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Die Bedeutung des Europarechts in der Praxis – Wie können Verstöße gegen das Europarecht geltend gemacht werden? Rechtsanwalt Dr. Otmar Thömmes, München Steueranwaltstag 2005, Berlin 04.11.2005

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Die Bedeutung des Europarechts in der Praxis –Wie können Verstöße gegen das Europarecht geltend gemacht werden?

Rechtsanwalt Dr. Otmar Thömmes, München

Steueranwaltstag 2005, Berlin04.11.2005

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Übersicht

• Anwendungsvorrang von EG-Recht• Primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht• Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien• Schadensersatzansprüche gegen MS wegen Verletzung von

Gemeinschaftsrecht• Gemeinschaftsrecht und Verfahrensrecht• Geltendmachung von Verstößen im Einspruchsverfahren• Geltendmachung von Verstößen im Steuererklärungsverfahren • Vorläufiger Rechtsschutz• Gerichtliche Geltendmachung• Petition zum Europäischen Parlament• Praktische Beispiele

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I. Anwendungsvorrang des EG-Rechts

• Seit Costa./.ENEL: Gemeinschaftsrecht hat unbedingten Vorrang vor nationalem Recht als Folge der Rechtsnatur der Gemeinschaft

• Jedoch keine Verwerfungkompetenz des EuGH

• Deshalb tritt nationales Recht im Kollisionsfall nur zurück, ist aber nicht nichtig

• BVerfG: Anwendungsvorrang ergibt sich aus dem Zustimmungsgesetz zum EG-Vertrag und seinen Änderungen

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II. Primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht

• Primäres Gemeinschaftsrecht: – EG-Vertrag– Allgemeine Rechtsgrundsätze– Gemeinschaftsgrundrechte

• Sekundäres Gemeinschaftsrecht:– Verordnungen – Richtlinien– Entscheidungen– Empfehlungen – Stellungnahmen

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III. Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien

• Grundsatz: Verordnungen richten sich direkt an die Unionsbürger, Richtlinien an die MS

• Seit der Leitentscheidung „Becker“ (Rs. 8/81) anerkannt: Einzelne Richtlinienbestimmungen können direkte Wirkungen entfalten

• Voraussetzungen:– In der RL bestimmte Umsetzungsfrist abgelaufen– RL nicht, unvollständig oder unrichtig umgesetzt– Richtlinie enthält eine für den Einzelnen begünstigende Regelung – Richtlinienbestimmung ist inhaltlich unbedingt und hinreichend genau

ausgestaltet– Dem MS bleibt bei der Umsetzung kein Ermessensspielraum

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IV. Staatshaftung der MS bei Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht (1)

• Seit 1991 anerkannt: Unterlassene Richtlinienumsetzung kann zur Staatshaftung führen, wenn eine direkte Anwendbarkeit der Richtlinie nicht in Frage kommt (Rs. C-6 u. 9/90, Francovich)

• Auch der Verstoß gegen primäres Gemeinschaftsrecht kann zur Schadensersatzpflicht führen, wenn der Verstoß hinreichend qualifiziert ist (Rs. C-46 u. 48/96, Brasserie du pêcheur u.a.)

• Erfordernis des hinreichend qualifizierten Verstoßes auch im Fall der unrichtigen Richtlinienumsetzung (Rs. C-179 u. 188-94/96, Dillenkofer u.a.)

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IV. Staatshaftung der MS bei Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht (2)

• Staatshaftung auch bei judikativem Unrecht, jedenfalls wenn ein Gericht „die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs offen-kundig verkennt“ (Rs. C-224/01, Köbler)

• Zum Richterprivileg derzeit anhängig: Rs. C-173/03: Traghetti del Mediterraneo SpA

• In Bezug auf die direkten Steuern derzeit anhängig:– Rs. C-446/04, Test Claimants in the Franked Investment Income Group

Litigation– Rs. C-524/04, Test Claimants in the Thin Cap Litigation – Rs. C-201/05, Test Claimants in the CFC and Group Litigation Group Litigation

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V. Gemeinschaftsrecht und Verfahrensrecht

• Können nationale Verfahrensvorschriften die Durchsetzung des Gemeinschaftsrecht verhindern?

• EuGH: Durchsetzung von Erstattungsansprüchen richtet sich grund-sätzlich nach nationalem Verfahrensrecht (Rs. C-228/96, Aprile)

• Problemfelder: – Antragserfordernisse trotz EG-rechtswidrigem materiellem Steuerrecht– Rückwirkende Verkürzung von Antragsfristen (Grundig Italiana)– Fristerfordernisse für die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen (vgl.

