätzlich einen wirksamen finanziellen Anreiz, möglichstviele Vermittlungen zu erzielen. Darüber hinaus solltendie Beauftragten detaillierte Berichte sowie Nachweiseüber die Vermittlungen vorlegen. Außerdem sollten dieGrundsicherungsstellen Kosten und Nutzen der Beauftra-

gung von Dritten systematisch auswerten und auf dieserGrundlage über künftige Beauftragungen entscheiden.

75.3Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Bundes-ministerium) hat darauf verzichtet, zu der Prüfungsmittei-lung Stellung zu nehmen, weil die Stellungnahme derBundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) mit ihm abge-stimmt sei. Es habe das zuständige Landesministerium alsAufsichtsbehörde eines zugelassenen kommunalen Trä-gers gebeten, die Mängel zu prüfen und „die erforderli-chen Veranlassungen zu treffen“. Ferner habe es begrüßt,dass ein zugelassener kommunaler Träger sein Verfahrenbei der Beauftragung Dritter neu organisiert habe. DasBundesministerium kündigte an, die ordnungsgemäßeMittelverwendung der betroffenen zugelassenen kommu-nalen Träger zu prüfen und ggf. weitere Schritte einzuleiten.Die Bundesagentur hat die bei den Arbeitsgemeinschaf-ten festgestellten Mängel eingeräumt. Sie gehe davon aus,dass die Arbeitsgemeinschaften anfängliche Problemeüberwunden und das Verfahren zur Beauftragung vonDritten mit der Vermittlung zwischenzeitlich verbesserthaben. Dies werde sie im Rahmen der Fachaufsicht undFührungsunterstützung prüfen. Sie habe den Arbeitsge-meinschaften bereits eine Arbeitshilfe als Grundlage fürörtliche Fachaufsichtskonzepte zur Verfügung gestellt.Von deren Führungskräften erwarte sie u. a., die indivi-duelle Zuweisung von Arbeit- und Ausbildungssuchen-den zu kontrollieren. Darüber hinaus solle die Erfüllungder vertraglichen Vereinbarungen durch die beauftragtenDritten regelmäßig überwacht werden. Für die systemati-sche Auswertung der Kontrollen mache sie die Geschäfts-führungen der Arbeitsgemeinschaften verantwortlich. DieVerdingungsunterlagen für die Beauftragung Dritter mitder Vermittlung habe sie inzwischen überwiegend aufeine erfolgsorientierte Vergütung ausgerichtet.

75.4

Der Bundesrechnungshof betrachtet die von den Grundsi-cherungsträgern getroffenen Vorkehrungen als geeignet,die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Beauftragungvon Dritten mit der Vermittlung zu verbessern. Er wirddie weitere Entwicklung beobachten.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung(Einzelplan 12)

76 Eisenbahninfrastrukturunternehmen darauf hingewiesen, dass Rechnungen des Eisenbahn-

zahlte Bundesmittel in Millionenhöhe zurück(Kapitel 1222)

76.0

Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes hatrund 10,8 Mio. Euro an den Bund zurückgezahlt. DerBundesrechnungshof hatte das Eisenbahn-Bundesamt

infrastrukturunternehmens fehlerhaft waren.

76.1

Der Bund finanziert Investitionen in die Schienenwegeseiner Eisenbahnen. Dafür schließt er mit Eisenbahninfra-strukturunternehmen (Unternehmen) Verträge. Die Unter-nehmen müssen nachweisen, wie sie die Bundesmittel

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 247 – Drucksache 16/7100

verwenden. Mittel, die nicht wie vertraglich vereinbartverwendet wurden, muss das Unternehmen mit Zinsen anden Bund zurückzahlen.

Ein besonderes Verfahren gilt für Teile der Investitionenin das bestehende Schienennetz. Ein Wirtschaftsprüferund das Eisenbahn-Bundesamt (Bundesamt) prüfen ge-meinsam anhand einer Stichprobe, ob die Mittel richtigverwendet wurden. Stellen sie dabei Fehler fest, wirdnach einem Berechnungsschlüssel der von dem Unterneh-men zurückzuzahlende Betrag errechnet.

76.2

Der Bundesrechnungshof untersuchte zusammen mit demPrüfungsamt des Bundes Stuttgart, wie das Bundesamtdie Verwendung von Bundesmitteln des Haushaltsjahres2001 prüfte. Der Wirtschaftsprüfer und das Bundesamthatten Mängel festgestellt. Das Bundesamt hat daraufhinentsprechend dem Verfahren Bundesmittel zurückgefor-dert.

Bei einer zur Stichprobe gehörenden Leistungsabrech-nung stellte der Bundesrechnungshof weitere, vom Bun-desamt zunächst nicht erkannte Unstimmigkeiten fest. Erhat das Bundesamt hierauf hingewiesen und angeregt,diese Abrechnung erneut zu überprüfen und ggf. zu Un-recht in Anspruch genommene Mittel zurückzufordern.

76.3

Das Bundesamt hat unter Mithilfe eines Baupreisprüfersdiese Abrechnung erneut und umfassend geprüft. Siestellten fest, dass für mit Bundesmitteln finanzierte Leis-tungen keine oder nicht ausreichend prüfbare Belege vor-liegen. Außerdem hatte das Unternehmen zulasten desBundes teils überhöhte Zuschläge sowie Rückstellungenabgerechnet. Das Bundesamt hat die zuviel gezahlten Be-träge hochgerechnet und zurückgefordert. Das Unterneh-men zahlte daraufhin rund 8,4 Mio. Euro zuzüglich2,4 Mio. Euro Zinsen zurück.

77 Eisenbahn-Bundesamt fordert 1,6 Mio. Euro zurück(Kapitel 1222)

77.0

Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen verwendete Bun-desmittel für die Folgen der Insolvenz eines beauftragtenBauunternehmens. Es hatte versäumt, sich von dem Bau-unternehmen die vertraglich vereinbarte Bürgschaft über1,6 Mio. Euro geben zu lassen. Nach Hinweisen des Bun-desrechnungshofes hat das Eisenbahn-Bundesamt 1,6 Mio.Euro von dem Eisenbahninfrastruk-turunternehmen zu-rückgefordert.

77.1

Der Bund finanziert Investitionen in die Schienenwegeseiner Eisenbahnen. Dafür schließt er mit Eisenbahninfra-strukturunternehmen (Unternehmen) Verträge. Das Eisen-

bahn-Bundesamt (Bundesamt) prüft die Anträge und dieVerwendung der Mittel.

Bei einer Baumaßnahme am Berliner Innenring vergabdas Unternehmen Bauleistungen über 28 Mio. Euro anein Bauunternehmen. Vor der Fertigstellung der verein-barten Leistung ging das Bauunternehmen in die Insol-venz.

Das Unternehmen beantragte daraufhin beim Bundesamtfür die Folgen der Insolvenz 5,9 Mio. Euro. Das Bundes-amt bewilligte 5,6 Mio. Euro unter der Bedingung, dasskein Anderer (Bürge, Versicherung) für den Schaden auf-kommt.

77.2

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung des Prü-fungsamtes des Bundes Hannover festgestellt, dass dasUnternehmen mit dem Bauunternehmen eine Vertrags-erfüllungsbürgschaft in Höhe von 1,6 Mio. Euro verein-bart hatte. Dies reduziert das finanzielle Risiko des Auf-traggebers für den Fall, dass das Bauunternehmen wegeneiner Insolvenz oder aus anderen Gründen das Bauwerknicht vertragsgemäß fertig stellt.

Das Unternehmen hat aber versäumt, sich die vertraglichvereinbarte Bürgschaft aushändigen zu lassen. Nach derInsolvenz konnte es deswegen die Vertragserfüllungs-bürgschaft über 1,6 Mio. Euro nicht in Anspruch nehmen.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesamt empfohlen,die 1,6 Mio. Euro von dem Unternehmen zurückzufor-dern.

77.3

Das Bundesamt hat daraufhin das Unternehmen aufgefor-dert, 1,6 Mio. Euro zurückzuzahlen. Der Bundesrech-nungshof wird die weitere Entwicklung beobachten.

78 Rückforderungen von 5 Mio. Euro nach Verstößen gegen die Förderrichtlinie Kombinierter Verkehr (Kapitel 1202 Titelgruppe 04)

78.0

Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion West hat die Ver-wendung von Zuwendungen für Umschlaganlagen für denKombinierten Verkehr nur unzureichend geprüft. Hin-weise des Bundesrechnungshofes auf zahlreiche Verstößegegen die einschlägige Förderrichtlinie veranlassten sie,von den Zuwendungsempfängern 5 Mio. Euro zurückzu-fordern. Die Direktion prüft noch die Rückforderung wei-terer 13 Mio. Euro.

78.1

Um einen wirkungsvollen Beitrag zur nachhaltigen Ent-lastung der Straßen vom Güterverkehr zu leisten, fördertder Bund den Kombinierten Verkehr. Beim Kombinierten

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Drucksache 16/7100 – 248 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Verkehr werden Güter nicht nur auf der Straße, sondernüber möglichst weite Strecken auch auf Schiene oderWasserstraßen befördert. Hierzu sind leistungsfähige Um-schlaganlagen erforderlich. Der Bund gewährt Hafenbe-treibern seit dem Jahre 1998 nach der FörderrichtlinieKombinierter Verkehr Zuwendungen für den Aus- undNeubau von Umschlaganlagen für Kombinierten Verkehrin den Binnen- und Seehäfen. Die Hafenbetreiber bean-tragen die Fördermittel bei der Wasser- und Schifffahrts-direktion West (Direktion). Diese prüft die Anträge undbewilligt die Zuwendungen mit der Verpflichtung, dieRegelungen der Förderrichtlinie einzuhalten. Die Direk-tion hat die zweckentsprechende und wirtschaftliche Ver-wendung der Zuwendungen zu prüfen. Bei schwerwie-genden Verstößen gegen die Förderrichtlinie hat sie dieFördermittel zurückzufordern.

78.2

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung des Prü-fungsamtes des Bundes Hannover festgestellt, dass dieDirektion die Verwendung der Zuwendungen unzurei-chend geprüft hat. Sie hat zahlreiche Verstöße von Zu-wendungsempfängern gegen die Förderrichtlinie nicht er-kannt. So hatte die Direktion nicht festgestellt, dassZuwendungsempfänger

● Zuwendungen vorzeitig und überhöht angefordert hat-ten,

● Vorschriften für die Ausschreibung und Vergabe vonBau- und Lieferleistungen verletzt hatten oder

● Bauarbeiten schon begonnen hatten.

Der Bundesrechnungshof hat dargelegt, wie die Direktionihre Arbeitsweise verbessern kann, und sie aufgefordert,bei Verstößen gegen die Förderrichtlinie die Zuwendun-gen zurückzufordern.

78.3

Die Direktion ist den Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes gefolgt. Sie hat die Verwendungsprüfung neuorganisiert und ist den Verstößen gegen die Förderricht-linie nachgegangen. Bisher hat die Direktion bereits Zu-wendungen in Höhe von 5 Mio. Euro zurückgefordert.Sie prüft noch, ob sie weitere 13 Mio. Euro zurückfordernkann.

79 Zentrale Bearbeitung der Statistik des Güterkraftverkehrs setzt Stellen frei

79.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung wird auf Empfehlung des Bundesrechnungs-hofes die Güterkraftverkehrsstatistik zukünftig allein

durch das Kraftfahrt-Bundesamt mit dort bereits vorhan-denem Personal erstellen lassen. Das Bundesamt für Gü-terverkehr wird von der Mitarbeit entlastet und kann diefrei werdenden Beschäftigten für neue Aufgaben einsetzen.

79.1

Das Bundesamt für Güterverkehr in Köln und das Kraft-fahrt-Bundesamt in Flensburg erstellen gemeinsam eine„Statistik der Verkehrsleistungen deutscher Lastkraftwa-gen“ (Güterkraftverkehrsstatistik). Sie dient u. a. der Vor-bereitung verkehrspolitischer Entscheidungen.

Die Daten für die Güterkraftverkehrsstatistik werdendurch eine Befragung ausgewählter LKW-Halter ermit-telt. Das Kraftfahrt-Bundesamt zieht dazu jährlich nachmethodischen Vorgaben des Statistischen Bundesamteseine Stichprobe von 195 000 Haltern aus dem zentralenFahrzeugregister. Die Fragebögen versendet es

1. an die Halter aus dem Bereich „Verkehr und Nachrich-tenübermittlung“ mit dem Absender „Bundesamt fürGüterverkehr“,

2. an die übrigen Halter mit dem Absender „Kraftfahrt-Bundesamt“.

Für die befragten Fahrzeughalter besteht Auskunfts-pflicht.

