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Die Entstehung derKontinente und Ozeane

Von

Dr. Alfred Wegener

o. ö. Professor der Meteorologie und Geophysikan der Universität Graz

Vierte umgearbeitete Auflage

Mit 63 Abbildungen

Braunschweig

Druck und Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges.

1929

Inhaltsverzeichnis.

Vorwort

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Erstes Kapitel: Geschichtliche Vorbemerkungen

Entstehung der Verschiebungstheorie — Charakter dervorliegenden Auflage — Vorläufer

Zweites Kapitel: Das Wesen der Verschiebungstheorie undihr Verhältnis zu den bisher herrschenden Vorstellungenüber die Änderungen der Erdoberfläche in geologischenZeiten

Ehemalige Landverbindungen — Hypothese versunkenerZwischenkontinente — Die Kontraktionstheorie — Beträge desGebirgszusammenschubs — Radioaktive Wärmeerzeugung —Flachseenatur der marinen Sedimente — Wasserverdrängung derZwischenkontinente — Isostasie — Postglaziale HebungFennoskandiens — Permanenztheorie — Theorie derKontinentverschiebungen

Drittes Kapitel: Geodätische Argumente

Zeitdauer der geologischen Perioden — Zu erwartende heutigeVerschiebungen — Anzeichen für Längenänderung Grönlands nachMondbeobachtungen — Nachweis der Verschiebung Grönlandsdurch funkentelegraphische Längenbestimmung — DieLängendifferenz Nordamerika— Europa (Vergleiche hierzu denAnhang). — Änderung der Länge von Madagaskar —Breitenänderungen

Viertes Kapitel: Geophysikalische Argumente

Die beiden Häufigkeitsmaxima der Höhenverteilung — Deutungderselben — Andere Deutungsversuche — Komplikationen beimTiefseeboden — Schweremessungen — Deutung derselben nachPratt und Airy — Heutiges Aufsteigen Skandinaviens und dieSchwereverteilung — Geschwindigkeitssprung der Erdbebenwellenin 60 km Tiefe — Fehlen der Schichtgrenze im Pazifik —Geschwindigkeit seismischer Oberflächenwellen auf ozeanischemund kontinentalem Gebiet — Andere seismische Verschiedenheitenzwischen Kontinent und Ozean — Erdmagnetische Belege für

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größeren Eisengehalt des Ozeanbodens — VulkanischeDredschproben aus der Tiefsee — Sima und Sial — Material derHauptschichten des Erdkörpers — Schichtenfolge Granit, Basalt,Dunit — Der Zähigkeitskoeffizient der Erde _ Schätzungen vonSchweydar, Jeffreys, Meyermann — Optimale Schicht fürSchmelzung — Granitaufschmelzungen — Übermäßige radioaktiveWärmeerzeugung unter Kontinenten — Geothermische Tiefenstufein Europa und Amerika — Unterströmungen —Konvektionsströmungen

Fünftes Kapitel: Geologische Argumente

Breiten des Atlantischen Ozeans — Kapgebirge und Sierren vonBuenos Aires — Gleichheit der Eruptivserien in Südamerika undAfrika — Gleichheit der Sedimente — Streichrichtungen inBrasilien und Afrika — Geologische Vergleichung durch du Toit —Beweis ehemaliger Nachbarschaft aus den Faziesunterschieden —Weitere Zeugnisse — Das Atlasgebirge — Atlantische Inseln — DieGroßen Antillen — Die karbonische Faltung in Europa — IhreFortsetzung in Nordamerika — Die kaledonische Faltung — Diealgonkische Faltung — Grenzen des quartären Inlandeises —Bedeutung der gehäuften Übereinstimmungen — Grönland —Neufundland — Island — Mittelatlantische Bodenschwelle —Madagaskar — Vorderindien — Himalaja — Nebenerscheinung beidessen Zusammenschub — Argands Auffassung — GesamtbauSüdamerikas und Afrikas nach Argand — Argumente aus derFaltungstonnage nach Argand — Vorderindiens Zusammenhangmit Australien — Faltung in Ostaustralien und auf Neuseeland —Tiefenkarte um Neuguinea — Verteilung des Vulkanismus —Prüfung der Verschiebungstheorie im Sunda—Archipel durch SmitSibinga — Australiens Zusammenhang mit Antarktika — Feuerlandund Grahamland als Musterbeispiel für Kontinentverschiebung —Argands Résumé

Sechstes Kapitel: Paläontologische und biologischeArgumente

Berichtigung der Fragestellung 100. — Anzeichen frühererLandverbindung zwischen Brasilien und Afrika 101. — Desgleichen

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zwischen Nordamerika und Europa 103. — Beispiele 104. — v.Ubischs Urteil 105. — Aal-Laichplätze 107. — Flora Grönlands undGrinnell—Lands 108. — Floren der atlantischen Inseln 109. —Lemurien und Gondwanaland 110. — Tierwelt Australiens 111. —Neuseeland 114. — Pazifik 115. — Pazifische Inseln 116. —Gesamtverbreitung der Blütenpflanzen nach Irmscher 117. —Verbreitung der Koniferen nach Koch und Studt 119. — Verbreitungder Regenwürmer nach Michaelsen 121.

Siebentes Kapitel: Paläoklimatische Argumente

Untersuchung von Köppen und Wegener 125. — HeutigesKlimasystem 126. — Höhe der Schneegrenze 127. — Moränen alsKlimazeugen 128. — Kohlen 128. — Salz, Gips, Wüstensandstein129. — Marine Kalke 129. — Pflanzenwelt 130. — Tierwelt 130. —Klimaänderung Europas seit dem Tertiär 131. — KlimaänderungSpitzbergens 131. — Entgegengesetzte Klimaänderung Südafrikas132. — Polwanderungen 133. — Bisheriges Mißlingen der Erklärungdurch solche 133. — Beseitigung der Schwierigkeiten durch dieVerschiebungstheorie 134. — Die permokarbone Vereisung derSüdkohtinente 135. — Unmöglichkeit der Erklärung bei heutigerLage der Kontinente 136. — Pseudoglaziale Bildungen 138. —Squantum-Tillit 140. — Lage der Eisspuren nach derVerschiebungstheorie 141. — Der Hauptsteinkohlengürtel desKarbons 143. — Potoniés Gründe für tropische Herkunft 144. —Einwände 146. — Notwendigkeit der Verschiebungstheorie beimKohlengürtel 148. — Permkohlen auf den Moränen desGondwanalandes 148. — Trockengebiete im Karbon und Perm 150.— Die folgenden Zeiten 151.

Achtes Kapitel: Grundsätzliches überKontinentverschiebungen und Polwanderungen

Definition der Kontinentverschiebung 152. —AusgeglicheneKontinentverschiebung 152. — Definition der Polwanderung 153. —Absolute Polwanderung 154. — Der Nachweis einer gegenwärtigenPolwanderung 155. — Definition der Krustenwanderung 157. —Anzeichen einer Gesamtkrustendrehung nach Westen 157. —Anzeichen partieller Krustenwanderung zum Äquator 158. —

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Anzeichen für Krustenwanderung aus der Schwereverteilung 158.— Interne Achsenverlagerung, Stimmen dazu 161. — TheoretischeBetrachtungen 163. — Kriterium aus der Schwereverteilung 164. —Anzeichen für interne Achsenverlagerungen aus demTransgressionswechsel 165. — Prüfung für die ganze Erde für dieZeit Devon bis Perm 166. — Prüfung für Europa für die Zeit seitdem Karbon 168. Astronomische Achsenverlagerungen 169. —40000jährige Periode der Ekliptikschiefe 169. — Änderungen desPolarklimas im Laufe der Erdgeschichte 170. — Deutung derselbendurch Änderungen der Ekliptikschiefe 171.

Neuntes Kapitel: Die verschiebenden Kräfte

Der induktive und deduktive Weg 172. — Die Polflucht 173. — DiePolfluchtkraft 173. — Lelys Versuch zur Demonstration derPolfluchtkraft 178. — Unzulänglichkeit der Polfluchtkraft zurErklärung der Gebirge 179. — Gezeitenreibung 180. — SchweydarsWestverschiebungskraft 181. — Kräfte aus Abweichungen vomRotationsellipsoid 182. — Massenströmungen bei internenAchsenverlagerungen 183. — MitschleppendeKonvektionsströmungen im Sima 184. — Identität derVerschiebungskräfte mit den gebirgsbildenden Kräften 185.

Zehntes Kapitel: Ergänzende Bemerkungen über dieSialsphäre

Die Grenzen der Sialschollen 185. — Rolle der Sedimente 187. —Transgressionen 187. — Mögliche Ursachen derselben 188. —Faltung 190. — Staffelfalten und normale Falten 192. — Spaltung193. — Ostafrikanische Brüche 193. — Fließbewegungen derunteren Schollenteile 196. — Fjordbildung 197. — UntermeerischeFlußmündungen 197. — Girlanden von Ostasien 198. — Entstehung201. — Gleiten von Randketten 202. — Erdbebenverwerfung beiSan Franzisko 203. — Hinterindien 204. — Atlantischer undpazifischer Küstenbau 205. — Vulkanismus 206. — Urzustand derSialdecke 207.

Elftes Kapitel: Ergänzende Bemerkungen über dieTiefseeböden

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Mitteltiefen der Ozeane 210. — Entstehung der Unterschiede durchTemperatur 211. — Ebene Flächen am Tiefseeboden 212. —Material der mittelatlantischen Bodenschwelle 213. — Basalt undDunit 214. — Strömungserscheinungen am Tiefseeboden 216. —Tiefseerinnen 218.

Anhang zum dritten Kapitel: Nachweis der VerschiebungNordamerikas durch neue Längenmessungen

Literatur

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Vorwort.

Die Erkenntnis, daß zur Entschleierung der früheren Zuständeunserer Erde alle Geo-Wissenschaften Indizien beizusteuernhaben, und daß die Wahrheit nur durch Zusammenfassung allerdieser Anzeichen ermittelt werden kann, scheint noch immer nichtin dem wünschenswerten Grade Allgemeingut der Forschergeworden zu sein.

So schrieb erst kürzlich der bekannte südafrikanische Geologedu Toit [78]: „Indessen muß, wie schon gesagt, dem geologischenNachweis so gut wie vollständig die Entscheidung über dieWahrscheinlichkeit dieser Hypothese (derKontinentverschiebungen) zufallen, denn solche Argumente, dieauf der Verbreitung der Tiere beruhen, sind unfähig hierzu, da siein der Regel in gleicher Weise, wenn auch weniger glatt, nach derorthodoxen Anschauung erklärbar sind, die ausgedehnte, später imOzean versunkene Landverbindungen annimmt.“

Der Paläontologe v. Ihering [122] dagegen meint kurz undbündig: „Es ist nicht meine Aufgabe, um geophysische Vorgängemich zu kümmern.“ Er hat die „Überzeugung, daß nur dieGeschichte des Lebens auf Erden die Erfassung der verflossenengeographischen Wandlungen gestattet“.

Ja auch ich selber habe einmal in einer schwachen Stunde vonder Verschiebungstheorie geschrieben [121]: „Dennoch glaube ich,daß die endgültige Entscheidung über sie nur durch die Geophysikgefällt werden kann, da nur sie über genügend exakte Methodenverfügt. Käme die Geophysik zu dem Ergebnis, daß dieVerschiebungstheorie falsch ist, so müßte diese auch in densystematischen Geo-Wissenschaften trotz aller Bestätigungenaufgegeben werden, und es müßte für deren Tatsachen eine andereErklärung gesucht werden.“

Solche Urteile, nach denen jeder Forscher gerade sein eigenesFachgebiet für das am meisten oder gar allein kompetente hält,ließen sich wohl noch leicht vermehren.Aber die Dinge liegen doch offenbar anders. Die Erde kann zu einerbestimmten Zeit durchaus nur ein Aussehen gehabt haben. DirekteAuskunft hierüber gibt sie nicht. Wir stehen ihr gegenüber wie der

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Richter gegenüber einem Angeklagten, der jede Auskunftverweigert, und haben die Aufgabe, die Wahrheit auf dem Wegedes Indizienbeweises zu ermitteln. Alle Belege, die wir beibringenkönnen, tragen den trügerischen Charakter von Indizien. Wiewürden wir den Richter beurteilen, der sein Urteil nur auf Grundeines Teiles der verfügbaren Indizien fällt?

Nur durch Zusammenfassung aller Geo-Wissenschaftendürfen wir hoffen, die „Wahrheit“ zu ermitteln, d. h. dasjenige Bildzu finden, das die Gesamtheit der bekannten Tatsachen in derbesten Ordnung darstellt und deshalb den Anspruch auf größteWahrscheinlichkeit hat; und auch dann müssen wir ständig daraufgefaßt sein, daß jede neue Entdeckung, aus welcher Wissenschaftimmer sie hervorgehen möge, das Ergebnis modifizieren kann.

Diese Überzeugung diente mir als Ansporn, wenn mir bei derNeubearbeitung dieses Buches bisweilen der Mut sinken wollte.Denn es übersteigt die Arbeitskraft des einzelnen, die lawinenartigwachsende Literatur über die Verschiebungstheorie in denverschiedenen Wissenschaften lückenlos zu verfolgen, und eswerden sich daher in dem vorliegenden Buche trotz aller daraufverwendeten Mühe zahlreiche und auch empfindliche Lücken inder Berichterstattung aufweisen lassen. Daß mir dieselbeüberhaupt in dem erreichten Umfang möglich war, verdanke ichlediglich der außerordentlich großen Zahl von Zusendungen ausallen in Frage kommenden Fachgebieten, deren Spendern herzlichgedankt sei.

Das Buch wendet sich in gleicher Weise an Geodäten,Geophysiker, Geologen, Paläontologen, Tiergeographen,Pflanzengeographen und Paläoklimatologen. Es bezweckt nichtnur, den Forschern auf diesen Gebieten eine skizzenhafteDarstellung der Bedeutung und Leistungsfähigkeit derVerschiebungstheorie auf ihrem eigenen Gebiet zu geben, sondernvor allem auch sie zu orientieren über die Anwendungen undBestätigungen, die diese Theorie auf den übrigen Gebietengefunden hat.

Über die Geschichte dieses Buches, die zugleich die Geschichteder Verschiebungstheorie ist, findet der Leser alles Wissenswerteim ersten Kapitel.

Erst während der Korrektur erschien der im Anhang

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mitgeteilte Nachweis der Verschiebung Nordamerikas durch die1927 ausgeführte neue Längenbestimmung, auf die der Leserhingewiesen sei.

Graz, im November 1928.

Alfred Wegener.

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Erstes Kapitel.

Geschichtliche Vorbemerkungen.

Die Vorgeschichte dieses Buches ist nicht ganz ohne Interesse.Die erste Idee der Kontinentverschiebungen kam mir bereits imJahre 1910 bei der Betrachtung der Weltkarte unter demunmittelbaren Eindruck von der Kongruenz der atlantischenKüsten, ich ließ sie aber zunächst unbeachtet, weil ich sie fürunwahrscheinlich hielt. Im Herbst 1911 wurde ich mit den mir bisdahin unbekannten paläontologischen Ergebnissen über diefrühere Landverbindung zwischen Brasilien und Afrika durch einSammelreferat bekannt, das mir durch Zufall in die Hände fiel.Dies veranlaßte mich, eine zunächst flüchtige Durchmusterung derfür die Frage in Betracht kommenden Forschungsergebnisse aufgeologischem und paläontologischem Gebiet vorzunehmen, wobeisich sogleich so wichtige Bestätigungen ergaben, daß dieÜberzeugung von der grundsätzlichen Richtigkeit bei mir Wurzelschlug. Am 6. Januar 1912 trat ich zum erstenmal mit der Idee ineinem Vortrag in der Geologischen Vereinigung in Frankfurt a. M.hervor, der betitelt war: „Die Herausbildung der Großformen derErdrinde (Kontinente und Ozeane) auf geophysikalischerGrundlage“. Diesem Vortrag folgte am 10. Januar ein zweiter über„Horizontalverschiebungen der Kontinente" in der Ges. z. Beförd.d. gesamten Naturwiss. zu Marburg. Im gleichen Jahre 1912 folgtenauch die beiden ersten Veröffentlichungen [1, 2]. Zunächstverhinderte mich die Teilnahme an der Grönlanddurchquerungunter J. P. Koch 1912/13 und später der Kriegsdienst an derweiteren Ausarbeitung der Theorie. 1915 konnte ich jedoch einenlängeren Krankenurlaub dazu benutzen, eine etwas ausführlichereDarstellung unter dem Titel dieses Buches in der SammlungVieweg zu geben [3]. Als nach Schluß des Krieges hiervon einezweite Auflage (1920) nötig wurde, willigte der Verlagdankenswerterweise ein, dieselbe aus der Sammlung Vieweg in dieSammlung Wissenschaft hinüberzunehmen, wodurch dieMöglichkeit zu einer erheblich weitergehenden Durcharbeitunggegeben war. 1922 erschien bereits die 3. Auflage, wiederumwesentlich verbessert. Diese Auflage wurde in einer ungewöhnlich

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hohen Zahl gedruckt, um mir die Möglichkeit zu schaffen, micheinige Jahre mit anderen Aufgaben zu beschäftigen. Sie ist seiteiniger Zeit wieder völlig vergriffen. Von dieser Auflage entstandauch eine Reihe von Übersetzungen, und zwar zwei in dasRussische, und je eine ins Englische, Französische, Spanische undSchwedische. Für die letztere, die 1926 erschien, habe ich bereitseinige Änderungen des deutschen Textes vorgenommen.

Die gegenwärtige 4. Auflage des deutschen Originals istwiederum wesentlich umgearbeitet, ja sie ist nahe daran, einenanderen Charakter anzunehmen als ihre Vorgänger. Als nämlichdie vorige Auflage geschrieben wurde, war zwar auch schon eineumfangreiche Literatur über die Frage derKontinentverschiebungen entstanden und zu berücksichtigen. Aberdiese Literatur beschränkte sich in der Hauptsache aufzustimmende oder ablehnende Äußerungen und auf Anführungvon Einzelbeobachtungen, die entweder für oder gegen dieRichtigkeit sprachen oder zu sprechen schienen. Seit 1922 hat aberdie Diskussion dieser Fragen in den verschiedenen Geo-Wissenschaften nicht nur außerordentlich zugenommen, sondernteilweise auch ihren Charakter geändert, indem die Theorie inzunehmendem Maße als Grundlage für weitergehendeUntersuchungen benutzt wird. Dazu kommt noch der soebenerfolgte exakte Nachweis für die gegenwärtige VerschiebungGrönlands, durch den die Diskussion der ganzen Frage wohl fürviele auf eine ganz andere Basis gestellt wird. Während daher diefrüheren Auflagen im wesentlichen nur eine Darstellung derTheorie selber und eine Zusammenstellung der für ihre Richtigkeitsprechenden Einzeltatsachen enthielten, stellt die gegenwärtigebereits eine Übergangsform zu einem Sammelreferat über dieseneuen Forschungszweige dar.

Schon bei der ersten Beschäftigung mit dieser Frage und vonZeit zu Zeit auch bei der späteren Entwicklung stieß ich mehrfachauf Anklänge an meine eigenen Vorstellungen bei älteren Autoren.Schon 1857 sprach Green von „Segmenten der Erdkruste, die aufdem flüssigen Kern schwimmen“ [63]. Eine Drehung der gesamtenErdkruste — deren Teile aber dabei ihre gegenseitige Lage nichtändern sollten — ist bereits von mehreren Autoren, wie Löffelholzvon Colberg [4], Kreichgauer [5], Evans u. a. angenommen

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worden. H. Wettstein hat ein Buch geschrieben [6], in welchemneben vielen Ungereimtheiten doch auch Ahnungen | von großenhorizontalen Relativverschiebungen der Kontinente vorkommen.Die Kontinente — deren Schelfe er allerdings nicht mitberücksichtigt — erleiden nach ihm nicht nur Verschiebungen,sondern auch Deformationen; sie wandern sämtlich nach Westen,gezogen durch die Flutkräfte der Sonne im zähflüssigen Erdkörper(was auch E. H. L. Schwarz [7] annimmt). Aber die Ozeane sindauch bei ihm versunkene Kontinente, und über die sogenanntengeographischen Homologien und andere Probleme des Erdantlitzesäußert er phantastische Vorstellungen, die wir übergehen. Ebensowie der Verfasser ist auch Pickering von der Kongruenz dersüdatlantischen Küsten ausgegangen in einer Arbeit [8], in der erdie Vermutung ausspricht, Amerika sei von Europa-Afrikaabgerissen und um die Breite des Atlantik fortgezogen worden. Erhat aber nicht beachtet, daß man in der geologischen Geschichtedieser beiden Kontinente tatsächlich einen früherenZusammenhang bis zur Kreidezeit anzunehmen genötigt ist, undso verlegte er diesen Zusammenhang in eine graue Vorzeit unddachte sich das Abreißen verbunden mit der von G. H. Darwinangenommenen einstmaligen Abschleuderung der Mondmasse vonder Erde, deren Spur er noch im pazifischen Becken zu sehenmeinte.

Mantovani [86] hat 1909 in einem kurzen Artikel Ideen überKontinentverschiebungen geäußert und durch Kärtchen erläutert,die zwar zum Teil von den meinigen abweichen, an einigen Stellenaber, wie z. B. in bezug auf die ehemalige Gruppierung derSüdkontinente um Südafrika, erstaunlich damit übereinstimmen.Brieflich wurde ich darauf aufmerksam gemacht, daß Coxworthy ineinem nach 1890 erschienenen Buch die Hypothese ausgesprochenhaben soll, die heutigen Kontinente seien die zerrissenen Teileeiner ehemals zusammenhängenden Masse [9]. Selbst hatte ichkeine Gelegenheit, dies Buch einzusehen.

Große Ähnlichkeit mit meinen eigenen Ideen fand ich auch ineiner 1910 erschienenen Arbeit von F. B. Taylor [10], in welcherdieser für die Tertiärzeit nicht unbedeutende horizontaleVerschiebungen einzelner Kontinente annimmt, die er dann mitden großen tertiären Faltensystemen in Zusammenhang bringt.

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Für die Lostrennung Grönlands von Nordamerika kommt er z. B.zu praktisch den gleichen Vorstellungen wie ich. Beim Atlantiknimmt er an, daß nur ein Teil seiner Breite durch Fortziehen deramerikanischen Schollen entstanden sei, während der Restabgesunken sei und die mittelatlantische Bodenschwelle darstelle.Auch diese Vorstellung unterscheidet sich nur quantitativ, abernicht in dem Entscheidenden, Neuen, von der meinigen. Ausdiesem Grunde wird die Verschiebungstheorie von denAmerikanern bisweilen die Taylor-Wegenersche Theorie genannt.Allerdings habe ich selbst beim Lesen von Taylors Schrift denEindruck, daß er vor allem ein gestaltendes Prinzip für dieAnordnung der großen Gebirgsketten suchte und dieses in einerPolflucht des Landes zu finden glaubte, und daß bei diesemGedankengange die Verschiebung einiger Kontinente in unseremSinne nur eine untergeordnete Rolle spielte und auch nur sehrkurz begründet wurde.

Ich selbst habe alle diese Arbeiten — auch die von Taylor —erst zu einer Zeit kennengelernt, zu der die Verschiebungstheoriein ihren Hauptzügen von mir bereits ausgearbeitet war, einigesogar noch wesentlich später. Es ist wohl nicht ausgeschlossen, daßim Laufe der Zeit noch weitere Arbeiten entdeckt werden, dieAnklänge an die Verschiebungstheorie enthalten oder diesen oderjenen Punkt vorwegnehmen. Eine historische Untersuchunghierüber ist noch nicht angestellt und im gegenwärtigen Buchenicht beabsichtigt.

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Zweites Kapitel.

Das Wesen der Verschiebungstheorie und ihr Verhältniszu den bisher herrschenden Vorstellungen über dieÄnderungen der Erdoberfläche in geologischen Zeiten.

Es ist eine seltsame und für den gegenwärtigen unfertigenStand unserer Kenntnisse bezeichnende Tatsache, daß manhinsichtlich der vorzeitlichen Zustände unserer Erde zu ganzentgegengesetzten Resultaten kommt, je nachdem man von derbiologischen oder der geophysikalischen Seite an das Problemherantritt.

Die Paläontologen und ebenso die Tier-undPflanzengeographen kommen immer wieder zu dem Ergebnis, daßdie Mehrzahl der heute durch eine breite Tiefsee getrenntenKontinente in der Vorzeit eine Landverbindung gehabt habenmüssen, über welche hinweg sich ein ungestörter Austausch derLandfauna und Landflora vollzog. Die Paläontologen schließen diesaus dem Vorkommen zahlreicher identischer Arten, die in derVorzeit hüben und drüben nachweislich gelebt haben und derengleichzeitige getrennte Entstehung an verschiedenen Ortenundenkbar erscheint. Und wenn immer nur ein beschränkterProzentsatz von Identitäten in den gleichzeitigen fossilen Faunenoder Floren gefunden wird, so erklärt sich dies natürlich leicht ausdem Umstand, daß nur ein Bruchteil der gesamten damalslebenden Organismenwelt in fossilem Zustande erhalten ist undbisher gefunden wurde. Denn selbst wenn die ganzeOrganismenwelt auf zwei solchen Kontinenten einst restlosidentisch war, wird die Unvollständigkeit unserer Kenntnis zurFolge haben müssen, daß die beiderseits gemachten Funde nurteilweise identisch ausfallen, zum anderen, meist größeren Teileaber Unterschiede vortäuschen; und dazu kommt natürlich nochder Umstand, daß die Organismenwelt auch bei vollkommenerAustauschmöglichkeit doch nicht vollkommen identisch gewesensein wird, wie ja auch heute z. B. Europa und Asien keineswegsidentische Fauna und Flora haben.

Und zu dem gleichen Ergebnis gelangt auch die vergleichendeUntersuchung der heutigen Tier-und Pflanzenwelt. Die heutigen

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Arten auf zwei solchen Kontinenten sind zwar verschieden, aberdie Gattungen und Familien sind noch die gleichen; und was heuteGattung oder Familie ist, war in der Vorzeit einmal Art. So führtauch die Verwandtschaft der heutigen Landfaunen und Landflorenzu dem Schluß, daß diese Faunen und Floren in der Vorzeit einmalidentisch waren und daher im Austausch gestanden haben müssen,der nur über eine breite Landverbindung gedacht werden kann.Erst nach Abbruch dieser Landverbindung kam es zurAufsplitterung in die heute verschiedenen Arten. Es ist wohl nichtzuviel gesagt, daß die ganze Entwicklung des Lebens auf der Erdeund die Verwandtschaft der heutigen Organismen auch auf weitgetrennten Kontinenten uns ein unlösbares Rätsel bleiben muß,wenn wir nicht solche ehemaligen Landverbindungen annehmen.

Nur ein Zeugnis für viele: de Beaufort schreibt [123]: „Eskönnten noch viele andere Beispiele genannt werden, aus denenhervorgeht, daß es in der Zoogeographie unmöglich ist, zu einerannehmbaren Erklärung der Verbreitung der Tiere zu kommen,wenn man nicht Verbindungen annimmt zwischen heutegetrennten Kontinenten, und zwar nicht nur Landbrücken, vondenen, wie Matthew es ausdrückt, nur ein paar Plankenweggenommen sind, sondern auch solche Verbindungen, wo jetztder tiefe Ozean trennt“[1]. Selbstverständlich sind vieleEinzelfragen hierbei noch ungenügend geklärt. In manchen Fällensind ehemalige Landbrücken auf Grund sehr dürftiger Anzeichenkonstruiert worden und haben beim Fortschritt der Forschungkeine Bestätigung erfahren. In anderen Fällen herrscht wenigstensnoch keine völlige Einigkeit über den Zeitpunkt, zu dem dieVerbindung erlosch und die heutige Trennung einsetzte. Aber beiden wichtigsten dieser alten Landverbindungen herrscht dochheute schon unter den Spezialisten eine erfreulicheÜbereinstimmung, ob sie nun ihre Schlüsse auf die geographischeVerbreitung der Säugetiere oder der Regenwürmer, der Pflanzenoder eines anderen Teiles der Organismenwelt gründen. Arldt [11]hat aus den Äußerungen bzw. Karten von 20 Forschern[2] eine ArtAbstimmungstabelle über die Existenz oder Nichtexistenz derverschiedenen Landverbindungen für die verschiedenengeologischen Zeiten entworfen. Für die vier wichtigsten dieserehemaligen Landverbindungen habe ich das Ergebnis dieser

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Auszählung graphisch in Abb. 1 dargestellt. Hierin sind für jedeLandverbindung drei Kurven gezeichnet, nämlich die Zahl derbejahenden, die Zahl der verneinenden Stimmen und derenDifferenz, also die Stärke der Majorität, letztere durch Schraffurder zugehörigen Fläche hervorgehoben. So zeigt die obersteDarstellung, daß die Verbindung Australiens mit Vorderindien,Madagaskar und Afrika (das alte „Gondwanaland“) nach derMehrzahl der Forscher seit kambrischen Zeiten bis zum Beginn derJurazeit andauerte, zu diesem Zeitpunkt aber erlosch; die zweiteDarstellung zeigt, daß die alte Landverbindung zwischenSüdamerika und Afrika („Archhelenis“) nach der Mehrzahl derForscher in der Unter-bis Mittelkreide erlosch. Noch später,nämlich an der Wende zwischen Kreide und Tertiär, erlosch nachder dritten graphischen Darstellung die alte Landverbindungzwischen Madagaskar und Dekan („Lemurien“). Erheblichunregelmäßiger war die Landverbindung zwischen Nordamerikaund Europa, wie die vierte graphische Darstellung zeigt. Aber auchhier herrscht trotz des häufigen Wechsels der Verhältnisse docheine recht weitgehende Übereinstimmung der Ansichten: DieVerbindung war in der älteren Zeit wiederholt, namentlich imKambrium, im Perm, sowie in der Jura-und Kreidezeit, gestört,offenbar aber nur durch seichte „Transgressionen“, die eine spätereWiederherstellung der Verbindung zuließen. Der endgültigeAbbruch der Beziehungen, wie er der heutigen Trennung durcheine breite Tiefsee entspricht, kann aber, wenigstens im Norden beiGrönland, erst im Quartär vor sich gegangen sein.

Abb. 1.

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Zahl der bejahenden (obere starke Kurve) und Zahl derverneinenden Stimmen (untere starke Kurve) zur Frage der

Existenz von vier Landbrücken seit dem Kambrium.

Die Differenz (Majorität ist schraffiert. Doppelt, wenn verneinend.

Auf manche Einzelheiten wird später eingegangen werden. Hier seinur ein Punkt hervorgehoben, der von den Vertretern dieserLandbrückentheorie bisher unbeachtet gelassen wurde, aber vongrößter Wichtigkeit ist: Diese ehemaligen Landverbindungenwerden nicht nur für solche Stellen, wie z. B. die Beringstraße,gefordert, wo heute ein seichtes Schelfmeer oderTransgressionsmeer die Kontinente trennt, sondern auch fürheutige Tiefseegebiete. Alle vier Beispiele unserer Abb. l betreffensolche Fälle. Sie sind mit Absicht ausgewählt, weil gerade bei ihnendie neuen Gedankengänge der Verschiebungstheorie einsetzen, wienoch zu zeigen ist.

Da man bisher als selbstverständlich voraussetzte, daß dieKontinentalblöcke - seien sie trocken oder seien sie überflutet -ihre relative Lage zueinander die ganze Erdgeschichte hindurchunverändert beibehalten hätten, so blieb natürlich nichts weiterübrig, als anzunehmen, daß die geforderten Landverbindungen inGestalt von Zwischenkontinenten vorhanden gewesen waren, diespäter, als der Austausch der Landfauna und Landflora aufhörte,

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unter den Meeresspiegel versanken und heute den Boden derzwischenliegenden Tiefsee bildeten. So entstanden die bekanntenpaläogeographischen Rekonstruktionen, von denen Abb. 2 einBeispiel für die Karbonzeit gibt.

Abb. 2.

Verteilung von Wasser (schraffiert) und Land zur Karbonzeit nach denüblichen Vorstellungen.

Diese Annahme versunkener Zwischenkontinente war in derTat die nächstliegende, solange man auf dem Boden der Lehre vonder Kontraktion oder der Schrumpfung der Erde stand, auf die wirim folgenden etwas näher eingehen müssen. Diese Lehre entstandin Europa; sie wurde namentlich von Dana, Albert Heim undEduard Suess begründet und ausgebaut und beherrscht noch bis indie Gegenwart die Grundvorstellungen in den meisteneuropäischen Lehrbüchern der Geologie. Suess prägte denkürzesten Ausdruck für den Inhalt dieser Theorie: „DerZusammenbruch des Erdballs ist es, dem wir beiwohnen“ [12, Bd.1, S. 778]. Wie ein trocknender Apfel durch den Wasserverlust desInnern faltige Runzeln an der Oberfläche bekommt, so sollen sichdurch die Abkühlung und damit verbundene Schrumpfung desErdinnern die Gebirgsfalten an der Oberfläche bilden. Infolgedieses Zusammensinkens der Kruste soll ein allgemeiner„Gewölbedruck“ in der Rinde herrschen und bewirken, daßeinzelne Teile als Stufen oder Horste stehenbleiben,

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gewissermaßen getragen von diesem Gewölbedruck. Im weiterenVerlauf können dann diese zurückgebliebenen Teile wiederum denanderen in der Sinkbewegung vorauseilen, und was Festland war,kann Meeresboden werden und umgekehrt in beliebig oftwiederholtem Wechsel, eine Vorstellung, die von Lyell begründetwurde und auf die Tatsache zurückgeht, daß man fast überall aufden Kontinenten Ablagerungen früherer Meere vorfindet. Mankann dieser Theorie das historische Verdienst nicht absprechen,lange Zeit hindurch eine ausreichende Zusammenfassung unseresgeologischen Wissens gebildet zu haben. Und wegen dieser langenZeit ist die Kontraktionstheorie auf eine große Menge vonEinzelergebnissen der Forschung mit solcher Folgerichtigkeitangewendet worden, daß sie noch heute in ihrer großzügigenEinfachheit des Grundgedankens und der Vielgliedrigkeit seinerAnwendungen etwas Bestechendes hat. Seit der großartigenZusammenfassung, die das geologische Wissen von der Erde durchdas vierbändige Werk von Eduard Suess „Das Antlitz der Erde“vom Gesichtspunkt der Kontraktionstheorie erfuhr, haben sichindessen die Zweifel an der Richtigkeit der Grundvorstellungimmer mehr gehäuft. Die Vorstellung, daß alle Hebungen nurscheinbar seien, nämlich nur in einem Zurückbleiben hinter demallgemeinen Hinstreben der Kruste zum Erdmittelpunktbeständen, wurde durch den Nachweis absoluter Hebungenwiderlegt [71]. Die Vorstellung von einem ständig und überallwirkenden Gewölbedruck, schon theoretisch von Hergesell [124]für die oberste Rindenschicht widerlegt, erwies sich als unhaltbar,da der Bau von Ostasien und die ostafrikanischen Grabenbrücheumgekehrt auf Zugkräfte in großen Teilen der Erdrinde schließenließen. Die Auffassung der Gebirgsfaltungen als Rindenrunzelungbei der Schrumpfung des Erdinnern führte zu der unannehmbarenKonsequenz einer Druckübertragung innerhalb der Erdrinde übereine Strecke von 180 Großkreisgraden. Zahlreiche Autoren, wieAmpferer [13], Reyer [14], Rudzki [15], Andrée [16] u. a. haben mitRecht dagegen Stellung genommen und gefordert, es müßte dieganze Erdoberfläche gleichmäßig von der Runzelung betroffenwerden, was ja auch der trocknende Apfel zeigt. Besonders war esaber die Entdeckung des schuppenartigen „Deckfaltenbaues“ oderder Überschiebungen in den Alpen, welche die ohnehin schwierige

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Erklärung der Gebirge durch Schrumpfung immer unzulänglichererscheinen ließ. Diese durch die Arbeiten von Bertrand, Schardt,Lugeon u. a. eingeführte neue Auffassung vom Bau der Alpen undzahlreicher anderer Gebirge führt zu weit größeren Beträgen desZusammenschubs als die früheren Vorstellungen. Während Heimnach der letzteren noch für die Alpen eine Verkürzung auf 1/2berechnete, findet er unter Zugrundelegung des heute allgemeinanerkannten Deckfaltenbaues eine Verkürzung auf 1/4 bis 1/8 [17].Da die heutige Breite etwa 150 km beträgt, so wäre also hier einRindenstück von 600 bis 1200 km Breite (5 bis 10 Breitengraden)zusammengeschoben. Aber in der jüngsten großen Synthese überden Deckfaltenbau der Alpen kommt R. Staub [18] inÜbereinstimmung mit Argand sogar zu noch größeren Beträgendes Zusammenschubs. Er kommt auf S. 257 zu dem Schluß:

„Die alpine Orogenese ist der Effekt der Nordwanderung derafrikanischen Scholle. Glätten wir nur die alpinen Falten undDecken auf dem Querschnitt zwischen Schwarzwald und Afrikawieder aus, so ergibt sich gegenüber der jetzigen Distanz von rund1800 km schon ein ursprünglicher Abstand von rund 3000 bis3500 km, also ein Zusammenschub der alpinen Region, alpin inweiterem Sinne gemeint, um rund 1500 km. Um diesen Betragmuß sich Afrika gegenüber Europa verschoben haben. Wirkommen damit also auf eine wahre Kontinentalverschiebung derafrikanischen Scholle um große Beträge“[3].

In ähnlichem Sinne haben sich auch andere Geologengeäußert, wie z. B. F. Hermann [106], Edw. Hennig [19] oderKossmat [2l], der betont, „daß eine Erklärung der Gebirgsbildungmit großartigen tangentialen Rindenbewegungen rechnen muß, diesich nicht in den Vorstellungskreis der einfachenKontraktionstheorie einfügen lassen“. Für Asien hat insbesondereArgand [20] in einer umfangreichen Untersuchung, auf die wirnoch weiter unten zurückkommen werden, ganz entsprechendeVorstellungen entwickelt, wie er selbst und Staub für die Alpen.Jeder Versuch, diese gewaltigen Zusammenschübe der Rinde aufeine Temperaturerniedrigung des Erdinnern zurückzuführen, mußscheitern. Aber sogar die scheinbar selbstverständlicheGrundannahme der Kontraktionstheorie, nämlich daß die Erdesich ständig abkühle, ist durch die Entdeckung des Radiums völlig

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ins Wanken geraten. Dieses Element, durch dessen Zerfallfortwährend Wärme entsteht, ist nämlich in den uns zugänglichenGesteinen der Erdrinde überall in meßbaren Mengen enthalten,und die zahlreichen Messungen führen zu dem Schluß, daß, wennauch das Innere der Erde den gleichen Radiumgehalt hätte, dieProduktion von Wärme unvergleichlich viel größer sein müßte alsihre Abfuhr nach außen, die wir durch die Temperaturzunahme mitder Tiefe in Bergwerken bei Berücksichtigung der Leitfähigkeit derGesteine kontrollieren können. Das hieße aber so viel, daß dieTemperatur der Erde dauernd im Steigen sein müßte. Allerdingslegt die sehr geringe Radioaktivität der Eisenmeteoriten nahe, daßauch der eiserne Kern der Erde vermutlich viel weniger Radiumenthält als die Rinde, so daß dieser paradoxe Schluß vielleichtvermeidbar ist; aber jedenfalls kann man heute den thermischenZustand der Erde nicht mehr wie früher als die augenblicklichePhase im Abkühlungsprozeß einer früher viel heißeren Kugelbetrachten, sondern viel eher als einen Gleichgewichtszustandzwischen der radioaktiven Wärmeproduktion des Erdinnern undder Wärmeabgabe an den Weltraum. Ja die neuestenUntersuchungen über diese Frage, die später eingehender zubesprechen sein werden, kommen zu dem Ergebnis, daßwenigstens unter den Kontinentalschollen tatsächlich mehrWärme erzeugt als abgeführt wird, die Temperatur also hieransteigen muß, während allerdings im Gebiet der Tiefseebeckenumgekehrt die Abgabe gegenüber der Produktion überwiegt, und esso für die ganze Erde zu einem Gleichgewicht zwischen Produktionund Abgabe kommt. Jedenfalls sieht man hieraus, daß durch dieseneuen Anschauungen der Kontraktionstheorie ihre Grundlagevöllig entzogen wird. Aber auch noch manche anderenSchwierigkeiten erheben sich gegen die Kontraktionstheorie undihre Gedankengänge. Die Vorstellung eines schrankenlosenzeitlichen Wechsels zwischen Kontinent und Meeresboden, diedurch die marinen Sedimente auf den heutigen Kontinentennahegelegt war, mußte stark eingeschränkt werden. Denn bei dergenaueren Untersuchung dieser Sedimente zeigte sich immerdeutlicher, daß es sich fast ohne Ausnahme um Flachseesedimentehandelte. Manche früher für Tiefseeablagerungen angesprochenenSedimente erwiesen sich als der Flachsee entstammend, wie es z.

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B. für die Schreibkreide von Cayaux nachgewiesen wurde. Dacqué[22] hat eine gute Übersicht über diese Frage gegeben. Nur beiganz wenigen Sedimenten, wie den kalkarmen Radiolariten derAlpen und gewissen roten Tonen, die an den roten Tiefseetonerinnern, nimmt man auch heute noch große Entstehungstiefen (4bis 5 km) an, vor allem, weil das Seewasser erst in großer Tiefeauflösend auf den Kalk wirkt. Aber die räumliche Erstreckungdieser echten Tiefseeablagerungen auf den heutigen Kontinentenist, verglichen mit der Größe dieser letzteren und der auf ihnenliegenden Flachseesedimente, so verschwindend, daß der Satz vonder grundsätzlichen Flachseenatur der fossilenMeeresablagerungen auf den heutigen Kontinenten dadurch nichtbeeinträchtigt wird. Hierdurch entsteht aber für dieKontraktionstheorie eine große Schwierigkeit. Denn da wir dieFlachsee geophysikalisch mit zur Kontinentalscholle rechnenmüssen, so besagt dieser Satz, daß die Kontinentalschollen alssolche in der Erdgeschichte „permanent“ geblieben sind undniemals den Boden der Tiefsee gebildet haben. Dürfen wir dannnoch annehmen, daß der heutige Tiefseeboden jemals Kontinentwar? Die Berechtigung dieses Schlusses ist offenbar mit derFeststellung der Flachseenatur der marinen Ablagerungen auf denKontinenten verloren gegangen. Aber mehr als das, dieser Schlußführt jetzt auf einen offenen Widerspruch. Wenn wir nämlich jeneZwischenkontinente nach Art der Abb. 2 rekonstruieren, also einengroßen Teil der heutigen Tiefseebecken ausfüllen, ohne dieMöglichkeit einer Kompensation durch Hinabdrücken heutigerKontinentalgebiete zum Niveau des Tiefseebodens zu haben, sohaben die Wassermassen des Weltmeeres keinen Platz mehr inden nunmehr stark verkleinerten Tiefseebecken. DieWasserverdrängung der Zwischenkontinente wäre eine sogewaltige, daß der Spiegel des Weltmeeres über das gesamteKontinentalgebiet der Erde ansteigen und alles überfluten würde,die heutigen Kontinente wie die Zwischenkontinente, und dieRekonstruktion führt also gar nicht zu dem gewünschten Ziel, dasdoch in trockenen Landverbindungen zwischen trockenenKontinenten besteht. Abb. 2 stellt also eine unmöglicheRekonstruktion dar, sofern wir nicht Zusatzhypothesen einführen,die als Hypothesen „ad hoc“ unwahrscheinlich sind, wie z. B., daß

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die Wassermenge des Weltmeeres damals gerade um so vielkleiner war als heute, oder daß die übrigbleibenden Tiefseebeckendamals gerade um so viel tiefer waren als heute. Willis, A. Penck u.a. haben auf diese eigentümliche Schwierigkeit hingewiesen.

Von den vielen Einwürfen gegen die Kontraktionstheorie seinur noch einer hervorgehoben, der ein ganz besonderes Gewichthat. Die Geophysik ist, hauptsächlich durch Schweremessungen, zuder Vorstellung gekommen, daß die Erdrinde imTauchgleichgewicht auf einer etwas schwereren, zähflüssigenUnterlage schwimmt. Man nennt diesen Zustand Isostasie.Isostasie ist nichts anderes als Tauchgleichgewicht nach demarchimedischen Prinzip, wobei das Gewicht des eintauchendenKörpers gleich dem Gewicht der verdrängten Flüssigkeit ist. DieEinführung eines besonderen Wortes für diesen Zustand bei derErdrinde ist jedoch deshalb zweckmäßig, weil die Flüssigkeit, inwelche die Erdrinde eintaucht, wahrscheinlich von einer sehrgroßen, nur schwer vorstellbaren Zähigkeit ist, so daßSchwingungen um die Gleichgewichtslage ausgeschlossen sind,und das Hinstreben zur Gleichgewichtslage nach Eintritt einerStörung derselben ein Prozeß ist, der nur mit äußersterLangsamkeit fortschreitet und viele Jahrtausende zur Vollendungbraucht. Im Laboratorium würde sich diese „Flüssigkeit“ vielleichtkaum von einem „festen“ Körper unterscheiden. Doch sei daranerinnert, daß auch bei Stahl, den wir doch gewiß als festen Körperbetrachten, z. B. kurz vor dem Zerreißen typischeFließerscheinungen eintreten.

Ein Beispiel für eine Störung der Isostasie der Erdrinde bildetihre Belastung mit einer Inlandeiskappe. Sie hat zur Folge, daß dieErdrinde unter dieser sich langsam senkt und einer neuen, derBelastung entsprechenden Gleichgewichtslage zustrebt, um nachdem Abschmelzen des Inlandeises wieder nach und nach die alteGleichgewichtslage anzunehmen, wobei die während derDepression gebildeten Strandlinien mit emporgetragen werden. Sozeigen die aus den Strandlinien abgeleiteten „Isobasenkarten“ deGeers [23] für die letzte Vereisung Skandinaviens eine Depressiondes zentralen Teiles um mindestens 250 m, die nach außenallmählich geringer wird, und für die größte der quartärenVereisungen sind noch höhere Werte anzunehmen.

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Abb. 3.

Betrag der postglazialen Hebung Fennoskandiens nach Högbohm, inMetern.

In Abb. 3 geben wir eine Karte dieser postglazialen HebungFennoskandias nach Högbom (aus Born [43]) wieder. DieselbeErscheinung hat de Geer auch für das nordamerikanischeVereisungsgebiet nachgewiesen. Rudzki [15] hat gezeigt, daß manunter Annahme der Isostasie hieraus plausible Werte für die Dickeder Inlandeisschicht berechnen kann, nämlich 930 m fürSkandinavien und 1670 m für Nordamerika, wo die Senkung 500 mbetrug. Infolge der Zähigkeit der Unterlage hinken dieseAusgleichsbewegungen natürlich stark nach: Die Strandlinienhaben sich meist erst nach Abschmelzen des Eises, aber vor derHebung des Landes gebildet, und auch heute steigt Skandinavien,wie die Pegelmessungen zeigen, noch um etwa 1 m in 100 Jahren.

Auch sedimentäre Ablagerungen haben, wie wohl OsmondFisher zuerst erkannte, eine Senkung der Scholle zur Folge: Jede

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Aufschüttung von oben führt zu einer freilich etwasnachhinkenden Senkung der Scholle, so daß die neue Oberflächewieder fast in der alten Höhe liegt. Auf diese Weise können vieleKilometer mächtige Ablagerungen entstehen, die alle gleichwohl inflachem Wasser gebildet sind.

Wir werden später noch näher auf die Isostasielehre eingehen.Hier sei nur so viel gesagt, daß sie durch geophysikalischeBeobachtungen in solchem Umfang bestätigt worden ist, daß sieheute zum festen Bestand der Geophysik gehört und an ihrergrundsätzlichen Richtigkeit nicht mehr gezweifelt werden kann[4].

Man sieht ohne weiteres, daß dies Ergebnis demVorstellungskreis der Kontraktionstheorie ganz zuwiderläuft undsich sehr schwer mit ihr vereinigen läßt. Insbesondere erscheint eshiernach unmöglich, daß sich eine Kontinentalscholle von derGröße der geforderten Zwischenkontinente unbelastet bis zumBoden der Tiefsee senkt oder das umgekehrte eintritt. DieIsostasielehre ist also nicht nur mit der Kontraktionslehre imWiderspruch, sondern insbesondere auch mit der aus derVerbreitung der Organismen abgeleiteten Lehre von denversunkenen Landbrücken[5]. Wir haben mit Absicht imvorangehenden die Einwände gegen die Kontraktionstheorie etwasausführlicher besprochen. Denn in einem Teile der hiervorgebrachten Gedankengänge wurzelt eine andere, heutenamentlich unter den amerikanischen Geologen verbreiteteTheorie, welche man als Permanenztheorie bezeichnet. Willis [27]faßte sie in die Formel: „Die großen Tiefseebecken bildenpermanente Erscheinungen der Erdoberfläche und haben mitgeringen Änderungen ihrer Umrisse schon seit der erstenSammlung des Wassers an derselben Stelle gelegen, an der sie jetztliegen.“ In der Tat waren wir schon oben durch die Flachseenaturder marinen Sedimente auf den heutigen Kontinenten zu demSchluß gekommen, daß die Kontinentalschollen als solche in derErdgeschichte permanent gewesen sind. Die aus der Isostasielehrefolgende Unmöglichkeit, die heutigen Tiefseeböden als versunkeneZwischenkontinente aufzufassen, ergänzt dies Resultat zu einerallgemeinen Permanenz der Tiefseebecken und derKontinentalschollen. Und da man auch hier von derselbstverständlich erscheinenden Annahme ausging, daß die Lage

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der Kontinentalschollen relativ zueinander keine Änderungerfahren habe, so erscheint die Formulierung, die Willis derPermanenzlehre gab, als logischer Schluß aus unserengeophysikalischen Erfahrungen, freilich unter Nichtachtung deraus der Verbreitung der Organismen abgeleiteten Forderung nachehemaligen Landverbindungen. Und so haben wir das seltsameSchauspiel, daß über das vorzeitliche Antlitz unserer Erde zweiganz gegensätzliche Lehren gleichzeitig bestehen, nämlich inEuropa fast überall die Lehre von ehemaligen Landbrücken, inAmerika fast überall die Lehre von der Permanenz derOzeanbecken und Kontinentalschollen.

Es ist wohl kein Zufall, daß die Permanenzlehre gerade inAmerika ihre zahlreichsten Vertreter zählt; die Geologie hat sichdort erst spät und darum gleichzeitig mit der Geophysik entwickelt,und dies mußte zur Folge haben, daß sie die Ergebnisse dieserSchwesterwissenschaft schneller und vollständiger aufnahm als inEuropa. Sie kam gar nicht in Versuchung, die der Geophysikwidersprechende Kontraktionslehre zu ihrer Grundannahme zumachen. Anders in Europa, wo die Geologie bereits eine langeEntwicklung hinter sich hatte, bevor die Geophysik zu ihren erstenErgebnissen kam, ja wo sie ohne diese bereits zu einemgroßartigen Entwicklungsbild in Gestalt der Kontraktionstheoriegelangt war. Es ist durchaus verständlich, daß es vieleneuropäischen Forschern schwer fällt, sich von dieser Traditionvöllig frei zu machen, und daß sie den Ergebnissen der Geophysikmit einem nie ganz versiegenden Mißtrauen gegenüberstehen.

Aber was ist nun die Wahrheit? Die Erde kann zu einer Zeitnur ein Antlitz gehabt haben. Gab es damals Landbrücken oderlagen die Kontinente wie heute durch breite Tiefseebeckengetrennt? Es ist unmöglich, die Forderung nach den altenLandverbindungen abzulehnen, wenn wir nicht gänzlich daraufverzichten wollen, die Entwicklung des Lebens auf der Erde zuverstehen. Aber es ist ebenso unmöglich, sich den Gründen zuentziehen, mit denen die Vertreter der Permanenzlehre dieversunkenen Zwischenkontinente ablehnen. Da bleibt offenbar nureine Möglichkeit: es muß ein versteckter Fehler in den alsselbstverständlich gemachten Voraussetzungen liegen.

Hier setzt die Verschiebungstheorie ein. Die sowohl bei den

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versunkenen Landbrücken wie bei der Permanenz zugrundegelegte selbstverständliche Annahme, daß die relative Lage derKontinentalschollen (von ihrer wechselnden Flachseebedeckungwird abgesehen) zueinander sich nie geändert habe, muß falschsein. Die Kontinentalschollen müssen sich verschoben haben.Südamerika muß neben Afrika gelegen und mit diesem eineeinheitliche Kontinentalscholle gebildet haben, die sich in derKreidezeit in zwei Teile spaltete, die dann wie die Stücke einergeborstenen Eisscholle im Wasser im Laufe der Jahrmillionenimmer weiter voneinander wichen. Die Ränder dieser beidenSchollen sind noch heute auffallend kongruent.

Abb. 4.

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Rekonstruktion der Erdkarte nach der Verschiebungstheorie fürdrei Zeiten.

Schraffiert: Tiefsee; punktiert: Flachsee; Heutige Konturen und Flüsse nur zum Erkennen.

Gradnetz willkürlich (das heutige von Afrika).

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Abb. 5.

Dieselben Rekonstruktionen wie in Abb. 1, in anderer Projektion.

Nicht allein der große rechtwinklige Knick, den diebrasilianische Küste bei Kap San Roque erfährt, findet seingetreues Negativ in dem afrikanischen Küstenknick bei Kamerun,sondern auch südlich dieser beiden korrespondierenden Punkteentspricht jedem Vorsprung auf brasilianischer Seite einegleichgeformte Bucht auf afrikanischer, und umgekehrt jederBucht auf brasilianischer ein Vorsprung auf afrikanischer Seite.Wie ein Versuch mit dem Zirkel am Globus lehrt, stimmen dieGrößen genau.

Ebenso hat auch Nordamerika früher neben Europa gelegenund wenigstens von Neufundland bzw. Irland ab nach Norden mitdiesem und Grönland eine zusammenhängende Scholle gebildet,die erst im Spättertiär, im Norden sogar erst im Quartär durch einebei Grönland sich gabelnde Spalte zerriß, worauf die Teilschollensich voneinander entfernten. Antarktika, Australien undVorderindien lagen bis zum Beginn der Jurazeit neben Südafrikaund bildeten mit diesem und Südamerika ein einziges großes -wenn auch teilweise von Flachsee bedecktes - Kontinentalgebiet,das im Laufe von Jura, Kreide und Tertiär durch Zerspaltung inEinzelschollen zerfiel, die nach allen Seiten auseinandertrifteten.Unsere in den Abb. 4 und 5 wiedergegebenen drei Erdkarten fürdas Jung-Karbon, Eozän und Alt-Quartär zeigen diesenEntwicklungsgang. Bei Vorderindien handelt es sich dabei umeinen etwas abweichenden Vorgang: Es war ursprünglich durch einlanges, freilich meist von Flachsee bedecktes Schollenstück mitdem asiatischen Kontinent verbunden. Nach der AbtrennungVorderindiens einerseits von Australien (in der älteren Jurazeit),andererseits von Madagaskar (an der Wende von Kreide undTertiär) wurde dies lange Verbindungsstück durch fortschreitendeAnnäherung des heutigen Vorderindiens an Asien immer mehrzusammengefaltet und ruht heute in den gewaltigstenGebirgsfalten, die unsere Erde trägt, dem Himalaja und denzahlreichen weiteren Faltenzügen Hochasiens.

Auch auf anderen Gebieten tritt die Schollenverschiebung inursächlicher Verknüpfung mit der Entstehung der Gebirge auf: Bei

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dem Westwärtswandern der beiden Amerika wurde ihr Vorderranddurch den Stirnwiderstand an dem uralten, tief ausgekühlten unddaher widerstrebenden Tiefseeboden des Pazifik zusammengefaltetzu dem riesigen Andengebirge, das sich von Alaska bis Antarktikahinzieht. Auch bei der australischen Scholle, zu der auch das nurdurch ein Schelfmeer getrennte Neuguinea zu zählen ist, befindetsich auf der Vorderseite im Sinne der Bewegung das hohe jungeGebirge von Neuguinea; vor ihrem Abriß von Antarktika war ihreBewegungsrichtung, wie unsere Karten zeigen, eine andere: dieheutige Ostküste war damals die Vorderseite. Damals wurden dieGebirge Neuseelands aufgefaltet, das dieser Küste unmittelbarvorgelagert war und sich in der Folgezeit bei veränderterVerschiebungsrichtung als Girlande ablöste und zurückblieb. Ausnoch älterer Zeit stammen die heutigen Kordilleren Ostaustraliens;sie entstanden gleichzeitig mit den älteren Faltungen in Süd-undNordamerika, die den Anden zugrunde liegen (Präkordilleren), amVorderrand der sich als Ganzes verschiebenden Kontinentalmassevor der Aufspaltung.

Die soeben erwähnte Abtrennung der einstigen Randkette,späteren Girlande Neuseeland von der australischen Scholle leitetuns zu der Erscheinung hinüber, daß kleinere Schollenteilebesonders bei der Westwanderung der großen Schollenzurückbleiben. So trennen sich am ostasiatischen Kontinentalranddie Randketten als Girlanden ab, so bleiben die Kleinen undGroßen Antillen hinter der Bewegung der mittelamerikanischenScholle zurück und ebenso der sogenannte Südantillenbogenzwischen Feuerland und der Westantarktis, ja sogar alle sich inmeridionaler Richtung zuspitzenden Schollen zeigen eineVerbiegung dieser Spitzen durch Zurückbleiben nach Osten, wiedie Südspitze Grönlands, der Schelf von Florida, Feuerland,Grahamland oder das abbrechende Ceylon.

Man wird leicht bemerken, daß dieser ganze Vorstellungskreisder Verschiebungstheorie von der Annahme ausgeht, daßTiefseeboden und Kontinentalscholle aus verschiedenem Materialbestehen, gewissermaßen verschiedene Schichten des Erdkörpersdarstellen. Die äußerste, durch die Kontinentalschollenrepräsentierte Schicht bedeckt nicht (vielleicht nicht mehr) dieganze Erdoberfläche; die Tiefseeböden aber stellen die freie

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Oberfläche der nächsten Schicht des Erdkörpers dar, welche auchunter den Kontinentalschollen anzunehmen ist. Dies ist diegeophysikalische Seite der Verschiebungstheorie.

Legen wir diese Verschiebungstheorie zugrunde, sobefriedigen wir alle berechtigten Forderungen sowohl der Lehrevon den ehemaligen Landverbindungen, wie auch der Lehre vonder Permanenz. Es heißt jetzt: Landbrücken, aber nicht durchspäter versinkende Zwischenkontinente, sondern durch Berührungder heute getrennten Schollen. Permanenz nicht der einzelnenOzeane oder Kontinente als solche, sondern des Tiefseeareals unddes kontinentalen Areals im ganzen.

Die ausführliche Begründung dieser neuen Vorstellungen wirdden Hauptinhalt dieses Buches bilden.

1. ↑ „Allerdings gibt es heute auch noch einige Gegner derLandbrücken. Unter ihnen ist besonders G. Pfefferhervorzuheben. Er geht davon aus, daß verschiedene jetzt aufdie Süderdteile beschränkte Formen auf der Nordhalbkugelfossil nachgewiesen sind. Für diese ist es nach ihmunzweifelhaft, daß sie einst mehr oder weniger universalverbreitet waren. Ist nun schon dieser Schluß nicht unbedingtzwingend, so noch viel weniger der weitere, daß wir eineuniversale Ausbreitung auch in allen den Fällendiskontinuierlicher Verbreitung im Süden annehmen dürfen,in denen ein fossiler Nachweis im Norden noch nichtstattgefunden hat. Wenn er so alleVerbreitungseigentümlichkeiten ausschließlich durchWanderungen zwischen den Nordkontinenten und ihrenmediterranen Brücken erklären will, so steht diese Annahmedurchaus auf ganz unsicherem Boden.“ (Arldt [135].) Daß sichdie Verwandtschaften der Südkontinente einfacher undvollständiger durch unmittelbare Landzusammenhängeerklären lassen, als durch parallele Abwanderung vomgemeinsamen Nordgebiet, bedarf wohl keiner Erläuterung,wenn auch in einzelnen Fällen der Vorgang sich so abgespielthaben kann, wie Pfeffer annimmt.

2. ↑ Arldt, Burckhardt, Diener, Frech, Fritz, Handlirsch Haug, v.Ihering, Karpinsky, Koken, Kossmat, Katzer, Lapparent,

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Matthew, Neumayr, Ortmann, Osborn, Schuchert, Uhlig,Willis.

3. ↑ Wie es scheint, sind die Schätzungen der Größe desZusammenschubs der Alpen noch immer im Wachsen. Soschreibt Staub neuerdings [214, ähnlich in 215]: „Denken wiruns nun aber diesen alpinen, wohl dutzendfachübereinandergeschobenen Deckenhaufen wieder ausgeglättet…, so kommen wir notgedrungen mit dem starren Rücklandder Alpen viel weiter nach Süden, und die ursprünglicheDistanz zwischen Vorland und Rückland der Alpen ist einewohl zehn-bis zwölfmal größere gewesen als der heutigeAbstand zwischen den beiden.“ Er fügt hinzu: „Die Schaffungeines Gebirges geht also hier ganz deutlich und zweifelsfreiauf selbständige Wanderungen größerer, nach ihrem Bau undihrer Zusammensetzung sicher kontinentalen Schollen zurück,und damit gelangen wir, von der Geologie der Alpen, von derDeckentheorie Hans Schardts, ganz selbstverständlich undungezwungen zu der Anerkennung des Grundprinzips dergroßen Wegenerschen Theorie von den Verschiebungen derkontinentalen Schollen.“

4. ↑ Von amerikanischer Seite, z. B. von Taylor [101] wirdbisweilen unter der Bezeichnung Isostasielehre BowiesHypothese über die Entstehung der Geosynklinalen und derGebirge verstanden. Nach Bowies Annahme [224] tritt dieerste Hebung der mit Sedimenten angefüllten Mulde, derGeosynklinale, durch ein Ansteigen der Isothermen in ihr unddie damit verbundene Volumenvergrößerung ein. Sobald diesezu einer Erhebung des Landes geführt hat, setzt die Erosionein, es entsteht ein zerschnittenes Gebirge, dessen Unterlageinfolge der Entlastung immer weiter steigt. Schließlich sinddurch dieses Steigen die Isothermen in übernormale Höhenhinauf verschleppt, sie beginnen abwärts zu wandern, derBlock kühlt sich also ab, es findet Kontraktion und Senkungder Oberfläche statt, und aus dem Gebirge wird wieder einSenkungsgebiet, in dem nun neue Sedimentation einsetzt.Durch diese wird die Senkung weiter fortgesetzt, bis dieIsothermen eine abnorm tiefe Lage haben, wieder ansteigenusf. in mehrfachem Wechsel. Diese Vorstellung, deren

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Unanwendbarkeit bei den großen Faltengebirgen mit ihrenÜberschiebungen von Taylor u. a. hervorgehoben ist, bedientsich zwar des isostatischen Prinzips, sollte aber nicht alsIsostasielehre schlechthin bezeichnet werden.

5. ↑ Die hier aufgezählten Einwände gegen dieKontraktionstheorie richten sich in erster Linie gegen derentypische ältere Form. In neuester Zeit sind von verschiedenenSeiten, wie Kober [24], Stille [25], Nölcke [26], Jeffreys [102]u. a. Versuche gemacht worden, die Kontraktionstheorie zumodernisieren und teils durch Einschränkungen, teils durchZusatzhypothesen den gegen sie erhobenen Einwändenauszuweichen. Ähnliches gilt für die von R. T. Chamberlinpropagierte Kontraktion, die durch „rearrangement“ desMaterials im Erdinnern verursacht sein soll als Folge der vondiesem Autor angenommenen planetesimalen Entstehung[160]. Wenn auch diesen Versuchen ein gewisses Geschick beider Verfolgung ihres Zieles nicht abgesprochen werden kann,so kann andererseits doch nicht die Rede davon sein, daß dieEinwände wirklich widerlegt und die Theorie in befriedigendeÜbereinstimmung mit den Erfahrungen, namentlich aufgeophysikalischem Gebiet, gebracht worden wäre. Eineeingehende Besprechung dieser Neokontraktionstheoriewürde indessen den Rahmen unserer Darstellungüberschreiten.

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Drittes Kapitel.

Geodätische Argumente.

Wir beginnen die Beweisführung mit dem Nachweis heutigerKontinentverschiebungen durch wiederholte astronomischeOrtsbestimmung, und zwar aus dem Grunde, weil vor kurzem aufdiesem Wege der erste wirkliche Nachweis für die von derVerschiebungstheorie vorausgesagte heutige VerschiebungGrönlands erbracht worden ist, und weil diese auch zahlenmäßiggute Bestätigung der Verschiebungstheorie von der Mehrzahl derForscher vermutlich als ihr exaktester und einwandfreiesterBeweis gewertet werden wird.

Es ist ein großer Vorzug, den die Verschiebungstheorie vorallen anderen Theorien mit ähnlich weitreichenden Aufgabenvoraus hat, daß sie sich durch exakte astronomischeOrtsbestimmungen prüfen läßt. Wenn dieKontinentverschiebungen so lange Zeiträume hindurch tätigwaren, so ist es auch wahrscheinlich, daß sie auch heute nochfortdauern, und es ist nur die Frage, ob die Bewegungen schnellgenug sind, um sich unseren astronomischen Messungeninnerhalb nicht allzu langer Zeiträume zu verraten.

