Die Arzneimittelzulassung als Strafbarkeitshindernis

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Mit der Zulassung eines Arzneimittels und der darin ent- haltenen Qualifizierung des Arzneimittels als unbedenk- lich übernimmt die Bundesoberbehörde Mitverantwortung für dessen Ungefährlichkeit. Kommt es später zu unvertret- baren Nebenwirkungen, stellt sich die Frage nach der straf- begrenzenden Wirkung der Zulassung. Die Zulassung konkretisiert das im Einzelfall gesetzlich erlaubte Risiko und schafft einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Straflosigkeit der Inverkehrgabe des betreffenden Arznei- mittels. Inwieweit das Vertrauen in die Zulassung berech- tigt ist, bestimmt sich letztlich anhand einer sachgerechten Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von Zulassungs- behörde und pharmazeutischem Unternehmer nach Maß- gabe des Vertrauensgrundsatzes. § 5 AMG verbietet das Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel, bei denen die Risiken außer Verhältnis zum Nutzen stehen 1 . Allerdings ist nicht immer leicht zu er- mitteln, welche Risiken tolerabel erscheinen. Diesem Um- stand tragen die §§ 21 ff. AMG Rechnung. Danach darf ein Medikament nur in Verkehr gebracht werden, wenn es zu- vor von der Bundesoberbehörde – etwa dem BfArM – als unbedenklich eingestuft und zugelassen worden ist. Treten nach Einnahme eines zugelassenen Arzneimittels unvertretbare Nebenwirkungen auf, stellt sich aus straf- rechtlicher Sicht die Frage, inwieweit der Zulassung des Präparates im Hinblick auf eine etwaige Strafbarkeit gemäß §§ 95 ff. AMG und §§ 211 ff., 223 ff., 314 StGB 2 strafbegren- zende Wirkung zukommt. Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden, wobei zunächst auf die Reichweite der Legalisierungswirkung der Arzneimittelzulassung (I.) sowie ihre Verortung im Deliktsaufbau einzugehen ist (II.). Erst im Anschluss daran sollen die Auswirkungen der Arz- neimittelzulassung herausgearbeitet werden (III.). I. Legalisierungswirkung der Arzneimittelzulassung Maßstab der Legalisierungswirkung einer jeden behördli- chen Genehmigung ist der Regelungsgehalt der Zulassung, wie er aus dem gestellten Antrag, den der Genehmigungs- erteilung zugrunde liegenden Normen sowie dem Umfang Richter Dr. iur. Michael Mayer, M.B.L.T. (Mannheim), Graurheindorfer Straße 143, 53117 Bonn, Deutschland der behördlichen Sachprüfung resultiert 3 . Während ein Teil des Schrifttums negative Auswirkungen des beantragten Vorhabens auf Individualrechtsgüter als legalisiert erachtet, sofern die mit dem Vorhaben verbundenen Gefahren für die betreffenden Individualrechtsgüter im Rahmen der Ge- nehmigungsentscheidung berücksichtigt wurden 4 , verneint die Gegenauffassung die Legalisierung jeglicher Individu- alrechtsgutsverletzungen mit dem Argument, den Behör- den fehle die Kompetenz zur Gestattung von Eingriffen in Rechtsgüter Dritter 5 . Der Staat könne „nicht durch Ver- waltungsakt einem Bürger erlauben, einen anderen Bürger zu schädigen“ 6 . Richtigerweise ist zu differenzieren. Zwar liegt die Ge- stattung von Individualrechtsgutsverletzungen außerhalb des Kompetenzbereichs staatlicher Behörden, weshalb die Genehmigung kein Eingriffsrecht verleihen kann. Jedoch ist es den Behörden unbenommen, die Gefährdung von Individualrechtsgütern in Ansehung des mit dem Geneh- migungsgegenstand verbundenen Nutzens für das Allge- meinwohl i. S. eines „erlaubten Risikos“ 7 aus der Verbots- materie herauszunehmen 8 . Dies gilt insbesondere für den Bereich des Arzneimittelrechts, wo es gemäß § 25 Abs. 2 lung und nicht auf die Einzelbefunde bzw. -tatsachen ankomme 53 . VI. Außerstrafrechtliche Konsequenzen Über die strafrechtlichen Konsequenzen hinaus drohen bei einer Tatbestandsverwirklichung nicht nur berufsgerichtli- che Ahndung und vertragsarztrechtliche Disziplinarmaß- nahmen, sondern ggf. auch zivilrechtliche Folgen, etwa Er- satzansprüche eines Arbeitgebers oder einer Krankenkasse oder Versicherung im Falle einer Ausstellung einer falschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. VII. Fazit Aus ärztlicher Sicht nachvollziehbar ist das Unbehagen ge- genüber einem Sonderstraftatbestand, der im Gegensatz zu anderen Berufsträgern die bloße „schriftliche Lüge“ pönali- siert 54 . Hierin liegt aber zugleich auch die allgemeine Wert- schätzung, die dem Gesundheitszeugnis durch ärzte und andere approbierte Mediziner entgegen gebracht wird. DOI: 10.1007/s00350-008-2262-0 Die Arzneimittelzulassung als Strafbarkeitshindernis* Michael Mayer Mayer, Die Arzneimittelzulassung als Strafbarkeitshindernis MedR (2008) 26: 595−598 595 *) Die Untersuchung stellt einen Auszug aus der unter dem Titel „Strafrechtliche Produktverantwortung bei Arzneimittelschäden – Ein Beitrag zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche im Arzneiwesen aus strafrechtlicher Sicht“ erschienenen Dissertation des Verfassers dar. 1) Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen der Norm s. Mayer, Strafrechtliche Produktverantwortung bei Arzneimittelschäden, 2008, S. 104 ff., 188 ff. 2) Eine ausführliche Darstellung der einschlägigen Straftatbestände findet sich bei Mayer (Fn. 1), S. 100 ff. 3) Fluck, VerwArch 79 (1988), 414; Kuhlen, WiVerw 1992, 242. 4) Hirsch, in: LK/StGB, 12. Aufl. 2006, Vor § 32, Rdnr. 165 m. w. N.; Schlehofer, in: MüKo/StGB, 2003, Vor §§ 32 ff., Rdnr. 154; Paeffgen, in: NK/StGB, 2. Aufl. 2005, Vor §§ 32 bis 35, Rdnr. 202; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, 4. Aufl. 2006, § 17, Rdnr. 53. Ebenso StA Landau, NStZ 1984, 553, 554. 5) Hübenett, Rechtswidrige behördliche Genehmigung als Recht- fertigungsgrund – ein gelöstes strafrechtliches Problem?, 1986, S. 34. 6) Heine, NJW 1990, S. 2431; Horn (2004), in: SK/StGB, Vor § 324, Rdnr. 12. 7) Zum „erlaubten Risiko“ ausführlich Mayer (Fn. 1), S. 168 ff. 8) Vgl. Sach, Genehmigung als Schutzschild?, 1994, S. 76 f.; Scheele, Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Geneh- migungen im Umweltstrafrecht, 1993, S. 157. 53) BGHSt 10, 157, 161. 54) Jung (Fn. 2), S. 76.

