Die Bakteriologie der Gallenwegserkrankungen in Ihrer Bedeutung für die pathogenese

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14. JANUAR 1933 MOND und NETTER: Rind ANSELMINO und HOFFMANN: Erwachsene Frauen BECHER : Erwachsene M~nner und Frauen BROHL : S~uglinge KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Tabelle 1. Schwankun gsbereich H~ufigster Wert Konzen- Milli- tration mole Konzen- Millimole trafion 8,3--14,3 8,3--1o 8--16 7,75-1o,25 !~/~20--%0 "lln/129--n/97,5 n/l] 0 (~!100) 114 9, I IO 8,75 kurven (nach rechts im Bilde) bei Schwangerschaft und Ur- ~tmie. Wie scholi ANSELMINO lind HOFFMANN zeigen konnten, steigeli die organischen S&uren w~hrend der Gravidit~t im Serum an, hier alif eine Konzentratioli yon ~/s0 (~ 11,5 Milli- mole) gegenfiber einer Konzentration yon ~/laa post partum (= 7,5 Millimole pro Liter Normalserum). 2 PZ Abb. I. Beispiele flit verschiedene t21ektrofitrationskurven (Kontroll6sung: 0,6% NaCl; o,o2 n-NaHC0a; o,oi n-Harnstoff). 3. Weiterhin zeigt sich eine exzessive Vermehrung or- ganischer S~iireli im Coma nraemicum eines Ioj&hrigen Knaben (stille astos Form bei einer entzfindlichen Schrumpfniere). Die zweite (am weitesten rechts gelegene) Kurve wurde kurz ante mortem aufgenommen. Die SXure- anstiege auf 22,5 bzw. 29,5 Millimole stehen in bestem Ein- klang mit den Angaben STRAUBS fiber die Vermehrung des unbekannten Molenrestes und mit den kfirziichen Ver6ffent- lichungen BECHERS, der bei Ur~tmie organische S~uren in Meligen yon 5 ~ Millimol und darfiber aus dem enteiweiBten Serum aus~thern konnte. 4. Eili Vergleich der bei Gravidit~t und UrXmie erhaltelien Pufferkurven ergibt nun, dab die dabei aultretenden S~uren wahrscheinlich nicht dieselben sein k6nnen. Wie ANSELMINO 12. JAHRGANG. Nr. 2 73 und HOFFMANN Iinden wir bei Gravidit/~t eine besonders starke Vermehrung puffe'rnder S~uren mit der mittleren Dis- soziationskonstante yon etwa 3,75, auBerdem aber das Auf- treten yon SXurei1 mit einem mittleren PK = 5,5--5,7. Dem- gegenfiber kann die Ur~tmiekurve in 3 Pufferungsbereiche aut- ~eteilt werden; die Betrachtung der dazugeh6rigen mittleren Dissoziationskonstanten yon PK = 5,6, 4,4 und 3,o erlaubt gewisse Hinweise auI die Natur dieser S~uren. Eine ein- gehende Interpretation erfolgt an anderer Stelle. 5. Im Serum yon Kindern mit florider Rachitis sind die organischen S~uren abgesunken, maximal his auf 4 Millimole gegenfiber dem dazugeh6rigen Normwert yon 9 Millimolen. Ein solches Verhalten hat bereits GYORGY ffir die Milchs~ture im Zusammenhang mit der bei Rachitis herabgesetzten Glykolyse (FREUDENBERG und Mitarbeiter) aufgezeigt. 6. Nach Konvlilsionen (kindliehe maliifeste Tetaliie) steigeli -- wie erwartet -- die organischen S~urewerte an, bisweilen bis auf 17, 5 Millimole, d. h. auf 225 % des Ausgangs- wertes yon 7,75 Millimol. Nach Angaben der Literatur kann die Milchs~ure wahrscheinlich diesen S~ureanstieg nur zur H~tlfte decken. 7. Durch Vergleich peripheren arteriellen Capillarblutes mit -- dutch Sinuspunktion erhaltenem -- ven6sen AbfluB- blur des Gehirns ergibt sich ein Versehwinden organischer S~uren im Tetaniestoffwechsel des Gehirns. W~hrend der tetanischen Erregbarkeitssteigerung des Zentralnervensystems haben wir die CO2-Bindungsf~higkeit des ven6sen AbIlul3blutes gegenfiber dem arteriellen Blur erh6ht gefunden (Deutscher P/~diaterkoligreB Dresden 1931). Dieser Befund gewinnt da- mit eine Erkl~rung und zahlenmXBige Stfitze (s. Tabelle 2). Tabelle 2. M. N., Krampftetanie ii .I. 1932 (Gesamtblut) Ro., Krampftetanie 27 .I. 1932 (Serum). 2 CO2-Bindungsffihigkeit des Blutes bezw. Serums bei 4omm Spannung Ven6s Arteriell (Sinus) (capill~ir) Vol.-% Vol.-% 46,7 38,0 56, I 47,85 Differenz Vol.-% m-Mol. 8,7 3,8 3,5 8,25 3,68 4,0 Elektro- titrimetrische Differenz im Serumultra- filtrat m-Mole 8. Bei ketogener Di~t, wie sie bei Epilepsie und Pyurie therapeutisch angewendet wird, steigen die organischen S~uren beispielsweise bis zu einem Gehalt yon 17, 5 Millimol (= n/sv) an. Eine eingehende Analyse und Darstellung der Ergebnisse finder sich in der Ver6ffentlichulig der Biochem. Zeitschrift. (Aus der Marburger Kinderklinik [Direktor: -Pro/. Dr. 2'reu- denberg].) PRAKTISCHE ERGEBNISSE. DIE BAKTERIOLOGIE DEI~ GALLENWEGS- ERKRANKUNGEN IN IHRER BEDEUTUNG FOR DIE PATHOGENESE e. Von Dr: KURT MEYER. (Aus der Bakteriologischen Abteilung des Rudolf Virchow-Kraukenhauses in Berlin.) Wenn heute Arbeiten bakteriologischen IIIhaltes im allgemeinen yon seiten der Arzte nut m~Biges Interesse ent- gegengebracht wird, so liegt das wohl hanpts~chlieh daran, dab man mehr und mehr erkannt hat, welch groBe Rolle konstitutionelle und dispositionelle Faktoren beim Ziistalide- kommen yon Infektionen spielen, ulid weil man daher voli rein bakteriologischen Uiitersuchungen I fir das Verst/indnis und die Beurteilulig der Infektionskrankheiten nicht allzt!viel Gewinn erwartet. Ich glaube, dab in dieser Zurfickhaltung heute vielfach zu welt gegangen wird, und ich hoffe, an dem * Vortrag im Rahmen eines im Rudolf Virchow-Krankenhause' abgehaltenen Fort- bildungskursus, Gegenstand, der hier behandelt werden soll, n~mlich der Bakteriologie der Gallenwege, zeigen zu k6nnen, dab auch yon der Bakteriologie her wertvolle Erkenntnisse ffir pathogeneti- sche Fragen gewonnen werdeli k6nnen. Ich babe dieses Thema gewXhlt, weil ich mich hierbei im wesentlichen auf die Er- gebnisse yon Untersuchuligen stfitzen kann, die in den letzten IO Jahren in meinem Laboratorium ansgeffihrt worden sind. Fragen wit zun~chst, bei welchen Erkrankungen der Gallen- wege Bakterien i~berhaupt eine Nolle spielen, so sind die beiden h~ufigsten Syndrome, n~mlich die Steinerkrankung sowie die entzfindlichen Ver~tnderungen der Gallenwege -- unter dieser Bezeichnung wollen wir bier und im folgenden sowohl die Gallenblase wie die zu- nnd abffihrenden Gallenwege zu- sammenfassen -- zu nennen. Nicht an allen Steinbildungen, um mit diesen zu beginnen, sind ]3akterien nnmittelbar beteiligt. Wissen wir doeh, dal3 in einem groBen Tell der FNle eine abnorme Zusammensetzung der Galle zur Konkrementbildung Ifihrt. Aber diese ihrerseits kann schon dutch bakterielle Prozesse bedingt sein. Soweit

