Die Angst vieler Physiker vor der Raumenergie - ein Nachtrag · 2013. 4. 20. · der letzten...

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34 NET-Journal Jg. 18, Heft Nr. 3/4 März/April 2013 Prof. Claus W. Turturs Beitrag in der letzten Ausgabe über “Die Angst vieler Physiker vor der Raumenergie” fand grossen An- klang, wie Prof. Turtur hier selber bestätigt. Er verfasst hier einen ausführlichen Nachtrag. Das Feedback Nachdem ich den Teil „Die Angst vieler Physiker vor der Raumenergie, eine wissenschafts-soziologische Betrachtung“ geschrieben hatte, be- kam ich von einigen Menschen per E-Mail Rückmeldungen, die diesen Text gelesen und versucht hatten, über dieses Thema mit Physikern zu sprechen. Interessanterweise bekam ich keineswegs dominant Ablehnung zu hören, sondern es fühlten sich ei- nige Menschen ermutigt, die ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht hatten, meinen Artikel zu bestätigen. Mit Rücksicht auf die Absender will ich die Texte einiger eingegangener E-Mails in verkürzter und anonymi- sierter Form reflektieren, zum Bei- spiel das folgende: „Ich bin selber Physiker, habe jahr- zehntelang... an der Universität (gearbeitet). Eigentlich war meine Motivation zum Physikstudium mein Wille zur Erkenntnis. Ein wesent- licher Punkt dieser Erkenntnis war die frustrierte Einsicht, dass die eta- blierten Größen wenig Interesse an echter Erneuerung zeigen. Mehr noch, als Forscher und Wissen- schaftler hat man nur eine Chance, finanziell zu überleben, wenn man in den richtigen Wissenschaftslobbies verkehrt und den Modemainstream mitmacht. Es geht nicht um Wissen- schaft, sondern um Macht- und Stel- lenpoker, um Etablierungssucht und Forschungsgeld-Gerangel. Raumquantenenergie finde ich das spannendste Thema, das es in der Physik zur Zeit gibt. Es müsste, ob seiner Dringlichkeit und Brisanz … die Nummer Eins in den Medien sein. Ich bin 1000% überzeugt: das ist unsere Zukunft ! Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie Glück haben werden und Ihre Arbeit fortsetzen können, zum Wohle aller Menschen, der Natur, des gan- zen Planeten. Ich drücke Ihnen die Daumen.“ (Ende der Wiedergabe) Auch kürzere E-Mails gingen ein, wie etwa in der Art: „Ich bin ja selbst Physiker und halte die kleinen Versuche, wie be- schrieben, zumindest für nicht voll- ends abwegig. Ich werde meine ehe- maligen Kollegen bitten, die zugrun- deliegenden Theorien zu prüfen.“ (Ende der Wiedergabe) Die meisten dieser eingehenden E- Mails nahm ich interessiert oder dan- kend zur Kenntnis, ein Beispiel jedoch existiert, bei dem ein Wissenschaftshi- storiker einen meiner Freunde ange- schrieben hatte, der es wiederum (mit Erlaubnis des Historikers) an mich weitergeleitet hatte. Dieses Beispiel hat mich zu einer Reaktion veranlasst, die ich nach der Wiedergabe des Bei- spiels aufzeigen werde. „Als Wissenschaftshistoriker wun- dert es mich nicht, dass Herr Prof. Turtur auf diverse Schwierigkeiten stößt, seine Ideen auch nur zu publi- zieren. Das war bei grundsätzlich neuen Ideen schon immer so. Heut- zutage gibt es eine enorme Anzahl unterschiedlicher, sich teils auch widersprechender theoretischer Kon- zepte, ob in der Kernphysik oder in der Kosmologie. … Ich denke: Wis- senschaft sollte frei sein, und des- halb müsste man allen Denkansät- zen, die halbwegs vernünftig funda- mentiert sind, zumindest eine ent- sprechende Öffentlichkeit (auch jen- seits des Internets) verschaffen. Dass namhafte Fachjournale diesem Prinzip oft nicht folgen, finde ich be- dauerlich und auch bedenklich.“ (Ende der Wiedergabe) Eine neue Bettlektüre Meine Reaktion begann eigentlich mit der Reaktion meiner Ehefrau, namentlich indem sie mir ein Buch zur Physikgeschichte kaufte und schenkte, nämlich „Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt“[0] von Fritz Krafft, marixverlag, 2.Aufla- ge 2012, ISBN: 978-3-86539-911-3 Ich nahm es zur Bettlektüre und las es mit den Augen eines Wissen- schaftlers, der die Erläuterung des Historikers am eigenen Leibe erfah- ren hatte. Die wissenschaftlichen Lei- stungen der großen Vorfahren nahm ich mit gelassenem Interesse zur Kenntnis, aber wirklich bewegt haben mich die persönlichen Schicksale dieser Menschen, der Vordenker der Jahrhunderte. Das Buch beginnt mit Schicksalen antiker Natur- philosophen Wir beginnen (auf S. 21 des ge- nannten Buches) mit Leukippos und seinem Schüler Demokrit, die lehr- ten, dass Materie keine homogene Substanz ist, sondern aus diskreten kleinsten Einheiten besteht, den sogenannten Atomen. „Atome“ - welch ein Unsinn! Das konnten die berühmten Größen wie Platon und Die Angst vieler Physiker vor der Raumenergie - ein Nachtrag Von Claus W. Turtur, Wolfenbüttel Das Buch “Die wichtigsten Naturwissen- schaftler im Porträt” von Fritz Krafft - die neue Bettlektüre von Prof. Turtur.

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  • 34 NET-Journal Jg. 18, Heft Nr. 3/4 März/April 2013

    Prof. Claus W. Turturs Beitrag inder letzten Ausgabe über “DieAngst vieler Physiker vor derRaumenergie” fand grossen An-klang, wie Prof. Turtur hier selberbestätigt. Er verfasst hier einenausführlichen Nachtrag.