Um hierüber ein Urteil zu gewinnen, müssen wir auf dieabsolute Zeitdauer der geologischen Abschnitte etwas eingehen.Die Bewertung derselben ist bekanntlich unsicher, aber doch nichtin dem Maße, daß es eine Beantwortung unserer Frage unmöglichmacht.Der seit der letzten Eiszeit verflossene Zeitraum wird von A. Penckauf Grund seiner alpinen Glazialstudien auf 50000 Jahre, vonSteinmann auf mindestens 20000, höchstens 50000 Jahre, vonHeim nach Berechnungen aus der Schweiz und ebenso von denGlazialgeologen der Vereinigten Staaten nur auf etwa 10000 Jahregeschätzt. Milankovitch kommt durch astronomischeUntersuchungen auf einen klimatischen Höhepunkt der letztenEiszeit etwa vor 25000 Jahren (die Hauptphase derselben Eiszeitallerdings schon vor 75000 Jahren) und ein unmittelbar folgendes

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Klimaoptimum (das in Nordeuropa geologisch bestätigt ist) vor10000 Jahren. De Geer schließt aus seinen Auszählungen vonLehmhorizonten, daß der zurückgehende Eisrand vor 14000Jahren Schonen (Südschweden) passiert hat, vor 16000 Jahrenaber noch in Mecklenburg lag. Die Gesamtlänge des Quartärsergibt sich nach Milankovitchs Rechnungen zu etwa 0,6 bis 1Million Jahre. Für unsere Zwecke reicht die Übereinstimmungdieser Zahlen bereits völlig aus.

Für die älteren Zeiten hat man aus der Mächtigkeit derSedimente ein Urteil über die Zeitdauer ihrer Ablagerungen zugewinnen versucht und ist dabei nach Dacqué [171] und Rudzki[170] z. B. für die Länge der Tertiärperiode auf eineGrößenordnung von 1 bis 10 Millionen Jahre gekommen. Für dasMesozoikum findet man etwa die dreifache, für das Paläozoikumetwa die zwölffache Länge.

Sehr viel größere Zeiten, zumal für die älteren Perioden,liefern die Altersbestimmungen auf Grund der radioaktivenVorgänge, die heute das größte Ansehen genießen [207]. Sieberuhen auf dem allmählichen Zerfall der Uran-und Thoratome,wobei α-Strahlen (das sind Heliumatome) ausgesendet werden unddie Substanz sich schließlich nach Durchlaufung mehrererZwischenstadien in Blei verwandelt.

Man unterscheidet drei Methoden der Altersbestimmung aufdieser Grundlage. Die erste ist die Heliummethode, bei welcher dierelative Menge des entwickelten und im Mineral sich allmählichanreichernden Heliums gemessen wird. Diese Methode liefertkleinere Zahlen als die folgenden, wie man meint, weil das Heliumteilweise allmählich entweicht, so daß diese Methode für wenigergut gehalten wird. Zweitens kann man die relative Menge desEndproduktes Blei feststellen und daraus auf die Zeit schließen.Und die dritte Methode ist die der „pleochroitischen Höfe“, diedadurch entstehen, daß die ausgeschleuderten Heliumatome einenfarbigen Hof von sehr geringer Ausdehnung um die radioaktiveSubstanz herum im Gestein erzeugen, der im Laufe der Zeit größerwird, und aus dessen Größe man daher die Zeitdauer ermittelnkann.Auf diesem Wege hat man nach Born (in Gutenberg [45]) für einmiozänes Gestein ein Alter von 6 Millionen Jahren, für ein

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miozän-eozänes Gestein ein solches von 25 Millionen Jahren undfür ein spätkarbonisches ein Alter von 137 Millionen Jahrengefunden. Diese drei Werte beruhen auf der Heliummethode. Nachder Bleimethode ergibt sich wesentlich mehr, nämlich fürSpätkarbon bereits 320 Millionen Jahre, und für das Algonkium,wo die Heliummethode nur 350 Millionen Jahre liefert, sogar 1200Millionen Jahre. Diese Werte sind ganz erheblich größer als dieSchätzungen nach der Mächtigkeit der Sedimente[1].

Da wir es aber hier hauptsächlich nur mit den Zeiten seit demTertiär zu tun haben, wo die verschiedenen Methoden noch leidlichgleichartige Ergebnisse liefern, so genügen diese Angaben fürunsere Zwecke. Wir dürfen daher etwa die folgenden Zahlenzugrunde legen:

Seit Beginn des Tertiärs verflossen . . . 20 Millionen Jahre„ „ „ Eozäns „ . . . 15 „ „„ „ „ Oligozäns „ . . . 10 „ „„ „ „ Milozäns „ . . . 6 „ „„ „ „ Pilozäns „ . . . 3 „ „„ „ „ Quartärs „ . . . 1 „ „„ „ „ Postquartärs „ . . . 10 bis 50000 „

Mit Hilfe dieser Zahlen und der von den Kontinentenzurückgelegten Wege können wir uns ein ungefähres Bild von demBetrag der jährlichen Verschiebung machen, wenn wir annehmen,daß diese Verschiebung mit gleichförmiger Geschwindigkeit vorsich ging und noch weiter geht. Diese beiden Annahmen sindallerdings ziemlich unkontrollierbar; nimmt man dazu dieUnsicherheit der Altersbestimmung, die leicht um 50, vielleicht100 % falsch sein kann, und weiter die Unsicherheit derZeitsetzung des Abrisses, so ist ohne weiteres klar, daß diefolgenden Zahlen nur als eine ungefähre Orientierung dienenkönnen, und daß man sich nicht wundern darf, wenn sich bei derNachmessung etwa wesentlich andere Ziffern ergeben. Trotzdemist diese Überschlagsrechnung sehr nützlich, da sie das Augenmerkauf solche Stellen lenkt, wo Aussicht besteht, die Verschiebung inkürzerer Zeit messen zu können.

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Die Tabelle auf S. 25 gibt die zu erwartende jährlicheAbstandsvergrößerung für eine Reihe besonders interessanterStellen.Die größte Änderung ist also bei dem Abstand Grönlands vonEuropa zu erwarten, dann auch bei demjenigen Islands von Europaund Madagaskars von Afrika. Bei Grönland und Island ist dieBewegung eine ostwestliche, die astronomischenOrtsbestimmungen können also nur eine Vergrößerung derLängendifferenz, nicht der Breitenunterschiede, ergeben.

Zurück-gelegteEntfernung

km

TrennungvorMillionenJahrenetwa

JährlicheBewegung

m

Sabineinsel—BäreninselKap Farvel—SchottlandIsland—NorwegenNeufundland—IrlandBuenos Aires—KapstadtMadagaskar—AfrikaVorderindien—SüdafrikaTasmania—Wilkesland

10701780092024106220089055502890

0,05—0,10,05—0,10,05—0,12—4300,12010

21—1136—1818—91,2—0,60,290,30,3

Man ist nun in der Tat bereits seit einiger Zeit auf dieseVergrößerung der Längendifferenz Grönland—Europa aufmerksamgeworden. Der historische Hergang dieser Entdeckung ist nichtganz ohne Interesse. Als ich die Verschiebungstheorie in ihrerersten, skizzenhaften Form ausgearbeitet hatte, waren dieLängenbestimmungen der Danmarkexpedition nachNordostgrönland (1906 bis 1908 unter Leitung von Mylius-Erichsen), an denen ich selbst als Assistent teilgenommen hatte,noch nicht ausgerechnet. Es war mir aber bekannt, daß aus demArbeitsgebiet unserer Expedition schon ältereLängenbestimmungen vorhanden waren, und daß durch einDreiecksnetz die Verbindung dieser älteren, auf der Sabineinselgelegenen Längenstationen mit der unserigen, am Danmarkshavn

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gelegenen, erreicht war. Ich schrieb deshalb an den Kartographender Expedition, J. P. Koch, teilte ihm meine Hypothese derKontinentverschiebungen kurz mit und fragte, ob unsereLängenbestimmungen in der erwarteten Weise von den älterenabwichen. Koch machte darauf einen provisorischen Abschluß derRechnungen und teilte mir mit, daß tatsächlich ein Unterschiedvon der erwarteten Größenordnung vorhanden sei, daß er abernicht glauben könne, daß derselbe auf einer VerschiebungGrönlands beruhe. Bei der definitiven Berechnung hat Koch dann dieFehlerquellen mit besonderer Rücksicht auf diese Frageuntersucht und kam nun zu dem Schluß, daß dieVerschiebungstheorie tatsächlich die plausibelste Erklärung sei[172]: „Aus dem Vorangehenden geht hervor, daß die Fehlerquellenweder einzeln noch vereinigt genügen, um den Unterschied von1190 m zu erklären, der zwischen der Lage von Haystack nach denBestimmungen der Danmarkexpedition und derGermaniaexpedition (1869 bis 1870) besteht. Die einzigeFehlerquelle, die in dieser Verbindung überhaupt in Betrachtkommt, ist die astronomische Längenbestimmung. Aber um dieAbweichung durch die fehlerhafte Lage des Observatoriums zuerklären, müßten wir den wirklichen Fehler der astronomischenLängenbestimmung vier-bis fünfmal größer annehmen als dessenmittleren Fehler …“

Da auch schon Sabine im Jahre 1823 die Länge inNordostgrönland bestimmt hat, so lagen dort im ganzen sogar dreiBestimmungen vor. Freilich sind diese ältesten Messungen nichtganz an derselben Stelle ausgeführt; Sabine beobachtete amSüdufer der nach ihm benannten Insel, und leider bestehen hierauch noch gewisse, freilich nicht sehr wichtige Unsicherheitenüber den genauen Beobachtungsort, der nicht markiert wurde.Börgen und Copeland beobachteten auf der Germaniaexpedition1870 ebendort, aber einige 100 m östlicher, Kochs Beobachtungendagegen sind weit nördlicher, am Danmarkshavn aufGermanialand angestellt, wurden aber durch ein Dreiecksnetz mitder Sabineinsel verbunden. Die aus dieser Übertragungentspringende Ungenauigkeit wurde von Koch genau untersuchtmit dem Ergebnis, daß sie gegenüber der viel größerenUngenauigkeit der Längenbestimmung selber vernachlässigt

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werden darf. Die Beobachtungen liefern folgende Vergrößerungendes Abstandes zwischen Nordostgrönland und Europa:

im Zeitraum von 1823 bis 1870 . . . 0420 m oder 09 m pro Jahr„ „ „ 1870 „ 1907 . . . 1190 m „ 32 m „ „

Und die mittleren Fehler der drei Beobachtungsreihenbetragen:

1823 . . . . . . . . etwa 124 m1870 . . . . . . . . „ 124 m1907 . . . . . . . . „ 256 m

Nun hat allerdings Burmeister [173] mit Recht eingewendet,daß im vorliegenden Falle, wo es sich um Mondbeobachtungenhandelt, der mittlere Fehler nicht wie in anderen Fällen dieRealität verbürgen kann, vor allem, weil bei Mondbeobachtungenauch systematische Fehler auftreten können, die im mittlerenFehler nicht zum Ausdruck kommen, und die im ungünstigstenFalle ihrerGröße nach das Ergebnis erreichen oder vielleicht sogarüberschreiten können. Man konnte daher nur so viel aus diesenBeobachtungen schließen, daß sie ausgezeichnet zu den Annahmender Verschiebungstheorie passen und sich am besten durch sieerklären lassen, daß sie aber noch nicht den Charakter einesexakten Nachweises tragen.

Seitdem hat sich dankenswerterweise die dänischeGradmessung (jetzt Geodätisches Institut in Kopenhagen) derFrage angenommen. P. F. Jensen [174] hat im Sommer 1922 ausdiesem Anlaß in Westgrönland neue Längenbestimmungenausgeführt, und zwar nunmehr mit der viel genaueren Methodeder funkentelegraphischen Zeitübermittlung. Berichte über seineErgebnisse sind in deutscher Sprache von A. Wegener [175] undStück [176] veröffentlicht worden. Jensen hat dort zwei Arbeitendurchgeführt. Einmal hat er nämlich die frühere Längenmessungbei der Kolonie Godthaab wiederholt, um auch hier einen Vergleichmit älteren Beobachtungen zu erhalten. Die früheren Messungenstammen teils aus dem Jahre 1863 (von Falbe und Bluhme) und

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teils aus dem internationalen Polarjahr 1882/83 (von Ryder) undsind natürlich auch mit dem Mond erhalten und mitentsprechender Ungenauigkeit behaftet. Jensen schlägt sie daherzu einer mittleren, dem Jahre 1873 entsprechenden Messungzusammen, der er nun seine eigene, viel genauere und vor allemvon der Möglichkeit größerer systematischer Fehler freie Messunggegenüberstellt. Das Ergebnis ist auch hier eine VerschiebungGrönlands in der Zwischenzeit um 980 m oder um 20 m pro Jahrnach Westen.

Das Ergebnis dieser Messungen habe ich [175] zusammen mitdemjenigen der ostgrönländischen Beobachtungen zurVeranschaulichung in Abb. 6 dargestellt, wobei der Radius dereinzelnen Kreise nach Maßgabe der Skala auf der Abszissenachsegleich dem mittleren Fehler der Messungsreihe in Metern gewähltist, wodurch sogleich die viel größere Genauigkeit der JensenschenBeobachtungen in die Augen springt. Die Beobachtungen unter Ibeziehen sich auf die Sabineinsel in Nordostgrönland, die unter IIauf Godthaab in Westgrönland. Hier sind neben dem obengenannten Mittel der älteren Beobachtungen auch noch die Wertevon 1863 und von 1882/83 selbst eingetragen; ihr Unterschiedwürde allerdings in entgegengesetzter Richtung gehen, allein beider Kürze der Zwischenzeit darf man hierin wohl nur den Einflußihrer Ungenauigkeit sehen. Jede von ihnen gibt aber, mit Jensensviel späteren Beobachtungen verglichen, eine mit der Zeitwachsende geographische Länge. Im ganzen lagen also nunmehrbereits folgende vier voneinander unabhängige Vergleiche vor:

Koch — Börgen und Copeland,Koch — Sabine,Jensen — Falbe und Bluhme,Jensen — Ryder,

welche sämtlich im Sinne der Verschiebungstheorie ausfielen.Wenngleich also alle diese Vergleichungen ganz oder teilweise andem Umstand kranken, daß sie auf Mondbeobachtungen beruhen,die mit unkontrollierbaren systematischen Fehlern behaftet seinkönnen, so wurde doch durch diese Häufung gleichartiger

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Ergebnisse, denen anders geartete nicht gegenüberstehen, bereitsdie Annahme, daß es sich überall nur um unglückliche Anhäufungextremer Beobachtungsfehler handele, in hohem Maßeunwahrscheinlich.

Abb. 6.

Verschiebung Grönlands nach den älteren Längenbestimmungen.

Die dänische Gradmessung hatte aber glücklicherweise eineWiederholung dieser Längenbestimmungen in regelmäßigenZeitabständen in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen, unddementsprechend bestand die zweite Arbeit Jensens in der Anlageeiner für solche Zwecke geeigneten Station bei Kornok in demklimatisch begünstigten inneren Teil des Godthaabfjords und derAusführung der ersten grundlegenden Bestimmung von derengeographischer Länge mit Hilfe der genauenfunkentelegraphischen Zeitübertragung. Er fand für die Länge vonKornok im Jahre 1922 den Wert:

aus Sternbeobachtungen: 3h 24m 22,5s ± 0,1s w. v. Gr.„ Sonnenbeobachtungen: 3 24 22,5 ± 0,1 w. v. Gr.

Diese Längenbestimmung in Kornok ist nun im Sommer 1927durch Premierleutnant Sabel-Jörgensen wiederholt worden [209],und zwar unter Anwendung des modernen unpersönlichen

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Mikrometers, also unter Ausschaltung des persönlichen Fehlers,wodurch die Genauigkeit noch wesentlich weiter getrieben werdenkonnte als bei Jensens Messung.

Das mit Spannung erwartete Ergebnis lautet[2]: Länge vonKornok 1927: 3h 24m 23,405s ± 0,008s.

Der Vergleich mit Jensens Messung ergibt eine Vergrößerungder Längendifferenz gegen Greenwich, das ist des AbstandesGrönlands von Europa um 0,9 Zeitsekunden in fünf Jahren oderum etwa 36 m pro Jahr.

Da der Betrag neunmal größer als der mittlere Fehler derBeobachtungen ist, und größere systematische Fehlerquellen beider Methode der funkentelegraphischen Zeitübertragung nicht inBetracht kommen, so ist hiermit der Nachweis der noch im Gangebefindlichen Verschiebung Grönlands nunmehr erbracht, es seidenn, daß man die sehr unwahrscheinliche Hypothese aufstellt,Jensens persönlicher Fehler habe 9/10 Zeitsekunden betragen.

Die Messungen in Kornok sollen auch weiterhin von fünf zufünf Jahren nach der unpersönlichen Methode fortgesetzt werden.Es wird von Interesse sein, den Betrag der jährlichen Verschiebungquantitativ noch genauer zu bestimmen und festzustellen, ob dieVerschiebung mit gleichförmiger Geschwindigkeit vor sich gehtoder Schwankungen unterliegt.

Durch diesen ersten exakten astronomischen Nachweis einerKontinentverschiebung, der auch quantitativ die Voraussage derVerschiebungstheorie vollauf bestätigt, wird die ganze Diskussionüber diese Theorie meines Erachtens auf eine neue Basis gestellt,indem das Interesse jetzt von der Frage nach ihrer grundsätzlichenRichtigkeit sich auf diejenige nach der Richtigkeit bzw. demweiteren Ausbau ihrer Einzelaussagen verlagert.

Weniger günstig als in Grönland liegen die Dinge für dieMessung der Abstandsänderung Nordamerikas für Europa, wieunsere Tabelle lehrt. Allerdings hat man hier insofern günstigereBedingungen, als man nicht auf Mondbeobachtungen angewiesenist, da auch die älteren Längenbestimmungen in Nordamerikabereits auf telegraphischem Wege mit dem Kabel gewonnenwurden. Zum Entgelt ist aber die zu erwartende Änderung hiersehr klein. Unsere Tabelle gibt dafür etwa l m pro Jahr, aber dieseZahl gilt als Mittel seit dem Abriß Neufundlands von Irland.

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Seitdem dürfte aber eine Bewegungsänderung Nordamerikas durchden Abriß von Grönland (der noch im Gange ist) eingetreten sein,vermutlich in dem Sinne, daß Nordamerika seitdem relativ zurUnterlage mehr nach Süden gleitet. Dies scheint aus der heutigenrelativen Lage der korrespondierenden Küstenpunkte von Labradorund Südwestgrönland hervorzugehen und wird auch bestätigtdurch die Sprungrichtung bei der Erdbebenspalte von SanFranzisko sowie die beginnende Stauchung der kalifornischenHalbinsel. Es läßt sich deshalb schwer sagen, wie groß der zuerwartende heutige Längenzuwachs ist; jedenfalls dürfte er nochetwas kleiner sein als der berechnete Wert von l m pro Jahr.

Aus den älteren, mit dem Kabel gewonnenen transatlantischenLängenbestimmungen von 1866, 1870 und 1892 hatte ichseinerzeit auf eine tatsächliche Vergrößerung des Abstands umsogar 4 m im Jahre geschlossen. Nach Galle [177] soll diesErgebnis aber auf einer ungünstigen Kombination der Messungenberuhen. Diese Kombination ist aus dem Grunde schwierig, weildiese älteren Messungen sich nicht auf die gleichen Orte in Europaund Nordamerika beziehen, so daß noch die Längenunterschiedeinnerhalb der Kontinente zu berücksichtigen sind, für die man aufverschiedenen Wegen etwas verschiedene Ergebnisse erhält, wasdas Resultat beeinflußt. Kurz vor dem Weltkrieg war mit Rücksichtauf unsere Frage eine neue Längenbestimmung mit Amerika imGange, die auch durch eine funkentelegraphische Messungkontrolliert wurde. Obwohl die Messung durch Zerschneiden desKabels bei Kriegsbeginn vorzeitig abgebrochen wurde undinfolgedessen das Resultat nicht die wünschenswerte Genauigkeitbesitzt, scheint doch daraus hervorzugehen, daß die Veränderungnoch zu klein ist, um sich schon jetzt mit Sicherheit nachweisen zulassen. Es wurde nämlich für den Längenunterschied Cambridge—Greenwich gefunden [178]:

1872 . . . . . . . . 4h 44m 31,016s

1892 . . . . . . . . 4 44 31,0321914 . . . . . . . . 4 44 31,039

Die älteste Bestimmung, für welche ich 4h 44m 30,89s

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gefunden hatte, ist hier als angeblich zu ungenau fortgelassenworden. Seit 1921 werden nun mit Hilfe der funkentelegraphischenZeitsignale fortlaufende Bestimmungen der Längendifferenzzwischen Europa und Nordamerika ausgeführt, die Wanach [179]bis zum Jahre 1925 diskutiert hat. Da es sich hier nur um 4 Jahrehandelt, ist es nicht verwunderlich, daß in diesen Beobachtungeneine Vergrößerung des Abstands noch nicht deutlich erkennbar ist.Doch sprechen auch diese Beobachtungen keineswegs gegen einesolche; im Gegenteil, wenn man sie vereinigt, so ergeben sie einejährliche Bewegung Amerikas nach Westen im Betrage von 0,6 m,allerdings ± 2,4 m. Wanach schließt: „Einstweilen läßt sich alsonichts weiter sagen, als daß eine etwaige Verschiebung Amerikasgegen Europa im Betrage von wesentlich mehr als l m jährlich sehrunwahrscheinlich ist.“ Und ebenso urteilt Brennecke [229]: „Das sogewonnene Material spricht zwar nicht zugunsten einerVerschiebung der Kontinente in den oben genannten Beträgen, esspricht aber auch keineswegs dagegen. Die Entscheidung muß alsonoch abgewartet werden.“ Zu beachten ist, daß bei diesen neuenfunkentelegraphischen Bestimmungen die älteren, mit dem Kabelgewonnenen ganz außer acht gelassen sind. Dies ist zwar insofernberechtigt, als die Kabelbeobachtungen merklich ungenauer sindals die funkentelegraphischen. Es könnte aber doch sein, daßdieser Mangel durch die viel größere Zeitspanne, die dann zurVerfügung stände, ausgeglichen wird und es sich daher dennochlohnen würde, die alten Beobachtungen mit den neuen zuverbinden. Dies muß den Geodäten überlassen bleiben. Ich zweifleaber nicht daran, daß es in nicht allzu ferner Zeit auch glückenwird, die Verschiebung Nordamerikas relativ zu Europa exakt zumessen.

Auch bei Madagaskar ist man neuerdings auf die Änderung dergeographischen Koordinaten aufmerksam geworden. Diegeographische Länge des Observatoriums in Tananariva ist 1890mit Hilfe von Mondkulminationen und nach der Zerstörung unddem Wiederaufbau an gleicher Stelle in den Jahren 1922 und 1925auf funkentelegraphischem Wege bestimmt worden [180]. Nacheiner dankenswerten brieflichen Mitteilung von Professor Ch.Maurain in Paris sind die drei Positionen folgende:

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Jahr Beobachter Methode Länge ö. v. Gr.1889-189119221925

P. ColinP. ColinP. Poisson

MondkulminationenFunkentelegraphie„

3h 10m 07s

30 100 1330 100 12,4

Diese Werte weisen auf eine Verschiebung Madagaskarsrelativ zum Meridian von Greenwich um den großen Betrag von 60bis 70 m pro Jahr hin. In unserer Tabelle S. 25 ist ein wesentlichkleinerer Betrag für die Verschiebung relativ zu Afrika genannt. Esscheint also, als ob auch Südafrika sich relativ zu Greenwich nachOsten bewegt, worüber die Verschiebungstheorie wegen der großenEntfernung dieser Gebiete voneinander keine brauchbarenAussagen mehr machen kann. Es ist zu hoffen, daß auch dieLängen von Südafrika künftig überwacht werden, um auf dieseWeise auch die Längendifferenz Madagaskars gegen Südafrika, aufdie es in der Verschiebungstheorie am meisten ankommt,kontrollieren zu können. Auch wären wiederholte genaueBreitenbestimmungen an beiden Stellen notwendig, um auch dieandere Komponente der relativen Bewegung Madagaskars zuAfrika messend verfolgen zu können. Jedenfalls aber geht diebeobachtete Längenänderung Madagaskars im Sinne derVerschiebungstheorie vor sich. Zu beachten ist natürlich auch hier,daß die älteste Messung mit dem Monde ausgeführt ist, woraussich ähnliche Einwände ergeben wie [im Original wir] für die obenbesprochenen Messungen in Nordostgrönland. Aber dieGesamtverschiebung, die hier fast 21/2 km beträgt, ist doch sogroß, daß die Annahme, sie beruhe vollständig aufBeobachtungsfehlern, sehr wenig Wahrscheinlichkeitbeanspruchen darf. Auch auf Madagaskar ist aber Vorsorge fürweitere Wiederholungen der Messungen getroffen, so daßvoraussichtlich in kurzem auch von dort einwandfreie Ergebnissevorliegen werden.

Auf dem Geodätenkongreß im Jahre 1924 in Madrid undweiter auf der Tagung der internationalen astronomischen Unionim Jahre 1925 ist ein umfangreicher Plan zur Verfolgung derKontinentverschiebungen mittels funkentelegraphischerLängenbestimmungen aufgestellt worden, wonach solcheMessungen nicht nur zwischen Europa und Nordamerika

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stattfinden sollen, sondern auch auf Honolulu, in Ostasien,Australien und Hinterindien. Die erste Vermessungsserie gemäßdiesem Programm ist im Herbst 1926 zur Durchführung gelangt;über die von französischer Seite erhaltenen Ergebnisse hat soebenG. Ferrié berichtet [213]. Etwaige Änderungen werden sichnatürlich erst bei späteren Wiederholungen zeigen können. Wie esscheint, ist übrigens bei diesem Plane nur wenig Rücksicht auf dieFrage genommen, an welchen Stellen der Erde nach derVerschiebungstheorie meßbare Änderungen zu erwarten sind.Doch läßt das Beispiel Grönlands und Madagaskars hoffen, daß derBeobachtungsplan nach dieser Richtung noch ausgebaut wird.

Man sieht jedenfalls, daß die exakte Nachprüfung derVerschiebungstheorie durch wiederholte astronomischeOrtsbestimmungen bereits in großem Ausmaß im Gange ist, unddaß die ersten Nachweise für ihre Richtigkeit bereits erbracht sind.

Zum Schlusse sei noch an die seit langem an den europäischenund nordamerikanischen Sternwarten beobachtetenBreitenänderungen erinnert.

Wie Günther [181] berichtet, betrachtete A. Hall folgendeBreitenabnahmen als gesichert: Bei Paris in 28 Jahren um 1,3''; beiMailand in 60 Jahren um 1,51''; bei Rom in 56 Jahren um 0,17''; beiNeapel in 51 Jahren um 1,21''; bei Königsberg i. Pr. in 23 Jahren um0,15''; bei Greenwich in 18 Jahren um 0,51''. Auch für Pulkowaergab sich nach Kostinsky und Sokolow eine säkulareBreitenabnahme. Dazu kommt in Nordamerika bei Washingtoneine Abnahme in 18 Jahren um 0,47''.

Da man die Entdeckung machte, daß durch die sogenannte„Saalrefraktion“ in der Kuppel systematische Fehler ähnlicherGröße entstehen konnten, war man lange Zeit geneigt, alle solcheAbweichungen auf diese Fehlerquelle zu schieben.

Indessen mehren sich neuerdings die Stimmen, nach denensolche Änderungen dennoch als reell zu betrachten sind,insbesondere seitdem Lambert [182] gezeigt hat, daß die Breite vonUkiah in Kalifornien und anderer nordamerikanischer Stationensich gegenwärtig offensichtlich ändert. In einer neueren Arbeit[221] sagt Lambert: „Die internationalen Stationen (desBreitendienstes) sind nicht die einzigen, an denen überraschendeÄnderungen der Breite aufgetreten sind. Rom hat anscheinend

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seine Breite seit 1855 um 1,45'' geändert. Ein systematischesStudium solcher Anomalien wäre höchst wünschenswert.“

Auffallenderweise geht diese gegenwärtige Änderung aber imumgekehrten Sinne vor sich als die oben angeführten älteren, denndie Breite von Ukiah wächst.

Die Deutung dieser Breitenänderungen ist aus dem Grundeschwierig, weil sie sowohl auf Kontinentverschiebung als auch aufPolwanderung beruhen können, welche letztere nicht mit relativerLagenänderung der Kontinente zueinander verbunden zu seinbraucht. Wie später eingehender gezeigt werden wird, hat man injüngster Zeit aus den Messungen des internationalenBreitendienstes eine gegenwärtige Polwanderung nachweisenkönnen, vermöge welcher sich der Nordpol in Richtung aufNordamerika verlagert, wodurch für die nordamerikanischenStationen eine Erhöhung der Breite folgt. Aber der Betrag dieserPolwanderung ist nach den bisherigen Ergebnissen kleiner als diein Nordamerika beobachtete Breitenzunahme. Wenn sich alsonicht etwa künftig die Polwanderung doch noch als größerherausstellen sollte, so käme man zu dem Schluß, daß sichNordamerika relativ zur übrigen Erdoberfläche nordwärtsverschiebt, was sehr auffallend wäre, da mancherlei Anzeichendafür sprechen, daß es sich relativ zur Unterlage nach Südenbewegt. Die vollständige Deutung dieser Dinge wird wohl erst aufGrund längerer Beobachtungsreihen möglich sein. Und ob man zueiner klaren Deutung der älteren Veränderungen überhaupt jekommen wird, erscheint unter diesen Umständen zweifelhaft.

1. ↑ Wenngleich nicht daran zu zweifeln ist, daß die geologischenPerioden im allgemeinen um so längere Zeiträume umfassen,je älter sie sind, so kommt mir Dacqués Standpunkt [171] dochnicht ganz unberechtigt vor, wenn er meint, daß eine sogewaltige Streckung der älteren Perioden mit der Mächtigkeitder Ablagerungen im Widerspruch steht, und er deswegen derradioaktiven Altersbestimmung Mißtrauen entgegenbringt.Für die hier allein betrachteten jüngeren geologischen Zeitenspielt diese Frage indessen keine Rolle.

2. ↑ Dem Direktor des Geodätischen Instituts in Kopenhagen,Herrn Professor Nörlund, sei für seine Erlaubnis, dies noch

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nicht veröffentlichte Ergebnis hier mitzuteilen, herzlichgedankt.

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Viertes Kapitel.

Geophysikalische Argumente.

Die Statistik der Höhenstufen der Erdrinde führt zu demmerkwürdigen Ergebnis, daß es zwei Höhen gibt, die am häufigstenvorkommen, während die dazwischen liegenden Stufen rechtselten sind. Die höhere Stufe entspricht den Kontinentaltafeln, dietiefere den Tiefseeböden. Denkt man sich die ganze Erdoberflächein Quadratkilometer eingeteilt und ordnet diese in einer Reihenach ihrer Seehöhe, so erhält man das bekannte Bild dersogenannten hypsometrischen Kurve der Erdoberfläche (Abb. 7),welches deutlich zwei Treppenstufen zeigt. Zahlenmäßig stellt sichdie Häufigkeit der verschiedenen Stufen nach den Berechnungenvon H. Wagner [28] folgendermaßen[1]:

Diese Reihe wird am besten veranschaulicht durch eine andereDarstellung, die von Trabert [31] auf Grund etwas älterer, aber nurunwesentlich abweichender Zahlen entworfen und in Abb. 8wiedergegeben ist. Sie bezieht sich auf 100 m-Stufen, infolgedessensind die Prozentzahlen natürlich nur etwa 1/10 derjenigen derobenstehenden Reihe. Die beiden Maxima liegen hiernach beieiner Tiefe von etwa 4700 m und einer Erhebung von etwa 100 m.

Bei diesen Zahlen ist noch zu beachten, daß mit der Zunahmeder Lotungen der Steilabfall vom Kontinental-oder Schelfrand zurTiefsee sich immer schroffer zeigt, wie jeder Vergleich ältererTiefseekarten mit den neueren von Groll [32] entworfenen zeigt.Während z.B. Trabert noch 1911 für die Stufen 1 bis 2 km 4,0 % undfür 2 bis 3 km 6,5 % angibt, finden wir bei Wagner, dessen Zahlenletzten Endes auf den Grollschen Tiefseekarten basieren, für diegleichen Stufen nur 2,9 bzw. 4,7 %. Es ist also wohl zu erwarten,daß in Zukunft die beiden Häufigkeitsmaxima sich noch schärfergetrennt zeigen werden als nach den bisherigen Beobachtungen.

Abb. 7.

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Abb. 8.

Hyposemetrische Kurve der Erdoberfläche, nach Krümmel.

Es gibt wohl in der ganzen Geophysik kaum ein zweites Gesetzvon solcher Klarheit und Sicherheit wie dieses, daß es zweibevorzugte Niveaus auf der Erde gibt, die abwechselndnebeneinander vorkommen und in den Kontinenten undTiefseeböden in Erscheinung treten. Es ist deshalb sehrmerkwürdig, daß man für dies Gesetz, das doch seit langem gutbekannt ist, noch kaum nach einer Erklärung gesucht hat. Wennnämlich, gemäß der üblichen geologischen Deutung, die Höhendurch Hebungen, die Tiefen durch Senkungen von nur einemeinheitlichen Ausgangsniveau entstanden wären, und dabei, wasselbstverständlich erscheint, um so seltener sind, je größer ihrAusmaß ist, so müßte sich die resultierende Häufigkeitsverteilungungefähr nach dem Gaußschen Fehlergesetz regeln (etwa wie inAbb. 8 durch die gestrichelte Kurve angegeben).

Es müßte also nur eineinzigesHäufigkeitsniveau etwain der Gegend des

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Die beiden Häufigkeitsmaxima der Höhen.

Abb. 9.

Schematischer Querschnitt durch einen Kontinentalrand.

Horizontale Strichelung = Wasser.

mittlerenKrustenniveaus (-2450m) vorhanden sein.Statt dessen sehen wirzwei Maxima, und beijedem dieser Maximahat die Kurve ungefährden Verlauf wie beimFehlergesetz. Wirschließen hieraus, daßes auch bereits zweiungestörteAusgangsniveaus gibt,und der Schritterscheint

unvermeidlich, daß wir es bei Kontinenten und Tiefseeböden mitzwei verschiedenen Schichten des Erdkörpers zu tun haben, diesich - übertrieben ausgedrückt - verhalten wie offenes Wasser undgroße Eistafeln. In Abb. 9 ist ein schematischer Vertikalschnittdurch einen Kontinentalrand nach dieser neuen Vorstellungdargestellt.

Damit haben wir zum ersten Male eine plausible Lösung fürdie alte Frage nach dem Verhältnis der großen Tiefseebecken zu

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den Kontinentalschollen gewonnen. Schon 1878 warf A. Heim [33]einen Seitenblick auf dieses Problem mit der Feststellung, „daß,bevor genauere Beobachtungen über die kontinentalenSchwankungen der Vorzeit gemacht sind, … und bevor wirvollständigere Messungen über die Beträge des ausgeglichenenZusammenschubs der meisten Gebirge haben, kaum einwesentlich sicherer Fortschritt in der Erkenntnis des ursächlichenZusammenhangs von Gebirgen und Kontinenten und der Form derletzteren untereinander zu erwarten sein wird“.

Das Problem meldete sich aber immer dringender, jezahlreicher die Lotungen auf den Weltmeeren wurden und jeschärfer hierdurch der Gegensatz zwischen den weiten, ebenenTiefseeflächen und den gleichfalls ebenen, aber etwa 5 km höherliegenden Kontinentalflächen herausgearbeitet wurde. 1918 schriebE. Kayser [34]: „Gegenüber dem Rauminhalt dieser Steinkolosse(der Kontinentalblöcke) erscheinen alle festländischenErhebungen unbedeutend und geringfügig. Selbst Hochgebirge wieder Himalaja sind nur verschwindende Runzeln auf der Oberflächejener Sockel. Schon diese Tatsache läßt die alte Ansicht, nach derdie Gebirge das maßgebende Gebälk der Kontinente darstellensollen, heute unhaltbar erscheinen… Wir müssen vielmehrumgekehrt annehmen, daß die Kontinente das Ältere undBestimmende, die Gebirge aber nur nebensächliche jüngereGebilde darstellen.“ Die Lösung, welche die Verschiebungstheoriefür dieses Problem liefert, ist so einfach und naheliegend, daß mankaum meinen sollte, daß sie Anlaß zu Widerspruch geben könnte.Trotzdem haben einige Gegner der Verschiebungstheorie Versuchegemacht, eine andere Erklärung für das doppelteHäufigkeitsmaximum der Höhen zugeben. Aber diese Versuchesind mißlungen. So meinte Soergel [35], wenn von einemAusgangsniveau einerseits ein Teil gehoben und andererseits einTeil gesenkt wird, und das Zwischenstück dann durchSteilerstellung sehr verkleinert wird, so müßten zweiHäufigkeitsmaxima entstehen, den gehobenen und den gesenktenTeilen entsprechend. Und ähnlich meinten G. V. und A. V. Douglas[36], wenn das Ausgangsniveau durch Faltung in eine Sinus-Wellenfläche verwandelt wird, so müßten sich zweiHäufigkeitsmaxima einstellen, die dem Wellenberg und Wellental

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entsprechen. Beide Überlegungen beruhen auf demselbenGrundirrtum, denn sie verwechseln den Einzelvorgang mit demstatistischen Ergebnis. Bei letzterem ist die geometrische Form desEinzelvorgangs ganz gleichgültig. Es handelt sich eben nur darum,ob bei der unendlich großen Zahl von Hebungen und Senkungen,um mit Soergel, oder von Faltungen, um mit Douglas zu reden,zwei Häufigkeitsmaxima vorkommen können, wo doch dasHöhenausmaß der Einzelfälle beliebig variiert. Offenbar könntedies nur dann der Fall sein, wenn irgend eine Tendenz zurBevorzugung bestimmter Höhenausmaße wirksam wäre. Dies istaber nicht der Fall. Für Hebungen und Senkungen sowohl wie fürFaltungshöhen kennen wir nur die eine Regel: sie sind um soseltener, je größer sie sind. Daher muß bei ihnen stets auf dasAusgangsniveau die größte Häufigkeit entfallen, und von da abmuß die Häufigkeit sowohl nach oben wie nach unten etwa gemäßdem Gaußschen Fehlergesetz abnehmen.

Es sei auch noch daran erinnert, daß einige Autoren, wienamentlich Trabert [31], die Ansicht vertreten haben, dieTiefseebecken seien durch die größere Auskühlung desUntergrundes durch das kalte Tiefseewasser gebildet worden. Abergerade aus Traberts Rechnungen geht hervor, daß man hierzu einebis zum Erdmittelpunkt reichende Abkühlung der Tiefseesektorenannehmen müßte, und da dies unannehmbar erscheint, so sindTraberts Rechnungen eher geeignet, diese Vorstellung zuwiderlegen, als ihre Richtigkeit zu beweisen. Außerdem ist aberleicht einzusehen, daß wir auf diese Weise nur eine allgemeineTendenz erhalten können, schon bestehende Vertiefungen derErdoberfläche weiter zu vertiefen, aber kein Mittel, die Existenzeiner in allen Ozeanen in fast gleicher Tiefe gelegenenBodenfläche, des zweiten Häufigkeitsmaximums der Erdrinde, zuerklären, wie auch kürzlich von Nansen [222] hervorgehobenwurde. In der Tat wird auch auf diese schon von Faye herrührendeErklärung heute nur mehr selten zurückgegriffen, zumal durch dieEntdeckung des Radiums in der Erdkruste sich die Grundlage fürdie Beurteilung des Wärmehaushalts der Erde völlig verschobenhat.

Natürlich wird es nötig sein, sogleich vor einer Übertreibungdieser neuen Auffassung von der Natur der Tiefseeböden zu

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warnen. Schon bei unserem Vergleich mit den tafelförmigenEisbergen ist zu bedenken, daß ja auch die Meeresoberflächezwischen ihnen sich wieder mit Jungeis bedecken kann, und daßweiter auch kleinere Brocken des Eisberges, die von seinem oberenRande abgesprengt wurden oder von seinem tief unter Wasserbefindlichen Fuß aufstiegen, die Wasseroberfläche bedeckenkönnen. Ähnliches wird natürlich auch an manchen Stellen derTiefseeböden stattfinden. Inseln sind meist bereits größereKontinentalbrocken, die mit ihrem Unterbau, wie dieSchweremessungen wahrscheinlich machen, bis etwa 50 km tiefunter den Tiefseeboden hinabreichen. Und weiter ist zuberücksichtigen, daß die Kontinentalschollen, so spröde sie an derOberfläche sein mögen, in der Tiefe plastisch werden und sich hierteigartig ziehen können, so daß bei der Trennung von Schollenauch auf diese Weise kontinentales Material von entsprechendgeringerer Mächtigkeit sich über kleinere oder größere Teile desTiefseebodens ausbreiten kann. Als besonders unrein in diesemSinne muß der Boden des Atlantischen Ozeans gelten, welcher derLänge nach von der mittelatlantischen Bodenschwelle durchzogenwird. Aber auch die anderen Tiefseebecken zeigen mit ihrenInselketten und unterseeischen Erhebungen Ähnliches. AufEinzelheiten wird später im Abschnitt über den Tiefseebodennäher eingegangen werden.

Es ist nicht undenkbar, daß das hier erörterte Schema imweiteren Verlauf der Forschung sich nur als Haupterscheinungherausstellen wird, und daß zu einer genauen Darstellung derwirklichen Verhältnisse noch Komplikationen eingeführt werdenmüssen. So fand ich selber [37] bei einer statistischenUntersuchung der ersten, von amerikanischer Seite gewonnenenEcholotungen quer über den Nordatlantik, daß dasHauptmaximum der Häufigkeit hier wesentlich tiefer, bei etwa5000 m Tiefe, lag, und daß anderseits ein sekundäresHäufigkeitsmaximum bei 4400 m Tiefe zu erkennen war. Über dieRealität dieses letzteren Maximums, das auf eine mehrfacheSchichtung hinweisen würde, wird man allerdings erst auf Grundder viel zahlreicheren Echolotungen der deutschen „Meteor“-Expedition ein Urteil gewinnen, die gegenwärtig noch nichtdaraufhin untersucht sind.

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Es entsteht natürlich die Frage, ob die Anschauung von dergrundsätzlichen Verschiedenheit der Kontinentalschollen und derTiefseebecken und von den horizontalen Verschiebungen derersteren sich mit den übrigen Ergebnissen der Geophysik verträgtbzw. ob sich von dieser Seite her Bestätigungen für ihre Richtigkeiterbringen lassen.

Was zunächst die schon früher erwähnte Isostasielehrebetrifft, so steht sie mit dem ganzen Vorstellungskreis derVerschiebungstheorie natürlich in bester Übereinstimmung, aberein direkter Nachweis der Richtigkeit ist auf diesem Wege kaum zuerbringen. Wir wollen im folgenden etwas näher auf dieseUntersuchungen eingehen.

Ihre physikalische Begründung fand diese von Prattherrührende Lehre von der Isostasie (das Wort wurde erst 1892von Dutton geprägt) durch die Schweremessungen. Schon 1855hatte Pratt festgestellt, daß der Himalaja nicht die erwarteteAnziehung auf das Lot ausübt; nach Kossmat beträgt z. B. inKaliana in der Gangesebene, 56 englische Meilen vom Gebirgsfußentfernt, die Nordkomponente der Lotablenkung nur eineBogensekunde, während die Anziehung des Gebirges eine solchevon 58 Bogensekunden verursachen sollte, und ähnlich zeigtJalpaiguri nur eine Bogensekunde statt 77. Und dem entsprichtauch die überall bestätigte Tatsache, daß die Schwerkraft beigroßen Gebirgen nicht in dem zu erwartenden Maße von ihremnormalen Werte abweicht, so daß die Gebirgsmassive durchunterirdische Massendefekte irgendwelcher Art kompensierterscheinen, wie die Arbeiten von Airy, Faye, Helmert u. a. zeigten,und wie es von Kossmat in einem sehr lichtvollen Referat [38]ausgeführt wurde. Und auch auf den Ozeanen hat es sich gezeigt,daß die Schwerkraft ungefähr ihren Normalwert besitzt, trotz dessichtbaren großen Massendefekts, den die Ozeanbecken darstellen.Die früheren Messungen auf Inseln ließen zwar nochverschiedenartige Deutungen zu. Aber die Zweifel wurdenbeseitigt, als Hecker, einem Vorschlag von Mohn folgend, auch anBord des fahrenden Schiffes Schweremessungen durchgleichzeitige Ablesungen am Quecksilberbarometer und amSiedethermometer ausführte; vor kurzem ist es dem holländischenGeodäten Vening Meinesz sogar gelungen [39], die viel genauere

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Pendelmethode für Messungen im Unterseeboot brauchbar zumachen, und die Ergebnisse der ersten auf diese Weiseausgeführten Fahrten bestätigen vollauf Heckers Ergebnis, daß ingroßen Zügen auch auf den Ozeanen Isostasie herrscht, also der inden Tiefseebecken in Erscheinung tretende Massendefekt durcheinen unterirdischen Massenüberschuß irgendwelcher Artkompensiert wird.

Über die Art, wie man sich diese unterirdischenMassenüberschüsse und Defizite zu denken hat, sind im Laufe derZeit verschiedene Vermutungen angestellt.

Pratt dachte sich die Erdrinde etwa wie eine Teigmasse, dieursprünglich überall gleich dick, in den Kontinenten durch irgendeine Art der Auflockerung emporgewachsen und in denozeanischen Gebieten zusammengepreßt ist. Je größer die Seehöheder Oberfläche, um so geringer sei die Dichte oder das spezifischeGewicht der Erdrinde. Unterhalb der sogenannten Ausgleichstiefe(in etwa 120 km Tiefe) seien aber alle horizontalenDichteunterschiede verschwunden (vgl. Abb. 10). Diese Vorstellungwurde von Helmert und Hayford weiter ausgebaut und allgemeinzur Beurteilung der Schwerkraftbeobachtungen verwendet. Siewird gegenwärtig insbesondere von W. Bowie [224] vertreten, dersich folgenden Experiments zur Erläuterung bedient: Er läßt aufQuecksilber eine Anzahl Prismen schwimmen, die ausverschiedenen Materialien, Kupfer, Eisen, Zink, Pyrit u. a., mitverschiedenem spezifischen Gewicht bestehen. Die Prismenmüssen gerade solche Höhen besitzen, daß sie alle gleich tief in dasQuecksilber eintauchen. Ihre gemeinsame Unterfläche entsprichtdann der Ausgleichsfläche des Druckes. Wegen ihresverschiedenen spezifischen Gewichts ragen sie dann verschiedenhoch über den Quecksilberspiegel empor, das schwerste Materialam wenigsten, das leichteste am meisten. Diese Deutung derSchweremessungen findet eine gewisse Stütze in derBeobachtungstatsache, daß im allgemeinen das Material derErdrinde um so leichter ist, aus je größerer Seehöhe es stammt.Aber die Vorstellung, daß die Dichteunterschiede überall nur bis zueiner ganz bestimmten Tiefe, der Ausgleichsfläche reichen, enthälteine physikalische Unwahrscheinlichkeit, die man sich amleichtesten an Hand des Versuchs von Bowie klarmachen kann.

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Damit nämlich diese verschiedenen Prismen mit ihrer Unterseitealle gleich tief eintauchen sollen, müssen ihre Höhen in einemganz bestimmten, durch das spezifische Gewicht gegebenenVerhältnis zueinander stehen. Teilen wir also die Erdrinde inPrismen von verschiedenem Material ein, so müßte ein unddasselbe Material, wo immer auf der Erde es vorkommt, stets eineganz bestimmte Mächtigkeit haben, die zu der Mächtigkeit deranderen Materialien in einem ein für allemal festgelegten, nämlichdem spezifischen Gewicht genau entsprechenden Verhältnis steht.Für eine solche Bindung zwischen Material (oder spezifischemGewicht) und Mächtigkeit, die zu der willkürlichen Bedingungeiner Konstanz der Unterfläche aller Prismen führt, ist aber keinnatürlicher Grund erkennbar.

Abb. 10.

Isostasie nach Pratt und Airy.

Neuerdings wird von manchen Geodäten, wie Schweydar [40]und namentlich Heiskanen [41, 42], eine andere, schon 1859 vonAiry ausgesprochene Vorstellung zur Deutung derSchweremessungen verwendet, die auch in Abb. 10 dargestellt ist.Heim war wohl der erste, der annahm, daß unter den Gebirgen dieleichte Rinde verdickt ist und das schwere Magma, auf dem sieschwimmt, hier in größere Tiefen drängt. Umgekehrt mußte danndie leichte Rinde unter tiefgelegenen Teilen der Erdoberfläche, wieden Ozeanbecken, besonders dünn sein. Hier werden also nur zweiMaterialien angenommen, eine leichte Rinde und ein schweres

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Magma. Bowie veranschaulicht diese Vorstellung durch einen demvorigen entsprechenden Versuch, indem er eine Anzahlverschieden hoher, aber alle aus dem gleichen Material (Kupfer)hergestellter Prismen auf Quecksilber schwimmen läßt, die dannnatürlich verschieden tief eintauchen; das längste Prisma tauchtam tiefsten ein, hat aber gleichzeitig auch die höchste Oberfläche.Es ist vielfach hervorgehoben worden, daß diese AiryscheVorstellung viel besser zu dem geologischen Bilde der Erdrinde,namentlich bei den großen Zusammenschüben in Faltengebirgen,paßt als die Prattsche. Andererseits läßt sie aber die Duplizität desHäufigkeitsmaximums in der Höhenstatistik der Erdoberflächeunerklärt, denn es ist nicht einzusehen, warum die leichte Krusteauf der Erde in grundsätzlich zwei verschiedenen Dicken auftretensoll, nämlich in Form dicker kontinentaler Schollen und dünnerozeanischer.

Die richtige Deutung dürfte in einer Verbindung beiderVorstellungen zu finden sein: Bei Gebirgen haben wir es imwesentlichen mit Verdickungen der leichten kontinentalen Rindezu tun im Sinne von Airy; aber bei dem Übergang von derKontinentalscholle zum Tiefseeboden mit Materialverschiedenheitim Sinne von Pratt.

Die neuere Entwicklung dieser Isostasielehre betrifft vor allemdie Frage ihres Gültigkeitsbereiches. Für größere Schollen, wie z. B.einen ganzen Kontinent oder einen ganzen Tiefseeboden, mußohne weiteres Isostasie angenommen werden. Aber im Kleinen, beieinzelnen Bergen, verliert dieses Gesetz seine Gültigkeit. Solchekleineren Teile können durch die Elastizität der ganzen Schollegetragen werden, genau wie ein Stein, den man auf eineschwimmende Eisscholle legt. Die Isostasie vollzieht sich dannzwischen Scholle und Stein als Ganzem und dem Wasser. So zeigendie Schweremessungen auf den Kontinenten bei Gebilden, derenDurchmesser nach Hunderten von Kilometern mißt, sehr selteneine Abweichung von der Isostasie; beträgt der Durchmesser nurZehner des Kilometers, so herrscht meist nur eine teilweiseKompensation, und beträgt er nur einige Kilometer, so fehlt dieKompensation meist ganz.

Ob man nun die ältere Prattsche Vorstellung oder die von Airyund Heiskanen zugrunde legt, in jedem Falle führt die Diskussion

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der Schweremessungen auf den Ozeanen, die nichts von demgroßen sichtbaren Massendefizit der Tiefseebecken erkennenlassen, zu dem Ergebnis, daß der Boden der Tiefsee aus dichterem,schwererem Material besteht als die Kontinentalschollen. Daßdiese größere Dichte nicht nur auf den Unterschieden derphysikalischen Zustände, sondern auch auf solchen des Stoffesbesteht, läßt sich auf diesem Wege allerdings nicht exakt beweisen,wohl aber durch Überschlagsrechnungen unter plausiblenAnnahmen sehr wahrscheinlich machen. Die Isostasielehre liefertaber auch ein direktes Kriterium für die Frage nach derhorizontalen Verschiebbarkeit der Kontinente. Es war schon obenauf die isostatischen Ausgleichsbewegungen hingewiesen worden,deren schönstes Beispiel die noch jetzt andauernde HebungSkandinaviens um etwa 1 m im Jahrhundert ist, die alsNachwirkung der Entlastung durch das vor mehr als 10000 Jahrenerfolgte Abschmelzen der Inlandeiskappe betrachtet werden kann,zumal die größte heutige Hebung dort zu beobachten ist, wo dasEis zuletzt verschwunden ist. Dies geht sehr schön aus der vonWitting entworfenen Karte Abb. 11 hervor (nach Born [43]). Born[43] hat gezeigt, daß dies Hebungsgebiet eine Schwereanomalie imSinne zu kleiner Schwerkraft hat, soweit es sich nach den bishernoch dürftigen Beobachtungen beurteilen läßt (vgl. Abb. 12), undso muß es in der Tat sein, wenn die Kruste noch unterhalb ihrerGleichgewichtslage ist. Eine besonders eingehende Beschreibungaller auf diese Hebung Skandinaviens bezüglichen Erscheinungenhat Nansen [222] gegeben; die größte Depression betrug 284 mnach den Strandmarken an der Küste von Ångermanland undwahrscheinlich 300 m im Innern. Diese Hebung begann langsamvor etwa 15000 Jahren, erreichte vor 7000 Jahren ihre größteGeschwindigkeit von etwa 1 m in 10 Jahren und ist heute imAbklingen. Die zentrale Eisdicke wird auf etwa 2300 m geschätzt.Diese Vertikalbewegungen großer Krustenteile setzen natürlichFließbewegungen in der Unterlage voraus, durch welche dasverdrängte Material nach außen geschafft wird. Dies wird auchbestätigt durch die ungefähr gleichzeitig von Born, Nansen, A.Penck und Köppen (Literatur in [43]) gemachte Entdeckung, daßdas Depressionsgebiet der Inlandeiskappe ringförmig von einemGebiet schwacher Hebung umgeben ist, die eben auf das nach

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außen gepreßte Material des Untergrundes zurückzuführen ist.Jedenfalls beruht die ganze Isostasielehre auf der Vorstellung, daßdie Unterlage der Kruste einen gewissen Grad von Fluidität oderFlüssigkeit besitzt. Ist dies aber der Fall, schwimmen also dieKontinentalschollen wirklich in einer, wenn auch sehr zähenFlüssigkeit, so ist offenbar kein Grund einzusehen, warum sichihre Beweglichkeit nur in der Vertikalen äußern solle, und nichtauch horizontale Bewegungen vorkommen sollten, sofern nurKräfte existieren und geologische Zeiten hindurch andauern, diedie Kontinentalschollen zu verschieben streben. Daß aber solcheKräfte wirklich existieren, beweisen ja dieGebirgszusammenschübe.

Abb. 11.

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Gegenwärtige Hebung im Ostseegebiet nach Pegelmessungen (cm/Jahr),nach Witting.

Von größter Wichtigkeit für unsere Fragen sind die neuerenErgebnisse der Erdbebenforschung, die von Gutenberg [44, 45] anverschiedenen Stellen übersichtlich zusammengefaßt worden sind.Von den Erdbebenwellen nehmen bekanntlich die longitudinalen„ersten“ und die transversalen „zweiten Vorläufer“ ihren Wegdurch das Erdinnere, während die „Hauptwellen“ an der Oberflächeentlang rollen. Je weiter die registrierende Station vom Herdentfernt ist, um so größere Tiefen haben die Vorläuferwellendurchdrungen. Aus der Zeitdifferenz zwischen Beben undEintreffen an der Station, der „Laufzeit“, läßt sich dieGeschwindigkeit der Wellen für die verschiedenen Tiefenermitteln. Diese Geschwindigkeit ist aber eine Materialkonstanteund kann uns also Auskunft geben über Materialschichtung imInnern der Erde.

Abb. 12.

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Schwereanomalie in Skandinavien, nach Born.

Es hat sich dabei gezeigt, daß unter Eurasien und auch unterder nordamerikanischen Kontinentalscholle in 50 bis 60 km Tiefeeine sehr auffallende Schichtgrenze nachweisbar ist, an welcher dieGeschwindigkeit der Longitudinalwellen von 53/4 km pro Sekunde(oberhalb) auf 8,0 km pro Sekunde (unterhalb), und die derTransversalwellen von 31/3 km pro Sekunde (oberhalb) auf 4,4 kmpro Sekunde (unterhalb) springt. Diese Schichtgrenze hat manbisher meist mit der Unterseite der Kontinentalschollen

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identifiziert, wie schon die Übereinstimmung der Tiefe mit demvon Heiskanen aus den Schweremessungen abgeleiteten Wert derSchollendicke nahelegt[2]. Es scheint allerdings, als ob dieseAuffassung heute nicht mehr aufrechtgehalten werden kann,sondern als Schollendicke nur etwa der halbe Wert in Betrachtkommt, während die genannte Schichtgrenze bereits einerweiteren Unterteilung des Substratums entspricht. DieseSchichtgrenze fehlt aber ganz im Bereich des Pazifischen Ozeans.Hier findet man schon in den oberflächlichen Schichten eineGeschwindigkeit der Erdbebenwellen, die fast der oben genanntenim Untergrunde gleich ist, nämlich 7 km pro Sekunde für dieLongitudinalwellen und 3,8 km pro Sekunde für dieTransversalwellen (für die Oberflächenschichten der Kontinentelauten diese Zahlen dagegen 53/4 und 3,2 km pro Sekunde). DieseZahlen haben nur die eine mögliche Deutung, daß nämlich dieobersten Schichten, die unter den Kontinentaltafeln bis 60 kmTiefe herabreichen, im Pazifik fehlen.

Wie zu erwarten, zeigte auch die Geschwindigkeit derOberflächenwellen, die ja gleichfalls eine Materialkonstante ist,einen entsprechenden Unterschied zwischen dem Tiefseebodenund den Kontinentalschollen. Dies kann heute als feststehendeTatsache gelten, nachdem es unabhängig von fünf verschiedenenForschern festgestellt wurde. So fand Tams [46] 1921 aus einerAuswahl besonders klarer Registrierungen die folgendenGeschwindigkeiten der Oberflächenwellen:

1. Tiefsee. Anzahl

Kaliforn. Beben, 18. April1906 v = 3,847 ± 0,045 km/sec 9

Kolumbien, 31. Januar 1906 3,806 ± 0,046 „ 18Honduras, 1. Juli 1907 3,941 ± 0,022 „ 20

Nicaragua, 30. Dezember 1907 3,916 ± 0,029 „ 222. Kontinente.

Kalifornien, 18. April 1906 v = 3,770 ± 0,104 km/sec 5Philippinen I, 18. April 1907 3,765 ± 0,045 „ 30

II, 18. April 1907 3,768 ± 0,054 „ 27Buchara, 21. Oktober 1907 3,837 ± 0,065 „ 19

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27. Oktober 1907 3,760 ± 0,069 „ 11Es ist also, wenn auch die Einzelwerte bisweilen einander

überschneiden, doch im Mittel ein deutlicher Unterschied in demSinne zu erkennen, daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit derOberflächenwellen am Boden der Tiefsee um etwa 0,1 km proSekunde größer ist als auf den Kontinenten, was mit dem nach denphysikalischen Eigenschaften vulkanischer Tiefengesteine zuerwartenden theoretischen Wert übereinstimmt.

Andererseits hat Tams auch versucht, die Beobachtungenmöglichst vieler Beben zu Mitteln zu vereinigen, und erhält so alsMittel aus den Geschwindigkeitswerten bei 38 Beben für denPazifik v = 3,897 ± 0,028 km/sec und bei 45 Beben über Eurasienoder Amerika v = 3,801 ± 0,029 km/sec, d. h. dieselben Werte wieoben.

Auch Angenheister [47] hat 1921 den seismischen Unterschiedzwischen Tiefseebecken und Kontinentalschollen bei einer Reihepazifischer Beben untersucht, wobei er auch die Oberflächenwellenbehandelt. Er unterscheidet hierbei die bei Tams nicht getrenntenbeiden Arten von „Querwellen“ und „Rayleighwellen“, und findetso auf Grund allerdings nur geringen Materials sogar erheblichgrößere Unterschiede: „Die Geschwindigkeit der Hauptwellen istunter dem Pazifik um 21 bis 26 % größer als unter dem asiatischenKontinent.“ Wir fügen gleich hinzu, daß er auch für andereWellenarten charakteristische Unterschiede fand: „Die Laufzeitenfür P (undae primae = erste Vorläufer, Longitudinalwellen mitFortpflanzung durch das Erdinnere) und S (undae secundae =zweite Vorläufer, Transversalwellen mit ähnlichem Wege) sindunter dem Pazifik bei 6° Herddistanz (bei so kurzer Distanzdurchlaufen diese Wellen nur die oberflächlichen Schichten) um13 und 25 Sek. kleiner als unter dem Kontinent Europa. Dementspricht für S eine um 18 % größere Geschwindigkeit unter demOzean… Die Periode der Nachläuferwellen ist unter dem Pazifikgrößer als unter Asien.“ Alle diese Unterschiede deuten einmütig inRichtung unserer Annahme, daß der Tiefseeboden aus einemanderen, nämlich dichteren Material besteht.

Desgleichen ist Visser hinsichtlich der Oberflächenwellen zudem gleichen Ergebnis gekommen [48]. Er fand nämlich:

über kontinentalem Gebiet v = 3,70 km/sec

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„ ozeanischem Gebiet v = 3,78 „Einen Geschwindigkeitsunterschied der Oberflächenwellen in

gleichem Sinne fand auch Byerly bei dem Beben von Montana vom28. Juni 1925 [223].

Abb. 13.

Geschwindigkeit der Quer- (Oberflächen-) Wellen nach Gutenberg. SieheText.

Und endlich hat Gutenberg auf anderem Wege dies Resultatbestätigt [44, 45]. Er benutzt dazu die Querwellen, alsoOberflächenwellen, die den gleichfalls oberflächlichen

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Rayleighwellen unmittelbar vorausgehen (und oft von ihnen nichtzu trennen sind). Die Geschwindigkeit dieser Wellen hängt einmalab von ihrer Wellenlänge oder Periode, zweitens aber auch von derDicke der obersten Rindenschicht, in der sie sich abspielen. Daman aus den Registrierungen nicht nur die Laufzeiten(Geschwindigkeiten), sondern auch die Periode entnehmen kann,so kann man die Dicke der Rindenschicht bestimmen. Freilich istdie Ausmessung immer ziemlich ungenau, und man braucht fürdasselbe Gebiet eine größere Zahl von Fällen mit verschiedenerPeriode, um einen Schluß auf die Schichtdicke ziehen zu können.In Abb. 13 ist Gutenbergs Ergebnis für die drei Gebiete a) Eurasien,b) bei vorwiegendem Verlauf im Boden des Atlantik, c) im Pazifikwiedergegeben. Nach rechts ist die Periode, nach oben dieGeschwindigkeit der Wellen abgetragen. Wären die Messungenfehlerfrei, so müßten alle Punkte auf einer Kurve liegen, derenLage im Diagramm von der Schichtdicke abhängt. In a) und b) sinddrei solche theoretischen Kurven für die Schichtdicke 30, 60 und120 km eingetragen, in c) mehrere für die Schichtdicke Null.Gutenberg schließt, daß sich für Eurasien die Punkte am besten derKurve für die Schichtdicke 60 km, für die vorwiegend atlantischenStrecken besser der für die Schichtdicke 30 km, für den Pazifikaber derjenigen für Schichtdicke Null anschmiegen. Die Streuungist groß, das Verfahren also kein sehr genaues. Das Ergebnis istaber später von Gutenberg noch weiter gestützt worden. Daswichtigste ist, daß im Pazifik die oberste Schicht auch nach dieserUntersuchung zu fehlen scheint, und daß sich für Strecken, dievorwiegend im Atlantik verlaufen, also teils über Tiefsee, teils überkontinentales Gebiet, ein zwischen Null und 60 km liegendermittlerer Wert der Schichtdicke ergibt[3].

Wie oben erwähnt, fand schon Angenheister, daß auch diePeriode der Nachläuferwellen im Bereich des Pazifik größer ist alsauf dem asiatischen Kontinent. Dies ist von Wellmann [49]genauer untersucht und bestätigt worden. Er faßt seine Ergebnisseanschaulich in Abb. 14 zusammen, in der die Herde der von ihmuntersuchten Beben gekennzeichnet sind, und zwar durch Kreuzeoder ausgefüllte Kreise, je nachdem sie Nachläufer mit langer oderkurzer Periode auf den Registrierungen in Hamburg lieferten.Berücksichtigt man, daß der Weg der Wellen vom Herde bis nach

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Hamburg stets senkrecht zu den in der Abbildung gestricheltenLinien gleichen Abstandes von Hamburg verlaufen muß, so zeigtdie Abbildung in anschaulicher Weise, daß die von den Kreuzengekommenen Wellen vorzugsweise über Tiefseegebiete (Pazifik,Nordmeer, Nordatlantik) gelaufen sind, während die von denschwarzen Kreisen herrührenden vorzugsweise überKontinentalgebiet (Asien) gelaufen sein müssen.Man sieht also, daß die Erdbebenforschung in ihrer neuerenEntwicklung auf den verschiedensten, voneinander unabhängigenWegen zu einer Bestätigung der Vorstellung gekommen ist, daß dieTiefseeböden grundsätzlich aus anderem Material bestehen als dieKontinentalschollen, und zwar aus einem Material, das einertieferen Schicht des Erdkörpers entspricht.