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14. JANUAR 1933

MOND u n d NETTER: R i n d ANSELMINO und HOFFMANN:

Erwachsene Frauen BECHER : E r w a c h s e n e

M~nner und Frauen BROHL : S~uglinge

K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T .

Tabelle 1.

Schwankun gsbereich H~ufigster Wert

Konzen- Milli- tration mole

Konzen- Millimole trafion

8,3--14,3

8,3--1o

8--16 7,75-1o,25

!~/~20--%0

"lln/129--n/97,5

n/l] 0

(~!100) 114

9, I

IO

8,75

kurven (nach rechts im Bilde) bei Schwangerschaft und Ur- ~tmie. Wie scholi ANSELMINO lind HOFFMANN zeigen konnten, steigeli die organischen S&uren w~hrend der Gravidit~t im Serum an, hier alif eine Konzentratioli yon ~/s0 ( ~ 11,5 Milli- mole) gegenfiber einer Konzentration yon ~/laa post partum (= 7,5 Millimole pro Liter Normalserum).

2 PZ

Abb. I. Beispiele flit verschiedene t21ektrofitrationskurven (Kontroll6sung: 0,6% NaCl; o,o2 n-NaHC0a; o,oi n-Harnstoff).

3. Weiterhin zeigt sich eine exzessive Vermehrung or- ganischer S~iireli im Coma nraemicum eines Ioj&hrigen Knaben (stille astos Form bei einer entzfindlichen Schrumpfniere). Die zweite (am weitesten rechts gelegene) Kurve wurde kurz ante mortem aufgenommen. Die SXure- anstiege auf 22,5 bzw. 29,5 Millimole stehen in bestem Ein- klang mit den Angaben STRAUBS fiber die Vermehrung des unbekannten Molenrestes und mit den kfirziichen Ver6ffent- lichungen BECHERS, der bei Ur~tmie organische S~uren in Meligen yon 5 ~ Millimol und darfiber aus dem enteiweiBten Serum aus~thern konnte.

4. Eili Vergleich der bei Gravidit~t und UrXmie erhaltelien Pufferkurven ergibt nun, dab die dabei aultretenden S~uren wahrscheinlich nicht dieselben sein k6nnen. Wie ANSELMINO

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und HOFFMANN Iinden wir bei Gravidit/~t eine besonders starke Vermehrung puffe'rnder S~uren mit der mittleren Dis- soziationskonstante yon etwa 3,75, auBerdem aber das Auf- treten yon SXurei1 mit einem mittleren PK = 5,5--5,7. Dem- gegenfiber kann die Ur~tmiekurve in 3 Pufferungsbereiche aut- ~eteilt werden; die Betrachtung der dazugeh6rigen mitt leren Dissoziationskonstanten yon PK = 5,6, 4,4 und 3,o erlaubt gewisse Hinweise auI die Natur dieser S~uren. Eine ein- gehende Interpretat ion erfolgt an anderer Stelle.

5. Im Serum yon Kindern mit florider Rachitis sind die organischen S~uren abgesunken, maximal his auf 4 Millimole gegenfiber dem dazugeh6rigen Normwert yon 9 Millimolen. Ein solches Verhalten hat bereits GYORGY ffir die Milchs~ture im Zusammenhang mit der bei Rachitis herabgesetzten Glykolyse (FREUDENBERG und Mitarbeiter) aufgezeigt.