    Das Feedback

    Nachdem ich den Teil „Die Angstvieler Physiker vor der Raumenergie,eine wissenschafts-soziologischeBetrachtung“ geschrieben hatte, be-kam ich von einigen Menschen perE-Mail Rückmeldungen, die diesenText gelesen und versucht hatten,über dieses Thema mit Physikern zusprechen. Interessanterweise bekamich keineswegs dominant Ablehnungzu hören, sondern es fühlten sich ei-nige Menschen ermutigt, die ähnlicheErfahrungen wie ich gemacht hatten,meinen Artikel zu bestätigen.

    Mit Rücksicht auf die Absender willich die Texte einiger eingegangenerE-Mails in verkürzter und anonymi-sierter Form reflektieren, zum Bei-spiel das folgende:

    „Ich bin selber Physiker, habe jahr-zehntelang... an der Universität(gearbeitet). Eigentlich war meineMotivation zum Physikstudium meinWille zur Erkenntnis. Ein wesent-licher Punkt dieser Erkenntnis wardie frustrierte Einsicht, dass die eta-blierten Größen wenig Interesse anechter Erneuerung zeigen. Mehrnoch, als Forscher und Wissen-schaftler hat man nur eine Chance,finanziell zu überleben, wenn man inden richtigen Wissenschaftslobbiesverkehrt und den Modemainstreammitmacht. Es geht nicht um Wissen-schaft, sondern um Macht- und Stel-lenpoker, um Etablierungssucht undForschungsgeld-Gerangel.

    Raumquantenenergie finde ichdas spannendste Thema, das es inder Physik zur Zeit gibt. Es müsste,ob seiner Dringlichkeit und Brisanz… die Nummer Eins in den Mediensein. Ich bin 1000% überzeugt: dasist unsere Zukunft !

    Ich hoffe und wünsche Ihnen, dassSie Glück haben werden und IhreArbeit fortsetzen können, zum Wohlealler Menschen, der Natur, des gan-zen Planeten. Ich drücke Ihnen dieDaumen.“ (Ende der Wiedergabe)

    Auch kürzere E-Mails gingen ein,wie etwa in der Art:

    „Ich bin ja selbst Physiker undhalte die kleinen Versuche, wie be-schrieben, zumindest für nicht voll-ends abwegig. Ich werde meine ehe-maligen Kollegen bitten, die zugrun-deliegenden Theorien zu prüfen.“(Ende der Wiedergabe)

    Die meisten dieser eingehenden E-Mails nahm ich interessiert oder dan-kend zur Kenntnis, ein Beispiel jedochexistiert, bei dem ein Wissenschaftshi-storiker einen meiner Freunde ange-schrieben hatte, der es wiederum (mitErlaubnis des Historikers) an michweitergeleitet hatte. Dieses Beispielhat mich zu einer Reaktion veranlasst,die ich nach der Wiedergabe des Bei-spiels aufzeigen werde.

    „Als Wissenschaftshistoriker wun-dert es mich nicht, dass Herr Prof.Turtur auf diverse Schwierigkeitenstößt, seine Ideen auch nur zu publi-zieren. Das war bei grundsätzlichneuen Ideen schon immer so. Heut-zutage gibt es eine enorme Anzahlunterschiedlicher, sich teils auchwidersprechender theoretischer Kon-zepte, ob in der Kernphysik oder inder Kosmologie. … Ich denke: Wis-senschaft sollte frei sein, und des-halb müsste man allen Denkansät-zen, die halbwegs vernünftig funda-mentiert sind, zumindest eine ent-sprechende Öffentlichkeit (auch jen-seits des Internets) verschaffen.Dass namhafte Fachjournale diesemPrinzip oft nicht folgen, finde ich be-dauerlich und auch bedenklich.“(Ende der Wiedergabe)

    Eine neue Bettlektüre

    Meine Reaktion begann eigentlichmit der Reaktion meiner Ehefrau,namentlich indem sie mir ein Buchzur Physikgeschichte kaufte und

    schenkte, nämlich „Die wichtigstenNaturwissenschaftler im Porträt“[0]von Fritz Krafft, marixverlag, 2.Aufla-ge 2012, ISBN: 978-3-86539-911-3

    Ich nahm es zur Bettlektüre undlas es mit den Augen eines Wissen-schaftlers, der die Erläuterung desHistorikers am eigenen Leibe erfah-ren hatte. Die wissenschaftlichen Lei-stungen der großen Vorfahren nahmich mit gelassenem Interesse zurKenntnis, aber wirklich bewegt habenmich die persönlichen Schicksaledieser Menschen, der Vordenker derJahrhunderte.

    Das Buch beginnt mitSchicksalen antiker Natur-philosophen

    Wir beginnen (auf S. 21 des ge-nannten Buches) mit Leukippos undseinem Schüler Demokrit, die lehr-ten, dass Materie keine homogeneSubstanz ist, sondern aus diskretenkleinsten Einheiten besteht, densogenannten Atomen. „Atome“ -welch ein Unsinn! Das konnten dieberühmten Größen wie Platon und

    Die Angst vieler Physiker vor der Raumenergie- ein Nachtrag

    Von Claus W. Turtur, Wolfenbüttel

    Das Buch “Die wichtigsten Naturwissen-schaftler im Porträt” von Fritz Krafft - dieneue Bettlektüre von Prof. Turtur.

  • März/April 2013 NET-Journal Jg. 18, Heft Nr. 3/4 35

    Aristoteles natürlich nur ablehnen.So kommt Kollege Krafft in seinemBuch zu der Aussage, daß von derEpikureischen Form der Atomistiknicht viel überliefert ist, letztlich des-halb, weil diese „Atomtheorie“ keinewesentliche Zustimmung fand.