Abb. 14.

Bebenherde, die in Hamburg Nachläuferwellen langer (+) oder kurzer (•)Periode liefern, nach Wellmann.

In der erdmagnetischen Forschung wird, worauf A. Nippoldtmich aufmerksam machte, allgemein die Ansicht vertreten, daß dieTiefseeböden aus stärker magnetisierbarem, also vermutlicheisenhaltigerem Material bestehen als die Kontinentalschollen.Besonders tritt dies in der Diskussion über das magnetischeModell der Erde von Henry Wilde [50] hervor, bei dem dieOzeanflächen mit Eisenblech belegt werden mußten, um eine dem

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Erdmagnetismus entsprechende Verteilung der magnetischenKraft zu erhalten. A. W. Rücker [51] beschreibt diesen Versuch mitden Worten: „Herr Wilde hat ein gutes magnetisches Modell derErde mit einer Versuchsanordnung vorgeführt, die aus derWirkung eines primären Feldes einer gleichförmig magnetisiertenKugel und eines sekundären Feldes von Eisenmassen bestand, dienahe der Oberfläche lagen und durch Induktion magnetisiertwurden. Die Hauptmasse des Eisens ist unter den Ozeanenangebracht… Herr Wilde legt das Hauptgewicht auf die Bedeckungder Ozeane mit Eisen.“ Auch Raclot [52] hat neuerdings bestätigt,daß dieser Versuch von Wilde in rohen Zügen das Verteilungsbilddes Erdmagnetismus gut darstellt. Allerdings ist es bisher nochnicht geglückt, diesen Unterschied zwischen Kontinenten undTiefsee rechnerisch aus den erdmagnetischen Beobachtungenabzuleiten, anscheinend aus dem Grunde, weil er von einemanderen, viel größeren Störungsfeld noch unbekannter Herkunftüberlagert wird, welches keine Beziehung zurKontinentalverteilung zeigt und wohl auch nicht zeigen kann, wieaus seinen großen, in der Säkularvariation zum Ausdruckkommenden Veränderungen hervorzugehen scheint. Jedenfallsaber sprechen die Ergebnisse des Erdmagnetismus auch nachAnsicht solcher Fachleute (wie Ad. Schmidt), welche dieBeweiskraft von Wildes Versuch noch nicht ohne Einschränkunganerkennen wollen, keineswegs gegen die Annahme, daß dieTiefseeböden aus eisenhaltigerem Gestein bestehen. Dabekanntlich allgemein angenommen wird, daß bereits in demSilikatmantel der Erde der Eisengehalt mit der Tiefe wächst unddas Erdinnere weiterhin überhaupt vorwiegend aus Eisen besteht,so besagt dies, daß wir es hier mit einer tieferen Schicht zu tunhaben. Nun erlischt der Magnetismus im allgemeinen bei derTemperatur der Rotglut, welche unter Zugrundelegung dergewöhnlichen geothermischen Tiefenstufe bereits in etwa 15 bis 20km Tiefe erreicht wird. Der starke Magnetismus der Tiefseebödenmüßte also gerade in den obersten Schichten vorhanden sein, wasmit unserer Annahme, daß hier die schwächer magnetischenMassen fehlen, gut zu stimmen scheint. Es liegt sehr nahe, zufragen, ob man nicht irgendwelche Proben dieses Tiefengesteinsunmittelbar vom Tiefseeboden beschaffen kann. Allein es wird

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wohl noch lange unmöglich sein, mit dem Schleppnetz oder aufandere Weise Proben des anstehenden Gesteins aus diesen Tiefenhochzubringen. Immerhin verdient aber Beachtung, daß bei denDredschzügen die Hauptmasse der heraufgebrachten losen Probennach Krümmel [30] vulkanisch ist; „namentlich überwiegenBimssteine…, sodann begegnen die Trümmer von Sanidin,Plagioklas, Hornblende, Magnetit, vulkanischem Glas und derenZersetzungsprodukt Palagonit, auch Lavabrocken von Basalten,Augitandesiten usw.“. Vulkanische Gesteine zeichnen sich nun inder Tat durch größeres spezifisches Gewicht und größerenEisengehalt aus und werden allgemein als aus größeren Tiefenstammend betrachtet. Suess nannte diese ganze basischeGesteinsgruppe, deren Hauptvertreter Basalt ist, „Sima“ nach denAnfangsbuchstaben der Hauptbestandteile Silicium undMagnesium, im Gegensatz zu der anderen, kieselsäurereichenGruppe des „Sal“ (Silicium-Aluminium), dessen HauptvertreterGneis und Granit den Untergrund unserer Kontinente bildet[4].Einer brieflichen Anregung von Pfeffer folgend, möchte ich statt„Sal“, um die Identität mit dem lateinischen Worte für Salz zuvermeiden, „Sial“ schreiben. Der Leser wird nach demVorangegangenen wahrscheinlich schon selbst den Schluß ziehen,daß die Gesteine der Simagruppe, die wir freilich nur alsEruptivgesteine auf den sialischen Kontinentalschollen kennen, wosie als Fremdkörper erscheinen, ihren eigentlichen Platz unterdiesen Schollen haben und wahrscheinlich auch den Boden derTiefsee bilden. Basalt hat, wie es scheint, die Eigenschaften, welchewir für das Material der Tiefseeböden brauchen.

Indessen hat sich über diese Frage, aus welchen Materialiendie verschiedenen Erdschichten bestehen, in den letzten Jahreneine große Zahl von Untersuchungen entsponnen, teils aufpetrographischer und geochemischer Grundlage, teils aufGrundlage der Erdbebenwellen, und die Frage ist gegenwärtig nochso im Fluß, daß es zu einer einigermaßen übereinstimmendenAnsicht zwischen den verschiedenen Forschern heute noch nichtgekommen ist. Wir wollen uns deshalb hier, ohne selbst Stellungzu nehmen, mit einem kurzen Überblick über die teilweise nochrecht auseinandergehenden Ergebnisse begnügen.

Anfangs ging man allgemein davon aus, daß es genüge,

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unterhalb der kontinentalen Sialschicht, die sicher aus gneis-odergranitartigem Material besteht, eine Simaschicht anzunehmen, diebis etwa 1200 km Tiefe reicht. Dies ist der Mantel. Unterhalbdesselben liegt, bis zur Tiefe von 2900 km, die Zwischenschicht,und dann kommt der wesentlich aus Nickeleisen bestehende Kern.Die Zwischenschicht besteht entweder nach Analogie derMaterialfolge der Meteoriten aus Mesosiderit (Pallasit) oder, inAnlehnung an Hüttenerfahrungen, aus Schwefeleisen und anderenErzen (Schlacke). Daß dies in der Tat die wichtigsten Schichten desErdkörpers sind, steht wohl ein für allemal fest. Die Frage aber, obdie Simaschicht einheitlich ist oder einer weiteren Unterteilungbedarf, wird verschieden beantwortet. Als typischen Vertreter desSimas erklärte V. M. Goldschmidt Eklogit, Williamson und AdamsPeridotit oder Pyroxenit, andere Dunit. Jedenfalls muß dieHauptmasse des Simas ein sehr basisches oder „ultrabasisches“Gestein sein, noch basischer als Basalt, so daß dies letztereMaterial höchstens als oberster Teil des Simas in Frage kommt.Zahlreiche Arbeiten und teilweise Bücher von Jeffreys [53], Daly[54], S. Mohorovičić [55], Joly [56], Holmes [57], Poole [58],Gutenberg [59], Nansen [222] u. a. haben sich mit den hierauftauchenden Fragen beschäftigt, wobei besondersbemerkenswert ist, daß das Buch von Daly (Our mobile Earth,London 1926) ganz auf dem Standpunkt der Verschiebungstheoriesteht; das von Joly (The surface history of the earth, Oxford 1925)spricht sich zwar gegen die Verschiebungstheorie aus, bringt aberin Wirklichkeit wichtige neue Stützen für sie durch dieBerücksichtigung der radioaktiven Wärme. Einigkeit scheint beiallen Autoren darüber zu herrschen, daß unter dem Granit derKontinentalschollen zunächst Basalt kommt. Aber die Grenzezwischen diesen beiden Materialien wird heute von der Mehrzahlder Forscher nicht mehr mit der aus den Erdbeben abgeleitetengroßen Schichtgrenze bei 60 km identifiziert, sondern schon etwabei 30 bis 40 km Tiefe angenommen, wo die Erdbeben gleichfallseine, wenn auch weniger bedeutende Schichtgrenze erkennenlassen. Einer der Hauptgründe dafür, daß man den Granit nicht bis60 km Tiefe reichen lassen will, besteht darin, daß eine so dickeSchicht zu viel Radium enthalten und daher zu viel Wärmeproduzieren würde. Bei 60 km Tiefe würde dann also das

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ultrabasische Material (Dunit und anderes) beginnen. Ferner hatnamentlich Mohorovičić betont, daß die 60-km-Schichtgrenzekeine Variationen ihrer Tiefenlagen unter Gebirgen und Flachlandaufweist, wohl aber die höher liegende Grenze zwischen Granitund Basalt. Es entsteht deshalb die Frage, ob man unter diesenUmständen als Untergrenze der Kontinentalschollen nicht lieberdie Granitgrenze bei etwa 30 bis 40 km Tiefe betrachten soll, stattwie bisher die große Schichtgrenze bei 60 km Tiefe. Andererseitsist noch ungeklärt, wie sich die letztere Schichtgrenze unter denOzeanen verhält. Gutenberg nimmt an, daß diese bei 60 km Tiefeliegende große Schichtgrenze unter dem Pazifik die Oberflächebildet, so daß hier gleich das ultrabasische Material (Dunit) zutageläge. Mohorovičić glaubt dagegen, daß der Ozeanboden von Basaltgebildet wird.

Man wird die weitere Entwicklung dieser Untersuchungenabwarten müssen, ehe es möglich ist, ein abgeschlossenes Bild zugewinnen. Es ist aber sehr wohl möglich, daß durch dieseSchichtenvermehrung auch hinsichtlich der Natur derTiefseeböden größere Komplikationen sich ergeben werden, wofürschon oben (S. 39) in anderem Zusammenhang sich Anzeichenergaben.

Aber wie auch die weitere Entwicklung dieser Ansichten seinmag, so viel ist schon ersichtlich, daß sie im Sinne derVerschiebungstheorie fortschreiten, denn an dem grundlegendenGegensatz zwischen Tiefseeboden und Kontinenten wird nichtmehr gerüttelt, und für die Verschiebungstheorie ist es zunächstgleichgültig, ob ersterer aus Basalt oder vielleicht stellenweisebereits ultrabasischem Material besteht. Jedenfalls fehlt hier (vonResten abgesehen) die Granitdecke der Kontinentalschollen.

Nicht selten wird gegen die Verschiebungstheorieeingewendet: Die Erde ist so starr wie Stahl, also können sich dieKontinente nicht verschieben. In der Tat hat die Beobachtung derErdbeben, der Polschwankungen und der Gezeiten der festen Erdezu dem übereinstimmenden Ergebnis geführt, daß der Koeffizientder Form-Elastizität oder die Riegheit der Erde im Mittel 2.1012

g/cm.sec2 beträgt, oder bei Unterscheidung eines bis 1200 km Tiefereichenden Gesteinsmantels und eines Erz-und Metallkerns fürersteren 7.1011 und für letzteren 3.1012. Da dieser Koeffizient für

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kalten Stahl 8.1011 beträgt, so ist also wirklich die Erde so rieg wieStahl. Aber was folgt daraus? Für unsere Frage zunächst gar nichts.Denn die Geschwindigkeit, mit der sich ein Kontinent unter derWirkung einer gegebenen Kraft bewegen kann, hängt überhauptnicht von der Riegheit des Simas ab, sondern von einer anderen,von dieser unabhängigen Materialkonstante, der „innerenReibung“ oder „Zähigkeit“, oder der zu ihr reziproken „Fluidität“.Diese Zähigkeit hat die Dimension g/cm.sec. Leider kann mannicht mit Sicherheit von der Riegheit auf die Zähigkeit schließen,sondern diese muß durch besondere Untersuchungen bestimmtwerden. Nun sind diese Zähigkeitsmessungen an sogenanntenfesten Körpern äußerst schwierig. Auch im Laboratorium, wo mandazu die Dämpfung elastischer Schwingungen oder dieDeformationsgeschwindigkeit bei Biegung oder Torsion oder auchdie Messung der sogenannten Relaxationszeit benutzt, sind sie erstan sehr wenigen Stoffen durchgeführt worden. Und über denZähigkeitskoeffizienten der Erde sind wir leider einstweilen ineiner fast hoffnungslosen Weise im unklaren. Es sind zwar inneuerer Zeit verschiedene Versuche gemacht worden, diesenZähigkeitskoeffizienten teils als Mittel für die ganze Erde, teils fürgewisse Schichten abzuschätzen, aber die Ergebnisse gehen in demMaße auseinander, daß wir nur unsere völlige Unkenntnisfeststellen können.

Mit Sicherheit läßt sich nur sagen, daß sich die Erdekurzperiodischen Kräften wie den Erdbebenwellen gegenüber wieein fester, elastischer Körper verhält; hier tritt die Fließfähigkeitnicht in Erscheinung. Dagegen muß sich die Erde Kräftengegenüber, die geologische Zeiten hindurch andauern, wie eineFlüssigkeit verhalten, wie z. B. daraus hervorgeht, daß ihreAbplattung gerade ihrer Rotationsdauer angepaßt ist. Aber wo dieZeitgrenze zu suchen ist, bei der die elastischen Deformationendurch fließende abgelöst werden, hängt eben vomZähigkeitskoeffizienten ab.

G. H. Darwin nahm bei seiner Untersuchung über dieMondablösung an, daß schon die 12-und 24stündigenGezeitenkräfte zu Fließbewegungen Anlaß geben, und vonzahlreichen anderen Autoren ist diese Hypothese angewendetworden. In einer neueren Untersuchung kommt Prey [60]

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allerdings zu dem Ergebnis, daß die Darwinschen Annahmen nichtzu der Konsequenz führen, daß etwa heute noch die Erdrindedurch die Flutreibung merkliche Verschiebungen nach Westenerfährt. Vor 50 bis 60 Millionen Jahren mag derZähigkeitskoeffizient noch den verhältnismäßig geringen Betragvon etwa 1013 (etwa die gleiche Zähigkeit hat Gletschereis) gehabthaben, und damals, meint Prey, seien daher große Verschiebungender Rinde vorgekommen. Aber seitdem müsse derZähigkeitskoeffizient so zugenommen haben, daß heute solcheVerschiebungen ausgeschlossen seien. Dazu ist freilich zubemerken, daß Darwin noch nicht den Radiumgehalt der Erdrindein Betracht ziehen konnte. Prey nimmt trotz des Radiums einefortschreitende Abkühlung an. Aber es erscheint doch nach unsererheutigen Kenntnis der vorhandenen Radiummengen und auchnach den geologischen Tatsachen sehr fraglich, ob im Laufe dergeologischen Zeiten, die auf erheblich größere Länge geschätztwerden, sich der Zähigkeitskoeffizient der Erde, vonSchwankungen abgesehen, überhaupt systematisch in merkbarerWeise geändert hat.

Von geologischer Seite ist oft eine Magmaschicht unter derfesten Erdrinde angenommen worden, und ähnlich glaubteWiechert gewisse Eigentümlichkeiten bei denErdbebenregistrierungen durch eine solche ziemlich leichtflüssigeSchicht erklären zu können. Hiergegen wendet sich Schweydar[61] auf Grund der meßbaren Gezeiten der festen Erde. Wärenämlich die Fluidität merklich an diesen beteiligt, so müßten siehinter Sonne und Mond nachhinken. Da die Beobachtungen aberkein solches Zurückbleiben zeigen, muß der beobachtete Betrag derGezeiten ganz durch Elastizität, und gar nicht durch Fluiditätverursacht sein. Die Fehlergrenze der Beobachtungen liefert sowenigstens einen Grenzwert des Zähigkeitskoeffizienten, derallerdings je nach der Dicke der Schicht, für die er angenommenwird, verschieden ausfällt. Denn eine leichtflüssige dünne Schichtleistet die gleichen Verschiebungen wie eine zähflüssige Schichtvon entsprechend größerer Dicke. So findet Schweydar, daß derZähigkeitskoeffizient größer als 109 sein muß, wenn es sich nur umeine 100 km dicke Schicht handelt, dagegen größer als 1013 oder1014, wenn diese Schicht 600 km dick ist. Allerdings ist dabei noch

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die Voraussetzung wesentlich, daß es sich um einezusammenhängende, die ganze Erde umkleidende Schicht handelt.Abgeschlossene kleinere Partien des Erdkörpers könnten erheblichflüssiger sein.Einen weiteren Versuch, die Zähigkeit der Erde zu ermitteln, hatSchweydar 1919 in seiner Untersuchung über die Polbewegung[62] gemacht. Er berechnete nämlich rückwärts, wie diePolschwankungen ausfallen müßten, wenn der halbeZähigkeitskoeffizient der Erde die Werte 1011, 1014, 1016, 1018 hätte,und fand, daß bei den ersten beiden Werten überhaupt nur eineetwa 80jährige Periode der Polbewegung auftreten kann. Erst beiden größeren Werten tritt an deren Stelle eine kurze Periode von470 bis 370 Tagen, also von der Art der wirklich vorhandenen.Natürlich kommt es auch hier wieder darauf an, wie dick man diezähflüssige Schicht annimmt. Betrachtet man die ganze Erde alsgleichmäßig zähflüssig, so tritt die kleine Periode erst bei demWert 1018 auf, dagegen bei 1013, wenn nur die Schicht zwischen 120und 600 km Tiefe als zähflüssig vorausgesetzt wird. Da dieRechnung nur für konstante Dichte im Erdkörper ausgeführtwerden konnte, kann das Resultat nur als eine erste Orientierungbetrachtet werden. Bei späterer Gelegenheit hat Schweydar einmalden Wert 1019 benutzt unter der Annahme, daß nur die Schichtzwischen 100 und 1600 km Tiefe fluid ist.

Schweydar ist ein Verfechter der hohen Werte für dieZähigkeit. Dennoch kommt er selbst zu dem Ergebnis: „Immerhinmuß es als möglich bezeichnet werden, daß die Kontinente unterder Einwirkung der Polfluchtkraft eine nach dem Äquatorgerichtete Verschiebung erleiden“ [40]. Über diese Polfluchtkraftund die Rechnung, die zu diesem Ergebnis führt, wird später dasNötige gesagt werden.

Noch höhere Werte des Zähigkeitskoeffizienten, nämlich 1021

in der Schicht, wo er am kleinsten ist, hat Jeffreys [53]angenommen. Soweit mir bekannt, ist dies die extremsteAnnahme.

Andererseits erheben sich aber in neuester Zeit Stimmen, diegerade erstaunlich kleine Zähigkeitskoeffizienten, wenn auch nurin einer relativ dünnen Schicht, annehmen. So geht Meyermann[64, 65] von der auf astronomischem Wege neuerdings

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nachgewiesenen Tatsache einer Ungleichförmigkeit derErdrotation aus: „1700 z. B. befand sich jeder Punkt derErdoberfläche etwa 15 Sekunden östlich, 1800 etwa ebensovielwestlich, 1900 etwa 10 Sekunden östlich und 1924 über 20Sekunden westlich des ihm auf einer gleichmäßig rotierenden Erdezukommenden Ortes. Da es ausgeschlossen ist, daß die Erde alsganze derartige Schwankungen ausführt, sehe ich in diesen einenBeweis dafür, daß die Erdkruste gegenüber dem Kern eineWestdrift besitzt… Wächst die Reibung, so wird die Westdriftgeringer… Nimmt die Reibung ab, so bewegt sich umgekehrt dieErdoberfläche gegenüber der hypothetischen Erde nach Westen.“Sowohl in den Elementen des Erdmagnetismus wie auch in derSchwankung der Tageslänge trete eine Periode von 270 Jahren auf;hieraus schließt Meyermann auf einen vollen Umlauf der Kruste inder erstaunlich kurzen Zeit von 270 Jahren und kommtdemgemäß, wenn die Fluidität auf eine Zone von 10 km Dickebeschränkt ist, auf einen Reibungskoeffizienten in dieser Schichtvon nur etwa 103 (21 mal dickflüssiger als Glycerin bei 0°). Es mußaber vorläufig dahingestellt bleiben, ob seine Deutung derErscheinungen überhaupt zutrifft. In dieser Hinsicht ist eine Arbeitvon Schuler [66] beachtenswert, in der gezeigt wird, daß beiVerstärkung der polaren Inlandeiskappen durch die hierbeierzeugte Annäherung der Massen an die Rotationsachse nach demSatze von der Erhaltung des Rotationsmoments eine merklicheBeschleunigung der Erddrehung bewirkt werden muß, undumgekehrt eine Verlangsamung bei Abschmelzung der Eismassen,wobei wieder ein Massentransport zum Äquator, also von derAchse fort, vor sich geht.

Die Frage nach der Zähigkeit der unter denKontinentalschollen gelegenen Schichten hängt eng zusammen mitderjenigen, ob die Temperatur dieser Schichten den Schmelzpunktüberschreitet oder nicht. Obwohl es wahrscheinlich ist, daß dasgeschmolzene Magma bei sehr hohem Druck auch sehr hoheZähigkeit haben kann und sich daher wie festes Material verhält -die Erscheinungen bei so hohen Drucken sind ja unbekannt -, soneigen doch alle Autoren, die für eine schmelzflüssige Schichteintreten, zu der Annahme, daß die Zähigkeit in dieser Schichthinreichend klein ist, um große Verschiebungen, ja Strömungen, zu

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gestatten. Und gerade für diese Frage haben sich durch dieBerücksichtigung des Radiums ganz neue Gesichtspunkte ergeben.

In Abb. 15 ist eine von v. Wolff herrührende Darstellung desTemperaturverlaufs in den obersten 120 km der Erdrinde gegeben,wie er sich unter verschiedenen Annahmen über den Radiumgehaltder Kruste berechnen läßt (Kurven a bis e). Außerdem sind abernoch zwei Schmelzkurven S und A eingetragen. Je nach demMaterial, das man annimmt, bekommt man auch hier verschiedeneKurven. S gibt die niedrigsten denkbaren Schmelztemperaturen fürdie verschiedenen Tiefen. Wie aus der Krümmung derTemperaturkurven und der Neigung der Schmelzkurvenhervorgeht, gibt es in etwa 60 bis 100 km Tiefe eine optimaleRegion für Schmelzung, und es ist also möglich, daß hier einegeschmolzene Schicht zwischen zwei kristallinischen eingebettetist.

Es liegt nahe, zu fragen, ob nicht die Erdbebenforschung überdiese Frage Aufschluß geben kann. Leider ist dies nicht der Fall; siekönnte es dann, wenn geschmolzen soviel wie leichtflüssigbedeutete, denn in einem leichtflüssigen Medium können sichkeine Transversalwellen, wie es die zweiten Vorläufer sind,fortpflanzen. Man nimmt aber heute meist an, daß dasjenigeMaterial, was über den Schmelzpunkt temperiert und alsogeschmolzen ist, sich in einem amorphen, glasartigen, also festenZustand befindet. Einen kleinen Fingerzeig liefert aber dieErdbebenforschung doch. Es läßt sich nämlich zeigen, daß unterden wahrscheinlichsten Annahmen über die Dichte des Materialssein elastischer Widerstand gegen Formveränderungen, der sonstallgemein mit der Tiefe wächst, bei etwa 70 km Tiefe eineUnterbrechung dieses Wachstums, vielleicht sogar einevorübergehende Schwächung erfährt. Und dies wird, z. B. vonGutenberg [104], so ausgelegt, daß wahrscheinlich in dieser Tiefeder kristalline Zustand von dem amorphen glasartigen abgelöstwird. Und wenn letzterer auch für die kurzdauernden Kräfte derErdbebenwellen als fest zu betrachten ist, so ist es doch nichtunwahrscheinlich, daß er Kräften gegenüber, die durch geologischeZeiten wirken, einen beträchtlichen Grad von Fluidität aufweist.

Abb. 15.

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Temperaturverlauf (a bis e) und Schmelztemperaturen (S und A) bis 120km Tiefe, nach v. Wolff.

Auch gewisse geologische Tatsachen erfordern in diesemZusammenhang Beachtung. Die seltsamen großen„Granitaufschmelzungen“, wie sie z. B. von Cloos [103] ausSüdafrika beschrieben sind, zeigen, daß die Schmelzisotherme desGranits in gewissen erdgeschichtlichen Perioden stellenweise bisdicht unter die Erdoberfläche vorgedrungen ist. Um so mehrmüssen also damals die Tiefen von 60 bis 100 km geschmolzengewesen sein. Die Isothermenflächen haben eben in der Erde keinefeste Lage, sondern variieren sowohl zeitlich wie räumlich. Joly[56] sieht die Erklärung hierfür in dem Umstand, daß unter denKontinentalschollen infolge der übermäßigen radioaktivenWärmeproduktion die Temperatur beständig im Steigen ist, bisdiese Schollen infolge der Schmelzung flott werden und sich überkühlere Teile der Erdkugel, vormalige Tiefseegebiete,hinüberschieben. In der Tat spricht für diese Deutung sehr dieTatsache, daß die geothermische Tiefenstufe in Europa im Mittel31,7 m, in Nordamerika aber im Mittel 41,8 m beträgt. Dieserneuerdings viel diskutierte merkwürdige Unterschied besagt ja, daßdas Erdinnere unter Nordamerika kühler ist als unter Europa. Dalymeint wohl mit Recht: „Eine ausreichende Erklärung hierfür kann

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man in dem vergleichsweise rezenten Hinweggleiten Nordamerikasüber die gesunkene Kruste des ehemals größeren pazifischenBeckens finden“ [67].

An dieser Stelle wären natürlich auch diejenigen Autoren zunennen, welche die Erscheinungen in der obersten Erdrinde auf„Unterströmungen“ zurückführen, wie Ampferer [68], Schwinner[69] u. a. Nach Ampferer hätten Unterströmungen Amerika nachWesten entführt, und Schwinner nimmt in der flüssigen Schichtinfolge ungleicher Wärmeabgabe Konvektionsströmungen an,welche die Kruste mitschleppen und da, wo die Bewegung nachunten umbiegt, zusammenschieben. Im Zusammenhang mit derübermäßigen radioaktiven Wärmeerzeugung in denKontinentalschollen macht auch Kirsch [70] ausgedehntenGebrauch von derartigen thermisch verursachtenKonvektionsströmungen in der flüssigen Schicht. Er nimmt an, daßunter der ehemals zusammenhängenden Kontinentalscholle eineübermäßige Wärmeproduktion stattfand (Granitaufschmelzungenin Südafrika!) und zu einer Zirkulationsbewegung der flüssigenUnterlage führte, indem diese überall nach außen gegen dieTiefseebecken abströmte, hier infolge stärkeren Wärmeentzugessich abwärts bewegte und mitten unter dem Kontinentalgebietaufstieg. Durch die Reibung wurde dabei schließlich dieKontinentaldecke zerrissen und vom Strome nach allen Seitenauseinandergeführt. Kirsch kommt hier zu erstaunlich großenStrömungsgeschwindigkeiten und entsprechend kleinen Wertender Zähigkeit in der Schmelzschicht.

Alle diese Arbeiten zeigen jedenfalls das eine, daß wir heute inbezug auf den Zähigkeitskoeffizienten des Erdinnern undnamentlich der einzelnen Erdschichten nicht dogmatisch seindürfen; wir wissen noch gar nichts über ihn. SchweydarsErgebnisse sind aus dem Grunde nicht ausschlaggebend, weil sienicht die Möglichkeit einer unzusammenhängenden, relativleichtflüssigen Schicht ausschließen, und natürlich auch nichtsdarüber aussagen, ob es in gewissen Perioden der Vorzeit einesolche relativ leichtflüssige, zusammenhängende Schicht gegebenhaben kann. Sie sind aber von großem Werte deshalb, weil sie auchbei Ablehnung einer leichtflüssigen Schicht doch aufZähigkeitswerte führen, die Kontinentverschiebungen zulassen.

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Die Möglichkeit der letzteren hängt also nicht davon ab, obdiejenigen Autoren Recht behalten, die neuerdings für diewenigstens regionale und zeitweise Existenz einer leichtflüssigenUnterlage der Kontinentalschollen eingetreten sind.

Nach dem Vorangehenden erübrigt es sich, festzustellen, daßdie Verschiebungstheorie mit den Ergebnissen der Geophysik inbester Übereinstimmung steht. Bildet sie doch hier denAusgangspunkt für eine große Zahl aussichtsreicher neuerForschungen, die schon jetzt zu wichtigen Ergebnissen geführthaben, wenn sich auch viele Einzelheiten erst in der Zukunft ganzklären werden.

Es ließen sich noch manche anderen Beobachtungstatsachenauf dem Gebiet der Geophysik anführen, die direkt oder indirektdie Verschiebungstheorie zu stützen geeignet wären. Es istindessen im Rahmen dieses Buches nicht möglich, auf denverschiedenartigen, hier zu besprechenden GebietenVollständigkeit zu erreichen oder auch nur anzustreben. Einigedieser Tatsachen werden noch in späteren Kapiteln zur Sprachekommen.

1. ↑ Bei diesen Zahlen ist die Ausmessung der Ozeane durchKossinna [29] zugrunde gelegt. Unsere Figuren sind nochnach den älteren wenig abweichenden Werten bei Krümmel[30] und Trabert [31] entworfen.

2. ↑ Unter Zugrundelegung der Prattschen Theorie war man zugrößeren Werten der Schollendicke (100 bis 120 km)gekommen, während die Airysche Theorie praktisch dasgleiche Ergebnis liefert wie die Erdbebenforschung. Diesspricht für den auch sonst anerkannten Vorzug der AiryschenTheorie.

3. ↑ Gutenberg will, meines Erachtens mit Unrecht, in demErgebnis für den Atlantik einen Widerspruch gegen dieVerschiebungstheorie sehen, worauf in Kap. 11zurückgekommen werden wird.

4. ↑ Diese Einteilung geht schon auf Robert Bunsen zurück derdie nichtsedimentären Gesteine in „normal trachytische“(kieselsäurereiche) und „normal pyroxenitische“ (basische)einteilte. Suess erfand jedoch die bequemen Namen.

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Fünftes Kapitel.

Geologische Argumente.

Für unsere Auffassung, daß der Atlantik eine ungeheuererweiterte Spalte darstellt, deren Ränder früher unmittelbar oderdoch so gut wie unmittelbar zusammengehangen haben, ergibt sicheine scharfe Kontrolle durch einen Vergleich des geologischenBaues der beiden Seiten. Denn man wird erwarten dürfen, daßmanche Faltungen und andere Strukturen, die vor dem Abrißentstanden sind, von der einen Seite zur anderen hinüberführen,und zwar müssen ihre Enden beiderseits des Ozeans gerade sogelegen sein, daß sie in der Rekonstruktion als unmittelbareVerlängerungen erscheinen. Da die Rekonstruktion selber infolgeder markanten Linienführung der Schollenränder eine durchauszwangsläufige ist und keinen Spielraum für eine Anpassung andiese Forderung zuläßt, haben wir es hier mit einem ganzunabhängigen Kriterium zu tun, das für die Beurteilung derRichtigkeit der Verschiebungstheorie von größter Bedeutung ist.

Die atlantische Spalte ist am breitesten im Süden, wo siezuerst aufriß. Ihre Breite beträgt hier 6220 km. Zwischen Kap SanRoque und Kamerun liegen nur noch 4880, zwischen derNeufundlandsbank und dem britischen Schelf nur noch 2410,zwischen Scoresbysund und Hammerfest 1300, und zwischen denSchelfrändern von Nordostgrönland und Spitzbergen wohl nurnoch etwa 200 bis 300 km. Hier scheint der Abriß erst inallerjüngster Zeit erfolgt zu sein.

Beginnen wir mit der Vergleichung im Süden. Ganz im SüdenAfrikas findet sich ein von Ost nach West streichendes permischesFaltengebirge (die Zwarten Berge). In der Rekonstruktion trifft dieVerlängerung dieser Kette nach Westen auf die nach der Kartezunächst durch nichts hervorgehobene Partie südlich von BuenosAires. Es ist nun hochinteressant, daß Keidel [72, 73] in den hierbefindlichen Sierren, namentlich der stärker gefalteten südlichen,alte Faltungen erkannt hat, die nach ihrem Bau, der Gesteinsfolgeund dem Fossilinhalt nicht allein der nordwestlich davon sich derAndenfaltung anschmiegenden Vorkordillere der Provinzen SanJuan und Mendoza, sondern vor allem auch dem südafrikanischen

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Kapgebirge völlig gleichen. „In den Sierren der Provinz BuenosAires, besonders in dem südlichen Zuge, finden wir eineSchichtenfolge, die der in den Kapgebirgen Südafrikas sehr ähnlichist. Große Übereinstimmung scheint wenigstens bei drei Gliedernvorhanden zu sein: bei dem unteren Sandstein derunterdevonischen Transgression, den fossilführenden Schiefern,die den Höhepunkt ihrer Ausbreitung bezeichnen, und bei einemjüngeren, sehr kennzeichnenden Gebilde, dem glazialenKonglomerat des oberen Paläozoikums… Sowohl die Sedimente derdevonischen Transgression als auch das glaziale Konglomerat sind,wie in den Kapgebirgen, stark gefaltet; und die Bewegung ist hierwie dort in der Hauptsache gegen Norden gerichtet.“ Damit ist derNachweis geführt, daß hier eine langgestreckte alte Faltungvorhanden ist, welche die Südspitze Afrikas durchzieht und sodannSüdamerika südlich von Buenos Aires durchquert, um schließlich,nach Norden abbiegend, sich dem Verlauf der Anden anzugliedern.Heute sind die Bruchstücke dieser Faltung durch eine Tiefsee vonmehr als 6000 km Breite voneinander getrennt. In unsererRekonstruktion, die doch gerade hier kein Zurechtschieben zuläßt,werden die Teilstücke gerade zur Berührung aneinandergefügt;ihre Abstände von Kap San Roque bzw. Kamerun sind gleich.Dieser Beweis für die Richtigkeit unserer Zusammensetzung istsehr auffallend und erinnert an die durchgerissene Visitenkarte alsErkennungszeichen. Es beeinträchtigt diese Übereinstimmung nurwenig, daß sich von dem südafrikanischen Zuge bei Erreichung derKüste die Kette der Cedarberge nach Norden abzweigt. Denn dieserbald erlöschende Zweig trägt den Charakter einer lokalenAblenkung, die durch irgend eine Diskontinuität an der späterenSpaltungsstelle verursacht sein mag. Solche Abzweigungen sehenwir in noch viel größerem Maße bei den europäischenFaltengebirgen, sowohl bei den karbonischen, als bei den tertiären,und sie hindern uns auch hier nicht, diese Faltungen zu einemSystem zusammenzufassen und auf einheitliche Ursachenzurückzuführen. Auch wenn, wie es nach neueren Untersuchungenscheint, die afrikanische Faltung noch in jüngeren Zeitenfortgedauert hat, so läßt sich doch hieraus kein Altersunterschiedkonstruieren, denn bei Keidel lesen wir: „In den Sierren ist, als diejüngste Bildung, das glaziale Konglomerat gefaltet worden; in den

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Kapgebirgen zeigen die Eccaschichten an der Basis derGondwanaserie (Karrooschichten) noch Spuren der Bewegungen…In beiden Gebieten können also die hauptsächlichen Bewegungenin dem Zeitabschnitt vom Perm bis zur unteren Kreide vor sichgegangen sein.“

Aber diese Bestätigung unserer Ansichten durch dasKapgebirge und seine Verlängerung in den Sierren von BuenosAires steht keineswegs allein da, vielmehr finden wir nochzahlreiche weitere Belege dafür längs den Küsten des Atlantik.Schon in großen Zügen zeigt die ungeheure, seit langen Zeitennicht mehr gefaltete Gneistafel Afrikas eine auffallendeÄhnlichkeit mit derjenigen Brasiliens. Und daß diese Ähnlichkeitsich nicht nur auf Allgemeinheiten beschränkt, zeigt einmal dieÜbereinstimmung der Eruptivgesteine und Sedimente undandererseits die der alten Faltungsrichtungen hüben und drüben.

Die Eruptivgesteine hat H. A. Brouwer verglichen [74]. Erfindet nicht weniger als fünf Parallelen, nämlich 1. den älterenGranit, 2. den jüngeren Granit, 3. alkalireiche Gesteine, 4.vulkanische jurassische Gesteine und intrusiven Dolerit, 5.Kimberlit, Alnoit usw.

Der ältere Granit ist in Brasilien enthalten in demsogenannten „Brasilianischen Komplex“, in Afrika in dem„Fundamentalkomplex“ von Südwestafrika, ferner auch dem„Malmesburysystem“ der südlichen Kapkolonie und dem„Swazilandsystem“ von Transvaal und Rhodesia. „Sowohl dieOstküste von Brasilien in der Serra do Mar wie diegegenüberliegende Westküste von Süd-und Mittelafrika bestehenzum größten Teil aus diesen Gesteinen, und sie verleihen in beidenKontinenten der Landschaft vielfach einen gleichartigentopographischen Charakter.“

Der jüngere Granit ist in Brasilien intrusiv in der „Minasserie“in den Provinzen Minas Geraes und Goyaz, wo er goldführendeGänge bildet, sowie in der Provinz Sao Paulo. In Afrika entsprichtihm der Erongogranit im Hereroland und der Brandberggranit imnordwestlichen Teil von Damaraland, sowie auch die Granite des„Bushveld Igneous Complex“ in Transvaal.

Die alkalireichen Gesteine ferner finden sich gerade an denkorrespondierenden Küstenstrecken: auf brasilianischer Seite an

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verschiedenen Stellen der Serra do Mar (Itatiaya, Serra do Gericinobei Rio de Janeiro, Serra de Tingua, Cabo Frio), auf afrikanischerSeite an der Küste von Lüderitzland, bei Kap Cross nördlich vonSvakopmund, aber auch noch in Angola. In weiterer Entfernungvon der Küste gehören hierher auch die beiden etwa 30 kmDurchmesser haltenden Eruptivgebiete von Pogos de Caldas imSüden der Provinz Minas Geraes und von Pilandsberg imRustenburgdistrikt in Transvaal. Gerade diese alkalireichenGesteine sind in ihrer völlig gleichen Ausbildung desTiefengesteins, des Ganggesteins und des Effusivgesteins sehrauffallend.

Mit Bezug auf die vierte Gruppe von Gesteinen (jurassischevulkanische Gesteine und intrusiver Dolerit) sagt Brouwer:„Ebenso wie in Südafrika kommt im untersten Horizont desungefähr mit dem südafrikanischen Karroosystemübereinstimmenden Santa Catharina-Systems eine mächtige Serievulkanischer Gesteine vor, die als jurassisch betrachtet werdenkann und große Flächen in den Provinzen Rio Grande do Sul, SantaCatharina, Parana, Sao Paulo und Matto Grosso und sogar nochvon Argentinien, Uruguay und Paraguay bedecken.“ In Afrikagehört hierher namentlich die Kaokoformation zwischen 18 und21° Südbreite, welcher gleichartige Gesteine in densüdbrasilianischen Provinzen Santa Catharina und Rio Grande doSul entsprechen.Am bekanntesten endlich ist die letzte Gesteinsgruppe (Kimberlit,Alnoit usw.), weil sie in Brasilien wie Südafrika die Lagerstellen derbekannten Diamantenfunde abgibt. In beiden Gebieten kommt dieeigenartige Lagerungsform der „Pfeifen“ vor. Weiße Diamantengibt es in Brasilien in der Provinz Minas Geraes und in Südafrikanur nördlich des Oranje. Aber deutlicher als in diesen immerhinseltenen Diamantvorkommen zeigt sich die Übereinstimmung inder Ausbreitung des kimberlitischen Muttergesteins. Dies ist inGängen auch in der Provinz Rio de Janeiro festgestellt. „Ebensowie die kimberlitischen Gesteine nahe der Westküste vonSüdafrika gehören auch die bekannten brasilianischen Gesteinebeinahe alle zu den glimmerarmen basaltischen Varietäten[1].“

Brouwer hebt aber hervor, daß auch die Sedimente eine großeÜbereinstimmung hüben und drüben zeigen: „Die Gleichheit

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zwischen einigen Gruppen von Sedimentgesteinen beiderseits desAtlantischen Ozeans ist ebenfalls auffallend. Wir nennen nur dassüdafrikanische Karroosystem und das brasilianische SantaCatharina-System. Das Orleanskonglomerat in Santa Catharinaund Rio Grande do Sul stimmt überein mit demDwykakonglomerat von Südafrika, und in beiden Kontinentenwerden die obersten Abschnitte durch die schon genanntemächtige Serie vulkanischer Gesteine gebildet, wie die vomDrakenberg in der Kapkolonie und die von der Serra Geral in RioGrande do Sul.“

Du Toit [75] vermutete sogar, daß das erratischepermokarbonische Material in Südamerika teilweise aus Afrikastammt: „Der südbrasilianische Tillit stammt nach Coleman voneiner Eiskappe, die wahrscheinlich ihr Zentrum im Südosten[2],außerhalb der heutigen Küstenlinie, hatte. Sowohl er wieWoodworth erwähnen gewisse erratische Geschiebe aus einemeigentümlichen Quarzit oder Sandstein mit Kieseln ausgebändertem Jaspis, der nach ihrer Beschreibung genaudemjenigen gleicht, der vom Transvaaleise von den Bergketten der„Matsap beds“ in Westgriqualand aufgenommen und mindestensbis zum 18. Meridian nach Westen transportiert ist. Könnte er,wenn wir an die Hypothese der Kontinentverschiebungen denken,nicht möglicherweise noch viel weiter nach Westen geschafftworden sein?“ Aber neuerdings hat L. C. Ferraz (erwähnt in [78])dies Gestein südlich der Fundstelle bei Blumenau in SantaCatharina, am Nordufer des Itajahýflusses, anstehend gefunden,wodurch die von du Toit vorgeschlagene Deutung ihre Beweiskrafteinbüßt. Andererseits ist aber das gleichartige Vorkommen desanstehenden Gesteins in Brasilien und Südafrika wiederum einsehr beachtenswertes Glied in der langen Kette auffallenderÜbereinstimmungen zwischen diesen beiden Kontinenten.

Abb. 16.

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Streichrichtungen in Afrika, nach Lemoine.

Weitere Übereinstimmung finden wir in den Richtungen deruralten Faltungen, welche diese großen Gneistafeln überalldurchziehen. Für Afrika verweisen wir auf die in Abb. 16dargestellte, von Lemoine [76] entworfene Karte. Sie ist für andereZwecke hergestellt und zeigt daher das, was wir brauchen, nichtsehr deutlich, aber sie zeigt es doch. In dem Gneismassiv desafrikanischen Kontinents kommen hauptsächlich zwei etwasverschieden alte Streichrichtungen vor. Im Sudan herrscht dieältere nordöstliche Streichrichtung vor, welche sich schon in demgeradlinigen gleichgerichteten Oberlauf des Niger zeigt und nochbis Kamerun beobachtet wird. Sie schneidet die Küste unter einemWinkel von etwa 45°. Südlich von Kamerun dagegen - auf der Kartegerade noch erkennbar - tritt die andere, jüngere Streichrichtung inden Vordergrund, welche etwa von Norden nach Süden weist undder Küste mit ihren Krümmungen parallel verläuft.

In Brasilien finden wir dieselbe Erscheinung. Schon E. Suessschreibt: „Die Karte des östlichen Guayana… zeigt mehr oderminder ostwestliches Streichen der alten Felsarten, aus welchendieses Gebiet besteht. Auch die eingelagerten paläozoischenSchichten, welche den nördlichen Teil der Mulde des Amazonas

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ausmachen, verfolgen diese Richtung, und der Verlauf der Küstevon Cayenne gegen die Mündung des Amazonas ist daher quer aufdas Streichen… Soweit der Bau Brasiliens heute bekannt ist, mußangenommen werden, daß auch bis Kap San Roque der Umriß desFestlandes das Streichen des Gebirges quert, aber von diesemVorgebirge an wird allerdings bis nach Uruguay hinab die Lage derKüste durch das Gebirge vorgezeichnet.“ Auch hier folgen dieFlußläufe (Amazonas einerseits, Rio San Francisco und Paranaandererseits) in großen Zügen der Streichrichtung. Allerdingshaben die neueren Forschungen, wie die von Keidel (a. a. O.)hauptsächlich nach J. W. Evans gegebene, in Abb. 17 reproduziertetektonische Karte von Südamerika zeigt, die Existenz noch einerdritten, der Nordostküste parallelen Streichrichtung nachgewiesen,wodurch sich die Verhältnisse etwas komplizierter gestalten. Alleindie anderen beiden Streichrichtungen treten auch in dieser Karte,wenngleich teilweise etwas von der Küste abgedrängt, sehr deutlichhervor. Bei der beträchtlichen Drehung, welche Südamerika bei derRekonstruktion erfahren muß, wird die Richtung des Amazonasgerade parallel zum Oberlauf des Niger, so daß die beidenStreichrichtungen mit den afrikanischen zusammenfallen. Hierindürfen wie eine weitere Bestätigung eines ehemaligenunmittelbaren Zusammenhangs sehen.

In neuerer Zeit ist der gleichartige Bau Brasiliens undSüdafrikas immer stärker betont worden. So stellt Maack [77] fest:„Wer Südafrika kennt, für den ist der geologische Bau dieser(brasilianischen) Landschaft überraschend. Auf Schritt und Trittwurde ich an Landschaftsformen des Namalandes und Transvaalserinnert. Die Schichtfolge mit all ihren Besonderheiten entsprichtvollkommen dem Aufbau des südafrikanischen Sockels.“ Maackfand auf dieser Reise fünf Kimberlitpfeifen bei Patos (etwa 181/2°Süd, 461/2° West). Er kommt zu dem Schluß: „Es liegt auf derHand, daß man bei der heutigen Entfernung derkorrespondierenden Formationen das Absinken von Landbrückenin der Breite des Atlantischen Ozeans ablehnen muß. Man kommtauf eine Kontinentverschiebung im Sinne A. Wegeners, eineAuffassung, die ihre Stützen in der Beobachtung findet, daß seitältesten geologischen Zeiten, mit Ausnahme des Permokarbons, imwestlichen Südafrika ein Trockenklima geherrscht hat und

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andererseits die triassischen Ablagerungen in Minas einemtrockenen Binnenlandklima entsprechen.“

Besonders eingehende vergleichende Studien hat der bekanntesüdafrikanische Geologe du Toit auf einer zu diesem Zweckeausgeführten Forschungsreise in Südamerika durchgeführt. DieErgebnisse dieser Untersuchung, bei der auch die Literatur sehrvollständig berücksichtigt ist, sind 1927 in einem 157 Seitenstarken Buch als Publikation Nr. 381 der Carnegie Institution ofWashington unter dem Titel „A geological Comparison of SouthAmerica with South Africa“ [78] veröffentlicht. Das ganze Buch isteine einzige geologische Beweisführung für die Richtigkeit derVerschiebungstheorie auf diesem Teile der Erde. Wollten wir alleEinzelheiten anführen, die sich in ihm zugunsten dieser Theorieergeben, so müßten wir es von Anfang bis zu Ende übersetzen.Recht häufig finden sich Äußerungen wie die folgende: „In der Tathatte ich auch bei genauer Untersuchung große Schwierigkeiten,mir vorzustellen, daß ich mich hier auf einem anderen Kontinentbefand und nicht in einem Teile des südlichen Kaplands“ (S. 26).Auf S. 97 sagt der Verfasser: „Als ich diesen Überblick vorbereitete,habe ich zuerst versucht, den historischen Bericht zu schreibenohne Rücksicht auf irgend eine Hypothese über die Art und Weiseeines solchen ehemaligen Zusammenhangs oder über die Art derschließlichen Trennung der Landmassen; aber als die Datengesammelt waren, zeigte sich klar, daß sie sehr bestimmt inRichtung der Verschiebungstheorie weisen.“ Übereinstimmungenbeiderseits des Ozeans seien jetzt in so großer Zahl bekannt, daßder Zufall dafür nicht mehr in Betracht komme, zumal sie sich aufenorme Landstrecken und Zeiten vom Vordevon bis zum Tertiärerstrecken. „Außerdem sind diese sogenannten Koinzidenzensowohl von stratigraphischer als lithologischer, paläontologischer,tektonischer, vulkanischer und klimatischer Natur.“

Wir können hier nicht einmal die kurzgefaßte Aufzählung derÜbereinstimmungen wiedergeben, die in Kapitel VII (Bearing onthe displacement hypothesis) 7 Seiten füllt. Dagegen sei imfolgenden die auf S. 15 bis 16 zusammengestellte Vergleichung dergeologischen Hauptzüge mitgeteilt:

„Wir wollen nun die beiden Strecken, nämlich die von SierraLeone bis zum Kap auf der einen und die von Pará bis Bahia Bianca

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Abb. 17.

Schematische tektonische Karte von Südamerika, nach Kreidel und J. W.Evans.

auf der anderen Seite, miteinander vergleichen, indem wir uns aufje einen 45° langen und 10° breiten Streifen beschränken. In jedem

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der Festländer zeigt sich folgendes:

1. Die Unterlage besteht aus kristallinen Gesteinen vonpräkambrischem Alter und einigen Streifen prädevonischerAblagerungen verschiedenen, meist unbestimmten Alters, aber imallgemeinen übereinstimmenden lithologischen Charakters.

2. Im äußersten Norden liegen marine silurische unddevonische Lager, nur leicht gestört, unkonform auf diesemKomplex, eine breite Synklinale einnehmend, die schräg zurKüstenlinie zieht, nämlich zwischen Sierra Leone und derGoldküste und unter dem Ästuarium des Amazonas.

3. Weiter südlich ziehen sich nahezu parallel zur Küste Gürtelvon proterozoischen und frühpaläozoischen Schichten, vorwiegendQuarzite, Schiefer und Kalksteine, leicht gebogen im Norden undstärker gestört im Süden, wo sie von granitischen Massendurchdrungen werden, z. B. im Gebiet zwischen Lüderitz undKapstadt und zwischen Rio São Francisco und Rio La Plata.

4. Dem nahezu flachliegenden Devon von Clanwilliamentspricht sein fast identisches Gegenstück in Paraná und MattoGrosso.

5. Weiter im Süden entspricht dem Devon-Karbon vomsüdlichen Kapland die Gegend gleich nördlich von Bahia Bianca,durch den konformen Übergang in glaziale karbonische und inpermische Ablagerungen; beide Schichtreihen sind intensiv gefaltetin permotriassischen und kretazischen Bewegungen, die ähnlicheRichtungen zeigen.

6. Nordwärts verfolgt werden die Tillite in beiden Fällenhorizontal und transgredieren über das Devon, wobei sie auf einerglazialen Fast-Ebene ruhen, die durch diese und ältere Gesteinegebildet wird; weiter im Norden fehlen sie.

7. Überlagert wird das Glazial in beiden Fällen vonkontinentalen permischen und triassischen Schichten mit derGlossopterisflora, die gewaltige Räume füllt, gefolgt vonausgedehnten Ausbrüchen von Basalten und Doleriten, vermutlichvon Liasalter.

8. Diese Gondwanaschichten erstrecken sich nordwärts vonder südlichen Karroo bis zum Kaokofeld und von Uruguay bisMinas Geraes.

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9. Weitere große abgetrennte Räume dieser Art finden sich inbeiden Fällen eine Strecke landeinwärts weiter im Norden, imAngola-Kongo und im Piauhý-Maranhãogebiet.

10. Eine Intraformationsunterbrechung ist weit verbreitet,nämlich zwischen den Ablagerungen der späten Trias und desPerms, obwohl gewöhnlich keine Winkelunkonformität besteht. Ineinigen Gebieten aber lagern die ersteren mit deutlicherDiskordanz auf permischen der vorpermischen Formationen.

11. Gekippte Kreidelager kommen an der Küste nur in derGegend von Benguella—Unterer Kongo und Bahia—Sergipe vor.

12. Horizontale Kreide und Tertiär, sowohl marine alskontinentale, bedecken große Strecken zwischen Kamerun undTogo und in Ceará, Maranhão und südlicher, während dieausgedehnten Ablagerungen in der Kalahari annähernd verglichenwerden können mit der neogenen und quartären PampasformationArgentiniens.

13. In dieser verallgemeinerten Übersicht darf das wichtigeBindeglied nicht übersehen werden, das die Falklandsinseln bilden.Ihre devono-karbonische Schichtenfolge ist kaum von jener desKaplands zu unterscheiden, während das Lafonian eng demKarroosystem parallel geht. Stratigraphisch und strukturell habendie Falklandsinseln ihren Platz beim südwestlichen Kapland undnicht bei Patagonien.

14. Vom paläontologischen Gesichtspunkt muß dieAufmerksamkeit besonders gerichtet werden auf: a) die „australeFazies“ des Devons von Kapland, Falklandsinseln, Argentinien,Bolivien und Südbrasilien, im Gegensatz zur „borealen Fazies“ vonNordbrasilien und der zentralen Sahara; b) das ReptiliengeschlechtMesosaurus aus den Dwykaschiefern vom Kap und Iratyschiefernvon Brasilien, Uruguay und Paraguay; c) die Gangamopteris-Glossopterisflora, mit geringer Beimischung von nordischenFormen, in den Gondwanalagern im Süden beider Länder; d) dieThinnfeldiaflora des oberen Gondwana am Kap und in Argentinien;e) die Neocom- (Uitenhage-) Fauna im Süden des Kaplands undNordwesten von Neuquén in Argentinien; f) die nordische odermediterrane Fazies der Kreide-und Tertiärfaunen nördlich vomWendekreis des Steinbocks und g) die südatlantisch-antarktischeFazies des Eozäns (San Jorge-formation) von Patagonien.

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Endlich sind 15. die geographischen Umrisse von Afrika undSüdamerika erstaunlich ähnlich, nicht nur im allgemeinen,sondern sogar in den Einzelheiten; überdies ist, außer im Norden,der Saum von Tertiärablagerungen von geringer Breite und dieAnwesenheit dieser Lager deshalb wenig wichtig.“ —

Von besonderem Interesse ist ein ganz neues Moment in dengeologischen Beziehungen der beiden Kontinente, auf welches duToit zum ersten Male aufmerksam macht. Auf S. 109 sagt er:

„Von allergrößter Wichtigkeit ist aber der Beweis, den dasStudium der Faziesunterschiede innerhalb der einzelnenFormationen liefert, wenn diese innerhalb der Kontinenteuntersucht werden.

Betrachten wir zur Erläuterung den Fall von zwei äquivalentenFormationen, deren eine in Südamerika an oder nahe bei deratlantischen Küste bei A beginnt und nach Westen bis A' reicht,während die andere in Afrika ähnlich nahe der Küste bei B beginntund nach Osten bis B' reicht. Dann läßt sich in mehr als einemsolchen Falle nachweisen, daß die Faziesänderung zwischen A undA' oder zwischen B und B' größer ist als die zwischen A und B,obwohl die ganze Breite des Atlantik zwischen A und B liegt. Mitanderen Worten, diese einzelnen Formationen haben an dengegenüberliegenden Küsten die Tendenz, gleichartiger zu sein alsinnerhalb einer oder auch ihrer beiden heutigen sichtbarenErstreckungen in den betreffenden Kontinenten. Mit derVervielfältigung solcher Beispiele, die sich aus mehr als einergeologischen Epoche anführen lassen, kann eine solcheeigentümliche Beziehung nicht mehr als rein zufällig betrachtetwerden, und folglich muß eine bestimmte Erklärung dafür gesuchtwerden. Eine genauere Untersuchung zeigt ferner, daß dieseunerwartete Tendenz gleich stark hervortritt, ob nun diebetreffenden Formationen marine, Delta-, kontinentale, glaziale,äolische oder vulkanische sind.“

Du Toit gibt in seinem Buche die in Abb. 18 wiedergegebeneKarte, welche die gegenseitige Lage der beiden Kontinente vor derTrennung zeigt. Du Toit hebt hervor, daß man bei derRekonstruktion immerhin einen Zwischenraum von mindestens400 bis 800 km zwischen den heutigen Küsten lassen müsse, wennman den an ihnen zu beobachtenden Faziesunterschieden

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Rechnung tragen will. Ich kann ihm in diesem Punkte nur völligzustimmen. Denn zwischen beiden Küsten muß ja nicht nur Platzfür den vorgelagerten Schelf, sondern außerdem vielleicht auchnoch für das Material der mittelatlantischen Bodenschwellebleiben. Eine genauere Angabe der gegenseitigen Lage der Schollenwird vielleicht möglich werden, wenn die zahlreichenEcholotungen der „Meteor“-Expedition ausgewertet und bearbeitetsein werden. Ich vermute, daß sich auf solchem Wege einähnliches Bild ergeben wird, wie das von du Toit auf Grund dergeologischen Vergleichung gefundene.

Daß die Falklandsinseln, obwohl sie sich vom patagonischenKüstenschelf erheben, keine geologische Verwandtschaft mitPatagonien, wohl aber mit Südafrika zeigen, betrachtet du Toit mitRecht als eine besondere Stütze der Verschiebungstheorie[3].

Abb. 18.

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Frühere relative Lage Südamerikas und Afrikas nach du Toit.

Ich muß gestehen, daß die Lektüre von du Toits Buch einenaußerordentlichen Eindruck auf mich gemacht hat, da ich eine sovollkommene geologische Übereinstimmung der beidenKontinente bisher kaum zu erwarten gewagt hatte.

Wie schon früher gezeigt wurde, muß aus paläontologischenund biologischen Gründen geschlossen werden, daß derFormenaustausch zwischen den Landgebieten Südamerikas undAfrikas in der unteren bis mittleren Kreide erlosch. Damit steht

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nicht im Widerspruch, wenn Passarge [79] annimmt, daß dieRandbrüche von Südafrika schon im Jura gebildet wurden, denndie Spalte öffnete sich nur allmählich von Süden her, und vor allemging ihr wohl die Bildung von Grabenbrüchen längere Zeit voraus.

In Patagonien hatte der Abriß eine eigentümlicheSchollenbewegung zur Folge, die A. Windhausen [80]folgendermaßen beschreibt: „Die neue Umwälzung begann mitregionalen Bewegungen größten Ausmaßes um die Mitte derKreide“, und zwar indem sich die patagonische Landoberfläche„aus einem Gebiet mit ausgesprochener Abdachung zu einemallgemeinen Senkungsfeld umwandelte, das unter dem Einflußarider oder semiarider Bedingungen stand und von Kieswüstenund Sandebenen bedeckt war.“Gehen wir in der Vergleichung der gegenüberliegenden Küsten desAtlantik nach Norden weiter, so findet das am Nordrand desafrikanischen Kontinents gelegene Atlasgebirge, dessen Faltunghauptsächlich ins Oligozän fällt, aber schon in der Kreide begann,auf amerikanischer Seite keine Fortsetzung[4]. Dies stimmt mitunserer, in den Rekonstruktionen dargestellten Annahme überein,daß die atlantische Spalte in diesem Teile schon länger offen war.Es ist zwar möglich, daß sie auch hier irgend einmal ganzgeschlossen gewesen ist, aber die Öffnung muß hier wohl schonvor dem Karbon erfolgt sein. Auch die große Meerestiefe imwestlichen Teile des Nordatlantik läßt sich vielleicht dahin deuten,daß hier der Meeresboden bereits älter ist. Zu beachten ist auch dieGegensätzlichkeit der spanischen Halbinsel mit dergegenüberliegenden amerikanischen Küste, die einen ehemaligenunmittelbaren Zusammenschluß der Küsten sehrunwahrscheinlich macht. Aber ein solcher darf auch nach derVerschiebungstheorie nicht angenommen werden. Denn zwischenSpanien und Amerika liegt das breite untermeerische Massiv derAzoren. Wie ich aus dem ersten transatlantischen Echolotprofilabzuleiten versuchte [37], stellt dies Massiv wahrscheinlich einenniedergebrochenen Trümmerstreifen aus kontinentalem Materialdar, dessen ursprüngliche Breite möglicherweise auf über 1000 kmgeschätzt werden darf.

Daß diese Inseln, ebenso wie die übrigen atlantischen Inseln,in der Tat als Kontinentalbrocken aufzufassen sind, entspricht

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völlig ihrem geologischen Bau. (Fraglich bleibt allerdings, ob sichnicht ein großer Teil ihres Unterbaus und überhaupt dermittelatlantischen Bodenschwelle aus Basalt aufbaut.)

So kommt auch Gagel [81] für die Kanarien und Madeira zudem Schluß, „daß diese Inseln abgesprengte Reste deseuropäischafrikanischen Kontinents sind, von dem sie erst inverhältnismäßig junger Zeit getrennt wurden“.

Im Gebiet der Großen Antillen ist Matley vor kurzem bei dergeologischen Untersuchung der Caymaninseln [105] zu demErgebnis gekommen, daß sich die dortigen Verhältnisse am bestenauf Grund der Verschiebungstheorie erklären lassen: „Erstenshaben alle Großen Antillen, obwohl sie manchmal durchbeträchtliche Entfernungen und ozeanische Tiefen getrennt sind,eine bemerkenswert enge Familienähnlichkeit in ihrem Charakter,ihrer Fazies und den Beziehungen ihrer geologischen Formationenund der Folge ihrer vulkanischen Gesteine. Ihre geologischeGeschichte ist, soweit sie bekannt ist, gleichfalls sehr ähnlich.Diese Faktoren sind nicht nur nicht ungünstig, sondern imGegenteil eine Stütze für die Anschauung, daß diese Inseln frühernäher beieinander gelegen haben, als sie es heute tun. Und weitersind die großen submarinen Senkungen des Karibischen Meeres,wie z. B. die Bartlettrinne (zwischen Jamaika und Kuba), welcheschon Taber als einen Grabenbruch angesprochen hat, so tief, daßes schwierig zu verstehen ist, wie abgesunkene Teile derAntillenlandmasse so tief in die Erdkruste einsinken sollten.“Gewiß nur ein unbedeutendes Detail. Aber aus solchenMosaiksteinchen setzt sich schließlich das großartige Bild derganzen Erdoberfläche zusammen.

Weiter im Norden finden wir in unmittelbarer Folge drei alteFaltungszonen, welche sich von der einen Seite des Atlantik auf dieandere hinüberziehen und wieder sehr auffallende Bestätigungenfür die Annahme eines einstigen unmittelbaren Zusammenhangsliefern.

Am meisten in die Augen fallend sind die karbonischenFaltungen, welche E. Suess das armorikanische Gebirge nennt, undwelche die Kohlenlager Nordamerikas als die unmittelbareFortsetzung der europäischen erscheinen lassen. Dieses heutestark eingeebnete Gebirge zieht sich in Europa, aus dem Innern

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des Kontinents kommend, in bogenförmigem Verlauf zuerst gegenWNW, dann gegen W, um in Südwestirland und der Bretagne einewild zerrissene Küste (sogenannte Riasküste) zu bilden. Diesüdlichsten, Frankreich durchsetzenden Faltenzüge dieses Systemsscheinen in dem vorgelagerten Schelf ganz nach Südenumzubiegen und jenseits der buchförmig sich öffnendenTiefseespalte der Biscaya auf der spanischen Halbinsel ihreFortsetzung zu finden. Suess nannte diese Abzweigung den„asturischen Wirbel“. Die Hauptketten aber setzen offenbar durchdie nördlicheren Teile des Schelfes nach Westen fort, wenngleichdurch die Abrasion der Brandungswoge abgehobelt, und weisenhier, eine Fortsetzung heischend, in den Atlantischen Ozeanhinaus[5]. Diese Fortsetzung auf amerikanischer Seite bilden, wieBertrand zuerst 1887 entdeckte, die Ausläufer der Appalachen aufNeuschottland und dem südöstlichen Neufundland. Hier endigtgleichfalls ein karbonisches Faltengebirge, ebenso wie daseuropäische nach Norden gefaltet, indem es eine Riasküste erzeugtund davor wohl noch den Schelf der Neufundlandbank durchzieht.Seine Richtung, sonst nordöstlich, geht nahe der Abrißstelle in dierein östliche über. Schon nach den bisherigen Vorstellungen nahmman an, daß es sich um ein einziges großes Faltensystem handele,wofür E. Suess die Bezeichnung „transatlantische Altaiden“gebrauchte. Die Verschiebungstheorie bringt hier schon dadurcheine große Vereinfachung, daß die beiden Teilstücke in derRekonstruktion fast zur gegenseitigen Berührung gebracht werden,während man bisher ein versunkenes Mittelstück annehmenmußte, das länger als die uns bekannten Enden wäre, was Penckschon als Schwierigkeit empfand. Auf der Verbindungslinie derAbrißstellen liegen einige vereinzelte Erhöhungen desMeeresbodens, die man bisher als Gipfel der versunkenen Kettebetrachtet hat. Nach unseren Vorstellungen sind es Brocken vomRande der sich trennenden Schollen, deren Loslösung gerade insolchen tektonischen Störungszonen leicht verständlich ist.

In Europa folgen weiter, unmittelbar nördlich sichanschließend, die Faltenzüge eines noch älteren, zwischen Silurund Devon aufgeworfenen Gebirges, welches sich durch Norwegenund Nordengland hindurchzieht. E. Suess nennt es daskaledonische Gebirge. Mit der Frage der Fortsetzung dieser

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Gebirgsfaltung in den „Kanadischen Kaledoniden“ (Termier),nämlich den schon kaledonisch gefalteten kanadischenAppalachen, haben sich Andrée [83] und Tilmann [84] beschäftigt.Es beeinträchtigt natürlich nicht die Übereinstimmung, daß diesekaledonische Faltung in Amerika von der soeben besprochenenarmorikanischen Faltung noch einmal überarbeitet wurde, washüben nur im mittleren Europa (Hohes Venn und Ardennen), abernicht im nördlichen Europa der Fall war. Die Berührungsstückedieser kaledonischen Faltungen dürften in den schottischenHochlanden und Nordirland einerseits und Neufundlandandererseits zu suchen sein.