Die weitere Bearbeitung erledigen beide Behörden paral-lel entsprechend der Absenderangabe. Sie überwachen je-weils den Eingang der Fragebögen. Bei ausbleibendenFragebögen leiten sie ein Mahnverfahren ein und veran-lassen ggf. ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. Die einge-henden Fragebögen erfassen die Beschäftigten in beidenBehörden per Scanner und übertragen die Daten in eineDatenbank. Fragebögen, die der Scanner nicht korrektverarbeitet, bearbeiten sie manuell nach.

Beide Behörden nutzen für die Datenerfassung die glei-che Software desselben externen Anbieters. Die Anforde-rungen an die Arbeit der Beschäftigten und die dafür er-forderlichen Fachkenntnisse sind in beiden Behördenweitgehend gleich. Die Personalausstattung für die Güter-kraftverkehrsstatistik umfasst

● im Bundesamt für Güterverkehr sechs Dienstpostenfür 66 000 Fragebögen,

● im Kraftfahrt-Bundesamt 20 Dienstposten für129 000 Fragebögen.

Das Bundesamt für Güterverkehr übermittelt die von ihmerfassten Daten an das Kraftfahrt-Bundesamt. Dieses er-stellt hieraus die Güterkraftverkehrsstatistik des nationa-len Verkehrs und übernimmt den Datenaustausch mit demStatistischen Büro der Europäischen Kommission(EUROSTAT). Auf der Basis der Datensätze aller EU-Staaten erstellt das Kraftfahrt-Bundesamt anschließendeine Güterkraftverkehrsstatistik des internationalen Ver-kehrs für Deutschland.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 249 – Drucksache 16/7100

79.2

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung des Prü-fungsamtes des Bundes Hamburg das Erstellen der Güter-kraftverkehrsstatistik geprüft. Er hat festgestellt, dass dieBeschäftigten in Kraftfahrt-Bundesamt und Bundesamtfür Güterverkehr sehr unterschiedlich ausgelastet sind.Die Aufteilung der Arbeit auf zwei Behörden verursachtunnötigen Verwaltungsaufwand.

Der Bundesrechnungshof hat deshalb dem Bundesministe-rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundesminis-terium) empfohlen,

● die Erstellung der Güterkraftverkehrsstatistik ohne zu-sätzliches Personal beim Kraftfahrt-Bundesamt zuzentralisieren,

● die beim Bundesamt für Güterverkehr frei werdendenDienstposten kostenneutral gegen entsprechend weni-gere höherwertige zu tauschen und

● die neuen Dienstposten für übergreifende Auswertun-gen vorhandener Statistiken, für die Entwicklung derin den Anfängen befindlichen Mautstatistik und fürdie Vergabe und Bewertung der extern erstellten mit-telfristigen Verkehrsprognose zu nutzen.

79.3

Das Bundesministerium will den Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes folgen. Das Kraftfahrt-Bundesamt wirddie Güterkraftverkehrsstatistik künftig ohne Mitarbeit desBundesamtes für Güterverkehr erstellen. Das Bundesamtfür Güterverkehr wird die hierdurch eingesparten Dienst-posten nutzen, um verstärkt neue Aufgaben in der Ver-kehrsstatistik zu übernehmen.

80 28 Mio. Euro bei Verkehrsbeein-flussungsanlagen eingespart(Kapitel 1210)

80.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung hat auf Empfehlung des Bundesrechnungshofesauf den Bau nicht notwendiger Verkehrsbeeinflussungs-anlagen auf Bundesautobahnen verzichtet. Außerdem hates in mehreren Fällen die Anzahl der geplanten Verkehrs-zeichenbrücken verringert. Hierdurch wurden mindestens28 Mio. Euro eingespart.

80.1

Verkehrsbeeinflussungsanlagen informieren die Verkehrs-teilnehmer mit variablen Anzeigen auf Verkehrszeichen-brücken frühzeitig über die aktuelle Verkehrssituation unddie daran angepasste zulässige Höchstgeschwindigkeit. Sieverbessern so auf überlasteten Autobahnabschnitten denVerkehrsfluss und erhöhen die Verkehrssicherheit. Ver-kehrsbeeinflussungsanlagen sind bundesweit nach ein-heitlichen Richtlinien zu planen und zu betreiben.

Verkehrszeichenbrücke

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) plante, in den Jahren2002 bis 2007 für 200 Mio. Euro Anlagen zur Verkehrs-beeinflussung auf Bundesautobahnen errichten zu lassen.Die Planung und Ausführung obliegt den Straßenbauver-waltungen der Länder. Der Bundesrechnungshof hat zu-sammen mit dem Prüfungsamt des Bundes Köln diePlanungen von neun Anlagen mit geschätzten Gesamt-baukosten von 67 Mio. Euro geprüft.

80.2

80.2.1

Die Straßenbauverwaltungen der Länder planten ab demJahre 2002 neue Verkehrsbeeinflussungsanlagen u. a. auffolgenden Bundesautobahnen:

● auf der A 5 zwischen dem Autobahnkreuz Darmstadtund der Landesgrenze Hessen/Baden-Württembergbei Heppenheim,

● auf der A 7 bei Kassel,

● auf der A 24 zwischen dem Autobahndreieck Havel-land und der Anschlussstelle Herzsprung und

● auf der A 27 zwischen den Anschlussstellen Ihlpohlund Achim-Nord.

Gleichzeitig zur Planung der Anlagen bauten die Straßen-bauverwaltungen diese Autobahnabschnitte von vier aufsechs bzw. von sechs auf acht Fahrstreifen aus oder beab-sichtigten dies zu tun. Die Notwendigkeit der Verkehrs-beeinflussungsanlagen begründeten sie jedoch mit Ver-kehrsdaten, die auf dem ursprünglichen vier- bzw.sechsstreifigen Ausbauzustand der Autobahnen beruh-ten. Die Erweiterung um zwei zusätzliche Fahrstreifenverbessert den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheitauf diesen Autobahnabschnitten erheblich. Der Bundes-

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Drucksache 16/7100 – 250 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

rechnungshof hat daher empfohlen, auf die Verkehrs-beeinflussungsanlagen zu verzichten.

80.2.2

Die Straßenbauverwaltung des Landes Brandenburgplante ab dem Jahre 2003 beim Neubau der Bundesauto-bahn A 113/A 113n eine Verkehrsbeeinflussungsanlagevon der Landesgrenze Berlin/Brandenburg bis zum Auto-bahnkreuz Schönefeld. Das neue Autobahnteilstück süd-lich von Berlin ist für die in 15 Jahren erwartete Ver-kehrsmenge bemessen. Hierbei ist schon berücksichtigt,dass der Verkehr nach Inbetriebnahme des neuen Groß-flughafens Berlin-Brandenburg-International stark zuneh-men wird. Der Bundesrechnungshof hat es daher für nichtnotwendig gehalten, bereits beim Neubau der Bundes-autobahn A 113/A 113n eine Anlage zur Verkehrsbeein-flussung zu errichten.

80.2.3

Nach den Richtlinien des Bundesministeriums über diePlanung und den Betrieb von Verkehrsbeeinflussungsan-lagen soll der Regelabstand zwischen Verkehrszeichen-brücken 1 500 m bis 2 500 m betragen. Ausnahmen sindunter bestimmten Voraussetzungen zulässig, z. B. beidichter Folge von Anschlussstellen oder unübersichtli-cher Streckenführung. Verkehrszeichenbrücken kosten jenach Breite der Autobahn zwischen 60 000 Euro und80 000 Euro.

Die Straßenbauverwaltungen sahen bei mehreren Ver-kehrsbeeinflussungsanlagen zwischen den Verkehrszeichen-brücken durchgängig Abstände von nur 700 m bis 1 300 mvor.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, zwischen den Verkehrszeichenbrücken nurbei begründeten Ausnahmen geringere als die Regelab-stände zuzulassen.

80.3

Das Bundesministerium ist den Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes gefolgt. Es hat auf die nicht notwendi-gen Verkehrsbeeinflussungsanlagen verzichtet und dieAbstände zwischen den Verkehrszeichenbrücken in meh-reren Fällen vergrößert. Hierdurch sind mindestens28 Mio. Euro eingespart worden.

81 Erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Obersten Kontrollamt der Tschechi-schen Republik bei der Prüfung der Autobahn Prag–Dresden

81.0

Der Bundesrechnungshof und das Oberste Kontrollamtder Tschechischen Republik haben ihre Prüfungen desBaus der Autobahn Prag–Dresden koordiniert. Die abge-

stimmte Methodik der Prüfungen ermöglichte erstmals ei-nen umfassenden Austausch von Daten über Baukostenvon Brücken und Tunneln. Auf dieser Grundlage konntendie beiden Obersten Rechnungskontrolleinrichtungen dennationalen Straßenbaubehörden neben den landesspezifi-schen Feststellungen übereinstimmende Empfehlungenfür einen wirtschaftlichen Brückenbau geben.

81.1

Die Autobahn Prag–Dresden verläuft in der Tschechi-schen Republik über 92 km als D 8 von Prag überÚstí nad Labem bis zur tschechisch-deutschen Staats-grenze. In Deutschland führt die Autobahn mit einerLänge von 45 km als Bundesautobahn A 17 von derGrenze bis nach Dresden. Eine gemeinsam finanzierteGrenzbrücke verbindet diese beiden Abschnitte. Die Auto-bahn ist bis auf einen 16 km langen Abschnitt im Böhmi-schen Mittelgebirge seit Ende 2006 in Betrieb. Der Bauder deutschen A 17 kostete 670 Mio. Euro. Der 23 kmlange Abschnitt der tschechischen D 8 zwischen derGrenze und Ústí nad Labem kostete 690 Mio. Euro.

Die Obersten Rechnungskontrolleinrichtungen der Bun-desrepublik Deutschland und der Tschechischen Repu-blik, Bundesrechnungshof und Nejvyšší kontrolní úřad(NKÚ), vereinbarten im Januar 2006, ihre jeweiligen Prü-fungen des Baus der Autobahn Prag–Dresden zu koordi-nieren und sich bei den nationalen Prüfungsaufgaben ge-genseitig zu unterstützen. Die wichtigsten Gründe für dieZusammenarbeit waren:

● Auf der Grundlage eines Staatsvertrags oblagen Pla-nung und Bau der Grenzbrücke der tschechischenSeite. Die Bundesrepublik Deutschland finanzierte dieGrenzbrücke zu 42 %, sodass der Bundesrechnungs-hof ein besonderes Interesse an der Prüfung dieserAusgaben hatte.

● Die beiden Obersten Rechnungskontrolleinrichtungenwollten die Baukosten der Brücken und Tunnel län-derübergreifend vergleichen und auswerten. Der NKÚwar besonders daran interessiert, Ursachen für die vonihm vermuteten höheren Baukosten auf tschechischerSeite zu finden.

81.2

Um vergleichbare Daten zu erhalten, erarbeiteten Bun-desrechnungshof und NKÚ eine einheitliche Methodikzur Prüfung der Brücken- und Tunnelkosten. Ihr Ziel warein internationaler Kostenvergleich auf breiter statisti-scher Basis. Die in den jeweiligen Ländern erhobenenDaten werteten sie gemeinsam aus. Die Analyse zeigte,dass die Brücken der tschechischen D 8 im Durchschnittteurer waren als die der deutschen A 17. Als besondersteuer erwies sich die Grenzbrücke. Betonbrücken warenbilliger als Stahl- oder Stahlverbundbrücken. Die tsche-chischen Tunnel kosteten ungefähr doppelt so viel wievergleichbare deutsche Tunnel.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 251 – Drucksache 16/7100

Bundesrechnungshof und NKÚ ermittelten folgende Ur-sachen, die zu den höheren Kosten in der TschechischenRepublik beitrugen:

● Bei den Brücken der tschechischen D 8 gab es einegrößere Vielfalt von Brückenkonstruktionen als beidenen der deutschen A 17.

● Die tschechische Straßenbaubehörde vergab bevor-zugt ganze Autobahnabschnitte einschließlich derBrücken an einen Generalunternehmer, während inDeutschland Bauaufträge für Brücken überwiegendgesondert ausgeschrieben werden. Die Vergabe an Ge-neralunternehmer schränkte den Wettbewerb ein, damittelständische Unternehmen sich nur um die Ver-gabe kleinerer Aufträge bewerben können.

● Der Wettbewerb bei Tunnelbauten war in der Tsche-chischen Republik nach Auffassung des NKÚ zumZeitpunkt der Vergabe noch unterentwickelt.