    Aber auch der große Aristoteles,der eine gewaltige Bedeutung ge-wonnen hatte, so daß er bekanntlichüber weit mehr als ein ganzes Jahr-tausend hinweg, also über ganzeKulturepochen, den wissenschaft-lichen Grundtenor des Mainstreamsgeprägt hatte, wurde nicht rundher-aus akzeptiert, wie wir auf Seite 25fflesen:

    Aristoteles hatte sich ... so weitvon den Lehren Platons entfernt,dass dieser, um den Bestand seinerSchule und Lehrer bedacht, nichtihm, dem begabtesten seiner Schü-ler, die erhoffte Nachfolge in der Lei-tung der Akademie übertrug. Nungut, Aristoteles wurde schließlich derpersönliche Erzieher des PrinzenAlexander von Makedonien, derdann später als Alexander der Großeeines der großflächigsten Weltreichebeherrschte, das die Menschheitsge-schichte je gesehen hatte. Das Endevom Lied gipfelt dann ist der Tatsa-che, dass Aristoteles nach dem Tod

    von Alexander (323 v.Chr.) keinenBeschützer mehr hatte und angefein-det werden konnte. Man strengteeinen Prozess gegen ihn an wegenangeblicher Gotteslästerung, dem ersich nur durch Flucht auf das Land-gut seiner Mutter entziehen konnte.Seine Flucht begründete er damit,daß er nicht das gleiche Schicksalerleiden wolle wie sein berühmterälterer Kollege Sokrates, der auchheute noch wegen seiner herausra-genden Bedeutung in der Philoso-phiegeschichte bekannt ist.

    Sokrates war nämlich wegen „ver-derblichem Einfluss auf die Jugendund Missachtung der Götter“ zumTode verurteilt worden und hatte ausRespekt auf eine Flucht verzichtet undden Tod durch Vergiften akzeptiert [1].

    Im Laufe der Jahrhunderte, sodürfte man glauben, wird natürlichalles besser – oder wie geht’s wei-ter? Wird wirklich etwas besser?

    Wir beantworten diese Fragenachfolgend.

    Auf Seite 46 erzählt Krafft voneinem arabischen Medizin-Wissen-schaftler namens Abu-L WalidMuhammad Ibn Ahmad Ibn Muham-mad, der später unter dem deutlichkürzeren Namen Averroës bekanntwurde. Er lebte und wirkte im 12.Jahrhundert im arabischen Teil derIberischen Halbinsel und in Nordafri-ka. Er stieg auf bis zum Leibarzt desKalifen in Marrakesch. Als Philosophfiel er in Ungnade, wurde in einenkleinen Ort in der Region von Cordo-ba verbannt und mehrfach angeklagt.Schließlich wurde das (später wiederaufgehobene) Urteil gefällt, daß einTeil seiner Bücher zu verbrennen sei.

    Aber auch später trugen christlichePhilosophen, die seiner Theorie ab-lehnend gegenüber standen, heißeKämpfe aus, darunter Albertus Mag-nus und Thomas von Aquin.

    Zu den Spätfolgen dieser Streite-reien zählen auch die wesentlichspäter vollzogene Trennung vonTheologie, Philosophie und Naturwis-senschaft. Für mich deutet eine der-artige Trennung immer auf eine mas-sive Distanzierung hin – man mini-miert den Dialog.

    Zur Gestalt der Erde

    Nicole d’Oresme denkt im 14.Jahrhundert über die Bewegung derErde nach (die er allerdings verneint)und über die Gestalt der Erde, die erals einer Kugelgestalt sehr naheansieht, jedoch Abweichungen vonder Kugelgestalt vermißt, die wirnoch heute in dieser Form akzeptie-ren [2]. Wir sagen heute, daß dieErde von Pol zu Pol einen etwas klei-neren Durchmesser hat, als über denÄquator gemessen. Es ist auchbekannt, daß die katholische Kirchezu diesem Thema Stellung nahm,und hiermit landen wir auf Seite 52bei Krafft, wo er schreibt:

    „Weil ihre Inhalte christlichenGlaubenssätzen widersprachen, warerstmals 1210 auf der Pariser Syno-de das öffentliche und private Lesenaller naturphilosophischen Schriftendes Aristoteles und der Kommentareunter Androhung der Exkommunika-tion verboten worden. 1215 hatte diePariser Universität dieses Verbot inihre Statuten aufgenommen; 1245war es von Papst Innozenz IV na-

    Die atomarischen Elemente im Periodensystem.

    Atome als Unsinn verworfen, So-krates rechtskräftig zum Tode ver-urteilt und hingerichtet, Aristotelesgeflüchtet – war das eine komischeZeit in der Antike...

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    mentlich auf die 1229 gegründeteUniversität Toulouse ausgedehntworden, die gerade mit Aristoteles-Unterricht um die Studierenden ge-worben hatte; 1231 hat aber bereitsPapst Gregor IX eine Kommissioneinberufen, um die dem Universitäts-unterricht zugrunde gelegten aristo-telischen Schriften im christlichenSinne zu revidieren.“ Irgendwannkam dann sogar eine These von der„doppelten Wahrheit“ auf. Auch lesenwir auf Seite 53 unter anderem dieWorte: „Diese Form, Widersprüchezwischen Vernunft (Wissen) undGlauben durch Verbot zu lösen, warnatürlich unbefriedigend ...“

    Ist das Mittelalter wirklich humanerals die Antike?

    Ich weiß es nicht, wenn ich an dievielen Menschen denke, die imMittelalter bei lebendigem Leibe ver-brannt wurden. Vielmehr möchte ichdie Frage stellen, ob es überhaupt jetolerante und humane Zeitalter gaboder geben wird?

