Die „Kaiserin von Aachen€¦ · Die „Kaiserin von Aachen" und die Theologie des Kleides...
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Die „Kaiserin von Aachen"
und die Theologie des Kleides
Gnadenbild Maria Kaiserin im Aachener Dom
Das Domkapitel des Aachener Domes hat anläßlich der Feierlichkeiten „40 Jahre U N E S C O Welterbe Aachener Dom" einen Gestaltungswettbewerb ausgelobt mit dem Titel „Ein Kleid für Maria". Die Gottesmutter des Domes, die von den Gläubigen auch als „Kaiserin von Aachen" verehrt wird, soll ein neues Gewand erhalten. Die Domherren möchten, „anders als bei den bisherigen Gewändern", kein neu
es Festtagsgewand für das Gnadenbild. Statt dessen wollen sie lieber eine „Maria", die „als eine Frau aus dem Volk" erkennbar sei und so „für viele Gläubige Identifikationsfigur und Vermittlerin zwischen Gott und den Menschen" werden könne. Maria soll aus ihrer „herrscherlichen [!] Sphäre" geholt werden. Diese würde j a gerade durch „ihre[] kostbaren Gewänder, Kronen, Zepterf] und Schmuckstücke [ ] " zum Ausdruck gebracht, was man nicht mehr sehen möchte. In Zukunft solle Maria „als Mensch und Gegenüber" „gezeigt werden". Darum wird „ein modernes Gewand für den Alltag" gewünscht.
Nachdem die Ausschreibung, die mit Preisgeldern zwischen 1000 und 5000 Euro ausgestattet wurde, an die Öffentlichkeit kam, berichtete am 3. Juli 2018 auch der W D R . Die vom Domkapitel beauftragte Initiatorin des „Gestaltungswettbewerbes", die Le i terin der Domschatzkammer Aachen, Frau Dr. Birgitta Falk, sagte den Medien was ihr wichtig ist; sie wi l l „ . . . nicht wieder sowas Prächtiges für Maria als Himmelskönigin, sondern Maria als Frau aus dem Volke, Maria als Gegenüber, zu der man betet, die eben auch Vermittlerin ist zwischen Himmel und Erde Darum seien selbst Entwürfe, die „gegen den Strich gehen", erlaubt.
Die Aussagen von Dr. Falk und den im WDR-Bericht zu Wort kommenden Personen waren für einige Gläubige Anlaß, sich an die Verantwortlichen in Aachen zu wenden und gegen das Vorhaben zu protestieren. Zeitgleich wurde die „Unterschrif-
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GLAUBE & LEBEN
Aachener Dom
ten-Sammlung gegen ,E in Kleid für Maria'" [https://kaiserinvonaachen. wordpress.com] ins Leben gerufen. Man wollte nicht zulassen, daß Maria, wie im WDR-Beitrag zu sehen und zu hören war, im Bikini , im Hosenanzug oder gar in einem sexistischen Bühnenkostüm einer Popsängerin dargestellt würde. Höchst alarmiert fühlten sich die Gegner der Aachener Ausschreibung durch Frau Dr. Falk, die den TV-Beitrag öffentlichkeitswirksam als Werbung für den Wettbewerb nutzte und betonte: „Wir sind für alles offen." A u f der Website „Kaiserin von Aachen" ist zu lesen: „Es hat uns sehr geärgert, dass durch diesen Beitrag der Name der aller-seligsten Jungfrau Maria in aller Öffentlichkeit in den Schmutz gezogen wurde."
In einer Zeit, in der die katholische Kirche dermaßen im Fokus ungünstiger Berichterstattungen steht, sollten Bischöfe und deren Domherren andere Sorgen umtreiben, als der Gottesmutter ein „zeitgemäßes Kle id" zu verpassen. Es mag sein, daß diese Herren die Lehren der Kirche über das Gottes- und Menschenbild nicht verstehen. Wie auch, wenn sie den Menschen gefallen wollen und nicht Gott.
Theologie des Kleides Der katholische Theologe Erik Peter-son (1890-1960) hat im Jahre 1934 in der „Benediktinischen Monatsschrift" (jetzt: „Erbe und Auftrag") einen Aufsatz vorgelegt, der gerade heute von Verantwortungsträgern der katholischen Kirche, insbesondere ihren
Bischöfen und Domkapitularen, aufmerksam gelesen werden sollte. Unter dem Titel „Theologie des Kleides" entfaltet Peterson eine höchst aktuelle Sicht auf die Geschlechtlichkeit und
Gebet zur Kaiserin von Aachen:
Ave Maria Kaiserin, Hilfe der Christen,
bitte für das Dir geweihte Bistum, besonders für den Bischof,
alle Priester und Gottgeweihten und ganz besonders
für ein christliches Europa. Amen.
die Nacktheit. Darüber hinaus ist sein Aufsatz über den Menschen und sein Kleid ein Plädoyer für eine anständige und würdevolle Kleidung. Peterson sieht klar, daß „das irdische Gewand zum Werkzeug der Begierlichkeit und der Verführung" werden kann. „Daher ist das Offenbarwerden der körperlichen Nacktheit auch immer zugleich ein Offenbarwerden der fehlenden Gerechtigkeit, Unschuld und Unvergäng-lichkeit."
Es sind die begierlichen Augen des Menschen, die den anderen Menschen ausziehen und zum Objekt ihrer Begierde machen, ihm die Unschuld rauben. Diese Augen suchen das E x zentrische, Grelle, Spektakuläre. Solche begierlichen Augen reißen jedem die Kleider überall und zu jeder Zeit vom Leibe. Sie haben keine Achtung und keinen Respekt vor dem Anderen. Nur das „ICH" zählt; alles soll meinem
Spaß dienlich sein, dafür muß alles herhalten.
Die Aufgabe der Kirche ist es, daß sie auf das Gute und Schöne achte. Die Kirche bewahrt das Unbefleckte, Rei
ne. Der Mensch ist von Gott aus rein. Doch seit dem Sündenfall gibt es die Nacktheit. Vorher, im Paradies, bei Gott, gab es die Unbekleidetheit. Doch diese Unbekleidetheit war noch keine Nacktheit, wie Peterson feststellt. „Die Nacktheit setzt wohl Unbekleidetheit voraus, aber sie ist nicht mit ihr identisch." Den Christen sind die Augen „aufgetan", sie erkennen und haben die Möglichkeit, zu unterscheiden. Wir müßten doch unsere Nacktheit bemerken. Sie hat zu tun mit unserer Zur-Schau-Stellung -
unserer eigenen und der der anderen. Der Mensch hat sich durch seinen
Fall entblößt, und er entblößt sich immer wieder. Die Blöße des Körpers wird durch das Kleid bedeckt. Durch die Aufdeckung des Leibes wird jedoch die Scham sichtbar. Gott hat uns ein Schamgefühl gegeben, damit wir unsere Blöße, unseren Körper bedecken. Unser Leib ist nicht mehr unschuldig und unvergänglich, darum hüllen wir ihn in ein Gewand, geben wir ihm ein Kleid.
Empfindsame Menschen schämen sich. Sie schämen sich für sich und manchmal für andere. Darum sollten wir nicht die menschliche Verderbnis hervorkehren. Statt dessen sollten wir sie versteckt halten - mit dem Tuch der Lehre und der Gebote Gottes. •
Hans Jakob Bürger
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