Beim Bau der Grenzbrücke führten insbesondere unklareWertungskriterien bei der Auswahl des künftigen Auf-tragnehmers zur Anfechtung der Vergabeentscheidung.Dies machte ein Nachprüfungsverfahren erforderlich, dasschließlich eine erhebliche Verzögerung bei der Auftrags-vergabe zur Folge hatte. Um den vereinbarten Fertigstel-lungstermin halten zu können, beauftragte die tschechi-sche Straßenbaubehörde zusätzliche Leistungen zurBeschleunigung der Bauarbeiten. Sie vergab die Aufträgehierfür, ohne zunächst feste Preise zu vereinbaren. Für dieBeschleunigungsmaßnahmen entstanden Mehrkosten inHöhe von etwa 5,9 Mio. Euro. Die vorläufigen Gesamt-kosten für die Grenzbrücke beliefen sich bis Oktober2006 auf 25,9 Mio. Euro.

Quelle: DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH

Der Vergleich des in der Tschechischen Republik bei derAusschreibung und Vergabe der Grenzbrücke angewand-ten Verfahrens mit den deutschen Vergabevorschriftenzeigte gravierende Unterschiede auf. Diese bestanden ins-besondere bei der Qualität der Wertungskriterien sowieden Verfahren zur Prüfung und Wertung der Angebote.Allerdings war die Tschechische Republik zu jener Zeitnoch nicht Mitglied der EU und deshalb nicht an die An-wendung des europäischen Vergaberechts gebunden. Die

europäischen Vergabevorschriften sind inzwischen intschechisches Recht umgesetzt.

Die in ihrem jeweiligen Land getroffenen Prüfungsfest-stellungen teilten Bundesrechnungshof und NKÚ unab-hängig voneinander den Straßenbaubehörden ihrer Län-der mit. Darüber hinaus haben sie den nationalenStraßenbaubehörden auf der Grundlage der koordiniertenPrüfungen übereinstimmend empfohlen,

● die Brückenkonstruktionen zu standardisieren und

● Stahlverbundbrücken und Brücken mit Sonderkon-struktionen nur dort auszuführen, wo Spannbetonbrü-cken unzweckmäßig sind.

81.3

Die bei der Prüfung der Autobahn Prag–Dresden vonBundesrechnungshof und NKÚ erreichten Ergebnissesind nur durch die Zusammenarbeit der beiden OberstenRechnungskontrolleinrichtungen möglich gewesen. Diemit einheitlicher Methodik durchgeführten Prüfungen ha-ben erstmals einen umfassenden Austausch von Datenüber Baukosten von Brücken und Tunneln ermöglicht.Bundesrechnungshof und NKÚ werden diesen internatio-nalen Kostenvergleich bei ihrer zukünftigen Arbeit nutz-bringend verwerten können.

Bundesrechnungshof und NKÚ sind daran interessiert,ihre Zusammenarbeit, z. B. bei Prüfungen mit Schwer-punkt auf dem Vergaberecht, fortzusetzen. Über ihr Vor-gehen bei der Prüfung der Autobahn Prag–Dresden habensie einen gemeinsamen Bericht veröffentlicht, der auchim Internet unter www.bundesrechnungshof.de verfügbarist.

82 Neue gesetzliche Regelung soll künftig Leistungsmissbrauch beim Wohngeld verhindern(Kapitel 1225 Titel 632 01)

82.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung will im neuen Wohngeldgesetz die gesetzlichenGrundlagen dafür schaffen, dass automatisch Daten zwi-schen den Wohngeldstellen und der Minijob-Zentraleausgetauscht werden können. Dadurch können die Wohn-geldstellen dem vom Bundesrechnungshof aufgedecktenLeistungsmissbrauch beim Wohngeld künftig wirksamerbegegnen.

82.1

82.1.1

Die Leistungen nach dem Wohngeldgesetz werden u. a.danach gewährt, welches Gesamteinkommen alle zumHaushalt rechnenden Familienmitglieder erzielen. Verän-dert sich das Gesamteinkommen der Familienmitglieder,

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Drucksache 16/7100 – 252 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ist der Antragsteller des Wohngeldes verpflichtet, dieseÄnderungen gegenüber der Wohngeldstelle anzugeben.

Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens sind auchEinnahmen aus geringfügiger Beschäftigung, den Mini-jobs, zu berücksichtigen. Bei einem Minijob darf der Ver-dienst nicht über 400 Euro im Monat liegen. Alle Mini-jobs müssen der Minijob-Zentrale gemeldet werden, diebei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See eingerichtet ist.

Das Einkommen kann festgestellt werden durch Vorlageeiner Verdienstbescheinigung, der Lohnsteuerbescheini-gung des Arbeitgebers oder des Einkommensteuerbe-scheids. Bei einem Minijob kann der Arbeitgeber einepauschalierte Lohnsteuer an die Minijob-Zentrale entrich-ten. In diesen Fällen wird der Lohn des Minijobs nicht aufder Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesen. Wird der Mini-job gegenüber den Wohngeldstellen verschwiegen undkeine Verdienstbescheinigung vorgelegt, geht aus einerLohnsteuerbescheinigung oder einem Einkommensteuer-bescheid nicht hervor, dass der Arbeitnehmer einem Mi-nijob nachgeht.

Die Wohngeldstellen sind deshalb ausschließlich auf diewahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben der An-tragsteller angewiesen oder müssten eine Möglichkeit ha-ben, bei der Minijob-Zentrale nachzufragen. Dafür fehltebisher aber die gesetzliche Grundlage. Werden Einnah-men aus Minijobs verschwiegen, führt dies in aller Regelzu überhöhten Wohngeldzahlungen.

82.1.2

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006, ob dieAntragsteller in ihren Wohngeldanträgen angegeben hat-ten, ob sie Einnahmen aus Minijobs erzielt haben. Hierzuverglich er die Daten der Wohngeldbezieher mit Datender Minijob-Zentrale.

Dabei stellte er in einer Stichprobe fest, dass die Antrag-steller in mehr als der Hälfte aller geprüften Fälle ihre

Einkünfte aus Minijobs nicht angegeben hatten. Rechnetman diese Fälle auf die Gesamtzahl aller Wohngeldfällehoch, würden jährlich in mehr als 40 000 WohngeldfällenEinnahmen aus Minijobs verschwiegen. Bund und Län-der, die das Wohngeld jeweils zur Hälfte finanzieren,würden dann unberechtigt 20 Mio. Euro an Wohngeldauszahlen.

82.2

Angesichts dieser finanziellen Größenordnung für die öf-fentliche Hand hat der Bundesrechnungshof empfohlen,im Wohngeldgesetz eine gesetzliche Regelung zu schaf-fen, die einen regelmäßigen automatisierten Abgleich derWohngelddaten mit den Daten der Minijob-Zentrale zu-lässt. Die Wohngeldstellen könnten dann unabhängig vonden Angaben der Antragsteller überprüfen, ob Familien-mitglieder Einnahmen aus Minijobs erzielen.

82.3

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung ist der Empfehlung des Bundesrechnungshofesgefolgt und hat in der Novellierung zum Wohngeldgesetzeine entsprechende Regelung zum automatisierten Daten-abgleich aufgenommen. Das neue Wohngeldgesetz sollzum 1. Januar 2008 in Kraft treten.

82.4

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass die Wohngeld-stellen den Datenabgleich nutzen. Er geht davon aus, dassmit dem Datenabgleich unberechtigte Wohngeldzahlun-gen verhindert werden können. Den Leistungsempfän-gern wird zunehmend bewusst, dass sie wohngeldrele-vante Einnahmen nicht verschweigen können. Mit demautomatisierten Datenabgleich werden die Wohngeldstel-len unabhängig von den Angaben der Antragsteller prü-fen können, ob Familienmitglieder Minijobs nachgehen.

Bundesministerium der Verteidigung(Einzelplan 14)

83 Bundesministerium verschärft die Klimaanlage aus. Dafür wurde die dringend erforderli-

Kontrolle des Bauunterhalts(Kapitel 1412)

83.0

Das Bundesministerium der Verteidigung hat auf Hinweisdes Bundesrechnungshofes dafür gesorgt, dass künftig dieVerwendung von Haushaltsmitteln für den Bauunterhaltbesser überwacht wird. Ein Bundeswehrdienstleistungs-zentrum stattete in Absprache mit einer militärischenDienststelle die Diensträume des Kommandeurs mit einer

che Sanierung 30 Jahre alter Sanitärräume zurückge-stellt. Der Einbau der Klimaanlage im Rahmen des Bau-unterhalts verstieß gegen einschlägige Vorschriften.

83.1

Im Auftrag des Bundesrechnungshofes untersuchen Prü-fungsämter des Bundes u. a. die Wirtschaftlichkeit undOrdnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns von Dienst-stellen und Truppenteilen der Bundeswehr auf Ortsebene.Schwerpunkt ist die Qualität des Verwaltungshandelns,

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 253 – Drucksache 16/7100

z. B. beim Bauunterhalt. Dabei stellte das Prüfungsamtdes Bundes Köln einen besonders prägnanten Verstoß ge-gen einschlägige Vorschriften fest:

Eine militärische Dienststelle beantragte im Sommer2006 eine Klimaanlage für die Diensträume ihres Kom-mandeurs. Sie verwies auf den Besuch einer italienischenDelegation und führte zur Begründung lediglich aus: „Inallen drei Räumen herrschten aufgrund der derzeitigenhochsommerlichen Temperaturen ständig über 40 GradRaumtemperatur, welche die Besprechung und die Dis-kussion nahezu unmöglich machten. Selbst der italieni-sche General hatte Probleme mit der herrschenden Raum-temperatur.“

Binnen vier Tagen verständigte sich das zuständige Bundes-wehrdienstleistungszentrum mit der militärischen Dienst-stelle unter persönlicher Beteiligung des Kommandeursdarauf, die Klimaanlage im Rahmen des Bauunterhaltszeitnah einzubauen. Die beteiligten Stellen verabredeten,hierfür die für das Jahr 2006 geplante Sanierung vonmehr als 30 Jahre alten Sanitärbereichen in der Kasernezurückzustellen. Die Klimaanlage wurde Anfang 2007eingebaut und kostete rund 26 000 Euro. Dieser Betragentsprach nahezu 40 % der zu diesem Zeitpunkt für denBauunterhalt in der gesamten Liegenschaft für das lau-fende Jahr eingeplanten Haushaltsmittel. Die Sanitärbe-reiche blieben bis ins Jahr 2007 hinein unverändert.

83.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassder Einbau der Klimaanlage im Rahmen des Bauunter-halts gegen geltende Vorschriften verstieß. Der Bauunter-halt umfasst grundsätzlich nur substanzerhaltende Arbeiten,nicht aber solche mit Investitionscharakter. Insbesondereim Hinblick auf den schlechten baulichen Zustand vielerKasernen hat der Bundesrechnungshof das pflichtwidrigeVerhalten der handelnden Personen als wenig vorbildlichkritisiert. Die dort vorhandenen baulichen Mängel hatteauch der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages inseinem Jahresbericht 2006 angesprochen und auf dienachteiligen Folgen für Gesundheit und Motivation derSoldatinnen und Soldaten hingewiesen.

83.3

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat die fehlerhafte Rechtsanwendung eingeräumtund umgehend reagiert. So hat es insbesondere

● die Klimaanlage aus den Diensträumen des Komman-deurs entfernen lassen, um sie anderweitig ordnungs-gemäß zu verwenden,

● alle aktuell in der militärischen Dienststelle vorgese-henen Maßnahmen des Bauunterhalts bis auf Weiteresunter Genehmigungsvorbehalt gestellt,

● den Kommandeur aufgefordert, Prioritätenlisten fürdie in den nächsten beiden Jahren vorgesehenen Maß-

nahmen des Bauunterhalts zur Entscheidung vorzule-gen, und

● die zuständige Wehrbereichsverwaltung beauftragt,Regressansprüche des Bundes zu prüfen.

Über den Einzelfall hinaus hat das Bundesministeriumdafür gesorgt, dass künftig besser überwacht wird, wiedie Haushaltsmittel für den Bauunterhalt verwendet wer-den. Es hat alle Wehrbereichsverwaltungen angewiesen,die Bundeswehrdienstleistungszentren noch einmal aus-führlich über die richtige Anwendung der Vorschriften zubelehren. Zudem hat es sie darauf hingewiesen, die in denPrioritätenlisten festgelegte Reihenfolge der Bauunter-haltsmaßnahmen einzuhalten.

83.4

Der Bundesrechnungshof sieht in der schnellen Reaktiondes Bundesministeriums einen wichtigen Schritt, mitHilfe der Wehrbereichsverwaltungen das Verwaltungs-handeln der Bundeswehrdienstleistungszentren zu ver-bessern.

84 ÖPP-Projekt HERKULES: Ausschluss geeigneter Handlungsalternativen künftig erst nach Wirtschaftlichkeits-untersuchung(Kapitel 1404 Titelgruppe 56 Titel 532 56)

84.0

Das Bundesministerium der Verteidigung will künftig beiProjekten, die für eine Öffentlich-Private-Partnerschaftgeeignet sind, Handlungsalternativen nicht ausschließen,bevor Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vorliegen. So istgewährleistet, dass es sowohl bei Fortführung des Pro-jektes HERKULES als auch bei weiteren Projekten alleHandlungsalternativen hinsichtlich Kosten, Nutzen undRisiken bewertet, bevor Entscheidungen fallen.