    Nikolaus Kopernikus undAndere

    Kopernikus, der unser Weltbild völ-lig revolutionierte und zu dem Gedan-ken führte, die Erde bewege sich umdie Sonne, hat diesen Gedanken offi-ziell nie in der genannten Form ausge-

    sprochen. Er wollte nicht unser Welt-bild revolutionieren, sondern nurrestaurieren, indem er sich auf dieuralte Astronomie aus der Zeit vor Pto-lemaios besann. Um sich mit seinenErkenntnissen nicht selbst persönlichin Gefahr zu bringen, ließ er seinHauptwerk, das ein heliozentrischesWeltbild einführt (also mit der Sonneim Zentrum der Bewegung der Plane-ten und der Erde), erst nach seinemTode publizieren. Er hat die Publikationeinfach (siehe Krafft, Seite 63) solange zurückgehalten, daß er „dessenendgültiges Erscheinen nicht mehrerlebte“. Auf jeden Fall war er sosicher, daß ihm ein natürlicher Tod ver-gönnt blieb.

    Schon oft betrachteten die eta-blierten Wissenschaftler des Main-streams ihr eigenes persönlichesindividuelles Weltbild als abgeschlos-sen und postulierten daraus, dasgesamte Wissen der Menschheit seiabgeschlossen und könne nicht mehrerweitert werden, da es vollständigsei. Max Planck hatte man mit dieserBegründung vom Physikstudium ab-geraten - zum Glück ignorierte er die-sen Rat. Auch heute hört man oft vonmächtigen etablierten Kollegen die-ses Argument der Abgeschlossenheitder Wissenschaften.

    Aber bereits im Mittelalter gab esähnliche menschliche Einstellungen.

    Als Beispiel hierfür berichtet Krafftvon Leonhard Fuchs, der aus religiö-sen Gründen ein Vorlesungsverboterdulden mußte, dann aber an dieUniversität in Tübingen wechselnkonnte und dann diese Uni zu gro-ßem Ruhm führte. Krafft bezeichnetFuchs (auf S.65) als einen der drei„Väter der Botanik“. Er hat sich alsMedizinprofessor und Arzt intensivmit Heilpflanzen befaßt. Manchmaltun sich eben ganze neue Fachberei-che auf, nachdem zuvor eine neueWissenschaft als „vollständig“ ange-sehen worden war.

    Galileo Galilei und Johan-nes Keppler

    Vielfach genannt und weithin be-kannt ist das Beispiel des GalileoGalilei, der natürlich auch in der Auf-zählung von Krafft nicht fehlen darf(siehe S.77,78). Er setzte sich für dasheliozentrische Weltbild des NikolausKopernikus ein und behauptetesomit, die Erde stehe nicht im Mittel-punkt der Welt, sondern sie kreiseum unsere Sonne. Anfangs war erdafür hoch geehrt worden, wurdezum Hofmathematiker und auf eige-nen Wunsch hin auch zum Hofphilo-sophen in Florenz ernannt, erfuhrauch in Rom hohe Ehrungen, die ihnmotivierten, sich noch deutlicher fürdie Verbreitung der Erkenntnisse desKopernikus einzusetzen – und… Eskam, wie es kommen mußte. Er stör-te mit seinem neuen Weltbild dieMächtigen und wurde vor die Inquisi-tion nach Rom vorgeladen. Es folgtein langes Hin- und Her, mit Inhaftie-rung, Folter. Obwohl er (siehe Seite79) in der Haft seinem „Irrtum von derDrehung der Erde um die Sonneabgeschworen hat“, blieb er lebens-lang weggesperrt – und damit längerals heutzutage ein Mörder.

    Fast für selbstverständlich müssenwir es inzwischen halten, dass seineFachkollegen sich weigerten, seineexperimentellen Beweise auch we-nigstens nur zur Kenntnis zu neh-men. Galilei hatte mit dem kurz zuvorvon Jan Lipperhay erfundenen Fern-rohr ein neues Meßgerät in dieHände bekommen, und somit dieMöglichkeit zu neuartigen Messun-gen, deren Ergebnisse die bisherigenErkenntnisse überstiegen. Damit sah

    Gegenüber dem altorientalischen Weltbild war das geozentrische Weltbild des Ptole-mäus ein wissenschaftlicher Fortschritt. Auch dieses wurde von dem heliozentrischenWeltbild (Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton) abgelöst.

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    er Landschaften auf dem Mond undaußerdem einige Monde des Jupi-ters, wie sie um ihren Planeten krei-sten. All das war eine Bestätigungdes kopernikanischen Weltbildes,und er lud seine Kollegen ein, durchsein Fernrohr hindurch zu schauen.Man weigerte sich. Klarer Fall: Bevorwir unser Weltbild umkrempeln müs-sen, verschließen wir lieber dieAugen – was zählt schon die Suchenach der Wahrheit.

    Isaak Newton würde übrigens spä-ter hoch geehrt für seine Lehre, dieauf dem heliozentrischen Weltbildberuht.

    Auch Johannes Kepler bekam vonseinem Universitätslehrer MichaelMästlin das heliozentrische Weltbildgezeigt, allerdings vertrat Mästlindiese Sichtweise nie in der Öffent-lichkeit. Kepler kam zu Ansehen,erhielt einen Ruf nach Graz, hatteaber im weiteren Verlauf seinesLebens immer wieder wechselndeArbeitsplätze als Gelehrter, mußteauch manchmal seine Arbeitsplätzefluchtartig verlassen, sich neue Stel-len suchen, und konnte nicht aneinem Ort auf Dauer bleiben. Wirlesen auf den Seiten 81-88 verschie-dene Fakten über Keppler, unteranderem auch die Tatsache, daßseine Dienstherren ihm nicht regel-mäßig den versprochenen Lohnbezahlten. Auch ein aus finanziellerNot begründeter Wechsel desDienstherrn, in der Hoffnung auf eineregelmäßige Lohnzahlung, führtenicht zu dem gewünschten Erfolg.Auch Wallenstein und sogar ein Kai-ser hatten wegen der hohen Kriegs-kosten dem Kepler seinen Lohn nicht

    gegeben. Das Ende seines Lebenserfuhr Kepler auf einer Reise nachRegensburg, die er unternahm, umbeim Kaiser persönlich das rückstän-dige Gehalt einzufordern, aber Kep-ler starb an den Strapazen der Reise.