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Mit der zulassung eines Arzneimittels und der darin ent­haltenen Qualifizierung des Arzneimittels als unbedenk­lich übernimmt die Bundesoberbehörde Mitverantwortung für dessen ungefährlichkeit. Kommt es später zu unvertret­baren Nebenwirkungen, stellt sich die frage nach der straf­begrenzenden Wirkung der zulassung. Die zulassung konkretisiert das im einzelfall gesetzlich erlaubte Risiko und schafft einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der straflosigkeit der Inverkehrgabe des betreffenden Arznei­mittels. Inwieweit das Vertrauen in die zulassung berech­tigt ist, bestimmt sich letztlich anhand einer sachgerechten Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von zulassungs­behörde und pharmazeutischem unternehmer nach Maß­gabe des Vertrauensgrundsatzes.

§ 5 AMG verbietet das Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel, bei denen die Risiken außer Verhältnis zum Nutzen stehen 1. Allerdings ist nicht immer leicht zu er­mitteln, welche Risiken tolerabel erscheinen. Diesem um­stand tragen die §§ 21 ff. AMG Rechnung. Danach darf ein Medikament nur in Verkehr gebracht werden, wenn es zu­vor von der Bundesoberbehörde – etwa dem BfArM – als unbedenklich eingestuft und zugelassen worden ist.

treten nach einnahme eines zugelassenen Arzneimittels unvertretbare Nebenwirkungen auf, stellt sich aus straf­rechtlicher sicht die frage, inwieweit der zulassung des Präparates im Hinblick auf eine etwaige strafbarkeit gemäß §§ 95 ff. AMG und §§ 211 ff., 223 ff., 314 stGB 2 strafbegren­zende Wirkung zukommt. Dieser frage soll im folgenden nachgegangen werden, wobei zunächst auf die Reichweite der legalisierungswirkung der Arzneimittelzulassung (I.) sowie ihre Verortung im Deliktsaufbau einzugehen ist (II.). erst im Anschluss daran sollen die Auswirkungen der Arz­neimittelzulassung herausgearbeitet werden (III.).

I. Legalisierungswirkung der Arzneimittelzulassung

Maßstab der legalisierungswirkung einer jeden behördli­chen Genehmigung ist der Regelungsgehalt der zulassung, wie er aus dem gestellten Antrag, den der Genehmigungs­erteilung zugrunde liegenden Normen sowie dem umfang

Richter Dr. iur. Michael Mayer, M.B.l.t. (Mannheim), Graurheindorfer straße 143, 53117 Bonn, Deutschland

der behördlichen sachprüfung resultiert 3. Während ein teil des schrifttums negative Auswirkungen des beantragten Vorhabens auf Individualrechtsgüter als legalisiert erachtet, sofern die mit dem Vorhaben verbundenen Gefahren für die betreffenden Individualrechtsgüter im Rahmen der Ge­nehmigungsentscheidung berücksichtigt wurden 4, verneint die Gegenauffassung die legalisierung jeglicher Individu­alrechtsgutsverletzungen mit dem Argument, den Behör­den fehle die Kompetenz zur Gestattung von eingriffen in Rechtsgüter Dritter 5. Der staat könne „nicht durch Ver­waltungsakt einem Bürger erlauben, einen anderen Bürger zu schädigen“ 6.

