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Standard Operating Procedure der Intensivstation II, Klinikum am Bruderwald, Datum der Version: 24.02.2008 SOP: STANDARD OPERATING PROCEDURE DER INTENSIVSTATION II DIAGNOSE UND THERAPIE DER SEPSIS erstellt durch Dr. med. Britta Kairies I Diagnosekriterien und Definition Nachweis einer Infektion durch mikrobiologischen Nachweis oder klinische Kriterien (z.B. Infiltrat im Thoraxbild, Eiterentleerung, Pyurie, Vegetationen im Echokardiogramm, Cholezystitiskriterien im Sonogramm etc.) SIRS (Severe inflammatory responsive syndrome), mind. 2. Kriterien: Fieber > 38 °C oder Hypothermie < 36 °C (rektal) Tachykardie >90/min Tachypnoe >20/min oder Hyperventilation paCO 2 <33mmHg Leukozytose > 12000/mm 3 oder Leukopenie < 4000/ mm 3 oder > 10% unreife Neutrophile im Differentialblutbild Akute Organdysfunktion, mind. 1 Kriterium: Gehirn: Akute Encephalopathie: eingeschränkte Vigilanz, Desorientiertheit, Unruhe, Delirium DIC: Relative oder absolute Thrombozytopenie: Abfall um > 30% in 24h oder Zahl < 100000/ mm 3 (Ausschluss einer Blutung oder immunologischer Ursachen) Lunge: Arterielle Hypoxämie: paO 2 < 75mmHg unter Raumluft oder paO 2 /Fi0 2 < 250 (Ausschluss manifeste Herz-Lungenerkrankung als Ursache) Niere: Renale Dysfunktion: Diurese < 0,5ml/kg/h über 2h trotz adäquater Flüssigkeitssubstitution Hämodynamik und Oxygenierung: Metabolische Azidose: BE < -5mmol/l oder Lactat > 3 mmol/l Sepsis: Infektion und SIRS Schwere Sepsis: Infektion, SIRS und mindestens 1 Organdysfunktion Septischer Schock: Sepsis sowie für mind. 1h syst. Art. RR < 80mmHg, bzw. MAP<65mmHg oder Vasopressoreinsatz um den o.g. Werten zu halten (trotz adäquater Volumengabe und Ausschluss anderer Ursachen) II Diagnostik, Fokussuche Labor: bei Erstlabor: gr. Routine, große Gerinnung (Quick, PTT, Fibrinogen, AT3), venöse BGA aus dem ZVK (Azidose, zentralvenöse Sättigung) Folgelabor: kleine Routine (bb, HKE, CRP, CK, GOT, GPT, LDH), große Gerinnung (Quick, PTT, Fibrinogen, AT3), Lactat, zentralvenöse BGA sowie die pathologischen Laborparameter des Erstlabores Mikrobiologie Abnahme von Blutkulturen vor Beginn einer antibiotischen Therapie, bei bereits laufender Antibiose direkt vor der nächsten Gabe; Abnahme möglichst nicht über ZVK oder arterielle Kanüle

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Standard Operating Procedure der Intensivstation II, Klinikum am Bruderwald, Datum der Version: 24.02.2008

SOP: STANDARD OPERATING PROCEDUREDER INTENSIVSTATION II

DIAGNOSE UND THERAPIE DER SEPSIS

erstellt durch Dr. med. Britta Kairies

I Diagnosekriterien und Definition

● Nachweis einer Infektion durch mikrobiologischen Nachweis oder klinische Kriterien (z.B. Infiltrat im Thoraxbild, Eiterentleerung, Pyurie, Vegetationen imEchokardiogramm, Cholezystitiskriterien im Sonogramm etc.)