    Was lernen wir daraus ?Daß es jedem Erfinder und jedem

    Wissenschaftler unbedingt anzuratenist, sich vor Beginn eines Arbeitsver-hältnisses rechtsverbindlich abzusi-chern, daß ihm sein Lohn nicht spä-ter verwehrt werden kann. Kepler istbei weitem nicht der einzige Wissen-schaftler und/oder Erfinder, der umden Lohn seiner Arbeit geprelltwurde. Was in dieser nicht unbe-kannten Not abhilft, ist eine klareAbsicherung vor Arbeitsantritt. JedeBank sichert sich ab, wenn sie einemHäuslebauer einen Kredit gibt, unddiese Absicherungsmechanismenund -möglichkeiten sind allgemein-gültiges Recht, und nicht nur aufBanken beschränkt.

    Große Namen, harte Schick-sale

    Wandel der Situation im Laufe derZeiten

    Die Zahl der Wissenschaftler, diesich gegenseitig das Leben schwermachen, steigt mehr und mehr. Sosprach anno 1789 (laut Seite 121)Immanuel Kant in einer Publikation(!) wegen der fehlenden Mathemati-sierung der Chemie den Rang einerWissenschaft ab. Trotzdem wurde1792 sein Schüler Jeremias Richter

    mit einer Arbeit der Chemie (imGebiet der Stöchiometrie) promo-viert.

    Ein kleiner, aber hochinteressanterNebensatz auf Seite 146 zeigt uns,dass die Energieerhaltung erst in derMitte des 19. Jahrhunderts in Modekam. Es ist dies ein kurzer Neben-satz in den Zeilen 9 und 10, aber wirwerden im weiteren Verlauf des Arti-kels erstaunt erleben, dass die Ener-gieerhaltung bei ihrer Einführungzunächst gar nicht so leicht akzep-tiert wurde. Wenn man bedenkt, wiemühsam die unvollständige Anwen-dung der Energieerhaltung heute dieRaumenergie-Forschung macht . . .Da ist es sehr sehr schwierig, eineneue Energieform in den Energiesatzaufzunehmen, obwohl der Energie-satz doch für Energieformen gilt!

    Von John Dalton wird (auf S.151)berichtet, daß er nur sehr einfacheund kostengünstige Aufbauten be-nutzte und dafür kritisiert wurde –eine Erfahrung, die ich aus Kosten-gründen auch heute noch nachvoll-ziehen mußte. Wenn man bedenkt,daß die erste Computer-Maus nur einganz primitives Holz-Gebilde war!

    ... Schließlich wurde DaltonsAtomtheorie aber doch akzeptiert,weil einer der ganz Großen seinerZunft, Professor Berzelius persön-lich, ihn unterstützte, da die Atom-theorie zu dessen Bindungstheoriepasste. Wenn man bedenkt, wiemühsam es war, bis die Menschendie Sichtweise akzeptieren konnten,dass bei chemischen ReaktionenAtome im Spiel sind, Atome!

    Auf interessante Art und Weise hatder Baron de Cuvier seine wissen-schaftlichen Ansichten durchsetzenkönnen, nämlich auf politischem Wege(siehe Seite 157). Die als „Akademie-Streit“ bekannte Kontroverse verließ eranno 1830 als Sieger, was dazu führ-te, dass alle Betrachtungen einer Evo-lutionstheorie der Lebewesen inFrankreich verhindert wurden, bisschließlich Charles Darwin die Situa-tion grundlegend veränderte. Also: Aufpolitischem Wege wurde entschieden,dass eine Evolutionstheorie falsch zusein habe.

    Ein häufig zitiertes Beispiel istThomas Young, der Entdecker derLichtwellen, der nicht nur die Wellen-natur des Lichts nachgewiesen hat,

    Isaac Newton (25. Dezember 1642 bis 4.Januar 1727), englischer Naturforscher.

    Johannes Kepler (Keppler) (27. Dezember1571 bis 15. November 1630), deutscherNaturphilosoph, Mathematiker, Astronom,Astrologe, Optiker und evangelischerTheologe.

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    sondern auch dessen Wellenlänge(als Funktion der Farbe) messenkonnte (siehe Seite 158 ff). Er warschon in jungen Jahren ein Wunder-kind und lernte extrem vielseitig.Unter anderem studierte er Medizinund arbeitete zeitweise als Arzt,wurde aber im Alter von 28 Jahrenbereits Professor für Naturphiloso-phie (die heutzutage Physik genanntwird). In England wurden seine weg-weisenden Arbeiten zur Wellennaturdes Lichts nicht anerkannt, und auchauf dem Kontinent war man sehrzurückhaltend, bis ihm schließlichaus Frankreich Unterstützung zu-kam. So hat er sich dann auch mitArchäologie befasst und wurdeschließlich durch seinen Beitrag zurEntzifferung von Hieroglyphen welt-weit berühmt.

    Was lernen wir daraus ?Man muß sich vor der irrigen

    Annahme hüten, daß die Fachweltneue Erkenntnisse offen aufnimmt,nur weil sie experimentell bewiesenund sinnvoll sind.