84.1

In dem Projekt HERKULES arbeitet das Bundesministe-rium der Verteidigung (Bundesministerium) auf dem Ge-biet der Informationstechnik mit der Industrie zusammen.Das Bundesministerium gründete im Rahmen dieser Öf-fentlich-Privaten-Partnerschaft (ÖPP) eine IT-Gesellschaft,die erhebliche Teile der Informationstechnik der Bundes-wehr kostengünstig und zeitgerecht modernisieren undbereitstellen soll. Mehrheitsgesellschafter in diesem Koope-rationsmodell ist ein industrieller Partner. Der Vertrag miteinem Auftragswert von rund 7 Mrd. Euro sieht vor, dassder Bund die Geschäftsanteile des industriellen Partnersnach einer Laufzeit von zehn Jahren gegen eine Ab-schlusszahlung erwirbt.

Im Jahre 2001 hatte das Bundesministerium die ÖPP aus-geschrieben. Bereits im Vergabeverfahren hatte es festge-legt, dass die Investitionen für die angestrebte Moderni-

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Drucksache 16/7100 – 254 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sierung der Informationstechnik privat vorfinanziertwerden sollten. Der Bundeshaushalt sollte während derLaufzeit des Vertrages nur mit jährlich gleichbleibendenZahlungen belastet werden. Nach Abschluss der Vertrags-verhandlungen legte das Bundesministerium im Jahre2006 eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vor. Diese hatder Bundesrechnungshof geprüft und Folgendes festge-stellt:

● Das Bundesministerium stellte dem Kooperationsmo-dell ein „Behördenmodell“ gegenüber, bei dem dieBundeswehr die IT-Leistungen selbst erbracht bzw.einzeln vergeben hätte. Unter der im Vergabeverfahrenvorgegebenen Bedingung einer jährlich gleichbleiben-den Belastung des Bundeshaushalts untersuchte es diemit beiden Modellen verbundenen Kosten, Nutzenund Risiken. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dervorab festgelegten Rahmenbedingungen hatte es vorBeginn des Vergabeverfahrens nicht bewertet.

● Zum Zeitpunkt der Wirtschaftlichkeitsuntersuchunggab es nach diesen Rahmenbedingungen zum Koope-rationsmodell keine realistische Alternative mehr.

● Im Vergleich zum Behördenmodell sind mit dem Ko-operationsmodell Mehrausgaben von mindestens360 Mio. Euro verbunden. Die Wirtschaftlichkeitsun-tersuchung gelangte zu dem Ergebnis, dass das Ko-operationsmodell ein günstigeres Kosten-Nutzen-Ver-hältnis aufwies. Das Bundesministerium stützte diesesErgebnis insbesondere darauf, dass durch die privateVorfinanzierung die Leistungen früher als beim Be-hördenmodell genutzt werden können.

● Aufgrund des dargestellten Kosten-Nutzen-Vorteilssowie eines besseren Risikoprofils des Kooperations-modells verzichtete das Bundesministerium auf einevertiefte Risikoanalyse.

84.2

Der Bundesrechnungshof hat die Aussagekraft der Wirt-schaftlichkeitsuntersuchung kritisch bewertet. Das Bundes-ministerium hat diese erst zu einem Zeitpunkt vorgelegt,als vorab getroffene Festlegungen einen ergebnisoffenenVergleich aller geeigneten Handlungsalternativen nichtmehr zuließen. Die Möglichkeit, durch private Vorfinan-zierung die geplanten IT-Maßnahmen schnell umzuset-zen, führte im Kooperationsmodell zu einer hohen Nut-zenbewertung. Die für dieses Modell notwendigemehrjährige Vorbereitungszeit hat das Bundesministe-rium nicht berücksichtigt.

Bei einer möglichen weiteren Vertragsperiode des Projek-tes HERKULES sollte das Bundesministerium die aufge-zeigten Probleme vermeiden. Hierzu hat der Bundesrech-nungshof empfohlen,

● anhand festzulegender Kriterien begleitend zu evaluie-ren, ob die Ziele der ÖPP auf wirtschaftliche Weise er-reicht werden,

● dabei angesichts der erwarteten schnellen Umsetzungder Planungen insbesondere darauf zu achten, ob dieGesellschaft ihre Leistungen zeitgerecht erbringt, so-wie

● auf der Grundlage einer ergebnisoffenen Wirtschaft-lichkeitsuntersuchung drei Jahre vor Ablauf des Ver-trages das weitere Vorgehen festzulegen.

Darüber hinaus hat der Bundesrechnungshof angeregt,die bei Vertragsablauf vorgesehene Abschlusszahlungvon etwa 95 Mio. Euro rechtzeitig in die Haushalts- undFinanzplanung des Bundes einzubeziehen, um zu vermei-den, dass erneut eine private Vorfinanzierung notwendigwird.

Wegen der besonderen Bedeutung des Projektes HER-KULES für weitere ÖPP-Projekte hat der Bundesrech-nungshof darauf hingewiesen, dass künftig Wirtschaft-lichkeitsuntersuchungen durchzuführen sind, bevorFestlegungen zur Finanzierung getroffen und Vergabever-fahren eingeleitet werden. Auf diese Weise kann die wirt-schaftliche Handlungsalternative rechtzeitig ermittelt undausgewählt werden.

84.3

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hatdas Bundesministerium aufgefordert, die Empfehlungendes Bundesrechnungshofes umzusetzen und hierüber zuberichten. Das Bundesministerium hat dies zugesagt undwill künftig auch bei weiteren Projekten, die für eine ÖPPgeeignet sind, die möglichen Handlungsalternativenrechtzeitig und umfassend auf ihre Wirtschaftlichkeit un-tersuchen.

Der Bundesrechnungshof wird die Angelegenheit weiterverfolgen.

85 Bundeswehr verzichtet auf die Beschaffung von Zubehör für das Transportfahrzeug MULTI(Kapitel 1415)

85.0

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes hat die Bun-deswehr davon abgesehen, weiteres Zubehör für das Trans-portfahrzeug MULTI zu beschaffen. Sie spart dadurch16,8 Mio. Euro.

85.1

Die Bundeswehr setzt seit dem Jahre 1996 das Transport-fahrzeug MULTI (Mechanisierte Umschlag-, Lager- undTransport-Integration) ein.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 255 – Drucksache 16/7100

(Quelle: Bundeswehr)Transportfahrzeug MULTI

Zu jedem Fahrzeug gehören Zubehörsätze aus Pritschen,Planen und Ausstattung zum Sichern der Ladung. DieBundeswehr hielt von Anfang an fünf Zubehörsätze jeFahrzeug für erforderlich, stattete jedoch nicht alle Fahr-zeuge im vollen Umfang aus. Die Bundeswehr verfügt in-zwischen über 358 Fahrzeuge MULTI. Im Jahre 2006schloss sie einen Vertrag über die Beschaffung weiterer157 Fahrzeuge. Sie plante, das aus ihrer Sicht fehlendeZubehör für die vorhandenen Fahrzeuge nachzubestellen.Neue Fahrzeuge wollte sie unmittelbar mit jeweils fünfZubehörsätzen ausstatten.

Der Bundesrechnungshof prüfte die Beschaffung desTransportfahrzeuges MULTI mit Unterstützung des Prü-fungsamtes des Bundes Koblenz. Dabei stellte er fest,dass Truppenteile im Inland mit weniger Zubehör aus-kommen.

85.2

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Zahl der Zu-behörsätze zu überdenken, zunächst keine neuen Sätze zukaufen und bis dahin den vorhandenen Bestand effektivzu nutzen.

85.3

Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Anre-gungen des Bundesrechnungshofes aufgegriffen. Für die157 neuen Fahrzeuge will es kein Zubehör beschaffen,sondern auf den Bestand zurückgreifen. Dadurch nutzt dieBundeswehr den Bestand an Zubehör effektiver und spartim Vergleich zu ihrer ursprünglichen Planung 16,8 Mio.Euro.

86 Bundeswehr verzichtet auf den Kauf von fünf Anlagen zum Befüllen und Reinigen von Kraftstoffkanistern(Kapitel 1417)

86.0

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes verzichtet dieBundeswehr auf die Beschaffung von fünf Anlagen zum

Befüllen und Reinigen von Kraftstoffkanistern. Sie spartdadurch rund 3 Mio. Euro.

86.1

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes München, wiesich die Bundeswehr mit Benzin und anderen Betriebs-stoffen versorgt. Dabei stellte er fest, dass sie kein aus-reichendes Konzept über die Betriebsstoffversorgunghatte. Die Bundeswehr wusste zum Beispiel nicht genau,wie viele Kraftstoffkanister sie künftig noch benötigt. Be-reits im Jahre 2005 waren etwa 100 000 Kraftstoffkanis-ter im Wert von rund 2,1 Mio. Euro überflüssig. Das waretwa jeder dritte von der Bundeswehr bevorratete Kanis-ter. Dennoch beabsichtigte sie, zehn Anlagen zum Befül-len und Reinigen von Kraftstoffkanistern zu kaufen.

86.2

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Verteidigung (Bundesministerium) empfohlen, vorder Beschaffung der Anlagen zunächst ein Konzept überdie Versorgung mit Betriebsstoffen zu erarbeiten.

86.3

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, dass es im April2006 die Teilkonzeption „Betriebsstoffversorgung derBundeswehr“ in Kraft gesetzt habe. Demnach benötigedie Bundeswehr nur fünf Anlagen zum Befüllen und Rei-nigen von Kraftstoffkanistern. Im Jahre 2010 werde derBedarf neu geprüft.

86.4

Der Bundesrechnungshof sieht in der konzeptionellen Ar-beit der Bundeswehr einen wichtigen Schritt hin zu einerwirtschaftlichen Versorgung mit Betriebsstoffen. Durchden Verzicht auf den Kauf von fünf Anlagen zum Befül-len und Reinigen von Kraftstoffkanistern spart die Bun-deswehr rund 3 Mio. Euro.

87 Bundeswehr verringert Anzahl der Sanitätsfahrzeuge erheblich(Kapitel 1415)

87.0

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes hat die Bun-deswehr damit begonnen, ihren Bestand an Sanitätsfahr-zeugen deutlich zu verringern. Sie spart dadurch jährlichrund 1,2 Mio. Euro an Betriebskosten ein. Darüberhinaus will sie die teure Typenvielfalt der Sanitätsfahr-zeuge reduzieren und auf die Beschaffung von Lastkraft-wagen im Wert von 54 Mio. Euro verzichten.

87.1

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr verfügte im Jahre2006 über rund 5 000 Fahrzeuge unterschiedlichen Typs

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Drucksache 16/7100 – 256 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zum Transport von Personen und Material. Um denaktuellen Anforderungen insbesondere im Auslandsein-satz gerecht zu werden, plante die Bundeswehr, für denSanitätsdienst 548 gegen Minen und ähnliche Bedrohun-gen geschützte Lastkraftwagen (Lkw) zu beschaffen.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes München die Ausstattung desSanitätsdienstes mit Fahrzeugen, deren Nutzung sowieden künftigen Bedarf. Er stellte u. a. fest, dass der Sani-tätsdienst 1 620 Fahrzeuge mehr hat, als die Planungender Bundeswehr für ihre Struktur im Jahre 2010 vorse-hen. Für aktuelle Einsätze bieten diese Fahrzeuge nichtdas erforderliche Schutzniveau. Sie werden daher nurnoch eingeschränkt genutzt. Die Typenvielfalt der im Sa-nitätsdienst vorhandenen Fahrzeuge verursacht einen er-heblichen Aufwand bei der Instandsetzung sowie der Ver-sorgung mit Ersatzteilen und macht viele Schulungenerforderlich. Die von der Bundeswehr geplante Anzahlneuer geschützter Lkw hielt der Bundesrechnungshof fürüberhöht, weil die Bundeswehr von einem zu hohenTransportbedarf ausging.

87.2

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen,

● den Überbestand an ungeschützten Fahrzeugen abzu-bauen,

● die teure Typenvielfalt der Sanitätsfahrzeuge zu redu-zieren und

● den Umfang der Beschaffung geschützter Lkw zuüberdenken.