● SIRS (Severe inflammatory responsive syndrome), mind. 2. Kriterien:■ Fieber > 38 °C oder Hypothermie < 36 °C (rektal)■ Tachykardie >90/min■ Tachypnoe >20/min oder Hyperventilation paCO2 <33mmHg■ Leukozytose > 12000/mm3

oder Leukopenie < 4000/ mm3 oder > 10% unreife

Neutrophile im Differentialblutbild

● Akute Organdysfunktion, mind. 1 Kriterium:■ Gehirn: Akute Encephalopathie: eingeschränkte Vigilanz, Desorientiertheit,

Unruhe, Delirium■ DIC: Relative oder absolute Thrombozytopenie: Abfall um > 30% in 24h oder Zahl

< 100000/ mm3 (Ausschluss einer Blutung oder immunologischer Ursachen)■ Lunge: Arterielle Hypoxämie: paO2 < 75mmHg unter Raumluft oder paO2/Fi02 <

250 (Ausschluss manifeste Herz-Lungenerkrankung als Ursache)■ Niere: Renale Dysfunktion: Diurese < 0,5ml/kg/h über 2h trotz adäquater

Flüssigkeitssubstitution■ Hämodynamik und Oxygenierung: Metabolische Azidose: BE < -5mmol/l oder

Lactat > 3 mmol/l

Sepsis: Infektion und SIRSSchwere Sepsis: Infektion, SIRS und mindestens 1 OrgandysfunktionSeptischer Schock: Sepsis sowie für mind. 1h syst. Art. RR < 80mmHg, bzw.

MAP<65mmHg oder Vasopressoreinsatz um den o.g. Werten zuhalten (trotz adäquater Volumengabe und Ausschluss andererUrsachen)

II Diagnostik, Fokussuche

● Labor: ■ bei Erstlabor: gr. Routine, große Gerinnung (Quick, PTT, Fibrinogen, AT3), venöse

BGA aus dem ZVK (Azidose, zentralvenöse Sättigung)■ Folgelabor: kleine Routine (bb, HKE, CRP, CK, GOT, GPT, LDH), große

Gerinnung (Quick, PTT, Fibrinogen, AT3), Lactat, zentralvenöse BGA sowie diepathologischen Laborparameter des Erstlabores

● Mikrobiologie■ Abnahme von Blutkulturen vor Beginn einer antibiotischen Therapie, bei bereits

laufender Antibiose direkt vor der nächsten Gabe; Abnahme möglichst nicht überZVK oder arterielle Kanüle

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■ Abnahme von Trachealsekret mit Gramfärbung1 und Urinkultur vor Beginn derantibiotischen Therapie

■ Bei klinischem V.a. Meningitis CCT2 und Liquorpunktion mit Gramfärbung vorantibiotischer Therapie3

■ Entnahme von Abstrichen aus potentiellen Foci, ggf. intraoperative Abstriche● Bei V.a. Katheter-assoziierte Sepsis:

■ Entfernung invasiver Katheter, die als Infektionsquelle in Frage kommen mitmikrobiolog. Untersuchung der Katheterspitze, vor Entfernung zusätzlichAbnahme von Blutkulturen über liegenden Katheter

● Bildgebung zur Fokussuche■ Röntgen-Thorax■ Abdomen-Sonographie (obligat bei renaler Dysfunktion)■ erweiterte Bildgebung per CT nach Rücksprache mit OA■ TEE bei V.a. Endokarditis

III Monitoring

● Laborparameter: initial zweimal pro Tag (siehe unter Labor)● ZVD-Messung: dient v.a. als Variable zur Bestimmung des systemischen vask.

