Die Anfänge des weltlichen Dramas Die mittelalterlichen Neidhartspiele.

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Die Anfänge des weltlichen „Dramas“ Die mittelalterlichen Neidhartspiele

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Die Anfänge des weltlichen „Dramas“

Die mittelalterlichen Neidhartspiele

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Vorbemerkungen• Eine „Frühgeschichte“ des Dramas, wie sie die geistlichen

Feiern für die geistlichen Spiele darstellen, lässt sich im Bereich der weltlichen Spiele nicht nachweisen.

• Gleichwohl ist dialogisches Interagieren im weltlichen Bereich nicht auszuschließen, ohne dass dies literarische gefasst würde (Beispiel: bäuerliches Brauchtum etc.).

• Literarisch belegt ist dialogisches Sprechen etwa in dialogischen Partien in Romanen (Heinrich von Veldeke, Hartmann von Aue) oder in zahlreichen Schwankerzählungen (Stricker).

• Fastnacht als Ansatzpunkt dialogischer Konzeptionen (s.u.)• Erster belegbarer Text eines weltlichen Spiels: das St. Pauler

Neidhartspiel, in dessen Mittelpunkt ein vielfach überlieferter Schwank um den wohl niederadligen Minnesänger Neidhart steht.

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Neidhart. Der Sänger und seine Dichter-“Legende“

• Der Sänger Neidhart: um 122571245 nachweisbar als niederadliger (?) Berufsdichter und Sänger in Bayer und Niederösterreich.

• Anbindung an den österreichischen Hof der Babenberger (Wien/Klosterneuburg) unter Herzog Friedrich II. (1230-1246).

• Gegenstand der Lyrik Neidharts: Liebe im Milieu der Bauern. der von Riuwental konkurriert mit den Dorfburschen um die Zuneigung der Mädchen.

• Scharfe Schelte der Bauern und ihres unkultivierten Verhaltens und ihres Geltungsbestrebens.

• Publikum von Neidharts Lyrik: der bayerische und österreichische Adel des Zeit. Keine „Bauernlyrik“.

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Der Sänger Neidhart, bedrängt von Bauern (mit zu langen Schwertern und Beckenhauben).

Codex Manesse, Zürich. um 1320

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Merkmale von Neidharts Lyrik(s. VL; G. Schweikle, Neidhart; Texte: reclam)

• Zwei Liedtypen, unterschieden nach dem jeweiligen Natureingang: Sommerlieder – Winterlieder (abgek.: SL/WL).

• Parodistische Verwendung von Elementen der „Hohen Minne“.

• Publikum: nach wie vor der Adel! Keine Lyrik des Landvolks!• Durchschlagender Erfolg – reiche handschriftliche

Überlieferung – zahlreiche Nachdichter in Neidharts Manier („Neidhartianer“, s. VL; Killy, Literaturlexikon 2. Aufl. 2009).

• Neidhart-Schwänke in Liedform (Schwanklieder), belegt seit Mitte 13. Jh.: u.a.:

• Veilchenschwank: begründet den Anfang der Feindschaft zwischen Neidhart und den Bauern.

• Grundlage: ländliches Brauchtum der Maibuhlenschaft.• Zahlreiche weitere Schwänke: u.a. Kuttenschwank;

Salbenschwank; Faßschwank (s.u.).

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Neidhart: Autor und fiktive Figur einer „Dichterlegende“

• Mehrere Dramatisierungen von N.-schwänken: zuerst: ‚St. Pauler Neidhartspiel‘. Weitere Neidhart-Dramen: Lit.: LV (‚Neidhartspiele‘). Texte s. LV 20, z.B. das ‚Große Neidhartspiel‘, Spielzeit: ein ganzer Tag; Mitwirkung von Musikinstrumenten.

• Romanhafte Bearbeitung im 15. Jh.: ‚Neidhart Fuchs‘ (s.VL), eine fiktive, romanhafte N.-“Biographie“; Schwank-Kette mit eingelagerten Liedern. - Überlieferung in mehreren Druckausgaben; Holzschnitte. –

• Neidharttradition 14./15. Jh.: zahlreiche Bildzeugnisse (Buch- und Wandmalerei, Skulptur).

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Neithart Fuchs, Veilchenschwank 1 (aus: Narrenbuch, hg. v. Fr. Bobertag, Berlin 1884)

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Neithart Fuchs, Veilchenschwank 2 (aus: Narrenbuch, hg. v. Fr. Bobertag, Berlin 1884)

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Neithart Fuchs, Veilchenschwank 3 (aus: Narrenbuch, hg. v. Fr. Bobertag, Berlin 1884)

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Neidharttanz als Wandmalerei. Wien, Tuchlauben 19. 14. Jh.

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Neithart Fuchs, Salbenschwank (aus: Narrenbuch, hg. v. Fr. Bobertag, Berlin 1884)

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Neithart Fuchs, Kuttenschwank (aus: Narrenbuch, hg. v. Fr. Bobertag, Berlin 1884)

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Neithart Fuchs, Grab des Ritters Neithart (aus: Narrenbuch, hg. v. Fr. Bobertag, Berlin 1884)

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Sog. Neidhartgrab, Anf. 14. Jh.Wien, Stephansdom, Südseite

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Das ‚St. Pauler Neidhartspiel‘(vgl. Simon, LV 114, S. 39-57; Text ebd. S. 49-52)

• Überlieferungsbefund: Hs. heute in der Bibliothek des Benediktinerklosters St. Paul im Lavanttal (Kärnten), Hs. 261/4, f. 37ra-37va, aufgezeichnet innerhalb einer Brief- und Formelsammlung; geübte Schrift; geschrieben um 1367/70 (vgl. Simon, LV 114, S. 42ff.).

• Aufzeichnung nicht zur Verwendung für eine Aufführung; evtl. aus einer Aufführung im Umkreis einer Lateinschule stammend.?

• Überlieferung wohl unvollständig:• Regieanweisungen (Rubra) lat.• Drei Rollen: Proclamator; Nithardus; ducissa (‚Herzogin‘);

daneben weitere Rollen, nicht mit Sprechtexten ausgestattet: junckfrawen ( und Bauern: Nithardus ad rusticos )

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Weitere Neidhart-Spiele: 15. Jh.(‚VL: Neidhartspiele‘; Simon, LV 114; Texte: LV 20)

• ‚Tiroler (Großes) Neidhartspiel‘, 1. H. – Mitte 15. Jh.• alle bekannten Schwank-Versionen werden berücksichtigt,

dazu Hölle: die Teufel stiften Streit unter den Bauern an, um sich Recht auf deren Seelen zu verschaffen (Anregung der Höllenszenen der Osterspiele offenkundig).

• Mindestens einen ganzen Tag beanspruchend: 2624 vv.; insgesamt 70 Sprechrollen.

• Zahlreiche Requisiten erwähnt; 13 Reigentänze der Bauern und der Ritter; zahlreiche Liedeinlagen (z.T. nicht textiert, also zu improvisieren).

• ‚Tiroler (Mittleres) Neidhartspiel‘ (1064vv.), Mitte 15. Jh.• ‚Nürnberger (Kleines) Neidhartspiel‘, (236vv.); Ende 15. Jh.• Hans Sachs, ‚Neidhart mit dem feyhel‘ (1557).