Richtigerweise ist zu differenzieren. zwar liegt die Ge­stattung von Individualrechtsgutsverletzungen außerhalb des Kompetenzbereichs staatlicher Behörden, weshalb die Genehmigung kein eingriffsrecht verleihen kann. Jedoch ist es den Behörden unbenommen, die Gefährdung von Individualrechtsgütern in Ansehung des mit dem Geneh­migungsgegenstand verbundenen Nutzens für das Allge­meinwohl i. s. eines „erlaubten Risikos“ 7 aus der Verbots­materie herauszunehmen 8. Dies gilt insbesondere für den Bereich des Arzneimittelrechts, wo es gemäß § 25 Abs. 2

lung und nicht auf die einzelbefunde bzw. ­tatsachen ankomme 53.

VI. Außerstrafrechtliche Konsequenzen

Über die strafrechtlichen Konsequenzen hinaus drohen bei einer tatbestandsverwirklichung nicht nur berufsgerichtli­che Ahndung und vertragsarztrechtliche Disziplinarmaß­nahmen, sondern ggf. auch zivilrechtliche folgen, etwa er­satzansprüche eines Arbeitgebers oder einer Krankenkasse oder Versicherung im falle einer Ausstellung einer falschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

VII. Fazit

Aus ärztlicher sicht nachvollziehbar ist das unbehagen ge­genüber einem sonderstraftatbestand, der im Gegensatz zu anderen Berufsträgern die bloße „schriftliche lüge“ pönali­siert 54. Hierin liegt aber zugleich auch die allgemeine Wert­schätzung, die dem Gesundheitszeugnis durch ärzte und andere approbierte Mediziner entgegen gebracht wird.

DOI: 10.1007/s00350-008-2262-0

Die Arzneimittelzulassung als Strafbarkeitshindernis*Michael Mayer

Mayer, Die Arzneimittelzulassung als strafbarkeitshindernis

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MedR (2008) 26: 595−598 595

*) Die untersuchung stellt einen Auszug aus der unter dem titel „strafrechtliche Produktverantwortung bei Arzneimittelschäden – ein Beitrag zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche im Arzneiwesen aus strafrechtlicher sicht“ erschienenen Dissertation des Verfassers dar.

1) zu den einzelnen tatbestandsmerkmalen der Norm s. Mayer, strafrechtliche Produktverantwortung bei Arzneimittelschäden, 2008, s. 104 ff., 188 ff.

2) eine ausführliche Darstellung der einschlägigen straftatbestände findet sich bei Mayer (fn. 1), s. 100 ff.

3) Fluck, VerwArch 79 (1988), 414; Kuhlen, WiVerw 1992, 242.4) Hirsch, in: lK/stGB, 12. Aufl. 2006, Vor § 32, Rdnr. 165 m. w. N.;

Schlehofer, in: MüKo/stGB, 2003, Vor §§ 32 ff., Rdnr. 154; Paeffgen, in: NK/stGB, 2. Aufl. 2005, Vor §§ 32 bis 35, Rdnr. 202; Roxin, strafrecht Allgemeiner teil, Bd. 1, 4. Aufl. 2006, § 17, Rdnr. 53. ebenso stA landau, Nstz 1984, 553, 554.

5) Hübenett, Rechtswidrige behördliche Genehmigung als Recht­fertigungsgrund – ein gelöstes strafrechtliches Problem?, 1986, s. 34.

6) Heine, NJW 1990, s. 2431; Horn (2004), in: sK/stGB, Vor § 324, Rdnr. 12.

7) zum „erlaubten Risiko“ ausführlich Mayer (fn. 1), s. 168 ff.8) Vgl. Sach, Genehmigung als schutzschild?, 1994, s. 76 f.; Scheele,

zur Bindung des strafrichters an fehlerhafte behördliche Geneh­migungen im umweltstrafrecht, 1993, s. 157.

53) BGHst 10, 157, 161.54) Jung (fn. 2), s. 76.

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s. 1 Nr. 5 AMG gerade Aufgabe der zuständigen Behörden ist, den Nutzen eines Medikaments für das Allgemeinwohl gegen die Gefahren für die Volksgesundheit, verstanden als Bündel der individuellen Gesundheit aller das Arzneimittel (potentiell) Anwendenden, abzuwägen 9.