Wiederum dicht nördlich der kaledonischen Faltung liegt inEuropa das noch ältere (algonkische) Gneisgebirge der Hebridenund Nordschottlands. Diesem entsprechen auf amerikanischerSeite die gleichaltrigen Gneisgebirge von Labrador, welche bis andie Belle-Islestraße nach Süden reichen und sich weit nach Kanadahineinziehen. Die Streichrichtung ist in Europa Nordost-Südwest,in Amerika wechselnd von derselben Richtung bis OstWest.Dacqué [22] bemerkt hierzu: „Daraus kann man folgern, daß dieKette über den Nordatlantischen Ozean hinüberreichte.“ Dasangeblich versunkene Verbindungsglied müßte allerdings nach denbisherigen Vorstellungen eine Länge von 3000 km gehabt haben,auch weist die gerade Verlängerung des europäischen Teiles bei derjetzigen Lage der Kontinente mehrere tausend Kilometer an demamerikanischen vorbei nach Südamerika. Nach derVerschiebungstheorie erfährt auch hier wieder das amerikanischeStück gerade eine solche Querversetzung und zugleich Drehung,daß es unmittelbar an das europäische anschließt und als seineVerlängerung erscheint.

In das soeben betrachtete Gebiet fallen weiter auch dieEndmoränen der großen diluvialen Inlandeiskappen Nordamerikasund Europas. Ihre Ablagerung fällt in eine Zeit, zu derNeufundland bereits von Europa abgerissen war, während imNorden bei Grönland die Schollen noch verbunden waren.Jedenfalls muß Nordamerika damals noch wesentlich näher anEuropa gelegen haben als heute. Trägt man die Moränen in unserefür die Zeit vor der Trennung gültige Rekonstruktion ein, so fügensie sich, wie Abb. 19 zeigt, ohne Lücke oder Knick zusammen, was

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doch sehr unwahrscheinlich wäre, wenn die Küsten zur Zeit derAblagerung schon ihren heutigen Abstand von 2500 km gehabthätten, zumal das amerikanische Ende heute 41/2 Breitengradesüdlicher liegt als das europäische.

Abb. 19.

Grenzen des quartären Inlandeises, eingetragen in die Rekonstruktion fürdie Zeit vor dem Abriß Nordamerikas.

Die bisher angeführten Übereinstimmungen der atlantischenKüsten, nämlich die Faltung des Kapgebirges und der Sierren vonBuenos Aires, ferner die Übereinstimmung der Eruptivgesteine,Sedimente, Streichrichtungen und zahlloser anderer Einzelheitenin den großen Gneistafeln von Brasilien und Afrika, diearmorikanische, kaledonische und algonkische Faltung und diediluviale Endmoräne bilden, wenn auch die Auffassung in gewissen

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Einzelfragen noch unsicher sein mag, in ihrer Gesamtheit einenschwer zu erschütternden Beweis für die Richtigkeit unsererAuffassung, daß der Atlantik als eine erweiterte Spalte zubetrachten ist. Von entscheidender Bedeutung dabei ist derUmstand, daß, obwohl die Zusammenfügung der Schollen aufGrund anderer Erscheinungen, nämlich ihrer Konturen,vorgenommen werden muß, dennoch durch dieseZusammenfügung die jenseitige Fortsetzung einer jeden Strukturgerade mit dem diesseitigen Ende zur Berührung gebracht wird. Esist so, als wenn wir die Stücke einer zerrissenen Zeitung nach ihrenKonturen zusammensetzen und dann die Probe machen, ob dieDruckzeilen glatt hinüberlaufen. Tun sie dieses, so bleibt offenbarnichts weiter übrig, als anzunehmen, daß die Stücke einst wirklichin dieser Weise zusammenhingen. Wenn nur eine einzige Zeileeine solche Kontrolle ermöglichte, so hätten wir schon eine hoheWahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Zusammensetzung.Haben wir aber n Zeilen, so potenziert sich dieseWahrscheinlichkeit noch mit n. Es ist gewiß nicht unnütz, sich klarzu machen, was dies bedeutet. Nehmen wir an, daß wir allein aufGrund unserer ersten „Zeile“, der Faltung des Kapgebirges und derSierren von Buenos Aires, zehn gegen eins wetten können, daß dieVerschiebungstheorie richtig ist. Dann können wir, da im ganzenmindestens sechs solche unabhängigen Kontrollen vorliegen, inKenntnis dieser letzteren bereits 106, d. i. eine Million gegen einswetten, daß unsere Annahmen zutreffen. Diese Zahlen mag mangern für übertrieben halten. Sie sollen nur dazu dienen, zu zeigen,was es zu bedeuten hat, wenn sich die unabhängigen Kontrollenmehren. Nördlich des bisher betrachteten Gebietes gabelt sich dieatlantische Spalte beiderseits von Grönland und wird zunehmendschmaler. Die beiderseitigen Übereinstimmungen verlierendadurch an Beweiskraft, weil ihre Entstehung auch bei der jetzigenLage der Schollen immer leichter erklärbar wird. Dennoch ist esnicht ohne Interesse, die Vergleichung bis zu Ende durchzuführen.Wir finden die Bruchstücke einer ausgedehnten Basaltdecke amNordrande von Irland und Schottland, auf den Hebriden und aufden Färöern; sodann wechselt sie über Island hinüber zurgrönländischen Seite, wo sie namentlich die große, denScoresbysund im Süden begrenzende Halbinsel zusammensetzt

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Abb. 20.

Geologische Karte von Nordwestgrönland, nach Lauge-Koch.

und sich weiter bis 75° Nord die Küste entlangzieht. Auch an derwestgrönländischen Küste finden sich ausgedehnte Basaltdecken.An allen diesen Orten kommen in gleicher Weise Landpflanzenführende Kohlen zwischen zwei basaltischen Lavadecken vor,woraus man auf ehemaligen Landzusammenhang geschlossen hat.Der gleiche Schluß ergibt sich aus der Verteilung der terrestrischendevonischen „Old Red“-Ablagerungen in Amerika von Neufundlandbis New York, in England, Südnorwegen und dem Baltikum, inGrönland und Spitzbergen. Diese Funde geben in ihrer Gesamtheitdas Bild eines zur Entstehungszeit zusammenhängenden,einheitlichen Verbreitungsgebietes, welches heute zerstückelt ist,

— nachden

bisherigen Vorstellungen durch Versinken der Zwischenglieder,nach der Verschiebungstheorie durch Zerbrechen undAuseinandertreiben.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch dasgleichartige Vorkommen ungefalteter karbonischer Ablagerungen

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einerseits in Nordostgrönland auf 81° Nordbreite und andererseitsgegenüber auf Spitzbergen.Auch zwischen Grönland und Nordamerika herrscht die zuerwartende Übereinstimmung im Bau. Bei Kap Farvel undnordwestlich davon treten nach der „Geologie Map of NorthAmerica“ der U. S. Geol. Survey vielfach präkambrischeIntrusivgesteine im Gneis auf, welche man amerikanischerseitsgerade an der entsprechenden Stelle, nämlich auf der Nordseite derBelle-Islestraße, wiederfindet. Beim Smithsund und Robesonkanalim Nordwesten Grönlands besteht die Verschiebung nicht in einemAuseinanderziehen der Spaltenränder, sondern in einerhorizontalen Verwerfung von großen Dimensionen, einersogenannten Blattverschiebung. Grinnell-Land gleitet an Grönlandentlang, wodurch wohl auch die auffallend geradlinige Begrenzungder beiden Schollen erzeugt wird. Diese Verschiebung läßt sich indem in Abb. 20 dargestellten Ausschnitt aus der geologischen Kartevon Nordwestgrönland von Lauge-Koch [85] erkennen, wenn mandie Grenze zwischen Devon und Silur sucht, welche in Grinnell-Land auf 80° 10', in Grönland auf 81° 30' liegt. Auch die vondiesem Autor entdeckte kaledonische Faltung, die sich vonGrönland nach Grinnell-Land hinüberzieht, läßt dieselbeVerschiebung erkennen.

In aller Kürze seien hier noch einige Andeutungen gemacht, inwelcher Weise bei der Rekonstruktion der präatlantischenKontinentalverbindungen vorgegangen wurde. Eine ausführlichereBesprechung der hierbei berücksichtigten Erscheinungen, wiePlastizität der Sialschollen, Schmelzung von unten u. a., wird zwarspäter noch gegeben werden. Allein es ist auch schon bei dergeologischen Vergleichung der Spaltenränder notwendig, einigeshiervon zu erwähnen, um Mißverständnissen vorzubeugen.

In Nordamerika zeigt unsere Rekonstruktion eine Abweichungvon der heutigen Karte insofern, als Labrador stark nachNordwesten gedrückt erscheint. Es wurde angenommen, daß derstarke Zug, der schließlich zum Abreißen Neufundlands von Irlandführte, vor dem Abriß eine Dehnung und oberflächliche Zerreißungder beiderseitigen Schollenteile bewirkte. Auf der amerikanischenSeite wurde nicht nur die neufundländische Scholle (einschließlichder Neufundlandbank) herausgebrochen und um etwa 30° gedreht,

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sondern ganz Labrador sackte bei dieser Gelegenheit nachSüdosten, so daß der vorher geradlinige Grabenbruch St.Lorenzstrom—Belle-Islestraße seine jetzige S-förmige Biegungerhielt. Auch die Flachmeere der Hudsonbai und der Nordseedürften bei dieser Zerrung entstanden oder vergrößert sein. DerNeufundlandschelf erfährt also eine zweifache Korrektion derLage, nämlich eine Drehung und eine Verschiebung nachNordwest, und paßt sich dadurch der Schelflinie bei Neu-Schottland besser an, über die er gegenwärtig weit hinausragt.

Island wird zwischen einer Doppelspalte gelegenangenommen, worauf die heutige Tiefenkarte seiner Umgebunghinzudeuten scheint. Vielleicht entstand hier zuerst zwischen demgrönländischen und dem norwegischen Gneismassiv eine Spalte(Grabenbruch), die sich dann teilweise mit geschmolzenenSialmassen von der Unterseite der Schollen anfüllte. Da die Spalteaber im übrigen, wie heute das Rote Meer, mit Sima gefüllt war, sokonnte eine erneute Zusammenpressung der Schollen die Wirkunghaben, daß diese Simafüllung unten von ihrer Verbindung mit dentieferen Regionen abgeschnitten und nach oben heraufgepreßtwurde und so die großen Basaltüberschwemmungen schuf. Daßdies gerade im Tertiär stattfand, erscheint besonders plausibel;denn durch die tertiäre Westwanderung Südamerikas mußte auchauf Nordamerika ein Drehungsmoment übertragen werden,welches sich, solange die Verankerung durch die von Irland nachNeufundland hinüberreichenden Ketten hielt, nördlich davon ineiner Zusammenpressung äußern mußte.

Es sei in diesem Zusammenhang auch ganz kurz dermittelatlantischen Bodenschwelle gedacht[6]. Die Auffassung vonHaug, welcher den ganzen Atlantik als eine riesige „Geosynklinale“und die mittelatlantische Schwelle als den Beginn der Faltungdieser Geosynklinale betrachten will, ist heute wohl allgemein alsunzureichend erkannt. Wir verweisen hier nur auf Andrées Kritik[16]. Nach meinem Dafürhalten handelt es sich bei dieser Schwellejedenfalls um Abfallprodukte bei der Trennung der Schollen. Mankann hierbei annehmen, daß statt einer einheitlichen Spalte einnetzartiges Geflecht von Spalten entstand, also einTrümmerstreifen, dessen Teile, weil ihre Unterlage sich auszogund verflachte, größtenteils unter den Meeresspiegel versanken.

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Da, wo die heutigen Ränder nicht mehr gut zueinander passen,mag diese Zertrümmerungszone von beträchtlicher Breite gewesensein.

So wurde oben erwähnt, daß das Gebiet der Azoren einemZertrümmerungsstreifen entspricht, der ursprünglichschätzungsweise über 1000 km breit gewesen sein mag. Dies istfreilich ein Ausnahmefall, an den meisten Stellen ist diemittelatlantische Schwelle viel schmaler. Aus der von du Toitgegebenen Abb. 18 würde man, bei Berücksichtigung der heutigenRandschelfe, nur auf einen Zertrümmerungsstreifen von einigenhundert Kilometern schließen, stellenweise mag er noch schmalergewesen sein; damit stimmt der Umstand, daß die Schollenränderhier noch heute auffallend kongruent sind, wenn man von einigenStörungen, wie die Abrolhosbank oder den Vorsprung an derNigermündung, absieht. Unsere Rekonstruktionskarten Abb. 4 und5 sind insofern schematisch, als sie auf diesen schwerabzuschätzenden Zertrümmerungsstreifen vielleicht nichtgenügend Rücksicht nehmen. Aber ob es jemals gelingen wird, dieRekonstruktion in solchen Details exakt durchzuführen, muß wohleinstweilen dahingestellt bleiben; denn wenn man auch das Profildes atlantischen Meeresbodens völlig genau kennte, so bliebe dochunklar, ein wie großer Teil dieser Massen aus Basalt besteht undursprünglich unter den beiden heutigen Kontinentalschollen ihrenPlatz gehabt hat und erst beim Trennungsprozeß durch „Ziehen“des Materials unter diesen herausgezerrt wurde oderherausgeflossen ist. Dieser Teil dürfte aber bei der Rekonstruktionnicht berücksichtigt werden.

Weniger als über die atlantische Spalte ist in geologischerHinsicht über die anderen von uns angenommenenKontinentalzusammenhänge zu sagen.

Madagaskar besteht wie das benachbarte Afrika aus einer Tafelgefalteten Gneises mit nordöstlicher Streichrichtung. An derAbrißlinie sind beiderseits identische marine Sedimente abgelagert,welche andeuten, daß seit der Trias beide Länder durch einenüberschwemmten Grabenbruch getrennt waren, was auch diemadagassische Landfauna verlangt. Aber noch in der Mitte derTertiärzeit, als Indien bereits abgerückt war, sind nach Lemoine[87] zwei Tiere, der Potamochoerus und der Hippopotamus, von

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Afrika eingewandert, die, wie Lemoine meint, höchstens einenMeeresarm von 30 km Breite durchschwimmen konnten, währendjetzt der Kanal von Mozambique gut 400 km breit ist. Erst nachdieser Zeit kann sich also die madagassische Scholle auchuntermeerisch von Afrika losgerissen haben, wodurch sich derweite Vorsprung erklärt, den Vorderindien in der Verschiebungnach Nordosten gegenüber Madagaskar bekommen hat.Ein nicht unwesentliches Moment im Bau von Afrika sind diemeist nordsüdlich verlaufenden und besonders in Ostafrikaausgebildeten Brüche. Evans hat in einer interessantenUntersuchung über Erdgebiete mit Zug [107] unter manchemanderen, was für die Verschiebungstheorie spricht, besondersdiesen Punkt betont: „Vieles von der Struktur des afrikanischenKontinents muß noch bestimmt werden; aber soweit sie bekanntist, scheint sie die Ansicht zu stützen, daß überall das Vorwalteneines Zuges zu erkennen ist, der vom Zentrum nach außengerichtet ist. Dies ist in Übereinstimmung mit WegenersAuffassung, daß es zu Beginn der mesozoischen Zeit einen großen,Urkontinent’ gab, dessen Zentrum Afrika war, und daß er seitdemaufgebrochen ist durch eine relative Bewegung Südamerikas nachWesten, Westantarktikas nach Südwest, Indiens nach Nordost,Australiens nach Ost und Ostantarktikas nach Südost[7].

Auch Vorderindien ist eine flache Tafel aus gefaltetem Gneis.Die Faltung wirkt noch heute formengebend in dem uraltenArvalligebirge im äußersten Nordwesten (am Rande der WüsteTharr) und in den gleichfalls sehr alten Koranabergen. Nach Suessweist sie im ersteren nach N 36° O, in letzteren nach Nordost.Beide Richtungen stimmen also hinreichend mit der afrikanischenund madagassischen Streichrichtung überein, zumal nach dergeringen, bei der Rekonstruktion nötigen Drehung Indiens.Übrigens tritt auch hier daneben eine etwas jüngere, aber immernoch alte Faltung in den Ghats von Nellore oder demVellakondagebirge auf, welche von Nord nach Süd streicht undwohl mit der gleichfalls jüngeren nordsüdlichen Streichrichtung inAfrika gleichzusetzen ist. Die Diamantvorkommen in Indienschließen sich an die von Südafrika an. In unserenRekonstruktionen ist angenommen, daß die indische Westküstemit der Ostküste Madagaskars zusammengehangen hat. Beide

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Küsten bestehen aus einem auffällig geradlinigen Abbruch einesGneisplateaus, der den Gedanken nahelegt, sie könnten nach derSpaltenbildung aneinander entlang geglitten sein, ähnlich wieGrinnell-Land und Grönland. Am nördlichen Ende dieses anbeiden Küsten etwa 10 Breitengrade langen Abbruches tretenbeiderseits Basalte auf. In Indien ist es die bei 16° Nordbreitebeginnende Basaltdecke des Dekans, die aus dem Beginn desTertiärs stammt und deshalb vielleicht in ursächlichenZusammenhang mit der Ablösung gebracht werden darf. Und aufMadagaskar ist der nördlichste Teil der Insel ganz aus zweiverschieden alten Basalten aufgebaut, deren Entstehungszeitanscheinend noch nicht ermittelt ist.Die riesigen, wesentlich im Tertiär gebildeten Falten desHimalajagebirges bedeuten den Zusammenschub eineserheblichen Stückes der Erdrinde, durch dessen Rekonstruktiondie Umrisse des asiatischen Kontinents ganz andere werden.Wahrscheinlich nahm das ganze östliche Asien über Tibet und dieMongolei hinweg bis zum Baikalsee und vielleicht sogar bis zurBeringstraße an dem Zusammenschub teil. Die neuerenUntersuchungen haben gezeigt, daß die jungen Faltungsvorgängekeineswegs nur auf den Himalaja selbst beschränkt sind, sondernz. B. noch im Gebirge Peters des Großen eozäne Schichten bis 5600m Seehöhe emporgefaltet und im Tienschansystem großeÜberschiebungen erzeugt haben [88]. Aber auch da, wo solcheFaltungserscheinungen fehlen, steht die junge Erhebungungefalteten Landes gleichfalls in enger Verbindung mit diesemFaltungsprozeß. Die gewaltigen Massen sialischen Materials,welche bei der Faltung in die Tiefe gesenkt werden, müssen dort

Abb. 21.

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Der lemurische Zusammenschub.

schmelzen und sich ausbreitend die angrenzenden Schollenteileunterlagern, wodurch diese gehoben werden müssen. Beschränkenwir uns in unserer Betrachtung auf die höchste, im Mittel etwa4000 m über dem Meere liegende Region der asiatischen Scholle,die in der Schubrichtung 1000 km mißt, und nehmen wir (trotz dergrößeren Höhe!) nur eine gleiche Verkürzung wie bei den Alpen,nämlich auf den vierten Teil ihrer ursprünglichen Erstreckung an,so erhalten wir eine Verschiebung Vorderindiens um 3000 km, sodaß es vor dem Zusammenschub neben Madagaskar gelegen habenmuß. Für eine versunkene Lemuria im alten Sinne bleibt keinPlatz.

Die Spuren dieses riesigen Zusammenschubs sind auch rechtsund links von der ziemlich schmalen Schubzone noch zu erkennen.

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Die Loslösung Madagaskars von Afrika, das ganze System jungerGrabenbrüche in Ostafrika, zu dem auch das Rote Meer und dasJordantal gehört, bilden Teilerscheinungen in diesem Bilde. DieSomalihalbinsel dürfte etwas nach Norden herumgeschleppt seinund die Aufpressung des abessinischen Gebirges hiermitzusammenhängen; die hier nach unten über die Schmelzisothermehinaus versenkten Sialmassen flössen unter der Scholle nachNordosten, um hier im Winkel zwischen Abessinien und derSomalihalbinsel herauszuquellen. Auch Arabien spürte noch denZug nach Nordosten und hat die Ausläufer des Akdargebirges wieeinen Sporn in die persischen Gebirgsketten hineingedrängt. Diefächerförmige Scharung der Bergketten des Hindukusch-undSoleimangebirges deutet an, daß hier die westliche Grenze desZusammenschubs erreicht ist; ihr getreues Spiegelbild tritt aucham Ostrand desselben auf, wo die Bergketten von Burma aus derdurch Annam, Malakka und Sumatra vorgezeichneten Richtungheraus bis zur Nordsüdrichtung herumgeschleppt werden. Dasganze östliche Asien ist wohl noch von diesem Zusammenschubbetroffen worden, der seine westliche Begrenzung in demgestaffelten Faltensystem zwischen Hindukusch und Baikalsee unddessen Fortsetzung bis zur Beringstraße findet, während dieOstgrenze durch die bauchigen Küstenformen mit denInselgirlanden Ostasiens gebildet wird.

Abb. 22.

Meridianschnitt durch den lemurischen Zusammenschub, nachArgand.

1 = Lemurien (Indien); 2 = Asien.

Auf den ersten Blick könnten diese Ansichten vielleicht

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phantastisch erscheinen, aber sie werden durch die neuerenUntersuchungen der Gebirgstektoniker durchaus bestätigt.Insbesondere gilt dies für die 1924 erschienene großzügigeUntersuchung Argands über die Tektonik Asiens [20].

Wir geben in Abb. 22 eine seiner Darstellungen wieder, welcheseine Auffassung von dem großartigen ZusammenschubHochasiens erläutert. Sie stellt einen Meridionalschnitt von Indienbis zum Tienschan dar, gedacht für den Schluß der Tertiärzeit;schraffiert bedeutet das tragende Sima, weiß die Sialschollen,punktiert die aus der Tethys hervorgegangenen Produkte. Die vomSial mitgerissenen basischen (Sima-) Gesteine sind angedeutet.Die Pfeile geben die relative Bewegung. In der Hauptsache hättenwir es also hier mit einer riesigen Überschiebung zu tun, beiwelcher die Sialscholle Lemuriens unter die asiatische Schollehinuntergeschoben ist.

Abb. 23.

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Tektonische Karte des Gondwanalandes, nach Argand.

1 = vorherrschend Sima; 2 = Gebiete, in denen die antiklinale Grundhaltung überwiegt; I,II,III = die drei Zweige der inneren Virgation der Gondwanascholle; 3 =

Kulminationsachsen der Grundfalten; 4 = Senkungsachsen der Grundfalten; 5 =Verbindungen, a, b, c = afrikanisches, arabisches, indisches Vorgebirge des

Gondwanalandes.

Von den weiteren Darstellungen, die sich in dem wichtigenWerke befinden, geben wir nur noch Abb. 23 wieder, welcheanschaulich zeigt, wie vollständig die Ergebnisse dieseshervorragenden Tektonikers mit denen der Verschiebungstheorieübereinstimmen. Argand macht u. a. auf folgendeEigentümlichkeit aufmerksam. Betrachtet man die drei Züge derGrundfaltengebiete I, II, III, die Argand als eine große Virgationauffaßt, so zeigen die einzelnen Züge eine den Anden Südamerikasähnliche, aber nach Osten abnehmende Krümmung. Argand

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schließt (S. 317 bis 318): „Ein plastischer Stoß, der von Westen kamund sich dem ganzen Hauptgefüge von Gondwanaland mitteilte,hat sich quer durch die Kontinentalmasse bemerkbar gemacht, undseine Wirkung auf die Linienführung ist langsam nach Ostenabgeklungen.“ Wie bei allen Grundfalten, habe man auch hier fürdie Erklärung die Reibung am unten liegenden Sima und die innereDeformation des Sials zu berücksichtigen; dazu kam hier, „vor deratlantischen Spaltung, der Widerstand des pazifischen Simas vordem nach Westen treibenden Gondwana, d. i. an der Vorderseitedessen, was jetzt Südamerika ist… Vergeblich würde manversuchen, ohne solchen Kräftezusammenhang zwischen denAnden und dieser Virgation alle diese Homologien zu erklären…Die Existenz andiner Bewegungen nördlich vom Tanganikagebiet,die durch die Diskordanz der mittleren Kreide über Juraschichtenbezeugt wird, zeigt, daß dieser Kräftezusammenhang, weit davon,illusorisch zu sein, mindestens die ganze Breite der nochmiteinander zusammenhängenden Schollen von Südamerika undAfrika umfaßte.“ Noch auf ein anderes Ergebnis Argands muß hierhingewiesen werden. Er hat für die Hauptfaltungszonen denFaltungsbetrag der Grundfalten bestimmt; auf die Methodeeinzugehen, ist hier nicht der Ort. Das Ergebnis drückt er inTonnage pro Längeneinheit aus. Er unterscheidet ferner dieTonnage der Grundfalten (im Sial) und die der „neuen Ketten“, diefür Energiebetrachtungen von geringerer Bedeutung sind. So findeter auf statistischem Wege, daß im mediterranen Faltenzug (Alpen—Himalaja) die „Tonnage“ stark schwankt, im Gegensatz zumzirkumpazifischen Faltenzug. Insbesondere hat der enormezentralasiatische Zusammenschub keine Parallele am pazifischenUfer. Weiter ist die „Tonnage“ an der nordamerikanischenWestküste sehr viel größer als an der Ostküste Asiens. Und drittensist die Tonnage der neuen Ketten in Ostasien absolut und relativgrößer als in Nordamerika, wo sie fast ganz fehlt, wodurch dieUnterlegenheit Ostasiens hinsichtlich des Faltungsbetrages nochunterstrichen wird.

Das erste Resultat, die große Variabilität im Ausmaß derFaltung in der mediterranen Faltungszone, erklärt Argand durchdie Heterogenität der Sialschollen, die sich hier begegnen.„Umgekehrt zeugen die schwachen Schwankungen der Tonnage im

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zirkumpazifischen Gebiet von der Anwesenheit oder demVorherrschen eines homogeneren und nachgiebigeren Materialsunter dem Stillen Ozean, als es die stark heterogenen und stetssehr widerstandsfähigen Kontinentalblöcke sind.“… „DieVerschiebungstheorie trägt ohne Schwierigkeit den Tatsachen derVerteilung der Tonnage und deren unmittelbaren DeutungenRechnung. Für sie ist das relativ homogene und nachgiebigeMaterial des Pazifik das Sima… Die Verschiebungstheorie erklärtleicht die zweite und dritte Gruppe von Tatsachen, in denen sichdie energetische Unterlegenheit Ostasiens gegenüber Amerikaäußert. Sie läßt Vorgänge der Vorderseite zu, welche das Sial untergewissen Bedingungen gegen das Sima pressen und falten, undVorgänge der Rückseite, die aus einem Rückzug des Sials bestehen,wodurch eine mehr oder minder vollständige Unterbrechung derFaltenbildung bedingt wird, mit den Wirkungen des Zuges:gezerrte Brüche, knopflochähnliche Zerreißungen, die Randmeerebilden, Zurücklassung von Gebirgszügen, die von da ab in der Spurdes Kontinents nachschleppen als mehr oder weniger abgelösteGirlanden, während das Sima, gezwungen, sich neuenBedingungen anzupassen, hinter der Scholle aufsteigt. Durch dieVerspätung, mit der sich dieses Aufsteigen vollzieht, entstehen dietiefen Furchen, aus denen die klassische Auffassung Vortiefenmacht. Da die Verschiebungstheorie verlangt, daß die Vorgänge derVorderseite überwiegend am Westrand von Amerika und die derRückseite lange Zeit in Ostasien stattgefunden haben, so erklärtsich das Übergewicht des ersteren über das letztere an Tonnagevon selbst.“

„Die Eleganz, mit der die Verschiebungstheorie diesebedeutsamen Tatsachen erklärt, die zur Zeit ihrer Aufstellung nichtbekannt waren, ist gewiß ein starkes Zeugnis zu ihren Gunsten.Strenggenommen beweist zwar keine dieser Tatsachen dieVerschiebungstheorie oder auch nur das Vorhandensein des Simas,aber sie alle stimmen vorzüglich zu beiden, bis zu einem Grade, dersie sehr wahrscheinlich macht.“

Soweit Argand, der, wie man sieht, in dieser Arbeit über dieTektonik Asiens auch die Hauptzüge des ganzen Erdantlitzes inBetracht zieht.

Eine genaue geologische Vergleichung würde sich auch für die

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Ostküste Vorderindiens und die Westküste Australiens verlohnen,denn diese Küsten oder besser Schelfränder haben nach unsererAnnahme bis etwa zur Jurazeit unmittelbar zusammengehangen.Aber bisher ist ein solcher Vergleich von geologischer Seiteanscheinend noch nicht durchgeführt worden. Die OstküsteVorderindiens stellt einen jähen Abbruch des Gneisplateaus dar.Eine Unterbrechung erfährt dies nur durch das grabenartigschmale Kohlengebiet des Godavari, welches aus den unterenGondwanaschichten besteht. Die oberen Gondwanaschichtenliegen, der Küste folgend, diskordant quer über seinem Ende. AuchWestaustralien bildet eine ähnliche Gneistafel mit welligerOberfläche wie Vorderindien und Afrika. Sie fällt längs der Küstemit einem langen Steilrande, der „Darling Range“ und ihrernördlichen Fortsetzung zum Meere ab. Vor dem Steilrand liegt einabgesunkener Streifen flachen Landes, der aus paläozoischen undmesozoischen Schichten aufgebaut und an wenigen Stellen vonBasalten durchbrochen ist, und vor diesem wieder ein schmaler,bisweilen ganz verschwindender Gneiszug an der Küste. Diegenannten Sedimente enthalten am Irvinflusse auch einKohlengebiet. Die Streichrichtung der Gneisfaltung ist inAustralien überall meridional gerichtet und würde also beiAngliederung an Vorderindien in Nordost-Südwest verwandelt undsomit parallel zur dortigen Hauptrichtung werden.

Im Osten Australiens verlaufen die wesentlich im Karbongefalteten australischen Kordilleren längs der Küste von Südennach Norden, um hier in einem staffelförmig nach Westenzurückweichenden Faltensystem, dessen einzelne Falten immergenau nordsüdlich verlaufen, zu endigen. Ebenso wie bei denstaffelförmigen Falten zwischen Hindukusch und Baikalsee zeigtdies die seitliche Grenze des Zusammenschubs an; die riesenhafteAndenfaltung, welche in Alaska beginnend durch vier Erdteilehindurchstreicht, erreicht hier ihr Ende. Die westlichsten Kettender australischen Kordilleren sind die ältesten, die östlichsten diejüngsten. Tasmanien bildet eine Fortsetzung dieses Faltensystems.Interessant ist im Bau des Gebirges die spiegelbildliche Ähnlichkeitmit den südamerikanischen Anden, wo wegen der Lage jenseits desPoles die östlichsten Ketten die ältesten sind. Indessen fehlen inAustralien die jüngsten Ketten. Suess findet sie in Neuseeland

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Abb. 24.

Sprengung der Inselketten durch Neuguinea, schematisch.

wieder [12]. Die Faltung reicht freilich auch hier nicht bis insTertiär: „Nach Ansicht der meisten neuseeländischen Geologenfällt die Hauptfaltung der maorischen Gebirgskette in die Zeitzwischen Jura und Kreide.“ Vorher war fast alles vom Meerebedeckt, erst die Faltung „verwandelte die neuseeländische Regionin eine Landmasse“. Oberkreide und Tertiär liegen meist randlichund ungefaltet. Und zwar gibt es Kreideablagerungen auf derSüdinsel nur an ihrer Ostküste, nicht an der Westküste. Im Tertiärerfolgte der „Abbruch der Westküste“, „denn die tertiärenMeeresablagerungen finden sich auch an dieser“. Im Jungtertiärendlich entstanden noch weitere, freilich geringere Faltungen,Verwerfungen und Überschiebungen, die dem Gebirge seineheutigen Formen gaben (Wilckens [89]).Nach der

Verschiebungstheorie erklärt sich dies alles dadurch, daßNeuseeland früher den Ostrand der australischen Scholle bildete,so daß seine Hauptfaltung sich an die australischen Kordillerenanschließt. Als die neuseeländischen Ketten sich aber als Girlandeablösten, erlosch auch der Faltungsvorgang. Die jungtertiäreStörung kann wohl mit dem Vorbeiziehen und Abwandern deraustralischen Scholle im Zusammenhang stehen. Von diesenletzten Bewegungen Australiens erzählt uns namentlich dieTiefenkarte der Umgebung von Neuguinea mancherleiEinzelheiten. Die große australische Scholle drängt sich, wie Abb.24 schematisch erläutert, mit ihrem amboßartig verdicktenvorderen Ende, dem zu einem hohen jugendlichen Gebirgeaufgefalteten Neuguinea nebst Schelf, von Südosten kommend,zwischen die Ketten der südlichsten Sunda-Inseln und des

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Bismarck-Archipels. Betrachten wir auf der Tiefenkarte Abb. 25[8]

die beiden südlichsten Reihen der Sunda-Inseln; die westöstlichstreichende Kette Java—Wetter biegt sich am Ende spiralig überdie Banda-Inseln zur Siboga-Bank nach Nordost, Nord, Nordwest,West, Südwest. Die ihr vorgelagerte Timorkette bezeugt schondurch ihre gestörte, wechselnde Richtung die Kollision mit demaustralischen Schelf, für die H. A. Brouwer auch die geologischeBeweisführung im einzelnen gegeben hat [90]. Diese Kette wirdweiterhin in einer ähnlichen energischen Spirale bis Buruzurückgebogen. Eine interessante Einzelheit, der Brouwer eineSonderpublikation widmet [112], sei hier angeführt: Die innereKette ist im allgemeinen mit noch heute tätigen Vulkanen besetzt;nur auf der Strecke zwischen den beiden Inseln Pantar undDammer (exklusive) ist der früher auch hier tätige Vulkanismusjetzt erloschen. Das ist aber gerade die Partie, gegen welche dieäußere Kette am Nordrand von Timor durch den australischenSchelf gepreßt wird, so daß hier der sonst überall wohl nochweitergehende Biegungsvorgang aufgehoben wird. DieseVerhältnisse passen ausgezeichnet zu der Vorstellung einerKollision mit der australischen Scholle und sind zugleich sehrlehrreich für die Frage nach der Entstehung des Vulkanismusdurch den bei der Biegung der Ketten auftretenden Druck.

Abb. 25.

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Tiefenkarte der Umgebung von Neuguinea.

Eine sehr interessante Ergänzung zu diesem Kollisionsvorgangsieht man auf der Ostseite Neuguineas: Von Südosten kommend,hat dies die Inseln des Bismarck-Archipels gestreift, dabei die InselNeupommern an ihrem früheren Südostende erfaßt und mit sichgeschleppt, die lange Insel um mehr als 90° herumdrehend undhalbkreisförmig biegend. Eine tiefe Rinne blieb hinter ihr zurückund bezeugt die Gewaltsamkeit dieses Vorganges, da das Sima sienoch nicht wieder auszufüllen vermocht hat.

Es wird manchem kühn erscheinen, solche Schlüsse allein ausder Tiefenkarte zu ziehen. Aber diese erweist sich fast überall alszuverlässiger Wegweiser für die Schollenbewegungen namentlichder letzten Zeiten.

Auch im Sunda-Archipel weisen zahlreiche Einzelergebnisseauf die Richtigkeit unserer Anschauungen hin. So erklärte z. B.Wanner [96] die tektonisch unerwartete Tiefsee zwischen Buruund Sula Besi dadurch, daß ersteres sich um 10 km horizontalverschoben habe, was sich gut in unsere Vorstellungen einfügenläßt. G. A. F. Molengraaff [97] gibt eine Karte der Sunda-Inseln, inwelcher das Gebiet mit um mehr als 5 m gehobenen Korallenriffeneingetragen ist. Dies Gebiet deckt sich überraschend mit dem, inwelchem nach der Verschiebungstheorie die Sialmassen durchZusammenschub sich verdicken müssen, es ist nämlich, abgesehenvon der Südwestküste Sumatras und Javas, das ganze vor deraustralischen Scholle liegende Gebiet bis Celebes einschließlich,sowie die Nord-und Nordwestküste von Neuguinea. Nach Gagel[98] gibt es in Neuguinea am Kap König Wilhelm und nach Sapper[99] auch auf Neu-Pommern ganz junge Terrassen, die 1000, 1250,ja vielleicht fast 1700 m gehoben sind. Diese sehr auffallendeErscheinung deutet jedenfalls auch darauf hin, daß hier in jüngsterZeit ganz gewaltige Kräfte zur Äußerung kamen, und paßt somitgut zu unserer Vorstellung von der Kollision dieser Teile.

Da gerade bei den Sunda-Inseln die Folgerungen aus derVerschiebungstheorie auf den ersten Blick so phantastischanmuten, ist es gewiß beachtenswert, daß die holländischenGeologen, die im Sunda-Archipel arbeiten, mit die ersten waren,die sich auf den Boden der Verschiebungstheorie gestellt haben,allen voran Molengraaff, der schon 1916 für sie eintrat [91], später

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auch van Vuuren [92], Wing Easton [93], Escher [95] undneuerdings ganz besonders Smit Sibinga [94], der eine vollständigeDarstellung der geologischen Entwicklung des Sunda-Archipelsvom Standpunkt der Verschiebungstheorie aus gegeben hat, wobeier auch zu einer Lösung der alten Frage nach der Entstehung dereigenartigen Formen von Celebes und Halmahera gelangt. Erkommt zu dem Schluß: „Die kleinen Sunda-Inseln, Celebes und dieMolukken stellen ursprünglich vom Sunda-Land abgetrennteRandketten dar, die zuerst eine normale doppelte Randkettebildeten und danach infolge eines Zusammenstoßes mit demaustralischen Kontinent ihre heutige Form erhielten.“ Wir gebenhier den Schlußabschnitt seiner Untersuchung in der Übersetzungwieder:

„In einem letzten Abschnitt wollen wir punktweise auf einigegeologische Tatsachen und Eigentümlichkeiten im Molukken-Archipel hinweisen, welche erklärt oder besser erklärt werdenkönnen durch die oben entwickelte, auf Taylors und WegenersGrundgedanken basierte Arbeitshypothese als auf andere Weise.“

„1. Sie erheischt nicht das Absinken früherer Landmassen zuozeanischen Tiefen, um das heutige Relief, den Prozeß derGebirgsbildung und das Verschwinden früherer Landverbindungenzu erklären, mit anderen Worten, sie ist in Übereinstimmung mitder Isostasielehre.“

„2. Sie erklärt die heutige Konfiguration auf eindeutige undmechanisch logische Weise durch den Zusammenstoß einerursprünglichen doppelten Molukkenkette mit dem australischenKontinent.“

„3. Sie gibt eine Erklärung für die eigenartige, für eineGeantiklinale sehr ungewöhnliche und unerklärliche S-Form desNordarmes von Celebes. Auch diese wird durch den vomaustralischen Kontinent ausgehenden Druck verursacht, der dieTimor-Ceramkette bis nach Celebes herübergeschoben hat, wobeidie Kette zwischen Buru und den Sula-Inseln zerbrochen(eingedrückt) wurde.“

„4. Sie gibt eine ungezwungene Lösung für die merkwürdigeForm der das Bandabecken kreisförmig umschließendenInselketten als „eingedrückte Kette“. Wir setzten oben schonausführlich die unhaltbaren Folgerungen auseinander, zu denen

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die Kontraktionstheorie hier führt.“„5. Sie erklärt die Divergenz der Transversalbrüche in der

Timor-Ceramkette von dem Bandabecken aus als Folge davon, daßdiese Kette in den Angriff des australischen Kontinents einbezogenwurde, eine Erscheinung, die vom Standpunkt derKontraktionstheorie aus unerklärlich ist.“

„6. Sie macht die abnormen tertiären Streichrichtungen in derAußenkette begreiflich, weil sie entstanden, als die Kette noch ihreursprüngliche Form hatte, also vor ihrer Eindrückung.“

„7. Sie läßt die gebirgsbildende Kraft vom australischen[9]

Kontinent ausgehen und erklärt dadurch, warum gerade dieAußenkette, welche mit diesem Kontinent in unmittelbareBerührung kam, so viel intensiver gefaltet und überfaltet wurde alsdie Innenkette, Celebes und die Halmaheragruppe. Die Innenkettekam eben niemals in Berührung mit Australien; nach Celebeswurden diese gebirgsbildenden Kräfte erst über die Außenkette alsMittelglied übertragen und mußten demgemäß an Intensitäteinbüßen; die Halmaheragruppe erreichte noch fast den gleicheninnigen Kontakt, der zwischen Australien und der Außenkettebestanden hat. Nimmt man dagegen einen aus dem Bandabeckenhervorgehenden Tangentialdruck an, so sollte man die intensivsteGebirgsbildung in der Innenkette und auf Ost-Celebes erwarten.“

„8. Bei der Erklärung der Gebirgsbildung vermeidet sie dieKonstruktion eines Vorlandes mit geologisch wie zoologischheterogenen Elementen.“

„9. In dem Zerreißen der Außenkette zwischen den TukangBesi-und Banggai-Inseln und der dadurch verursachten Aufhebungder Spannung läßt sich eine Erklärung finden für dieUnterbrechung der Gebirgsbildung im Unterpliozän, die dann aufsneue, wenn auch weniger intensiv, einsetzte, als im Oberpliozänder Kontakt mit Celebes erreicht wurde.“

„10. Sie gibt eine annehmbare Erklärung für den auffallendengeologischen Unterschied zwischen Celebes westlich und Celebesöstlich der Boni-Posso-Depression. Das Erlöschen des aktivenVulkanismus in Zentral-Celebes und sein Wiedereinsetzen indessen Nordarm lassen sich auf die gleiche Weise erklären wie dieUnterbrechung des aktiven Vulkanismus zwischen Panter undDammer (Brouwer), nämlich durch Hineindrängen der Außenkette

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(Ostcelebes) in die Innenkette (Westcelebes).“„11. Das stratigraphische Bild des östlichen Teiles des

ostindischen Archipels wird eindeutiger und übersichtlicher. Seitdem jüngsten Paläozoikum dringt eine intermittierendeTransgression bis zu neogenen Zeiten immer weiter in dasSundaland hinein, in naher Verbindung mit einer gleichzeitigenBildung und Abscheidung von Randketten. Aus einemGeosynklinalstreifen, der vor dem Rande des mesozoischenSundalandes lag, entwickelte sich die Außenkette, aus einemanderen Streifen, der vor dem Rande des tertiären Sundalandes lag,entstand weiter im Frühmiozän die Innenkette, wobei dieRandketten, die aus der in der Hauptsache neogenenGeosynklinale aufgefaltet waren, noch mit dem Sundalandvereinigt blieben.“

„12. Sie ermöglicht eine mehr befriedigende Erklärung derVerbreitung der Fauna in den Molukken. Sie fordert an früherenLandverbindungen eine Brücke zwischen Philippinen, Molukkenund Java und eine Verbindung zwischen der Halmaheragruppe undNordcelebes, welche gerade auch von den Zoogeographenangenommen werden.“

Wie man sieht, ist die Verschiebungstheorie auf diesem sehrschwierigen Gebiet der Erde bereits vollkommen zumHandwerkszeug des Fachgeologen geworden.

Zwei unterseeische Rücken verbinden Neuguinea undNordostaustralien mit den beiden neuseeländischen Inseln undscheinen den Weg der Verschiebung zu weisen, vielleicht als durchZiehen verflachte und darum abgesunkene ehemalige Landgebiete,teilweise wohl auch als geschmolzene, zurückgebliebene Massenvon der Unterseite der Scholle.

Über die Verbindung Australiens mit Antarktika läßt sichwegen unserer Unkenntnis des letzteren Kontinents nur wenigsagen. Ein breiter Streifen tertiärer Sedimente begleitet die ganzeSüdkante Australiens und zieht sich durch die Baßstraße hindurch,findet sich aber dann erst auf Neuseeland wieder, während dieOstküste Australiens frei von ihnen ist. Vielleicht hat also imTertiär schon ein überschwemmter Grabenbruch Australien vonAntarktika getrennt, vielleicht auch schon, mit Ausnahme destasmanischen Ankers, Tiefsee. Allgemein wird angenommen, daß

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sich der tasmanische Bau nach dem antarktischen Viktorialandfortsetzt. Andererseits schreibt Wilckens [89]: „Der südwestlicheBogen des neuseeländischen Faltengebirges (der sogenannteOtagosattel) erscheint an der Ostküste der Südinsel jähabgeschnitten. Dies Ende ist nicht natürlich, sondern beruht wohlzweifellos auf einem Abbruch. Die Fortsetzung des Gebirges kannnur in einer Richtung gesucht werden, in der auf die Kordillere desGrahamlandes, die ,Antarktanden’.“

Erwähnt sei noch, daß in ähnlicher Weise auch das Ostendedes Kapgebirges in Südafrika einen Abbruch darstellt. Nachunserer freilich unsicheren Rekonstruktion der Lage vonAntarktika hätten wir die Fortsetzung des Gebirges hier zwischenGaußberg und Coatsland zu suchen, wo die Küste aber noch ganzunbekannt ist.

Die schon früher erwähnte Verbindung der Westantarktis mitFeuerland bietet in geologischer Hinsicht ein Musterbeispiel zurVeranschaulichung der Verschiebungstheorie (Abb. 26). Noch imPliozän dürfte nach den paläontologischen Beziehungenwenigstens ein beschränkter Formenaustausch zwischenFeuerland und Grahamland geherrscht haben, was nur möglichwar, wenn beide Landspitzen noch in der Nähe des Inselbogens derSüd-Sandwichinseln lagen. Seitdem sind sie von da aus nachWesten weitergewandert, ihre schmale Verbindung aber ist imSima stecken geblieben. In der Tiefenkarte[10] erkennt mandeutlich, wie die gestaffelten Ketten eine

Abb. 26.

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Tiefenkarte der Drakestraße, nach Groll.

nach der anderen von den vorrückenden Schollen abgestreift undzurückgelassen werden. Die gerade mitten in der Abrißstellegelegene Gruppe der Süd-Sandwichinseln ist durch dieseBewegungsvorgänge am stärksten gebogen worden; dabei wurdendie Simaeinschlüsse ausgepreßt. Die Inseln sind basaltisch undeine davon (die Insel Zawadowski) noch heute tätig. Im übrigenfehlen nach F. Kühn [100] auf der ganzen Kette des„Südantillenbogens“ die jungtertiären Andenfaltungen, währenddie älteren Faltungen auf Südgeorgien, Südorkney usw. bekanntsind. Gerade diese Eigentümlichkeit wird durch dieVerschiebungstheorie erklärt, denn wenn wirklich die Faltung inSüdamerika und Grahamland durch die Westwanderung derSchollen erzeugt wurde, so mußte sie auf dem Südantillenbogen indem Zeitpunkt aufhören, als dieser stecken blieb.

In diesem Zusammenhang könnten auch noch diepermokarbonen Glazialerscheinungen zur Begründung derVerschiebungstheorie genannt, werden, welche überall auf den

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Südkontinenten gefunden werden, denn sie bilden — ähnlich wiedas Old Red auf der nördlichen Halbkugel — die Bruchstücke eineseinheitlichen Landgebietes, welche sich bei ihren großen heutigenEntfernungen viel leichter durch die Verschiebungstheorie alsdurch versunkene Zwischenländer erklären lassen. Indessen solldiese Erscheinung erst im übernächsten Kapitel ausführlicherbesprochen werden, weil sie in erster Linie von klimatischemInteresse ist.

Überblickt man die Ergebnisse dieses Kapitels, so wird mansich des Eindrucks nicht erwehren können, daß dieVerschiebungstheorie auch in ihren Einzelaussagen in geologischerHinsicht heute bereits als gut fundiert betrachtet werden kann.Freilich gibt es gerade unter den Geologen heute noch mancheGegner der Theorie, und von verschiedenen Seiten sind Einwändevorgebracht worden, so von Soergel [35], Diener [108], Jaworski[109], W. Penck [111], A. Penck [110], Ampferer [68], Washington[113], Mölke [114] und manchen anderen. Aber allgemein kannman sagen, soweit diese Einwände - was namentlich für die vonDiener zutrifft - nicht einfach auf Mißverständnissen beruhen, sobeziehen sie sich meist nur auf nebensächliche Fragen, derenBeantwortung für die Grundgedanken der Verschiebungstheorienicht von wesentlicher Bedeutung ist. Es sei gestattet, auch hierfürdas Zeugnis von Argand [20] anzurufen, der uns versichert:

„Seit 1915 und besonders seit 1918 habe ich lange den Grad derGlaubwürdigkeit der Verschiebungstheorie geprüft, indem ich denganzen Atlas tektonischer Formen heranzog, über den ich verfügte,und alle Widerspiele von Bewegungen, die ich sehen kann. So daß,wenn mir heute die Zeit fehlt, um einige meinerSchlußfolgerungen zu begründen, man sie doch nicht ohneÜbertreibung für übereilt oder unbegründet wird ansehenkönnen.“

Argand schreibt über diese Einwände:

„Die Gesundheit einer Theorie ist nichts anderes als ihreEignung, die Gesamtheit der Tatsachen darzustellen, die zurzeitbekannt sind. In dieser Hinsicht ist die Theorie der großenKontinentverschiebungen von einer blühenden Gesundheit. Inihren Anfängen hat sie ins Unbekannte gezielt (ell’a visé à

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l’absolu); in der Folge hat sie sehr an Kraft und Hilfsmittelngewonnen, ohne irgend etwas von ihrem logischen Rüstzeug zuopfern, im Gegenteil bereichert und in immer besserer Harmoniemit den Ideen, welche die Allgemeinheit leiten. Diese Arbeit derReinigung und Verfeinerung ist sehr fühlbar in der Reihe derVeröffentlichungen von Wegener. Stark begründet in denKreuzungspunkten von Geophysik, Geologie, Biogeographie undPaläoklimatologie, ist sie nicht widerlegt worden. Man muß selbstlange nach Einwürfen gesucht und besonders auch einige gefundenhaben, um eine gewisse Unangreifbarkeit nach ihrem Werteschätzen zu können, die sie auszeichnet und die von einer großenBiegsamkeit in Verbindung mit einem großen Reichtum anVerteidigungsmöglichkeiten herrührt. Man glaubt einenentscheidenden Einwurf in der Hand zu haben; noch ein Schlag,und alles muß zusammenbrechen. Aber nichts bricht zusammen;man hat nur einen oder mehrere Punkte vergessen gehabt. Das istdie proteusartige Widerstandskraft eines plastischen Universums.“

„Gewiß, die Einwürfe mehren sich, aber fast alle sind sie vonder Art, wie ich eben sagte. Von denen, die man veröffentlicht hatoder an die man denken kann, ist nur der kleinste Teil stichhaltig,er bezieht sich dabei nur auf einige Nebensachen und niemals, bisjetzt, auf die lebenswichtigen Teile.“

1. ↑ H.S. Washington [113] gibt diese Übereinstimmungen dervulkanischen Gesteine zwar gleichfalls zu, meint abertrotzdem — hauptsächlich wohl infolge zu hoch gespannterForderungen —, daß ein Vergleich nicht zugunsten derVerschiebungstheorie spreche. Seine schlecht begründeteAblehnung ist leider für die Haltung vieler amerikanischerGeologen ausschlaggebend geworden.

2. ↑ Im Original steht (wie die folgenden Worte zeigen, offenbardurch Versehen): south-west.

3. ↑ Ich gestehe, daß mir die von du Toit in Abb. 18angenommene Position der Falklandsinseln in derRekonstruktion mit Hinblick auf ihre heutige Lage und dieTiefenkarte des Südatlantik doch bedenklich erscheint. Ichwürde sie in der Rekonstruktion eher südlich als westlich vomKap der Guten Hoffnung setzen; doch ist dies eine Nebenfrage,

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die gewiß einmal durch die weitere Forschung geklärt werdenwird.

4. ↑ Gentil (neuerdings auch Staub in [214]) möchte zwar in dengleichaltrigen mittelamerikanischen Gebirgen, speziell denAntillen, eine solche Fortsetzung sehen, doch hat Jaworskidem entgegengehalten, daß dies mit der allgemeinangenommenen Auffassung von E. Suess unvereinbar ist,welcher den östlichen Kordillerenbogen Südamerikas in dieKleinen Antillen übergehen und also wieder nach Westenumbiegen läßt, ohne daß dabei Ausläufer nach Ostenentsendet werden.

5. ↑ Die von E. Suess abweichende Ansicht Kossmats [82], daßsämtliche europäischen Falten im ozeanischen Gebietherumbiegen und nach der spanischen Halbinselzurückkehren, dürfte schwer aufrechtzuhalten sein, da sich einso großer Faltenbogen nicht mehr im Schelf unterbringen läßt.

6. ↑ Vgl. die Karte des Atlantischen Ozeans in Schott, Geographiedes Atlantischen Ozeans. 2. Aufl. Hamburg 1926.

7. ↑ Zur Zeit des Beginns dieser Bewegungen waren dieHimmelsrichtungen wegen der geänderten Pollage teilweisewesentlich andere.

8. ↑ Am anschaulichsten wirkt die vorzügliche Karte der Sunda-Inseln in G. A. Molengraaff, Modern Deep-Sea Research in theEast Indian Archipelago, The Geograph. Journal, Febr. 1921, S.95—121, welche Landhöhen und Meerestiefen in gleichenIntervallen gibt.

9. ↑ Im Original steht, wohl durch Druckfehler: asiatischen.10. ↑ Eine gute Tiefenkarte der Drakestraße ist von H. Heyde

entworfen und von F. Kühn reproduziert [100]. Indessen sinddie Abweichungen von unserer Abbildung noch nicht vonBelang.

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Sechstes Kapitel.

Paläontologische und biologische Argumente.

Auch die Paläontologie und die Tier-und Pflanzengeographiehaben ein wichtiges Wort bei der Entschleierung der vorzeitlichenZustände der Erde mitzureden, und der Geophysiker wird leichtauf Irrwege geraten, wenn er nicht auch die Ergebnisse dieserWissenschaften zur Kontrolle der seinigen ständig im Auge behält.

Umgekehrt sollte aber auch der Biologe, wenn er sichüberhaupt mit der Verschiebungsfrage beschäftigt, zu seinereigenen Urteilsbildung die Tatsachen der Geologie und derGeophysik mitverwerten, denn sonst droht auch ihm ein nutzlosesIrregehen. Es ist nicht unnütz, dies zu betonen. Denn soweit ichsehen kann, steht heute ein großer Teil der Biologen auf demStandpunkt, daß es gleichgültig sei, ob man versunkeneZwischenkontinente oder Kontinentverschiebungen annimmt. Unddies ist verkehrt. Auch der Biologe kann, ohne fremden Meinungenblind zu glauben, selbst einsehen, daß die Erdrinde aus leichteremMaterial bestehen muß als das Erdinnere, und daß folglich, wenndie Tiefseeböden abgesunkene Kontinente wären und also dasleichte Rindenmaterial in gleicher Mächtigkeit besäßen wie dieKontinente, die Schweremessungen auf den Ozeanen das Fehlender Anziehung einer 4 bis 5 km mächtigen Gesteinsschichtanzeigen müßten. Und sie müssen selbst imstande sein, aus derTatsache, daß dies nicht der Fall ist, vielmehr auf den Ozeanenetwa Normalschwere herrscht, den Schluß zu ziehen: also ist dieAnnahme versunkener Zwischenkontinente auf Schelfgebiete undüberhaupt flache Meeresteile zu beschränken, aber für die großenTiefseebecken auszuschalten. Nur bei solcher Fühlung mit denNachbarwissenschaften kann die Lehre von der einstigen undheutigen Verbreitung der Organismen auf der Erde ihr reichesTatsachenmaterial mit vollem Gewicht zur Ermittlung derWahrheit in die Waagschale werfen. Ich habe diesegrundsätzlichen Erörterungen vorausgeschickt, weil sie mir in derbiologischen Literatur über die Verschiebungstheorie bisher oftnicht genügend berücksichtigt zu sein scheinen, und zwar auch da,wo die betreffenden Verfasser zu einem günstigen Urteil über die

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Verschiebungstheorie kommen, v. Ubisch [117, 227], Eckhardt[119], Colosi [118], de Beaufort [123] u. a. habenzusammenfassende Referate über die Stellung der Biologie zurVerschiebungstheorie geschrieben, wobei sie dieser imallgemeinen zustimmen, aber fast immer ohne den angeführtenGesichtspunkten genügend Rechnung zu tragen. Und so ist esnicht verwunderlich, daß auch Fälle vorkommen, wie der vonÖkland [116] oder v. Ihering [122], wo der erstere für denNordatlantik, der zweite für den Südatlantik bei einer Prüfung derVerschiebungstheorie zu dem Schluß kommen, daß sie jedenfallsnicht besser sei als die der versunkenen Zwischenkontinente, oderletztere sogar vorzuziehen sei. Die Fragestellung ist eben verkehrt.Es handelt sich im Bereich der Tiefseebecken nicht darum, ob dieVerschiebungstheorie oder die Theorie der versunkenenZwischenkontinente vorzuziehen ist, denn letztere kommt hier garnicht in Betracht, sondern nur um die Wahl zwischenVerschiebungstheorie und der Theorie der Permanenz derTiefseebecken.

Aus den angeführten Gründen sind wir berechtigt, allediejenigen Tatsachen der Biologie zugunsten derVerschiebungstheorie zu buchen, welche auf ehemaligeungehinderte Landverbindungen über heutige Tiefseebeckenhinweg deuten. Ihre Zahl ist Legion. Es wäre für denNichtfachmann ein hoffnungsloses Unternehmen, und im Rahmendieses Buches schon aus Platzgründen unmöglich, hier alle inBetracht kommenden Tatsachen anzuführen. Aber es ist dies auchunnötig aus dem Grunde, weil darüber eine reiche fachmännischeLiteratur besteht, über die z. B. Arldt [11] einen Überblick gegebenhat, und die Ergebnisse in großen Zügen bereits feststehen und sogut wie allgemein anerkannt sind.

Für die ehemalige Landverbindung Südamerikas und Afrikasliegen die Dinge besonders klar. Wie unter anderem Stromerbetont, nötigt die Verbreitung der Glossopterisflora, derReptilfamilie der Mesosauridae und vieles andere zu der Annahmeeines großen, die Südkontinente vereinigenden ehemaligenFestlandes [115]. So kommt auch Jaworski [109] bei einer Prüfungaller Einwände, die natürlich auch hier nicht fehlen, zu demResultat: „Alles, was an geologischen Tatsachen in Westafrika und

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Südamerika bekannt ist, steht in voller Übereinstimmung mit derAnnahme, zu der wir auf Grund tier-und pflanzengeographischerTatsachen der Gegenwart und der Vorzeit gekommen sind, daßnämlich in früheren Erdperioden zwischen Afrika und Südamerikaeine Landverbindung an Stelle des heutigen südatlantischenOzeans bestanden hat.“ Aus pflanzengeographischen Gründen hatEngler [126] den Schluß gezogen: „Unter Berücksichtigung allerdieser Verhältnisse würden die angeführten Vorkommnisse vonAmerika und Afrika gemeinsamen Pflanzentypen am besten ihreErklärung finden, wenn erwiesen werden könnte, daß zwischendem nördlichen Brasilien, südöstlich vom Mündungsgebiet desAmazonenstromes, und der Bai von Biafra im Westen Afrikasgrößere Inseln oder eine kontinentale Verbindungsmasse undferner zwischen Natal und Madagaskar eine Verbindung bestandenhätte, deren Fortsetzung in nordöstlicher Richtung nach dem vomsino-australischen Kontinent getrennten Vorderindien schonlängst behauptet wurde. Die vielen verwandtschaftlichenBeziehungen der Kapflora zur australischen machen außerdemeine Verbindung mit Australien durch Vermittlung desantarktischen Kontinents wünschenswert.“ Die letztenVerbindungen scheinen zwischen dem nördlichen Brasilien undder Guineaküste geherrscht zu haben: „Westafrika hat ferner mitdem tropischen Süd-und Mittelamerika die Seekuh Manatusgemeinsam, die in Strömen und seichtem, warmem Meerwasserlebt, die atlantische Tiefsee aber unmöglich überqueren kann. Manschließt daraus, daß in naher Vergangenheit eineSeichtwasserverbindung, wohl entlang der Nordküste desSüdatlantiks, zwischen Westafrika und Südamerika bestandenhabe.“ (Stromer.)

Namentlich ist es aber v. Ihering, der in seinem Buche: „DieGeschichte des Atlantischen Ozeans“ ein überreichesBeweismaterial für diesen ehemaligen Landzusammenhanggebracht hat [122]. Auf Einzelheiten gehen wir nicht ein; stelltdoch das ganze Buch eine Beweisführung für diese Verbindung dar,wenn auch unter der unhaltbaren Deutung, daß dieselbe durcheinen Zwischenkontinent „Archhelenis“ gebildet wurde, beiunveränderter Lage der heutigen Kontinentalschollen[1]. DerAbbruch der Verbindung scheint, wie unsere Abb. 1 (S. 7) zeigt,

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kurz vor Mitte der Kreidezeit erfolgt zu sein[2].Die ehemalige Landverbindung zwischen Europa und

Nordamerika liefert, wie schon dieselbe Abbildung zeigt, einweniger einfaches Bild; sie war offenbar wiederholt durchTransgressionen aufgehoben oder doch behindert. Lehrreich ist diefolgende, von Arldt [11] gegebene Tabelle, welche dieProzentzahlen der identischen Reptilien und Säugetiere hüben unddrüben angibt:

Reptilien%

Säugetiere%

KarbonPermTriasJuraUntere KreideObere KreideEozänOligozänMiozänPilozänQuartär

641232481724322927??

——————3531241930

Der Gang dieser Zahlen stimmt gut mit unserem in Abb. 1dargestellten Abstimmungsresultat überein, nach welchem dieLandverbindungen im Karbon, in der Trias, dann allerdings nur fürden unteren, nicht mehr den oberen Jura, aber wieder von derOberkreide ab das ältere Tertiär hindurch von der Mehrzahl derFachgelehrten angenommen wird. Ganz besonders tritt dieÜbereinstimmung für das Karbon hervor, vielleicht weil hier dieFauna besonders gut bekannt ist. Sowohl über die Fauna wie dieFlora des europäischen und nordamerikanischen Karbons liegenbesonders eingehende Untersuchungen in großer Zahl vor vonDawson, Bertrand, Walcott, Ami, Salter, v. Klebelsberg u. a.Letzterer [129] hat besonders auf die faunistische Gemeinsamkeitder marinen Zwischenschichten in den kohlenführendenSchichtenfolgen vom Donez durch Oberschlesien — Ruhrrevier —Belgien — England bis nach dem Westen Nordamerikashingewiesen, welche bei ihrer kurzen Zeitdauer sehr auffallend ist.Dabei sind die Identitäten keineswegs auf solche Elemente

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beschränkt, welche eine Verbreitung über die ganze Erde hatten.Wir können auf weitere Einzelheiten hier nicht eingehen. DasFehlen von Identitäten bei den Reptilien im Pliozän und Quartärist natürlich eine Wirkung der Kälte, welche die alte Reptilienfaunavernichtete. Die Säugetiere zeigen vom Zeitpunkt ihres Auftretensin der Erdgeschichte ab das gleiche Bild wie die Reptilien. ImEozän war die Übereinstimmung besonders groß. Die Verringerungder Beziehungen im Pliozän ist vielleicht auf das damalsanscheinend in Amerika bereits entstehende Inlandeiszurückzuführen. Wir geben hier noch das Kärtchen wieder (Abb.27), das Arldt für die Verbreitung derjenigen Organismen gegebenhat, welche ihm für die Frage der

Abb. 27.

Verbreitung nordatlantischer Organismen, nach Arldt.

Punktiert = Gartenschnecke; gestrichelt = Lumbricinen (Regenwürmer); Strichpunktiert= Barsche; schraffiert Nordost—Südwest = Perlmuschel; desgl. Nordwest—Südost =

Hundsfische (Umbra).

nordatlantischen Brücke am meisten entscheidend zu seinschienen. Die junge Regenwurmgattung der Lumbriciden ist, wiedie Abbildung zeigt, von Japan bis Spanien, jenseits des Ozeansaber nur im Osten der Union verbreitet. Die Perlmuschel kommtan den Abrißstellen der Kontinente, auf Irland und Neufundlandund den beiderseits angrenzenden Gebieten vor. Die Familie derBarsche (Perciden) und andere Süßwasserfische finden sich inEuropa und Asien, in Nordamerika aber nur im östlichen Teil.Vielleicht wäre auch noch das gemeine Heidekraut (Callunavulgaris) zu nennen, das sich außer in Europa nur in Neufundland

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und den daran angrenzenden Gebieten findet, wie denn auchumgekehrt sich besonders viele amerikanische Pflanzen in Europaganz auf den Westen Irlands beschränken. Wenn für die letzterenvielleicht auch der Golfstrom als Erklärung angeführt werdenkann, so ist das doch für das Heidekraut gewiß nicht der Fall.Besonders auffallend ist auch die Verbreitung der Gartenschneckevon Süddeutschland über die britischen Inseln, Island undGrönland hinüber zur amerikanischen Seite, wo sie aber nur inLabrador, Neufundland und dem Osten der Union vorkommt.Hierfür hat Ökland [116] vor kurzem eine Karte gegeben, die wir inAbb. 28 wiedergeben. Ich möchte hier die Aufmerksamkeitbesonders auf folgende Überlegung lenken: Selbst wenn wir vonder geophysikalischen Unhaltbarkeit der versunkenenZwischenkontinente absehen, ist diese Erklärung doch derVerschiebungstheorie unterlegen, denn sie muß, um die beidenkleinen Verbreitungsgebiete zu verbinden, ein sehr langeshypothetisches Stück einschalten. Und mit der Häufung solcherFälle wird es immer unwahrscheinlicher, daß die Ost-undWestgrenzen der Verbreitung gerade immer auf die heutigenKontinente und nicht auf dem breiten Zwischenkontinent, also imheutigen Ozean, lägen.