6. Nach Konvlilsionen (kindliehe maliifeste Tetaliie) steigeli -- wie erwartet -- die organischen S~urewerte a n , bisweilen bis auf 17, 5 Millimole, d. h. auf 225 % des Ausgangs- wertes yon 7,75 Millimol. Nach Angaben der Literatur kann die Milchs~ure wahrscheinlich diesen S~ureanstieg nur zur H~tlfte decken.

7. Durch Vergleich peripheren arteriellen Capillarblutes mit -- dutch Sinuspunktion erhaltenem -- ven6sen AbfluB- blur des Gehirns ergibt sich ein Versehwinden organischer S~uren im Tetaniestoffwechsel des Gehirns. W~hrend der tetanischen Erregbarkeitssteigerung des Zentralnervensystems haben wir die CO2-Bindungsf~higkeit des ven6sen AbIlul3blutes gegenfiber dem arteriellen Blur erh6ht gefunden (Deutscher P/~diaterkoligreB Dresden 1931). Dieser Befund gewinnt da- mit eine Erkl~rung und zahlenmXBige Stfitze (s. Tabelle 2).

Tabelle 2.

M. N., Krampftetanie i i .I. 1932 (Gesamtblut)

Ro., Krampftetanie 27 .I. 1932 (Serum). 2

CO2-Bindungsffihigkeit des Blutes bezw. Serums bei 4omm Spannung

Ven6s Arteriell (Sinus) (capill~ir) Vol.-% Vol.-%

46,7 38,0

56, I 47,85

Differenz

Vol.-% m-Mol.

8,7 3,8 3,5

8,25 3,68 4,0

Elektro- titrimetrische Differenz im Serumultra-

filtrat m-Mole

8. Bei ketogener Di~t, wie sie bei Epilepsie und Pyurie therapeutisch angewendet wird, steigen die organischen S~uren beispielsweise bis zu einem Gehalt yon 17, 5 Millimol (= n/sv) an.

Eine eingehende Analyse und Darstellung der Ergebnisse finder sich in der Ver6ffentlichulig der Biochem. Zeitschrift. (Aus der Marburger Kinderklinik [Direktor: -Pro/. Dr. 2'reu- denberg].)

PRAKTISCHE ERGEBNISSE. DIE BAKTERIOLOGIE DEI~ GALLENWEGS- E R K R A N K U N G E N IN I H R E R B E D E U T U N G

FOR DIE PATHOGENESE e. V o n

Dr: KURT MEYER. (Aus der Bakteriologischen Abteilung des Rudolf Virchow-Kraukenhauses in Berlin.)

Wenn heute Arbeiten bakteriologischen IIIhaltes im allgemeinen yon seiten der Arzte nut m~Biges Interesse ent- gegengebracht wird, so liegt das wohl hanpts~chlieh daran, dab man mehr und mehr erkannt hat, welch groBe Rolle konstitutionelle und dispositionelle Faktoren beim Ziistalide- kommen yon Infektionen spielen, ulid weil man daher voli rein bakteriologischen Uiitersuchungen I fir das Verst/indnis und die Beurteilulig der Infektionskrankheiten nicht allzt!viel Gewinn erwartet. Ich glaube, dab in dieser Zurfickhaltung heute vielfach zu welt gegangen wird, und ich hoffe, an dem

* Vortrag im Rahmen eines im Rudolf Virchow-Krankenhause' abgehaltenen Fort- bildungskursus,

Gegenstand, der hier behandelt werden soll, n~mlich der Bakteriologie der Gallenwege, zeigen zu k6nnen, dab auch yon der Bakteriologie her wertvolle Erkenntnisse ffir pathogeneti- sche Fragen gewonnen werdeli k6nnen. Ich babe dieses Thema gewXhlt, weil ich mich hierbei im wesentlichen auf die Er- gebnisse yon Untersuchuligen stfitzen kann, die in den letzten IO Jahren in meinem Laboratorium ansgeffihrt worden sind.

Fragen wit zun~chst, bei welchen Erkrankungen der Gallen- wege Bakterien i~berhaupt eine Nolle spielen, so sind die beiden h~ufigsten Syndrome, n~mlich die Steinerkrankung sowie die entzfindlichen Ver~tnderungen der Gallenwege -- unter dieser Bezeichnung wollen wir bier und im folgenden sowohl die Gallenblase wie die zu- nnd abffihrenden Gallenwege zu- sammenfassen -- zu nennen.

Nicht an allen Steinbildungen, um mit diesen zu beginnen, sind ]3akterien nnmittelbar beteiligt. Wissen wir doeh, dal3 in einem groBen Tell der FNle eine abnorme Zusammensetzung der Galle zur Konkrementbildung Ifihrt. Aber diese ihrerseits kann schon dutch bakterielle Prozesse bedingt sein. Soweit

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es sich um Vergnderungen des yon der Leber produzierten Sel~retes selbs~c handelt, ist daran zu erinnern, dab im Verlauf yon Infektionen der Cholesterinstoffwechsel Ver~nderungen erf~hrt , die auch in der Zusammensetzung der Galle ihren Ausdruck linden k6nnen, und dab bakteriell-h~molytische Vorg~nge ebenfalls zu vermehrter Cholesterin- und Gallen- farbstoffausscheidung ffihren werden.