87.3

Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Überbe-stände an Fahrzeugen eingeräumt und mitgeteilt, dass esseit der Prüfung des Bundesrechnungshofes bereits528 Fahrzeuge ausgesondert habe. Damit würden jährlich1,2 Mio. Euro an Betriebskosten eingespart. Weitere190 Fahrzeuge stünden kurzfristig zur Aussonderung an.Neue Fahrzeuge will die Bundeswehr nunmehr bedarfs-gerecht beschaffen. Dazu verzichte sie auf die Beschaf-fung von 135 geschützten Lkw im Wert von 54 Mio. Euro.Die Bundeswehr hat damit begonnen, die Typenvielfaltder Sanitätsfahrzeuge zu reduzieren. So nutzt sie einenvorhandenen Fahrzeugtyp künftig nicht mehr und wirdsich bei neu zu beschaffenden Fahrzeugen auf einen Fahr-zeugtyp je Fahrzeugklasse beschränken.

87.4

Der Bundesrechnungshof sieht in den Reduzierungeneinen wichtigen Schritt hin zu einem wirtschaftlichenEinsatz von Sanitätsfahrzeugen. Er wird weiterhin verfol-gen, wie die Bundeswehr ihre Bestände abbaut und ihreBeschaffung plant.

88 Bundeswehr rechnet Abgabe von Betriebsstoffen an Dritte künftig rechtzeitig und kostendeckend ab(Kapitel 1403 Titelgruppe 08 und Kapitel 1417 Titel 514 02)

88.0

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes wird die Bun-deswehr die Abgabe von Betriebsstoffen wie Diesel undBenzin an ausländische Truppenteile, Behörden und zivileEmpfänger künftig rechtzeitig und kostendeckend abrech-nen. Kurzfristig erzielte die Bundeswehr bereits Einnah-men in Höhe von 9,7 Mio. Euro.

88.1

Die Bundeswehr versorgt aus ihren Beständen ausländi-sche Truppenteile, Behörden und zivile Empfänger mitBetriebsstoffen, z. B. mit Diesel und Benzin (sog. Be-triebsstoffabgabe). Hierfür muss sie ein kostendeckendesEntgelt erheben.

Der Bundesrechnungshof prüfte die Betriebsstoffabgabemit Unterstützung des Prüfungsamtes des Bundes Köln.Er stellte fest, dass die Bundeswehr die Abrechnung derBetriebsstoffabgabe nur ungenügend geregelt hatte. In derFolge forderte sie die Entgelte von anderen Nationennicht konsequent ein. Sie setzte die Preise für die Be-triebsstoffe nicht kostendeckend fest und stellte nicht si-cher, dass tatsächlich alle Betriebsstoffabgaben in Rech-nung gestellt wurden. Hinzu kam, dass die Bundeswehrdie Entgelte erst Monate oder Jahre später abrechnete. Esgab auch kein geregeltes Mahnverfahren für offene For-derungen.

Mitte 2006 waren aus der Betriebsstoffabgabe noch For-derungen der Jahre 1999 bis 2005 in Höhe von rund14 Mio. Euro offen.

88.2

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium derVerteidigung (Bundesministerium) auf die Einnahme-und Zinsverluste hingewiesen. Er hat empfohlen, die Ver-fahren und Zuständigkeiten bei der Abrechnung der Be-triebsstoffabgabe eindeutig zu regeln. Die Verfahren soll-ten sicherstellen, dass Entgelte künftig kostendeckendund ohne Zeitverzug festgesetzt werden und offene For-derungen zügig verfolgt werden. Er hat erwartet, dass dieBundeswehr die offenen Forderungen der Jahre 1999 bis2005 kurzfristig geltend macht.

88.3

Das Bundesministerium hat zugesagt, durch zusätzlicheorganisatorische Maßnahmen schon kurzfristig eine kosten-deckende und zügige Abrechnung der Betriebsstoff-abgabe sicherzustellen. Von den offenen Forderungenseien inzwischen bereits 9,7 Mio. Euro beglichen worden,4,3 Mio. Euro stünden noch aus.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 257 – Drucksache 16/7100

Mittelfristig strebt das Bundesministerium für die Abgabean NATO-Partner ein Verfahren an, das aufwendige Ab-rechnungen von vornherein vermeidet. Über die Grund-züge des neuen Verfahrens hat es den Bundesrechnungs-hof informiert und mitgeteilt, dass die Verhandlungennoch andauern. Der Bundesrechnungshof wird die weite-ren Schritte beobachten.

89 Bundeswehr sondert überzählige Fernmeldekabinen aus(Kapitel 1415 Titel 55 401)

89.0

Die Bundeswehr hat nach einer Empfehlung des Bundes-rechnungshofes damit begonnen, über 1 300 nicht benö-tigte Fernmeldekabinen auszusondern. Zugleich verzich-tete sie darauf, für 4,6 Mio. Euro 148 neue Kabinen zubeschaffen. Darüber hinaus wird sie ihren Bedarf anFernmeldekabinen insgesamt überprüfen.

89.1

Militärische Telekommunikationssysteme (z. B. Funkan-lagen) sind in der Regel in besonderen Containerneingebaut (vgl. Abbildung 1). Diese sogenannten Fern-meldekabinen, die zugleich Arbeitsräume für das Bedie-nungspersonal sind, werden auf Lastkraftwagen aufge-setzt und zum jeweiligen Einsatzort transportiert (vgl.Abbildung 2). Für den Einbau der Kommunikationssys-teme werden sogenannte Rüstsätze benötigt, die jeweilsaus dem Fernmeldegerätesatz und dem Einbausatz bestehen.

A b b i l d u n g 1

(© Bundeswehr)

Fernmeldekabine innen

Die Bundeswehr hatte seit Mitte der 70er-Jahre in dreiLosen rund 12 000 Fernmeldekabinen beschafft. DerBundesrechnungshof hatte die Auftragsvergabe für dieersten beiden Lose geprüft. In seinen Bemerkungen 1986(Bundestagsdrucksache 10/6138 Nr. 25) hatte er bean-standet, dass das Bundesministerium der Verteidigung(Bundesministerium) mehr Fernmeldekabinen als erfor-derlich beschafft hatte. Zudem waren zum Zeitpunkt derLieferung die Einbausätze für die zu installierendenKommunikationssysteme noch nicht verfügbar gewesen.Daher hatte der überwiegende Teil der Kabinen unge-nutzt in Gerätedepots gelagert. Das Bundesministeriumhatte daraufhin zugesagt, die Beschaffungsplanungenfür die Kabinen und die Rüstsätze besser zu koordinie-ren.

Im Jahre 2005 prüfte der Bundesrechnungshof mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes Köln erneut denBedarf und Bestand an Fernmeldekabinen. Dabei stellteer fest, dass die Bundeswehr ihre Bedarfsermittlungennicht aktualisiert hatte, obwohl der Umfang der Streit-kräfte inzwischen deutlich reduziert worden war. Zudemwar die Beschaffung von Kabinen und Rüstsätzen im-mer noch nicht aufeinander abgestimmt. Obwohl der da-durch verursachte Überbestand an Kabinen ungenutzt inDepots lagerte, war die Beschaffung neuer Kabinen ge-plant.

A b b i l d u n g 2

(© Bundeswehr)

Fernmeldekabine auf Lkw: Stückpreis Kabine (ohneFernmeldegeräte) 30 000 Euro

89.2

Der Bundesrechnungshof hat die Beschaffungsplanungfür die Fernmeldekabinen erneut beanstandet und emp-fohlen,

● zu ermitteln, wie viele Kabinen und zugehörige Rüst-sätze noch benötigt werden,

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Drucksache 16/7100 – 258 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● zu überprüfen, ob die geplante Beschaffung neuer Ka-binen tatsächlich erforderlich ist und

● den Überbestand zeitnah auszusondern.

89.3

Das Logistikamt der Bundeswehr hat die Anregungenaufgegriffen und mitgeteilt, dass es bis Ende September2006 die Aussonderung von über 1 300 Fernmeldekabi-nen eingeleitet habe. Zudem werde in Abstimmung mitallen militärischen Organisationsbereichen, die Kabinennutzen, der Bedarf dem geänderten Aufgaben- und Ein-satzspektrum der Bundeswehr angepasst. Daraus könntensich zusätzliche Bestandsreduzierungen ergeben. ImÜbrigen sei auf die geplante Beschaffung von 148 neuenKabinen im Auftragswert von rund 4,6 Mio. Euro ver-zichtet worden.

89.4

Der Bundesrechnungshof sieht in den ergriffenen Maß-nahmen einen ersten Schritt hin zu einer effizienten Be-wirtschaftung des Bestandes an Fernmeldekabinen. Er er-wartet, dass das Bundesministerium – wie bereits vor20 Jahren zugesagt – nunmehr darauf hinwirkt, die Be-schaffungsplanungen für Kabinen und Rüstsätze sachge-recht zu koordinieren.

90 Marine legt nicht mehr benötigte Landungsboote vorzeitig still(Kapitel 1418)

90.0

Die Bundesmarine hat ihre letzten acht Landungsbooteder Klasse 521 vorzeitig außer Dienst gestellt. Dadurchspart sie insgesamt rund 6 Mio. Euro Betriebsausgabenein. Sie ist damit Empfehlungen des Bundesrechnungs-hofes nachgekommen.

90.1

Mitte der 60er-Jahre hatte die Bundesmarine 28 Lan-dungsboote der Klasse 521 beschafft. Mit diesen solltebei einer Zerstörung der Hafenanlagen der Nachschub fürdie Truppe angelandet werden (vgl. Abbildung). DieBoote gehörten zu den amphibischen Einheiten der Ma-rine. Nachdem diese Einheiten aufgelöst worden waren,sonderte die Marine in den 80er-Jahren 20 der Boote aus.Die restlichen acht Boote überließ sie Marinestützpunk-ten und -schulen als Hafenbetriebsgerät für Personen- undMaterialtransporte. Den Landungsbooten war keine festeBesatzung zugeordnet. Nach der ursprünglichen Planungsollten sie bis zum Jahre 2010 genutzt werden. Allein diejährlichen Ausgaben für Instandhaltung (Ersatzteile,Werftleistungen) und Betriebsstoffe beliefen sich aufrund 90 000 Euro je Boot.

(© Bundeswehr/Marine)

Landungsboot Klasse 521: Betriebsausgaben 90 000 Europro Jahr

Der Bundesrechnungshof hatte den Betrieb der Lan-dungsboote erstmals im Jahre 1999 geprüft. Dabei hatteer festgestellt, dass alle acht Boote nur gering ausgelastetwaren. Er hatte daraufhin empfohlen,

● vier Boote stillzulegen, für die planmäßige Werftauf-enthalte anstanden,

● die Auslastung der Übrigen zu überwachen und

● bei zurückgehender Nutzung weitere Einheiten auszu-sondern.

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) war diesen Empfehlungen gefolgt. Es hatte Ende1999 zunächst vier und Ende 2004 nochmals zwei Bootestillgelegt. Zudem hatte es zugesichert, die wirtschaftli-che Auslastung der verbliebenen Einheiten anhand regel-mäßig erhobener Betriebsdaten zu überprüfen.

90.2

Im Jahre 2006 standen für die letzten beiden Boote teureInstandhaltungsarbeiten an. Der Bundesrechnungshof be-gann daher Ende 2005 mit einer erneuten Prüfung. In de-ren Verlauf legte das Bundesministerium ein weiteresBoot still. Das letzte verbliebene Boot war im Durch-schnitt der Jahre 2003 bis 2005 nur dreieinhalb Stundenpro Woche in Betrieb gewesen. Die Marine hatte es vorallem für den Gästetransport bei Tagen der offenen Türoder bei Hafenfesten genutzt.

Der Bundesrechnungshof hat die geringe Auslastung be-anstandet und mit Blick auf die hohen Betriebsausgabenempfohlen,

● für die gelegentlichen Transportaufgaben andere, kos-tengünstigere Boote zu nutzen und

● auch das letzte Landungsboot alsbald auszusondern.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 259 – Drucksache 16/7100

Das Bundesministerium hat die Anregung zunächst nichtaufgegriffen, weil dem Boot eine neue Aufgabe zugeord-net werden sollte. Ende 2006 hat es dann aber doch des-sen Aussonderung eingeleitet.

90.3

Durch die vorgezogene Stilllegung aller Landungsbooteder Klasse 521 wird die Marine insgesamt rund 6 Mio.Euro an Betriebsausgaben einsparen.

91 9 Mio. Euro Betriebskostenerstattung für einen Luft/Boden-Schießplatz werden eingefordert

91.0

Das Bundesministerium der Verteidigung will nach Hin-weisen des Bundesrechnungshofes rückwirkend rund9 Mio. Euro anteilige Betriebskosten des Luft/Boden-Schießplatzes Nordhorn einfordern. Seit dem Jahre 2001versäumte es die Bundeswehr, ausländische Streitkräfte,die den Platz mitnutzen, an den Kosten zu beteiligen.Künftig wird sie ihren Anspruch zeitgerecht geltend ma-chen.

