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Judith Overbecke Die Beziehung zum Anderen - Die Ansätze Martin Bubers und Emmanuel Levinas' im Lichte ihrer Bedeutung für die interkulturelle Pädagogik Examensarbeit Pädagogik

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Judith Overbecke

Die Beziehung zum Anderen - Die AnsätzeMartin Bubers und Emmanuel Levinas' imLichte ihrer Bedeutung für dieinterkulturelle Pädagogik

Examensarbeit

Pädagogik

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Judith Overbecke

Die Beziehung zum Anderen - Die Ansätze Martin Bubersund Emmanuel Levinas' im Lichte ihrer Bedeutung fürdie interkulturelle Pädagogik

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U n i v e r s i t ä t O s n a b r ü c k

Die Beziehung zum Anderen

Die Ansätze Martin Bubers und Emmanuel Levinas´ im Lichte ihrer Bedeutung für die interkulturelle Pädagogik

Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen

Vorgelegt von Judith Overbecke Hochschulort Osnabrück Abgabe am 07.06.2006

Inhalt

1. Einleitung 1.1 Fragestellung der Arbeit 1 1.2 Quellen und Anmerkungen zur Literatur 3 1. Vorgehensweise 5 2. Martin Buber 2.1 Leben 6 2.2 Ansatz 10 2.3.1 Die Beziehung zum Anderen: Das dialogische Prinzip 12 2.3.2 Ich-Es 13 2.3.3 Ich-Du 15 2.3.4 Das dialogische Prinzip 17 2.3.5.1 Das Erzieherische 19 2.3.5.2 Zur Pluralität in der Bildungsarbeit 22 3. Emmanuel Levinas 3.1 Leben 23 3.2 Ansatz 25 3.3 Die Beziehung zum Anderen: Levinas´ Ethik der Verantwortung 28 4. Vergleich der Ansätze Bubers und Levinas´ 33 4.1 Einstellung und Leben 33 4.1.1 Gemeinsamkeiten 33 4.1.2 Unterschiede 34 4.2 Ansatz 34 4.2.1 Gemeinsamkeiten 34 4.2.2 Unterschiede 36 5. Anknüpfungspunkte für die Pädagogik 5.1 Grundannahmen 39 5.2 Das pädagogische Verhältnis 40 5.2.1 Buber 40 5.2.2 Levinas 40 5.3 Pädagogischer Ausgangspunkt 41 5.4 Lernen 41 5.5 Ziele und Orientierung 42 5.6 Orte des Lernens 42 6. Interkulturelle Pädagogik 6.1 Entwicklung 44 6.2 Grundsätze und Ziele 47 6.3 Anknüpfungspunkte an die Ansätze Bubers und Levinas` und Ausblick 50 7. Untersuchung einzelner Aspekte 7.1 Identität 54 7.1.1 Identitätskonzeption bei Buber 55 7.1.2 Identitätskonzeption bei Levinas 57 7.1.3 Identitätskonzeptionen im Umfeld der Interkulturellen Pädagogik 59

7.1.4 Exkurs: Von der Gefahr des Fundamentalismus 63 7.1.5 Zusammenschau und Ausblick 65 7.2 Die Beziehung zum Anderen in der Interkulturellen Pädagogik:

Vom Umgang mit (kultureller) Differenz 7.2.1 Wer ist der Andere in der Interkulturellen Pädagogik? 67 7.2.2 Festschreibung des Anderen durch Anerkennung? 68 7.2.3 Unterschiedliche Ansätze im Umgang mit Differenz 70 7.2.4 Die Wahrnehmung des Anderen 71 7.2.4.1 Historische Aspekte 71 7.2.4.2 Die Wahrnehmung des Einzelnen 72 7.2.4.3 Fremdwahrnehmung 74 7.2.5 Zum Bereich des Zwischen in der Interkulturellen Pädagogik 76 7.2.5.1 Verstehen und Kommunikation 76 7.2.5.2 Interkultureller Dialog 78 7.2.6 Zusammenschau und Verknüpfung mit den Ansätzen Bubers und