Wichtiger sind wohl die Wirkungen, die die Bakterien in der Galle, gleichgiiltig, auf welchem Wege sie dorthin gelangt sind, direkt hervorrufen. Zun~chst verm6gen sie schon physikalisch als negativ geladene EiweiBteilchen yon grol3er Oberfl~chenentwicklung StSrungen in dem labilen kolloidalen Gleichgewicht der Gallen]li~ssiglceit auszulOsen. Hierzu kommen noch die Ver~nderungen, die sie in der chemischen Zusammen- setzung der Galle bewirken. Es scheint sicher zu sein, dab die Gallens~uren einem bakteriellen Abbau zugXnglich sind. Fiir den Gallenfarbstoff ist ein solcher nachgewiesen; ffir das Lecithin, die Fetts~uren, die Proteine, kann er ebenfalls angenommen werdeli. Endlich werden wir als Folge dieser Abbauvorg~nge auch Ver~nderungen im SXure-Basenverh~ltnis erwarten kSnnen. AuI den verschiedensten Wegen also kann das LSsungsgleichgewicht in der Galle gest6rt und so die Stein- bildung eingeleitet werden.

Im allgemeinen wird fiberdies eine Besiedelung der Galle mit Bakterien nicht lange bestehen, ohne dab es zu entzi~nd- lichen Prozessen in der Wand der Gallenwege kommt. Die dutch sie hervorgerufene Exsudation yon EiweiB, die Fibrin- ausscheidung, die Leukocyteneinwanderung bilden abet weitere wichtige nrss Faktoren ffir die Steinbildung.

Man wird somit, wenn man der bakteriellen Infektion auch nicht mehr. die gleiehe grol3e Bedeutung Ifir die Stein- bildung, wie noch vor 2o Jahren, zumiBt, doch ihre Wichtig- keit nicht untersch~ttzen dtirfen und dieser ]3edeutung fiir prophylaktische und therapeutische IV~aBnahmen Rechnung tragen.

Eine ansschlaggebende Rolle spielen die Bakterien natfir- lich bei den rein entzi~ndlichen Erkrankungen der Gal!enwege , yon den anatomisch kaum IaBbaren ,,Cholangien" bis zu den schwersten eitrigeli Prozessen. Wenn mall absieht yon Reizzust~nden, die dutch die Anwesenheit yon Konkrementen ausgel6st und unterhalten werden, dtirfte in der Regel eine IIIfektion dem EntztindnngsprozeB zugrunde liegen. Aller- dings t r i t t keineswegs stets sofort, nachdem Bakterien in die Gallenwege gelangt sind, eine entziindliche Reaktion ein. Wir wissen vielmehr, dab gar nicht selten Bakterien im distalen Abschnitt des Ductus choledochus vorkommen, ohne die geringsten Minischen oder histologischen Erscheinungen zu machen. Es mtissen offenbar noch andere Bedingungen gegeben sein, damit sich aus dem Infekt der Galle, der Bakterio- cholie, eine Erkrankung der Gallenwege entwickelt.

Eine sehr wichtige l%lle spielt in dieser Beziehung die Stauung der Galle. W~.hrend man frtiher als deren Ursache hauptsS.chlieh eine mechanische Behinderung des Gallen- abflusses annahm, ist man hente mehr geneigt, sie auf eine StSrung der die Fort lei tung der Galle regelnden Bewegungs- vorg~nge zurfickzuifihren.

Warum die Stauung die Infektion der Gallenwege be- gfinstigt, ist allerdings keineswegs leicht zu beantworten. Ob die Vermehrung der Keime in dem stagnierenden Milieu erleichtert wird, also in erster Linie quanti tat ive Momente in Frage kommen, ob die Tatsache, dab die Bakterien, am AufwSortswandern nicht mehr gehindert, pl6tzlich auf bisher unberiihrte Sehleimhautpartien treffen, entscheidend ist, ob eine Virulenzzunahme der Bakterien erfolgt, vermSgen wit nicht zu entscheiden. Dabei mfissen wit uns auch noch klar darfiber sein, dab eine solche Virulenzzunahme mehr ein Postulat Ms eine tats~.chlich nachgewiesene Erscheinung ist.

Vielleicht darf auch an eine Resistenzverminderung der Schleimhiiute infolge der Stauung gedacht werden, wenn man nicht dieselben urs~chlichen Faktoren, etwa endokriner oder neurogen-vasomotorischer Natur, sowohl ffir die StSrung der Gallenforthewegung wie fiir die Herabsetznng der Schleim- hautresistenz verantwortl ich machen will. DaB solche Faktoren an sich auch ohne Vorhandensein einer Stauung

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die Bedingungen fiir das Zu~tandekommen einer Infektion schaffen k6nnen, liegt auI der Hand.

Auf welchem Wege gewinnen wir nun einen Eiablick in die Zusammensetzung dee Bakterienflora, deren Rolle wir im vor- stehenden zu umreiBen versucht haben? Die direkte Unter- suehung der Galle ist natfirlich das einfachste Vorgehen. Abet man mug auch mit der 3/i6glichkeit rechnen, dab bei Prozessen, die sich in der Tiefe der Schleimhaut abspielen, die Zahl der Bakterien, die in die Galle selbst gelangen, begrenzt ist, so dab sie sich, zumal, welin es sich um Arten handelt, die dutch die Galle geseh~digt werden, dem Nachweis entziehen kSnnen. Aus diesem Grunde ist es wtinschenswert, auch die Wandungen der Gallenwege selbst auf die Aiiwesenheit yon Bakterien, sei es kulturell, sei es histologisch, zu unter- suchen. Diese M6glichkeit ist allerdings nut bei operativ entferntem oder Leichenmaterial gegeben. Es sei schon jetzt vorweggeliommen, dab bei vergleichenden Untersuchungen yon Gallenblasenwand und Gallenflfissigkeit zwar dort etwas h/~ufiger als bier ein positiver bakterieller ]Befund erhoben wurde, wesentliche Unterschiede sich aber nicht ergeben haben.