    Wilhelm Ritter (siehe Seite 161 ff)schuf die zentrale wissenschaftlicheBasis für die Begründung der Elek-trochemie, und er war einer der er-sten Erbauer von Batterien nach demVorbild des Herrn Volta.

    Seine Entdeckungen wurden aller-dings von Physikern wenig beachtet(siehe Seite 162), weil sie neben derempirischen Basis auch Spekulatio-nen enthielten.

    Alleine Hans Christian Ørstederkannte die Bedeutung von RittersArbeiten und trug wesentlich dazubei, dass diese nicht in Vergessen-heit gerieten.

    Macht man sich bewusst, dasstheoretische Erkenntnisse in ihrerBegründung immer zunächst speku-lativ beginnen und dass die empiri-schen Erfahrungen, die man als Tat-sachen in der Natur nachweisenkann, das Fundament allen Wissensbilden, dann wundert man sich schonsehr, daß er zwar trotz seiner empiri-schen Grundlage derartige Problemebekommen konnte. Macht man sichhingegen das menschliche Verhaltenseiner Kollegen bewußt, dann ver-schwindet meine Verwunderung sehrschnell.

    Michael Faraday (nach dem heutedie Einheit der Kapazität von Konden-

    satoren benannt ist) war ein Buchbin-derlehrling und lernte aus denBüchern, die er zum Binden bekam(siehe Seite 174 ff). Da ihn die Wissen-schaft faszinierte, bat er um einebescheidene Anstellung bei der RoyalSociety, aber seine Anfrage wurdenoch nicht einmal beantwortet.Schließlich gelang es ihm, bei öffent-lichen Vorträgen Humphry Davy ken-nen zu lernen und ihn zu überreden,als Laborassistent bei ihm eingestelltzu werden. Damit begann seine wis-senschaftliche Karriere, die ihn zugewaltigen Höhenflügen führen sollte.

    Was lernen wir daraus?Es kann passieren, daß die eta-

    blierten Großen jemanden ignorierenoder ihn nicht wahrnehmen, auchohne daß er der gängigen Lehrmei-nung widerspricht.

    Justus von Liebig, der berühmteChemiker (siehe Seite 186) versuch-te mithilfe einer Zeitschrift seineTheorie der organischen Verbindun-gen durchzusetzen. Weiterhin wirdberichtet, daß Liebig öfters die Rolleeines Schiedsrichters übernahm(heutzutage nennt man dies das„peer review“ - Verfahren zur Begut-achtung von Manuskripten) und indieser Funktion nicht immer richtigentschied.

    Was lernen wir daraus ?Die Macht der Medien kann von

    einzelnen Wissenschaftlern miß-braucht werden, sobald diese esschaffen, sich in die richtige Stellungzu versetzen.

    Charles Darwin und neuzeit-liche Wissenschaftler

    Besonders polarisiert hat die wis-senschaftliche Gemeinde die Evolu-tionstheorie von Charles Darwin (sieheSeite 194). Von seinen Freundenwurde er hoch geehrt, von seinenGegnern massiv angefeindet – aller-dings hatte er das Glück, dass imLaufe der Jahre immer mehr Wissen-schaftler sich auf seine Seite stellten,so daß ihm hohe Ehrungen zuteil wur-den. Es ist gut vorstellbar, daß manheutzutage vermutlich eher angefein-det werden würde, wenn man seineAussagen in Frage stellen würde.

    Robert Wilhelm Bunsen (sieheSeite 198), der auch den nach ihmbenannten Gasbrenner (den Bunsen-brenner) erfand, gelang auch dieelektrolytische Abscheidung größererMengen von Metallen. Diese „Batterie“wurde jedoch von Johann ChristianPoggendorf massiv kritisiert, und weilPoggendorf der mächtige Herausge-ber der „Annalen der Physik und Che-mie“ war, konnte sich das Thema derElektrolyse in Deutschland nicht ingleicher Weise durchsetzen wie in denanderen europäischen Ländern.

    Die Physikergemeindeakzeptiert zunächst nichtdie Energieerhaltung

    Manche Leser und Leserinnenwerden sich vielleicht daran erinnern,in welcher Weise die Fehlinterpreta-tion der Energieerhaltung die Ent-wicklung der Raumenergie-For-schung in unserer Zeit behindert. Werdie Raumenergie nicht in den Ener-giesatz mit aufnimmt, kann sie nichterkennen und nicht erforschen. Fastgrotesk mutet es auf diesem Hinter-grund an, dass die Einführung derEnergieerhaltung anno 1840/41durch einen Arzt namens RobertMayer (siehe Seite 199 ff) auf großeSchwierigkeiten stieß. Mayer sandtesein Manuskript mit der Erklärung derEnergieerhaltung an die Zeitschrift„Annalen der Physik“, doch jenergroßmächtige Johann Christian Pog-gendorf (Herausgeber dieser Zeitung)antwortete noch nicht einmal auf dieEinsendung des Manuskripts, was fürMayer die Notwendigkeit schuf, seineIdee anderswo weiterzuverfolgen.

    Michael Faraday (22. September 1791bis 25. August 1867) war ein englischerNaturforscher, der als einer der bedeu-tendsten Experimentalphysiker gilt.

  • März/April 2013 NET-Journal Jg. 18, Heft Nr. 3/4 39

    Witzigerweise geht es mir, als demAutor des vorliegenden Artikels,heute fast genauso wie damalsRobert Mayer. Ich habe einen Artikelzu den Annalen der Physik geschicktin der Hoffnung, die Raumenergie inden Energiesatz mit aufnehmen zukönnen, und man wies mich auf nochoffene Fragen hin. Ich habe dieseseinerzeit noch offenen Fragen alsForschungsgast an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburglösen und beantworten können, habeden nach Wunsch des Gutachtersergänzten Artikel erneut hingeschicktund dann keine Antwort mehr bekom-men.