BFH v. 19.1.2000: I R 30/99, IStR 2000, S. 242) – Fristerfordernisse für die Beibringung von Bescheinigungen (vgl. hierzu die

sich aus der Rs. Meilicke ergebende Problematik des § 175 Abs. 2 AO)– Bestandskraft von Steuerbescheiden (Kühne und Heitz; Emmott)

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VI. Geltendmachung von Verstößen im Erklärungsverfahren

• EG-rechtswidriges nationales Recht ist unanwandbar. Vorrang ist auch von der Verwaltung zu beachten (Rs. C-103/88, Fratelli-Costanzo)

• Darf der einzelne Steuerberater/-anwalt EG-rechtswidriges nationales Recht schon im Veranlagungsverfahren außen vor lassen?

• In Betracht kommende Möglichkeiten– Nichterklärung von Einkünften, wenn die die Steuerpflicht begründende Norm

EG-rechtswidrig ist– Erklärung von Einkünften mit Erläuterung – Abgabe der Steuererklärung unter Vorbehalt– Abgabe der Steuererklärung und Geltendmachung der EG-rechtlichen

Einwendungen erst im Einspruchsverfahren

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VII. Geltendmachung von Verstößen im Einspruchs- verfahren (1)

• Grundsätzlich keine Rechtskraftdurchbrechung

• Ausnahmen:

– Verwaltung hat auf Nichtgeltendmachung der aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleiteten Rechte hingewirkt (Rs. C-208/90, Emmott)

– Verwaltung ist auch nach Eintritt der Rechtskraft zur Änderung befugt (Rs. C-453/00, Kühne&Heitz)

– Rückwirkendes Ereignis, § 175 Abs. 2 AObesondere Thematik: Erteilung einer Steuerbescheinigung nach § 44 EStG für Zwecke des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens; Einführung des § 175 Abs. 2 S. 2 AO („lex Manninen“)

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VII. Geltendmachung von Verstößen im Einspruchs- verfahren (2)

• Ruhen des Einspruchsverfahrens, falls wegen der Rechtsfrage ein Verfahren beim EuGH anhängig ist, § 363 Abs. 2 S. 2 AO

• Mögliche Informationsquellen des Beraters– Fachliteratur – Website des EuGH (www.curia.eu.int)– Website des BFH (www.bundesfinanzhof.de)– Amtsblatt der EU– Bundessteuerblatt– Amtliche Entscheidungssammlung des EuGH– Übersicht der Kommission zu den Entscheidungen und anhängigen Verfahren

im Bereich der direkten Steuern (vgl. hierzu die Anlage zum Vortrag Dr. Kischel)

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VIII. Vorläufiger Rechtsschutz (1)

§ 361 AO: Aussetzung der Vollziehung im Einspruchsverfahren

• Voraussetzung: „Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit“ des Bescheids

• Ernstliche Zweifel bestehen, wenn die Norm, die Grundlage der Steuererhebung ist, in einem anderen Verfahren vor dem BFH oder EuGH entscheidungserheblich ist

§ 363 Abs. 2 AO: Ruhen lassen des Einspruchsverfahrens

• Ruhen lassen des Verfahrens, wenn der Einspruch auf die EG-Rechtswidrigkeit einer Rechtsnorm gestützt wird

• Zwingend, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsnorm in einem anderen Verfahren vor dem EuGH anhängig ist

• Problem: Ähnliche Rechtsnorm eines anderen Mitgliedstaat vor dem EuGH anhängig

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VIII. Vorläufiger Rechtsschutz (2)

§ 69 FGO: Aussetzung der Vollziehung im Klageverfahren

• Bei „ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit“ des Bescheids „soll“ eine Aussetzung der Vollziehung erfolgen

• Keine Interessenabwägung

• Antrag kann vor Klageerhebung gestellt werden

• Keine Vorlage an den EuGH im AdV-Verfahren

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IX. Gerichtliche Geltendmachung (1)

• Auslegungsmonopol des EuGH für Gemeinschaftsrecht

• Kein unmittelbarer Zugang zum EuGH

• EG-Vertrag sieht zwei Verfahren vor:

– Art. 226 EG: Vertragsverletzungsverfahren(siehe hierzu den Vortrag von Dr. Kischel)

– Art. 234 EG: Vorabentscheidungsverfahren

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IX. Gerichtliche Geltendmachung (2)

Vorabentscheidungsverfahren

• Art. 234 Abs. 2 EG: Instanzgericht kann vorlegen, ist dazu aber nicht verpflichtet

• Art. 234 Abs. 3 EG: Letztinstanzliches Gericht ist zur Vorlage an den EuGH verpflichtet

• Problem: Führt Nichtzulassung der Revision durch Finanzgericht zur Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG?

• Zwischenverfahren zum Verfahren vor dem vorlegenden Gericht

• Wirkung „inter partes“

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IX. Gerichtliche Geltendmachung (3)

Vorabentscheidungsverfahren (Fortsetzung)

• Wirkung „erga omnes“

• „Acte claire“-Doktrin des EuGH (Rs. 283/81, C.I.L.F.I.T.)