91.1

Der Luft/Boden-Schießplatz Nordhorn wird nicht nur vonder Bundesluftwaffe, sondern auch von ausländischenStreitkräften genutzt. Von diesen sind dafür nach den ein-schlägigen Abrechnungsbestimmungen der BundeswehrEntgelte für die anteiligen Betriebskosten zu fordern.Üblicherweise werden die Entgelte in Mitnutzungsverein-barungen geregelt.

Der Bundesrechnungshof stellte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Magdeburg fest, dass dieWehrbereichsverwaltung Nord es seit der Übernahme des

Schießplatzes durch die Bundeswehr im Jahre 2001 ver-säumte, von alliierten Mitnutzern anteilige Betriebskos-ten einzufordern. Einschließlich Zinsen entstanden soEinnahmeausfälle von rund 9 Mio. Euro.

91.2

Der Bundesrechnungshof hat auf das Versäumnis hinge-wiesen. Nach seiner Auffassung ist es durch mangelhafteFachaufsicht seitens des Bundesministeriums der Vertei-digung (Bundesministerium) begünstigt worden.

Der Bundesrechnungshof hat gefordert, den ausländi-schen Streitkräften die anteiligen Betriebskosten für dieMitnutzung des Schießplatzes rückwirkend ab dem Zeit-punkt der Übernahme des Platzes durch die Bundeswehrin Rechnung zu stellen.

91.3

Das Bundesministerium hat die Hinweise des Bundes-rechnungshofes aufgegriffen. Es hat zugesagt, mit denausländischen Streitkräften Vereinbarungen über die Mit-nutzung des Luft/Boden-Schießplatzes Nordhorn zuschließen und Erstattungsansprüche künftig zeitgerechtgeltend zu machen. Außerdem will es die Mitnutzer bit-ten, sich rückwirkend ab dem Jahre 2001 an den Betriebs-kosten (zzgl. Zinsen) zu beteiligen.

Für den Fall, dass sich eine rückwirkende Beteiligung anden Kosten nicht realisieren lässt, hat das Bundesministe-rium zugesagt, die Haftungsfrage zu prüfen.

91.4

Der Bundesrechnungshof wird sich zu gegebener Zeit da-von überzeugen, ob die vom Bundesministerium zuge-sagten Maßnahmen zu entsprechenden Einnahmen imBundeshaushalt geführt haben.

Bundesministerium für Gesundheit(Einzelplan 15)

92 Gefahr der Interessenkollision 92.1

abgewendet

92.0

Gehören Bedienstete eines Bundesministeriums dem Lei-tungs- oder Aufsichtsgremium eines Zuwendungsemp-fängers an, dürfen sie nicht gleichzeitig am Verwaltungs-verfahren zur Gewährung der Zuwendungen mitwirken.Das Bundesministerium für Gesundheit wird diesenGrundsatz künftig beachten und Interessenkollisionenvermeiden.

Das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministe-rium) kann Stellen außerhalb der öffentlichen Verwaltungeine finanzielle Zuwendung gewähren. Dies betrifft z. B.Forschungseinrichtungen oder wissenschaftliche Insti-tute, an deren Tätigkeit der Bund ein Interesse hat. In denGremien (z. B. im Vorstand oder im Aufsichtsrat) der Zu-wendungsempfänger können Bedienstete des Bundesminis-teriums vertreten sein. Sie sollen im Interesse des Bundesfür eine ordnungsgemäße Verwendung der erhaltenenMittel sorgen.

Page 260: Deutscher Bundestag Drucksache 7100 · 11. 2007 Zugeleitet mit Schreiben des Bundesrechnungshofes vom 21. November 2007 gemäß § 97 Abs. 1 der Bundeshaushalts-ordnung. Unterrichtung

Drucksache 16/7100 – 260 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes Frankfurt am Main(Prüfungsamt), wie das Bundesministerium die Interessendes Bundes gegenüber den Zuwendungsempfängern ver-trat. Das Prüfungsamt stellte dabei fest, dass einzelne Be-dienstete an den Verwaltungsverfahren zur Gewährungvon Zuwendungen mitwirkten, obwohl sie einem Lei-tungs- oder Aufsichtsgremium der entsprechenden Zu-wendungsempfänger angehörten. Dies lässt das Verwal-tungsverfahrensrecht nicht zu. Zum Zeitpunkt der Prüfungwar in dem Bundesministerium keine Regelung vorhan-den, um derartige Interessenkollisionen zu vermeiden.

92.2

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes verstieß diePraxis des Bundesministeriums gegen geltendes Recht.Er hat dem Bundesministerium empfohlen, geeignete Re-gelungen zu erlassen, damit Interessenkollisionen in seinem

Geschäftsbereich künftig ausgeschlossen sind. Dabeisollte es die vom Bundesministerium der Finanzen unddem Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsaus-schusses des Deutschen Bundestages entwickelten Grund-sätze beachten.

92.3

Das Bundesministerium hat die Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes umgesetzt und allgemeine Regelun-gen zur Vermeidung von Interessenkollisionen erlassen.In seinem Geschäftsbereich dürfen keine Bedienstetenmehr an Zuwendungsverfahren oder Entscheidungen zu-gunsten eines Zuwendungsempfängers mitwirken, so-lange sie dessen Leitungs- oder Aufsichtsgremien ange-hören. Sie dürfen auch keinen Einfluss auf entsprechendeEntscheidungen des Bundesministeriums nehmen undkeine Verhandlungen über die Wirtschaftspläne von Zu-wendungsempfängern mehr führen.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Einzelplan 17)

93 Klare Richtlinien verbessern die Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren,

Inanspruchnahme von Unterhalts-pflichtigen(Kapitel 1710 Titel 232 07 und 632 07)

93.0

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauenund Jugend hat auf Empfehlung des Bundesrechnungs-hofes die Richtlinien zum Unterhaltsvorschussgesetz um-fassend überarbeitet. Die notwendigen Klarstellungenverbessern die Sachbearbeitung vor Ort in den Unter-haltsvorschussstellen und erleichtern die Inanspruch-nahme von Unterhaltspflichtigen.

93.1

Kinder unter zwölf Jahren erhalten Leistungen nach demUnterhaltsvorschussgesetz, wenn sie bei einem allein er-ziehenden Elternteil leben und der andere Elternteil kei-nen oder keinen ausreichenden Unterhalt an das Kindzahlt.

In diesen Fällen geht der Unterhaltsanspruch des Kindesauf den Staat über, der den Anspruch gegenüber dem un-terhaltspflichtigen Elternteil geltend macht, ggf. einklagtund vollstreckt. Der vom Staat gewährte Unterhaltsvor-schuss kann vom Unterhaltspflichtigen nur zurückgefor-dert werden, wenn er in dem Zeitraum, für den Unter-haltsvorschuss gezahlt wurde, auch leistungsfähig war.Die Unterhaltsvorschussstellen müssen dies prüfen.

Frauen und Jugend (Bundesministerium) im Einverneh-men mit den Ländern erlassenen Richtlinien zum Unter-haltsvorschussgesetz regelten in dem Abschnitt über dieLeistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen bisher nurknapp, was die Unterhaltsvorschussstellen zur Feststel-lung der Leistungsfähigkeit zu prüfen haben. Insbeson-dere fehlten klare Regelungen, nach denen Unterhalts-pflichtige darlegen und beweisen müssen, dass sie nichtleistungsfähig sind. Machen sie die notwendigen Anga-ben nicht oder nicht zureichend, kann Leistungsfähigkeitohne weitere Prüfung durch die Unterhaltsvorschussstel-len vermutet werden. Unterhaltsvorschussstellen wardiese Beweislastregel häufig nicht geläufig. Sie versuch-ten Unterhaltspflichtigen nachzuweisen, dass sie leis-tungsfähig sind. Da ein solcher Nachweis in der Praxisnur schwer zu führen war, stellten diese Stellen entwederumfangreiche, meist erfolglose Ermittlungen zur Ein-kommens- und Vermögenslage der Unterhaltspflichtigenan oder sahen von vornherein davon ab, sie in Anspruchzu nehmen. Andere Stellen hingegen, die die Beweislast-umkehr nutzten, konnten häufiger Rückgriff bei den Un-terhaltspflichtigen nehmen und höhere Einnahmen erzielen.

93.2

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, in den Richtlinien ausführlicher als bisher dieVoraussetzungen für die Feststellung der Leistungsfähig-keit zu erläutern. Insbesondere sollte in den Richtlinienaber klargestellt werden, dass bei der Prüfung der Leis-tungsfähigkeit von der Regelvermutung ausgegangen

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 261 – Drucksache 16/7100

werden kann, dass Unterhaltspflichtige hinreichend leis-tungsfähig sind.

93.3

Das Bundesministerium ist den Empfehlungen gefolgt.Es hat die Richtlinien zum 1. Januar 2007 in den ein-schlägigen Punkten umfassend überarbeitet und die Vo-raussetzungen der Leistungsfähigkeit sowie die Beweis-lastregel ausführlich dargestellt.

93.4

Der Bundesrechnungshof verspricht sich von der Neufas-sung eine erleichterte Aufgabenerledigung in den Unter-haltsvorschussstellen und eine deutliche Verbesserung derEinnahmesituation durch erfolgreiche Rückgriffe gegen-über den Unterhaltspflichtigen. Unterhaltspflichtige sol-len nicht durch fehlerhaftes Verwaltungshandeln ihrerRückzahlungspflicht entgehen können.

Allgemeine Finanzverwaltung(Einzelplan 60)

94 Bundesministerium der Finanzen will venzgeldes gewährleisten. Für die anderen dem Progres-

steuerliche Erfassung von Einkom-mensersatzleistungen verbessern(Kapitel 6001 Titel 011 01 und 012 01)

94.0

Das Bundesministerium der Finanzen will dafür sorgen,dass die Finanzämter elektronische Daten über Einkom-mensersatzleistungen erhalten, die dem sogenannten Pro-gressionsvorbehalt unterliegen und deshalb den Steuer-satz beeinflussen. Damit will es auf Empfehlung desBundesrechnungshofes eine gleichmäßige Besteuerungerreichen und allein beim Mutterschaftsgeld jährlicheSteuerausfälle von rund 20 Mio. Euro verhindern. DerBundesrechnungshof hatte festgestellt, dass die Finanz-ämter das Mutterschaftsgeld aufgrund fehlender Angabender Steuerpflichtigen nur unvollständig steuerlich erfass-ten.

94.1

94.1.1

Einkommensersatzleistungen, wie das Arbeitslosengeld,das Insolvenzgeld, das Krankengeld und das Mutter-schaftsgeld, sind einkommensteuerfrei. Sie unterliegenaber nach § 32b Einkommensteuergesetz (EStG) dem so-genannten Progressionsvorbehalt. Dies bedeutet, dass dieFinanzämter bei der Bemessung des Steuersatzes nichtnur die steuerpflichtigen, sondern auch die steuerfreienEinkünfte berücksichtigen. Da der Steuersatz mit steigen-den Einkünften steigt, ergibt sich so ein höherer Steuer-satz für die steuerpflichtigen Einkünfte. Bezieherinnenund Bezieher solcher Einkommensersatzleistungen müs-sen eine Einkommensteuererklärung abgeben, wenn dieseLeistungen insgesamt 410 Euro im Jahr überschreiten.Sie müssen dabei diese Leistungen angeben.

Die Bundesagentur für Arbeit ist bereits nach geltendemRecht verpflichtet, der Finanzverwaltung die Daten übergewährtes Insolvenzgeld elektronisch zu übermitteln.Diese Regelung soll die steuerliche Erfassung des Insol-

sionsvorbehalt unterliegenden Leistungen gibt es solcheRegelungen bisher nicht. Die Träger dieser Leistungenmüssen lediglich den Empfängern Bescheinigungen aus-stellen und darin auf die Steuererklärungspflicht hinwei-sen.

94.1.2

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes München die steuerliche Erfassung derEinkommensersatzleistungen beispielhaft anhand desMutterschaftsgeldes. Einen Anspruch auf Mutterschafts-geld haben insbesondere Frauen, die bei Beginn der Mut-terschutzfrist in einem Arbeitsverhältnis stehen. Wenn sieselbst gesetzlich krankenversichert sind, zahlt ihnen ihreKrankenkasse im Regelfall insgesamt rund 1 300 Euro.Arbeitnehmerinnen, die nicht selbst gesetzlich, sondernz. B. privat krankenversichert sind, können beim Bundes-versicherungsamt Mutterschaftsgeld beantragen. Es be-trägt im Regelfall 210 Euro.

Der Bundesrechnungshof stellte bei der Prüfung von rund600 Steuerfestsetzungen des Jahres 2003 fest, dass nurrund zwei Drittel der Arbeitnehmerinnen das Mutter-schaftsgeld in ihren Steuererklärungen angegeben hatten.Die Finanzämter fragten bei den Müttern fast ausnahms-los nicht nach. Damit erfassten sie in rund einem Drittelder geprüften Fälle das Mutterschaftsgeld steuerlichnicht. Es entstand ein durchschnittlicher Steuerausfallvon 120 Euro pro Fall.