Levinas´ 83 8. Konsequenzen für die Interkulturelle Pädagogik 8.1 Subjektentwicklung 86 8.1.1 Subjektentwicklung durch Interkulturelles Lernen: Didaktische

Konzepte und Handlungsmöglichkeiten 87 8.1.2 Subjektentwicklung durch Öffnung von Schule 93 8.2 Religiöse Erziehung und interreligiöser Dialog 95 9. Fazit 96 10. Literaturverzeichnis 103

11. Anhang 110

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1.Einleitung

1.1 Fragestellung der Arbeit

In einer globalisierten Welt, die immer komplexer wird, werden multikulturelle

Gesellschaften die Regel. Eine neo-liberale Ökonomie trägt dazu bei, dass der Einzelne zu

einem „entorteten, ökonomisch kalkulierenden, vereinzelten und verantwortungslosen

Individuum zu werden droht“ 1.

Dazu passen solipsistische2 Tendenzen in der von den Neurowissenschaften beeinflussten

Philosophie, die die Wirklichkeit des Menschen als eine betrachten, die vom Gehirn des

Subjekts allein hervorgebracht wird. So schreibt Gerhardt Roth: „Die Wirklichkeit, in der

ich lebe, ist ein Konstrukt des Gehirns.“3

Angesichts dieser Entwicklungen haben die Ansätze Martin Bubers und Emmanuel

Levinas´ Aktualität, weil sie diesen entgegen zeigen, dass die Menschlichkeit des

Menschen in der Beziehung zum Anderen4 liegt, dass der Mensch überhaupt erst in

Beziehung zu einem anderen Menschen zu einem Ich werden kann. Buber arbeitet auch

heraus, dass der Mensch nur in Beziehung zu anderen Wirklichkeit hat. Außerdem betonen

beide die Wesentlichkeit der Verantwortung des Einen für den Anderen, die einem

postmodernen5, gleichgültigen Nebeneinander vereinzelter Individuen entgegensteht.6

1 Niethammer, Lutz: Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur, Reinbek bei Hamburg 2000, S. 513. 2 Solipsismus ist ein erkenntnistheoretischer Standpunkt, der nur das eigene Ich mit seinen Bewusstseinsinhalten als das einzig Wirkliche gelten lässt und alle anderen Ichs mit der ganzen Außenwelt nur als dessen Vorstellungen annimmt (aus: Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hrsg.): Duden, Das große Fremdwörterbuch, Mannheim 2000, S. 1246). 3 Roth, Gerhard: Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen, Frankfurt am Main 1997, S. 21. Dass Roths „Neurobiologischer Konstruktivismus“ solipsistische Tendenzen aufweist, führt Wolfgang Lenzen in: „Realität und »Wirklichkeit« - Kritische Bemerkungen zu Gerhard Roths »neurobiologischem Konstruktivismus«“, in: C. Moulines & K.-G. Niebergall (Hrsg.): Argument und Analyse, Paderborn 2002, S. 33-54 näher aus. Als Vertreter einer solchen Richtung können außerdem Wolf Singer, Klaus Jürgen Grün und Wolfgang Prinz gelten. Vgl. dazu Lenzen, Wolfgang: Alles nur Illusionen? - Philosophische (In-) Konsequenzen der Neurobiologie", erscheint in: Facta Philosophica 7 (2005), S. 189-229. 4 Wenn in der Arbeit von „der Andere“ die Rede sein wird, so soll hier angemerkt sein, dass damit auch immer „die Andere“ gemeint ist. Damit ist der andere Mensch gemeint, obwohl, wie gezeigt werden wird, nach Buber der Mensch zur Anderheit der Menschen genauso in Beziehung treten kann wie zur Anderheit der Natur und der geistigen Wesenheiten (siehe 2.3.3), während Levinas mit der Beziehung zum Anderen nur die Beziehung zum anderen Menschen meint (siehe unten). 5 Als Postmoderne bezeichnet man den Zeitabschnitt nach der Moderne, für den Dezentralisation, Teilautonomie im Kleinbereich, Pluralität, Offenheit für Städtebau, Kunst, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft sowie demokratisch mitgestaltende Kontrolle der Machtzentren charakteristisch sind (aus: Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hrsg.): Duden, Das große Fremdwörterbuch, Mannheim 2000, S. 1070).