Abb. 28.

Genauere Verbreitung der Gartenschnecke, nach Ökland.

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v. Ubisch [117] sagt mit Recht: „Die hypothetischen Brücken derälteren Theorie erstrecken sich meist über sehr beträchtlicheGebiete… Einige Brücken haben sich sogar durch verschiedeneKlimazonen erstreckt. Daher konnten die Brücken sicher nicht vonallen Tieren der durch sie verbundenen Kontinente benutztwerden, genau so wenig, wie wir auf heute zusammenhängendenKontinenten, selbst wenn sie sich durch einheitliche Klimazonenerstrecken, eine ganz einheitliche Fauna vorfinden. Am besten läßtsich das für Eurasien demonstrieren, von dessen einheitlicherTierregion Ostasien meist als besondere Provinz abgetrennt wird.“

„Anders liegen die Dinge nach Wegeners Theorie. Nach dieserwird durch den erfolgten Abriß ein völlig einheitlichesFaunengebiet zerrissen, wenn derselbe nicht zufällig auf eineschon bestehende Faunengrenze trifft…“

„Besonders deutlich müßten sich die Folgen der Zerreißungeines einheitlichen Faunengebiets in Nordamerika bzw. Europazeigen. Denn der Abriß erfolgte relativ spät, die paläontologischenUrkunden sind entsprechend zahlreich. Außerdem sind geradediese Gebiete besonders gut durchforscht. Auch die lebendenFormen können sich infolge der kurzen Zeit der Isolierung nochnicht sehr divergent entwickelt haben.“

„Tatsächlich finden wir denn auch eine Übereinstimmung, wiewir sie nicht besser wünschen können. So finden wir im Eozän fastalle Unterordnungen der Säugetiere Nordamerikas auch in Europavor. Ähnlich steht es mit anderen Klassen…“

„Natürlich läßt sich die nahe Verwandtschaft derbeiderseitigen Faunen auch mit der nordatlantischen Brückeerklären… Aber nach dem oben Gesagten verdient WegenersErklärung hier den Vorzug…“

„Fasse ich also unsere Resultate zusammen, so darf man wohlsagen, daß die tiergeographischen Tatsachen — von Einzelheitenabgesehen — recht gut zu Wegeners Anschauungen passen. Invielen Fällen ist die Verschiebungstheorie sogar geeignet, unseinfachere Lösungen der Verhältnisse zu geben als jede anderefrühere Theorie[3]“.Auch Huus betrachtet es in einer Arbeit über die Ascidien [130] alseinen besonderen Vorzug der Verschiebungstheorie, daß sie außerder Landverbindung auch noch eine Annäherung der Fundstellen

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bietet: „Besonders einfach wird die Deutung der transatlantischenBeziehungen durch die Verschiebungstheorie Wegeners. Nachdieser Theorie kann nicht nur die genannte Strandregion, sondernauch ein in der Tertiärzeit viel kleinerer Abstand als jetzt zwischenden zwei Kontinenten vorausgesetzt werden. Eine damaligeAusbreitung quer über den Ozean wird dadurch denkbar und dietransatlantischen Beziehungen in den mittleren und südlichenTeilen dieses Ozeans leicht verständlicher. Auch mögen durchdiese Theorie die innigen Beziehungen der AscidienfaunaWestindiens zu der des Indischen Ozeans eine natürlicheErklärung finden.“

Auf eine interessante Einzelheit im Gebiet des Nordatlantikhaben v. Ubisch [134], Hoffmann [133] und neuerdings Osterwald[120] hingewiesen, nämlich darauf, daß die gemeinsamenLaichplätze des amerikanischen und europäischen Flußaales, wievon J. Schmidt festgestellt wurde, im Sargassomeer liegen, und daßder europäische Aal entsprechend der größeren Entfernung dieserLaichplätze auch eine erheblich längere Entwicklung durchmachtals der amerikanische. Wie Osterwald richtig ausführt (und mir,wenn ich mich recht erinnere, schon 1922 mündlich von J. Schmidtals Erklärung angegeben wurde), erklären sich dieseeigentümlichen Verhältnisse zwanglos durch das allmählicheAbrücken dieses Tiefseebeckens mit Amerika von Europa[4].

Über die genaue Zeit des Abrisses der VerbindungNordamerikas mit Europa auf der Strecke Neufundland—Irlandherrschen, wie schon unsere Abb. l zeigt, noch beträchtlicheMeinungsunterschiede. Jedenfalls scheint er sich im Spättertiärvollzogen zu haben. Teilweise mag die Unsicherheit desErgebnisses damit zusammenhängen, daß, wie Scharff sehrwahrscheinlich gemacht hat [131], weiter im Norden die Brückeüber Island und Grönland noch bis ins Quartär hinein bestehenblieb.

Lehrreich sind in dieser Hinsicht die UntersuchungenWarmings und Nathorsts über die grönländische Flora, welchezeigen, daß an der Südostküste Grönlands, also gerade auf derStrecke, die nach der Verschiebungstheorie noch im QuartärSkandinavien und Nordschottland vorgelagert war, dieeuropäischen Elemente überwiegen, während auf der ganzen

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übrigen grönländischen Küste einschließlich Nordostgrönlands deramerikanische Einfluß vorherrscht.

Nach Semper [125] war die tertiäre Flora von Grinnell-Landinteressanterweise enger (zu 63%) mit der von Spitzbergen als mitder von Grönland (30%) verwandt, während es heute natürlichumgekehrt ist (64 bzw. 96%). Unsere Rekonstruktion für dasEozän gibt die Lösung dieses Rätsels, indem hier der AbstandGrinnell-Land—Spitzbergen kleiner ist, als der zwischen ersteremund den grönländischen Fundorten.

W. A. Jaschnov weist in einer Arbeit über die Crustaceen vonNowaja Semlja [225] darauf hin, daß sich auch die heutigeVerbreitung der Süßwasserkrebse am besten durch dieVerschiebungstheorie erklärt: … „mit großer Wahrscheinlichkeitkann gesagt werden, daß in der Hydrobiologie viele Fragen derVerbreitung der niederen Wasserorganismen, jedenfalls in dernördlichen Halbkugel, auf Grund der Prinzipien der Theorie derVerschiebung der Kontinente gelöst werden können. Als Beispielerwähnen wir die gegenwärtige zerstreute Verbreitung vonLimnocalanus macrurus, für welchen der passive Transport(gemeint ist durch Wind und durch Vögel) infolge des Fehlens derRuhestadien ausgeschlossen ist. Beim Vorhandensein lautWegeners Theorie einer Verbindung beider Kontinente war dasAreal der Verbreitung dieser Art gar nicht groß (s. Abb. 29).“

Von weiteren Autoren sei nur noch Handlirsch [136] erwähnt,welcher durch eingehende Untersuchungen zu dem Schluß kommt:„Es müssen unbedingt noch im Tertiär und vielleicht auch Quartärdurch mehr oder minder lange Zeiträume oder wiederholtLandverbindungen zwischen dem nördlichen Nordamerika undEuropa, bzw. nördlichem Ostasien bestanden haben … Dagegenfinde ich keinen triftigen Grund zu der Annahme direkter oderantarktischer tertiärer Landverbindungen zwischen Südamerika,Afrika und Australien; womit selbstverständlich nicht behauptetsein soll, daß solche Verbindungen auch früher nicht bestanden.“

Abb. 29.

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Verbreitung von Limnocalanus macrurus, nach Jaschnov.

Kubart [137] hat in einer interessanten Studie die Flora derInseln der mittelatlantischen Bodenschwelle, die ja geologisch alsKontinentalbrocken aufgefaßt werden, untersucht und kommtdurch eine Statistik der indigenen Typen zu dem auch durch dieFauna bestätigten zahlenmäßig nachweisbaren Ergebnis, daß dieIsolierung dieser Inseln von Süden nach Norden fortgeschritten ist.„Allerdings können diese Tatsachen nicht allein für dieVerschiebungstheorie, sondern auch für die Existenz eines großenBrückenkontinents ausgewertet werden. Die Inseln werden eben inbeiden Fällen als Reste dieser seinerzeitigen Vorgänge aufgefaßt,und auch nach der Landbrückentheorie erfolgte das Absinken desafrikanisch-südamerikanischen Zwischenkontinents in einergeologisch früheren Zeit als das der Nordatlantis. Da aber nach derPermanenzlehre das Hochziehen eines großen Atlantiskontinentsals ausgeschlossen bezeichnet werden muß, so wird diesefloristische Prozentreihe, die durch die zoologischen Verhältnissevollauf bestätigt wird, und der die Geologie nicht zu widersprechenscheint, tatsächlich zu einem direkten Beweis für eine vom Südennach Norden fortschreitende Trennung der afrikanisch-europäisch-amerikanischen Scholle.“ Das ist genau der Standpunkt derVerschiebungstheorie[5].

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Wir könnten noch viele andere Autoren anführen, die diefrühere Existenz der angegebenen Landverbindungen quer überden Atlantik bestätigen. Aber da diese Verbindungen heute wohlkaum noch irgendwie in Zweifel gezogen werden, dürfte sich dieserübrigen. Auf die Zeugnisse aus der Regenwurmverbreitungwerden wir ohnehin noch später zurückkommen.

Die biologischen Beziehungen zwischen Dekan undMadagaskar, angeblich über ein versunkenes „Lemurien“ hinweg,sind allbekannt. Wir verweisen auf unsere Abb. 1 und dieZusammenstellung bei Arldt. Diener [226], der im übrigen für diePermanenz der großen Ozeanbecken eintritt, äußert sich hierüberso:„Eine landfeste Verbindung der vorderindischen Halbinsel mitSüdafrika über Madagaskar ist für die Perm-und Triasperiode austiergeographischen Gründen unabweisbar, da in denGondwanafaunen Ostindiens europäische Landwirbeltiere … sichmit solchen mischen, die … in Südafrika beheimatet waren. Auchdie Besiedelung von Madagaskar durch Titanosaurus und einenVerwandten von Megalosaurus zur Zeit der oberen Kreide muß aufdem Wege über Vorderindien stattgefunden haben, da der Kanalvon Mozambique bereits im Lias geöffnet war. Erst im jüngerenAbschnitt der Kreideperiode dürfte die schmale, langgestreckteInsel, deren Enden wir im Dekan und auf Madagaskar zu suchenhaben, mit ihrem Mittelstück vollends zur Tiefe niedergegangensein, so daß das Äthiopische Mittelmeer Neumayrs, bis dahin eineDependenz der Tethys, nunmehr in eine breite, offene Verbindungmit dem Indischen Ozean trat.“ — Statt des von Dienerangenommenen Niedergehens auf mehr als 4000 m Tiefe, das insolcher Ausdehnung isostatisch nicht möglich ist, nehmen wir denZusammenschub dieser Brücke zur Bildung von Hochasien an. Dertiergeographische Unterschied besteht darin, daß dann Dekan vorder Trennung unmittelbar neben Madagaskar gelegen hat. Geradedarin zeigt sich der Vorzug der Verschiebungstheorie, da die beidenTeile in ihrer heutigen Lage einen bedeutenden Breitenunterschiedbesitzen und nur deshalb ähnliches Klima haben und ähnlicheFormen beherbergen können, weil der Äquator zwischen ihnenliegt. Für die Zeiten der Glossopterisflora würde uns dieser großeAbstand ein klimatisches Rätsel aufgeben, welches durch die

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Verschiebungstheorie beseitigt wird. Auf die Gruppe derpaläoklimatischen Argumente werden wir indessen erst imnächsten Kapitel näher eingehen.

Sahni [138] hat den (unnötigen) Versuch gemacht, an Handder Verbreitung der kühlen Glossopterisflora im Bereich des altenGondwanalandes den Vorzug der Verschiebungstheorie vor der derversunkenen Zwischenkontinente zu untersuchen, muß aber dieFrage unentschieden lassen, da das Beobachtungsmaterial noch zulückenhaft sei. Daß der Landzusammenhang zwischen Südafrika,Madagaskar, Vorderindien und Australien tatsächlich bestandenhat, wird hier — wie in allen mir bekannten Veröffentlichungen —als längst gesichertes Ergebnis der Forschung behandelt. Bei denriesigen heutigen Entfernungen dieser Erdteile untereinander istes aber meines Erachtens ohne weiteres einleuchtend, und wirdauch von zahlreichen Forschern hervorgehoben, daß die durch dieVerschiebungstheorie gebotene Lösung die Beobachtungen nochbesser erklärt als die geophysikalisch unhaltbare Theorie derversunkenen Zwischenkontinente.

Von einem ganz besonderen Interesse ist in unseremZusammenhang die Tierwelt Australiens. Schon Wallace [139]erkannte eine deutliche Gliederung in drei verschiedenaltertümliche Elemente, und an diesem Ergebnis hat sich auchdurch die neueren Untersuchungen z. B. von Hedley nichtsWesentliches geändert; das älteste Element, welches hauptsächlichim Südwesten Australiens anzutreffen ist, zeigt Verwandtschaftnamentlich mit Vorderindien und Ceylon, weiter auch mitMadagaskar und Südafrika. Hier sind auch wärmeliebende Tiere inder Verwandtschaft vertreten, und auch die Regenwürmer, diegefrorenen Boden scheuen. Diese Verwandtschaft entstammt derZeit, als Australien noch mit Vorderindien zusammenhing. Nachunserer Abb. 1 wurde diese Verbindung bereits in der älterenJurazeit aufgehoben.

Das zweite Faunenelement Australiens ist sehr bekannt, dennes gehören hierher die eigenartigen Säugetiere — Beutler undKloakentiere —, die sich von der Fauna der Sundainseln so scharfunterscheiden (Wallace-Grenze der Säugetiere). DiesFaunenelement zeigt Verwandtschaftsbeziehungen nachSüdamerika. Beuteltiere leben jetzt z. B. außer in Australien sowie

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auf den Molukken und verschiedenen Südseeinseln hauptsächlichin Südamerika (Opossum oder Beutelratte in einer Art auch nochin Nordamerika verbreitet); fossil sind sie auch noch ausNordamerika und Europa, aber nicht aus Asien bekannt. Sogar dieParasiten der australischen und südamerikanischen Beutler sinddie gleichen: E. Bresslau [140] hebt hervor, daß von denPlattwürmern sich die Geoplaniden mit 3/4 ihrer rund 175 Arten indiesen beiden Gebieten finden. „Die geographische Verbreitung derTrematoden und Cestoden, die natürlich der ihrer Wirte entspricht,ist bis jetzt nur selten Gegenstand besonderer Untersuchungengewesen. Daß auch hier Tatsachen von hohem zoogeographischenInteresse zu ermitteln sind, lehrt die Cestodengattung Linstowia,die sich ausschließlich in den südamerikanischen Didelphyiden(Beutelratten) und in australischen Beutlern (Perameles) undMonotremen (Echidna) findet.“ Von dieser Verwandtschaft mitSüdamerika sagt Wallace [139]: „Es ist wichtig, hier zu bemerken,daß die hitzeliebenden Reptilien kaum einen Beweis einer nahenVerwandtschaft zwischen den beiden Regionen liefern, während esdie kälteaushaltenden Amphibien und Süßwasserfische imÜberfluß tun.“ Die gleiche Eigentümlichkeit zeigt die ganze übrigeFauna, so daß Wallace von der Landverbindung Australien—Südamerika meint, „daß dieselbe, wenn sie überhaupt vorhandenwar, nach ihren kalten südlichen Grenzen zu lag“. Auch dieRegenwürmer haben diese Brücke nicht benutzt. Da manhierdurch, geradezu auf Antarktika als Verbindung hingewiesenwird, was ja auch auf dem kürzesten Verbindungsweg liegt, so istnicht zu verwundern, daß die von vereinzelten Autoren statt dessenvorgeschlagene „südpazifische“ Brücke, die nur auf derMerkatorkarte die kürzeste Verbindung vortäuscht, fast überallabgelehnt wird. Dies zweite australische Faunenelemententstammt also der Zeit, als Australien noch über Antarktika mitSüdamerika zusammenhing, also zwischen älterem Jura (demAbriß von Vorderindien) und dem Eozän (dem Abriß Australiensvon Antarktika). Für diese Formen bietet die heutige LageAustraliens keine Isolierung mehr, sie dringen langsam imSundaarchipel weiter vor, so daß Wallace die Säugetiergrenzebereits zwischen den Inseln Bali und Lombok hindurch und weiterdurch die Makassarstraße legen mußte.

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Die dritte Fauna Australiens ist die jüngste, von denSundainseln eingewanderte, die in Neuguinea haust und bereitsden Nordosten Australiens erobert hat. Der Dingo (wilde Hund),Nagetiere, Fledermäuse und andere Tiere sind postdiluvianischnach Australien eingewandert. Die junge RegenwurmgattungPheretima, welche mit großer Lebenskraft auf den Sundainseln,den südostasiatischen Küstengebieten von der MalaiischenHalbinsel bis China und auf Japan die meisten älteren Gattungenverdrängt hat, hat auch Neuguinea vollständig erobert und bereitsauf der Nordspitze Australiens festen Fuß gefaßt. Alles dies beweisteinen Austausch von Fauna und Flora, der erst in jüngstergeologischer Zeit begonnen hat.Diese Dreigliederung der australischen Fauna steht aufs schönstemit der Verschiebungstheorie in Übereinstimmung. Man brauchtnur auf unsere drei Rekonstruktionskarten S. 18 zu blicken, umaus ihnen die Erklärung sofort abzulesen. Gerade dieseVerhältnisse zeigen aber auch aufs deutlichste den großen Vorzug,den die Verschiebungstheorie auch rein biologisch vor der derversunkenen Brücken besitzt. Der Abstand der einander nächstenPunkte von Südamerika und Australien, nämlich Feuerland undTasmanien, beträgt, im Großkreis gerechnet, heute 80°, alsoebensoviel wie der zwischen Deutschland und Japan; und dasmittlere Argentinien liegt von Mittelaustralien ebenso weit ab wievon Alaska, oder wie Südafrika vom Nordpol. Glaubt man wirklich,daß hier eine bloße Landverbindung genügt, um denFormenaustausch sicherzustellen? Und wie seltsam, daßAustralien mit den so unvergleichlich näher gelegenenSundainseln gar keinen Formenaustausch hatte, denen es wie einFremdkörper aus einer anderen Welt gegenüberliegt! Niemandkann leugnen, daß hier unsere Annahme, die den früheren AbstandAustraliens von Südamerika auf einen Bruchteil des heutigenverringert, und es andererseits von den Sundainseln für langeZeiträume durch ein breites Tiefseebecken trennt, der Eigenart deraustralischen Tierwelt in ganz anderer Weise gerecht wird, als dieohnehin geophysikalisch unmögliche Theorie der versunkenenZwischenkontinente. Ich glaube in der Tat, daß die australischeFauna das wichtigste Material liefern wird, das die Biologie zu demGesamtproblem der Kontinentverschiebungen wird beisteuern

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können. Möchte sich bald ein Fachmann finden, der siezusammenfassend unter diesem Gesichtspunkt bearbeitet!

In der Frage der ehemaligen Landverbindungen Neuseelandsscheint noch nicht völlige Klarheit zu herrschen. Es war schonoben (S. 91) darauf hingewiesen, daß ein großer Teil der Inseln erstdurch die jurassische Faltung trockengelegt wurde. Damals bildeteNeuseeland wohl großenteils noch einen Randschelf Australiens,der, an der Vorderseite der Verschiebung gelegen, der Faltungunterlag. Nach Süden hatte Neuseeland Anschluß an dieWestantarktis und über diese an Patagonien. v. Ihering schreibt[122]: „Zur Zeit der oberen Kreide und im Beginn des Alttertiärsstand den Wanderungen mariner Tiere von Chile nach Patagonienund umgekehrt, sowie nach Grahamland und anderen Teilen derAntarktis bis nach Neuseeland hin der Weg offen.“ Die Landflorader damaligen Zeit war nach Marshall [141] auf Neuseeland keinVorläufer der heutigen, sondern es fanden sich Eichen undBuchen, die vermutlich auf dem Wege über die Westantarktis,demselben, den die Flachseetiere genommen haben, vonPatagonien herübergekommen waren. Damals konnte also wohlkeine unmittelbare Landverbindung zwischen Australien undNeuseeland bestehen. Im Laufe der Tertiärzeit muß diese aberoffenbar, wenigstens beschränkte Zeit hindurch, bestanden haben,so daß die heutige Flora einwandern konnte. Daß die Inseln in derVorzeit jedenfalls Flachseeverbindung mit Australien gehabthaben, geht nach Bröndsted [142] auch aus der Untersuchung derSchwämme hervor.

Von besonderem Interesse für die Frage der neuseeländischenLandverbindungen ist eine Arbeit von Meyrick über dieMicrolepidopteren [143]. Außer interessanten Beziehungenzwischen Afrika und Südamerika, welche die oben skizziertenErgebnisse durchaus bestätigen, findet er, daß eine sowohl inSüdamerika wie in Australien durch zahlreiche Arten vertreteneGattung (Machimia) in Neuseeland ganz fehlt; und andererseitskommt die Gattung Crambus gerade umgekehrt in Neuseeland(mit 40 endemischen Arten) und in reicher Ausbildung auch inSüdamerika vor, während sich in Australien nur zwei Arten davonfinden. Mit anderen Worten: Im ersten Falle erscheint Südamerikamit Australien verbunden und Neuseeland ganz ausgeschlossen,

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und im zweiten Falle erscheint Südamerika mit Neuseelandverbunden und Australien fast ganz ausgeschlossen.Dies wie auch die oben angeführten Tatsachen zeigen wohl nur soviel, daß es von Südamerika aus zwei getrennte Wanderstraßengab: die eine nach Neuseeland, vermutlich über die Westantarktis,und die andere nach Australien, vermutlich über die Ostantarktis.Neuseeland scheint dabei trotz seiner damals viel näheren Lage beiAustralien mit diesem, wenn überhaupt, so nur kurze Zeit ineigentlicher Landverbindung gestanden zu haben. Bei der genauenKlärung dieser Vorgänge ist natürlich unsere geringe Kenntnis derAntarktis äußerst hinderlich.

Das Becken des Pazifischen Ozeans muß nach allem, was wirwissen, schon seit sehr alten geologischen Zeiten als solchesbestanden haben. Eine Reihe von Autoren hat zwar das Gegenteilangenommen, wie Haug, der die Inseln als Reste eines großen„abgesunkenen“ Kontinents deuten will, oder Arldt, der dieBeziehungen zwischen Südamerika und Australien durch eine demBreitenparallel folgende Landbrücke quer durch den Südpazifikerklären zu sollen glaubte — während doch der Blick auf denGlobus sofort zeigt, daß der Weg von Südamerika nach Australienüber Antarktika geht. Auch v. Ihering hat einen pazifischenKontinent angenommen, aber die Gründe hierfür sind, wie schonfrüher unter anderem von Simroth [144] gezeigt und neuerdingswieder von v. Ubisch [149] betont wurde, durchaus unhaltbar.Auch Burckhardt hat einen südpazifischen Kontinent, der sich vonder Westküste Südamerikas nach Westen erstreckte,angenommen, aber der Grund hierfür besteht nur in einereinzelnen geologischen Beobachtung, die sich wohl auch anderserklären läßt. Jedenfalls ist auch diese Hypothese von Simroth[144], Andrée [145], Diener, Sörgel u. a. abgelehnt, und selbstArldt, einer der wenigen Anhänger, muß zugeben, daß dieseLandbrücke sich am wenigsten von allen stützen läßt [146]. Wirbefinden uns also mit unserer Annahme einer Permanenz derpazifischen Tiefsee mindestens seit der Karbonzeit inÜbereinstimmung mit der weit überwiegenden Mehrzahl derForscher.Biologisch ist dies größere Alter des Pazifik gegenüber demAtlantik gut ausgeprägt. So schreibt v. Ubisch [117]: „Im Stillen

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Ozean finden wir zahlreiche altertümliche Formen, wie Nautilus,Trigonia, Ohrenrobbe. Derartige Formen fehlen im AtlantischenOzean.“ Und Colosi [118] hebt hervor, daß die Fauna des Atlantikebenso wie die des Roten Meeres dadurch ausgezeichnet ist, daßsie stets nur Verwandtschaftsbeziehungen zu den angrenzendenGebieten zeigen, während für den Pazifik vereinzelteVerwandtschaftsbeziehungen zu weit entfernten Gebietencharakteristisch sind; letzteres ist aber das Kennzeichen alter,ersteres das jung besiedelter Gebiete.

Svedelius [155] hat kürzlich in einer Studie über diediskontinuierliche geographische Verbreitung einiger tropischerund subtropischer mariner Algen darauf hingewiesen, daß dasMaterial zwar für eine Prüfung der Verschiebungstheorie nichtausreicht; „doch ist zu beachten, daß meine Untersuchung zeigt,daß die Mehrzahl der älteren Genera der Algen offensichtlich ihreHauptverbreitung im Indisch-Pazifischen Ozean haben, von wo aussie in den Atlantik eingewandert sind. Nur in ein oder zwei Fällenscheint die Wanderung in umgekehrter Richtung vor sich gegangenzu sein. So darf die Algenflora des Atlantik vielleicht für jüngerangesehen werden als die des Indisch-Pazifischen Ozeans. Dieswiderspricht nicht Wegeners Theorie, nach welcher der Atlantikviel jüngeren Alters ist als der Indisch-Pazifische Ozean.“

Die pazifischen Inseln (mitsamt ihrem submarinen Unterbau)werden in der Verschiebungstheorie als von denKontinentalschollen abgelöste Randketten betrachtet, die bei derallgemeinen, vorwiegend westlich gerichteten Bewegung derErdkruste über den Kern allmählich nach Osten zurückgebliebensind (vgl. Kap. 8). Ihre Heimat wäre hiernach, ohne aufEinzelheiten einzugehen, auf der asiatischen Seite des Ozeans zusuchen, der sie jedenfalls in den hier betrachteten geologischenZeiten erheblich näher als heute gelegen haben müssen.

Die biologischen Verhältnisse scheinen dies zu bestätigen. Sohaben nach Griesebach [147] und Drude [148] die Hawaiinselneine Flora, die am nächsten verwandt nicht mit Nordamerika ist,das ihnen doch am nächsten liegt, und von dem heute Luft-undMeeresströmung herkommen, sondern mit der alten Welt. DieInsel Juan Fernandez zeigt nach Skottsberg botanisch gar keineVerwandtschaft mit der doch so nahen Küste von Chile, sondern

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mit Feuerland, Antarktika, Neuseeland und den anderenpazifischen Inseln. Doch sei hervorgehoben, daß die biologischenVerhältnisse auf Inseln allgemein schwerer zu deuten sind alsdiejenigen auf größeren Landräumen.Zum Schluß seien noch einige neuere Arbeiten besprochen, die alsdie ersten eingehenderen Spezialarbeiten unter Berücksichtigungder Verschiebungstheorie von besonderer Wichtigkeit sind. DenAnfang machte Irmschers 1922 erschienene große Untersuchung„Pflanzenverbreitung und Entwicklung der Kontinente“ [150]. Eswird darin die heutige und ehemalige Verbreitung derBlütenpflanzen bis zurück zur Kreidezeit in bisher unerreichterVollständigkeit untersucht und durch zahlreiche Kartenveranschaulicht. Einzelheiten aus diesem ungemein reichhaltigenMaterial hier vorzubringen, ist unmöglich[6]. Die Arbeit schließtmit den Worten:

„Die Ergebnisse berechtigen uns zu der Auffassung, daß dreiFaktorenkomplexe in engem Zusammenwirken dies heutigeVerbreitungsbild der Blütenpflanzen geschaffen haben:“

„1. Polverlagerungen als Ursache der Pflanzenwanderung undFlorendurchmischung.“

„2. Großschollenverschiebung und damit im GefolgeVeränderung des Großformenbildes.“

„3. Aktive Ausbreitung und Weiterentwicklung desPflanzenbestandes.“Es ist kein Zufall, daß hier die Polwanderungen an erster und dieKontinentverschiebungen erst an zweiter Stelle genannt werden;denn es wird ja nur die Zeit von der Kreide ab behandelt, und jemehr wir uns der Gegenwart nähern, um so ähnlicher wird auchdas Erdbild dem heutigen, und um so weniger werden dieKontinentverschiebungen in der Pflanzenverbreitung nachweisbar.Daher ist es sehr natürlich, daß die große tertiäre und quartärePolwanderung in erster Linie der Pflanzenverteilung ihren Stempelaufgedrückt hat. Um so wichtiger aber ist es, daß trotzdem auch dieVerschiebungstheorie bestätigt wird: „Wir sind zu dem Ergebnisgelangt, daß die Permanenztheorie aus mehrfachen Gründen zurErklärung der Verbreitungstatsachen der Blütenpflanzen und ihrerForderungen unzulänglich ist. Dagegen zeigte sich beiGegenüberstellung unserer Befunde und der Wegenerschen

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Verschiebungstheorie, daß die einzelnen Züge der Arealstrukturund die Forderungen der Pflanzenverbreitung mit den vonWegener postulierten Schicksalen der Großformen inüberraschender Weise übereinstimmen und jene in diesengeradezu ihr Spiegelbild finden.“

„Was die Permanenztheorie nie zu erklären vermag, das Rätselder australischen Flora, findet jetzt zum erstenmal eine völligbefriedigende Lösung. Die von Wegener angenommeneabweichende Kontinentallage im Mesozoikum liefert allein denSchlüssel für die sonst unverständliche Tatsache, daß dieextratropischen Formen Australiens keine näheren Beziehungenzu den asiatischen erkennen lassen, die nach der heutigengeographischen Lage eigentlich zu fordern wären, zumal sich indieser Zone keine Polverschiebung mit ihren schädigendenEinflüssen ausgewirkt hat. Diese frühere Lage Australiens bietetauch den Schlüssel dafür, daß diese alte Flora sich gerade indiesem Gebiet bis heute so ungestört und formenreich erhaltenund weiterentwickeln konnte. Die Nordwanderung Australiensnach seiner Loslösung von Antarktika war ja eine Periodeweitgehender Isolierung für diesen Kontinent.“ — Man sieht, daßdie Pflanzenwelt Australiens ganz dasselbe Bild liefert wie dieTierwelt!

„Im Verlauf unserer Untersuchung trat nie die Notwendigkeitauf, das Bestehen eines einstigen pazifischen Kontinents fordernzu müssen.“

Irmscher geht, wie man sieht, den richtigen Weg, indem er dieVerschiebungstheorie nicht mit der ohnehin geophysikalischunhaltbaren Theorie der versunkenen Brückenkontinente, sondernmit der Permanenztheorie vergleicht. Trotzdem hat er auch derersteren Beachtung geschenkt, muß sie aber auch rein vombotanischen Standpunkt aus ablehnen:„Die … erwähnte fossile nordamerikanische Wilcoxflora, die imBereich der südöstlichen Staaten der Union (Texas bis Florida)aufgefunden wurde, ist nach Berrys grundlegenden Bearbeitungenam nächsten mit der gleichfalls ins Eozän gesetzten Alum-Bayfloravon Südengland verwandt. Legen wir nun den Äquator, wie wir ihnnach der von Wegener für das Eozän geforderten Pollageanzunehmen haben, um die Erde, so läuft er in Europa etwa durch

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das Mittelmeergebiet, so daß England kaum 15° vom Äquatorentfernt ist, und in Asien etwa durch Hinterindien. Es ergibt sichdaraus für Amerika — unter Annahme der Permanenz der heutigenKontinentallagen — ein durch Kolumbien—Ekuador streichenderÄquator, von dem das Gebiet der Wilcoxflora 30 und mehr Gradentfernt ist. Es entstehen also Schwierigkeiten, die beiden fossilenFloren, die ein ähnliches Klima fordern, auch nur annähernd unterdieselbe Breite zu bringen, da die Wilcoxflora viel nördlicher zuliegen kommt als die südenglische. Schieben wir dagegenentsprechend Wegeners Auffassung Amerika an Europa—Afrikaheran, so kommen mit einem Schlage beide Floren in dieselbeBreite zu liegen, und den von ihnen gestellten relativ gleichenKlimaansprüchen ist ohne weiteres Genüge getan. Hier isttatsächlich ein Fall vorhanden, wo nur die Verschiebungstheoriebestehende Widersprüche restlos zu lösen vermag, während dieBrückentheorie wohl das Vorhandensein ähnlicher Floren aufheute getrennten Großschollen erklären, aber nicht dieerforderliche Klimagleichheit herstellen kann. DiePermanenztheorie muß für diese Frage überhaupt als unzulänglichabgelehnt werden.“

„Was wir hier für zwei Floren nachwiesen, gilt ebenso auch fürdie Areale vieler Gattungen, die in die Tropenzone zu liegenkommen. Auch hier ist die Rekonstruktion derselben auf einemgrößten Kreis nur möglich, wenn Amerika an Zone 2 (Europa—Afrika) herangeschoben wird, da bei heutiger Kontinentallage derÄquator in Zone l (Amerika) zu weit südlich verlaufen würde.Schon oben machten wir auf diese Schwierigkeit aufmerksam, umjetzt erst in der Verschiebung ein Mittel zu ihrer Beseitigung zuerkennen. Somit ist hier zum erstenmal gezeigt worden, wie auchvom biogeographischen Standpunkt aus der Verschiebungstheoriegegenüber der Brückentheorie der Vorzug zu geben ist.“

Diese letzten Betrachtungen Irmschers leiten bereits auf dasGebiet der Paläoklimatologie hinüber, das wir erst im nächstenKapitel behandeln wollen.

Eine Fortsetzung dieser wichtigen Arbeit von Irmscher bildetdie Dissertationsschrift von Studt über „die heutige und frühereVerbreitung der Koniferen und die Geschichte ihrerArealgestaltung“ [152], der eine kürzere von Koch über den

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gleichen Gegenstand [153] vorausgegangen war. Obwohl diesebeiden Autoren in verschiedenen botanischen Fragen nichtübereinstimmen, kommen sie doch hinsichtlich derVerschiebungstheorie beide zu dem gleichen Ergebnis. So sagtKoch: „Das rezente und fossile Vorkommen der Koniferen stehtmit der Polwanderungs-und Verschiebungstheorie völlig imEinklang und ist nur durch sie befriedigend zu erklären.“ Undweiter: … „Denn wir verstehen jetzt unter anderem, warumnahverwandte Araucarienarten in zwei verschiedenen, durch weiteWeltmeere getrennten Erdteilen vorkommen, warumPodocarpusarten nicht nur in Neuseeland, Australien undTasmanien, sondern auch in Südafrika, Südbrasilien und Chileheimisch sind, und warum einerseits Microcachrys und FitzroyaArcheri in Tasmanien, die entsprechenden Formen Saxogothaeaund Fitzroya patagonica sich auch in Chile vorfinden.“

Abb. 30.

Heutige Verbreitung einiger Regenwurmgattungen der FamilienreiheMegascolecina, eingetragen in die vorjurassische Rekonstruktion gemäß der

Verschiebungstheorie, nach Michaelsen.

Und ebenso schreibt Studt: „Das rezente und fossileVerbreitungsbild der Koniferen kann am einfachsten undwiderspruchlosesten durch die Wegenersche Verschiebungstheorie

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erklärt werden. Die große Übereinstimmung zwischen dernordamerikanischen und europäischen Kreideflora und die häufigbis auf die Arten hinab sich erstreckende Gleichförmigkeit in derZusammensetzung der jurassischen Flora in heute weitvoneinander entfernten Gebieten trotz beschränkterVerbreitungsmöglichkeiten der Samen verlangt einenkontinuierlichen Landzusammenhang und Verkürzung derEntfernungen zwischen den Kontinenten. Diesen beidenForderungen kann nur die Verschiebungstheorie gerecht werden.“Auch Studt weist wieder darauf hin, daß sich unter der Annahmeder Verschiebungstheorie die zonale Verteilung der Koniferen weitbesser den Klimazonen anschmiegt und also verständlicher wird,als wenn man die heutige Lage der Kontinente auch für die Vorzeit.

Zum Schluß wollen wir noch kurz die wichtige Arbeit vonMichaelsen über die geographische Verbreitung der Regenwürmer[154] besprechen, die mir besonders gute Bestätigungen derVerschiebungstheorie zu enthalten scheint, da die Regenwürmerweder Seewasser noch Eisboden vertragen und (außer durch denMenschen) auch schwer verschleppt werden können.

Abb. 31.

Heutige Verbreitung der Regenwurm-Familienreihe Lumbricina,eingetragen in die nach der Verschiebungstheorie rekonstruierte Eozänkarte,

nach Michaelsen.

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Michaelsen zeigt, daß die Permanenztheorie bei der Erklärung derVerbreitung der Regenwürmer auf große Schwierigkeiten führt,während die Verschiebungstheorie „in geradezu überraschenderWeise“ diese Verbreitung erklärt. Um dies zu veranschaulichen,bedient er sich zweier Kartenskizzen, die wir in den Abb. 30 und 31wiedergeben. Als Kartengrundlage ist dabei die frühere Anordnungder Kontinentalschollen benutzt, worin nun die heutigenRegenwurmgattungen (fossile sind nicht bekannt) eingetragensind. Bezüglich der transatlantischen Beziehungen sagt er: „Ichhabe oben eingehend dargelegt und durch eine tabellarischeZusammenstellung veranschaulicht, wie sich eine große Anzahlvon Beziehungslinien, nämlich fünf terrikole und drei limnischeFormengruppen betreffend, quer über den Atlantischen Ozeanspannen, eine Häufung regelmäßiger, annähernd parallelerBeziehungen, die es höchst wahrscheinlich macht, daß man es hiermit unmittelbaren, d. h. transatlantischen Beziehungen zu tunhabe. Diese transatlantischen Beziehungen sind durch dieWegenersche Theorie ohne weiteres zu erklären. Denkt man sichden nach dieser Theorie von Europa—Afrika abgebrochenen undwestwärts abgeschobenen amerikanischen Kontinent wiederzurückgeschoben und an Europa—Afrika angeschmiegt, so würdendie jetzt weit getrennten Sondergebiete rechts und links vomAtlantischen Ozean meist zu einem einheitlichen Gebietzusammenfließen. Es würde dadurch ein höchst einfachesVerbreitungssystem erzielt werden…“ Im Nordatlantik werdendiese transatlantischen Beziehungen auch von jugendlichenFormen, im Südatlantik nur von altertümlichen gebildet, wieder inÜbereinstimmung mit dem Umstand, daß sich der Atlantik vomSüden nach Norden geöffnet hat.

Nach Besprechung der aus unseren Abbildungen ersichtlichenkomplizierten Beziehungen im Gebiet Vorderindien, Australien,Neuseeland heißt es weiter:„Die Wegenersche Theorie von der Kontinentenverschiebung bieteteine auffallend einfache Erklärung für diese verschiedenenüberseeischen Beziehungen der Oligochätenfauna Vorderindiens.Betrachten wir die Wegenersche Kartenskizze über diemutmaßliche ungefähre Konfiguration der Kontinente im Karbon(Abb. 30, östliche Hälfte), so sehen wir zunächst, daß das vor

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Auffaltung des Himalaja langgestreckte Vorderindien bis nachMadagaskar reichte und sich mit seiner Westseite, dem jetzigenHowascolexdistrikt (Curg-Mysore), unmittelbar an Madagaskar,dem zweiten Fundort von Howascolex, anschmiegte: EinfacheErklärung für die transozeanische Beziehung des Westdistriktesvon Vorderindien. Ferner sehen wir, daß die australisch-neuseeländisch-neuguineensische Scholle, südlich mit derantarktischen Scholle im Zusammenhang stehend, mit ihremnördlichen Kopfende (Neuguinea) in den Meereswinkelraum (denspäteren Golf von Bengalen) zwischen Vorderindien undHinterindien samt der malaiischen Scholle hineinragt. Es istanzunehmen, daß diese australische Scholle in noch früherer Zeitmit ihrer Westseite an die Ostseite Vorderindiens angelagertgewesen sei[7]. Es konnten sich in diesem Zusammenhang dieeinfachen und ununterbrochenen Verbreitungslinien vomsüdlichen Vorderindien über Ceylon nach dem südlichstenWestaustralien usw. (Megascolex) und vom nördlichenVorderindien über Neuguinea nach Neuseeland (Octochätus,Pseudisolabis) bzw. nach Nordqueensland, Neuseeland,Südostaustralien (Perionyx) bilden. Zu beachten ist, daßNeuguinea ein vollwertiges Glied dieser nördlichenVerbreitungslinie darstellt. Nachdem sich dann die australischeScholle von der antarktischen losgelöst hatte, wurde sienordostwärts abgedrängt und mit ihrem nordostwärts vorragendenKopfe Neuguinea in die malaiische Scholle hineingeschoben… Beidiesem katastrophalen Vorgang wurde nun der in innigsteBerührung mit der malaiischen Scholle kommende RammkopfNeuguinea von der jüngsten, verbreitungskräftigenMegascolecidengattung Pheretima, die mittlerweile auf dermalaiischen Scholle zur Herrschaft gelangt war, überschwemmtund seiner älteren Oligochätenfauna (Octochätus, Perionyx undandere) beraubt. Auf diese Weise, durch den Ausfall Neuguineas,vergrößerte sich die Lücke in der Verbreitungslinie Nordindien—Neuseeland und nahm eine Weite an, die eine Erklärung durcheinstige unmittelbare Landverbindung fast unmöglich erscheinenließ. Neuseeland muß bei dieser Pheretimakatastrophe schon vonNeuguinea getrennt gewesen sein, und auch der australischeKontinent war wohl kaum noch mit Neuguinea in länger dauernder

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unmittelbarer Landverbindung, mutmaßlich schon durch eineschmale Flachsee davon getrennt; denn es konnte höchstens eineeinzige Pheretimaart (Ph. queenslandica, anscheinend inNordqueensland endemisch) nach dem australischen Kontinentgelangen. Auch die Trennung Neuseelands von Australien,wenigstens durch eine Flachsee, muß schon ziemlich frühstattgefunden haben, denn Neuseeland zeigt nur geringeBeziehungen zum australischen Kontinent… Wahrscheinlichlösten sich zuerst die mittleren Teile Neuseelands bogenförmigvom australischen Kontinent los, während das Südende mitTasmania, das Nordende mit Neuguinea zunächst noch imZusammenhang blieb. Dann sonderte sich das Südende vonTasmania und erst eine beträchtliche Zeit später das Nordende vonNeuguinea ab… Eine etwas länger dauernde, vielleichtisthmusartige Landverbindung hat wahrscheinlich noch durchVermittlung Neukaledoniens und die Norfolkinsel zwischenSüdqueensland und der Nordinsel von Neuseeland stattgefundenund die Überwanderung von Megascolex ermöglicht. Der Weg überNeuguinea scheint mir für Megascolex nicht annehmbar, weilMegascolex eine typisch südaustralische Form ist…“

Im Schlußwort sagt Michaelsen:„Ich glaube die Ergebnisse meiner Untersuchungen dahin

formulieren zu sollen, daß die Verbreitung der Oligochätenkeinesfalls gegen die Wegenersche Theorie derKontinentenverschiebung spricht, daß sie im Gegenteil als einegute Stütze derselben anzusehen ist und, falls von anderer Seiteder endgültige Beweis für diese Theorie erbracht würde, inmanchen Einzelheiten zu einem weiteren Ausbau der Theoriebenutzt werden könnte[8]…“

„Es mag zum Schluß noch gesagt werden, daß die zu den obenabgedruckten Verbreitungskarten benutzten und diesenAusführungen zugrunde gelegten Wegenerschen Kartenskizzenohne Berücksichtigung der Oligochätenverbreitung entstandensind. Erst nachdem ich ihn auf den bemerkenswerten Einklang derOligochätenverbreitung mit den seiner Theorie entsprechendenfrüheren Landverbindungen hinwies, nahm Wegener bei derzweiten, umgearbeiteten Auflage seines Werkes über dieKontinentenverschiebung einzelne Tatsachen der

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Oligochätenverbreitung in die Begründung seiner Theorie auf. Icherwähne diese Tatsache, weil sie mir geeignet scheint, dieStützkraft der Oligochätenverbreitung für die Wegenersche Theoriezu stärken.“

1. ↑ Soweit ich sehen kann, findet sich in v. Iherings Buch trotzseiner temperamentvollen Ablehnung derVerschiebungstheorie nicht ein einziger positiver Grund gegendieselbe. Insbesondere habe ich das Kap. 20 („ZweiWeltanschauungen: v. Ihering und Taylor-Wegener“)mehrmals mit der besten Absicht durchgelesen, mich überseine Einwände zu orientieren. Aber ich fand nurfortwährende Verwechslungen von Kontinent undKontinentalscholle, und von Flachsee und Tiefsee. Es scheintdaher, daß v. Iherings Ablehnung der Verschiebungstheorienicht auf den Beobachtungstatsachen beruht, die im Gegenteil,wie auch Köppen [127] hervorgehoben hat, ausgezeichnet zudieser passen, sondern auf nicht ausreichender Bekanntschaftmit dem Wesen dieser Theorie (vgl. hierzu meine Entgegnungauf v. Iherings Kritik in [128]).

2. ↑ Die Angaben hierüber wie auch über die Schlußzeiten deranderen Verbindungen sind naturgemäß nicht bei allenForschern ganz gleichlautend. So glaubte ich noch bei derzweiten Auflage dieses Buches aus der mir damalszugänglichen Literatur entnehmen zu sollen, daß dieVerbindung zwischen Südamerika und Afrika noch bis in denältesten Abschnitt des Tertiärs hinein angedauert habe,während ich mich später überzeugen konnte, daß sie nach derMehrzahl der Forscher schon in der Kreidezeit erlosch.Einzelne Gegner der Verschiebungstheorie, die nicht bemerkthaben, daß diese unbedeutende Korrektur schon in der drittenAuflage dieses Buches berücksichtigt wurde, klammern sichnoch heute an diese Ungenauigkeit und glauben dadurchseltsamerweise die Verschiebungstheorie wiederlegen zukönnen. In Wirklichkeit hat die Frage der Zeitsetzungüberhaupt nichts mit der Richtigkeit oder Unrichtigkeit derVerschiebungstheorie zu tun; sie bleibt vollkommen denSpezialwissenschaften überlassen und dient der

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Verschiebungstheorie nur dazu, ihre Aussagen präziser zugestalten. Auch wenn künftig — was durchaus möglich ist — indiesen Zeitsetzungen noch kleine Korrekturen angebrachtwerden müßten (große sind nicht mehr zu befürchten), sowäre doch kein Anlaß, von einer Korrektur derVerschiebungstheorie zu sprechen.

3. ↑ Ökland zieht aus dem gleichen Material den Schluß, daß dieTheorie des versunkenen Zwischenkontinents — dessengeophysikalische Unhaltbarkeit er nicht beachtet —vorzuziehen sei, und zwar, weil nach der Verschiebungstheorienoch mehr Identitäten zu erwarten seien als vorhanden sind.Er stellt offenbar die Forderungen in diesem Punkt zu hoch;denn erstens ist auch nach der Verschiebungstheoriekeineswegs eine völlige Identität der ehemaligen Faunen undFloren zu erwarten, und zweitens wird die Zahl der Identitätenabsolut wie prozentisch stark herabgesetzt durch dieUnvollständigkeit der fossilen Funde.

4. ↑ v. Ubisch und Hoffmann finden beide umgekehrt, daß dieseTatsachen gegen die Verschiebungstheorie und für denversunkenen Zwischenkontinent sprechen, aber infolge desMißverständnisses: „Man könnte ja zunächst denken, daß dieVerlegung der Laichplätze passiv in der Weise erfolgt wäre,daß der Teil des Meeresbodens, an dem die Aale in der Kreide-Eozän laichten, wie eine Waschschüssel von demamerikanischen Kontinent mit nach Westen gezogen wordensei.“„Diese Vorstellung ist aber nach Wegeners Theorie nichtzulässig. Denn Wegener nimmt an, daß bei der Abwanderungder Kontinente stets frische Simaoberfläche entblößt wird…“Der Boden des Sargassomeeres dürfte nicht aus frischentblößtem Sima bestehen, sondern ist wohl identisch mitdem Boden des in meiner Eozänkarte (Abb. 4) erkennbarenTiefseebeckens zwischen Florida und Spanien. Es wird inWirklichkeit noch kleiner gewesen sein, da in derRekonstruktion die Sialmassen der Azoren, die Spanien undNordafrika anzugliedern wären, nicht genügend berücksichtigtsind. Aber existiert hat es jedenfalls schon damals östlich vonFlorida. Die kristalline Decke dieses Beckens wird sich dann,

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an Amerika haftend, mit diesem nach Westen verschobenhaben. In einem neuen Sammelreferat [227], das nocherheblich mehr tiergeographische Literatur als die hierangeführte berücksichtigt, erkennt v. Ubisch auch die hiergegebene Lösung als möglich an, die er aber in die Formkleidet, daß Europa nach Osten, nicht Amerika nach Westengewandert sei. Wegen der Relativität der Bewegung kommtdies natürlich auf dasselbe hinaus; denn wenn Amerika relativzu Europa nach Westen wandert, so wandert Europa relativ zuAmerika nach Osten. — Ich benutze die Gelegenheit, hiernochmals zu betonen, daß die Trennung Südamerikas vonAfrika schon in der mittleren Kreide eintrat; denn auf S. 162,163 und 172 des genannten Sammelreferats werdenfaunistische Unterschiede aus späterer Zeit (Eozän, Miozän!)immer noch als Einwände gegen die Verschiebungstheoriegewertet! Vgl. hierzu S. 102 Anmerkung 2.

5. ↑ Natürlich hat Kubart Recht, wenn er meint, daß man dieältere Vorstellung vom Versinken der Landbrücken nicht ganzausschalten darf. Der Leser wird im Gegenteil bemerken, daßin diesem Buch an vielen Stellen von ihr Gebrauch gemachtwird, nur nicht im Bereich der großen Ozeanbecken.

6. ↑ v. Ihering [122] polemisiert gegen Irmscher, weil dieser eineReihe von fossilen Pflanzenfunden aus Südamerika undAntarktika teilweise etwas anders datiert als die Bearbeiter.Abgesehen davon, daß Irmschers Ansicht nicht, wie v. Iheringmeint, einfach einer vorgefaßten Theorie zuliebeausgesprochen, sondern fachmännisch begründet ist, handeltes sich in fast allen diesen Fällen um so geringe Änderungenin der Zeitsetzung, daß man eher von einer Präzisierung alsvon einer Berichtigung sprechen sollte. Übrigens habenKöppen und Wegener [151] inzwischen gezeigt, daß man in derMehrzahl dieser Fälle auch bei Beibehaltung derursprünglichen Datierung zu einer völligen Übereinstimmungmit der Verschiebungstheorie und den mit ihrer Hilfeabgeleiteten Polwanderungen kommt.

7. ↑ Es hindert gewiß nichts, diesen Zusammenhang auch nochfür die Karbonzeit und vielleicht noch erheblich längeranzunehmen. Die Lücke in meiner Karbonkarte bedeutet nur,

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daß mir bisher jeder Anhalt für einen Landzusammenhanghier fehlte, da eben dieser Teil der Ostküste des verlängertenVorderindiens in Hochasien zusammengefaltet liegt und aufKongruenz mit dem australischen Schollenrand nicht geprüftwerden kann.

8. ↑ Michaelsen hebt mehrfach hervor, daß dieRegenwurmverbreitung auf das zeitweise Bestehen einerLandbrücke über die Beringstraße hinweist, von der erirrtümlich glaubt, daß ich sie ablehnte. Dies ist nie der Fallgewesen. Vielleicht geht das Mißverständnis zurück aufDieners unrichtige Behauptung [108]: „Wer Nordamerika anEuropa heranschiebt, zerreißt seinen Zusammenhang mit derasiatischen Kontinentalscholle an der Beringstraße“ — eineoffenbar von der Merkatorkarte abgelesene Täuschung, derenUnhaltbarkeit sofort in die Augen springt, wenn man denGlobus zur Hand nimmt und berücksichtigt, daß die BewegungNordamerikas relativ zu Europa im wesentlichen in einerDrehung etwa um Alaska bestand (Abstand der SchelfränderNeufundland—Irland 2400 km, Abstand Nordostgrönland—Spitzbergen wenige hundert Kilometer, wenn nicht Null!).Dieselbe Behauptung ist neuerdings wieder von Schuchert[163] wiederholt worden; aber auch er rekonstruiert falsch,indem er Nordamerika nicht um Alaska, sondern um denNordpol dreht, wozu doch jeder Grund fehlt. — Die frühererwähnte Abstimmungstabelle von Arldt über die Existenz derLandbrücken, die auch die Brücke über die Beringstraßeberücksichtigt, zeigt, daß hier Landverbindung vermutlichschon im Perm und im Jura, mit Sicherheit aber vom Eozänbis ins Quartär hinein bestanden hat. Die heutige Trennungdurch den flachen Schelf des Beringmeeres ist also sehrjungen Alters.

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Siebentes Kapitel.

Paläoklimatische Argumente.

Seit der letzten Auflage dieses Buches ist das Problem derKlimate der geologischen Vorzeit von W. Köppen und mir [151]einer systematischen Untersuchung unterzogen worden, eineArbeit, die an Umfang der vorliegenden kaum nachstand. Obwohles sich hierbei im wesentlichen um die Sammlung geologischenund paläontologischen Materials handelte, wobei der Klimatologeund Geophysiker natürlich Schwierigkeiten und Irrtümernausgesetzt ist, die der Fachmann vermeiden kann, hielten wir unsfür einen solchen Versuch für berechtigt, denn diePaläoklimatologie kann nur als Vereinigung dieser Wissenschaftengedeihen, und aus ihrer bisherigen Literatur geht nur allzu deutlichhervor, daß die von ihr bisher verwendeten meteorologischen undklimatologischen Grundlagen unzulänglich sind. Im vorliegendenKapitel wird weitgehend auf diese ausführliche Darstellung Bezuggenommen werden.

Doch handelt es sich hier nicht um ein Referat über denGesamtinhalt unseres Buches. Die Aufgabe des letzteren war dieEntwirrung der geologischen Klimate; dieKontinentverschiebungen bilden hierbei nur eine unter mehrerenUrsachen für Klimaänderungen, und für die jüngeren Zeiten nichteinmal die wichtigste. Hier haben wir dagegen nur die Frage zubehandeln, wieweit die Vorzeitklimate Kriterien für die Richtigkeitder Verschiebungstheorie liefern, und nur so weit brauchen wiralso die fossilen Klimazeugnisse heranzuziehen. Damit scheidet z.B. die Frage nach den Ursachen der quartären Vergletscherung sogut wie völlig aus; denn im Quartär war die Lage der Kontinentezueinander der heutigen bereits so ähnlich, daß sich aus dieser Zeitnur wenig paläoklimatische Kriterien für die Verschiebungstheoriemehr ergeben.

Um so mehr ist dies aber für die älteren geologischen Zeitender Fall, ja hier finden sich gerade ganz außerordentlich schlagendeBeweise für die Unabweisbarkeit der Verschiebungstheorie, unddie Zahl derjenigen Autoren, die sich gerade aus diesen Gründender Theorie angeschlossen haben, ist nicht gering.

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Zur Bildung eines richtigen Urteils sind hier zwei Dinge nötig: eineKenntnis des heutigen Klimasystems und seiner Auswirkung aufdie anorganische und organische Welt, und eine Kenntnis undrichtige Deutung der fossilen Klimazeugnisse. BeideForschungszweige stehen noch in ihren Anfängen und lassenzahlreiche Fragen heute noch offen. Um so wichtiger ist aber dieBeachtung des bisher in ihnen Erreichten.

Abb. 32.

Heutige Hauptisothermen (im Meeresniveau) und Trockengebiete.

Das heutige Klimasystem ist bekanntlich von Köppenbearbeitet und in einer Karte der Klimate der Erde dargestellt[156]. Diese Karte, für viele andere Zwecke noch nicht detailliertgenug, ist doch für unsere Zwecke schon allzu inhaltsreich, da diefossilen Klimazeugen nur eine sehr ungefähre Schätzung desKlimas zulassen. Wir haben sie daher in unserem Buche durch dievereinfachte, in Abb. 32 wiedergegebene Karte der heutigenHauptisothermen und Trockengebiete ersetzt, die alles für unsereZwecke Wesentliche enthält. Wir erkennen eine äquatorialeRegenzone mit Gewitterregen, die die ganze Erde lückenlosumspannt; anschließend daran in den Hochdruckgürteln derRoßbreiten mit absteigender Luft die Trockengebiete, die

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regelmäßig am Ostrand der Kontinente durch dieMonsunregengebiete unterbrochen sind, dagegen an denWestküsten weit aufs Meer hinausreichen und im Innern großerKontinente polwärts vorstoßen. Darauf folgen die nördliche undsüdliche Regenzone der gemäßigten Breiten mit Zyklonenregen,und jenseits dieser die mehr oder minder vereisten Polarkappen.Die Zone warmen Meereswassers ist ganz zwischen den beidenBreitenparallelen von etwa 28 oder 30° N und S eingeschlossen.Alle Isothermen zeigen das Vorherrschen einer zonalen Anordnungder Klimate, doch bestehen charakteristische, durch die Verteilungvon Land und Wasser erzeugte Abweichungen: Die 10°-Isothermedes wärmsten Monats, die bekanntlich mit der Baumgrenzeerstaunlich eng zusammenfällt, liegt auf Landgebieten in höhererBreite als auf dem Meere, weil das Land größereJahresschwankung besitzt als letzteres. DieJahresmitteltemperatur von -2°, die ungefähr der Grenze ewiggefrorenen Bodens entspricht, hat einen anderen Verlauf. Wo sie inhöherer Breite liegt als die Baumgrenze, repräsentiert sie zugleichdas Klima, welches Inlandeis erzeugt (Grönland, Antarktika); wosie in niedrigerer Breite liegt, wie in Sibirien, haben wir Wald aufgefrorenem Boden. Alles Inlandeis ist auf Breiten von mehr als 60°beschränkt.

Abb. 33.

Heutige Höhe der Schneegrenze in den verschiedenen Breiten.

Als Ergänzung geben wir noch in Abb. 33 eine Darstellung derHöhenlage der Schneegrenze in den verschiedenen Breiten nach

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Paschinger [157] und Köppen [158]. Sie erreicht ihre größte Höhevon über 5000 m in den Roßbreiten. Die Darstellung gilt fürEinzelberge oder Bergketten. Bei ausgedehnten Hochländern liegtdie Schneegrenze erheblich höher.

Die geologischen und biologischen Wirkungen diesesKlimasystems sind sehr mannigfaltige. Wir wollen sie gleichzusammen mit den bisher verfügbaren fossilen Klimazeugnissenbesprechen.Vielleicht die wichtigsten Klimazeugnisse, wenn auch etwasgefährlicher Art, sind die Spuren, welche frühere Inlandeisdeckenzurückgelassen haben. Weil zur Entwicklung von Inlandeisniedrige Sommertemperaturen das entscheidende Erfordernis sind,die im Innern großer Kontinente wegen der dort großenJahresschwankung der Temperatur fehlen, braucht sich dasPolarklima nicht immer durch Inlandeisspuren zu erkennen zugeben. Umgekehrt haben wir es aber, wo wir solche Spuren finden,zweifellos mit Produkten des Polarklimas zu tun. Am häufigstenfindet man die Blocklehme, mit deren Namen treffend dasunsortierte Durcheinander von feinstem und gröbstem Materialgekennzeichnet wird, das die Moränen auszeichnet. DieBlocklehme der älteren Zeiten sind meist zu festen Gesteinen,Tilliten, verhärtet. Man kennt oder glaubt solche zu kennen ausdem Algonkium, Kambrium, Devon, Karbon, Perm, Miozän,Pliozän und Quartär. Leider sind gerade diesen häufigsten Spurenehemaliger Inlandeisdecken andere „pseudoglaziale“ Konglomeratebisweilen zum Verwechseln ähnlich, die auf gewöhnlicherSchuttbildung beruhen. In letzteren kommen sogar auchGesteinsglättungen und Schrammen vor, welche gekritztesGeschiebe vortäuschen, in Wirklichkeit aber auf Gleitharnischezurückzuführen sind. Im allgemeinen pflegt man erst dann dieglaziale Natur als ganz einwandfrei erwiesen zu betrachten, wennes gelungen ist, unter dem Blocklehm der Grundmoräne noch diepolierte Oberfläche des anstehenden Gesteins nachzuweisen. Eineandere wichtige Gruppe von Klimazeugnissen bilden die Kohlen,die als fossile Torfschichten aufzufassen sind. Damit einWasserbecken vermooren kann, muß es jedenfalls mit Süßwassergefüllt sein, und dies kann nur in den Regenzonen der Erde, nichtin den Trockengebieten geschehen. Kohle bezeugt also

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Regenklima, wobei es sich sowohl um die äquatoriale Regenzoneals auch um die Regenzone der gemäßigten Breiten, wie auch umdas subtropische Regenklima der Monsungebiete an denOsträndern der Kontinente handeln kann. So bildet sich heute Torfin zahlreichen Mooren am Äquator, aber auch in den Subtropen,wo diese feucht sind, und ebenso in den gemäßigten Breiten, wounter anderem die quartären und postquartären TorfmooreNordeuropas am längsten bekannt sind. Über die Temperaturerhält man also aus der bloßen Anwesenheit von Kohlenschichtenkeinen Anhaltspunkt; dazu muß vielmehr der Charakter der Floraherangezogen werden, deren Reste sich in den Kohlenschichtenund ihren Nachbarschichten finden. Einen kleinen Fingerzeig,dessen Wert man aber nicht überschätzen darf, gibt auch dieMächtigkeit der Kohlenschichten insofern, als der üppigere undunterbrechungslose Pflanzenwuchs der Tropen ceteris paribusTorfschichten von größerer Mächtigkeit erzeugen kann als derlangsamere in den gemäßigten Breiten.

Eine besonders wichtige Gruppe von Klimazeugnissen bild dieProdukte der Trockengebiete, insbesondere Salz, Gips undWüstensandsteine. Steinsalz entsteht durch Verdunsten vonSeewasser. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um größereÜberschwemmungen (Transgressionen) des Festlandes, die durchBodenbewegungen ganz oder doch in ausreichendem Maße vomoffenen Meere abgesperrt werden. In den Regenklimaten werdensie zunehmend ausgesüßt, wie die Ostsee. Im Trockenklima aber,wo die Verdunstung gegenüber dem Niederschlag überwiegt, wirdbei völliger Absperrung zunächst das Areal der Überschwemmungdurch Austrocknung immer kleiner und die Salzlösung immerkonzentrierter, bis schließlich die Ausscheidung des Salzes vor sichgeht: zuerst wird Gips ausgefällt, dann Kochsalz (Steinsalz) undganz zuletzt auch die leicht zerfließenden Kalisalze. DieGipsablagerungen nehmen daher in der Regel den größten Raumein; eingestreut in ihnen finden sich Steinsalzlagen und nur seltenauf beschränktem Raume Kalisalze. Noch weit gewaltigere Räumewerden von den zu Sandstein verhärteten Wanderdünen derehemaligen Wüsten bedeckt, die durch Mangel an Vegetation undTierleben ausgezeichnet sind. Ihr Zeugnis für Trockenklima istaber kein so sicheres wie das von Salz und Gips, da Sande und

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Dünen, wenn auch in geringerer Ausdehnung, auch inregenreichen Klimaten als Strandbildungen auftreten, wie heute inNorddeutschland, und sogar vor dem Rande des Inlandeises, wiedie Sandr auf Island. Einen, wenn auch schwachen, Anhalt über dieTemperaturverhältnisse liefert die Farbe dieser Sandsteine, weil inden Tropen und Subtropen bei der Bodenbildung die rote Farbe, inden gemäßigten und hohen Breiten braune und gelbe Farbevorherrscht. Strandsande sind freilich auch in den Tropen weiß.

Für die Ablagerungen des Meeres gilt das Gesetz, daß mächtigeKalkschichten nur in den warmen Gewässern der Tropen undSubtropen abgesetzt werden können. Die Ursache ist, wenn auchBakterientätigkeit eine Rolle dabei zu spielen scheint, sehrwahrscheinlich einfach die Tatsache, daß das kalte Polarwasser vielgrößere Kalkmengen lösen kann und daher ungesättigt ist,während das warme Wasser der Tropen, das viel weniger Kalk inLösung haben kann, gesättigt oder übersättigt ist (vgl. dieAusscheidung von Kesselstein). Damit hängt offenbar auch die inden Tropen allgemein viel größere Kalkausscheidung derOrganismen zusammen, vor allem der Korallen und Kalkalgen,aber auch der Muscheln und Schnecken. Im Polarklima scheint dieAblagerung von massiven Kalkschichten überhaupt unmöglich zusein, ebenso wie der Kalk auch bei den eigentlichenTiefseesedimenten wegen der niedrigen Temperatur desTiefenwassers verschwindet.