Aufgrund dieser Feststellungen ging der Bundesrechnungs-hof davon aus, dass die Finanzämter bei 465 000 Auszah-lungsfällen an Mutterschaftsgeld im Jahr 155 000 Fällesteuerlich nicht erfassen. Die dadurch entstehenden jähr-lichen Ausfälle an Einkommensteuer schätzte er auf rund20 Mio. Euro.

94.2

Der Bundesrechnungshof hat das bisherige Verfahren zursteuerlichen Erfassung von Mutterschaftsgeld beanstan-det, da es nicht geeignet ist, diese Leistungen annähernd

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Drucksache 16/7100 – 262 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

vollständig zu erfassen. Zudem ist es nicht geeignet, einegleichmäßige Besteuerung der Bezieherinnen zu gewähr-leisten. Es schafft ungerechtfertigte Steuervorteile fürFrauen, die das Mutterschaftsgeld in ihren Steuererklä-rungen nicht angeben.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Finanzen (Bundesministerium) daher empfohlen, dasBundesversicherungsamt und die gesetzlichen Kranken-kassen zur elektronischen Übermittlung der Daten an dieFinanzverwaltung zu verpflichten. Für das Mutterschafts-geld sollten die gleichen Bestimmungen gelten, wie fürdas Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit.

94.3

Das Bundesministerium ist den Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes mit dem Entwurf eines Jahressteuer-gesetzes 2008 gefolgt. Der Entwurf sieht vor, die bereitsfür das Insolvenzgeld geltenden Bestimmungen auf dasMutterschaftsgeld und auf alle anderen Einkommenser-satzleistungen auszuweiten, die dem Progressionsvorbe-halt unterliegen. Mit einer Änderung des § 32b Abs. 3EStG will das Bundesministerium die Träger der Sozial-leistungen verpflichten, der Finanzverwaltung die Datenüber diese Einkommensersatzleistungen elektronisch zuübermitteln.

Bundesagentur für Arbeit

95 Bundesagentur für Arbeit verbessert wendige Programmänderungen und führte zu einer

die Organisation und die Aufgaben-erledigung im Bereich ihres Daten-schutzes

95.0

Die Bundesagentur für Arbeit hat Schwachstellen der Or-ganisation und der Aufgabenerledigung im Bereich ihresDatenschutzes beseitigt. Sie setzt damit die Empfehlungendes Bundesrechnungshofes um.

95.1

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) hat nachdem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch und dem Bundesda-tenschutzgesetz personenbezogene Daten zu schützen.Hierzu muss sie u. a. einen Beauftragten für den Daten-schutz bestellen.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2006 die Orga-nisation und Aufgabenerledigung des Datenschutzbeauf-tragten bei der Zentrale der Bundesagentur und stellte imWesentlichen fest:

● Die Bundesagentur bearbeitete datenschutzrechtlicheVorgänge in zwei verschiedenen Organisationseinhei-ten, ohne deren Aufgaben voneinander abzugrenzen.Dadurch wurden Arbeiten doppelt ausgeführt und In-formationen gingen verloren. Auch wurden Daten-schutzangelegenheiten nicht einheitlich entschieden.

● Die Bundesagentur hatte kein vollständiges und ord-nungsgemäßes Verzeichnis über die maschinelle Ver-arbeitung personenbezogener Daten (Verfahrensver-zeichnis). So fehlten insbesondere Angaben darüber,wozu Daten erhoben und wie diese verarbeitet odergenutzt werden sollten.

● Die Bundesagentur beteiligte den Datenschutzbeauf-tragten nicht rechtzeitig bei der Entwicklung von Da-tenverarbeitungsprogrammen. Dies verursachte auf-

kritischen Berichterstattung der Presse über die Bun-desagentur. Außerdem stellte die Bundesagentur demDatenschutzbeauftragten die erforderlichen Informa-tionen nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung, umKontrollen zu ermöglichen (Vorabkontrolle).

● Der Datenschutzbeauftragte führte keine systemati-schen datenschutzrechtlichen Kontrollen durch.

● Außerdem informierte und schulte er die Beschäftig-ten der Bundesagentur nicht ausreichend.

95.2

Der Bundesrechnungshof hat die Schwachstellen in derOrganisation und die Versäumnisse beim Datenschutz be-anstandet. Er hat der Bundesagentur empfohlen, die inzwei Organisationseinheiten gleichzeitig wahrgenomme-nen Aufgaben zusammenzufassen. Die Bundesagentursollte sicherstellen, dass ein ordnungsgemäßes und voll-ständiges Verfahrensverzeichnis geführt wird. Zusätzlichist der Datenschutzbeauftragte künftig rechtzeitig zu in-formieren sowie bei der Entwicklung und Änderung vonDatenverarbeitungsprogrammen zu beteiligen.

Der Bundesrechnungshof hat angeregt, dass der Daten-schutzbeauftragte Prüfpläne aufstellt und Checklisten ein-führt. Außerdem hält er Schulungen und zielgerichtete In-formationen der Beschäftigten für notwendig, um denDatenschutz stärker in das Bewusstsein der mit personen-bezogenen Daten arbeitenden Beschäftigten zu rücken.

95.3

Die Bundesagentur ist den Empfehlungen des Bundes-rechnungshofes gefolgt. Sie hat die organisatorischeZweiteilung aufgehoben und zugesagt, das Verfahrens-verzeichnis neu zu fassen. Ferner hat sie angekündigt,verbindliche Regelungen zu schaffen, um den Daten-schutzbeauftragten künftig rechtzeitig zu beteiligen.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 263 – Drucksache 16/7100

Inzwischen hat der Datenschutzbeauftragte Prüfpläneaufgestellt und Checklisten eingeführt. Die Bundesagen-tur hat mit dem Datenschutzbeauftragten ein Schulungs-konzept erstellt und begonnen, ihre Beschäftigten zuschulen. Darüber hinaus hat sie zugesagt, ihre Beschäftig-ten künftig umfassend über den Datenschutz zu informie-ren.

95.4

Der Bundesrechnungshof hält die von der Bundesagenturumgesetzten und eingeleiteten Maßnahmen für geeignet,die Mängel im Datenschutz zu beseitigen. Er wird dieweitere Umsetzung beobachten.

96 Bau- und Immobilienverwaltung der Bundesagentur für Arbeit hat sich trotz Privatisierung an das Vergabe-recht zu halten

96.0

Die privatisierte Bau- und Immobilienverwaltung derBundesagentur für Arbeit hat Waren und Dienstleistun-gen für ihren Geschäftsbedarf beschafft, ohne Vergabe-verfahren durchzuführen. Sie verstieß damit gegen dasVergaberecht. Die Bundesagentur für Arbeit hat zugesagt,künftig bei sämtlichen Beschaffungen das Vergaberechtzu beachten.

96.1

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) gründeteim Jahre 2001 zwei Gesellschaften in der Rechtsform einerGmbH und übertrug ihnen die Verwaltung ihres Bau- undImmobilienbereiches. Beide Gesellschaften verschmolzenEnde 2003 zu einer GmbH (Gesellschaft).

Der Bundesrechnungshof prüfte in den Jahren 2004 und2005 den privatisierten Bau- und Immobilienbereich derBundesagentur. Er stellte u. a. fest, dass die Gesellschaftregelmäßig Waren und Dienstleistungen für ihren Ge-schäftsbetrieb beschaffte, ohne das Vergaberecht zu beach-ten. Beispielsweise erwarb die Gesellschaft im Jahre 2004Lizenzen für IT-Anwendungen für mehr als 150 000 Euro,ohne zuvor ein Vergabeverfahren durchzuführen. Die Ge-sellschaft sah sich nicht an das Vergaberecht gebunden,weil sie nach ihrer Auffassung kein öffentlicher Auftrag-geber sei.

96.2

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur und dasfür die Rechtsaufsicht zuständige Bundesministerium fürArbeit und Soziales (Bundesministerium) darauf hinge-wiesen, dass die Gesellschaft dem Vergaberecht unter-liegt. Daran ändert sich nichts, wenn die Bundesagenturihre Aufgaben nicht mehr selbst, sondern durch ihren pri-vatisierten Bau- und Immobilienbereich durchführenlässt. Andernfalls könnte das Vergaberecht durch Privati-

sierungen umgangen und das Prinzip des freien Wettbe-werbs sowie das Gebot der Transparenz und der Gleich-behandlung ausgehebelt werden.

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur und dasBundesministerium aufgefordert sicherzustellen, dass dieGesellschaft künftig das Vergaberecht einhält.

96.3

Die Bundesagentur hat zunächst mitgeteilt, dass es ihrerAuffassung nach dem Grundgedanken der Privatisierungwiderspräche, wenn die Gesellschaft an das Vergaberechtgebunden sei. Das Bundesministerium ist dagegen derRechtsauffassung des Bundesrechnungshofes gefolgt undhat die Bundesagentur aufgefordert, ihre abweichendeAnsicht aufzugeben. Daraufhin hat die Bundesagentur dieGesellschaft angewiesen, auch beim Kauf von Waren undDienstleistungen für ihren Geschäftsbetrieb das Vergabe-recht ohne Einschränkung anzuwenden.

96.4

Sowohl für die Bundesagentur als auch für den Bau- undImmobilienbereich ist damit deren Status als öffentlicherArbeitgeber geklärt. Die Bundesagentur wird dafür sor-gen müssen, dass die Gesellschaft künftig das öffentlicheVergaberecht einhält, auch wenn sie Waren und Dienst-leistungen beschafft.

97 Bundesagentur für Arbeit verbessert ihre Handlungsprogramme zur Beratung und Vermittlung Arbeitsuchender

97.0

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes hat die Bun-desagentur für Arbeit ihre Vorgaben zur Vermittlung undBeratung Arbeitsuchender verbessert. Sie erhöhte in densogenannten Handlungsprogrammen für Arbeitnehmeru. a. die Zahl der Beratungsgespräche und stellte weitereMittel für Arbeitsuchende zur Verfügung, die bereits län-ger arbeitslos sind. Außerdem will sie ihre Vermittlungs-fachkräfte intensiver schulen, um die Umsetzung derHandlungsprogramme zu verbessern.

97.1

97.1.1

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) hat imJahre 2005 sogenannte Handlungsprogramme für Arbeit-nehmer (Handlungsprogramme) eingeführt, um Arbeitsu-chende besser vermitteln und beraten zu können. Sie legtdarin ihre Arbeitsweise im Vermittlungs- und Beratungs-geschäft fest: Die Vermittlungsfachkräfte erstellen zu-nächst für jeden Arbeitsuchenden ein Kundenprofil unterBerücksichtigung seines bisherigen beruflichen Werde-ganges. Danach bestimmen sie den individuellen Unter-

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Drucksache 16/7100 – 264 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

stützungsbedarf anhand eines nach „Kundengruppen“ ge-gliederten Leistungskataloges. Schließlich legen dieAgenturen für Arbeit (Agenturen) in einer Zielvereinba-rung mit dem Arbeitsuchenden fest, welche Eigenbe-mühungen von diesen erwartet werden und welche Ver-mittlungsaktivitäten oder Eingliederungsleistungen dieAgenturen erbringen wollen.

97.1.2

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2005 das Kon-zept der Handlungsprogramme für Arbeitnehmer unddessen Umsetzung. Er stellte Folgendes fest:

Die Bundesagentur teilte in ihren Handlungsprogrammendie Arbeitsuchenden in vier Kundengruppen ein, die un-terschiedlich unterstützt wurden:

● Für „Marktkunden“, die problemlos in den Arbeits-markt eingegliedert werden können, waren vorwie-gend Beratung und Bewerbungstraining vorgesehen.Nach dem ersten Beratungsgespräch sollte innerhalbvon drei Monaten ein Folgegespräch stattfinden.

● Für „Beratungskunden aktivieren“, die unrealistischeErwartungen an ihren Arbeitsplatz haben und zu we-nig Eigeninitiative zeigen, waren neben der Beratungkostengünstige Hilfen vorgesehen.

● Für „Beratungskunden fördern“, die im persönlichenoder fachlichen Bereich gefördert werden müssen, ka-men vorrangig kostenintensive Weiterbildungsmaß-nahmen und Eingliederungszuschüsse in Betracht.