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Die Beziehung zum anderen Menschen zu überdenken ist auch in Anbetracht der Tatsache

notwendig, dass durch Globalisierungsprozesse die Begegnungen mit dem vom Einzelnen

als fremd wahrgenommen Anderen zunehmen7: So sitzen aufgrund von weltweiten

Migrationsprozessen die (ehemals) national, ethnisch oder kulturell „Fremden“ neben mir

im Restaurant oder im Klassenzimmer.8 Hier stellt sich die Aufgabe der Interkulturellen

Pädagogik9, Bildung und Erziehung in der gekennzeichneten Situation der Globalisierung,

der sprachlichen, ethnischen und kulturellen Heterogenität in einer multikulturellen

Gesellschaft, angemessen zu gestalten.10

In dieser postmodernen Pluralität auch von Lebensstilen und Wertorientierungen müssen

der Einzelne und die Interkulturelle Pädagogik nach einer postmodernen Ethik11 fragen,

die in dieser Situation eine Handlungsorientierung bieten kann. So haben die aktuellen

Medienberichte, indem sie von der zunehmenden fremdenfeindlichen Gewalt berichten12,

aufgezeigt, wie dringlich es in einer unübersichtlich gewordenen Welt einer Handlungs-

und Wertorientierung bedarf, die einen friedvollen Umgang auch mit den für Individuen

fremden Anderen als zu beschreitenden Weg aufzeigt.13

Die Fragestellung der Arbeit ist also folgende: Welche Bedeutung können die Ansätze

Martin Bubers und Emmanuel Levinas` für eine Interkulturelle Pädagogik haben, die

Subjekten dazu verhelfen muss, die Beziehung zum Anderen in einer pluralen Gesellschaft

6 Vgl. Werner, Hans-Joachim: Martin Buber, Frankfurt am Main 1994, S.51 und in dieser Arbeit 2., 3. und 4. 7 Vgl. Wulf, Christoph: Einführung in die Anthropologie der Erziehung, Weinheim 2001, S. 181f. 8 Vgl. Preuss-Lausitz, Ulf: Die offene Gesellschaft und ihre Schule. Zur Zukunftsfähigkeit des Lernens unter Bedingungen von Vielfalt, in: Becker, Gerold u.a. (Hrsg.): Heterogenität. Unterschiede nutzen – Gemeinsamkeiten stärken, Seelze 2004, S. 14ff. 9 Wenn ich in dieser Arbeit entgegen des vorgegebenen Titels meiner Examensarbeit „Die Beziehung zum Anderen. Die Ansätze Martin Bubers und Emmanuel Levinas´ im Lichte ihrer Bedeutung für die interkulturelle Pädagogik“ hier „Interkulturelle Pädagogik“ schreibe und im Folgenden dabei bleibe, so möchte ich dies an dieser Stelle damit rechtfertigen, dass sich die Interkulturelle Pädagogik mittlerweile als eigenständiges Fachgebiet innerhalb der Erziehungswissenschaften etabliert hat (vgl. 6.). 10 Zur Interkulturellen Pädagogik vgl. das 6. Kapitel in dieser Arbeit. 11 Vgl. Preuss-Lausitz, Ulf: Die offene Gesellschaft und ihre Schule, in: Becker, Gerold u.a. (Hrsg.): Heterogenität, S. 14. Ethik als philosophische Disziplin versucht Aussagen über das gute und gerechte Handeln zu machen. Diese kann normativ als auch deskriptiv oder metaethisch sein. Ethik kann aber neben der sich mit den Prinzipien, die das Benehmen und die Sitten der Menschen regeln, befassenden Wissenschaft auch die herrschenden Sitten in einer Gesellschaft selbst meinen. Dann spricht man allerdings heutzutage von Moral. Vgl. Art. Ethik, in: Höffe, Otfried (Hrsg.) : Lexikon der Ethik, München 2002, S. 58f. und Bertrand, Michèle: Art. Moral/ Ethik, in: Sandkühler, Hans Jörg (Hrsg.): Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, Bd. 3, Hamburg 1990, S. 459f. 12 exemplarisch sei dazu ein Artikel aus der Frankfurter Rundschau vom 24.05.2006 angehängt (Anhang 1). 13 Obwohl, im Falle der rechten Gewalt, die Verfassung der Bundesrepublik eigentlich schon richtungweisend genug sein müsste (siehe Anhang 2) und obwohl sich vor allem an den Lebensbedingungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen etwas ändern muss, um die Ursachen für Gewalt gegen Fremde zu bekämpfen.