II. Verortung der Arzneimittelzulassung im Deliktsaufbau

zentrales Problem im zusammenhang mit der strafrechtli­chen Würdigung behördlicher Genehmigungen stellt ihre Verortung im Deliktsaufbau dar.

eine erste Weichenstellung erfolgt durch die struktur der sanktionsnorm. Ist der straftatbestand formal­verwal­tungsakzessorisch abgefasst, indem er ein Handeln ohne oder in Widerspruch zu einer Genehmigung sanktioniert, stellt die Genehmigung ein negatives tatbestandsmerkmal dar, dessen Vorhandensein bereits die tatbestandsmäßig­keit ausschließt 10. Dies trifft auf § 96 Nr. 5 AMG zu, der das Inverkehrbringen von Arzneimitteln ohne vorherige zulassung unter strafe stellt.

schwieriger gestaltet sich die lozierung der Genehmi­gung im Deliktsaufbau der §§ 211 ff., 223 ff. und 314 stGB, deren strafandrohung von einer etwaigen Genehmigung unabhängig ist. Wegen dieser abschließenden umschrei­bung des unrechtstatbestandes wird die Genehmigung mitunter als Rechtfertigungsgrund angesehen 11. Diese for­mal­strafrechtliche, auf die tatbestandsstruktur abstellende Perspektive stößt indes in der literatur zu Recht überwie­gend auf Ablehnung 12.

Richtigerweise stellt die Genehmigung eine Konkreti­sierung des tatbestandsausschließenden gesetzlich „erlaub­ten“ Risikos dar. Bewertet der Verwaltungsgesetzgeber das in frage stehende Verhalten im zeitpunkt der Geneh­migungserteilung als zulässig, so kann es nicht zugleich strafbares unrecht darstellen. Allerdings besitzen verwal­tungsrechtliche sondernormen zunächst nur indizielle Be­deutung, da sie als abstrakte Regelungen etwaige Beson­derheiten des einzelfalls unter umständen nicht erfassen 13. An dieser stelle kommt die Genehmigung zum tragen, welche die Prüfung der abstrakten gesetzlichen Vorgaben für den konkreten einzelfall beinhaltet 14. Die Genehmi­gungserteilung konkretisiert und individualisiert damit die komplexe Gesetzeslage für den einzelfall 15 und überführt so die abstrakte, rein indizielle gesetzliche Regelung in eine strafrechtlich verbindliche Bewertung des konkreten sach­verhalts 16. Ob und ggf. in welchem umfang auf die Ge­nehmigung als definitive umgrenzung des „erlaubten Ri­sikos“ vertraut werden darf, richtet sich in Anbetracht des umstandes, dass der staat mit der Genehmigungserteilung maßgeblich Verantwortung für die genehmigte tätigkeit übernimmt 17, letztlich danach, wie im einzelfall die Ver­antwortungsbereiche von Genehmigungsempfänger und Behörde abzugrenzen sind 18. Dem soll im folgenden für den speziellen fall der Arzneimittelzulassung näher nach­gegangen werden.

III. Strafbefreiende Wirkung der Arzneimittelzulassung

Die frage der strafbefreienden Wirkung der Arzneimit­telzulassung wird in zwei Konstellationen relevant. zum einen kann die Bedenklichkeit des Arzneimittels nach dem stand der wissenschaftlichen erkenntnis bereits im zeit­punkt der zulassungserteilung grundsätzlich erkennbar sein („ursprüngliche“ Bedenklichkeit). zum anderen kann sich die Bedenklichkeit auch erst im laufe der zeit erge­ben, so etwa, wenn nach zulassungserteilung bislang un­bekannte und nach bisherigem erkenntnisstand auch nicht auszumachende schwerwiegende Nebenwirkungen auftre­ten („nachträgliche“ Bedenklichkeit).

1. Rechtswidrige Zulassung im Fall ursprünglicher Bedenklichkeit

Vor dem Hintergrund, dass im fall der rechtswidrigen zu­lassung eines von Anfang an bedenklichen Präparats das Inverkehrbringen des Arzneimittels einerseits dem materi­ellen Verwaltungsrecht widerspricht, das Verwaltungsrecht aber andererseits gemäß § 43 VwVfG auch rechtswidrige Verwaltungsakte als wirksam erachtet, geht die herrschen­de Meinung davon aus, dass strafrechtlich nur zwei Alter­nativen bestehen: entweder seien für das strafrecht die Aussagen des materiellen Verwaltungsrechts, wonach das betreffende Verhalten verboten ist, maßgeblich, oder aber das strafrecht habe die formelle tatbestandswirkung der rechtswidrigen Genehmigung zu respektieren und geneh­migungskonformes Verhalten von strafe auszunehmen.

so betrachten die Vertreter eines verwaltungsrechtsak­zessorischen lösungsmodells behördliche Genehmigungen nur dann als strafrechtlich relevante Verhaltensrichtlinien, wenn sie im einklang mit den das Genehmigungsver­fahren regelnden verwaltungsrechtlichen Normen erteilt wurden 19.

Hingegen stellt die verwaltungsaktsakzessorische Gegen­auffassung auf die formelle Wirksamkeit und Bestandskraft rechtswidriger Verwaltungsakte ab und sieht die mit der Ge­nehmigungserteilung ausgesprochene erlaubnis des betref­fenden Verhaltens als strafrechtlich verbindlich an 20. Während die Vertreter einer strengen Verwaltungsaktsakzessorietät eine wirksam erteilte Genehmigung stets als unverbrüchliche Verhaltensrichtlinie ansehen 21, will die herrschende Gegen­meinung eine Bestrafung genehmigungskonformen Verhal­tens dann zulassen, wenn das Ausnutzen der Genehmigung rechtsmissbräuchlich erscheint 22.