Zu diesen anorganischen Klimazeugnissen kommen nun nochdiejenigen der Pflanzen-und Tierwelt, bei denen allerdings größereVorsicht nötig ist, weil die Organismen über großeAnpassungsfähigkeit verfügen. Aus einem Einzelfund läßt sichdeshalb nur selten ein Schluß ziehen, dagegen erhält man stetsbrauchbare Ergebnisse, wenn man die gesamte geographischeVerbreitung der Pflanzen-bzw. Tierwelt einer bestimmten Periodeins Auge faßt. Durch Vergleichung gleichzeitiger Floren ausverschiedenen Erdteilen kann man meist mit großer Sicherheitentscheiden, welche von beiden die wärmere und welche diekühlere war, wenn auch der Absolutwert der Temperatur sich nurin den jüngeren geologischen Formationen, wo die Pflanzen schonden heutigen ähnlich sind, abschätzen läßt, während er bei denälteren Floren meist unbestimmt bleibt. Fehlen von Jahresringen

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in Holzgewächsen deutet auf tropisches, starkes Hervortretenderselben auf gemäßigtes Klima hin, trotz der Ausnahmen, die vondieser Regel gar nicht selten vorkommen. Wo hochstämmigeBäume wuchsen, dürfen wir auch wohl für die Vorzeit eineTemperatur des wärmsten Monats von mehr als 10° Cvoraussetzen.

Auch die Tierwelt liefert zahlreiche Klimakriterien. Reptilien,die keine Eigenwärme produzieren, verfallen in winterkaltenKlimaten der Winterstarre, die sie wehrlos macht. Sie könnendaher in solchen Klimaten nur leben, wenn sie, wie unsereEidechsen und Ringelnattern, klein genug sind, um sich leichtverbergen zu können. Fehlt, wie im Polargebiet, auch noch dieSommerwärme, so können auch ihre Eier nicht mehr von derSonne ausgebrütet werden, so daß sie hier überhaupt keineerträglichen Lebensbedingungen finden. Wo also dieser Stamm inbesonders großen Vertretern reich entwickelt ist, kann man auftropisches oder wenigstens subtropisches Klima schließen.Allgemein liefern Pflanzenfresser ein Kriterium über dieVegetation und damit über die Regenmenge; Schnellläufer, wiePferde, Antilopen, Laufvögel, zeugen von Steppenklima, da ihrKörperbau auf Beherrschung großer Räume eingerichtet ist.Kletterer, wie Affe oder Faultier, sind im Walde zu Hause.

Es ist hier nicht möglich, auf alle derartigen Klimazeugnisseeinzugehen; das Gesagte wird aber genügen, um ein ungefähresBild davon zu geben, auf welche Weise man überhaupt zuSchlüssen über das vorzeitliche Klima gelangt.

Die ungeheure Menge von Tatsachen, die sich in dieser Weiseals fossile Klimazeugen verwerten lassen, zeigt nunüberraschenderweise, daß in den meisten Gegenden der Erde inder Vorzeit ein ganz anderes Klima geherrscht hat als heute. So istbekannt, daß Europa den größten Teil der Erdgeschichte hindurchsubtropisches bis tropisches Klima gehabt hat. Noch zu Beginn derTertiärperiode hatte Mitteleuropa das Klima der äquatorialenRegenzone; dann folgt in der Mitte dieser Periode die Bildunggroßer Salzlager, also Trockenklima, sodann gegen Ende derTertiärperiode ein etwa dem heutigen Klima entsprechendes, unddarauf folgt dann die quartäre Inlandeisüberschwemmung, alsoPolarklima wenigstens für Nordeuropa.

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Ein besonders in die Augen fallendes Beispiel für großeKlimaänderungen bilden auch die Nordpolargebiete, namentlichdas am besten bekannte Spitzbergen, das nur durch einFlachseegebiet von Europa getrennt ist und also einen Teil dergroßen eurasiatischen Kontinentalscholle bildet. Heute liegtSpitzbergen bei strengem Polarklima unter Inlandeis; aber imFrühtertiär (als Mitteleuropa in der äquatorialen Regenzone lag)standen dort Wälder von größerem Artenreichtum, als er heute inMitteleuropa gefunden wird. Nicht nur Kiefern, Fichten und Eibenfanden sich dort, sondern auch Linden, Buchen, Pappeln, Ulmen,Eichen, Ahorn, Efeu, Schlehe, Hasel, Weißdorn, Schneeball, Esche,ja sogar so wärmeliebende Gewächse wie Wasserlilien, Walnuß,Sumpfzypresse (Taxodium), gewaltige Sequoien, Platanen,Kastanien, Ginkgo, Magnolie, die Weinrebe! Es muß damalsoffenbar auf Spitzbergen ein Klima geherrscht haben wie heuteetwa in Frankreich, d. h. die Jahresmitteltemperatur muß etwa 20°höher gewesen sein als heute. Und gehen wir noch weiter in derErdgeschichte zurück, so finden wir Anzeichen für noch größereWärme: im Jura und der älteren Kreide wuchsen dort Sagopalmen,die heute nur in den Tropen vorkommen, Ginkgo (heute in einereinzigen Art in China und Südjapan), Baumfarne und anderes. Undauch schon im Karbon finden wir auf Spitzbergen teils mächtigeGipslager, die von subtropischem Trockenklima zeugen, teils eineFlora, die gleichfalls subtropischen Charakter hat.

Dieser enorme Klimawechsel — in Europa vom tropischenzum Klima der gemäßigten Breiten, in Spitzbergen vomsubtropischen zum Polarklima — legt sofort den Gedanken einerVerschiebung der Pole und des Äquators und damit des ganzenzonalen Systems der Klimate nahe. Und diese Annahme findet eineunabweisbare Bestätigung darin, daß Südafrika — 80° südlich vonEuropa, 110° südlich von Spitzbergen — in demselben Zeitraumeine ebenso gewaltige, aber gerade umgekehrte Klimaänderungerlitt: Im Karbon unter Inlandeis begraben, also im Polarklima,heute in subtropischem Klima!

Diese völlig sichergestellten Tatsachen lassen keine andereErklärung zu als die durch Polwanderungen[1]. Wir können hieraufauch noch eine Probe machen. Wenn der Meridian Spitzbergen—Südafrika die größte Klimaänderung durchgemacht hat, so muß die

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gleichzeitige Klimaänderung in den zwei Meridianen, die 90°östlich und westlich davon liegen, Null oder jedenfalls sehrunbedeutend gewesen sein. Und dies ist in der Tat der Fall; dennder Sundaarchipel, 90° östlich von Afrika, hatte mit Bestimmtheitschon im Frühtertiär das gleiche tropische Klima wie heute, wiesich schon in der unveränderten Erhaltung zahlreicheraltertümlicher Pflanzen und Tiere, wie z. B. der Sagopalme oder desTapirs, zeigt, und neuerdings hat man dort auch Karbonpflanzenvon der gleichen Art gefunden, wie sie aus Europa bekannt sindund von den besten Kennern für tropisch gehalten werden. Und inähnlicher Lage war auch der nördliche Teil von Südamerika, wounter anderem gleichfalls der Tapir erhalten blieb, während er inNordamerika, Europa und Asien nur fossil, in Afrika gar nicht zufinden ist. Allerdings erweist sich für das nördliche Südamerika dieKlimakonstanz als nicht so vollkommen wie für die Sundainseln;dies ist, wie wir sehen werden, eine Folge der Verschiebung derKontinente; Südamerika lag eben früher nicht 90° westlich vomMeridian Spitzbergen—Südafrika, sondern diesem viel näher.Es ist nach dem Gesagten nicht zu verwundern, daß man bei denVersuchen, das System der vorzeitlichen Klimaänderungen zuergründen, schon frühzeitig und immer wieder aufPolwanderungen zurückgegriffen hat. Bereits Herder hat in seinenIdeen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit auf einesolche Erklärung der Vorzeitklimate hingewiesen. Sodann wurdesie mehr oder weniger ausführlich von zahlreichen Autorenvertreten, nämlich Evans (1876), Taylor (1885), Löffelholz vonColberg (1886), Oldham (1886), Neumayr (1887), Nathorst(1888), Hansen (1890), Semper (1896), Davis (1896), Reibisch(1901), Kreichgauer (1902), Golfier (1903), Simroth (1907),Walther (1908), Yokoyama (1911), Dacqué (1915), E. Kayser(1918), Eckardt (1921), Kossmat (1921), Stephan Richarz (1926)und vielen anderen. Arldt [159] hat diese Literatur bis 1918zusammengestellt, aber seitdem ist die Zahl der Autoren, die fürPolwanderungen eingetreten sind, immer schneller angewachsen.

Früher stieß diese Lehre innerhalb des engeren geologischenFachkreises auf recht allgemeinen Widerspruch, und bis zu denArbeiten von Neumayr und Nathorst hat die große Mehrzahl derGeologen Polwanderungen ganz abgelehnt. Nach den genannten

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Arbeiten ändert sich das Bild, indem nun unter den Geologen dieAnhänger der Polwanderungen, wenn auch langsam, zahlreicherwurden, und heute steht wohl die weit überwiegende Mehrzahl derGeologen auf dem in E. Kaysers Lehrbuch der Geologieformulierten Standpunkt, daß jedenfalls die Annahme einer großentertiären Polverschiebung „schwer zu umgehen“ ist, wenn aucheinige Gegner sich noch vor wenigen Jahren mit schwerverständlicher Schärfe gegen diese Vorstellungen gewendet haben.So zwingend indessen die Gründe für Polwanderungen in derErdgeschichte sind, so ist es doch andererseits unleugbar, daß allefrüheren Versuche, die Lage der Pole und des Äquatorskontinuierlich durch die ganze Zeitenfolge zu bestimmen, stets aufUngereimtheiten geführt haben, und zwar von so grotesker Art,daß es gar nicht zu verwundern ist, wenn hieraus der Verdachtentstand, man befinde sich mit der Annahme von Polwanderungenüberhaupt auf einem Irrwege. Solche systematischen Versuche, diemeist nur von Außenseitern unternommen wurden, sind daherauch nie zur Anerkennung durchgedrungen. Es stammen solchevon Löffelholz von Colberg [4], Reibisch [161] und Simroth [162],Kreichgauer [5] und Jacobitti [164]. Von ihnen hat Reibisch leiderseine von der Kreide ab ganz zutreffenden Vorstellungen in diewunderliche Zwangsjacke einer strengen „Pendulation“ der Poleauf einem „Schwingungskreis“ eingekleidet, die als physikalischesKreiselgesetz wahrscheinlich falsch, jedenfalls unbegründet ist undobendrein zu zahlreichen Widersprüchen mit den Beobachtungenführt. Simroth hat, um die Pendulationstheorie zu beweisen, einumfangreiches biologisches Tatsachenmaterial gesammelt,welches zwar gute Belege für Polwanderungen enthält, aber vonder behaupteten strengen Gesetzmäßigkeit des Hin-undHerpendelns nicht überzeugen kann. Richtiger natürlich ist derrein induktive Weg, nämlich ohne vorgefaßte Meinung über dasErgebnis die Lage der Pole aus den fossilen Klimazeugen einfachabzuleiten. Diesen Weg ist namentlich Kreichgauer in seinem klargeschriebenen Buche gegangen, wenn er sich auch neben deneigentlichen Klimazeugen noch auf ein unzureichend begründetesDogma über die Anordnung der Gebirge stützt. Fast alle dieseVersuche ergeben für die jüngeren Zeiten ungefähr das gleicheResultat, zu dem auch Köppen und der Verfasser gekommen sind,

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nämlich eine Lage des Nordpols zu Beginn des Tertiärs in derNachbarschaft der Aleuten und von da eine Wanderung nachGrönland, wo er zu Beginn des Quartärs anzutreffen ist[2]. Fürdiese Zeiten ergeben sich auch keine größeren innerenUnstimmigkeiten. Anders wird es jedoch für die Zeiten vor derKreide. Hier gehen nicht nur die Ansichten der genannten Autorenweit auseinander, sondern es führen alle diese Rekonstruktionen,weil sie die Unveränderlichkeit der Lage der Kontinentezueinander als selbstverständlich voraussetzen, auf hoffnungsloseWidersprüche, und zwar charakteristischerweise auf Widersprüchesolcher Art, daß sie für jede überhaupt denkbare Pollage einabsolutes Hindernis bilden. Legt man dagegen dieVerschiebungstheorie zugrunde, trägt man also die fossilenKlimazeugnisse in eine nach dieser Theorie entworfeneKartengrundlage für die betreffende Zeit ein, so verschwindendiese Widersprüche vollständig, und alle Klimazeugnisse ordnensich von selbst zu dem uns aus der Gegenwart vertrauten Bilde derKlimazonen: zwei Trockenstreifen, zwischen denen ein feuchterStreifen längs eines Großkreises die Erdkugel umzieht und die mitletzterem zusammen alle Zeugnisse für tropische Wärmeenthalten; nach außen beiderseits anschließend wieder zweifeuchte Gürtel; und wo sich Zeugnisse von Polarklima finden, liegtihre Mitte 90 Großkreisgrade vom mittelsten feuchten Streifen undetwa 60 Großkreisgrade vom nächsten trockenen entfernt.

Betrachten wir zunächst die Karbonzeit als die älteste, fürwelche bisher Erdkarten nach der Verschiebungstheorie gezeichnetsind. Hier begegnen wir gleich der größten Schwierigkeit derbisherigen Paläoklimatologie, nämlich in Gestalt derpermokarbonischen Eisspuren.

Alle heutigen Südkontinente (und Dekan) trugen am Ende derKarbon-und am Anfang der Permzeit Inlandeis; dagegen ist, vonDekan abgesehen, kein Kontinent der heutigen Nordhalbkugel indieser Zeit vereist gewesen.

Am genauesten sind diese Inlandeisspuren in Südafrikastudiert, wo Molengraaff 1898 zuerst unter der alten Moräne denvom Eise geglätteten Felsboden auffand und damit die letztenZweifel an der Moränennatur des dortigen „Dwykakonglomerats“beseitigte [165]. Die späteren Untersuchungen, von denen

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besonders diejenigen von du Toit hervorzuheben sind [166], gebenein sehr eingehendes Bild von dieser Eisbedeckung. An vielenStellen kann man aus den Schrammen auf dem geglätteten Felsendie Bewegungsrichtung des Eises ablesen; man kann so eine Reihevon Vereisungszentren feststellen, von denen das Eis ausstrahlte,und man wird auch schon aufmerksam auf geringfügigeZeitdifferenzen in der Haupttätigkeit dieser Zentren, die im ganzeneiner Verlagerung der größten Eismächtigkeit vom (heutigen)Westen nach Osten entsprechen. Vom 33. Breitengrad südwärtsliegt in Südafrika der Blocklehm konkordant aufMeeresablagerungen und erscheint als deren unmittelbareFortsetzung; man kann dies nur so deuten, daß das Inlandeis hierals schwimmende „Barriere“ geendet hat wie heute in derAntarktis, wobei die am Unterrand ausschmelzende Grundmoräneals natürliche Fortsetzung der früheren Meeressedimentation sichauf diese legte. Die Schneegrenze muß hier also im Meeresniveaugelegen haben. Auch schon die Ausdehnung diesersüdafrikanischen Vereisung, die fast der heutigen von Grönlandgleichkommt, beweist, daß es sich um echtes Inlandeis und nichtetwa um eine bloße Gebirgsvergletscherung handelt.Aber ganz dieselben Moränenablagerungen finden sich auch aufden Falklandsinseln, in Argentinien und Südbrasilien, inVorderindien und in West-, Mittel-und Ostaustralien. In allendiesen Gebieten ist durch die völlige Gleichartigkeit der ganzenSchichtenfolge auch die glaziale Deutung der dortigen verhärtetenBlocklehme völlig gesichert. Sie alle lagen, wie Südafrika, unterInlandeis. In Südamerika und Australien hat man — ganzentsprechend den quartären Eis-und InterglazialzeitenNordeuropas — mehrere übereinanderliegendeBlocklehmschichten mit eingeschalteten interglazialenAblagerungen gefunden. So gibt es im mittleren Teil Ostaustraliens(Neusüdwales) zwei Moränen, getrennt durch kohlenführendeInterglazialschichten; das Land wurde hier also zweimal vomInlandeis überschwemmt, in der Zwischenzeit aber gab es auf derMoränenlandschaft Süßwasserseen, die vermoorten. Südlichdavon, in Victoria, hat man aber nur einen Glazialhorizont undnördlich davon, in Queensland, gar keinen. Der südlichste TeilOstaustraliens war also in diesem Zeitraum ständig unter Eis

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begraben, über den mittleren stieß das Eis nur zweimal vor, undder nördliche blieb ganz frei. So beginnt sich hier ganz das gleicheBild zu enthüllen, wie wir es seit langem für das quartäreEiszeitalter Europas und Nordamerikas kennen. Bei letzteremkann die Wechselfolge von Eiszeiten und Interglazialzeiten aufperiodische Änderungen der Erdbewegung und damit desStrahlungsempfangs zurückgeführt werden; daß solcheSchwankungen die ganze Erdgeschichte hindurch stattgefundenhaben, muß als sicher angenommen werden. AuffallendeErscheinungen konnten sie aber nur hinterlassen zu Zeiten, indenen Inlandeis in den Polarkappen lag. — Alle diese Einzelheitenzeigen klar, daß es sich bei der permokarbonischen Vereisung derSüdkontinente um echtes Inlandeis handelt.

Aber diese Spuren des permokarbonischen Eiszeitalters sindheute weit voneinander getrennt und nehmen fast die Hälfte derganzen Erdoberfläche ein!

Betrachten wir Abb. 34. Selbst wenn wir den Südpol an diedenkbar günstigste Stelle in die Mitte dieser Spuren legen, das istauf etwa 50° südlicher Breite und 45° östlicher Länge, sobekommen, wie der zu dieser Pollage gehörige Äquator ausweist,die polfernsten Inlandeisspuren in Brasilien, Vorderindien undOstaustralien eine geographische Breite von nicht ganz 10°, eshätte also Polarklima bis fast zum Äquator geherrscht. Und von deranderen Erdhälfte hätten wir, wie wir vorwegnehmen, nur Spurentropischer und subtropischer Hitze bis nach Spitzbergen hinauf.Daß dies Ergebnis sinnlos ist, braucht nicht gesagt zu werden. DerVersuch, diese Eisspuren klimatisch zu erklären, wurde schon1907, als die südamerikanischen Funde noch für unsicher gehaltenwerden durften, von Koken [167] praktisch ad absurdum geführt;denn sein Schluß, daß anscheinend nichts übrigbleibe als dieAnnahme, alle diese Eisspuren seien in großer Seehöhe gebildet,kommt aus dem Grunde nicht in Betracht, weil auch Hochländerdieser Ausdehnung kein Inlandeis in den Tropen erzeugen, undzudem die Beobachtungen gerade umgekehrt beweisen, daß dieSchneegrenze hier bis zum Meeresspiegel herabgesenkt war. Undin der Tat ist seitdem auch kein Versuch einer klimatischenErklärung der Erscheinungen mehr unternommen worden.

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Abb. 34.

Die permokarbonen Inlandeisspuren auf den heutigen Kontinenten. DasKreuz bezeichnet die für die Erklärung günstigste Lage des Südpols; die stark

ausgezogene Kurve ist der zugehörige Äquator.

So bilden diese Eisspuren eine eklatante Widerlegung derHypothese der Immobilität der Kontinente. Was würden wir zu derVerschiebungstheorie sagen, wenn sie an irgend einer Stelle desgroßen, von ihr zusammengefaßten Materials auf einen solchenWidersinn führte? Die Unveränderlichkeit der Lage derKontinentalschollen ist bisher wie eine aprioristische Wahrheitbehandelt worden, die keines Beweises bedarf. Aber sie ist doch inWirklichkeit auch nur eine Hypothese, die an den Beobachtungengeprüft werden muß. Und ich zweifle stark, ob die Geologieimstande ist, für irgend eines ihrer Ergebnisse je einen strengerenBeweis zu erbringen als den für die Unrichtigkeit derImmobilitätshypothese auf Grund der permokarbonenGlazialspuren. Wir verzichten hier darauf, das Gesagte durch Zitateaus der Literatur zu belegen. Was jeder sehen kann, bedarf keinerStützung durch fremde Meinungen; und wer nicht sehen will, demist ohnehin auf keine Weise zu helfen.

Für uns lautet die Frage jetzt nicht mehr: Haben sich dieKontinentalschollen verschoben? — denn daran ist ein Zweifelnicht möglich —, sondern: Haben sie sich so verschoben, wie es diespezielle Formulierung der Verschiebungstheorie annimmt?

Dabei darf zunächst nicht übergangen werden, daß noch aneiner Reihe anderer Stellen in den permokarbonen Ablagerungen

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Konglomerate gefunden sind, die von geologischer Seite bishergleichfalls als glazial betrachtet werden und ihrer Lage nachweniger gut und teilweise geradezu schlecht zu den speziellenAnnahmen der Verschiebungstheorie passen.So wird z. B. aus Mittelafrika von solchen permokarbonen (undweiter auch triassischen) Konglomeraten berichtet [216], diebisher mit dem südafrikanischen Dwykakonglomerat identifiziertund als Grundmoräne eines Inlandeises gedeutet werden.Permokarbonische Eisspuren im Kongogebiet würden sich zur Notnoch mit den Annahmen der Verschiebungstheorie vereinigenlassen (triassische nur noch sehr schlecht), machen aber meinesErachtens doch schon klimatologisch unwahrscheinlicheAnnahmen nötig. Aber wie steht es hier mit der Sicherheit derglazialen Deutung? Es war schon oben darauf hingewiesen, daßtäuschend ähnliche „pseudoglaziale“ Konglomerate mitangeschliffenen Stücken auch in ganz anderen Klimaten(insbesondere im Trockenklima) entstehen können undnachweislich entstanden sind. Der geglättete Fels unter derangeblichen Moräne ist im Kongogebiet bisher nirgends gefunden,man hat also bisher nur solche Kennzeichen, die auch für dasPseudoglazial typisch sind. Außerdem ist die Schichtenfolge dorterst in kleinen Bruchstücken bekannt — selbst die Einordnung indas Permokarbon ist noch unsicher —, so daß man auch nichtsagen kann, daß die glaziale Deutung durch die Identität derganzen Schichtenfolge gestützt wird. Das wenige, was wir vondiesen Schichten wissen, scheint im Gegenteil auf eine bereitswesentlich andere Ausbildung und also auf Entstehung unteranderem Klima hinzudeuten. Keinesfalls kann also die glazialeDeutung hier schon als gesichert gelten. Und dazu kommt derdirekte Einwand, daß man in Südafrika die Nordgrenze desInlandeises bestimmen zu können glaubt. Es ist schwer glaublich,daß eine andere, getrennte Eiskappe gleichzeitig in Zentralafrikalag. Es ist deshalb berechtigt, die Konglomerate von Zentralafrikaeinstweilen als Klimazeugnisse außer acht zu lassen. Ich halte esfür wahrscheinlich, daß sich später ihre pseudoglaziale Naturherausstellen wird.

Noch wahrscheinlicher ist dies bei den von Koert in Togogefundenen permokarbonen Konglomeraten, die nach der

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bisherigen, noch wenig eingehenden Untersuchung gleichfalls alsglazial angesprochen wurden, aber meines Erachtens höchstwahrscheinlich im Trockenklima gebildet sind.

Durchaus unvereinbar mit dem sonst so folgerichtigenGesamtbild, das sich aus der Verschiebungstheorie ergibt, ist abereine andere Reihe als glazial angesprochener Konglomerate inNordamerika und Europa. So glaubte Hobson Spuren von Eis imKarbon des Ruhrbeckens, Tschernischew solche im Oberkarbondes Ural zu sehen.

Ebenso fand W. Dawson 1872 angebliche Glazialspuren aufNova Scotia, die noch 1925 von A. P. Coleman bestätigt wurden; S.Weidman (1923) solche in den Gebirgen von Arbuckle und Wichitain Oklahoma; J. B. Woodworth (1921) in den „Caney Shales“ vonOklahoma; Udden im Perm von Westtexas; Süssmilch und Daviderwähnen auch die „Fountain“-Konglomerate von Colorado. DieseFälle werden heute bereits von der überwiegenden Mehrzahl derGeologen für pseudoglazial gehalten, sicherlich mit Recht, denn dieglaziale Deutung würde allen übrigen, so zahlreichen Klimazeugengerade aus diesen Gebieten widersprechen. Van Waterschoot vander Gracht [210] schreibt über sie:„Wir müssen sehr vorsichtig mit ‚Tilliten’ sein. Ich halte es nichtfür nachgewiesen, daß irgend eines der permokarbonenKonglomerate von Texas, Kansas, Oklahoma und namentlichColorado als glazialen Ursprungs betrachtet werden kann. Wer mitWolkenbrüchen, namentlich solchen, die in Wüsten oder amRande arider Zonen vorkommen, vertraut ist, für den hat es nichtsÜberraschendes, daß unsortiertes, meist klastisches und teilweisekantiges Material in großer Mächtigkeit durch die Flutenabgelagert wird, die durch solche Regengüsse erzeugt werden.Diese Fluten sind äußerst heftig, obwohl von kurzer Dauer. DieStröme bestehen meist mehr aus Schlamm als aus Wasser, und dieMischung hat ein so großes spezifisches Gewicht, daß sie nicht nurunglaublich große Blöcke transportieren kann, sondern auch jedeSichtung des Materials verhindert. Man benötigt kein Eis, um daszu erklären. Wir sehen die gleichen Vorgänge gegenwärtig in allenWüsten, auch in denen des amerikanischen Westens.“

„Vereinzelte große Blöcke in sonst feinen marinenAblagerungen brauchen nicht durch schwimmendes Eis

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transportiert zu sein. Große Bäume können das gleicheverursachen, wenn sie große Steine, die von ihren Wurzeln umfaßtwerden, mit auf die See hinausführen.“

„Selbst angeschliffene und gekritzte Steine brauchen nichtglazial zu sein, außer wenn die Schrammen sehr häufig sind unddie Steine aus sehr dichtem und hartem Felsen bestehen. SolcheSteine, die glazialen Blöcken und Erratikum in erstaunlicher Weisegleichen, aus den permischen Konglomeraten vonNordwesteuropa, mit klaren Anzeichen von ‚glazialem‘ Charakter,werden jetzt als bloße durch Rutschung geschrammte Fragmentebetrachtet. 1909 habe ich selber einmal den Irrtum begangen, einesdieser europäischen Konglomerate als einen Tillit zu beschreiben.“

Zu den oben angeführten Fällen kommt aber als besondersauffallende Erscheinung noch ein bei Boston in Nordamerikaentdecktes permokarbones Konglomerat, das den Namen„Squantum Tillit“ erhalten hat und bisher von allen Besuchern,insbesondere von Sayles [168], der die genaueste Beschreibunggeliefert hat, als verhärtete Moräne gedeutet wurde. DieseAblagerungen bedecken etwa ein Areal fast so groß wie der Vatna-Jökull auf Island. Das Konglomerat enthält geglättete Steine, dieals vom Eise gekritzte Geschiebe angesehen werden, und in derUmgebung dieses Gebiets werden verhärtete Tonschichtengefunden, die den von de Geer studierten quartären undpostquartären Warven in Schweden ähnlich sind. Doch sind allesdies Erscheinungen, die auch pseudoglazial sein können. Dergeschliffene Felsen unter dieser angeblichen Moräne ist bishernirgends gefunden worden.Gegen die glaziale Deutung dieses Squantum-Tillits bestehen, wievon mir kürzlich hervorgehoben wurde [217], die schwerstenBedenken vom klimatologischen Standpunkt aus, und zwar ganzunabhängig von der Verschiebungstheorie. Alle übrigenKlimazeugen von Nordamerika aus permokarboner Zeit, dieungemein zahlreich sind, beweisen in völlig eindeutiger Weise, daßdas Gebiet der Vereinigten Staaten im Westen während dieserganzen Zeit das Klima der heißen Wüste hatte, während der Ostenim Karbon noch in der äquatorialen Regenzone, im Perm abergleichfalls im Gebiet der heißen Wüste lag. Einzelheiten über dieseKlimazeugen, unter denen Salz-und Gipsablagerungen und

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Korallenriffe eine Hauptrolle spielen, werden weiter unten genanntwerden. Nun geht aber aus unserer Abb. 33 hervor, daß in denKlimaten, die solche Ablagerungen erzeugen, die Schneegrenzegerade ihre höchste Lage auf der ganzen Erde hat. Sie wird auchdamals im Gebiet der Vereinigten Staaten über 5000 m hochgelegen haben. Da erscheint es völlig ausgeschlossen, daß inmittendieser Ablagerungen eine Eismasse von der Größe des Vatna-Jökullgelegen haben kann oder gar, wie manche annehmen, indemselben Meere, in dem sich die Korallenriffe bildeten, Eisbergeschwammen. Dies ist physikalisch unmöglich, denn das Klimakann nicht gleichzeitig heiß und kalt gewesen sein. Auch mit derAnnahme, daß diese Glazialbildungen in großer Höhe entstandenwären, kommt man auf keine Weise aus. Ich halte es deshalb fürsehr wahrscheinlich, daß sich auch der Squantum-Tillit alspseudoglazial herausstellen wird, wie bereits so manche andereKonglomerate.

Zu beachten ist dabei, daß diese klimatologischen Bedenkengegen die glaziale Natur des Squantum-Tillits auf den zeitlich undräumlich benachbarten Ablagerungen der nordamerikanischenScholle selbst beruhen, also überhaupt nichts mit derVerschiebungstheorie zu tun haben und ohne Rücksicht auf sieeine Klärung erheischen.

Aus diesem Grunde ist es unlogisch, in dem Squantum-Tilliteinen Einwand zu sehen. Denn wie es sich auch mit demSquantum-Tillit verhalten möge, es ist ja selbstverständlich, daßwir der großen Zahl sicherer und untereinanderübereinstimmender Zeugnisse folgen müssen und nicht dem einenabweichenden, das sich schon in so vielen Fällen als trügerischerwiesen hat.

Ich bin auf die pseudoglazialen Erscheinungen desPermokarbons hier etwas näher eingegangen, weil ich bisher mitmeinem Protest gegen die glaziale Deutung des Squantum-Tillitsnoch allein zu stehen scheine[3] und ihn deshalb eingehenderbegründen mußte. Gehen wir nun zu der Prüfung über, wie sich dieverläßlichen Klimazeugen aus dem Karbon und Perm bei Annahmeder Verschiebungstheorie ordnen!Die wichtigsten von ihnen sind in die beiden Karten der Abb. 35und 36 eingetragen. Die echten Eisspuren sind durch den

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Buchstaben E bezeichnet. Wie man sieht, haben sich jetzt alledamals vereisten Gebiete um Südafrika zusammengeschlossen undnehmen eine Kappe von etwa 30° Radius auf der Erdoberflächeein. Die gleichzeitigen Zeugnisse für Polarklima sind also jetzt aufdas gleiche Areal beschränkt wie im heutigen Klimasystem. Das isteine Bestätigung unserer Annahmen, wie sie besser nichtgewünscht werden kann[4].

Wie kommt es nun, daß den vielen Zeugnissen vom Inlandeisam Südpol keine solchen aus der nördlichen Polarkappegegenüberstehen? Die Erklärung liegt darin, daß der Nordpol imStillen Ozean lag an einer Stelle, die von allen Kontinenten weitentfernt war.

Abb. 35.

Eis, Morre und Wüsten im Karbon.

E = Eisspuren; K = Kohlen; S = Salz; G = Gips; W = Wüstensandstein; schraffiert =Trockengebiete. Nach Köppen-Wegener.

Von der Mitte des Vereisungsgebietes aus als Südpol ist in denAbbildungen auch der zugehörige Äquator, die Breitenparallele von30 und 60° nördlicher und südlicher Breite und der Nordpoleingetragen. Diese Kurven erscheinen natürlich in der Projektionder Abbildung außerordentlich verzerrt; der Äquator, inWirklichkeit ein Großkreis auf der Kugel, ist durch die gebogene,etwas stärkere Linie dargestellt. Wie liegen nun hierzu die übrigen

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Klimazeugnisse?Der große karbonische Steinkohlengürtel, der sich durch

Nordamerika, Europa, Kleinasien und China hindurchzieht, bildetin unserer Rekonstruktion (nicht auf der heutigen Erde!) einenGroßkreis und zwar denjenigen, dessen Pol mitten imVereisungsgebiet liegt; er fällt mit unserem Äquator zusammen.

Kohlen bedeuten, wie erwähnt, Regenklima. Ein Regengürtel,der wie hier die Erde in Gestalt eines Großkreises umgibt, kannnatürlich durchaus nur der äquatoriale sein. Läßt sich dannobendrein feststellen, wie hier, daß er 90° von der Mitte einesgroßen Inlandeisgebietes entfernt ist, so sind wir um so mehrberechtigt, auf seine äquatoriale Lage zu schließen.

Abb. 36.

Eis, Moore und Wüsten im Perm.

E = Eisspuren; K = Kohlen; S = Salz; G = Gips; W = Wüstensandstein; schraffiert =Trockengebiete. Nach Köppen-Wegener.

Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß dieser Schluß durchausunvermeidlich ist, gleichgültig, ob wir dabei von derVerschiebungstheorie ausgehen oder nicht. Die europäischenKohlenfelder des Karbons liegen heute genau 80° nördlich der soeingehend untersuchten, sicheren Inlandeisspuren aus gleicherZeit in Südafrika, wo wir Belege dafür haben, daß dieSchneegrenze, wie heute nur in der Antarktis, den Meeresspiegel

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erreichte. Wegen des alpinen Zusammenschubes im Tertiär wirdder Abstand zur Karbonzeit 10 bis 15° größer gewesen sein alsheute, im übrigen aber kann die Lage Europas zu Südafrika keinewesentlichen Veränderungen durchgemacht haben. Es kann dahernicht der leiseste Zweifel daran herrschen, daß die europäischenKarbonkohlen zur Zeit ihrer Bildung gerade um einenErdquadranten von der Mitte eines großen Inlandeisgebietsentfernt waren, gleichgültig, welche Annahmen man über die Lageder anderen Kontinente zur damaligen Zeit macht. In 90° Abstandvom Pol kann man sich aber durchaus nur auf dem Äquatorbefinden. Auch Spitzbergen liegt noch auf der europäischenKontinentalscholle und muß also auch im Karbon wesentlich diegleiche Lage zu Europa gehabt haben wie heute. Seine großenkarbonischen Gipslager bezeugen subtropisches Trockenklima undzeigen also an, daß die nördliche Zone subtropischen Klimasdamals noch 30° nördlich der europäischen Kohlenlager lag.

Der Schluß, daß die europäischen Karbonkohlen in deräquatorialen Regenzone entstanden sind, ist demnachunausweichlich, und zwar ist er das bereits ohne Rücksicht auf dieVerschiebungstheorie.

Dieser Beweis ist so zwingend, daß daneben alle anderenKriterien weit in den Hintergrund treten müssen. Dennoch istnatürlich die Frage berechtigt, ob der Charakter der Pflanzenreste,die sich in den europäischen Karbonkohlenlagern und den ihnenbenachbarten Schichten finden, mit diesem Resultatübereinstimmt. Nach dem Urteil des besten Kenners dereuropäischen Karbonflora, H. Potonié, ist dies in der Tat der Fall.Seine Untersuchung hierüber [169] ist auch heute noch dieeingehendste und beste; er kam darin, rein aus botanischenGründen, zu dem Schluß, daß die europäischen Kohlenlager desKarbons fossile Torfmoore vom Charakter tropischer Flachmooreseien.Die Gründe, die Potonié für diese Auffassung vorbringt, sindnatürlich nicht von zwingender Natur; denn es ist sehr schwer, denKlimacharakter einer so alten Flora zu beurteilen. DieseUnsicherheit ist von seinen Gegnern, deren es unter den heutigenPhytopaläontologen nicht wenige gibt, sehr betont worden; aber esist doch auffallend, daß diese — soweit mir bekannt — nicht in der

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Lage sind, Potoniés Gründe dadurch zu entkräften, daß sie für dievon ihm angeführten Charakterzüge der Flora einewahrscheinlichere, andere klimatische Deutung gefunden hätten,oder daß sie andere Charakterzüge dieser Flora nennen könnten,die Potonié nicht anführt, und die dabei auf ein anderes Klimahinwiesen. Es sind vielmehr stets Einwände allgemeiner Art, dievon Potoniés Gegnern vorgebracht werden. Gerade aus diesemGrunde, weil Potoniés botanische Beweisführung, wie es scheint,noch immer ganz unangetastet dasteht, ist es nicht ganz ohneInteresse, sie kennenzulernen. Er gibt hauptsächlich sechsCharakterzüge der Flora an, die für tropischen Ursprung sprechen:

1. Soweit die Fruchtorgane der fossilen Farne ein Urteilzuließen, ergab sich ihre Verwandtschaft mit Familien, die heute inden Tropen zu Hause sind. Unter anderem ist die Verwandtschaftvieler karbonischer Farne mit den heutigen Marattiaceenerwähnenswert.

2. In der Karbonflora treten stark in den VordergrundBaumfarne und kletternde bzw. windende Farne. Überhauptüberwiegen baumförmige Gewächse auch in Gruppen, die heutemeist krautig sind.

3. Manche karbonischen Farne, z. B. das Baumfarn Pecopteris,haben Aphlebien, d. h. unregelmäßig zerschlitzte Fiedern an denAnsatzstellen der Nebenspindeln, die sich von der übrigenregelmäßigen Fiederung der Wedel auffallend unterscheiden. Siesind schon ausgewachsen, wenn die jungen Normalfiedern nocheingerollt sind. Solche Aphlebien werden heute nur an tropischenFarnen beobachtet.

4. Eine bedeutende Zahl von Karbonfarnen hat so großeWedel, wie sie nur in den Tropen vorkommen. Es gibt Wedel, diemehrere Quadratmeter groß sind.

5. Zuwachszonen (Jahresringe) fehlen vollständig in denStämmen der europäischen Karbonbäume. Das Wachstum ist alsowohl weder durch periodische Trockenzeiten noch durchperiodische Kälte unterbrochen worden. Wir können jetzthinzufügen: Dagegen hat man sowohl auf den Falklandsinseln wiein Australien — die beide, wie Abb. 35 und 36 zeigen, in hoherSüdbreite lagen — permokarbone Hölzer mit deutlichenJahresringen gefunden.

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6. Man hat Stammbürtigkeit der Blüten (Cauliflorie)festgestellt „bei Calamariaceen und Lepidophyten, und zwar beidiesen letzteren bei gewissen Lepidodendraceen (der ‚Gattung‘Ulodendron, die sich sogar ausschließlich auf jene großen Male anden Stammresten gründet, welche stammbürtigen Blütenentsprechen) und Sigillariaceen… Heutzutage sind Gehölze, derenBlüten aus altem Holze (aus Stämmen und Zweigen) seitlichhervorbrechen, fast ganz auf den tropischen Regenwaldbeschränkt… Es ist vielleicht der durch die dichte, tropischeVegetationsdecke bedingte mächtige Kampf ums Licht, der sichdarin ausspricht, daß die lichtbedürftigen Laubblätter oft ganzausschließlich den Gipfel einnehmen, während dieFortpflanzungsorgane an den Teilen der Pflanzen auftreten, diedem Lichte weniger zugänglich sind, wo sie jedenfalls dieausgiebige Lebensverrichtung der Laubblätter in keiner Weisebehindern.“

Mag man solche botanischen Schlüsse, wie erwähnt, fürunsicher halten, zweierlei kann man mit Bestimmtheit aussagen:Diese Flora hat weder im kalten Polarklima noch in demgemäßigten Klima, das heute an ihren Fundorten herrscht, gelebt,sondern es kann sich nur um tropisches oder subtropisches Klimabei ihr handeln. Und zweitens passen alle Anzeichen vorzüglich zuunserem auf ganz anderem und viel sichererem Wege gefundenenErgebnis, daß diese Kohlenlager in der äquatorialen Regenzoneentstanden sind.

Die Gegner von Potonié vertreten meist den Standpunkt, eshandele sich nicht um tropisches, sondern subtropisches Klima.Als Grund hierfür führte man früher (ich weiß nicht, ob es heutenoch jemand tut) die Behauptung ins Feld, daß es in der heutigenäquatorialen Regenzone keine Torfmoore geben solle und auchnicht könne, da sich oberhalb einer bestimmten Temperaturgrenzewegen der in der Wärme schnelleren Zersetzung der PflanzenteileTorf angeblich nicht mehr bilde. Dieser Gedankengang läßt sich ameinfachsten dadurch widerlegen, daß man in neuerer Zeit fastüberall in der heutigen äquatorialen Regenzone Torfmooregefunden hat, insbesondere auf Sumatra, Ceylon, amTanganjikasee und in Britisch-Guayana. Viele andere sind wohlnoch in den Sumpfgebieten des Kongo und Amazonas vorhanden,

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die man noch nicht kennt, deren Existenz aber durch dieteefarbenen „Schwarzwässer“ vieler der dortigen Flüsse sehrwahrscheinlich wird. Es handelt sich also bei diesem Einwand umweiter nichts als einen Irrtum, verursacht durch dieUnzugänglichkeit der tropischen Sümpfe und unseren darausentspringenden bisherigen Mangel an ihrer Kenntnis. AmKarbonäquator wurde freilich die Bildung von Torfmoorenbesonders begünstigt durch die gleichzeitig einsetzendenBodenbewegungen der großen karbonischen Faltungen, durch dieder natürliche Wasserablauf gestört und Sümpfe in besondersgroßer Ausdehnung geschaffen wurden.

Als weiteren Grund für die Annahme subtropischen Klimashat man angeführt, daß Baumfarne, wie sie in den Karbonkohlenhäufig sind, heute weniger in den Tropen als in den Subtropen, undzwar hier an feuchten Berghängen, vorkommen. Aber einerseits istdies kein zwingender Grund, denn Baumfarne kommen tatsächlichauch heute, wenn auch relativ selten, in den Torfmooren deräquatorialen Regenzone vor, und es ist nicht unwahrscheinlich,daß sie hier heute nur durch besser angepaßte neuere Formenteilweise verdrängt sind, die es im Karbon noch nicht gab, und dieihnen daher den Rang nicht streitig machen konnten. Undandererseits paßt der Vergleich mit den heutigen Subtropeninsofern schlecht, als diese bis auf die Monsunregengebiete amOstrand der Kontinente trocken sind, so daß sich ein solanggestreckter Moorgürtel, wie er den karbonischen Hauptkohlenentspricht, in den Subtropen klimatisch nicht unterbringen läßt.Kohlengürtel können eben nur äquatorialem oder kühlgemäßigtemKlima entsprechen. In letzterem sind aber Baumfarneausgeschlossen.

Wenn endlich von manchen Autoren Potoniés Deutung ausdem Grunde in Zweifel gezogen wird, weil dieser auch bei derklimatischen Deutung der tertiären Braunkohlen geirrt habe[5], sodürfen wir hierüber wohl hinweggehen, denn der Schluß, daß, wereinmal irrt, darum stets irren muß, ist ganz gewiß noch unsichererals Potoniés Beweisführung für die Tropennatur der europäischenKarbonkohlen.

Dieser ganze Streit um die tropische oder subtropische Naturdieser Kohlen wird mit Gründen geführt, die nicht von

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zwingendem Charakter sind, was ja bei einer so alten Flora nicht zuverwundern ist. Ich wiederhole aber, daß die Lage dieser Kohlen imAbstand eines Erdquadranten von der Mitte eines zweifellospolaren Inlandeisgebietes ein durchaus zwingender Grund fürihre Entstehung im äquatorialen Regenklima ist, und zwar, wiehervorgehoben, ganz unabhängig vom Problem derKontinentenverschiebung. Die Verschiebungstheorievervollständigt diesen Beweis nur noch durch Hinzuziehung deraußereuropäischen Glieder dieses großen Kohlengürtels, derenheutige Lage ohne Berücksichtigung der Kontinentverschiebungenzu Widersprüchen führt.

Die Gleichheit der Flora und damit auch der klimatischenEntstehungsbedingungen ist heute für die großenKarbonkohlenlager von Nordamerika, Europa, Kleinasien undChina allgemein anerkannt. Da die europäischen notwendigerweisein der äquatorialen Regenzone entstanden sein müssen, so mußalso das gleiche auch für die anderen Glieder dieses Gürtels gelten.Ihre heutige Anordnung liefert nun einen direkten Beweis für dieVerschiebungstheorie, denn sie entspricht heute nicht derForderung, daß alle diese Lager auf einem Großkreis liegenmüssen. Zur Erläuterung geben wir in Abb. 37 die von Kreichgauer[5] gezeichnete Erdkarte für das Karbon mit dem von ihmangenommenen Äquator; wir sehen hier das Bild, zu dem manohne die Verschiebungstheorie kommen würde: Für Europa, Afrikaund Asien stimmt es mit dem unserigen ungefähr überein. Aberder Äquator geht auf ihm nicht durch den Osten der VereinigtenStaaten, wohin er nach den Klimazeugnissen gehört, sonderndurch Südamerika, wo er nicht gelegen haben kann, da hier, kaum10° von ihm entfernt, das Inlandeis sich ausbreitete. Natürlich istauch wieder die Unverträglichkeit der Lage Vorderindiens undAustraliens mit ihren Inlandeisspuren hier besonders in die Augenfallend.

Auch die große Mächtigkeit der Kohlenschichten imHauptkohlengürtel des Karbons, die sie so wertvoll macht, paßtausgezeichnet zu ihrer Entstehung in der äquatorialen Regenzone.Viel weniger mächtig sind die Kohlenschichten, die sich auf denSüdkontinenten im Perm allenthalben auf den Grundmoränen desabgeschmolzenen Inlandeises bildeten (vgl. Abb. 36). Die

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zugehörige Flora, die nach dem Krautfarn Glossopteris benanntwird, war eine kühle. Hier handelt es sich um Moore der südlichensubpolaren Regenzone ganz gleicher Entstehung wie die derquartären und postquartären Torfmoore Nordeuropas undNordamerikas. Auch diese Kohlenformation und dieGlossopterisflora erfordern einen Zusammenschluß dieser Gebiete,die heute einen für ihr damaliges Klima viel zu großen Raumeinnehmen.Auch die übrigen Klimazeugen aus dem Karbon undPerm bestätigen unsere in Abb. 35 und 36 dargestellten Ergebnisse,wobei

Abb. 37.

Karbonische Äquatorlage und Faltungen, nach Kreichgauer.

die zonale Anordnung nur dann verwirklicht ist, wenn die Lage derKontinente nach der Verschiebungstheorie angenommen wird.

Von den beiden subtropischen Klimagürteln, die dieTrockengebiete enthalten, läßt sich besonders gut der nördliche imKarbon und Perm verfolgen, und zwar nicht nur seine Existenz,sondern auch sein Vorrücken nach Süden im Perm, wodurch dieäquatoriale Regenzone aus Nordamerika und Europaherausgedrängt und durch Trockenklima ersetzt wurde: Im Karbonfanden auf Spitzbergen und im westlichen Nordamerika großeGipsablagerungen statt (G in Abb. 35), und in letzterem Gebietzeugen die mächtigen permokarbonischen Red Beds allenthalben

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von Wüstenklima. Nur im Osten von Nordamerika lag dieäquatoriale Regenzone. Im Perm aber sind ganz Nordamerika undEuropa wüstenhaft: Im obersten Karbon auf Neufundland trittüber den letzten Kohlenschichten bereits Salz auf (S in Abb. 35 und36), im Perm bilden sich die großen Gipslager in Iowa, Texas,Kansas, in letzterem Staate auch Salzlager. Und in Europa, das imKarbon von der äquatorialen Regenzone durchzogen war, bildensich im Perm die großen Salzlager von Deutschland, den Südalpen,Südrußland und Ostrußland. Für Deutschland allein führt Arldt[11] neun permische Salzlager auf, darunter das berühmte vonStaßfurt. Dieses Südwärtsrücken der Klimazonen in Europa undihre gleichzeitige Verlagerung nach Südosten in Nordamerika,zusammen mit der Verlagerung des Inlandeises von Südafrika nachAustralien beweist eine, wenn auch mäßig große, Polwanderungvom Karbon zum Perm.

Die südliche Trockenzone hat, soweit die bisherigenBeobachtungen einen Schluß zulassen, in der Karbonzeithauptsächlich im Bereich der Sahara Spuren hinterlassen, wozahlreiche große Salzlager entstanden, sowie in denWüstensandsteinen von Ägypten. Freilich sind diese Ablagerungen,namentlich was die genauere Zeitsetzung anbelangt, bei weitemnicht so eingehend untersucht wie diejenigen in Europa.

Endlich ordnen sich auch die karbonischen Korallenriffe inEuropa (Irland bis Spanien) und Nordamerika (Michigansee biszum Golf von Mexiko), sowie im Perm die kalkriffbildendenRichthofeniden in den Alpen und Sizilien sowie in Ostasienzwanglos in das Bild der Klimazonen ein.

Aus dem Vorangehenden ist ersichtlich, daß sich nicht nur diepermokarbonischen Eisspuren, sondern auch die Gesamtheit derdamaligen Klimazeugnisse bei Anwendung derVerschiebungstheorie in ein System ordnen, das vollkommen demheutigen Klimasystem entspricht, wenn man den Südpol in dieGegend von Südafrika verlegt. Bei der heutigen Lage derKontinente dagegen ist es überhaupt unmöglich, sie zu einemverständlichen Klimasystem zusammenzufassen. Dadurch werdendiese Beobachtungen zu einem der stärksten Beweise für dieRichtigkeit der Verschiebungstheorie.

Der paläoklimatische Beweis für die Verschiebungstheorie

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wäre allerdings unvollständig, wenn er nur für die Karbon-undPermzeit zu führen wäre und für die folgenden Zeiten versagte.(Für die vorangehenden ist er einstweilen nicht zu führen, weil fürdiese Zeiten gegenwärtig noch die Kartengrundlage fehlt.) Dies istaber keineswegs der Fall. Ich habe in dem gemeinsam mit Köppenverfaßten Buche [151] der Reihe nach alle folgenden geologischenZeiten in der gleichen Weise behandelt, wie es hier — gekürzt — fürdas Karbon und Perm geschehen ist. Der beschränkte Raumverbietet es, diese Ausführungen hier zu wiederholen, und wirmüssen den Leser deshalb auf unser Buch verweisen. Das Ergebnisist aber stets das gleiche: Benutzt man als Kartengrundlage dieRekonstruktion nach der Verschiebungstheorie, so ordnen sich dieKlimazeugnisse stets zu einem dem heutigen grundsätzlichgleichen System, während bei der heutigen Lage der KontinenteWidersprüche auftreten. Je mehr wir uns der Gegenwart nähern,desto geringer werden natürlich diese Widersprüche, weil ebenauch die Lage der Kontinente sich der heutigen immer mehrnähert, und um so schwächer wird daher die Beweiskraft dieserZeugnisse für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie.

Im übrigen sei bemerkt, daß bei der Deutung derVorzeitklimate die Polwanderungen, zumal in den späteren Zeiten,die wichtigste Rolle spielen. Polwanderungen undKontinentverschiebungen bilden hier, sich gegenseitig ergänzend,das ordnende Prinzip, bei dessen Anwendung sich das bisherigeDurcheinander von ungeordneten, ja sich scheinbarwidersprechenden Einzeltatsachen zu einem Bilde von immerwieder überraschender Einfachheit gliedert, das durch seine völligeAnalogie mit dem jetzigen Klimasystem von ungemeinüberzeugender Wirkung ist. Zu danken ist dies aber erst derVerschiebungstheorie, denn ohne diese vermag die Theorie derPolwanderungen höchstens für die jüngsten Zeiten eine leidlichbefriedigende Lösung zu geben.

1. ↑ Über den Begriff der Polwanderungen siehe Kap. 8.2. ↑ Diese Pollage im Frühquartär hat erst neuerdings wieder

durch eine Reihe biologischer Tatsachen, die v. Ihering [122]aus Südamerika beigebracht hat, eine auffallende Bestätigungerfahren, worauf Köppen [127] hingewiesen hat. v. Ihering

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selbst will diese Tatsachen freilich durch Wechsel derMeeresströmungen bei der heutigen Pollage erklären, meinesErachtens in unzulässiger Weise, worauf indessen hier nichteingegangen werden kann, da die Frage außerhalb unseresThemas liegt.

3. ↑ Nur van Waterschoot van der Gracht [210] scheint sichmeinen Zweifeln anzuschließen.

4. ↑ Mit Unrecht wird eingewendet: Da die Vereisungen derSüdkontinente nicht ganz gleichzeitig waren, käme man auchmit der heutigen Lage der Kontinente aus, wenn man nur eine(allerdings sehr große und rasche!) Polwanderung dazunimmt.Aber die erste Vereisung Australiens fand schon im Karbon,gleichzeitig mit der von Südamerika und Südafrika, statt, undbei der Riesenwanderung des Südpols müßte der NordpolMexiko gequert haben, wo doch heißes Wüstenklimaherrschte. Und alle übrigen, über die Erdoberfläche verteiltenKlimazeugen widersprechen so starken Polwanderungen aufdas bestimmteste.

5. ↑ Ohne mich in den Streit der Phytopaläontologeneinzumischen, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen,darauf hinzuweisen, daß Mitteleuropa nach der Gesamtheitder Klimazeugen im Frühtertiär zweifellos noch in deräquatorialen Regenzone, im Mitteltertiär im subtropischen(teilweise Trocken-) Klima und im Spättertiär etwa imheutigen Klima gelegen hat. Die tertiären KohlenMitteleuropas müssen also je nach ihrem Alter unter sehrverschiedenem Klima gebildet sein. Man sollte auch hierbeachten, daß sich das Klima unvergleichlich sicherer durchdie Gesamtheit der fossilen Klimazeugen aus dem damaligenEuropa bestimmen läßt als durch die eine Gruppe vonZeugnissen, die die Kohlenflora liefert.

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Achtes Kapitel.

Grundsätzliches über Kontinentverschiebungen undPolwanderungen.

Die Worte Kontinentverschiebung und Polwanderung werdenin der bisherigen Literatur bisweilen in recht verschiedenem Sinnegebraucht, und es herrscht über ihr Verhältnis zueinander eineUnklarheit, die nur durch eine genaue Definition beseitigt werdenkann. Eine solche ist auch notwendig, um die Probleme, die indiesen Worten enthalten sind, überhaupt klar zu erkennen.

Die Aussagen der Verschiebungstheorie beziehen sichdurchgängig auf relative Kontinentverschiebungen, d. h. aufVerschiebungen von Teilen der Erdkruste relativ zu einemwillkürlich gewählten Teil derselben. Insbesondere sind in denRekonstruktionen der Abb. 4 (S. 18) die Kontinentverschiebungenrelativ zu Afrika angegeben, so daß Afrika in allenRekonstruktionskarten in gleicher Lage gezeichnet wurde. DieWahl des Bezugskontinents fiel auf Afrika, weil dies den Kern derehemaligen Urkontinentalscholle darstellt. Beschränkt man dieBetrachtung auf einen Teil der Erdoberfläche, so wird man dasBezugssystem naturgemäß auf ein engeres Gebiet dieses Teilesverlegen und dann dies Bezugsgebiet in unveränderter Lagedarstellen. Die Wahl desselben ist eine reineZweckmäßigkeitsfrage. Wegen der neuerdings eingeleitetenÜberwachung der geographischen Längenänderungen wird manvielleicht später dazu übergehen, die Kontinentverschiebungen aufder ganzen Erde relativ zur Greenwicher Sternwarte darzustellen.

Um von der willkürlichen Wahl des Bezugssystemsfreizukommen, könnte man vielleicht ausgeglicheneKontinentverschiebungen definieren, die relativ zur Gesamtheitder Erdoberfläche an Stelle nur eines Teiles derselben zubestimmen wären. Deren Bestimmung wäre aber praktisch mitgroßen Schwierigkeiten verknüpft und kommt einstweilen nicht inBetracht.

Es ist wichtig, sich die völlige Willkürlichkeit des von unsbenutzten Bezugssystems Afrika zu vergegenwärtigen. Wennbeispielsweise Molengraaff [in 228] hervorhebt, die

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mittelatlantische Schwelle zeige, daß Afrika von dort nach Ostengewandert sei, so kann ich hierin keinen Widerspruch mit derVerschiebungstheorie anerkennen. Bezogen auf Afrika, wandertenAmerika und die mittelatlantische Bodenschwelle nach Westen,und zwar ersteres etwa doppelt so schnell wie letztere; bezogen aufdie mittelatlantische Bodenschwelle, wanderte Amerika nachWesten und Afrika etwa gleich schnell nach Osten; und bezogenauf Amerika, wanderten sowohl die mittelatlantische Schwelle wieAfrika beide nach Osten, letzteres doppelt so schnell wie erstere.Bei der Relativität der Bewegung sind alle drei Aussagen identisch.Wählen wir aber einmal Afrika als Bezugssystem, so können wirdefinitionsgemäß diesem Kontinent keine Bewegung zuteilen. Daßdiese Wahl nicht für die einzelnen Teile der Erde, sondernhöchstens für die Gesamtheit der Erdoberfläche die zweckmäßigstesein kann, wurde schon gesagt.

Die so definierten Kontinentverschiebungen enthalten nochkeinerlei Aussage über Lagenänderungen zum Pol oder zurUnterlage. Ich halte es für wichtig, diese Begriffe von dem derKontinentverschiebung zu trennen.

Polwanderung ist ein geologischer Begriff. Da dem Geologennur der oberste Teil der Erdrinde zugänglich ist, und die frühereLage der Pole sich nur an der Hand fossiler Klimazeugnissebeurteilen läßt, die der Erdoberfläche entstammen, so müssen wirdie Polwanderungen als oberflächliche definieren, d. h. alsDrehung des Systems der Breitenkreise relativ zur gesamtenErdoberfläche oder auch, was wegen der Relativität aller Bewegungauf das gleiche hinausläuft, als Drehung der gesamtenErdoberfläche relativ zum System der Breitenkreise. Um wirksamzu sein, muß diese Drehung natürlich um eine Achse erfolgen, dievon der Rotationsachse der Erde abweicht. Die Frage, wie sich dasErdinnere hierbei verhält, ob es in bezug auf das System derBreitenkreise oder in bezug auf die Erdoberfläche ruht, oderdrittens, was auch möglich ist, sich in bezug auf beide dreht, bleibtbei dieser Definition ganz aus dem Spiele. Und das ist notwendig,um Klarheit zu schaffen. Oberflächliche Polwanderungen indiesem Sinne lassen sich für die Vorzeit nur durch die fossilenKlimazeugnisse nachweisen. Die Geophysik kann über ihreExistenz oder Möglichkeit kein Urteil abgeben.

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Die Bestimmung der Polwanderung nach dieser Definition istallerdings wegen des gleichzeitigen Auftretens derKontinentverschiebungen mit Schwierigkeiten verknüpft. Gäbe eskeine Kontinentverschiebungen, so würde man die Pollagen, wiesie aus den fossilen Klimazeugnissen hervorgehen, unmittelbarmiteinander vergleichen können, und man erhielte ohne weiteresdie Polwanderung nach Richtung und Größe. Sind aber in derZwischenzeit zwischen den betrachteten beiden ZeitpunktenKontinentverschiebungen eingetreten, so können wir zwar auchauf den beiden rekonstruierten Erdkarten, die mitBerücksichtigung der Kontinentverschiebung entworfen sind, aufGrund der Klimazeugen die Pollagen für beide Zeitpunkte finden,aber es entsteht die eigentümliche Schwierigkeit, daß wir nichtwissen, wie zur Zeit 2 die „unveränderte“, d. h. mit der Zeit 1übereinstimmende Pollage anzusetzen ist, von der aus wir Betragund Richtung der Polwanderung zu rechnen hätten.

Man könnte hier etwa folgendermaßen verfahren: Denkt mansich das Gradnetz zur Zeit 1 auf die damalige Erdoberfläche festeingraviert, so wird es zur Zeit 2 infolge derKontinentverschiebungen deformiert erscheinen. Suchen wir nundasjenige nicht deformierte Gradnetz, das sich dem deformiertenmöglichst eng anschmiegt[1], so stellen dessen Pole die„unveränderten“ Pole für die Zeit 2 dar, und der Vergleich mit denwirklichen, aus den fossilen Klimazeugen abgeleiteten Polen zurZeit 2 ergibt dann den Betrag der Polwanderung zwischen 1 und 2.

Abb. 38

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Wanderung des Südpols seit der Kreide; links bezogen auf Südamerika,rechts bezogen auf Afrika.

Dies wäre die absolute oberflächliche Polwanderung. Wegender genannten Schwierigkeit ist noch kein Versuch zu ihrerBestimmung gemacht, man hat sich vielmehr stets begnügt,relative oberflächliche Polwanderungen anzugeben, d. h. dieserelativ zu einem beliebig gewählten Kontinent zu bestimmen.Köppen und der Verfasser [151] haben hierzu wieder den KontinentAfrika benutzt und also die Polwanderung relativ zu Afrikabeschrieben. Wählt man einen anderen Kontinent alsBezugskontinent, so wird natürlich die Polwanderung ganz anders.Nur wenn es keine Kontinentverschiebungen gäbe, würde man beijeder beliebigen Wahl immer die gleiche Polwanderung, nämlichdie absolute, finden. Wie verschieden die relative Polwanderunginfolge der Kontinentverschiebung je nach der Wahl desBezugskontinents ausfällt, möge Abb. 38 erläutern, welche dieselbePolwanderung seit der Kreide, bezogen einmal auf Afrika undandererseits auf Südamerika, darstellt. Auch die heutigePolwanderung, wie sie neuerdings aus den Beobachtungen desInternationalen Breitendienstes abgeleitet ist, läßt sich nur auf dieErdoberfläche beziehen. Es ist ein Markstein in der Entwicklungunserer Kenntnisse der Polbewegungen der Erde, daß es vorkurzem gelungen ist, diese heutige fortschreitende Polwanderung

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abzuleiten, nachdem man bis dahin immer nur periodischeSchwankungen um eine unveränderte Mittellage des Polsfeststellen konnte. 1915 leitete Wanach zuerst eine Verlagerungdieser Mittellage ab, konnte sie aber wegen ihres damals noch sehrgeringen Betrages noch nicht für verbürgt halten[2]. Den erstenzahlenmäßig einwandfreien Nachweis brachte Lambert 1922, undvor kurzem hat Wanach [208] eine neue Ableitung derPolwanderung auf Grund der Beobachtungen des Breitendienstesvon 1900,0 bis 1925,9 gegeben. Wir geben in Abb. 39 eine derAbbildungen Wanachs wieder, die die Dimensionen gutveranschaulicht. Die totale Polbewegung besteht bekanntlich ineiner kreisähnlichen, bald mit größerem, bald mit kleineremRadius vor sich gehenden Bewegung des Rotationspols um denTrägheitspol. Um die Abbildung nicht unübersichtlich zu machen,hat Wanach von dieser totalen Polbewegung nur drei Bruchstückeeingezeichnet, nämlich das mit besonders kleinem Radius von1900,0 bis 1901,2, das mit sehr großem Radius von 1909,9 bis1911,1 und wieder das mit kleinem Radius von 1924,7 bis 1925,9.Der Trägheitspol der Erde, der immer die Mitte der Erscheinungbildet und durch eine Ausgleichsrechnung gefunden wird, hat sichdabei längs der in der Mitte gezeichneten schrägen kurzen Linieverschoben. Seine jährliche Bewegung, das ist die heutige jährlichePolwanderung, beträgt 14 ± 2 cm oder 140 km (1,3°) proJahrmillion, das ist mehr als die aus den geologischen Zeugnissenabgeleitete Polwanderung im Mesozoikum, aber weniger als die imTertiär. Bei gleichbleibender Geschwindigkeit und Richtung würdeder Nordpol in 23 Millionen Jahren die Südspitze von Grönlanderreichen.

Abb. 39.

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Polwanderung von 1900 bis 1925 nebst ausgewählten Stücken dervollständigen Polbewegung, nach Wanach.

Diese gegenwärtige Polwanderung entspricht begrifflich nichtder relativen Polwanderung, bezogen auf einen Einzelkontinent,sondern weit eher, wenn auch nicht vollkommen, der absolutenPolwanderung, die auf die ganze Erdoberfläche bezogen ist; denndie Breitenstationen sind um die ganze Erde herum verteilt.Immerhin ist zu beachten, daß zur Ableitung der absolutenPolwanderung strenggenommen Polhöhenmessungen von allenPunkten der Erdoberfläche aus nötig wären, so daß uns derInternationale Breitendienst doch nur eine Annäherung an dieabsolute Polwanderung liefern kann. Genau würde sich die letzterenur dann ergeben, wenn die Stationen des Breitendienstes ihregegenseitige Lage nicht durch Kontinentverschiebung veränderten.Daß sie dies aber tatsächlich tun, scheint aus dem von Schumann[220] hervorgehobenen Umstand hervorzugehen, daß sich bei derAbleitung der Polbahn Restfehler ergeben, die wegen ihressystematischen Charakters nicht als Beobachtungsfehler gedeutet

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werden können, deren Herkunft aber zunächst nicht ersichtlich ist.Es ist meines Erachtens von großer Wichtigkeit, die

Polwanderungen in der angegebenen Weise als oberflächliche zudefinieren und auf diese Weise die Streitfrage, ob sie durchVerschiebung der Kruste über ihre Unterlage oder durch innereAchsenverlagerung entstehen, von der Feststellung ihrer Realitätzu trennen. In der bisherigen Literatur ist das nicht geschehen, unddie Folge davon sind Unklarheit und Verwirrung. Bisher werdenPolwanderungen von den Geologen empirisch nachgewiesen (bzw.die heutige Polwanderung von den Geodäten aus denBreitenbestimmungen abgeleitet), manche Geophysiker bestreitenaus theoretischen Gründen ihre Möglichkeit, und eine dritte Klassevon Autoren macht den Vermittlungsvorschlag, sie bestündennicht in inneren Achsenverlagerungen, sondern nur in Drehungender Kruste über ihre Unterlage. Um aus den Unklarheitenherauszukommen, ist eine strengere Begriffsbildung nötig, und dererste Schritt dazu ist der, daß wir Polwanderungen alsoberflächliche definieren; solche oberflächlichen Polwanderungensind sowohl für die geologische Vorzeit wie für die Gegenwartnachgewiesen, und es hat also keinen Sinn, über ihre Möglichkeitzu diskutieren.