Ftir die Gewinnung der Galle selbst steht auBer Operation und Autopsie noch die Duodenalsondierung zur Verffigung. Allerdings sind deren Ergebnisse nur mit iKritik zu ver- werten. Denn die mit der Duodenalsonde gewonnene Fltissig- keit besteht ja nicht nur aus Galle, sondern auch arts Darm- und Pankreassekret. Damit ist abet die MSglichkeit gegeben, dab der Duodenalsaft gallefremde Bakterien enth~lt. ]3e- kanntlich kann dutch Einspritzung yon Pepton oder Magne- siumsulfat ins Duodenum die Gallenblase zur Entleerung ihres Inhalts veranlal3t werden, und die auf diese Weise ge- wonnene Flfissigkeit wird in der Hauptsache aus Galle be- stehen. Be~onders dutch vergleichende Untersuchung des vor and nach solchen Einspritzungen gewonnenen Sekretes wird man ein Urteil fiber den Bakteriengehalt der Galle selbst gewinnen k6nnen.

Auf die Technik der bakteriologischen Untersuchung wollen wit hier nicht eiligehen, uns vielmehr sogleich der Besprechung der Bal~terienarten, die in der Galle ge/unden werden, zuwenden. Dabei wird man zwei Gruppen von Balc- terien unterscheiden kSnnen: solche, deren Vorkommen in der Galle nichts. Charakteristisches hat, die vielmehr die Gallenwege in gleicher Weise befallen, wie ]edes andere Organsystem, und solche, bei denen diese Lokalisation eine typische, durch die Eigenart der Erreger einerseits, die ana- tomischen Verh~ltnisse der Gallenwege andererseits, bedingt ist.

Zur ersten Gruppe w/~ren B. Friedl~nder, Proteus, der Pfeiffersche Influenzabaciltus, der ]3. emphysematosus, Pneumokokken, Staphylokokken, endlich die Streptokokken, und zwar sowohl der Str. haemolyticus, wie jene auf der Blutplatte grfin wachsenden, zweckm/~Big als Str. viridans zusammenzufassenden Streptokokkentypen, zu rechnen.

Bei allen diesen Infekten handelt es sich um seltene Vor- kommnisse. Ihre Gesamtzahl dfirfte kanm IO % aller Gallen- infektionen mit positivem bakteriellen Befund ausmachen. 13ezfiglich der Staphylokokken und Streptokokken wird diese Behanptung vie!leicht iiberraschen, so dab wit sic etwas n~her begrtinden mfissen.

Was zun~chst die Staphylokokkenbe]unde betrifft, die nach unserer Erfahrung eine groBe Seltenheit sind, so ist zu sagen, dab bier, paradoxerweise, das negative Ergebnis be- weisend ist. Der Staphylococcus mit seiner kaum zu unter- drfickenden Wachstumsenergie wird sich, auch wenn er in kleinster Zahl vorhanden ist, dem Nachweis nicht entziehen. Andererseits ist die Ubiquit~tt seines Vorkommens in der AuBenwelt eine Tatsache, die jeden ]3akteriologen mahnt, allen Staphylokokkenbefunden, zumal wenn es sich nicht um den Staphylococcus aureus haemolyticus handelt, mit Krit ik gegenfiber zu treten. Diese Vorsicht ist, wie es scheint, viel- fach aul3er acht gelassen worden.

Anders liegen die VerhS~ltnisse bezfiglich der Streptokokken- be]unde, die in der Li teratur eine groBe iRolle spielen. Zweifel- los handelt es sich hier nicht um wahre Streptokokken,

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4. JANUAR i933 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 12. J A H R G A N G . Nr. 2 75

sondern um die von diesen streng zu unterscheidenden Enterokokken, auI die wit sp~ter noeh zu sprechen kommen. Obwohl ich bereits vor 8 Jahren hierauf hingewiesen habe, hat sich diese Erkenntnis nur allm~hlich durchgesetzt u n d erst in der letzten Zeit wird die Notwendigkeit der Unter- scheidung yon Enterokokken und Streptokokken wohI allgemein anerkannt. AIle frfiheren Statistiken, aber auch noeh manche aus den letzten jahren, bei denen diese Unter- scheidung nicht berficksichtigt wu:cde, sind daher ffir die Frage der H~ufigkeit der Streptokokken nieht zu verwerten.

Wenden wit uns nun zu den typischen Gallenwegsin]ektionen, so sind hier zun~chst die durch Typhus- und Paratyphus- baeillen zu nennen. Ihre Bedeutung liegt nicht so sehr in ihrer absoluten H~ufigkeit unter den Galleninfekten -- diese ist nicht sehr erheblich und zeigt region/~r groBe Unterschiede -- als vielmehr darin, dab im Gesamtbild der typh6sen Infektion die Bakteriocholie wahrseheinlich das Vermittlungsglied zwischen BakteriXmie und Darmerkrankung bildet. Eigent- lich entzfindliche Ver~nderungen der Gallenwege seheinen beim Typhus und Paratyphus nieht ein so regelm~Biges Vor- kommnis zu sein, wie man frtiher angenommen hat. Immerhin bleibt bei einer nicht geringen Zahl von F~llen eine chronische Infektion zurfick, die die Ursache ist, dab die Patienten zu Dauerbaeillenausseheidern werden.

Bei der grofien Mehrzahl aller Gallenin]elctionen aber werden zwei Bakterienarten angetroffen : der Bacillus coli und der Enterococcus, und zwar jener in etwas gr6Berer H~iufigkeit als dieser. Nicht selten sind beide miteinander vergesell- schaftet oder sie linden sich Zusammen mit einer der vorher genannten Bakterienarten. Coli und Enterococcus sind daher als die hauptsdichlichsten Erreger der in/ektiSsen Gallenerkrankun- gen anzusehen.