• Nichtvorlage als Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG

• Nichtvorlage begründet u.U. qualifizierten Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht und damit Schadensersatzpflicht (s. Rs. C-224/01, Köbler)

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X. Petition zum Europäischen Parlament

• Recht jedes Unionsbürgers, Anliegen direkt und ohne Form-erfordernisse an das EP zu richten

• Rechtsgrundlage: Art. 21, 194 EG• Berechtigte: Unionsbürger sowie nat. und juristische Personen mit

Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in der Gemeinschaft• Gegenstand: Angelegenheit, die in den Tätigkeitsbereich der

Gemeinschaft fällt• Unmittelbare Betroffenheit des Petenten erforderlich• Petition wird vom Petitionsausschuss des EP bearbeitet• Kommission wird in Entscheidung eingebunden• Kann in ein Vertragsverletzungsverfahren münden

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XI. Praktische Beispiele (1)

BFH v. 19.1.2000: I R 30/99, IStR 2000, S. 242 /BFH v. 27.4.2000: I R 71/99, BFH/NV 2001, S. 299:

• Überzahlung von LSt durch in UK ansässigen Steuerpflichtigen in den Jahren 1990-1994

• Versagung des Rechts auf Lohnsteuerjahresausgleich nach alter Rechtslage

• Schumacker-Urteil in 1995: Beschränkt Steuerpflichtigen steht Lohnsteuerjahresausgleich zu

• Reaktion des Gesetzgebers: Nach § 50 Abs. 5 S. 4 Nr. 2 EStG i.d.F. des JStG 1996 steht beschränkt Steuerpflichtigen das Veranlagungsverfahren offen.

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XI. Praktische Beispiele (1)

BFH v. 19.1.2000: I R 30/99, IStR 2000, S. 242 /BFH v. 27.4.2000: I R 71/99, BFH/NV 2001, S. 299:

Fortsetzung:• § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG: Lohnsteuerjahresausgleichsanträge können nur

für die zurückliegenden 2 Jahre gestellt werden

• Problem: Besteht eine Verpflichtung für Steuerpflichtige, einen Antrag zu stellen, der nach der geltenden Gesetzeslage keinen Aussicht auf Erfolg hat?

• Lösung des BFH: Beginn des Fristlaufs erst ab Anpassung des EStG an die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts

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XI. Praktische Beispiele (2)

Grundig Italiana, Rs. C-255/00

• Italien erhebt EG-rechtswidrige Abgabe auf bestimmte Waren• Nach Feststellung der EG-Rechtwidrigkeit durch den EuGH verkürzt

Italien die Frist zur Geltendmachung eines Rückerstattungsanspruchs• EuGH:

– Generell darf das Verfahren für einen auf EG-Recht gestützten Erstattungs-anspruch nicht ungünstiger sein als für einen auf nationales Recht gestützten Anspruch (Äquivalenzgrundsatz)

– Die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte darf nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden (Effektivitätsgrundsatz)

– Soweit durch die Verkürzung der Frist die Geltendmachung eines Rück-forderungsanspruchs beschränkt wird, bedarf es einer angemessenen Übergangsfrist

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XI. Praktische Beispiele (3)

Rechtssache C-453/00, Kühne&Heitz NV

• Unrichtige Tarifierung von Ausfuhren durch die niederländischen Zollbehörden

• Einspruch und Klage bleiben erfolglos, eine Vorlage an den EuGH unterbleibt

• In einem anderen Verfahren entscheidet der EuGH die Rechtsfrage im Sinne der Kläger

• Der Abgabenbescheid gegen K&H war mittlerweile bestandskräftig geworden, nach niederländischem Recht jedoch kann bestands-kräftiger Bescheid zurückgenommen werden (Ermessen)

• EuGH: Gemeinschaftsrecht respektiert Bestandskraft. Soweit allerdings ein Rücknahmeermessen besteht, ist der Bescheid zurückzunehmen (Ermessensreduzierung auf Null)

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XI. Praktische Beispiele (4)

Rs. C-319/02, Manninen / Rs. C-292/04, Meilicke

• Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer• EuGH: Sofern ein MS ein Anrechnungssystem anwendet, ist auch die

KSt ausländischer Gesellschaften beim inländischen Anteilseigner anzurechnen (Rs. C-319/02, Manninen). Für das anhängige Meilicke-Verfahren (C-292/04) ist mit demselben Ergebnis zu rechnen

• Reaktion des Gesetzgebers: Nachträgliche Vorlage von Steuer-bescheinigungen gilt nicht mehr als rückwirkendes Ereignis, § 175 Abs. 2 S. 2 AO („lex Manninen“)

• Ergebnis: In bereits bestandskräftig veranlagten VZ keine Anrechnung ausländischer KSt mehr möglich

• Sehr fraglich, ob dies den Anforderungen des EuGH (vgl. Rs. Grundig Italiana) entspricht