Unter Krustenwanderung und Krustendrehung wollen wirBewegungen der Erdkruste relativ zu ihrer Unterlage verstehen.Das Wort Kruste enthält ja den Gegensatz zum Innern der Erde, sodaß diese Definition eine naturgemäße ist. Anzeichen für solcheKrustenwanderung über die Unterlage haben wir mannigfacherArt, doch gestatten diese Anzeichen nur eine Beurteilung derVerschiebungsrichtung, aber nicht der Größe.

Zunächst haben wir zahlreiche Anzeichen für eineGesamtkrustendrehung, die nach Westen gerichtet ist, also umeine mit der Rotationsachse übereinstimmende Achse vor sichgeht. Hierher gehört die Erscheinung, daß kleine Schollen relativzu großen nach Osten zurückbleiben, wie die Randketten vonOstasien, die westindischen Inseln, der Südantillenbogen zwischenKap Horn und Grahamsland, ferner das Umbiegen spitzerKontinentalenden nach Osten, wie der Schelfgebiete desSundaarchipels und Floridas, der Südspitze Grönlands undFeuerlands, der Nordspitze Grahamslands, ferner das Abbrechen

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Ceylons, das östliche Abwandern Madagaskars von Afrika undNeuseelands von Australien; und weiter ist der Zusammenschubder Anden zu nennen. Alle diese Erscheinungen fallen zwarzunächst unter den Begriff der Kontinentverschiebung; aber siebezeugen eine systematische Verschiebung derKontinentalschollen relativ zu den neben ihnen liegendenSimamassen der Ozeanböden nach Westen und deuten deshalb an,daß sich die Kontinentalschollen wahrscheinlich auch relativ zuden unter ihnen liegenden Simamassen nach Westen verschieben,und da diese Anzeichen sich um die ganze Erde herum verfolgenlassen, werden sie zu einem Zeugnis für eine westwärts gerichteteGesamtkrustendrehung. In der Tat wird von einer solchenVorstellung ja in der heutigen Geophysik vielfach Gebrauchgemacht.

Andererseits bezeugen gewisse Erscheinungen auch einepartielle Krustenwanderung, namentlich eine solche zum Äquatorhin gerichtete. Schon theoretisch ist eine solche zu erwarten wegender Existenz der an den Kontinentalschollen angreifendenPolfluchtkraft. Das große tertiäre Faltensystem vom Atlas bis zumHimalaja bezeugt einen Zusammenschub in Richtung auf dendamaligen Äquator, der nur durch Krustenwanderung über dieUnterlage zustande kommen kann.

Alles dies sind indirekte Anzeichen. Ein mehr unmittelbaresZeugnis für Krustenwanderung über die Unterlage liefert dieSchwereverteilung. Hierauf müssen wir etwas näher eingehen.

Wir geben in Abb. 40 eine von Kossmat [38] entworfene Karteder Schwerestörungen in Mitteleuropa wieder. Die wirklichbeobachteten Schwerewerte sind, wie üblich, so reduziert worden,als wenn das ganze Relief der Erde bis zum Meeresniveauabgehobelt und die Messung in diesem Meeresniveau ausgeführtwäre, d. h. es ist außer der Reduktion auf das Meeresniveau auchnoch der Einfluß der Massen oberhalb des letzteren vom Resultatabgezogen. Der so reduzierte Beobachtungswert ist dann mit demfür die betreffende geographische Breite gültigen Normalwert derSchwere verglichen und die Differenz, die Schwereanomalie, in derAbbildung dargestellt worden. Sie zeigt uns unmittelbar dasMassendefizit unter dem

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Abb. 40.

Schwerestörung unter den Gebirgen Mitteleuropas, nach Kossmat.

Gebirge, durch welches letzteres nahezu isostatisch kompensiertist. „Man kann hier nur zu der bereits von manchen Geophysikernund von Heim ausgesprochenen Auffassung kommen, daß nicht

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Lockerung das Defizit bewirkte, sondern daß durch die Faltung dieoberen, relativ leichten Teile der Erdrinde gewaltig verdickt sind,und daß dieser Wulst während seiner Entstehung in die plastischeUnterlage einsank. Das Faltengebirge wuchs nicht nur in die Höhe,sondern durch sein Gewicht auch in die Tiefe: dem Faltenhochgangsteht, wie sich Heim dafür ausdrückt, ein noch größererFaltentiefgang gegenüber.“ Wir können also in der Karte geradezudie angenäherte Topographie der Unterseite der Sialrindeerblicken; unter den Alpen, wo die Schwereanomalie den größtennegativen Wert erreicht, senkt sich auch die Unterseite derSialrinde am tiefsten in das Sima hinab.

Aber auf was es uns hier ankommt, ist ein genauer Vergleichder Lage dieser unterirdischen Massenwülste relativ zur Lage derGebirge, zu dessen Durchführung wir den Leser bitten, einen Atlaszur Hand zu nehmen. Man wird dabei leicht feststellen, daß dasSchweredefizit systematisch nach Nordosten verschoben ist.

Diese auffallende Tatsache besagt also, daß die unterirdischenMassenwülste sämtlich mehr oder weniger nach Nordostenumgekippt und verfahren sind. Dies deutet aber mit Bestimmtheitauf eine Bewegung der europäischen Kontinentalscholle relativzum darunterliegenden Sima nach Südwesten, bei der ihre nachunten gerichteten Hervorragungen im Sima durch Reibungfestgehalten werden. Hätten wir derartige Karten derSchwerestörung für die ganze Erde, so könnten wir jedenfallsüberall da, wo es junge Schollenverdickungen gibt, dieBewegungsrichtung relativ zum darunterliegenden Simafeststellen. Es ist dies, wie es scheint, die einzige direkte Methode,die Krustenwanderung festzustellen. Bei Europa geht sie nachSüdwesten, hat also eine Komponente nach Westen, die derGesamtkrustendrehung nach Westen entsprechen dürfte, und einenach Süden, einer Krustenwanderung zum Äquator entsprechend.

Wir wollen nun versuchen, die Frage zu beantworten, ob dieoberflächlichen Polwanderungen durch Verschiebungen der Krusteüber ihre Unterlage erzeugt werden können.

Dabei könnte es sich offenbar nur um eineGesamtkrustendrehung handeln, und zwar um eine von derRotationsachse stark abweichende Achse. Die Beobachtungendeuten aber eine solche Gesamtkrustendrehung nur nach Westen,

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also um die Rotationsachse, an; man sollte meinen, daß eineGesamtkrustendrehung, die um eine wesentlich andere Achse vorsich ginge, im Antlitz der Erde gleichfalls erkennbar sein müßte.Die Beobachtungen deuten also nicht auf die Richtigkeit dieserLösung hin. Und wie steht es mit der Theorie? Sowohl einepartielle, zum Äquator gerichtete Krustenwanderung als auch eineGesamtkrustenwanderung nach Westen, also gerade die beidenempirisch angedeuteten Bewegungen, lassen sich theoretischstützen, nämlich durch die Polfluchtkraft und durch die Kräfte derGezeiten und der Präzession. Aber für eineGesamtkrustendrehung, die um eine von der Rotationsachse ganzabweichende Achse vor sich gehen müßte, fehlt offenbar jedetheoretische Erklärungsmöglichkeit. Der wohlgemeinteVermittlungsvorschlag mancher Autoren, man könne diePolwanderungen durch eine Gesamtkrustendrehung erklären,entbehrt also sowohl von empirischer wie theoretischer Seite jederStütze. Es erscheint mir deshalb sehr unwahrscheinlich, daß erzutrifft. Wenn diese Lösung aber unbrauchbar ist, so bleibt zurErklärung der oberflächlichen Polwanderungen nur die innereAchsenverlagerung.

Bei dem Worte Achsenverlagerung ist es nächstliegend, aneine Verlagerung der Achse innerhalb des sie auf ihrer ganzenLänge umgebenden Mediums zu denken. Wir wollen deshalb dasWort auch nur in diesem Sinne verwenden. Wir können dabei nochzwischen der inneren Achsenverlagerung im Erdkörper und derastronomischen Achsenverlagerung relativ zum Weltraumunterscheiden. Zunächst wollen wir nur von ersterer sprechen.

An die Frage, ob die nachgewiesenen oberflächlichenPolwanderungen durch innere Achsenverlagerung zustandekommen, kann man sowohl von theoretischer als auch, wie gezeigtwerden wird, von empirischer Seite herantreten. Was dietheoretische Seite betrifft, so ist von zahlreichen Autoren immerwieder behauptet worden, innere Achsenverlagerungen von dergeforderten Größe seien unmöglich; um dies zu belegen, haben z.B. Lambert und Schweydar ausgerechnet, daß selbst eineVerschiebung Asiens um 45 Breitengrade nur eine Verlegung derHauptträgheitsachse der Erde um 1 bis 2° erzeugen würde. Es istselbstverständlich, daß diese Behauptungen und Rechnungen so

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angesehener Geophysiker starken Eindruck bei den Geologenmachen, die nicht in der Lage sind, die Voraussetzungen dieserRechnungen zu prüfen und zu beurteilen. Und so haben dieseBehauptungen zu einem beschämenden Zustand der Verwirrunggeführt, dessen Beseitigung mir eine dringende Pflicht dertheoretischen Geophysiker zu sein scheint.

Schon die Urteile so hervorragender Theoretiker wie LordKelvin, Rudzki, Schiaparelli sollten doch stutzig machen. LordKelvin schreibt [212]: „Wir können nicht nur zulassen, sondernsogar als höchst wahrscheinlich behaupten, daß die Achse größterTrägheit und die Rotationsachse, immer nahe beieinander, in altenZeiten sehr weit von ihrer gegenwärtigen geographischen Positionentfernt gewesen sein können, und daß sie nach und nach um 10,20, 30, 40 oder mehr Grade gewandert sein können, ohne daßdabei jemals eine wahrnehmbare plötzliche Störung, sei es desWassers oder des Landes, stattgefunden hat.“ Und ganz imgleichen Sinne schreibt Rudzki [15]: „Falls die Paläontologeneinmal zu der Überzeugung kämen, daß in einer der vergangenengeologischen Epochen die Verteilung klimatischer Zonen auf einevon der gegenwärtigen ganz verschiedene Rotationsachse hinweist,so bliebe den Geophysikern nichts übrig, als dieses Postulat zuakzeptieren.“

Etwas eingehender hat Schiaparelli [211] in einer wenigbekannten Schrift die Frage behandelt. Einen Auszug aus seinemGedankengang hat W. Köppen [200] gegeben. Er behandelt dabeidie drei Fälle einer völlig starren Erde, einer völlig flüssigen Erdeund drittens einer solchen, die sich bis zu einem gewissenGrenzwert der Kräfte wie starr verhält, bei Überschreitungderselben aber zu fließen beginnt, und findet im Fall 2 und 3unbegrenzte Achsenverlagerungen möglich.

Aber wie kommt es, daß andere Autoren zu einer so striktenAblehnung von inneren Achsenverlagerungen gekommen sind?Die einfache Antwort hierauf lautet: weil sie die unrichtigeVoraussetzung machen, daß bei diesen Vorgängen der äquatorialeAbplattungswulst der Erde seine Lage unverändert beibehält! AlleVerneinungen der inneren Achsenverlagerung gehen von diesernicht nur unbegründeten, sondern sicher unzulässigenVoraussetzung aus.

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Machen wir diese falsche Voraussetzung, so ist auch ohneRechnung klar, daß die Hauptträgheitsachse der Erde und damitauch die Rotationsachse ein für allemal festgelegt sind. DerÄquatorradius der Erde ist 21 km länger als der polare. Deräquatoriale Massenwulst stellt daher eine ungeheure Masse dar,die um den Erdäquator herum gelegen ist und dadurch derErdachse ein Trägheitsmoment verschafft, das ungeheuer vielgrößer ist als die Trägheitsmomente, die zu den äquatorialenDurchmessern der Erde gehören. Auch die größten geologischenVeränderungen können doch nur zu Änderungen derMassenanordnung führen, die im Vergleich mit diesemAbplattungswulst von ganz verschwindender Größe sind. Bleibtletzterer also unverändert, so sieht man auch ohne Rechnung, daßdie Hauptträgheitsachse der Erde nur um ganz minimale Beträgegeändert werden kann. Und die Rotationsachse muß ja stets in derNähe der Hauptträgheitsachse bleiben. Ich muß aber gestehen, daßes mir schwer verständlich ist, wie man heute im Ernst dieAnnahme machen kann, daß der äquatoriale Abplattungswulstseine Lage unverändert beibehalten sollte, als ob die Erde absolutstarr wäre. Das Auftreten isostatischer Ausgleichsbewegungen undrelativer Kontinentverschiebungen bezeugt zur Genüge, daß dieErde über einen endlichen Grad von Fließfähigkeit verfügt, undwenn dies der Fall ist, so muß auch der äquatorialeAbplattungswulst sich umorientieren können. Wir brauchen dieBetrachtung von Lambert und Schweydar nur fortzusetzen:Nehmen wir an, der Trägheitspol sei (ohne Änderung desAbplattungswulstes) um einen geringen Betrag x durch geologischeVorgänge verschoben worden. Der Rotationspol muß folgen. DieErde rotiert jetzt um eine von der früheren ein wenig abweichendeAchse. Die Folge muß sein, daß sich der Äquatorwulstumorientiert. Wegen der Zähigkeit des Erdinnern geschieht dieseUmorientierung langsam, auch ist es möglich, daß sie nichtvollständig beendet wird, sondern vorher steckenbleibt; überletzteres wissen wir nichts. Als erste Näherung werden wirzweifellos annehmen müssen, daß eine vollständigeUmorientierung erreicht wird, wenn auch erst nach langer Zeit. Istsie aber erreicht, so haben wir wieder den gleichen Zustand wienach Eintritt der geologischen Veränderung: die geologische

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Ursache wirkt wiederum und verschiebt den Hauptträgheitspolwieder um das Stück x in gleicher Richtung, und das Spielwiederholt sich in beliebig langer Folge. An Stelle einer einmaligenVerlagerung um den Betrag x erhalten wir jetzt einefortschreitende Verlagerung, deren Geschwindigkeit einerseitsdurch die Größe der Anfangsverlagerung x und andererseits durchdie Zähigkeit des Erdinnern bestimmt ist, und die nicht eher zurRuhe kommt, als bis die geologische Ursache ihre Wirkungeingebüßt hat; bestand diese Ursache z. B. in dem Hinzufügeneiner Masse m irgendwo in mittleren Breiten, so kann dieAchsenverlagerung erst dann erlöschen, wenn diese Zusatzmasseam Äquator angelangt ist, oder, besser gesagt, wenn der Äquator sieerreicht hat.

Natürlich bedarf das Problem einer eingehendenmathematischen Behandlung. Aber die vorstehende elementareBetrachtung ist meines Erachtens ausreichend, um zu zeigen, daßmit der Annahme eines unveränderlichen Abplattungswulstes einfundamentaler Fehler gemacht wird, der zu einer völligenEntstellung des vorliegenden Problems führt. Es liegt nach meinerMeinung nicht der geringste theoretische Grund vor, an derMöglichkeit und Realität sehr großer, wenn auch langsamerinnerer Achsenverlagerungen im Laufe der geologischen Zeiten zuzweifeln. Es wäre aber sehr zu wünschen, daß das Problem baldvon theoretischer Seite mit einem brauchbaren Ansatz in Angriffgenommen wird; so einfach wie bei der Annahme eines starren,unveränderlichen Abplattungswulstes wird freilich die Behandlungnicht sein können.

Man kann aber, wie schon erwähnt, auch auf empirischemWege zu einem Urteil darüber gelangen, ob die oberflächlichenPolwanderungen durch Achsenverlagerungen erzeugt sind. Freilichsind die Wege, die sich hierzu bieten, indirekte und deshalb wenigsichere. Aber bemerkenswerterweise deuten sie, soweit sie bisherein Urteil zulassen, alle auf eine Realität von innerenAchsenverlagerungen hin.

Zunächst sei an unsere Abb. 40 und die daraus abgeleitetesüdwestlich gerichtete Krustenwanderung Europas über seineUnterlage erinnert. Da die nach Nordosten verschlepptenSialwülste der europäischen Gebirge hauptsächlich im Laufe des

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Abb. 41.

Trans-und Regressionen bei Polwanderung.

Tertiärs nach unten gedrängt wurden, dürfen wir wohl annehmen,daß auch die nach Südwesten gerichtete KrustenwanderungEuropas schon etwa seit Beginn der Tertiärperiode im Gange ist.Im Laufe der Tertiärperiode wuchs aber die geographische BreiteEuropas um etwa 40°, der Nordpol rückte Europa um diesen Betragnäher, während Europa gleichzeitig relativ zur Unterlage eineVerschiebung zum Äquator erlitt! Dies ist offenbar nur dannmöglich, wenn eine innere Achsenverlagerung stattfand, derenBetrag sogar den für die Erdoberfläche berechneten etwasüberstieg. Die einzige Möglichkeit, diesen Schluß zu umgehen,würde darin bestehen, daß man annimmt, die Verlagerung derSchweredefizite nach Nordosten in Europa datiere erst seit demQuartär, und im Tertiär habe das Schweredefizit systematischsüdöstlich der Gebirge gelegen. Dies ist vielleicht nicht ganzausgeschlossen, erscheint mir aber doch wenig wahrscheinlich [3].

Dazu kommt nun noch eine andere empirischePrüfungsmöglichkeit, nämlich mit Hilfe derTransgressionswechsel.Daß interne Achsenverlagerungen wegen der Ellipsoidgestalt derErde und der verzögerten Anpassung derselben an die neueAchsenlage, während das Meer sofort folgt, mit systematischenTransgressionswechseln verbunden sein müssen, haben schonzahlreiche Autoren,wie Reibisch,Kreichgauer, Semper,Heil, Köppen u. a.,ausgesprochen. Abb. 41erläutert dies: Da derOzean bei derUmorientierung desÄquatorwulstes sofortfolgt, der Erdkörperaber nicht sofort, mußin dem Quadranten vordem wandernden PolzunehmendeRegression oderTrockenlegung, in dem

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Quadranten hinter ihm zunehmende Transgression oderÜberschwemmung herrschen. Da der Äquatorradius der Erde um21000 m größer ist als der polare, so müßte bei der etwa 60°betragenden Polwanderung zwischen Karbon und Quartär, wennsie von gleich großer interner Achsenverlagerung begleitet war,Spitzbergen um etwa 20 km aufgetaucht sein und Zentralafrikasich um einen ähnlichen Betrag unter den Meeresspiegel gesenkthaben, falls die Erde dabei ihre Form bewahrt hätte. Natürlichkann sie letzteres nicht getan haben, denn auf ihrer fließendenUmorientierung beruht ja überhaupt die Möglichkeit großerAchsenverlagerungen. Aber sie wird in ihrer Anpassung um einenBetrag in der Größenordnung von 100 m zurückgeblieben seinhinter der sofortigen Anpassung des Meeresspiegels, und diesmüßte sich in den Transgressionswechseln zeigen.

Ich habe, wenn auch nur in vorläufiger Untersuchung, nachzwei Methoden versucht, diese Frage an der Hand des empirischenMaterials über die Transgressionswechsel zu beantworten, und essei vorausgeschickt, daß beide Methoden zu einer Bestätigunginterner Achsenverlagerungen in Verbindung mit denPolwanderungen zu führen scheinen.

Abb. 42.

Transgression (punktiert), Regression (schraffiert) und Polwanderungzwischen Früh-Devon und Früh-Karbon.

Die eine Prüfung besteht in einem Vergleich derTransgressionswechsel zwischen Devon und Perm mit der

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gleichzeitig erfolgten Polwanderung. Strenggenommen müßte mannatürlich die wahre Polwanderung benutzen; aber die hierverwendete relative Polwanderung in bezug auf Afrika wird von ihrnicht sehr stark abweichen. Die größte Unsicherheit entstehtjedenfalls dadurch, daß die Lage und Ausdehnung derTransgressionsmeere für die verschiedenen Zeiten nur sehrungenau bestimmt ist.

Trägt man in die rekonstruierte Karbon-Erdkarte dieKüstenlinien der Transgressionsmeere nach den üblichenpaläogeographischen Darstellungen, z. B. von Kossmat oder L.Waagen, für die beiden Zeitpunkte des Früh-Devons und Früh-Karbons ein, so ergeben sich die in Abb. 42 dargestellten, in derZwischenzeit untergetauchten und aufgetauchten Gebiete (nichtzu verwechseln mit den damals trocken liegenden bzw. unterWasser liegenden Gebieten). In dieser Zeit rückte aber der Südpolvon Antarktika nach Südafrika vor[4], so daß Südamerika in denQuadranten „vor“ dem wandernden Pol fällt. Der Nordpol dagegenentfernte sich von Nordamerika. Wir sehen also die Regelbestätigt: Vor dem Pol Regression, hinter dem Pol Transgression.

Abb. 43.

Transgression (punktiert), Regression (schraffiert) und Polwanderungzwischen Früh-Karbon und Spät-Perm.

In der Folgezeit, vom Früh-Karbon bis zum Spät-Perm, habennun die Pole eine ganz andere Wanderungsrichtung: Der Südpolwandert von Südafrika nach Australien, der Nordpol nähert sich

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wieder Nordamerika. Die in diesem Zeitraum auftauchenden unduntertauchenden Gebiete sind in Abb. 43 eingetragen, und mansieht wieder die Regel bestätigt, was um so wirkungsvollererscheint, als sich die Verhältnisse sowohl in Nord-wie inSüdamerika gerade umgekehrt haben.Diese Ergebnisse scheinenalso zu zeigen, daß die Polwanderung vom Devon zum Permtatsächlich mit einer Verlagerung der Erdachse im Erdinnernverbunden war.

Allerdings möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß derVersuch einer Fortführung dieser Prüfung für die weiterenerdgeschichtlichen Perioden bisher nicht zu eindeutigenErgebnissen geführt hat. Die nächsten Perioden der Erdgeschichtehaben allerdings so unbedeutende Polwanderungen, daß sie schonaus diesem Grunde für eine solche Prüfung wenig geeigneterscheinen. Aber auch für die Tertiärzeit mit ihrer großen undraschen Polwanderung konnte ich bisher keine klaren Ergebnisseerhalten. Es ist möglich, daß man hier nicht mehr mit den von mirbenutzten relativen Polwanderungen auskommt und dieUntersuchung auf ausgeglichene Polwanderungen basieren muß.Die größte Schwierigkeit besteht aber zweifellos darin, daß dieTransgressionsmeere für die einzelnen Unterabteilungen derTertiärperiode, auf die es hier wegen der Schnelligkeit derÄnderungen ankommt, erst ungenügend oder gar nicht kartiertsind. Ich vermute, zumal mit Rücksicht auf das Folgende, daß diesdie Ursache dafür ist, daß sich hier bisher kein klares Bild ergebenwill.

Die zweite Prüfungsmethode besteht darin, daß man, anstattdie ganze Erdoberfläche für eine begrenzte Zeitspanne, nur einenbestimmten, gut untersuchten Teil der Erdoberfläche in seinemVerhalten während der ganzen Erdgeschichte (für uns seit demKarbon) betrachtet und dabei seine Breitenänderungen mit denTransgressionswechseln vergleicht. Denn wenn die Regel: „Vordem Pol Regression, hinter ihm Transgression“, gelten soll, so mußjede Breitenzunahme mit Regression, jede Breitenabnahme mitTransgression verbunden sein. Als Probe habe ich denbestbekannten Kontinent Europa benutzt. Für die Breitenänderungkönnen wir die in Köppen-Wegener [151] für Leipzig abgeleitetenZahlen benutzen (alles Nordbreiten):

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Karbon 00°Perm 13Trias 20Jura 19

Kreide 18Eozän 15

Miozän 39Beginn des Quartärs 53

Jetzt 51Die Breite nimmt also vom Karbon bis zur Trias zu, dann bis

zum Eozän ab und von da bis zum Quartär wieder zu. Die größteBreite erreichte Leipzig wohl erst im mittleren Quartär.

Andererseits lehrt die Geologie, daß vom Karbon bis zumBeginn der Jurazeit im allgemeinen Regression in Europaherrschte; dann aber setzen große Transgressionen ein, die dasJurameer und Kreidemeer schaffen und noch bis zum Eozän einengroßen Teil Europas unter Wasser halten. Und von da ab beginntwieder eine auffallende Regression, die zur gänzlichenTrockenlegung Europas führte. Selbst der schließlichen geringenBreitenabnahme seit dem Quartär scheinen wieder gewisseTransgressionserscheinungen zu entsprechen. Jedenfalls stimmt ingroßen Zügen die Regel gut, was hier besonders ins Gewicht fällt,weil Europa der bestuntersuchte Kontinent ist. Auch diese Probescheint also zu zeigen, daß Polwanderungen tatsächlich mitVerlagerungen der Erdachse im Erdinnern verbunden sind. —

Wir wollen schließlich noch kurz die Frage streifen, ob dieErdachse auch astronomische Verlagerungen, d. h. Schwankungenrelativ zum System der Fixsterne, ausführt und ausgeführt hat.

Daß solche Schwankungen gegenwärtig existieren, ist aus derAstronomie bekannt. Am längsten kennt man diePräzessionsbewegung, vermöge deren sich der Pol in 26000 Jahrenum den Pol der Ekliptik herumbewegt, ohne daß dabei die Neigungder Erdachse zur Erdbahn, das ist die Schiefe der Ekliptik,verändert wird. Die noch dazutretende kleineNutationsschwankung kommt in diesem Zusammenhang wegenihres geringen Betrages nicht in Betracht. Aber außerdem zeigendie Störungsrechnungen, daß auch die Schiefe der Ekliptik nahezu

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periodische Schwankungen im Ausmaß mehrerer Grade mit einerPeriode von etwa 40000 Jahren ausführt, die trotz ihrer Kleinheitim Laufe des Quartärs in Verbindung mit entsprechendenÄnderungen der Perihellänge und der Bahnexzentrizität vonmaßgebendem Einfluß bei der Entstehung der Wechselfolge vonEis-und Interglazialzeiten geworden sind.Wir dürfen annehmen, daß diese Schwankungen derEkliptikschiefe die ganze Erdgeschichte hindurch angedauerthaben und dabei auf das Klima von ähnlicher Wirkung gewesensind wie in der Quartärzeit. Wenn man z. B. neuerdings bei derpermokarbonen Vereisung Spuren wiederholter abwechselnderVorstöße und Rückzüge des Eises gefunden hat, die sich wohldurch weitere Untersuchungen noch vermehren werden, so ist essehr wahrscheinlich, daß bei ihrer Entstehung diese periodischeSchwankung der Ekliptikschiefe von ähnlichem maßgebendenEinfluß gewesen sein wird wie bei den entsprechendenSchwankungen im Quartär. Auch hat man bereits die Vermutungausgesprochen, daß die anscheinend periodischen Schwankungender Sedimentablagerung mit dieser Schwankung derEkliptikschiefe zusammenhängen.

Auf die Frage aber, ob etwa auch der Mittelwert, um den dieEkliptikschiefe in dieser Weise periodisch hin und her pendelt, imLaufe der Erdgeschichte größere Änderungen durchgemacht hat,kann uns die astronomische Störungsrechnung in keiner WeiseAuskunft geben, und zwar aus zwei Gründen. Denn einerseitsgehen in die Störungsrechnung die Massen sämtlicher Planetendes Sonnensystems ein, die nur bis zu einer gewissenGenauigkeitsgrenze bekannt sind, wodurch die Ausdehnung derRechnung auf geologische Zeiten (mit Ausnahme der jüngsten, desQuartärs) illusorisch wird. Und zweitens ist die Erde nicht starr,wie bei der Störungsrechnung vorausgesetzt, sondern führtfließende Bewegungen aus, unterliegt Kontinentverschiebungen,Krustenwanderungen und wahrscheinlich auch innerenAchsenverlagerungen, alles Eigenschaften, die von großem Einflußauf das Resultat sein müssen, deren rechnerischeBerücksichtigung aber einstweilen ausgeschlossen ist. Von dieserSeite her können wir also keine weitere Auskunft erlangen.

Ich möchte aber aufmerksam machen auf eine

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Eigentümlichkeit der geologischen Klimate, die in diesemZusammenhang von großem Interesse ist. Nachdem imPermokarbon im damaligen, auf dem Gondwanaland liegendenSüdpolargebiet eine der heutigen mindestens gleiche Entwicklungvon Inlandeis geherrscht hatte, finden wir die ganzen folgendenZeiten, Trias, Jura, Kreide, hindurch bis zum Frühtertiär nirgendsauf der Erde sichere Spuren von Inlandeis, obwohl meistwenigstens einer der Pole auf Land oder doch in Landnähe lag, undes somit an Gelegenheit zur Inlandeisbildung kaum gefehlt hätte.Und gleichzeitig finden wir ein erstaunlich weites Vordringen derPflanzen-und Tierwelt gegen die Pole. Erst im Laufe der Tertiärzeitbildeten sich am Nordpol neue Inlandeismassen, die dann imQuartär ihre größte Ausdehnung erreichten. Diese Schwankungendes Polarklimas würden sich sehr gut durch die Annahme erklärenlassen, daß auch der Mittelwert, um den die 40000jährige Periodeder Ekliptikschiefe hin und her geht, im Laufe der Erdgeschichtebeträchtlichen Veränderungen unterworfen war, und zwar in derWeise, daß zu den Zeiten mit Inlandeis die Ekliptikschiefe klein, zuden Zeiten ohne Eis und mit weitem Vordringen der Organismengroß gewesen wäre.

Es ist nämlich nicht schwer, sich die Wirkungen solcherÄnderungen der Ekliptikschiefe auf das Klimasystem der Erdeklarzumachen. Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, daß dieJahresschwankung der Temperatur wesentlich auf derEkliptikschiefe beruht. Wird diese Null, steht also die Erdachsesenkrecht auf der Erdbahn, so fällt bei der Kleinheit derBahnexzentrizität die Jahresschwankung so gut wie ganz fort, undes herrscht überall auf der Erde das ganze Jahr hindurch zeitlichkonstante Temperatur, wie heute nur in den Tropen. ImPolargebiet herrscht dann das ganze Jahr hindurch die dortige,sehr tiefe Mitteltemperatur; der Winter wird zwar wärmer als jetzt,aber die Temperatur bleibt doch dauernd unter dem Gefrierpunkt.Und der Sommer unterscheidet sich nicht von ihm. Pflanzenwuchsist dann ausgeschlossen, da es im ganzen Jahre überhaupt keineVegetationsperiode gibt. Die Pflanzenwelt wird also von den Polenweit abgedrängt, und ihr werden die Landtiere folgen müssen. Undweiter kann der Niederschlag, der das ganze Jahr hindurch in Formvon Schnee fällt, nicht schmelzen, weil mit der Sommerwärme

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auch die Schmelzperiode fehlt. Er muß sich anhäufen und allesLand mit Inlandeis überschwemmen.

Wird andererseits die Ekliptikschiefe wesentlich größer alsheute, so wächst auch die Jahresschwankung der Temperatur imPolargebiet gewaltig an. Der Sommer wird dort viel wärmer undgestattet daher den Pflanzen und mit ihnen der Tierwelt desLandes, das ganze Gebiet bis einschließlich zum Pol zu besiedeln,selbst hochstämmige Bäume könnten dort wachsen, wenn dieMitteltemperatur des wärmsten Monats über + 10° C steigt, denndie strenge Winterkälte können, wie Sibirien zeigt, mancheFormen überstehen. Sommerniederschlag fällt als Regen, und derals Schnee fallende Winterniederschlag wird durch dieSommerwärme ohne Schwierigkeit geschmolzen, so daß sich wie inSibirien auch bei tiefer Jahresmitteltemperatur doch keinInlandeis bilden kann. Dabei wird aber auch dieJahresmitteltemperatur im Polargebiet, wenn auch nur ingeringem Maße, erhöht, weil die stärkere Einstrahlung im Sommernicht durch größere Ausstrahlung im Winter völlig kompensiertwerden kann; denn wenn die Sonne erst einmal unter demHorizont steht, ist es für die Strahlungsbilanz gleichgültig, wie tiefsie unter ihm steht. Man wird also aus den Klimazeugnissen derPflanzen-und Tierwelt des Landes aus solchen Zeiten den Eindruckeiner Milderung der Klimaunterschiede zwischen Pol und Äquatorbekommen müssen.

Die genannten paläoklimatischen Zeugnisse für derartigeSchwankungen des Polarklimas im Laufe der Erdgeschichtebedürfen freilich noch durchaus weiterer Untersuchung. Auch istzu beachten, daß sich für solche Schwankungen auch noch andereUrsachen finden lassen. Einstweilen erscheint es mir aber nichtunwahrscheinlich, daß sie reell sind, und daß sie sich am bestendurch Änderungen der Ekliptikschiefe erklären lassen. Dadurchwürden sie zu Anzeichen dafür, daß neben den bisher bekanntenastronomischen Achsenänderungen der Erde noch weiterestattgefunden haben, die sich der astronomischen Berechnungentziehen.

1. ↑ Auf die mathematische Bedingung hierfür brauchen wir hiernicht einzugehen.

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2. ↑ Schon 1912 habe ich in Petermanns Mitteilungen (S. 309)darauf hingewiesen, daß man mit dem Auge, das ja fürSymmetrieformen äußerst empfindlich ist, die systematischeVerlagerung des Mittelpunktes der vom Pol beschriebenenKurven erkennen könne.

3. ↑ Staub schreibt in seinem großen Werk über den Bau derAlpen [18; ähnlich auch in 215]: „Europa und Afrikawanderten gemeinsam nach N. Europa flieht von Afrika seitden Tagen des Perms, aber der gewaltige Koloß holt das kleineEuropa schließlich im mittleren Tertiär ein, treibt die Bödendes einstigen Ozeans zwischen Europa und Afrika alsgewaltiges Gebirge über dasselbe hinaus und stößt es weiternach N. Die Kontinentalverschiebung beträgt … 50Breitengrade für Afrika und rund 35 bis 40 für Europa.“ DieBreitenänderung Europa als Kontinentverschiebung zubezeichnen, ist eine entschiedene Begriffsverwirrung. DieFolge ist ein unbegründetes und höchst wahrscheinlichunrichtiges physikalisches Bild des Vorgangs, welches diebeiden Annahmen involviert, daß 1. Europa und Afrika sich umdie angegebenen Beträge über ihre Unterlage verschobenhaben (Krustenwanderung Europas nach Norden, widerlegtdurch die Schwereverteilung), und 2. keine innereAchsenverlagerung der Erde stattgefunden hat(unwahrscheinlich gemacht durch die systematischenTransgressionswechsel). Das Beispiel zeigt — und viele andereließen sich hinzufügen —, wie wichtig im gegenwärtigenStadium dieser Probleme eine scharfe Begriffsbestimmung ist.

4. ↑ Die Abbildungen sind auf Grund meiner älteren, vorläufigenBestimmung der Pollagen entworfen. Die auf Grundvollständigeren Materials in Köppen-Wegener, Die Klimate dergeologischen Vorzeit [151], abgeleiteten Pollagen sind etwasandere, doch ist der Unterschied nicht so groß, daß er unsereSchlußfolgerungen beeinträchtigt. Aus diesem Grunde wurdevon einer Verbesserung der Abbildungen abgesehen.

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Neuntes Kapitel.

Die verschiebenden Kräfte.

Die Ermittlung und Begründung der relativenKontinentverschiebungen ist, wie die vorangehenden Kapitelgezeigt haben, auf rein empirischem Wege erfolgt, nämlich aus derGesamtheit der geodätischen, geophysikalischen, geologischen,biologischen und paläoklimatischen Anzeichen, aber ohne irgendeine Annahme über die Ursache dieser Vorgänge. Dies ist derinduktive Weg, den die Naturforschung in den weitaus meistenFällen zu gehen genötigt ist. Die Formeln der Fallgesetze, derPlanetenbewegung wurden zuerst auf rein induktivem Wege durchBeobachtungen ermittelt, und dann erst kam Newton, der nundiese Gesetze auch deduktiv aus der einen Formel der allgemeinenGravitation abzuleiten lehrte. Dies ist der sich immerwiederholende normale Gang der Forschung.Für die Verschiebungstheorie ist der Newton noch nichtgekommen. Man braucht wohl nicht zu besorgen, daß er ganzausbleiben werde; denn die Theorie ist noch jung und wird heutenoch vielfach angezweifelt, und man kann es schließlich demTheoretiker nicht verübeln, wenn er zögert, Zeit und Mühe an dieAufklärung eines Gesetzes zu wenden, über dessen Richtigkeitnoch keine Einigkeit herrscht. Aber es ist allerdingswahrscheinlich, daß die völlige Lösung der Kräftefrage noch langeauf sich warten lassen wird; denn sie bedeutet die Entwirrungeines ganzen Knäuels gegenseitiger Abhängigkeiten, wobei esmanchmal schwer fallen wird, zu entscheiden, nach welcher Seiteder Faden läuft, d. h. was Ursache und was Wirkung ist. Es ist javon vornherein klar, daß für die Kräftefrage der ganze Komplex vonKontinentverschiebungen, Krustenwanderungen, Polwanderungen,internen und astronomischen Achsenverlagerungen einzusammenhängendes Problem bildet.

Bisher ist erst eine einzige Teilfrage gelöst und über einigeandere sind Vermutungen aufgestellt worden.

Für die Frage nach den Kräften sind zunächst jeneBewegungen von besonderem Interesse, die wir oben alsKrustenwanderungen bezeichnet haben, d. h. Verschiebungen der

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Kontinentalschollen relativ zu ihrer Unterlage, da diese,wenigstens in der Mehrzahl der Fälle, als direkte Wirkung vonVerschiebungskräften aufzufassen sind, die an denKontinentalschollen angreifen, aber in dem darunterliegendenMaterial entweder gar nicht oder doch schwächer wirken.

Auf eine große Zahl von Einzelheiten, die von diesen beidenBewegungen zeugen, war schon früher hingewiesen. Amunmittelbarsten fällt die Westwanderung der Kontinentalschollenim heutigen Kartenbild der Erde in die Augen. Die Polflucht ist beiälteren Bewegungen großenteils durch die heutige geändertePollage verschleiert und tritt erst nach Rekonstruktion derdamaligen Pollage richtig hervor. Aber sie äußert sich schon inganz großen Zügen durch die Aufspaltung der Kontinentalschollenin den Polargebieten und ihren Zusammenschub am Äquator. Sowar der permokarbone Vorstoß des Südpols nach Afrika begleitetvon der karbonischen Faltung längs des damaligen Äquators undgefolgt von einer Zerspaltung und Auseinanderziehung desGondwanalandes; und ganz ebenso war der tertiäre Vorstoß desNordpols, der früher im Pazifik lag, in die Landmassen desheutigen Nordpolargebiets hinein begleitet von der tertiärenFaltung längs des damaligen Äquators (Alpen—Himalaja) undwurde und wird noch gefolgt von einer zunehmenden Zerspaltungund Auseinanderziehung der Nordkontinente.Die einzige Verschiebungskraft, die man gegenwärtig genauerkennt, ist die Polfluchtkraft, die bestrebt ist, die Kontinente relativzu ihrer Unterlage äquatorwärts zu treiben. Ihre Existenz ist vonEötvös schon 1913 in einer freilich damals unbeachtet gebliebenenBemerkung [199] ausgesprochen worden. Er machte nämlich ineiner Diskussion darauf aufmerksam, „daß die Richtung derVertikale in der Meridianebene gekrümmt ist, die konkave Seitedem Pol zugewendet, und daß der Schwerpunkt desschwimmenden Körpers (das ist der Kontinentalscholle) höherliegt als der Schwerpunkt der verdrängten Flüssigkeitsmasse.Hieraus geht hervor, daß der schwimmende Körper der Wirkungzweier in verschiedener Richtung wirkender Kräfte unterworfenist, deren Resultante vom Pol nach dem Äquator gerichtet ist. Beiden Kontinenten würde also eine Neigung vorherrschen, sich nachdem Äquator hin zu bewegen, welche Bewegung eine säkulare

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Abb. 44.

Zwei Niveauflächen und die gebogene Lotlinie.

Änderung der Breite hervorrufen würde, wie dieselbe für dieSternwarte in Pulkowo vermutet wird.“ Ohne diesen kurzen undversteckten Hinweis zu kennen, hat W. Köppen [200] die Natur derPolfluchtkraft und ihre Bedeutung für die Frage derKontinentverschiebungen erkannt und, wenn auch ohne

Rechnung, eineBeschreibung vonihr gegeben:

… „DieAbplattung derNiveauflächennimmt also mit derTiefe ab; sie sindeinander nichtparallel, sondern einweniggegeneinandergeneigt, außer amÄquator und an den

Polen, wo sie alle rechtwinklig zum Erdradius sind. Die Abb. 44zeigt dies an einem Meridianschnitt zwischen Pol (P) und Äquator(A). Die gestrichelte, nach dem Pol zu konkave Linie ist dieKraftlinie der Schwere bzw. Lotlinie des Ortes O. C ist derErdmittelpunkt.“„Nun liegt ja der Angriffspunkt des Auftriebes einesschwimmenden Körpers im Schwerpunkt des verdrängtenMediums, der seines Gewichts dagegen in seinem eigenenSchwerpunkt, und die Richtung beider Kräfte ist rechtwinklig zurNiveaufläche des betreffenden Punktes; ihre Richtungen sind alsonicht entgegengesetzt, sondern geben eine kleine Resultierende,die, wenn der Auftriebspunkt unter dem Schwerpunkt liegt, zumÄquator gerichtet ist. Beide Kräfte sind, da auch der Schwerpunktder Scholle weit unter der Oberfläche der Scholle liegt, nichtsenkrecht zum Horizont ihrer Oberfläche, sondern etwas in dieserRichtung geneigt, der Auftrieb aber mehr als das Gewicht derScholle. Diese Sätze müssen für jeden Schwimmkörper gelten,dessen Schwerpunkt über dem Auftriebspunkt liegt, und ebensomüssen die Kräfte eine Resultierende zum Pol hin haben, wenn

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dessen Schwerpunkt unter dem Auftriebspunkt liegt; dasarchimedische Prinzip ist auf der rotierenden Erde nur dannstrenge richtig, wenn beide Punkte zusammenfallen.“

Die erste Berechnung der Polfluchtkraft hat P. S. Epstein [201]ausgeführt. Er findet dabei für die Kraft Kφ in der geographischenBreite φ den Ausdruck

wo m die Masse der Kontinentalscholle, d die halbeHöhendifferenz zwischen Tiefseeboden und Kontinentaloberfläche(oder gleich der Höhendifferenz der Schwerpunkte der Scholle unddes verdrängten Simas) und ω die Winkelgeschwindigkeit der Erdeist.

Diese Gleichung benutzt er, um den Zähigkeitskoeffizienten der Simasphäre aus der Verschiebungsgeschwindigkeit v derKontinentalschollen zu berechnen (nach der allgemeinen Formel

wo M die Mächtigkeit der zähflüssigen Schicht ist) underhält

wo das spezifische Gewicht der Scholle und s ihre Dicke ist.Indem er nun von folgenden Zahlenwerten ausgeht:

findet er den Zähigkeitskoeffizienten des Simas zu

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also dreimal so groß wie den von Stahl bei Zimmertemperatur.Nimmt man, was wohl der Wahrheit näher kommt, v = 1 m proJahr an, so wird μ 33 mal so groß, d. h. etwa gleich 1018. Epsteinschließt hieraus:„Wir können unsere Ergebnisse dahin zusammenfassen, daß diezentrifugalen Kräfte der Erdrotation eine Polflucht in dem vonWegener angegebenen Betrag erzeugen können und erzeugenmüssen.“ Dagegen glaubt Epstein die Frage, ob auch dieäquatorialen Faltengebirge auf diese Kraft zurückgeführt werdenkönnen, verneinen zu müssen, da diese nur einemOberflächengefälle von 10 bis 20 m zwischen Pol und Äquatorentspricht, während die Auftürmung der Gebirge zu Höhen vonmehreren Kilometern und die entsprechende Versenkungsialischer Massen in große Tiefen eine bedeutende Arbeit gegen dieSchwerkraft darstellt, für welche die Polfluchtkraft nicht reicht.Diese würde nur Berge von 10 bis 20 m Höhe schaffen können.

Fast gleichzeitig mit Epstein hat auch W. D. Lambert [202] diePolfluchtkraft mathematisch abgeleitet, im wesentlichen mit demgleichen Ergebnis wie Epstein. Er findet die Kraft in 45° Breitegleich einem Dreimillionstel der Schwere. Da die Kraft in dieserBreite ihren größten Betrag erreicht, so muß sie auf einenlänglichen, schräg liegenden Kontinent auch drehend wirken, undzwar wird sie zwischen dem Äquator und 45° Breite bestrebt sein,seine Längsachse in die Ostwestrichtung zu bringen, zwischen 45°und dem Pol dagegen in die Meridianrichtung. „Alles dies istnatürlich ganz spekulativ; es basiert auf der Hypothese vonschwimmenden Kontinentalschollen und auf der Annahme einestragenden Magmas, welches natürlich eine zähe Flüssigkeit seinwird, aber zäh im Sinne der klassischen Zähigkeitstheorie. Nachder klassischen Theorie wird eine Flüssigkeit, gleichviel wie zäh siesei, ausweichen vor einer Kraft, gleichviel wie klein sie sei, sofernletzterer nur genügend Zeit gegeben ist, zu wirken. DieEigentümlichkeiten des irdischen Gravitationsfeldes liefern unssehr kleine Kräfte, wie wir gesehen haben, und die Geologenwerden uns zweifellos gestatten, äonenlange Zeiten für dieWirkung dieser Kräfte anzunehmen, aber die Zähigkeit derFlüssigkeit kann von anderer Art sein, als die klassische Theoriefordert, so daß die wirkenden Kräfte erst einen gewissen

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Grenzbetrag überschreiten müssen, bevor die Flüssigkeit vor ihnenausweicht, gleichgültig, wie lange die kleine fragliche Kraft wirkenmöge. Die Frage der Zähigkeit ist eine recht verwickelte, denn dieklassische Theorie gibt für manche Beobachtungstatsachen keineangemessene Erklärung, und unsere gegenwärtigen Kenntnissegestatten es uns nicht, sehr dogmatisch zu sein. Die Polfluchtkraftist vorhanden, aber ob sie in geologischen Zeiten einennennenswerten Einfluß auf die Position und Konfiguration unsererKontinente gehabt hat, diese Frage müssen die Geologenentscheiden.“

Weiter hat auch Schweydar [40] die Polfluchtkraft berechnet.Er erhält für die Breite von 45° etwa 1/2000 cm/sec, d. h. die Kraftbeträgt etwa den zweimillionsten Teil des Gewichts der Schollen.„Ob diese Kraft zu einer Verschiebung ausreicht, ist nicht leicht zuentscheiden. Jedenfalls würde sie nicht eine Westwanderungerklären, da die Geschwindigkeit zu gering ist, um durch dieErdrotation eine merkliche westliche Ablenkung hervorzurufen.“

An Epsteins Rechnung setzt Schweydar aus, daß dieangenommene Verschiebungsgeschwindigkeit von 33 m pro Jahrzu groß sei, und daß die hieraus abgeleitete Zähigkeit des Simaserheblich zu klein sei. Aber wenn man die Geschwindigkeit kleinernimmt, so bekommt man die geforderte größere Zähigkeit: „Nimmtman für den Zähigkeitskoeffizienten die Ordnung 1019 (statt wieEpstein 1016) an und macht die Voraussetzung, daß die von Epsteinbenutzte Formel hier anwendbar ist, so erhält man für dieGeschwindigkeit einer Scholle in 45° Breite etwa 20 cm pro Jahr.Immerhin muß es als möglich bezeichnet werden, daß dieKontinente unter der Einwirkung der Polfluchtkraft eine nach demÄquator gerichtete Verschiebung erleiden.“

Endlich haben Wavre [204] und Berner [203] eine neueBerechnung der Polfluchtkraft ausgeführt, die wohl die genauesteist. Sie erhalten als Maximalwert der Polfluchtkraft, gültig für 45°Breite, 1/800000 des Gewichts der Schollen. „Das Verhältnis derverschiebenden Kraft zum Gewicht des Kontinents ist alsoaußerordentlich klein; sie ist nicht imstande, Gebirge zu erzeugen,und erzeugt solche auch gegenwärtig nicht am Äquator.“

„Aber die Dinge liegen anders, wenn sich zu diesem statischenEffekt ein dynamischer addiert.“

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Abb. 45.

Lelys Versuch zur Erläuterung der Polfluchtkraft.

„Der Widerstand des Simas hindert die Kontinente nicht, sichzu bewegen; und in dem Falle, wo zwei Kontinente sich amÄquator oder in anderen Breiten begegnen, müßte die lebendigeKraft, die ein jeder von ihnen einbüßt, in der einen oder anderenForm zurückgewonnen werden.“

Wie es scheint, ist Kreichgauer der erste Entdecker derPolfluchtkraft. In der zweiten Auflage seines Buches „DieÄquatorfrage in der Geologie“ [5] hat er nämlich auf S. 41 eineschon von ihm im Jahre 1900 an anderer Stelle veröffentlichteÜberlegung eingeschaltet, welche die Polfluchtkraft ergibt. In derersten Auflage fehlt diese Ausführung.

Ferner möchte ich erwähnen, daß auch M. Möller [205] imJahre 1922 eine von ihm schon 1920 gefundene Ableitung derPolfluchtkraft veröffentlicht hat.

Wahrscheinlich läßt sich diese Literaturübersicht nochvermehren; ich habe nur angeführt, was mir zufällig zur Kenntnisgekommen ist.Nehmen wir also mit Wavre und Berner an, daß die Polfluchtkraftetwa 1/800000 des Gewichts der Kontinentalschollen beträgt, soist immerhin zu beachten, daß dies etwa 15 mal so viel wie diehorizontalen Flutkräfte ausmacht; und während letztere ihre

Richtungfortwährendändern, wirkt diePolfluchtkraftJahrtausend aufJahrtausend inunveränderterRichtung undStärke weiter.Dies ist es, was siebefähigt, diestählerneZähigkeit desErdkörpers imLaufegeologischerZeiten zu

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überwinden.Lely hat vor kurzem einen interessanten Versuch zur

Demonstration der Polfluchtkraft gemacht [206]. Ich habe ihngemeinsam mit J. Letzmann wiederholt, und wir fanden, daß ersich ausgezeichnet als Vorlesungsversuch eignet. Auf einenRotationsschemel wird, recht genau zentriert, ein zylindrischesWassergefäß gebracht, dessen Spiegel, wenn das Wassergleichmäßig mitrotiert, eine paraboloidische Krümmung zeigt(Abb. 45 a). Nun wird ein Schwimmkörper auf dieseWasseroberfläche gesetzt, der aus einem flachen Kork mit in derMitte eingestecktem Nagel besteht (Abb. 45 b). Der Nagel mußmöglichst lang sein, doch soll der Kork mit nach oben gerichtetemNagel, ohne umzufallen, noch schwimmen können. DieserSchwimmkörper wird nun zuerst mit dem Nagel nach oben unddann mit dem Nagel nach unten auf die Oberfläche des rotierendenWassers gesetzt. Weist der Nagel nach oben, so sieht man denSchwimmer bald zur Mitte wandern; dagegen wandert er zumRande, wenn der Nagel nach unten gerichtet ist. Wenn man denSchwimmer mehrmals nacheinander in umgedrehter Stellung aufdas Wasser setzt, wobei er jedesmal seine Bewegungsrichtungändert, so wirkt der Versuch sehr überzeugend.

Die grundsätzliche Erklärung dieses Versuchs ist sehr einfach,wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Schwerpunkt desSchwimmers nicht mit dem Schwerpunkt des von ihm verdrängtenWassers zusammenfällt, sondern bei aufrechtem Nagel oberhalb,bei abwärts gerichtetem unterhalb desselben liegt. Im Wasserherrscht, wie seine gekrümmte Oberfläche zeigt, ein radialesDruckgefälle, das durch die Zentrifugalkraft gerade kompensiertwird. Würde der Schwerpunkt des Schwimmers gerade mit demdes verdrängten Wassers zusammenfallen, so träte keineverschiebende Kraft auf, da sich dann auch für den Schwimmer derDruckunterschied auf der äußeren und inneren Seitenfläche gerademit der Zentrifugalkraft kompensieren würde. Liegt seinSchwerpunkt aber, bei aufrechtem Nagel, nach oben und zwarsenkrecht zum Wasserspiegel verschoben, so wird er dadurchzugleich der Achse genähert, die Zentrifugalkraft wird kleiner, undder Überschuß des Druckgradienten treibt den Schwimmer zurMitte. Umgekehrt muß der Schwimmer bei abwärts gerichtetem

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Nagel zum Rande wandern, weil sein Schwerpunkt weiter von derAchse entfernt ist als der des verdrängten Wassers und jetzt alsodie Zentrifugalkraft über den Druckgradienten überwiegt.

Auf den ersten Blick scheint dieser Versuch gerade dasGegenteil der Polfluchtkraft zu liefern, weil die Kontinente mitihrem höher gelegenen Schwerpunkt dem Schwimmer mitaufrechtem Nagel entsprechen. Man sieht aber leicht, daß dieseUmkehrung des Effektes lediglich eine Folge derentgegengesetzten Krümmung der Flüssigkeitsoberfläche ist. DerSchwerpunkt der Kontinente liegt eben infolge der konvexenKrümmung der Erdoberfläche weiter von der Achse entfernt als derdes verdrängten Simas, während im Versuch sein Achsenabstandverringert ist.Wie aus dem Vorangehenden ersichtlich, ist die Polfluchtkraftausreichend, um die Kontinentalschollen im Sima zu verschieben,doch nicht ausreichend, um die großen Faltengebirge zu erzeugen,die wir gerade in Verbindung mit der Polflucht der Kontinenteentstehen sehen. Allerdings hat Berner mit Recht daraufhingewiesen, daß dies zunächst nur zutrifft, solange man denstatischen Druck betrachtet, der durch eine nicht in Bewegungbefindliche Kontinentalscholle vermöge der Polfluchtkraft inhorizontaler Richtung ausgeübt wird. Anders liegen die Dinge,wenn wir z. B. annehmen, daß ein großer Kontinent sich vermögeder Polfluchtkraft, die dabei die Zähigkeit der Unterlage zuüberwinden hat, mit gleichförmiger Geschwindigkeit äquatorwärtsverschiebt und erst im Laufe dieser Bewegung auf ein Hindernisstößt, das ihn bremst. Dabei muß auch noch die Bewegung derScholle zur Ruhe kommen, also ihre Bewegungsenergie (lebendigeKraft) vernichtet werden. Freilich darf man diese Wirkung nichtüberschätzen. Die Bewegungsenergie ist 1/2 Masse mal demQuadrat der Geschwindigkeit. Nun ist zwar die in Bewegungbefindliche Masse sehr groß, allein die Geschwindigkeit, diequadratisch eingeht, ist sehr klein, so daß in der Regel auch aufdiese Weise wohl die Gebirgsbildung nicht zu erklären ist, und eswohl dabei bleiben muß, daß die normale Polfluchtkraft hierfürnicht zur Erklärung ausreicht.

Seltsamerweise scheinen einige Geophysiker diesen Umstandals einen Einwand gegen die Verschiebungstheorie zu betrachten,

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was doch unlogisch ist. Denn an der Existenz der Faltengebirgekann ja nicht gezweifelt werden. Erfordern sie eine größere Kraftals die Polfluchtkraft, so ist also ihre Existenz ein Beweis dafür,daß im Laufe der Erdgeschichte, mindestens von Zeit zu Zeit,Verschiebungskräfte aufgetreten sind, die noch wesentlich größerwaren als die Polfluchtkraft. Wenn aber diese schon ausreicht, umVerschiebungen der Kontinentalschollen zu bewirken, so müssenjene unbekannten gebirgsbildenden Kräfte doch um so mehr dazuimstande gewesen sein!

Weit kürzer können wir uns fassen bei der Besprechung derKräfte, die für die Westwanderung der Kontinente in Betrachtkommen. Verschiedene Autoren, wie E. H. L. Schwarz, Wettstein u.a., haben für eine Drehung der ganzen Erdkruste über den Kernnach Westen die Reibung der Gezeitenwelle in Anspruchgenommen, welche durch die Sonnen-und Mondanziehung imfesten Erdkörper erzeugt wird. Auch beim Monde wird ja vielfachangenommen, daß er früher eine schnellere Rotation besessenhabe, aber durch die von der Erde erzeugte Gezeitenreibunggebremst sei. Es ist auch leicht einzusehen, daß diese Bremsungeines Weltkörpers durch Gezeitenreibung vornehmlich seineobersten Schichten betreffen und zu einem langsamen Gleiten derganzen Kruste oder auch der einzelnen Kontinentalschollen führenmuß. Es ist nur die Frage, ob derartige Gezeiten überhauptexistieren. Die Gezeitendeformation des festen Erdkörpers, die mitdem Horizontalpendel nachweisbar ist, ist nach Schweydaranderer, nämlich elastischer Art und kann also nicht unmittelbarzur Erklärung herangezogen werden. W. D. Lambert [221] meintaber: „Trotzdem können wir nicht glauben, daß die freieSchwingung völlig unbeeinflußt vom Reibungswiderstand bleibt,obwohl sich dieser in den Beobachtungen nicht mit Sicherheitnachweisen läßt.“ Es ist in der Tat ganz fraglos, daß wir die Erdenicht als vollkommen elastisch gegenüber den Flutkräftenbetrachten können. Es müssen also neben den elastischen,meßbaren Gezeiten auch fließende Gezeiten vorhanden sein, diezwar unmeßbar klein sind, weil die Periode der Gezeiten gegenüberder Zähigkeit des Magmas zu kurz ist, deren Flutreibungswirkungaber im Laufe geologischer Zeiten sich aufsummiert undschließlich beträchtliche Verschiebungen der Erdkruste bewirken

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kann. Meines Erachtens kann man jedenfalls diese Frage nochnicht damit als erledigt betrachten, daß die elastische Natur dermeßbaren täglichen Gezeiten in der festen Erde nachgewiesen ist.Auf einem anderen Wege, der aber auch auf die Anziehung vonSonne und Mond hinausläuft, nämlich auf Grund derPräzessionstheorie der Erdachse, kommt Schweydar auf eineKraft, welche eine Westwanderung der Kontinente bewirken kann[40]: „Die Theorie der Präzession der Rotationsachse der Erdeunter dem Einfluß der Anziehung von Sonne und Mond ist unterder Voraussetzung bekannt, daß die einzelnen Teile der Erde keinegrößere Verschiebung gegeneinander ausführen können. DieBerechnung der Bewegung der Erdachse im Raume wirdschwieriger, wenn man die Verschiebung der Kontinente zuläßt. Indiesem Falle muß man unterscheiden zwischen der Rotationsachsedes Kontinents und der ganzen Erde. Ich habe berechnet, daß diePräzession der Umdrehungsachse eines Kontinents, der zwischenden Breitengraden — 30 und + 40° und den Meridianen 0 und 40°westlicher Länge liegt, etwa 220mal größer als die der Achse dergesamten Erde ist. Der Kontinent hat das Bestreben, um eineAchse zu rotieren, die von der allgemeinen Rotationsachseabweicht. Hierdurch entstehen Kräfte, die nicht nur inmeridionaler Richtung, sondern auch in westlicher Richtungwirken und den Kontinent zu verschieben suchen; die meridionaleKraft wechselt im Laufe des Tages ihre Richtung und kommt beiunserem Problem nicht in Frage. Diese Kräfte sind bedeutendgrößer als die Polfluchtkraft. Die Kraft ist am stärksten amÄquator, sie ist Null auf den Breitenkreisen ± 36°. Eine genauereBeschreibung des Problems hoffe ich später geben zu können.Hierdurch wäre auch eine westliche Verschiebung der Kontinentemöglich.“ — Wenn es sich auch hier nur um eine vorläufigeMitteilung handelt (die angekündigte endgültige ist leider nochimmer nicht erschienen), so scheint es doch sehr wahrscheinlichzu sein, daß die am deutlichsten erkennbare allgemeine Bewegungder Kontinente, ihre Westwanderung, sich aus denAnziehungswirkungen der Sonne und des Mondes auf diezähflüssige Erde erklären läßt.

Schweydar ist aber der Ansicht, daß auch die aus denSchweremessungen zu schließenden Abweichungen der Erdfigur

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vom Rotationsellipsoid Anlaß zu Fließbewegungen im Sima unddamit auch zu Kontinentverschiebungen geben können: „Mankann aber auch eine Strömung des Simas, wenigstens in früherenEpochen, vermuten. Helmert hat in seiner letzten Arbeit aus derSchwerkraftverteilung auf der Erdoberfläche gefolgert, daß dieErde ein dreiachsiges Ellipsoid ist; der Äquator bildet eine Ellipse.Die Differenz der Achsen dieser Ellipse beträgt nur 230 m; diegroße Achse schneidet die Erdoberfläche in 17° westl. Länge(Atlantischer Ozean), die kleine Achse in 73° östl. Länge (IndischerOzean). Nach den Theorien von Laplace und Clairaut, über die wirin der Geodäsie nicht hinausgekommen sind, wird die Erde wieeine Flüssigkeit gebaut betrachtet, d. h. der Druck in der festenErde (abgesehen von der Erdrinde) wird von der Natur deshydrostatischen Druckes angenommen. Von diesem Gesichtspunktaus ist das Helmertsche Ergebnis unverständlich. Die hydrostatischgebaute Erde kann bei ihrer Abplattung undRotationsgeschwindigkeit kein dreiachsiges Ellipsoid sein. Mankönnte nun annehmen, daß die Abweichung von einemRotationsellipsoid durch die Kontinente hervorgerufen wird. Diesist aber nicht der Fall. Ich habe die Rechnung unter derVoraussetzung, daß die Kontinente schwimmend gelagert sind unddie oben angeführte Dicke [200 km; Dichtedifferenz zwischen Sialund Sima 0,034 (Wasser = 1)] haben, durchgeführt und gefunden,daß die Verteilung der Kontinente und Meere eine Abweichung dermathematischen Erdgestalt von einem Rotationsellipsoidhervorruft, die bedeutend kleiner ist als die von Helmertgefundene. Außerdem liegen die Achsen der äquatorialen Ellipsevöllig anders als bei Helmert; die große Achse fällt in den IndischenOzean. Es müssen also größere Teile der Erde Abweichungen vondem hydrostatischen Bau haben.“

„Nach meiner Rechnung kann das Helmertsche Ergebniserklärt werden, wenn eine 200 km dicke Simaschicht unter demAtlantischen Ozean um 0,01 dichter ist als unter dem IndischenOzean. Ein solcher Zustand kann sich auf die Dauer nicht halten,und das Sima wird das Bestreben haben, zu strömen, um denGleichgewichtszustand des Rotationsellipsoids herzustellen. Beidem geringen Dichteunterschied wird wohl kaum eine Strömungmöglich sein, aber die Elliptizität des Äquators und die

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Dichteunterschiede im Sima und somit die Strömung können infrüheren Epochen bedeutender gewesen sein.“

Es ist ohne weiteres klar, daß die aus Helmerts Ergebnisabzuleitenden Kräfte dazu dienen können, die Öffnung desAtlantischen Ozeans verständlich zu machen, da gerade hier dieErde aufgewölbt erscheint und die Massen bestrebt sein werden,nach beiden Seiten auseinanderzufließen[1].Es sei aber hier noch eine Überlegung angeführt, die man vielleichtals Weiterführung des bisherigen Gedankenganges betrachten darf.Solche Aufwölbungen der Erdoberfläche über ihreGleichgewichtslage hinaus brauchen natürlich nicht nur auf denÄquator beschränkt zu sein, sondern können an jeder Stelle derErde auftreten. Es war früher bei Besprechung der Transgressionenund ihres Zusammenhangs mit den Polwanderungen (in Kap. 8)gezeigt worden, daß wir vor dem wandernden Pol eine zu hohe,hinter ihm eine zu tiefe Lage der Erdoberfläche zu erwarten haben,und daß die geologischen Tatsachen das Vorhandensein dieserAbweichungen zu bestätigen scheinen. Auch hier handelt es sichum ähnliche Beträge, wie sie Helmert für den Überschuß dergroßen über die kleine Äquatorialachse gefunden hat, odervielleicht um den doppelten Betrag. Bei schnellerenPolwanderungen scheint jedenfalls die Erdoberfläche vor dem Poleinige hundert Meter über, hinter ihm einige hundert Meter unterihrer Gleichgewichtslage zu liegen. Das größte Gefalle(Größenordnung 1 km pro Erdquadrant) würde im Meridian derPolverschiebung an dessen Schnittpunkt mit dem Äquatorherrschen, ein fast ebenso großes auch an den beiden Polen.Hierdurch werden Kräfte frei, welche die Massen von den zu hohennach den zu tiefen Gebieten hinziehen, und diese Kräfte sind einVielfaches der normalen Polfluchtkraft, die beiKontinentalschollen ja nur einem Gefalle von 10 bis 20 m proErdquadrant entspricht. Diese Kräfte greifen nicht, wie diePolfluchtkraft, nur an den Kontinentalschollen, sondern auch andem darunterliegenden Sima an, welches flüssiger ist undvielleicht den Ausgleich unter der starreren Kruste hinwegvollzieht. Allein solange das Gefalle besteht — und die Trans-undRegressionen scheinen von seiner Existenz Zeugnis abzulegen —,muß auch auf die Kontinentalschollen diese Kraft wirken, und sie

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muß daher auch Verschiebungen und Faltungen derselbenbewirken können, wenn auch diese Bewegungen möglicherweisegeringer sind als die entsprechenden Bewegungen des flüssigerenMaterials unter ihnen. Ich möchte glauben, daß wir in dieserDeformation der Erdfigur durch Polwanderungen eine Kraftquellehaben, die völlig ausreicht, um die Faltungsarbeit zu leisten.