W~hrend der Colibacillus seit langem allgemein bekannt ist, hat sich derEnterococcus, der in Frankreich sehon vor 3 ~ Jahren besehrieben wurde, bei uns erst in den letzten Jahren die all- gemeine Anerkennung als Krankheitserreger verschafft. Er stellt in seiner typischen Form einen ebenso scharf aus- gepr~gten Vertreter der groBen Streptokokkenfamilie dar, wie der Pneumoeoecus. Wenn man, wie es heute noeh ge- legentlieh gesehieht, Strepto- und Enterokokken zusammen- wirft, so ist es dasselbe, als wollte man nicht zwisehen Gono- und Meningokokken unterscheiden, obwohl die letztgenannten Arten weit gr6Bere Ahnlichkeit untereinander zeigen als Strepto- und Enterokokken.

Gleieh dem Colibaeillus ein normaler Bewohner der unteren Darmabschnitte, wird der Enterococcus wie jener zum Krankheitserreger, wenn er in Organe gelangt, die an seine Anwesenheit nicht gew6hnt sind, wie die Earn- und Gallenwege. Auch in das Blut vermag er fiberzutreten und echte Septic~mien hervorzurufen, die unter den versehieden- artigsten Bildern, darunter auch dem der typischen Endo- carditis ienta, verlaufen k6nnen.

Wit haben nunmehr die Frage zu beantworten, auJ welche Weise die Balcterierb ";n die Gallenwtge gelangen. Zwei M6glieh- keiten kommen hier in Betraeht, die Einschwemmung yon der Blutbahn aus und die Zuwanderung yore Darme her.

Es ist ja eine seit langem bekannte Tatsache, dab bei septisehen Prozessen eine Ausscheidung vo~ Bal~terien durch Niere und Leber erfolgt, und es dfirfte kein Zufall sein, dab dieser Vorgang auf die beiden Drfisen beschr~inkt ist, die aueh sonst der Ausseheidung dem Organismus sch~idlicher Stoffe dienen, w~hrend in anderen Drtisen, wie Speicheldrtisen, Pankreas, Hautdriisen usw. eine solche Bakterienausscheidung nicht oder nur ausnahmsweise erfolgt. Was im besonderen die Leber betrifft, so ist daran zu erinnern, dab die Zellen des Reticuloendothels und unter diesen auch die tfupfferschen Sternzellen im Blute kreisende Bakterien in groBer Zahl ab- fangen. Andererseits wissen wit, dab die gleichen Elemente, die Kupfferschen Zellen, eine maBgebende Rolle bei der Gallen- farbstoffbildung spielen. Die Bakterienaus~cheidung in der Leber geschieht also gleichsam durch physiologischerweise schon iunktionierende 3/Iechanismen, und so erkl~irt es sich wohl, dab sie erfolgen kann, ohne dab die Leber selbst schwerere Sch~idigungen aufweist.

Aber nicht nur auf dem Umwege fiber die Leber, sondern auch direkt yon den eigene~ Blutge]~Ben her k6nnen zweifellos Bakterien in die Wandungen der Gallenwege gelangen, und wir werden diesen Weg besonders ffir jene seltenen FMle anzunehmen haben, w o e s sich um Infekte durch Bakterien handelt, die dutch die GaIIe schwer geschXdigt werden, wie etwa Pneumo- und Streptokokken.

Damit haben wit einen Punkt berfihrt, der noch einer kurzen Er6rterung bedarf, die Tatsache n~mlich, Staphylo- und Strepto- kokken, die doch sonst als Entziindungserreger eine so groBe Rolle spielen und die sicher auch h~ufig im Blute kreisen, so selten als Erreger von Gallenerkrankungen gefunden werden. Die Erkl~rung gibt offenbar die soeben erwXhnte Tatsache, dab die Galle die Kokken, besonders Pneumo- und Strepto- kokken, abt6tet oder mindestens in ihrer Entwicklung hemmt. Selbst wenn also diese Keime dutch die Leber in die Galle aus- geschieden werden, verm6gen sie sich hier n ich t zu halten und werden daher aueh nicht imstande sein, eine pathogene Wir- kung auf die Schleimhaut auszufiben. Nut wenn sie vom Kreislauf her-in den "vVandungen der Gallenwege Ful3 fassen, werden sie eine Infektion hervorrufen k6nnen, die aber, sowie sie das Lumen der Gallenwege erreicht, dem antagonistischen Einflul3 der Galle begegnet und so bald zum Stillstand kommen wird.

Auch experimentell lieB sich beim Kaninchen zeigen, dab selbst bei i)berschwemmung des Organismus mit hXmolyti- sehem oder Viridansstreptokokken auf intraven6sem Wege im Gegensatz zu den meisten anderen Organen die Gallen- blase steril gefunden wird, w~hrend sich bei gleicher Ver- suchsanordnung die galleresistenten Enterokokken und tibri- gens, wie schon seit Jahren bekannt, auch die Typhus- bacitlen noch lang e in der Gallenblase halten, nachdem sie aus den anderen Organen bereits verschwunden sind.

W~hrend ffir die h~matogene Infektion an sich alle oben genannten Bakterienarten in Frage kommen, da sie wohl s~tmtlich gelegentlich im Blute kreisen kSnnen, ist die Zu- wanderung yon Darme her offenbar nur bei solchen Bakterien m6glich, die dort, sei es unter normalen, sei es unter patho- logischen Bedingungen, vorkommen. In erster Linie trifft das natfirlich fiir den Colibacillus und den Enterococcus zu, abet auch Proteus, B. emphysematosus, B. Friedl~inder, In- fluenzabacillen, Staphytokokken, endlich, wenngleich selten, auch h~molytische und vergrtinend wachsende Streptokokken, linden sich gelegentlich im Darme.

In der N[ehrzahl der F~lle wird die Einwanderung der Darm- balcterien in die Galle direl~t durch den Choledochus erfolgen. Finden sie sich doch nicht selten sehon normalerweise in seinen distalen Abschnitten. Jedoch wird man f f r manehe FXlle vielleicht auch mit einer Einschleppung durch die Lymphwege rechnen mfissen, wenn man daran denkt, dab bei der Pyelitis, bei der ja die gleichen Erreger in Frage kommen, viele Grfinde ffir die M6glichkeit einer lymphogenen Infektion sprechen.