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in respekt- und friedvoller Weise zu gestalten und den Anderen dabei als Chance zur

eigenen Entwicklung und nicht als Bedrohung zu sehen?14 Es wird also zu zeigen sein,

inwiefern Bubers „dialogisches Prinzip“ und Levinas` Ethik15 der Interkulturellen

Pädagogik helfen können, diese Herausforderungen zu bewältigen.

1.2 Quellen und Anmerkungen zur Literatur

Die Darstellung des Ansatzes Martin Bubers werde ich vor allem anhand seiner Schriften

„Ich und Du“ von 1923, „Zwiesprache“ von 1932, „Die Frage an den Einzelnen“ von 1936

und „Elemente des Zwischenmenschlichen“ von 1954, die im Sammelband „Das

dialogische Prinzip“ erschienen sind, sowie der Reden Bubers, die seine pädagogische

Arbeit betreffen, die „Rede über das Erzieherische“ von 1925, „Bildung und

Weltanschauung“ von 1935 und „Über Charaktererziehung“ von 1939, die im Band

„Reden über Erziehung“ gesammelt sind, vornehmen. Außerdem werde ich seine Schrift

„Urdistanz und Beziehung. Beiträge zu einer philosophischen Anthropologie“ von 1950

verstärkt rezipieren.

Emmanuel Levinas betreffend werde ich in erster Linie den Sammelband „Humanismus

des anderen Menschen“, der im Französischen unter dem Titel „Humanisme de l´autre

homme“ erstmals 1972 erschienen ist, mit seinen Einzelschriften „Die Bedeutung und der

Sinn“ von 1964, „Humanismus und An-archie“ von 1968 und „Ohne Identität“ von 1970

als Quellschrift verwenden. Andere Schriften von ihm, wie seine Hauptwerke „Totalität

und Unendlichkeit“ von 1961 und „Jenseits des Seins oder anders als Sein geschieht“ von

1974 werden ebenfalls, sowie einige andere Schriften, die hier nicht einzeln genannt

werden sollen, in die Darstellung seines Ansatzes einfließen.

Literatur, die eine Verknüpfung von Bubers und Levinas` Ansätzen und der

Interkulturellen Pädagogik direkt herstellt, stand mir nur in geringem Maße bei der

Verfassung der Arbeit zur Verfügung. Die direkte Verknüpfung zwischen Interkultureller

Pädagogik und Bubers Ansatz leisten z.B. die von mir herangezogenen Aufsätze von Peter

Stöger16 sowie die von mir verwendeten Beiträge von Peter Graf17. Hingewiesen sei hier

14 Vgl. unten. 15 Eigentlich bedürfte es in dieser Arbeit einer Klärung des Verhältnisses von Pädagogik und Ethik. Um den Umfang der Arbeit allerdings nicht zu sprengen, entfällt diese. 16 Stöger, Peter: Martin Buber als Philosoph in Zeiten des Konflikts und ders.: Das Fremde im Eigenen: Betrachtungen zum Nord-Süd-Dialog, in: Graf, Peter (Hrsg.): Dialog zwischen den Kulturen in Zeiten des Konflikts, Göttingen 2003 oder Stöger: Interreligiöser Dialog in Zeiten der Globalisierung und