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9) Vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, strafgesetzbuch, 27. Aufl. 2006, Vorbem §§ 32 ff., Rdnr. 63d.

10) Hüwels, fehlerhafter Gesetzesvollzug und strafrechtliche zu­rechnung, 1986, s. 36; Tiedemann/Kindhäuser, Nstz 1988, 342.

11) BGH, Nstz 1993, 594, 595; Marx, Die behördliche Genehmi­gung im strafrecht, 1993, s. 142, 172.

12) zu den in der literatur alternativ vertretenen Auffassungen de­tailliert Mayer (fn. 1), s. 328 ff.

13) so allgemein Kuhlen, fragen einer strafrechtlichen Produkthaf­tung, 1989, s. 117; Wessels/Beulke, strafrecht, Allgemeiner teil, 37. Aufl. 2007, Rdnr. 672. speziell in Bezug auf die Genehmi­gungsproblematik: Winkelbauer, zur Verwaltungsakzessorietät des umweltstrafrechts, 1985, s. 47 f. s. auch Mayer (fn. 1), s. 274 ff.

14) Vgl. Frisch, Verwaltungsakzessorietät und tatbestandsverständnis im umweltstrafrecht, 1993, s. 39; Große Vorholt, Behördliche stel­lungnahmen in der strafrechtlichen Produkthaftung, 1997, s. 191.

15) Hüwels (fn. 10), s. 37; Schröder, Die personelle Reichweite öf­fentlich­rechtlicher Genehmigungen und ihre folgen für das umweltstrafrecht, 2000, s. 165 f.

16) so wohl auch Große Vorholt (fn. 14), s. 46; Hermes, in: Becker= Schwarze et al., Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, s. 204. zur Vereinbarkeit dieser Ansicht mit § 25 Abs. 10 AMG s. Mayer (fn. 1), s. 334.

17) BVerfGe 53, 30, 58. ebenso Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, s. 402; Große Vorholt (fn. 14), s. 128.

18) Große Vorholt (fn. 14), s. 46; Hermes (fn. 16), s. 188.19) Geulen, zRP 1988, 325; Schall, NJW 1990, 1267; Schirrmacher, JR

1995, 386; Schwarz, GA 1993, 321.20) OlG frankfurt a. M., NJW 1987, 2753, 2756; Lackner/Kühl,

strafgesetzbuch, 26. Aufl. 2007, § 324, Rdnr. 10 m. w. N.21) Kuhlen, zstW 105 (1993), 706 f.; Steindorf (1997), in: lK/stGB,

11. Aufl., Vor § 324, Rdnr. 31.22) lG Hanau, NJW 1988, 571, 576; Breuer, DÖV 1987, 180 f.; Sach

(fn. 8), s. 256. Allerdings soll dies wegen Art. 103 Abs. 2 GG nicht für straftatbestände gelten, die wie § 96 Nr. 5 AMG explizit auf das fehlen einer behördlichen erlaubnis abstellen. Vgl. Hegh-manns, Grundzüge einer Dogmatik der straftatbestände zum schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln, 2000, s. 212; Lenckner (fn. 9), Vorbem §§ 32 ff., Rdnr. 63a m. w. N. In diesem sinne auch BGH, stV 2005, 330, 331 f.

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Überzeugen kann keiner dieser Ansätze 23. Ob und in­wieweit eine rechtswidrige behördliche Genehmigung strafbegrenzende Wirkung entfaltet, beantwortet sich letztlich losgelöst von verwaltungsrechtlichen Vorgaben anhand genuin strafrechtlicher Kriterien 24. In diesem sin­ne wird die fehlerhafte Genehmigung von einem teil des schrifttums als objektive Bedingung der strafbarkeit ange­sehen, die bis zu ihrer Aufhebung das straftatbestandliche unrecht ausschließt 25. Andere richten namentlich im fall der täuschung oder Bedrohung des Amtsträgers den Blick auf das zur Genehmigungserteilung führende Vorverhal­ten, welches anders als das genehmigungskonforme Ver­halten tauglicher Anknüpfungspunkt für eine strafbarkeit sei 26. eine dritte Ansicht 27 schließlich stellt darauf ab, dass sich die erteilte Genehmigung allein auf das Vorhaben in der Gestalt bezieht, wie es aus den eingereichten Doku­menten hervorgeht, und folgert daraus im umkehrschluss, dass im fall verschwiegener oder fehlerhaft mitgeteilter In­formationen die legalisierungswirkung der Genehmigung entsprechend eingeschränkt sei 28.