Ist nun in jedem Falle, wo wir Coli oder Enterokokken oder andere Darmbakterien in der Galle finden, bewiesen, dab die InJelction direkt vom Darme her erfolgt ist?

K6nnen diese Bakterien nicht erst in die Blutbahn ein- gedrungen und i~ber die Leber in die Galle gelangt sein, wie es ~hnlich auch wieder fiir manche Infektionen des Nierenbeckens angenommen wird? Von vornherein ist diese MSglichkeit nicht auszuschliel3en, aber es erscheint wenig einleuehtend, daB, yon AusnahmefXllen abgesehen, die Bakterien, denen der Zugang zu den Gallenwegen an der Choledoehusmfindung welt offensteht, jenen mit vielen Hindernissen besetzten indirekten Weg zu den Gallenwegen einschlagen sollen.

Eine andere Frage ist, ob diese Bakterien, die wit als Darmbakterien bezeichnet haben, tats~ehlieh nur im Darm vorkommen. Ffir den Colibacillus wird man dies, soweit es sich nicht um Coliinfektionen anderer Organe handelt, bejahen dtirfen. Vom Enterococcus dagegen findet man bin und wieder in der Mundrachenh6hle und etwas h~iufiger in infizierten Z/ihnen atypisehe Formen. Vielleicht handelt es sich um Keime aus der Nahrung, die nicht selten ,,Milchs~iure- streptokokken", die ihrer Herkunft nach meist Enterokokken Mud, enth~ilt. ]?;s erseheint zum mindesten abet zweifelhaft,

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ob solche St~imme als Erreger der GalleninfeRtionen, bei denen fast ausnahmslos ganz typische St~imme angetroffen werden, in Frage kommen, da bisher eine Umwandlung der atypischen in typische Formen nicht nachgewiesen ist.

Abschliegend m6chte ich aus der Tatsache, dab bei der weit i'tberwiegenden Mehrzahl aller Gallenin/elctionen Colibacillen und Enterolcokken, also Darmbewohner, als Erreger geJunden werden, /olgern, daft diese In/ektionen enterogenen Ursprungs sin& tt~imatogene Infektionen bilden eine Ausnahme.

-Daher kSnnen wir auch den /okalen In]elctionen nicht die Bedeutung fiir die Entstehung der Gallenerkrankungen zu- erkennen, die ihnen yon mancher Seite beigemessen wird. Es soll jedoch nicht geleugnet werden, dab trotzdem nrs~ichliche Beziehungen zu Infektionsherden an anderen KSrperstellen bestehen kSnnen. Nur dab diese, besonders Herde in den Z~ihnen und in den Tonsillen, bei denen es sich ja meist nm Streptokokkeninfekte handelt, die Erreger fiir die Galten- erkrankung li~fern, miissen wir zum mindesten fiir die groBe Mehrzahl der F~ille auf Grund unserer bakteriologischen Erfahrungen fiir sehr unwahrscheinlich t~alten. DaB sie die konstitutionellen Vorbedingungen des Infektes, anf deren Be- deutung wir eingangs hingewiesen haben, beeinflussen k6nnen, soll jedoch keineswegs bestrit ten werden.

V~Tenn wit somit die enterogene Entstehung der Gallen- in/ektionen in den Vordergrund gestellt haben, so dtirfen wit allerdings nicht an der Tatsache stillschweigend vortiber- gehen, dab die oberen Darmabsehnitte, insbesondere das Duodenum, die Mfindungsst~tte des Choledochus, normaler- weise keim]rei oder keimarm sind. Die Ursache dieser Er- scheinung ist offenbar darin zu sehen, dab der Darmsaft stark bactericid wirkende Stoffe yon eigenartigem Charakter, die Baeterieidine, enth~lt, die keine Bakterienentwieklung aufkommen lassen.

Nut unter pathologischen Verh~ltnissen erfolgt eine Ansiedlung yon Bakterien im Duodenum, haupts~chlich durch das Aufw~trtswandern yon Bakterien, in erster Linie Coli und Enterokokken, aus den tieferen Darmabschnit ten bedingt, weniger dadurch, dab Keime, die den Magen passiert haben, wie Staphylo- und Streptokokken, im pathologisch ver~tnderten Duodenum mit ihrer Vermehrung vertr~gliche Bedingungen gefunden haben. ErmSglicht wird, wie es scheint, diese pathologische Bakterienbesiedlung des Duode- nums, dutch eine Verminderung oder ein Versiegen der bactericiden Wirkung des Darmsa]tes, wie sie z. ]3. regelm~Big bei der perniziSsen An~imie, nicht selten aber auch bei Er- krankungen der Gallenwege, nachweisbar ist. Diese St6run- gen in der Sekretionst~itigkeit des Darmes sind auch insofern yon Interesse, weil bei den Erkrankungen der Gallenwege h~iufig Sekretionsanomalien des Magens bestehen, so dab der Gedanke an koordinierte Vorg~inge naheliegt.