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noch auf Hans-Joachim Roth: „Kultur und Kommunikation. Systematische und

theoriegeschichtliche Umrisse Interkultureller Pädagogik“, der in diesem Buch sowohl den

Ansatz Bubers als auch den Levinas` unter dem Stichwort „Dialog theologisch“ im Kapitel

„Kultur als Referenzhorizont – anthropologische und kommunikative Grundlagen

interkultureller Pädagogik“ anführt,18 auch wenn dieser Beitrag keine Verwendung in

meiner Arbeit finden wird. Außer dieser und der Schrift von Edmund Braun (siehe

Fußnote 18) stand mir keine Literatur zur Verfügung, die Levinas´ Ansatz und die

Interkulturelle Pädagogik in direkten Zusammenhang bringt. Allerdings macht Werner

Wintersteiner in seinem Buch „Pädagogik des Anderen“19 Levinas` Ansatz für die

Friedenspädagogik in einer Weise nutzbar, die zahlreiche Anregungen auch für die

Interkulturelle Pädagogik liefert20. Zudem liest sich die Schrift von Christoph Wulf „Der

Andere: Perspektiven zur interkulturellen Bildung“21 meines Erachtens wie eine

Umsetzung des levinasschen Ansatzes für die Interkulturelle Pädagogik und Wulf führt ein

Werk Levinas` auch im Literaturverzeichnis dieser Schrift an. Auf beide letztgenannten

Schriften werde ich zurückgreifen.

Für meine Darstellung der Interkulturellen Pädagogik werde ich in erster Linie die Werke

von Auernheimer „Einführung in die Interkulturelle Pädagogik“22, von Holzbrecher

„Wahrnehmung des Anderen. Zur Didaktik interkulturellen Lernens“23 und „Interkulturelle

des Fundamentalismus, in: Graf, Peter (Hrsg.): Der Islam im Westen - der Westen im Islam. Positionen zur religiös-ethischen Erziehung von Muslimen, Göttingen 2004. 17 Graf, Peter: Die Frage der Identität als Schule der Wahrnehmung, in: Graf, Peter (Hrsg.): Dialog zwischen den Kulturen in Zeiten des Konflikts, ders.: Religiöse Erziehung als Ort der Selbstfindung – „Der Mensch wird am Du zum Ich“, S. 4, erscheint in Ankara 2006; Graf: Network for the intercultural Dialogue between Western and Islamic Societies, in: Graf (Hrsg.): Dialog. 18 Vgl. Hans-Joachim Roth: Kultur und Kommunikation. Systematische und theoriegeschichtliche Umrisse Interkultureller Pädagogik, Opladen 2002, S. 398ff. Dieser nennt hier die Schriften Wilhelmine M. Saylers, in der Bubers pädagogische und philosophische Gedanken rezipiert werden und erwähnt, dass in interkulturellen Arbeiten häufig die Pädagogik Paulo Freires aufgegriffen wird, die an Bubers dialogischem Prinzip orientiert ist. Vgl. Roth, S. 408f. Bezüglich Levinas erwähnt Roth hier Edmund Braun als jemanden, der Levinas´ Philosophie für den interkulturellen Zusammenhang herangezogen hat (vgl. Roth, S. 409f ). Der betreffende Aufsatz von Braun „Fremde verstehen. Ein transzendentalhermeneutischer Beitrag zum Problem interkultureller Verständigung“, in: Roth (Hrsg.): Integration als Dialog, Hohengehren 1994 bezieht sich allerdings vorwiegend auf philosophische Hermeneutik und findet deshalb in dieser Arbeit keine Berücksichtigung. 19 Wintersteiner, Werner: Pädagogik des Anderen: Bausteine für eine Friedenspädagogik in der Postmoderne, Münster 1999 (Agenda Frieden; Bd. 31). 20 Auch liefert Interkulturelle Pädagogik einen Beitrag zur Friedenspädagogik (siehe 6.2 dieser Arbeit). 21 Vgl. Wulf, Christoph: Der Andere. Perspektiven zur interkulturellen Bildung, in: Dibie; Wulf (Hrsg.):Vom Verstehen des Nichtverstehens. Ethnosoziologie interkultureller Begegnungen, Frankfurt 1999. 22 Auernheimer, Georg: Einführung in die Interkulturelle Pädagogik, Darmstadt 2003. 23 Holzbrecher, Alfred: Wahrnehmung des Anderen. Zur Didaktik interkulturellen Lernens, Opladen 1997.