Richtiger Ansatzpunkt für die Beantwortung der frage nach der strafrechtlichen Relevanz rechtswidriger Geneh­migungen ist jedoch der bereits angesprochene umstand, dass die zwischenschaltung einer staatlichen Kontrollbe­hörde einen Vertrauenstatbestand setzt, der i. s. einer Ver­antwortungsübernahme sorgfaltspflichten der Behörde in Bezug auf die genehmigte tätigkeit begründet 29 und im selben Maße die sorgfaltspflicht des Genehmigungsemp­fängers reduziert. solange dieser keinen Anlass hat, an der Pflichtmäßigkeit des Behördenhandelns zu zweifeln, darf er die Rechtmäßigkeit der Genehmigung unterstellen und genügt seiner sorgfaltspflicht dadurch, dass er sein Verhal­ten genehmigungskonform ausgestaltet 30. entscheidend ist damit nicht, ob die zulassungserteilung objektiv verwal­tungsrechtswidrig ist und wie sich diese Rechtswidrigkeit strafrechtlich auswirkt. Maßgeblich ist vielmehr allein, in­wieweit der Genehmigungsempfänger auf die Recht­ und Pflichtmäßigkeit der Genehmigungserteilung vertrauen darf. Der schlüssel zur lösung der Problematik liegt damit in einer angemessenen Abgrenzung der Verantwortungs­bereiche von Genehmigungsempfänger und Behörde nach Maßgabe des Vertrauensgrundsatzes 31.

Nach dem Vertrauensgrundsatz darf derjenige, der sich selbst pflichtgemäß verhält, darauf vertrauen, dass auch die anderen die ihnen zukommende Verantwortung für eigene und fremde Rechtsgüter durch sorgfaltsgemäßes Handeln wahrnehmen, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte dage­gen sprechen. Dabei schließt die eigene Pflichtwidrigkeit ein berechtigtes Vertrauen in ordnungsgemäßes Verhal­ten anderer nur dann aus, wenn sie sich in der konkre­ten Gefahrensituation auswirkt, indem sie das fehlverhal­ten anderer geradezu provoziert 32. Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten eines anderen wiederum liegen insbesondere dann vor, wenn dieser wegen ersichtlich un­zulänglicher Kenntnis der sach­ und Gefahrenlage unfähig ist, die situation zutreffend zu erfassen und angemessen zu reagieren 33. Überträgt man diese Grundsätze auf den fall der rechtswidrigen Arzneimittelzulassung, so folgt daraus, dass ein schutzwürdiges Vertrauens in die zulassung nur bestehen kann, wenn die zulassungsbehörde überhaupt in der lage ist, das Medikament qualifiziert zu beurteilen 34. erforderlich hierfür ist die Kenntnis sämtlicher eigenschaf­ten des zu bewertenden Arzneimittels 35. Diesbezüglich ist die Behörde auf die Mitwirkung des pharmazeutischen unternehmers angewiesen, dem zunächst als einzigem alle Charakteristika des neuen Präparats bekannt sind 36. Dem­entsprechend hat der Gesetzgeber das zulassungsverfahren als unterlagenprüfung ausgestaltet und den pharmazeuti­schen unternehmer gemäß §§ 22 ff. AMG verpflichtet, in den einzureichenden zulassungsunterlagen alle zulassungs­relevanten Arzneimitteleigenschaften anzugeben.

Aus dieser Aufgabenteilung folgt im lichte des Vertrau­ensgrundsatzes, dass die schutzwürdigkeit des Vertrau­ens in die Arzneimittelzulassung mit der Verantwortung für die Inputfaktoren korrespondiert 37. so kann sich der pharmazeutische unternehmer auf die zulassung nicht berufen, wenn er die spezifika des betreffenden Präpa­rates – sei es aus Nachlässigkeit oder wegen mangelhafter Konzeption der klinischen Prüfung – in den zulassungs­unterlagen falsch oder unvollständig wiedergibt oder gar versucht, das BfArM durch bewusste fehlinformationen zu täuschen. In letzterem fall ist dem Vertrauen in die zulassung schon deshalb die Grundlage entzogen, weil der pharmazeutische unternehmer positiv weiß, dass die zulassungsbehörde aufgrund der fehlinformation über ein defizitäres Risikobewusstsein verfügt 38. Darüber hi­naus stellt das einreichen fehlerhafter zulassungsunterla­gen eine Pflichtverletzung dar, welche sich in der rechts­widrigen zulassungsentscheidung auswirkt. Im ersten fall fehlt es zwar an einem überlegenen sachwissen des pharmazeutischen unternehmers, jedoch greift auch hier der Ausschlussgrund der Pflichtverletzung ein, hätte der pharmazeutische unternehmer die fehlerhaftigkeit des mitgeteilten Datenmaterials doch erkennen und vermei­den können.

Informiert der pharmazeutische unternehmer die zu­lassungsbehörde hingegen umfassend über die eigenschaf­ten des Medikaments, so kann er grundsätzlich von einem pflichtgemäßen Handeln der Behörde ausgehen und auf die erteilte zulassung vertrauen 39. erweist sich die zu­lassungserteilung dennoch als rechtswidrig, etwa weil die Bundesoberbehörde die Arzneimitteldaten falsch verarbei­tet oder Nutzen und Risiken unzutreffend bewertet, darf er sich auf die in der zulassung zum Ausdruck kommende (straf­)rechtliche erlaubnis der Inverkehrgabe verlassen 40. Denn die fehlerhaftigkeit der zulassung fällt insoweit in den Verantwortungsbereich der Behörde und damit des staates, der sich das fehlverhalten seiner Behörde zurech­nen lassen und das Inverkehrbringen des bedenklichen Me­dikaments von strafe ausnehmen muss 41.