    Robert Mayer ist es gelungen,seine Arbeiten anno 1842 in den„Annalen der Chemie und Pharma-zie“ zu publizieren. Mir ist es gelun-gen, meine Arbeiten in einem Inter-net-Journal namens „Philica“ zupublizieren.

    Auf Seite 201 lesen wir, dass vie-len Physikern Mayers Gedankenlange Zeit unverstanden blieben, undso möchte ich sein Leben fast mitden Worten umschreiben: „Die Angstvieler Physiker vor der Energieerhal-tung.“ Die Physiker-Gemeinde hatseine Ergebnisse weithin ignoriert.Schließlich hat Robert Mayer anno1850 einen physischen und psychi-schen Zusammenbruch erlitten undmußte in einer Nervenheilanstaltgenesen. Gebrochen war der Bannerst, als ein Mächtiger namens Chri-stian Friedrich Schönbein ihm zurAnerkennung verhalf - und dann liest

    man auch nichts mehr von gesund-heitlichen Problemen – zumindestnicht in dem Naturwissenschafts-geschichtlichen Buch von Fritz Krafft.

    Der Energieerhaltungssatz wirdheute oftmals als erster Hauptsatzder Thermodynamik bezeichnet.Aber auch den zweiten Hauptsatzder Thermodynamik, den Sadi Car-not entwickelt hat, hat die Physiker-Gemeinde nicht einfach aufgenom-men. Wir lesen auf Seite 215 beiKrafft: Thomson (der als Lord Kelvinberühmt war) vermochte zunächstnicht den richtigen Teil in CarnotsÜberlegungen vom falschen Teil zutrennen, der dem Energieerhaltungs-prinzip widersprach. Später prägteClausius dann den Begriff der Entro-pie und verhalf den Überlegungendes Sadi Carnot damit zum besserenVerständnis durch die Allgemeinheit.

    Beispiel, und noch mehr Bei-spiele

    James Clerk Maxwell, der be-rühmte Erfinder der ebenso weltbe-rühmten Maxwell-Gleichungen(siehe Seite 217/218) zog sich ausgesundheitlichen Gründen auf seinLandgut zurück, um dort die Grund-festen der Elektrodynamik zu ent-wickeln. Erst als er damit fertig war,konnte er an die Universität zurück-kehren, wo er 1871 einen Lehrstuhlin Cambridge annahm.

    Was lernen wir daraus ?Dass nicht immer eine Universität

    nötig ist, um hoch wissenschaftlicharbeiten zu können.

    Die vier Grundgleichungen, dieMaxwell entwickelt hat, basieren übri-gens auf einem Ätherbild, welches imGegensatz zu den Maxwell-Gleichun-gen heute als absolut verpönt gilt.

    Wilhelm Roux (Seite 232) war derEntdecker der Entwicklungsphysiolo-gie (u.a. Entwicklung von Embryonen)in der Biologie/Medizin. Auch er hattedas Problem, dass seine Publikatio-nen anfangs wenig beachtet wordenwaren und seine Arbeitsmethodenebenso wie seine Forschungsergeb-nisse auf heftige und polemisch vorge-tragene Kritik stießen. Nun – wirhaben uns inzwischen an ein derarti-ges Verhalten der Fachwelt hinlänglichgewöhnt, dass wir es an dieser Stellenicht weiter zu vertiefen brauchen.

    Ich hoffe, daß ich niemanden lang-weile, wenn ich weitere Beispielenenne, wie etwa das des SavanteArrhenius, der in Stockholm massivabgelehnt wurde. Er hatte in seinerHeimatuniversität ein zumeist ableh-nendes Urteil bekommen, so dass erseine Dissertation anno 1884 zu Frie-drich Wilhelm Ostwald nach Rigaschickte, der die Bedeutung dieserArbeit erkannte. Es ging um die Ent-deckung der Grundfesten der Elektro-lyse: Ein Zerfall von Molekülen imLösungsmittel Wasser, wobei sichIonen bilden sollten – wie kann mannur so einen Quatsch fordern: Ionen?(Ich bitte um Nachsicht, dass ich andieser Stelle polemisch wurde.)

    Von Heinrich Rudolf Hertz, dernicht nur den Hertz‘schen Dipolstrah-ler ersann, erfahren wir ab Seite 243.Zu seiner Zeit gab es zwei konkurrie-rende Sichtweisen der Elektrodyna-mik, von der die eine von einer in-stantanen unmittelbaren Fernwirkungder elektromagnetischen Kräfte aus-ging (also von einer unendlich gro-ßen Propagationsgeschwindigkeit)und die andere von einer Ausbrei-tungsgeschwindigkeit der elektro-magnetischen Kräfte mit einer end-lichen Geschwindigkeit, namentlichmit Lichtgeschwindigkeit. LetzteresModell, das von Faraday und Max-well ausgearbeitet wurde, ist dasheute gültige.

    An dieser Stelle möchte ich anmer-ken, dass die heute gültige Sicht-weise meinen theoretischen Überle-gungen zur Raumenergie-Konversion

    Julius Robert von Mayer (25. November1814 bis 20. März 1878), deutscher Arztund Physiker. Er formulierte als einer derersten den Ersten Hauptsatz der Thermo-dynamik.

    James Clerk Maxwell (13. Juni 1831 bis5. November 1879) war ein schottischerPhysiker. Er entwickelte einen Satz vonGleichungen

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    zu Grunde liegt, die ich mit demNamen FPGW-Theorie bezeichne,die Finite Propagationsgeschwindig-keit der Wechselwirkungsfelder.