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Pädagogik“24, außerdem Paul Mecherils „Einführung in die Migrationspädagogik“25 sowie

Gogolin/Krüger-Potratz` „Einführung in die Interkulturelle Pädagogik“26 heranziehen.

1.3 Vorgehensweise

Zuerst einmal sollen das Leben und der philosophische Ansatz Martin Bubers, daraufhin

die Beziehung zum Anderen, wie Buber sie anhand seines dialogischen Prinzips und in

seinen Gedanken zum Erzieherischen darstellt, dargelegt werden. Analog dazu wird im

nächsten Kapitel Levinas´ Leben, sein philosophischer Ansatz und die Beziehung zum

Anderen, wie Levinas sie denkt, mit der Darstellung seiner Ethik der Verantwortung

beschrieben werden. Um Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Ansätze aufzuzeigen,

wird daraufhin ein Vergleich dieser vorgenommen. Im Anschluss sollen mögliche

Anknüpfungspunkte für die Ansätze Bubers und Levinas´ für die Pädagogik im

Allgemeinen gezeigt werden, bevor die Interkulturelle Pädagogik als noch junges

Fachgebiet in den Erziehungswissenschaften vorstellig werden soll und für die Ansätze

Bubers und Levinas´ wiederum Anknüpfungspunkte an dieses Gebiet der Pädagogik

formuliert werden sollen. Als nächstes soll die Bedeutung der Ansätze Bubers und

Levinas´ im Lichte der Interkulturellen Pädagogik hinsichtlich des Aspekts „Identität“

dargelegt werden, indem ich die Identitätskonzeptionen Bubers, Levinas´ und diejenigen

im Umfeld der Interkulturellen Pädagogik darstelle. Die Fundamentalismus-Gefahr, die

durch starre Identitätskonzeptionen entstehen kann, soll daraufhin in einem Exkurs näher

erläutert, die Ergebnisse schließlich zusammengefasst werden. Anschließend soll „die

Beziehung zum Anderen“ anhand der theoretischen Erkenntnisse im Bereich der

Interkulturellen Pädagogik dargestellt und die Bedeutung der Ansätze Bubers und Levinas´

im Lichte dieser Ergebnisse aufgezeigt, die Ergebnisse dieses Kapitels also noch einmal

zusammengefasst und mit Bubers und Levinas` Ansätzen verknüpft werden. Im letzten

Kapitel werden Konsequenzen für die Interkulturelle Pädagogik aus den bisherigen

Erkenntnissen vor allem bezüglich einer Subjektbildung gefolgert. Das anschließende Fazit

24 Holzbrecher, Alfred: Interkulturelle Pädagogik. Identität, Herkunft, Berlin 2004. 25 Mecheril, Paul: Einführung in die Migrationspädagogik, Weinheim 2004. Mecheril wählt die Perspektive „Migrationspädagogik“ anstatt „Interkulturelle Pädagogik“ deshalb, weil Interkulturelle Pädagogik als Reaktion auf Migrationsprozesse entstanden ist und letztere vielfältige Phänomene in einer Migrationsgesellschaft hervorrufen, mit der sich Pädagogik zu beschäftigen hat, so dass Mecheril eine Fokussierung auf kulturelle Differenz als zu eng erscheint (vgl. Mecheril, S. 15ff.). 26 Gogolin, Ingrid; Krüger-Potratz, Marianne: Einführung in die Interkulturelle Pädagogik, Opladen 2006.