● Für „Betreuungskunden“, die Vermittlungshemmnisseaufgrund gesundheitlicher und sozialer Probleme,mangelnder Berufserfahrung oder generell schlechterArbeitsmarktlage haben, waren keine kostenintensi-ven Leistungen vorgesehen. Sie sollten z. B. in Mini-Jobs vermittelt, zu einem „Rückzug aus dem Arbeits-leben“ oder zum „Abgang in Erwerbsunfähigkeit“ ver-anlasst werden. Nach dem ersten Beratungsgesprächwar innerhalb von sechs Monaten ein Folgegesprächdurchzuführen.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass zahlreicheVermittlungsfachkräfte Einzelmerkmale zur Festlegungder Kundengruppe, wie längere Krankheitszeiten, nichteinheitlich auslegten oder sie unterschiedlich anwandten.Die Entscheidungen waren bei einzelnen Agenturen nurin weniger als der Hälfte der geprüften Fälle nachvoll-ziehbar. Die Agenturen setzten außerdem die in denHandlungsprogrammen vorgegebenen Aktivitäten nichtdurchgängig um und hatten nur in etwas mehr als derHälfte der geprüften Fälle Zielvereinbarungen abge-schlossen. Die Zielvereinbarungen enthielten größtenteilsStandardformulierungen wie „der Kunde wird sich be-werben“, „der Kunde wird das Internet nutzen“ oder „dieAgentur wird soweit möglich Vermittlungsvorschläge un-terbreiten“.

97.2

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes waren dieHandlungsprogramme für Arbeitnehmer zwar grundsätz-lich geeignet, eine einheitliche, transparente und wirt-schaftliche Vorgehensweise der Agenturen sicherzustel-len. Sie ließen es jedoch zu, dass die Agenturen bei„Marktkunden“ und „Betreuungskunden“ weitgehend un-tätig bleiben konnten. Beispielsweise war die Zahl dervorgegebenen Beratungsgespräche insbesondere bei den„Betreuungskunden“ nicht ausreichend.

Mit dem gesetzlichen Auftrag der Bundesagentur – Arbeits-vermittlung und -beratung für alle Erwerbsfähigen – ist esnach Ansicht des Bundesrechnungshofes nicht zu verein-baren, wenn sie von vornherein festlegt, für bestimmteKundengruppen kaum noch Leistungen der aktivenArbeitsförderung zu erbringen. Gleiches gilt für die Vor-gabe, mit Arbeitsuchenden, die zwar erhebliche Vermitt-lungshemmnisse haben, aber arbeitswillig und arbeitsfä-hig sind, den „Rückzug aus dem Arbeitsleben“ oder den„Abgang in Erwerbsunfähigkeit“ zu vereinbaren. DerBundesrechnungshof hat daher empfohlen, die Hand-lungsprogramme für Arbeitnehmer zu überarbeiten undinsbesondere „Marktkunden“ und „Betreuungskunden“intensiver zu unterstützen.

Der Bundesrechnungshof hat ferner beanstandet, dass invielen Fällen die notwendige Zielvereinbarung fehlte unddie Beschäftigten der Agenturen unsicher waren, wie siedie Handlungsprogramme anwenden sollten. Er hat dieBundesagentur aufgefordert, die Beschäftigten der Agen-turen auf die Bedeutung der Zielvereinbarung hinzuwei-sen und sie in der Anwendung der Handlungsprogrammegezielt zu schulen.

97.3

Die Bundesagentur hat die Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes aufgegriffen und die Handlungsprogramme fürArbeitnehmer entsprechend geändert oder dies zumindestangekündigt. So hat sie die Zahl der Beratungen erheblicherhöht und inzwischen weitere Mittel zur Eingliederungvon „Betreuungskunden“ bereitgestellt, um deren Markt-fähigkeit zu erhalten. Die Vorgaben „Rückzug aus demArbeitsleben“ und „Abgang in Erwerbsunfähigkeit“ hatsie aus der Liste der Empfehlungen entfernt.

Um Fehler bei der Umsetzung der Handlungsprogrammefür Arbeitnehmer künftig zu vermeiden, hat die Bundes-agentur die Schulungen ihrer Beschäftigten weiterent-wickelt und die Fachaufsicht verbessert. Darüber hinauserhalten die Agenturen eine verbesserte IT-Unterstützung,um künftig aussagefähige Zielvereinbarungen erstellen zukönnen.

97.4

Die Bundesagentur hat die Schwachstellen ihrer Hand-lungsprogramme für Arbeitnehmer erkannt und bereits

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 265 – Drucksache 16/7100

damit begonnen, die notwendigen Anpassungen vorzu-nehmen.

Der Bundesrechnungshof hält die ergriffenen Maßnah-men für geeignet, die Vermittlung und Beratung Arbeit-suchender entscheidend zu verbessern.

Er wird die weitere Entwicklung beobachten.

98 Bundesagentur für Arbeit verbessert das Verfahren für die Zulassung von Saisonarbeitskräften aus dem Ausland in der Landwirtschaft

98.0

Die Bundesagentur für Arbeit verbessert das Zulassungs-verfahren von Saisonarbeitskräften aus dem Ausland. Siehat die Agenturen für Arbeit angewiesen, künftig besserzu überwachen, ob die Betriebe die vorgegebenen Zulas-sungskontingente einhalten. Die Agenturen für Arbeitwerden sich zudem stärker bemühen, inländische Arbeits-kräfte in Beschäftigungen vor und nach der Ernte zu ver-mitteln. Außerdem werden sie die Lohn- und Arbeitsbe-dingungen für die Saisonbeschäftigten verstärkt prüfen.Die Bundesagentur für Arbeit folgt damit Empfehlungendes Bundesrechnungshofes.

98.1

Die deutsche Landwirtschaft hat während der Ernte einenhohen Bedarf an Saisonarbeitskräften. Seit Jahren setztsie dabei viele Arbeitskräfte aus dem Ausland ein. Inzahlreichen Fällen kennen die Landwirte diese Arbeits-kräfte bereits aus früheren Ernteeinsätzen.

Arbeitskräfte aus dem Ausland, die in Deutschland eineSaisonbeschäftigung in der Landwirtschaft aufnehmenwollen, müssen hierzu vorher vom Landwirt angefordertund durch die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur)zugelassen werden. Voraussetzung ist, dass für die Be-schäftigung keine deutschen oder ihnen rechtlich gleich-gestellte ausländische Arbeitskräfte (inländische Arbeits-kräfte) auf dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügungstehen (Arbeitsmarktvorrangprüfung). Außerdem mussder landwirtschaftliche Arbeitgeber die Saisonarbeits-kräfte aus dem Ausland zu denselben Lohn- und Arbeits-bedingungen beschäftigen wie vergleichbare inländischeArbeitskräfte.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Bundes-ministerium) legte in der Eckpunkteregelung für die Zu-lassung von Saisonbeschäftigten (Eckpunkteregelung) fürdie Jahre 2006 und 2007 fest, dass die Bundesagentur fürjeden Betrieb 80 % der im Jahre 2005 zugelassenen Sai-sonarbeitskräfte aus dem Ausland ohne Arbeitsmarktvor-rangprüfung zulassen darf. Weitere 10 % kann sie be-triebsbezogen zulassen, wenn sie für diese Tätigkeitenkeine inländischen Arbeitskräfte vermitteln kann. Insge-samt dürfen die in einen Betrieb beschäftigten Saison-arbeitskräfte aus dem Ausland 90 % der Zulassungen desJahres 2005 nicht überschreiten (Zulassungskontingent).

Ziel dieser Regelung ist es, mehr inländische Arbeits-kräfte als bisher in die Saisonbeschäftigung zu vermittelnund gleichzeitig die Zahl von Saisonarbeitskräften ausdem Ausland zu vermindern. Für die Bundesagentur istdiese Regelung verbindlich.

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung der Prü-fungsämter Berlin und Köln in den Jahren 2005 und 2006das Zulassungsverfahren für Saisonkräfte aus dem Aus-land und die Vermittlung inländischer Arbeitskräfte aufSaisonarbeitsplätze in der Landwirtschaft (Saisonarbeits-plätze) geprüft und Folgendes festgestellt:

● Die Agenturen für Arbeit (Agenturen) besaßen keineausreichenden Daten über die in den Vorjahren be-triebsbezogen zugelassenen ausländischen Saison-arbeitskräfte. Damit ließ sich nicht kontrollieren, obdie Zulassungskontingente eingehalten wurden.

● Die Agenturen erschlossen nur unzureichend Beschäf-tigungsmöglichkeiten für inländische Arbeitskräfte imBereich vor und nach der Ernte, z. B. beim Sortieren,Verpacken, Transport oder Verkauf.

● Die Bundesagentur prüfte nicht, ob die Vermittlungs-strategien besonders erfolgreicher Agenturen auch fürandere Agenturen sinnvoll sein könnten. Solche Stra-tegien waren z. B. überregionale Vermittlung, beteili-gen privater Vermittler, begleitete Vorstellungsgesprä-che bei Arbeitgebern und Lohnzuschüsse für dieSaisontätigkeit.

● Die Agenturen erfassten jeden Antrag auf Zulassungeines Saisonarbeitnehmers aus dem Ausland als Stel-lenangebot und veröffentlichten es in ihrer Jobbörseim Internet. Diese Stellenangebote standen interessier-ten inländischen Arbeitskräften für eine Bewerbungnicht offen, wenn die Landwirte für diese Stellen be-reits Arbeitskräfte aus dem Ausland unter Inanspruch-nahme ihres Kontingentes namentlich angefordert hat-ten. Damit war für diese Arbeitskräfte eineVorrangprüfung nicht erforderlich.

● Die Agenturen beurteilten die Lohn- und Arbeitsbe-dingungen vielfach nur nach Aktenlage.

98.2

Der Bundesrechnungshof hat das Zulassungsverfahrenbeanstandet, weil sich damit nicht feststellen ließ, ob dieAgenturen das Ziel der Eckpunkteregelung der Bundes-regierung beachtet hatten, Saisonarbeitsplätze vermehrtmit Inländerinnen und Inländern zu besetzen. Außerdemkonnten die Agenturen nicht überwachen, ob die Zulas-sungskontingente eingehalten oder überschritten wurden.Darüber hinaus hat der Bundesrechnungshof es als unzu-reichend angesehen, die Lohn- und Arbeitsbedingungender Saisonarbeitskräfte nur nach Aktenlage zu beurteilen.

Um mehr inländische Arbeitskräfte als bisher in Saison-beschäftigung zu vermitteln und weniger Arbeitskräfteaus dem Ausland für Saisontätigkeiten zuzulassen, solltendie Agenturen künftig

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Drucksache 16/7100 – 266 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● betriebsbezogen die Zahl der zugelassenen Saisonarbeits-kräfte aus dem Ausland festhalten und verstärkt über-wachen, dass die Zulassungskontingente eingehaltenwerden,

● ihre Bemühungen um die Vermittlung in Tätigkeitenvor und nach der Ernte verstärken,

● prüfen, ob erfolgreiche Vermittlungsstrategien andererAgenturen für den regionalen Arbeitsmarkt übernom-men werden könnten,

● Stellenangebote für Saisonbeschäftigungen nur dannerfassen, wenn die Stellen für inländische Arbeits-kräfte tatsächlich offen stehen sowie

● die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Saisonarbeits-kräfte zumindest stichprobenweise bei den Landwirtenkontrollieren.

98.3

Die Bundesagentur hat die Empfehlungen des Bundes-rechnungshofes im Wesentlichen aufgegriffen und zuge-sagt, die Zulassung von Saisonarbeitskräften aus demAusland sowie die Vermittlung inländischer Saisonarbeits-kräfte zu verbessern und laufend zu überwachen. So habesie die Agenturen mit internen Weisungen und einer Ar-

beitshilfe zur Saisonbeschäftigung darauf hingewiesen,ihre Vermittlung insbesondere in Beschäftigungen vorund nach der Ernte zu verstärken und ihre Prüfungs- undDokumentationspflichten sachgerecht wahrzunehmen.Außerdem habe sie die Agenturen aufgefordert, bei derArbeitsmarktvorrangprüfung einen strengeren Maßstabanzulegen sowie die Lohn- und Arbeitsbedingungen beiden Landwirten stichprobenweise zu überprüfen. Die Zu-lassungskontingente für ausländische Saisonarbeitskräftewürden künftig festgehalten und Stellenangebote nurdann erfasst, wenn die Stellen tatsächlich für eine Ver-mittlung offen stehen. Ferner habe die Bundesagentur inihrem Intranet ein Forum eingerichtet, in dem sich dieAgenturen über erfolgversprechende Vermittlungsmodelleaustauschen können. Der Erfolg ihrer Vermittlungen inSaisonbeschäftigung werde durch Befragungen vonLandwirten und Arbeitskräften sowie durch ein For-schungsprojekt des Bundesministeriums bewertet.

98.4

Der Bundesrechnungshof hält die von der Bundesagentureingeleiteten Schritte für geeignet, die festgestellten Män-gel zu beheben.

Er wird die weitere Umsetzung beobachten.

Die Bemerkungen sind am 18. September 2007 vom Großen Senat des Bundesrechnungshofes beschlossen worden.

Bonn, den 21. November 2007

Bundesrechnungshof

Prof. Dr. Dieter Engels

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