Widerstandes● PICCO-Monitoring: Bevorzugtes Monitoringverfahren im septischen Schock

(Vasopressorbedarf), Kalibration einmal pro Schicht.● Pulsoxymetrie und Überwachung des O2-Bedarfes (siehe Indikation zur Beatmung)

IV Kausale Therapie

● Fokussanierung, wo immer möglich z.B. Abszessdrainage, Splinteinlage, Amputation…● Intravenöse Antibiotikatherapie mit frühestmöglichem Beginn (innerhalb einer Stunde !)

mit Reevaluation nach 48-72h (unter Berücksichtigung der mikrobiologischen Befunde),Dauer max. 7-10 d

■ für die Antibiotikaauswahl gilt der jeweils aktuelle Standard derAntibiotikakommission

V Supportive Therapie

● Hämodynamische Stabilisierung:■ Schritt 1: Volumensubstitution, provisorisches Ziel (vor ZVD-Analyse und PICCO-

Messung): Halsvenenfüllung in der Exspiration auch bei 30°-Hochlagerung klarsichtbar),

○ Ziel MAP>65mmHg, zentralvenöse Sättigung >70%, ○ Gabe von Kristalloiden (initial 500-1000ml) oder Kolloiden (initial 500ml)

■ Schritt 2: Anhebung des HZV mit Dobutamin (keine supranormalen Werte)■ Schritt 3: Blutdruckanhebung mit Noradrenalin (keine Empfehlung für Adrenalin

und Vasopressin)● EK-Gabe zur Anhebung der zentralvenösen Sättigung, wenn Volumengabe allein nicht

ausreichend (Mindest-Hb 7-9g%, bei schwerer KHK >10g%)○ Keine Empfehlung für Humanalbumin

● Pulmonale Stabilisierung:

1 Gramfärbung anfordern in der Regeldienstzeit, wenn für frühzeitige gezielte Antibiotikaauswahl hilfreich2 Zum Ausschluss eines Hirndruckes3 Zweites Röhrchen im Kühschrank asservieren, falls pathologischer Liquorbefund

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Standard Operating Procedure der Intensivstation II, Klinikum am Bruderwald, Datum der Version: 24.02.2008

■ frühzeitige Respiratortherapie● bei Sättigungsabfall < 90% unter max. 4 Liter O2 über Sonde● bei Vigilanzstörung mit drohender Aspiration

■ Lungenprotektive Beatmung (AZV 6ml/kgKG, Plateaudruck <30mbar, PEEP nachFiO2)

■ bei schwerer Oxygenierungsstörung 135°-Lagerung oder Bauchlagerung 2mal/die■ permissive Hyperkapnie tolerabel (pH>7,20, nicht bei erhöhtem Hirndruck)■ Spontanatmungsversuch 1xtgl bei stabilen Patienten

● Thromboseprophylaxe mit unfraktioniertem oder niedermolekularem Heparin ● Ernährung bevorzugt enteral, siehe SOP künstliche Ernährung● Intensivierte Insulintherapie , siehe SOP intensivierte Insulintherapie● Stressulcusprophylaxe:

■ Protonenpumpeninhibitoren bei Vasopressorbedarf■ bei Erreichen einer vollständigen enteralen Ernährung und ohne Vasopressoren

bedarf es keiner medikamentösen Säureblockade mehr

VI Adjunktive Therapie

● Hydrocortison: Gabe bei septischem Schock, wenn Vasopressortherapie erforderlich;200mg kontinuierlich über 24h; ausschleichende Gabe nach Beendigung derVasopressortherapie (Halbierung der Dosis alle 2 Tage)

○ ACHTUNG: Wegen negativer Ergebnisse der Corticus-Studie wird die Empfehlungzur Hydrocortisontherapie zunächst ausgesetzt.

● Rekombinantes aktiviertes Protein C (Xigris®): Gabe innerhalb von 48h (möglichst bereits24h) bei schwerer Sepsis mit mindestens 2 Organversagen; CAVE: Erhöhung desBlutungsrisikos, frühestens 12h nach operativen Eingriffen, 2h vor geplantenInterventionen absetzen. Dosierung. 24μg/kgKG/h über 96h

● derzeit keine sichere Empfehlung für AT III, Immunglobuline oder Selen ○ Unsichere Studienlage mit Trend zur Empfehlung IgGAM-Substitution (Pentaglobin ® ) und Selen

(Selenase ® ) bei Sepsis