    Diese Sichtweise gilt heute als all-gemein bestätigt, und deshalb verwen-de auch ich sie, auch wenn mir einstein Gutachter einer Fachzeitschrift dieAblehnung meines Artikels mit derRichtigkeit der heute allgemein alsfalsch anerkannten Sichtweise be-gründet hat. Heinrich Hertz war es aufjeden Fall, der die heute als richtiganerkannte Sichtweise von der Engli-schen Insel nach Deutschland impor-tierte – und auf den Hertz‘schen Dipol-strahler beziehe ich mich auch mehr-fach in meinen Arbeiten.

    Bis hin zu Max Planck

    Auch Max Planck, der heute alseiner der großen Urväter aller Quan-tentheorien gilt und der der Namens-geber der Max-Planck-Gesellschaftund der Max Planck Institute ist, zeigtmit seinem Lebenslauf einige derProbleme der modernen Naturwis-senschaften auf. Als Wunderkind imAlter von 16 Jahren das Abitur abge-legt, ging er zum Physikprofessor,um (wie damals üblich) vor Studien-beginn vorzusprechen. Der Physik-professor war Phillip von Jolly, nachdem das Jolly´sche Thermometerbenannt ist, und er erklärte MaxPlanck, dass auf dem Gebiet der

    Physik nicht mehr viel Neues zu ent-decken sei und dass es höchstensnoch ein paar kleinere Lücken zu fül-len gäbe, denn die Physik sei eineabgeschlossene Wissenschaft. MaxPlanck machte sich trotzdem an dieArbeit, studierte Physik und revolutio-nierte schließlich das gesamte Fach.Also muss es wohl doch noch etwasNeues zu entdecken gegebenhaben.

    Seine Doktorarbeit machte MaxPlanck zu dem bereits erwähntenzweiten Hauptsatz der Thermodyna-mik (siehe Seite 246) und stellte imNachhinein selbst fest, dass wohlkaum einer der Physiker sie je gelesenhabe und dass der berühmte GustavKirchhoff sie explizit abgelehnt hätte.Noch während des Rigorosums, alsoinmitten der Doktorprüfung, erklärteder große Chemiker Adolf von Baeyer,daß er diese theoretische Physik fürein völlig überflüssiges Fach halte. Sobekam Max Planck in München nureine Privatdozentur und mußte nachBerlin wechseln, auf einen vollwertigenLehrstuhl als Professor. Immerhinerlaubte man ihm, seine Arbeit weiterzu entwickeln, und man gab ihm dieArbeitsmöglichkeiten, die schließlichdazu führten, die Quantentheorie mitzu begründen.

    Und so zitiere ich immer wiedergerne seine Weisheit aus [3]:

    “Eine neue wissenschaftlicheWahrheit pflegt sich nicht in der

    Weise durchzusetzen, daß ihre Geg-ner überzeugt werden und sich alsbelehrt erklären, sondern vielmehrdadurch, daß ihre Gegner allmählichaussterben und daß die heranwach-sende Generation von vornherein mitder Wahrheit vertraut gemacht ist.”

    Er hat diese Probleme seiner natur-wissenschaftlichen Kollegen zur Ge-nüge am eigenen Leib erfahren dürfen– und der vorliegende Artikel mögeallen Leserinnen und Lesern helfen,dies anhand der Vielzahl der gezeig-ten Beispiele zu erkennen. Das Buch,aus dem diese Beispiele stammen,trägt den Titel „Die wichtigsten Natur-wissenschaftler im Porträt“, und manmag aus der Vielzahl der Schwierig-keiten erkennen, wie viele der wichtig-sten Naturwissenschaftler derartigeSchwierigkeiten bekamen, man magaber auch die Art der Schwierigkeiteneinschätzen lernen:

    Es ist dies wohl ein Jahrtausendewährender uralter Streit der Weltbil-der, welche Veränderungen nuräußerst zögerlich und widerwilligannimmt. Die Trägheit der mensch-lichen Köpfe ist groß, daß sie wohlnur durch den Tod überwunden wer-den kann. Max Planck drückt diesexplizit aus, und die im ersten Teildieser Publikation genannten Bei-spiele der Wikinger auf Grönland undder Polynesier auf Rapa nui, derOsterinsel bestätigt dies auf drasti-sche Art und Weise. Das Sterben istleichter als das Verändern des Welt-bildes. Und wenn die Mehrheit nichtbereit ist, das Weltbild zu korrigieren,dann ist es immer noch leichter, denVeränderer sterben zu lassen (in derAntike) oder zu ignorieren bzw. aus-zugrenzen (in unserer Zeit). Wollenwir aber als Menschheit überleben,dann werden wir es leisten müssen,diese Beschränkung kurzfristig zuüberwinden, nicht erst im Laufe vonGenerationen.

    Referenzen:[0] Die wichtigsten Naturwissenschaftler im

    Porträt“ [0] von Fritz Krafft, marixverlag,2. Auflage 2012, ISBN: 978-3-86539-911-3

    [1] http://de.wikipedia.org/wiki/Sokrates[2] Kulturgeschichte der Physik von Károly

    Simonyi, Verlag Harri Deutsch,ISBN 3-8171-1651-9

    [3] Wissenschaftliche Selbstbiographie, vonMax Planck, erschienen im JohannAmbrosius Barth Verlag, Leipzig, 1948,S.22

    Heinrich Rudolf Hertz (22. Februar 1857bis 1. Januar 1894) war ein deutscherPhysiker. Insbesondere aufgrund seinerArbeiten zum experimentellen Nachweiselektromagnetischer Wellen gilt Hertz alseiner der bedeutendsten Physiker des19. Jahrhunderts.

    Max Karl Ernst Ludwig Planck (23. April1858 bis 4. Oktober 1947) war ein bedeu-tender deutscher Physiker der Theoreti-schen Physik. Er gilt als Vater der Quanten-physik und erhielt 1919 für die Entdeckungdes Planckschen Wirkungsquantums denNobelpreis für Physik des Jahres 1918.