Durch diese Bakterienansiedlung im Duodenum werden aber offenbar auch die Bedingungen ]i~r eine In]ektion der Gallenwege geschaffen, und in der Tat finder man bei Gallenerkrankungen in einem erheblichen Teil der FXlle einen reichen Bakterien- gehalt des Duodenalsaftes. Natfirlich dr~ngt sich die Frage auf, ob diese Bakterien nicht erst sekund~r mit der Galle ins Duo- denum gelangt sind. Hiergegen spricht aber die bunte Zu- sammensetzung der Bakterienflora und das Vorhandensein yon

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Keimen, die in der infizierten GalIe nicht gefunden werden, wie Staphylokokken, Streptokokken, Milchs/iurebacillen und Hefe. Man darf als sicher annehmen, dab in diesen F~illen der Bakterienbefund im Duodenum unabh~ingig yon dem Keim- gehalt der Galle is•

Allerdings findet man gelegentlich bei Gallenerkrankungen das Duodenum steril. Diese Tatsache besagt jedoch nichts dagegen, dab die Infektion ihren Ursprung trotzdem im Duodenum genommen Rat. Der pathologische Prozel3, der zu einer abnormen Ansiedlung yon Keimen im Duodenum gef/ihrt und damit die Bedingungen ftir eine aufsteigende Infektion der Gallenwege geschafien hat, kann I~ingst zur Ausheilung gelangt sein, wenn die Erkrankung der Gallen- wege noch Iortbesteht. Fiir die gelegentlichen FXlle, wo trotz bestehender Galleninfektion der Duodenalinhalt steril ge- funden wird, werden wit sogar annehmen mtissen, dab hier die bactericiden l~r/ifte im Duodenum stark genug sind, um die mit der Galle hineingelangenden t(eime abzut6ten.

Versuchen wit zum SchluB, das bakteriologische Tat- sachenmaterial, das wit im vorstehellden dargelegt haben, zu einem Gesamtbilde yon der Entstehung der in#lctiOsen Gallen- erkrankungen zusammenzuftigen, so werden wir ffir die Mehr- zahl cler Fdlle als wesentliche Vorbedingung eine abnorme Ansiedlung yon Bakterien (Coli, E n t e r o k o k k e n ) i m Duo- denum anzunehmen haben, die dureh eine SekretionsstSrung in den oberen ~Abschnitten des Magendarmkanals erm6glicht wird. Dutch diese ]3akterienansiedlung sind die Bedingungen fiir eine aufsteigende Infektion der Gallenwege gegeben. Eintreten wird diese abet meist erst dann, wenn begfin- stigende Faktoren hinzukommen, wie eine t3ehinderung des GaIlenabflusses oder eine Resistenzverminderung der Schleim- haut, die ihrerseits wieder die Folge elner solchen Sch~digung oder eine endokrin oder neurogen vermit tel te Fernwirkung sein kann.

Nur in seltenen F~llen wird eine Infektion der Gal/enwege yon der ]31utbahn her erfolgen, indem entweder bereits yon der Leber eine infizierte Galle (Typhus, Paratyphus) abgeson- dert wird oder indem die Infektion yon den Wandgef~il3en der Gallenwege aus (Streptokokken, Pneumokokken) erfolgt.

Zusammen]assung: Die grofle Mehrzahl aller In]ektionen der Gallenwege wird dutch den Colibacillus nnd Enterococcus, also regelm~tBige Darmbewohner, hervorgerufen. Daraus ist zu folgern, dab die In#ktion der Gallenwege in den meisten F~llen vom Darme her erfolgt, in der Regel dutch Anfsteigen im Ductus choledochus, gelegentlich vielleicht auch dutch Vermitt lung der Lymphbahnen.

Die gewShnliehen Erreger hdimatogener In/e]ctionen, wie Staphylo-, Strepto- oder Pneumokokken, spielen bei den In/ektionen der Gallenwege eine ganz untergeordnete Rolle.

Die Vorbedingung ]i~r eine enterogene In]ektion der Gallcn- wege wird durch eine pathologische Bakterienansiedlung im Duodenum, die ihrerseits dutch eine Herabsetzung der normalen bactericiden Krd/te des Darmsaftes ermSglieht wird, gesehaffen.

L i t e r a t u r : KVRT N[EYgR, KIill. Wschr. x924, 229 u. I927, 2045. -- Kun~ MEYXR u. W. LSWX~BERG, Klill. Wschr. I926, 989 u. I928, 984. -- W. L6WEIqBERG, lReferat anf der io. Tagung der Gesellschaft fiir Verdaaungs- ulld Stoffwechselkrankheitell 193o, Verhandlungen S. 227.

R E F E R A T E N T E I L .

BUCH BESPRECHUNGEN.

Handbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten. tIrsg, v. J. JADASSOILN. Bd. 4, T1.3. -- Allgemeine pathologische Anatomie. Diagnostik. Fremdk6rper. Degeneration der Haut. ]3earb. v. W. FREUDENTHAL, O. GANS, H. KONIGSTEIN, O. NAEGELI, R. POLLAND u. G. RIE~IL. 129 teils farb. Textabb. VIII, 556 S. 13erlin: Julius Springer 1932. Oeh. RM. Ii6.-- , geb. RM. 124 .=-.

In dem vorliegenden Bande sind folgende Kapitel abgehalldelt. Die allgemeine pathologische Anatomie de~ Haut yon O. GANS, Frankfurt a. M. Dieser Abschnitt bildet den III. Band der ,,Histo- logie der Hautkrallkheiten" desselbell Verf. Er behandelt im ein-

zelnen als t{inleitung eine kurze Geschichte der histologischen Erforschung und Abbildung der Haut, es folgen S~5rungen des Formwechsels, StOrullgeu im Stoffwechselablauf, St6rullgen des Kreislaufs, die Prim~re~florescenzen, die t~ntzfindung und patho- logisches ~VVachstum. 1Viit diesem Kapitel ist null das groBe ~Verk yon O. GANS abgeschlossen. Ausgezeichnete Abbildungei1 erg~nzen die ftbersiehtliche und klare Zusammenfassung. Es folgt die Dia- gnostik der Hautkrankheiten yon G. :RIEHL, ~Vien. Die Allgemein- erseheinungen werden kurz besproehen, dalln folgen die 6rtlichen Ver~nderullgell der Haut, die Morphologie in den Unterabteilungen