2. Überholte Arzneimittelzulassung infolge „nachträglicher“ Bedenklichkeit

Im Ausgangspunkt anders gestaltet sich die situation, wenn die Arzneimittelzulassung wegen anfänglicher unbedenk­lichkeit des Medikaments zwar rechtmäßig erlassen wurde,

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23) s. hierzu ausführlich Mayer (fn. 1), s. 553 ff.24) Vgl. Holthausen, Nstz 1988, 257; Schünemann, wistra 1986, 239.

s. auch BVerfGe 75, 329, 346.25) Horn (fn. 6), Vor § 324, Rdnr. 19; Günther (2005), in: sK/stGB,

Vor § 32, Rdnr. 67.26) Vgl. Hirsch (fn. 4), Vor § 32, Rdnr. 165; Schlehofer (fn. 4), Vor

§§ 32 ff., Rdnr. 153.27) Breuer, NVwz 1987, 756; Heine, NJW 1990, 2431.28) zu diesen Ansätzen ausführlich Mayer (fn. 1), s. 557 ff.29) Vgl. Lenckner (fn. 9), Vorbem §§ 13 ff., Rdnr. 101c.30) ähnlich Frisch (fn. 14), s. 72 f.; Schwarz, GA 1993, 326.31) In diesem sinne auch Holthausen, Nstz 1988, 257; Ostendorf, Jz

1981, 174.32) statt vieler Roxin (fn. 4), § 24, Rdnrn. 21, 24; Wessels/Beulke

(fn. 13), Rdnrn. 671 f. m. w. N.33) Vgl. Lenckner (fn. 9), Vorbem §§ 13 ff., Rdnr. 101c m. w. N.34) Vgl. Große Vorholt (fn. 14), s. 42, 119.35) Große Vorholt (fn. 14), s. 43 f.; Schröder (fn. 15), s. 165.36) Vgl. Di Fabio (fn. 17), s. 186.37) Marx (fn. 11), s. 84, 100.38) Große Vorholt (fn. 14), s. 194. 39) Kloepfer, NuR 1987, 14; Winkelbauer (fn. 13), s. 73.40) Vgl. Winkelbauer, Nstz 1988, 206.41) zur frage einer etwaigen strafbarkeit der zuständigen Behör­

denmitarbeiter s. Mayer (fn. 1), s. 591 ff.

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aufgrund zwischenzeitlicher, zur Bedenklichkeit des Prä­parates führender umstände aber überholt ist. Während ein teil des schrifttums die „Altgenehmigung“ als obsolet erachtet 42, betonen andere stimmen den Orientierungssi­cherheit bezweckenden Charakter der Genehmigung und das daraus resultierende schutzwürdige Vertrauen in die Beständigkeit der Behördenentscheidung, angesichts dessen die genehmigte tätigkeit bis zur förmlichen Aufhebung der Genehmigung als (strafrechtlich) erlaubtes Verhalten anzusehen sei 43.

zur Begründung der Wirkungslosigkeit von „Altge­nehmigungen“ wird auch hier teilweise darauf abgestellt, dass die Berufung auf eine offensichtlich überholte Ge­nehmigung rechtsmissbräuchlich und daher strafrechtlich unbeachtlich sei 44. Andere folgern die Irrelevanz überhol­ter behördlicher Genehmigungen aus den allgemeinen Grundsätzen polizeilicher Gefahrenabwehr 45, wonach der staat bei akuten Gefahren für die öffentliche sicher­heit berechtigt sei, gegen eine formell genehmigte un­ternehmung einzuschreiten 46. Wieder andere entwickeln die unbeachtlichkeit von „Altgenehmigungen“ aus dem Bescheidungsgegenstand und ­umfang 47 und betonen, dass das Recht der Risikoverwaltung ein „Recht auf zeit“ sei, staatliche Risikoentscheidungen im Produktrecht sich ge­radezu durch ihre temporäre Vorläufigkeit auszeichneten 48. Allerdings sagt die erkennbare Vorläufigkeit der Arznei­mittelzulassung als solche nichts darüber aus, inwieweit die zwischenzeitlich aufgetretenen Nebenwirkungen das Medikament nunmehr als bedenklich erscheinen lassen. Die völlige Wirkungslosigkeit der erteilten zulassung hätte die Konsequenz, dass es dem pharmazeutischen unterneh­mer obläge, zu entscheiden, ob die bekannt gewordenen Nebenwirkungen unvertretbar sind und das Präparat somit aus dem Verkehr zu ziehen ist. Nach der eindeutigen In­tention des Gesetzgebers soll dem pharmazeutischen un­ternehmer eine derartige entscheidungskompetenz aber gerade nicht zukommen. Die Beurteilung der (un­)Be­denklichkeit liegt vielmehr im Verantwortungsbereich der eigens dafür eingerichteten zulassungsbehörde. Der pharmazeutische unternehmer darf darauf vertrauen, dass die Behörde die zulassung revidieren oder Gefahrenab­wehrmaßnahmen anordnen wird, wenn ihr dies erforder­lich erscheint. umgekehrt darf er das untätigbleiben der Bundesoberbehörde als Beleg fortbestehender unbedenk­lichkeit des Arzneimittels ansehen und dieses weiter in Verkehr bringen.

einschränkungen dieses Vertrauens ergeben sich wiede­rum aus dem Vertrauensgrundsatz 49. schutzwürdig ist das Vertrauen in die zulassung demnach nur dann, wenn die Bundesoberbehörde ständig über das jeweils aktuelle Ri­sikowissen verfügt und damit jederzeit zu einer pflichtge­mäßen Korrektur der ursprünglichen Gestattung fähig ist. Dies setzt eine kontinuierliche unterrichtung der Behörde über neue Nebenwirkungen durch den pharmazeutischen unternehmer voraus, wie sie in den §§ 29 Abs. 1, 31 Abs. 2, 63b AMG vorgesehen ist.

Kommt der pharmazeutische unternehmer seinen Mit­teilungspflichten nicht ordnungsgemäß nach, scheidet eine

Berufung auf die „Altgenehmigung“ aus. Denn das untä­tigbleiben stellt eine sich im pflichtwidrigen untätigblei­ben der zulassungsbehörde auswirkende Pflichtverletzung dar. erfüllt der pharmazeutische unternehmer hingegen seine Informationspflicht, darf er die „Altzulassung“ un­vermindert als verbindliche Konkretisierung des „erlaub­ten Risikos“ erachten und das Präparat weiter in Verkehr bringen 50. Die Grenze des berechtigten Vertrauens ist nur dann erreicht, wenn die aufgetretenen Nebenwirkungen so eklatant sind, dass sich die Bedenklichkeit des Arznei­mittels geradezu aufdrängt und damit konkrete Anhalts­punkte für die Pflichtwidrigkeit der behördlichen untä­tigkeit gegeben sind – wovon angesichts der Komplexität der Bedenklichkeitsprüfung und der diesbezüglichen ein­schätzungsprärogative der Behörde nur im Ausnahmefall auszugehen ist.

IV. Fazit

Die vorliegende untersuchung hat gezeigt, dass die zu­lassung eines Arzneimittels durch die Bundesoberbehörde einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich des erlaubtseins seines Inverkehrbringens schafft. In welchem umfang dieses Vertrauen strafrechtlich Beachtung finden muss, ist durch eine sachgerechte Abgrenzung der Verantwor­tungsbereiche der Behörde und des pharmazeutischen unternehmers nach Maßgabe des Vertrauensgrundsatzes zu ermitteln. entscheidend ist, dass die zulassungsbe­hörde über eine zumindest gleichwertige Risikokennt­nis verfügt, die es ihr ermöglicht, die Bedenklichkeit des Medikaments zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Da die Behörde auf die Übermittlung von Risikodaten durch den pharmazeutischen unternehmer angewiesen ist, hängt die strafbegrenzende Wirkung der Arzneimittelzulassung schlussendlich davon ab, ob die Behörde ordnungsgemäß mit entsprechenden Informati­onen versorgt wird. Nur wenn dies der fall, kommt der Arzneimittelzulassung über § 96 Nr. 5 AMG hinaus straf­befreiende Wirkung zu.

Mayer, Die Arzneimittelzulassung als strafbarkeitshindernis

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598 MedR (2008) 26: 595−598

42) Rehmann, Arzneimittelgesetz (AMG), 2. Aufl. 2003, § 5, Rdnr. 1; Thiele, BGesundhBl 1997, 12.

43) Vgl. Kuhlen (fn. 13), s. 133 f., 143; Rogall, Die strafbarkeit von Amtsträgern im umweltbereich, 1991, s. 186.

44) stA Mannheim, NJW 1976, 585, 586; Horn, NJW 1986, 156; Lenckner (fn. 9), Vorbem §§ 32 ff., Rdnr. 63d. Bzgl. der gegen den Rechtsmissbrauchsgedanken sprechenden Gründe s. bereits oben.

45) Heine, NJW 1990, 2431.46) Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder (fn. 9), Vorbem. §§ 324 ff.,

Rdnr. 17b. zu den Bedenken gegen diesen Ansatz s. Mayer (fn. 1), s. 570.

47) Kloepfer, NuR 1987, 13; Rogall, GA 1995, 310 f.48) Di Fabio (fn. 17), s. 307.49) so explizit Hermes (fn. 16), s. 203 f.50) Im ergebnis ebenso Marx (fn. 11), s. 97. Hinsichtlich einer etwa­

igen strafbarkeit der zuständigen Behördenmitarbeiter im fall des untätigbleibens s. Mayer (fn. 1), s. 598 ff.