Besonders wahrscheinlich wird diese Deutung durch denschon oben erwähnten Umstand, daß die beiden größten hier inBetracht kommenden Faltensysteme, nämlich die äquatorialenFaltungen des Karbons und des Tertiärs, gerade in solchen Zeitenentstanden sind, in denen wir aus anderen Gründen besondersschnelle und ausgiebige Polwanderungen annehmen müssen.

Neuerdings wird von mehreren Autoren, wie Schwinner [69]und besonders Kirsch [70], Gebrauch gemacht von der Vorstellungvon Konvektionsströmungen im Sima. Im Anschluß an JolysAnsicht, daß unter den Kontinentalschollen infolge ihres großenRadiumgehalts eine Erwärmung des Simas, im ozeanischenBereich eine Abkühlung eintritt, wird von dem letzteren Autor eineZirkulation des Simas unter der Kruste angenommen: Es steigtunterhalb der Kontinente bis zu deren Untergrenze auf, fließt dannunter ihnen zum ozeanischen Gebiet ab, um hier abzusinken undin größerer Tiefe wieder zum Kontinent zurückzukehren. Dabeisoll es durch Reibung bestrebt sein, die Kontinentaldecke zuzerreißen und die Bruchstücke auseinanderzutreiben. Wirerwähnten schon früher, daß die relativ große Leichtflüssigkeit desSimas, die hier vorausgesetzt wird, von der Mehrzahl der Autorenbisher für unwahrscheinlich gehalten wird. Bei der Betrachtung derErdoberfläche läßt sich aber nicht verkennen, daß die Aufspaltungvon Gondwanaland und auch die der ehemaligennordamerikanisch-europäisch-asiatischen Kontinentalscholle sichals Wirkung einer solchen Zirkulation des Simas auffassen läßt.Auch bietet diese anscheinend eine gute Erklärung für die Öffnungdes Atlantischen Ozeans. Sie kann also nicht aus dem Grundeabgelehnt werden, weil die Erscheinungen der Erdoberfläche ihrwidersprächen. Wenn sich die theoretische Grundlage dieserVorstellungen als tragfähig erweist, was sich gegenwärtig nochnicht überblicken läßt, so werden sie jedenfalls als mitwirkend beider Gestaltung der Erdoberfläche in Betracht kommen.

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Unsere Ausführungen werden dem Leser gezeigt haben, daßdie Frage nach den Kräften, welche die Kontinentverschiebungenverursacht haben und verursachen, mit Ausnahme der bereits gutuntersuchten Polfluchtkraft noch völlig in den Anfängen steckt.

Das eine darf aber als sicher angenommen werden: Die Kräfte,welche die Kontinente verschieben, sind dieselben, welche diegroßen Faltengebirge erzeugen. Kontinentverschiebungen,Spaltung und Zusammenschub, Erdbeben, Vulkanismus,Transgressionswechsel und Polwanderungen stehen untereinanderzweifellos in einem großartigen ursächlichen Zusammenhang. Daszeigt schon ihre gemeinsame Steigerung in gewissen Perioden derErdgeschichte. Was aber Ursache und was Wirkung ist, muß erstdie Zukunft enthüllen.

1. ↑ Es sei aber darauf hingewiesen, daß neuerdings Zweifeldaran laut geworden sind, daß die Erde wirklich eindreiachsiges Ellipsoid ist. Heiskanen fand nämlich, daß diesErgebnis nur durch ungünstige Kombination derSchweremessungen vorgetäuscht wird [219].

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Zehntes Kapitel.

Ergänzende Bemerkungen über die Sialsphäre.

Nachdem in den früheren Kapiteln die Hauptbeweisgründe fürdie Verschiebungstheorie besprochen sind, wollen wir diese nunals richtig voraussetzen und in diesem und dem folgenden Kapitelgewissermaßen als Anhang eine Reihe von Erscheinungen undProblemen besprechen, die immerhin so eng mit unserer Theorieverknüpft sind, daß eine Auseinandersetzung mit ihnenwünschenswert erscheint. Ich möchte betonen, daß dieseAusführungen mehr bezwecken, Fragen aufzuwerfen undAnregungen zu geben, als endgültige Lösungen.

Betrachten wir zunächst die Sialsphäre, die heute nur noch inBruchstücken in Gestalt der Kontinentalschollen die Erde bedeckt.

In Abb. 46 ist zunächst eine Erdkarte der Kontinentalschollengegeben. Da die Schelfe zu ihnen gehören, weichen diese Konturenan manchen Stellen erheblich von den bekannten Küstenlinien ab.Es ist für unsere Betrachtungen wichtig, sich von dem gewohntenBilde der Erdkarte frei zu machen und eine gewisse Vertrautheitmit diesen Konturen der vollständigen Kontinentalschollen zugewinnen. In der Regel gibt die 200-m-Tiefenlinie am besten denRand dieser Tafeln wieder, doch erreichen einige Teile, die nochsicher zu den Kontinentaltafeln gehören, auch 500 m Tiefe.

Abb. 46.

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Karte der Kontinentalscholle in Merkatorprojektion.

Es war schon früher gesagt, daß das Material dieserKontinentalschollen hauptsächlich Granit sei. Es ist aber bekannt,daß die Kontinente an ihrer Oberfläche vielfach nicht aus Granit,sondern Sedimenten bestehen, und wir müssen uns deshalbdarüber klar werden, welche Rolle diese im Aufbau derKontinentalschollen spielen. Als größte Mächtigkeit der Sedimentekann man etwa 10 km betrachten, ein Wert, den dieamerikanischen Geologen für die paläozoischen Sedimente derAppalachen berechnet haben; die andere Grenze ist Null, da anvielen Stellen das Urgebirge jeder Sedimentdecke bar ist. Clarkeschätzt die mittlere Mächtigkeit auf den Kontinentalschollen zu2400 m. Da aber heute die Gesamtdicke der Kontinentalschollenauf etwa 60 km, die der Granitschicht auf etwa 30 km veranschlagtwird, so ist klar, daß diese Sedimentdecke doch nur eineoberflächliche Verwitterungsschicht bedeutet, bei deren völligerEntfernung überdies die Schollen zur Wiederherstellung derIsostasie fast bis zur früheren Höhe ansteigen würden, so daß amRelief der Erdoberfläche wenig geändert würde.

Die Karte darf nicht so verstanden werden, daß durch die mitder starken Linie bezeichneten Schollenränder bereits die Grenze

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zwischen Sial und Sima gegeben wäre. Wie im nächsten Kapitelgezeigt werden wird, sind auch die Meeresböden wahrscheinlichnoch vielfach mit Sialresten bedeckt. Unter Kontinentalscholle isthier die noch intakte, wesentlich unzertrümmerte Sialdeckeverstanden, im Gegensatz zu jenen ozeanischen Sialmassen, diedurch oberflächliche Zertrümmerung und in tieferen Schichtendurch Auseinanderziehen oder -fließen des Materials der Formnach zerstörte Schollenteile darstellen. Man muß alsounterscheiden zwischen dem allgemeineren Begriff derSialbedeckung und dem spezielleren der Sialschollen. Nur dieletzteren sind in unserer Karte zur Darstellung gebracht.

Die eingreifendsten Veränderungen, die auf diesenSialschollen im Laufe der geologischen Zeiten vor sich gegangensind, sind zweifellos die wechselnden Transgressionen(Überschwemmungen) und Regressionen (Trockenlegungen),deren Spiel wesentlich an den zufälligen Umstand geknüpft ist, daßdie Wassermenge des Weltmeeres gerade etwas größer ist als dievorhandenen Tiefseebecken, so daß die niedriger gelegenen Teileder Kontinentalschollen noch unter Wasser liegen. Stände derSpiegel des Weltmeeres 500 m tiefer, so würden dieseErscheinungen, die in der Geologie eine so hervorragende Rollespielen, auf schmale Randstreifen beschränkt sein. Die heutigenTransgressionen gehen aus unserer Karte unmittelbar hervor.Geringe Niveauänderungen der Schollenoberflächen bewirkenunter diesen Umständen große Verlagerungen dieserÜberschwemmungsgebiete.

Im allgemeinen handelt es sich hierbei um Niveauänderungen,die den Betrag von einigen hundert Metern nicht überschreiten.

Die Transgressionsmeere der Vorzeit waren ebenso flach, wiedie heutigen. Die Frage, wie sich diese nachweisbarenNiveauänderungen mit dem Prinzip der Isostasie oder demTauchgleichgewicht der Erdrinde vertragen, ist wahrscheinlich sozu beantworten: Natürlich entsteht, wenn eine Kontinentalscholledurch irgend einen Einfluß unter ihre Tauchgleichgewichtslagehinabgedrückt wird, hier ein Schweredefizit, welches Kräfte insLeben ruft, die die Wiederherstellung der Gleichgewichtslageanstreben. Solange sich die Niveauänderung innerhalb derangegebenen Grenzen hält, bleibt übrigens auch die

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Schwereanomalie innerhalb der Grenzen, die tatsächlich in denverschiedenen Erdräumen als geringe regionale Abweichungen vonder Isostasie beobachtet werden. Bei der großen Zähigkeit desMaterials bedarf es offenbar der Überschreitung eines bestimmtenGrenzwertes der Niveauänderung, damit die Kräfte so starkwerden, daß merkliche isostatische Ausgleichsbewegungeneinsetzen. Es ist deshalb möglich, daß dieser Betrag von einigenhundert Metern diesen Grenzwert — der natürlich nicht als absolutkonstant betrachtet werden kann — ungefähr repräsentiert.

Die Klärung der Ursache der Transgressionswechsel in derErdgeschichte wird eine der wichtigsten, aber auch eine derschwierigsten Aufgaben der künftigen geologischen undgeophysikalischen Forschung darstellen. Gegenwärtig kann dieFrage noch nicht als gelöst gelten, obwohl bereits beachtenswerteAnfänge wenigstens für Teillösungen vorliegen. DieHauptschwierigkeit bildet dabei einstweilen der Umstand, daß diegeologischen Aufnahmen — trotz der vielen paläogeographischenErdkarten — noch lange nicht sicher und vollständig genug sind,um eine empirische Verfolgung dieser Transgressionswechsel nachOrt und Zeit zu gestatten, so daß das vorhandene Material meistnicht ausreicht, um die zur Erklärung herangezogenen Hypothesenzu prüfen. Außerdem läßt sich aber schon jetzt sagen, daß sich dieGesamtheit der Transgressionswechsel sicher nicht auf eineeinzige Ursache zurückführen läßt, denn es lassen sichverschiedene Ursachen nennen, die mindestens als mitwirkend inBetracht kommen, so daß das Problem an sich zweifellos einkomplexes ist. Das schließt natürlich nicht aus, daß vielleichtkünftig eine Ursache als Hauptfaktor erkannt werden kann.

Bisher lassen sich, soweit mir bekannt, folgende Ursachenanführen:

1. Ein merklicher Wechsel der Wassermenge des Weltmeeres,wie er durch Bildung und Abschmelzung großer Inlandeismassenbewirkt wird, muß natürlich zu einem Wechsel in der Ausdehnungder Transgressionen führen. Diese Transgressionswechsel müssendadurch charakterisiert sein, daß sie gleichsinnig auf der ganzenErde und ohne Störung der Isostasie vor sich gehen. Es läßt sichleicht berechnen, daß durch Bildung einer Eiskappe von derAusdehnung der quartären oder permokarbonen eine Senkung des

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Meeresspiegels um etwa 50 bis 100 m bewirkt wird[1].2. Hebungen und Senkungen der Sialoberfläche können auch

ohne Störung der Isostasie durch horizontalen Zusammenschub(Gebirgsbildung) bzw. horizontale Streckung der Sialdecke(Bruchbildung an der Oberfläche, Ausziehen der tieferenSchichten) bewirkt werden. Dabei wird die Mächtigkeit derSialdecke im ersten Falle vergrößert, im zweiten verringert. So sinddie Alpen durch Faltung aus dem Meere emporgewachsen,während das Gebiet des Ägäischen Meeres unter Bildungzahlreicher Brüche bis auf die Inselreste versunken ist (vgl. dieschematische Abb. 47). Diese Vorgänge gehen — wenn auch lokaldabei mitunter recht erhebliche Schwerestörungen auftreten —doch grundsätzlich ohne Störung der Isostasie vor sich, wenigstensohne eine solche, die dem Betrag der Hebung oder Senkungentspricht, sie sind ferner mit erheblichen Änderungen derhorizontalen Dimensionen der betroffenen Gebiete verbunden undtragen für die großzügige Betrachtung mehr lokalen als regionalenCharakter.

Abb. 47.

Größerer Einbruch durch Dehnung der Unterlage (schematisch)

3. Als weitere Ursachen kommen auch astronomischeÄnderungen der Erdbewegung in Frage, insbesondere solche,welche eine Änderung der Gleichgewichtsabplattung der Erdebewirken. Denn dieser letzteren Änderung wird der Ozean ohneVerzögerung, der sehr zähflüssige Erdkörper aber mit Verzögerungfolgen, wodurch bei zunehmender Abplattung Transgressionen amÄquator und Regressionen an den Polen, bei abnehmenderumgekehrt Regressionenam Äquator und Transgressionen an denPolen entstehen müssen. Als Ursache solcherAbplattungsänderungen kämen unter anderem in Betracht

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Schwankungen der Rotationsgeschwindigkeit der Erde, wie sieneuerdings durch Beobachtungen festgestellt sind (aber ihreDeutung als solche ist noch ungewiß!), und weiter auch dieÄnderungen der Ekliptikschiefe; denn bei großer Ekliptikschiefemüssen die Gezeitenkräfte eine, wenn auch geringe Verlängerungder Erdfigur in Richtung ihrer Achse erzeugen, die bei kleinerEkliptikschiefe in ihr Gegenteil, nämlich in eine Vergrößerung desÄquator-Radius übergeht, so daß bei wachsender Schiefe an denPolen Transgression, bei abnehmender Schiefe Regression zuerwarten ist, am Äquator umgekehrt.

4. Sofern die geologisch feststellbaren Polwanderungen so zudeuten sind, daß es sich um eine Verlagerung der Erdachse relativzum ganzen Erdkörper handelt, müssen dieselben, wie im vorigenKapitel ausgeführt wurde, eine sehr ergiebige Quelle vonTransgressionswechseln sein. Wie dort gezeigt wurde, deuten dieErscheinungen in der Tat die Realität dieses Effektes an, indem vordem wandernden Pol zunehmende Regression, hinter ihmTransgression zu herrschen scheint. Ich halte es nicht fürunwahrscheinlich, daß sich diese Ursache als Hauptursache derTransgressionen erweisen wird, doch zeigt das Gesagte, daßdaneben auch noch andere Ursachen in Betracht kommen, derenZahl sich wohl sogar noch vermehren ließe.

Die unter 2. angegebenen Erscheinungen der Bruchdehnungund des Faltenzusammenschubs bilden neben denTransgressionswechseln die zweite Haupterscheinung bei denKontinentalschollen. Sie bilden seit langem Gegenstand derTektonik. Wir wollen hier nur einiges hervorheben, was in diesemZusammenhang von Interesse ist. Am längsten bekannt ist, daßsich die Entstehung der Faltengebirge unter beträchtlichemhorizontalen Zusammenschub vollzieht, wenngleich auch dies voneinigen Autoren noch heute bestritten wird, die die Entstehung derFaltengebirge auf grundsätzlich andere Weise erklären wollen, abermit ihrer Auffassung so allein stehen, daß wir hier nicht daraufeinzugehen brauchen. Wichtig ist, daß wir sowohl bei alten wie beijungen Faltengebirgen keine Schwerestörung von derjenigen Größefinden, die vorhanden sein müßte, wenn diese Bergketten einfachder Erdrinde aufgesetzt wären. Zwar findet man vielfach in solchenGebirgen gut meßbare Abweichungen von der vollkommenen

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Abb. 48.

Zusammenschub unter Wahrung der Isostasie.

Isostasie, und deren Diskussion ist von großem Interesse inanderer Hinsicht, aber diese sind doch so klein, daß wir in ersterAnnäherung sagen können: Die Auffaltung der Kettengebirgevollzieht sich unter grundsätzlicher Wahrung der Isostasie. Wasdies bedeutet, mag Abb. 48 schematisch erläutern. BeimZusammenschub einer im Sima schwimmendenKontinentalscholle muß das Verhältnis von oberhalb zu unterhalbder Simaoberfläche immer das gleiche bleiben. Je nachdem wir dieDicke der um 5 km aus dem Sima herausragenden Sialdecke zu 30oder 60 km annehmen, können wir dies Verhältnis zu 1:6 oder 1:12angeben. Es muß also der nach unten gerichtete Teil desZusammenschubs 6-bzw. 12mal so groß sein wie der nach obengerichtete.

Was wir also inden Gebirgen sehen,ist nur ein kleinerTeil der ganzen

zusammengeschobenen Masse. Es sind, bei idealer Stauchung, nurdiejenigen Schichten, die auch vor dem Zusammenschub bereitsüber dem Tiefseeniveau lagen. Alles was unter diesem Niveau lag,bleibt auch bei dem Zusammenschub unter ihm, wenn man vonStörungen absieht. Bestand also der Oberbau der Scholle aus einer5 km mächtigen Sedimentschale, so wird auch das ganze Gebirgeanfangs nur aus Sediment bestehen. Erst wenn dies durch Erosionabgetragen wird, steigt zum isostatischen Ausgleich eineZentralkette aus Urgestein empor, bis schließlich nach gänzlicherAbfegung der Sedimentdecke ein breites Urgebirge von fastgleicher mittlerer Höhe emporgewachsen ist. Als Beispiel für das

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erste Stadium können der Himalaja und seine Nachbargebirgegelten. Die Erosion in diesen Sedimentfalten ist eine gewaltige, sodaß die Gletscher unter dem Schutt fast vergraben sind, wie z. B.der Baltorogletscher, der größte im Kara-Korum-Gebirge, der beinur 11/2 bis 4 km Breite (Länge 56 km) nicht weniger als 15Mittelmoränen trägt. Im zweiten Stadium, bei dem die Zentralkettebereits aus Urgestein besteht, beiderseits aber noch vonSedimentzonen flankiert wird, befinden sich die Alpen. Da dieErosion im Urgestein viel geringer ist, sind die Alpengletschermoränenarm, eine Hauptursache ihrer Schönheit. Das norwegischeGebirge endlich repräsentiert das dritte Stadium. DieSedimentdecke ist hier zum allergrößten Teile ganz beseitigt, undder Aufstieg des Urgebirges ist vollendet. Auch die Abtragung derSedimenthaube eines Gebirges vollzieht sich also unter Wahrungder Isostasie.

Abb. 49.

Faltung oder Spaltung als Resultat verschieden gerichteterSchollenbewegung.

Sehr häufig kann man erkennen, daß die parallelen Faltenzügeeines Gebirges gestaffelt liegen. Verfolgt man einen solchenFaltenzug, so findet man, daß er früher oder später an den Randdes Gebirges heraustritt und schließlich erlischt, worauf die nächstinnere Kette den Rand bildet, um in einiger Entfernung gleichfallszu erlöschen usw. Dies ist dann der Fall, wenn die beiden Schollensich nicht gerade aufeinander zu bewegen, sondern eine scherende

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Abb. 50.

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Bewegung, wenn auch mit einer Komponente gegeneinander,haben. Allgemein läßt sich die Wirkung der verschiedenenBewegungen der Schollen relativ zueinander durch Abb. 49veranschaulichen: Die linke Scholle sei fest, die rechte bewegt. Istihre Bewegung normal zur Schollengrenze hin gerichtet, soentstehen keine Staffelfalten, aber besonders große Falten(Überschiebungen); ist sie schräg zur Schollengrenze hin gerichtet,so entstehen Staffelfalten, die um so enger und niedriger werden,je mehr die Bewegungsrichtung parallel zum Schollenrande wird.Bei genauer Parallelität entsteht eine Gleitfläche mitBlattverschiebung; besitzt endlich die Bewegung eine Komponente,die von der Schollengrenze fort gerichtet ist, so haben wir schrägebzw. normale Abspaltung, die zunächst als Grabenbruch inErscheinung tritt. Das Verhältnis der normalen zu den gestaffeltenFalten können wir sehr gut mit einem Tischtuch veranschaulichen,wenn wir denjenigen Teil desselben, der die feste Scholle darstellensoll, durch Gewichte beschweren und den anderen Teil gegen ihnverschieben. Schon aus diesen allgemeinen Betrachtungen gehthervor, daß Staffelfalten häufiger vorkommen müssen als normaleFaltungen, denn erstere stellen den allgemeinen, letztere denspeziellen Fall dar.

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Die ostafrikanischen Gräben nach Supan. Gräben, mit Wasser bedeckte Grabenteile.

Die Anordnung der Faltenzüge in der Natur scheint dem zuentsprechen. Ich möchte dies hervorheben, weil auf geologischerSeite vielfach das Bestreben erkennbar ist, nur solche Faltenzügeals eigentlich zusammengehörig anzuerkennen, die sichunmittelbar ineinander fortsetzen, was nach dem Gesagten nichtder Fall zu sein braucht.

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Wie schon Abb. 49 zeigt, sind Faltung und Spaltung nur zweiverschiedene Wirkungen derselben Ursache, nämlich derVerschiebung der Schollenteile relativ zueinander, und sie gehenüber die Staffelfalten und die Blattverschiebung kontinuierlichineinander über. Es ist deshalb berechtigt, hier auch gleich denSpaltungsvorgang ins Auge zu fassen.

Das schönste Beispiel solcher Spaltungen bilden dieostafrikanischen Gräben. Sie gehören einem großen Bruchsysteman, welches sich nach Norden noch durch das Rote Meer, den Golfvon Akaba und das Jordantal bis an den Rand der taurischenFaltungen verfolgen läßt (Abb. 50). Nach neueren Untersuchungensetzen sich diese Brüche auch nach Süden noch bis zum Kaplandefort, doch sind sie am schönsten in Ostafrika ausgebildet.Neumayr-Uhlig [183] beschreibt sie etwa wie folgt:

Von der Sambesimündung aus zieht sich ein solcher 50 bis 80km breiter Graben nach Norden, den Shirefluß und Njassaseeenthaltend, um dann nach Nordwesten zu drehen und sich zuverlieren. Dafür beginnt dicht neben ihm und parallel zu ihm derGraben des Tanganikasees, von dessen Großartigkeit der Umstandzeugt, daß die Tiefe des Sees 1700 bis 2700 m, die Höhe desmauerförmigen Steilabfalles aber 2000 bis 2400, ja selbst 3000 mbeträgt. In seiner nördlichen Fortsetzung enthält dieser Grabenden Russisifluß, den Kiwu-, Albert-Edward- und den Albertsee.„Die Ränder der Senkung erscheinen aufgewulstet, wie wenn hierdas Bersten der Erde mit einer gewissen Aufwärtsbewegung derplötzlich frei gewordenen Bruchränder verbunden gewesen wäre.Mit dieser eigentümlichen wulstigen Form der Plateauränderhängt es wohl auch zusammen, daß unmittelbar östlich vom Abfalldes Tanganika die Nilquellen entspringen, während sich der Seeselbst zum Kongo entleert.“ Ein dritter markanter Graben beginntöstlich des Viktoriasees, enthält weiter nördlich den Rudolfsee undbiegt bei Abessinien nach Nordosten ab, wo er sich einerseits in dasRote Meer und andererseits in den Golf von Aden fortsetzt. ImKüstengebiet und im Innern von ehemals Deutsch-Ostafrikanehmen diese Brüche meist die Form von Bruchstufen an, derenOstseite abgesunken ist.

Von besonderem Interesse ist das in Abb. 50 ebenso wie dieGrabensohle punktiert gezeichnete große Dreieck im Winkel

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zwischen Abessinien und der Somalihalbinsel (zwischen Ankober,Berbera und Massaua). Dies relativ flache und niedrige Landbesteht ganz aus jungen vulkanischen Laven. Die meisten Autorenhalten es für eine riesige Verbreiterung des Spaltenbodens. DieseAuffassung wird besonders durch den Verlauf der beiderseitigenKüsten im Roten Meere nahegelegt, deren im übrigen genaueParallelität durch diesen Vorsprung gestört wird; schneidet manihn fort, so paßt die gegenüberliegende Ecke Arabiens genau in denAusschnitt hinein. Es wurde schon erwähnt, daß es sich hieroffenbar um Sialmassen von der Unterseite des AbessinischenGebirges handelt, die sich einseitig nach Nordosten ausgebreitethaben und dabei am Schollenrande aufgetaucht sind. Vielleicht wardie Spalte schon mit Basalt erfüllt, so daß die emporsteigendenSialmassen eine Haube aus diesem Material mit hochtrugen. Diegroße Erhebung über das Tiefseeniveau deutet jedenfalls auf dieAnwesenheit sialischer Massen unter der Lavadecke, falls dasGebiet nicht etwa einen bedeutenden Schwereüberschuß aufweist.

Die Entstehung dieser in Ostafrika selbst maschenförmigangeordneten Brüche ist in geologisch junge Zeiten zu setzen. Anmehreren Stellen durchschneiden sie junge basaltische Laven,einmal auch pliozäne Süßwasserbildungen. Jedenfalls können siealso nicht vor Schluß der Tertiärzeit entstanden sein. Andererseitsscheinen sie zur Diluvialzeit schon vorhanden gewesen zu sein, wieman aus den Strandterrassen als Marken höheren Wasserstandesbei den abflußlosen, auf der Grabensohle liegenden Seengeschlossen hat. Beim Tanganikasee deutet auch seine offenbarfrüher marine, dann aber dem Süßwasser angepaßte sogenannteReliktenfauna auf längeren Bestand. Die häufigen Erdbeben undder starke Vulkanismus der Bruchzone deuten aber wohl daraufhin, daß der Trennungsprozeß jedenfalls auch heute noch imGange ist. Für die mechanische Deutung solcher Grabenbrücheergibt sich nur insofern etwas Neues, als diese die Vorstufe einervölligen Trennung der beiden Schollenteile darstellen, wobei essich um rezente, noch nicht beendete Abspaltungen oder auch umfrühere Versuche einer solchen handeln kann, die infolgeErlahmens der Zugkräfte wieder zur Ruhe gekommen sind. Einevollständige Trennung würde sich nach unseren Vorstellungenetwa folgendermaßen vollziehen. Zunächst wird nur in den oberen,

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spröderen Schichten ein klaffender Riß entstehen, während dieunteren plastischen sich ziehen. Da vertikale Steilwände von derhier in Betracht kommenden Höhe viel zu große Anforderungen andie Druckfestigkeit der Gesteine stellen würden, so bilden sichgleichzeitig mit der Spalte oder auch an Stelle von ihr schrägeRutschflächen aus, längs welchen die Randpartien der beidenSchollenteile unter zahlreichen lokalen Erdbeben in demselbenTempo in die Spalte absinken, wie diese sich öffnet, so daß immernur ein Grabenbruch mäßiger Tiefe in Erscheinung tritt, dessenBoden aus verworfenen Schollen derselben Gesteinsserien besteht,die auch seitwärts des Grabens auf der Höhe anstehen. In diesemStadium ist der Grabenbruch noch nicht isostatisch kompensiert,wie es denn auch nach E. Kohlschütter [184] bei einem großenTeile der jungen ostafrikanischen Gräben der Fall ist. Es ist ja einunkompensiertes Massendefizit vorhanden; daher wird eineentsprechende Schwerestörung beobachtet, und außerdem steigenbeide Spaltenränder zum isostatischen Ausgleich empor, so daß derEindruck entsteht, als gehe der Graben in der Längsrichtung durcheine Aufwölbung hindurch. Schwarzwald und Vogesen beiderseitsdes oberrheinischen Grabenbruchs sind bekannte Beispiele fürdiesen Randwulst. Reißt endlich die Spalte so tief, daß unter ihrnur noch die plastischeren unteren Schichten des Sials liegen, sosteigen diese und das unter ihnen liegende zähflüssige Sima an, sodaß das bisherige Massendefizit ersetzt wird und der Graben sichnunmehr als Ganzes isostatisch kompensiert erweist. Bei derweiteren Öffnung der Spalte wird deren Boden zunächstvollständig mit den auseinandergezogenen Massen der plastischenunteren Schichten der Sialschollen bedeckt sein, die vonBruchstücken der spröderen Oberschichten bedeckt sind, bisschließlich bei sehr weiter Trennung auch Simafenster erscheinen.Bei dem großen Graben des Roten Meeres ist die Entwicklung soweit vorgeschritten, daß, wie Triulzi und Hecker fanden, bereitsisostatische Kompensation herrscht.

Der Umstand, daß die obersten Schichten des Sials wesentlichspröder sind als die tieferen, gibt auch die Erklärung für dieauffallende Tatsache, daß ehemals zusammengehörigeSchollenränder auch dann noch kongruent geblieben sind, wennzwischen ihnen Sialmassen liegen, die eine glatte

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Zusammenfügung der Schollen zu verbieten scheinen. Z. B. zeigtdie Ostküste von Madagaskar ebenso wie die Westküste vonVorderindien einen auffallend geradlinigen Abbruch derbeiderseitigen Gneisplateaus, was kaum einen anderen Schlußzuläßt, als daß beide Teile einst unmittelbar zusammenhingen.Dennoch liegt zwischen ihnen der bogenförmige Schelf derSeychellen, der offenbar gleichfalls aus Sial besteht (die Inselnbestehen aus Granit) und bei der Rekonstruktiondazwischengeschoben werden müßte. Wahrscheinlicher erscheintmir aber, daß wir es hier nur mit dem plastischeren Material dertieferen Sialschichten zu tun haben, das bei dem Trennungsprozeßherausgezogen worden ist und daher bei der Rekonstruktion unterden beiden Schollenteilen anzubringen wäre, was natürlich nichtausschließt, daß es auch mit kleineren Oberflächenbrocken gekröntsein kann. Ähnliches gilt für die mittelatlantische Bodenschwelleund manche anderen Gebiete. Es ist wichtig, dies zuberücksichtigen, da es sonst an manchen Stellen rätselhafterscheinen könnte, warum die Konturen der getrennten Schollenfast genau kongruent sein können, während doch zwischen ihnennoch unregelmäßige Sialmassen liegen.

Auf dieses seitliche Herausziehen der unteren plastischenSchichten des Sials ist es wohl auch zurückzuführen, daß dieRänder gespaltener Kontinentalschollen oft in einer Reihe vonBruchstufen, die dem Rande parallel verlaufen, zum Tiefseebodenabfallen, ja oft in ihrem oberen, allein zu untersuchenden Teileeine „Flexur“ vortäuschen, d. h. daß ihre Oberfläche nach außenherabhängt. Doch können wir auf diese Einzelheiten hier nichtweiter eingehen.

Eine besondere Art von Kräften muß am Rande derplastischen Kontinentalschollen auftreten, wenn diese durch eineInlandeisdecke belastet sind. Wenn man einen plastischen Kuchenbelastet, so wird er in dem Bestreben, seine Mächtigkeit zuverringern und sich horizontal auszudehnen, randliche radialeRisse bekommen. Dies ist die Erklärung für die Fjordbildung,welche in überraschender Gleichförmigkeit an allen ehemalsvereisten Küsten (Skandinavien, Grönland, Labrador, pazifischeKüste von Nordamerika nördlich 48° und von Südamerika südlich42°, sowie Neuseeland-Südinsel) vorhanden ist und bereits von

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Abb. 51.

Gregory [185] in einer umfangreichen, noch viel zu weniggewürdigten Untersuchung auf Bruchbildung zurückgeführt ist.Die heute noch immer viel vertretene Deutung als Erosionstälerhalte ich, auch nach eigenen Beobachtungen in Grönland undNorwegen, für unrichtig.

An den atlantischen Kontinentalrändern ist man durchgehäufte Lotungen auf eine eigenartige Erscheinung aufmerksamgeworden, welche sich als untermeerische Fortsetzung vonFlußtälern zu erkennen gibt. So setzt sich das Tal desLorenzstromes noch im vorgelagerten Schelf bis zur Tiefsee fort,desgleichen das des Hudson (bis 1450 m Tiefe verfolgbar), und aufeuropäischer Seite ist Ähnliches der Fall vor der Mündung des Tajound namentlich bei der „Fosse de Cap Breton“, 17 km nördlich derMündung des Adour. Die schönste derartige Erscheinung ist aberwohl die Kongorinne im Südatlantik (bis 2000 m verfolgbar). Nachder üblichen Deutung sollen diese Rinnen ertrunkeneErosionstäler sein, die über Wasser entstanden. Dies erscheint mirjedoch in hohem Maße unwahrscheinlich, einmal wegen desgroßen Betrages der Senkung, zweitens wegen der allgemeinenVerbreitung (bei genügend zahlreichen Lotungen wird man sievermutlich an allen Kontinentalrändern finden) und drittens, weilnur eine bestimmte Auswahl von Flußmündungen die Erscheinungzeigt, während dazwischenliegende Mündungen sie nicht zeigen.Ich halte es für wahrscheinlicher, daß es sich auch hier um Spaltenim Kontinentalrand handelt, die von den Flüssen benutzt werden.Beim Lorenzstrom ist diese Spaltennatur seines Bettes ohnehingeologisch erwiesen, bei der Fosse de Cap Breton, welche dasinnerste Ende der buchförmig sich öffnenden Tiefseespalte derBiskaya darstellt, nach ihrer ganzen Lage plausibel.Die interessanteste Erscheinung des Kontinentalrandes bilden aberdie Inselgirlanden, die namentlich an der ostasiatischen Küsteausgebildet sind (Abb. 51). Betrachten wir ihre Verteilung imPazifik, so sehen wir ein großzügiges System. Namentlich wenn wirNeuseeland als einstige Girlande Australiens auffassen, so ist dieganze Westküste des Pazifik mit Girlanden bedeckt, während dieOstküste frei davon ist. Bei Nordamerika könnte man vielleicht in

der Abtrennung vonInseln zwischen 50

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Girlanden von Nordost-Asien.(Tiefenlinien 200 und 2000 m; Tiefseerinnen punktiert.)

und 55° Breite, derKüstenausbauchungbei San Franzisko undder Abtrennung derkalifornischenRandkette nochunentwickelteAnfänge vonGirlandenbildungerkennen.Im Südenläßt sichmöglicherweise dieWestantarktis alsGirlande (dannvermutlichDoppelgirlande)ansprechen. Imganzen deutet aberdasGirlandenphänomenauf eine Verschiebungder westpazifischenKontinentalmassen,die etwa nachWestnordwest, alsofür die diluvialePollage etwa nachWesten gerichtet war,die ferner mit derLängsachse desPazifik (Südamerika—Japan) und mit derHauptrichtung deralten pazifischen

Inselreihen (Hawai-Inseln, Marshall-Inseln, Gesellschafts-Inselnusw.) zusammenfällt. Die Tiefseerinnen, einschließlich derTongarinne, sind als Spalten senkrecht zu dieserVerschiebungsrichtung, also parallel zu den Girlanden, angeordnet.

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Es ist wohl keine Frage, daß alle diese Dinge ursächlichmiteinander verknüpft sind. Ganz ähnliche Girlanden sind auch inWestindien vorhanden, und auch der Südantillenbogen zwischenFeuerland und Grahamland kann, wenn auch in etwas anderemSinne, als freie Girlande angesprochen werden.

Sehr auffällig ist die gleichartige Staffelung der Girlanden. DieAleuten bilden eine Kette, welche weiter östlich in Alaska nichtmehr Randkette ist, sondern aus dem Innern kommt. Sie endigenbei Kamtschatka, von wo ab nun die bisher innere Kamtschatka-Kette mit den Kurilen als äußerste Kette die Girlande bildet. Dieseendigt wiederum bei Japan, um der bisher inneren Kette Sachalin—Japan den Platz zu räumen. Auch südlich von Japan läßt sich dieseAnordnung noch weiter verfolgen, bis bei den Sunda-Inseln dieVerhältnisse verworrener werden. Und auch die Antillen zeigengenau dieselbe Staffelung. Es liegt auf der Hand, daß dieseStaffelung der Girlanden eine unmittelbare Folge der Staffelungder einstigen Randgebirge der Kontinente ist und also auf dasfrüher besprochene allgemeine Gesetz der Staffelfalten zurückgeht.Die auffällig gleiche Länge der Girlanden [Aleuten 2900,Kamtschatka—Kurilen 2600, Sachalin—Japan 3000, Korea—Riu-Kiu 2500, Formosa—Borneo 2500, Neuguinea—Neuseelandehemals 2700 km][2] könnte vielleicht auf diese Weise bereitstektonisch in der Anlage der Randgebirge vorgezeichnet sein.

Fujiwhara [195] hat sich eingehender mit dieser gestaffeltenLage, speziell der japanischen Vulkanketten, beschäftigt und suchtsie durch eine Rotation des nordpazifischen Meeresbodens gegenden Uhrzeiger zu erklären (relativ zu der fest gedachten asiatischenScholle). Da alle Bewegung relativ ist, könnte man auch umgekehrtan eine Rotation der umgebenden Landmassen um den festgedachten Boden des Pazifik im Sinne des Uhrzeigers denken. Diesist deswegen von Interesse, weil der Nordpol bis vor geologischkurzer Zeit im Pazifischen Ozean lag, so daß eine solche Rotationder Landmassen in der Vorzeit einer Westwanderung derselbenentspräche. Ich halte es in der Tat für sehr wahrscheinlich, daß diegestaffelten Randketten von Ostasien durch eine solche ehemaligeWestwanderung der Kontinentalschollen zu der Zeit, als der Polnoch im Pazifischen Ozean lag, angelegt wurden.

Die auffallende Übereinstimmung der Girlanden in ihrem

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geologischen Bau war bereits früher erwähnt worden: ihre konkaveSeite trägt stets eine Reihe von Vulkanen, offenbar eine Folge desbei ihrer Biegung hier entstehenden Druckes, der dieSimaeinschlüsse herauspreßt. Die konvexe Seite dagegen trägttertiäre Sedimente, während diese am entsprechendenFestlandsufer meist fehlen. Dies deutet an, daß die Ablösung erstin jüngster geologischer Zeit vor sich gegangen ist, und daß dieGirlande zur Zeit der Ablagerung dieser Sedimente noch den Randdes Festlandes bildete. Diese tertiären Sedimente zeigen überallstarke Lagerungsstörungen, eine Folge des bei der Biegung hierauftretenden Zuges, der zur Zerklüftung und vertikalenVerwerfung führt. Nipon ist durch die zu starke Biegung in derFossa Magna aufgebrochen. Daß dieser Außenrand der Girlandetrotz der mit der Dehnung sonst überall verbundenen Senkunggehoben erscheint, deutet eine Kippbewegung der Girlande an, dieman sich dadurch verursacht denken kann, daß sie gemäß derallgemeinen Westwanderung der Kontinentalscholle an ihrenEndpunkten mitgeschleppt, in der Tiefe aber durch das Simazurückgehalten wird. Mit demselben Vorgang scheint auch diemeist ihren Außenrand begleitende Tiefseerinnezusammenzuhängen. Es war schon früher darauf aufmerksamgemacht worden, daß sich diese Rinne niemals auf der frischentblößten Simafläche zwischen Kontinent und Girlande, sondernstets nur an deren Außenrande, also an der Grenze des altenTiefseebodens bildet. Sie erscheint hier als eine Spalte, deren eineSeite von dem stark ausgekühlten und bis in große Tiefen bereitserstarrten alten Tiefseeboden, und deren andere Seite von demsialischen Material der Girlande gebildet wird. Gerade inVerbindung mit der genannten Kippbewegung der Girlande wäredie Bildung einer solchen Randspalte zwischen Sial und Sima sehrverständlich. Weiter ist in unserer Abb. 51 die bauchige Form desKontinentalrandes hinter den Girlanden auffallend. Namentlichwenn wir außer der Küstenlinie selber auch die 200-m-Tiefenliniebetrachten, so zeigt sich, daß der Kontinentalrand stets dasSpiegelbild einer S-Form aufweist, während die davorliegendeGirlande einen einfachen konvexen Bogen bildet. DieseVerhältnisse sind schematisch in Abb. 52 B dargestellt. DieErscheinung ist bei allen drei in Abb. 51 enthaltenen Girlanden in

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Abb. 52.

Schema der Entstehung von Inselgirlanden.A Querschnitt; B Aufsicht. (Der stark ausgekühlte Teil des Simas

ist durch Strichelung bezeichnet.)

gleicher Weise ausgebildet und trifft z. B. auch beimostaustralischen Kontinentalrand und seiner einstigen, durch denSüdost-Ausläufer Neuguineas und Neuseeland gebildeten Girlandezu. Diese bauchigen Küstenlinien kennzeichnen einenZusammenschub parallel zur Küste und also auch zurStreichrichtung der Küstengebirge. Sie sind als horizontaleGroßfalten zu betrachten. Es handelt sich hierbei um eineTeilerscheinung in dem gewaltigen Zusammenschub, den dasganze östliche Asien in der Richtung Nordost—Südwest erfahrenhat. Macht man den Versuch, diese Schlangenlinie derostasiatischen Festlandsküste zu glätten, so wächst die Entfernungzwischen Hinterindien und der Beringstraße, die jetzt 9100 kmbeträgt, auf 11100 km. Nach unserer Auffassung handelt es sichalso bei den Girlanden und insbesondere den ostasiatischen umRandketten, die sich infolge der Westwanderung derKontinentalmassen von diesen ablösen, indem sie an dem tieferstarrten alten Meeresboden haftenbleiben.

Zwischenihnen und dem

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Abb. 53.

Kontinentalrand tritt junger, noch leichtflüssigerer Tiefseebodenfensterartig zutage.

Diese Vorstellung ist eine andere als die, welche F. v.Richthofen, freilich von ganz anderen Voraussetzungen ausgehend,vertreten hat [186]. Er dachte sich die Girlanden entstanden durcheinen vom Pazifik kommenden Zug in der Erdrinde. Zusammenmit einer breiten Zone des benachbarten Festlandes, die auchdurch bogenförmigen Verlauf der Küste und der Erhebungenausgezeichnet ist, sollten die Inselbögen ein großes Bruchsystembilden. Das Gebiet zwischen Inselkette und Festlandsküste sei dieerste „Landstaffel“, welche infolge einer Kippbewegung im Westenunter den Meeresspiegel getaucht sei, während der Ostrand alsInselgirlande herausrage. Auf dem Festlande glaubte v. Richthofennoch zwei weitere derartige Landstaffeln zu sehen, deren Senkungjedoch geringer war. Die regelmäßige Bogenform dieser Brüchebildete zwar eine Schwierigkeit, doch glaubte man, diesen Einwandmit dem Hinweis auf bogenförmige Sprünge im Asphalt undanderen Stoffen entkräften zu können.

So sehr man auch anerkennen muß, daß diese Theorie dashistorische Verdienst besitzt, zum ersten Male mit dem Dogma voneinem überall wirksamen „Gewölbedruck“ bewußt gebrochen undZugkräfte zur Erklärung herangezogen zu haben, so braucht mandoch nicht viel Worte zu verlieren, um zu zeigen, daß sie unserenheutigen Erfahrungen nicht gerecht wird. Namentlich spricht dieTiefenkarte, so unvollkommen sie infolge mangelnder Lotungenhier noch ist, entschieden dafür, daß zwischen Girlande undHauptscholle der Zusammenhang unterbrochen ist. Wenn dieBewegung der Kontinentalscholle nicht wie in Ostasien senkrechtzu ihrem Rande geschieht, sondern parallel zum Rande, so könnendie Randketten durch Blattverschiebung abgestreift werden, ohnedaß ein Simafenster zwischen ihnen und der Hauptscholle auftritt.

ImGrunde

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Kalifornien und die Erdbebenverwerfung von San Franzisko.

genommen handelt es sich hier um die gleichen Erscheinungen,wie sie für das Innere der Kontinentalscholle an der Hand unsererAbb. 49 (S. 192) erläutert waren, nur sinngemäß übertragen aufden Kontinentalrand: Bewegt sich die Scholle gegen das Sima, sotritt Randfaltung auf, und zwar entweder Überschiebungen oderStaffelfalten, je nach der Richtung der Bewegung. Bewegt sie sichvom Tiefseeboden fort, so spalten sich die Randketten ab. Ist aberdie Bewegung eine scherende, so haben wir Blattverschiebung: dieRandkette gleitet. Auch in diesem Falle haftet die Randkette andem erstarrten Tiefseeboden. In unserer Tiefenkarte derDrakestraße Abb. 26 auf S. 97 kann man diesen Prozeß amNordende von Grahamland besonders schön sehen. Desgleichen ist

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die südlichste Kette der Sunda-Inseln Sumba—Timor—Ceram—Buru, die früher wohl die südöstliche Fortsetzung der Sumatravorgelagerten Inselreihe gebildet hat, an Java vorbeigeglitten, bissie von der heranrückenden Scholle Australien—Neuguineaergriffen wurde.

Ein anderes Beispiel ist Kalifornien. Die KalifornischeHalbinsel zeigt an ihren seitlichen VorsprüngenSchleppungserscheinungen (Abb. 53), die ein Vorwärtsdrängen derLandmassen nach Südsüdost zu beweisen scheinen. Die Spitze derHalbinsel ist durch den Stirnwiderstand des Simas bereitsamboßartig verdickt, und die Halbinsel erscheint im ganzen bereitsstark verkürzt, wie aus dem Vergleich mit dem Ausschnitt deskalifornischen Golfs hervorgeht. Ihr nördlicher Teil hat sich nachWittich [187] erst kürzlich aus dem Meere gehoben, und zwar umBeträge bis über 1000 m, ein deutliches Zeichen für starkenZusammenschub. Daß die Spitze früher wirklich in der vor ihrliegenden Einkerbung der mexikanischen Küste gelegen hat, kannnach den Konturen kaum bezweifelt werden. Die geologische Kartezeigt hüben wie drüben „postkambrische“ Intrusivgesteine, derenIdentität allerdings noch nicht erwiesen ist.

Aber außer der Verkürzung der Halbinsel selbst scheint auchnoch ein Gleiten nach Norden oder richtiger ein Zurückbleiben derHalbinsel bei einem Südwärtsdrängen des Festlandes relativ zurUnterlage vorzuliegen, an dem wohl auch die nördlich sichanschließenden Küstenketten teilnehmen. Hierdurch erklärt sichdie große Ausbauchung der Küstenlinie bei San Franzisko durchStauung. Diese Auffassung wird in auffallender Weise bestätigtdurch die berühmte Erdbebenverwerfung von San Franzisko vom18. April 1906, die nach Rudzki [15] und Tams [188] in unsere Abb.53 eingezeichnet ist. Denn der östliche Teil schnellte hierbei nachSüden, der westliche nach Norden. Wie zu erwarten, zeigten dieVermessungen, daß der Betrag dieser plötzlichen Verschiebung mitzunehmender Entfernung von der Spalte immer geringer wurdeund in größerer Entfernung nicht mehr nachweisbar war. Natürlichwar die Erdkruste auch schon vor dem Sprung in langsamerkontinuierlicher Bewegung. Andrew C. Lawson [189] hat dieseBewegung zwischen 1891 und 1906 mit der Sprungrichtungverglichen und kommt zu dem in Abb. 54 gezeigten, für die „Point

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Arenagruppe“ der Beobachtungen gültigen Resultat, daß einOberflächenelement auf der späteren Spalte sich in den genannten15 Jahren um 0,7 m von A nach B bewegte, dann durch dieSpaltenbildung geteilt wurde, wobei die westliche Hälfte um 2,43m nach C und die östliche um 2,23 m nach D schnellte. In derkontinuierlichen Bewegung zwischen A und B, die relativ zurHauptmasse des nordamerikanischen Kontinents gedacht werdenmuß, zeigt sich, daß der westliche Kontinentalrand durch Anhaftenam pazifischen Sima beständig nach Norden zurückgehalten wird.Der Sprung bedeutet nur einen ruckweisen Ausgleich derSpannung, bewegt aber nicht die Kontinentalscholle als Ganzes.

Abb. 54.

Bewegung eines von derSpalte durchschnittenen

Oberflächenelements, nachLawson.

Abb. 55.

Tiefenkarte von Hinterindien.(Tiefenlinien 200 u. 2000 m; Tiefseerinne

punktiert.)

Es sei in diesem Zusammenhang noch auf einen anderen,gleichfalls sehr interessanten Teil der Erdrinde hingewiesen, derfreilich noch wenig untersucht ist, nämlich den Kontinentalrand

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von Hinterindien (Abb. 55). Es ist namentlich das tiefeMeeresbecken nördlich von Sumatra, welches hier interessiert. DerKnick der Halbinsel Malakka entspricht dem Nordabbruch vonSumatra; aber es ist nicht möglich, die nördlich dieser Inselerkennbare fensterartige Entblößung der tieferen Schichtendadurch wieder zuzudecken, daß wir die Halbinsel Malakka wiederausrichten. Das zeigt schon die vor dem Fenster liegende Inselketteder Andamanen. Wir dürfen hier vielleicht annehmen, daß dergroße Zusammenschub des Himalaja einen Zug auf diehinterindischen Ketten in ihrer Längsrichtung ausgeübt hat, daßunter diesem Zuge die Sumatrakette am Nordende dieser Inselgerissen ist, und daß der nördliche Teil der Kette (Arakan) wie einTauende nach Norden in den großen Zusammenschubhineingezogen worden ist und noch wird. Zu beiden Seiten diesergrandiosen Blattverschiebung müssen sich dabei Gleitflächenausgebildet haben. Interessanterweise blieb die äußersteRandkette, die Andamanen und Nikobaren, am Sima haften, und eswar erst die zweite Kette, die diese merkwürdige Verschiebungerfuhr.

Endlich sei noch kurz des bekannten Unterschiedes zwischen„pazifischem“ und „atlantischem“ Küstentypus gedacht. Die„atlantischen“ Küsten stellen Brüche eines Tafellandes dar,während die „pazifischen“ durch Randketten und vorgelagerteTiefseerinnen gekennzeichnet sind. Zu den Küsten mitatlantischem Bau zählt man auch diejenigen von Ostafrika mitMadagaskar, Vorderindien, West-und Südaustralien, sowie dieOstantarktis, zu den pazifischen auch die Westküste Hinterindiensund des Sunda-Archipels, die Ostküste Australiens mit Neuguineaund Neuseeland und die Westantarktis. Auch Westindien mit denAntillen hat pazifischen Bau. Den tektonischen Unterschiedendieser beiden Typen entspricht auch ein verschiedenes Verhaltender Schwerkraft, wie Meissner [190] gezeigt hat. Die atlantischenKüsten sind isostatisch kompensiert, d. h. die schwimmendenKontinentalschollen sind hier im Gleichgewicht. Dagegenherrschen bei den pazifischen Küsten Abweichungen von derIsostasie. Bekannt ist ferner, daß atlantische Küsten relativ frei vonErdbeben und auch von Vulkanen sind, während pazifische anbeiden reich sind. Wo einmal an einer Küste atlantischen Typs ein

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Vulkan auftritt, zeigen seine Laven, worauf Becke hingewiesen hat,systematische mineralogische Unterschiede gegenüber denpazifischen Laven, sie sind nämlich schwerer und eisenreicher,scheinen also aus größerer Tiefe zu stammen.

Nach unseren Vorstellungen sind die „atlantischen“ Küstenstets solche, welche sich erst seit dem Mesozoikum, zum Teil nocherheblich später, durch Spaltung der Schollen gebildet haben. Dervor ihnen liegende Meeresboden stellt also eine relativ frischentblößte Tiefenschicht dar und muß daher als relativ flüssigbetrachtet werden. Es kann aus diesem Grunde nicht überraschen,daß diese Küsten isostatisch kompensiert sind. Bei Verschiebungenferner erfahren die Kontinentalränder wegen dieser größerenFlüssigkeit des Simas nur wenig Widerstand und werden daherweder gefaltet noch gepreßt, so daß weder Randgebirge nochVulkane entstehen. Auch Erdbeben sind hier nicht zu erwarten, dadas Sima flüssig genug ist, um alle erforderlichen Bewegungenohne Diskontinuität, durch reines Fließen, zu ermöglichen. DieKontinente verhalten sich hier, übertrieben ausgedrückt, wie starreEisschollen in flüssigem Wasser. Die Erdoberfläche bietetzahlreiche Anzeichen dafür, daß das Wesen des Vulkanismus ineinem passiven Herauspressen der Simaeinschlüsse aus derSialrinde zu suchen ist. Am schönsten zeigen dies die gebogenenInselgirlanden. Hier muß durch die Biegung auf der konkavenInnenseite Pressung, auf der konvexen Außenseite Zerrungeintreten. Tatsächlich ist ihr geologischer Bau, wie schon frühererwähnt, von einer auffallenden Gleichförmigkeit: die Innenseiteträgt stets eine Reihe von Vulkanen, die Außenseite zeigt keinenVulkanismus, aber starke Zerklüftung und Verwerfungen. Dieseüberall wiederkehrende Anordnung der Vulkane ist so auffallend,daß sie mir von der größten Bedeutung für die Frage nach demWesen der Vulkane zu sein scheint, v. Lozinski schreibt [191]: „Inden Antillen kann man eine vulkanische Innenzone und zweiAußenzonen unterscheiden, von denen die äußerste aus jüngerenAblagerungen aufgebaut ist und an Höhe zurücktritt (Suess). DerGegensatz einer hochvulkanischen Innenzone und einerAußenzone mit zurücktretendem Vulkanismus kommt auch in denMolukken (Brouwer) und in Ozeanien (Arldt) zur Geltung. DieAnalogie mit der Anordnung von Vulkanzonen auf der Innenseite

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von Schubzonen, wie im karpathischen oder varistischenHinterlande, springt in die Augen.“ Die Lage des Vesuv, Ätna,Stromboli entspricht diesem Schema; von den Inseln desSüdantillenbogens zwischen Feuerland und Grahamland ist geradeder stark gebogene mittelste Rücken der Süd-Sandwich-Inselnbasaltisch, und einer seiner Vulkane ist noch tätig. Auf einebesonders interessante Einzelheit von den Sunda-Inseln haben wirschon früher hingewiesen: von den beiden südlichsten Inselkettenträgt nur die einheitlich gebogene nördliche Vulkane, nicht diesüdliche (mit Timor), die, weil Außenkette, unter Zug steht undaußerdem durch Kollision mit dem australischen Schelf bereits inumgekehrter Richtung gebogen wird. An einer Stelle aber, beiWetter, ist auch die nördliche Kette bereits ein wenig eingebeult,weil die südliche (Nordostende von Timor) hier gegen sie drängt;und gerade an dieser Stelle ist auf der nördlichen Kette derVulkanismus, der früher auch hier tätig war, erloschen, offenbar,weil hier die Biegung zurückgeht. Brouwer macht auch daraufaufmerksam, daß auch die gehobenen Korallenriffe nur davorkommen, wo der Vulkanismus fehlt oder erloschen ist, wasgleichfalls darauf hindeutet, daß gerade diese Gebiete sichzusammenschieben. Das zunächst paradoxe Ergebnis, daß derVulkanismus dort aufhört, wo Zusammenschub beginnt, findet imRahmen unserer Vorstellungen eine ungezwungene Erklärung.

Es ist nicht undenkbar, daß in den ältesten vorgeologischenZeiten die Sialhaut noch die ganze Erde umkleidete. Sie kann dannin jener Zeit nur etwa ein Drittel ihrer heutigen Mächtigkeit gehabthaben und muß mit einer „Panthalassa“ bedeckt gewesen sein,deren durchschnittliche Tiefe A. Penck zu 2,64 km berechnet, unddie wohl nur wenige oder gar keine Teile der Erdeberfläche freiließ.

Für die Richtigkeit dieser Vorstellung sprechen jedenfalls zweiGründe, nämlich die Entwicklung des Lebens auf der Erde und dertektonische Bau der Kontinentalschollen.

Steinmann sagt [192]: „Es zweifelt wohl kaum jemandernstlich daran, daß das Leben des Süßwassers sowie des festenLandes und der Luft aus dem des Meeres hervorgegangen ist.“ Vordem Silur kennen wir keine luftatmenden Tiere; der ältesteLandpflanzenrest stammt aus dem Obersilur von Gotland. Nach

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Gothan [193] sind noch aus dem älteren Devon hauptsächlich nurmoosartige Pflanzen ohne eigentliches Laub bekannt. „Spureneigentlicher, spreitiger Blätter sind im älteren Devon selten. Fastalle Gewächse waren klein, krautig und von geringerStandfestigkeit.“ Dagegen wird die Flora im Oberdevon bereits derkarbonischen ähnlich „durch das Auftreten großer, entwickelter,geaderter Blattspreiten, durch die durchgeführte Arbeitsteilung derPflanze in bezug auf Ausbildung der tragenden undassimilierenden Organe… Der Charakter der Flora des älterenDevons, ihre niedrige Organisation, ihre geringe Größe usw. legtden Gedanken nahe, daß die Landflora dem Wasser entstammt,wofür sich schon Potonié, Lignier, Arber u. a. ausgesprochenhaben. Die im Oberdevon beobachteten Fortschritte sindaufzufassen als Anpassung an die neue Lebensweise auf demLande, in der Luft.“

Andererseits scheint es, als ob bei Ausglättung aller Falten inden Kontinentalschollen die Sialrinde tatsächlich genügendvergrößert wird, um sich um die ganze Erde herumzuschließen.Heute nehmen die Kontinentalschollen mit ihren Schelfenallerdings nur noch ein Drittel der Erdoberfläche ein, aber schonfür das Karbon erhalten wir eine bedeutende Vergrößerung (aufetwa die Hälfte der Erdoberfläche). Je weiter wir aber in derErdgeschichte zurückgehen, um so umfangreicher sind dieFaltungsvorgänge. E. Kayser [34] schreibt: „Es ist von großerBedeutung, daß die ältesten archäischen Gesteine überall auf derErde stark gestört und gefaltet sind. Erst vom Algonkium an findensich neben gefalteten hier und da ungefaltete oder nur schwachgefaltete Ablagerungen. Gehen wir zur nachalgonkischen Zeit über,so sehen wir, wie die Ausdehnung und Zahl der starrenunnachgiebigen Massen hier immer größer und dementsprechendder Umfang der faltbaren Krustenteile immer beschränkter wird.Dies gilt besonders für die karbonisch-permischen Stauungen. Innachpaläozoischer Zeit schwächten sich die faltenden Kräfteallmählich mehr und mehr ab, um indes in der jüngeren Jura-undder Kreidezeit wieder zu erwachen und in der jüngeren Tertiärzeiteinen neuen Höhepunkt zu erreichen. Es ist aber sehrbezeichnend, daß das Verbreitungsgebiet dieser jüngsten großenGebirgsstauung selbst hinter der karbonischen Faltung ganz

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Abb.56.

beträchtlich zurückblieb.“ Hiernach steht die Annahme, daß dieSialsphäre einstmals die ganze Erde umgab, jedenfalls nicht mitden sonstigen Anschauungen im Widerspruch. Diese verschiebbareund selber plastische Erdhaut wurde nun durch Kräfte, derenNatur im 9. Kapitel erörtert wurde, auf der einen Seite aufgerissen,auf der anderen zusammengeschoben. Die Entstehung undErweiterung der Tiefsee stellt also nur die eine Seite diesesProzesses dar, deren andere Seite in der Faltung besteht. Auchbiologische Gründe scheinen dafür zu sprechen, daß die Tiefseeerst im Laufe der Erdgeschichte sich herausgebildet hat. Soschreibt Walther [194]: „Allgemeine biologische Gründe, diestratigraphische Stellung der heutigen Tiefseefauna, ebenso wietektonische Untersuchungen drängen uns die Überzeugung auf,daß die Tiefsee als Lebensbezirk keine primitive Eigenschaft derErde aus den ältesten Perioden ist, und daß ihre erste Anlage indieselbe Zeit fällt, wo in allen Teilen der jetzigen Kontinentetektonische Faltungsbewegungen einsetzen und das Relief derErdoberfläche so wesentlich umgestalten.“ Die ersten Risse derSialsphäre, in denen die Simasphäre zum ersten Male zutage trat,mögen denen ähnlich gewesen sein, welche heute dieostafrikanischen Gräben bilden. Sie öffneten sich um so weiter, jegrößere Fortschritte die Faltung des Sials machte. Es war einVorgang, den wir etwa mit dem Zusammenfalten eines rundenPapierlampions vergleichen können. Auf der einen Seite Öffnung,auf der anderen Zusammenschub. Höchstwahrscheinlich ist es dieFläche des allgemein für sehr alt gehaltenen Pazifischen Ozeans,die auf diese Weise zuerst ihres Sialmantels beraubt wurde. Eswäre nicht undenkbar, daß die alten Faltungen in denGneismassiven Brasiliens, Afrikas, Vorderindiens und Australiensdas Äquivalent dieser Öffnung des Pazifik darstellen. DieseZusammenschübe der Sialsphäre mußten natürlich eineVerdickung und damit ein Herauswachsen zur Folge haben,während gleichzeitig die Tiefseebecken geräumiger wurden. DieÜberflutungen der Kontinentalschollen mußten daher —abgesehen von ihrem Ortswechsel — im Laufe der Erdgeschichteim ganzen immer mehr abnehmen.Dies

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Ehemalige und künftige hypsometrische Kurve der Erdoberfläche.für die Zukunft, für die Gegenwart, für die

Vorzeit, im Urzustand (zugleich mitlleres Krustenniveau).

Gesetz ist allgemein anerkannt. Es geht auch aus der Betrachtungunserer drei Rekonstruktionskarten (S. 18) sehr deutlich hervor.

Es ist wichtig, zu beachten, daß der Entwicklungsprozeß derSialrinde ein einseitiger sein mußte, auch wenn die Kräftewechselten. Denn Zugkräfte können die Falten einerKontinentalscholle nicht wieder glätten, sondern sie höchstenszerreißen. Ein wechselndes Spiel der Druck-und Zugkräfte ist alsonicht imstande, seine Wirkungen selbst wieder aufzuheben,sondern erzeugt einseitig fortschreitende Wirkungen:Zusammenschub und Zerteilung. Die Sialdecke wird im Laufe derErdgeschichte immer kleiner (an Oberfläche) und dicker, aber siewird auch immer mehr zerteilt. Diese Dinge ergänzen einander undsind Wirkungen derselben Ursachen. In Abb. 56 sind diehypsometrischen Kurven dargestellt, welche hiernach für dieVorzeit, Gegenwart und Zukunft anzunehmen wären. Das mittlereKrustenniveau stellt zugleich die ursprüngliche Oberfläche dernoch ungespaltenen Sialsphäre dar.

Andererseits besteht die Möglichkeit, das Becken desPazifischen Ozeans als die Spur der Mondablösung nach DarwinsIdeen zu betrachten. Dann wäre bei diesem Vorgang ein Teil derSialkruste der Erde verlorengegangen. Der einzige Weg, zu einemUrteil hierüber zu kommen, scheint mir der zu sein, daß man denGrad der Zusammenfaltung der Sialschollen abzuschätzen sucht.Dazu liegt aber bisher wohl noch keine Möglichkeit vor.

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1. ↑ Vgl. Born in [45], S. 141.2. ↑ Die westindischen Girlanden zeigen dagegen eine Abstufung:

Kleine Antillen—Südhaiti—Jamaika—Mosquitobank 2600,Haiti—Südcuba—Misteriosabank 1900, Cuba 1100 km.

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Elftes Kapitel.

Ergänzende Bemerkungen über die Tiefseeböden.

Morphologisch tritt das Tiefseegebiet als einheitliches Ganzesden Kontinentalschollen gegenüber. Die Tiefen der drei großenOzeane sind aber doch nicht genau dieselben. Kossinna [29]berechnet nach den Grollschen Tiefenkarten die mittlere Tiefe desPazifik zu 4028, des Indik zu 3897 und des Atlantik zu 3332 m. Eingetreues Bild dieser Tiefenverhältnisse gibt auch die Verteilung derTiefseesedimente (Abb. 57), worauf einst Krümmel michpersönlich

Abb. 57.

Karte der Tiefseesedimente, nach Krümmel [30].

hinwies. Der rote Tiefseeton und der Radiolarienschlamm, diebeiden echt „abyssischen“ (Tiefsee-) Sedimente, sind wesentlichauf den Pazifik und östlichen Indik beschränkt, während Atlantikund westlicher Indik von „epilophischen“ Sedimenten bedecktsind, deren größerer Kalkgehalt mit der geringeren Meerestiefeursächlich verknüpft ist. Daß diese Tiefenunterschiede keinezufälligen sind, sondern von systematischer Art, und daß sie mitdem Unterschied zwischen „atlantischem“ und „pazifischem“Küstentyp zusammenhängen, zeigt am besten der Indik, dessenWesthälfte atlantischen und dessen Osthälfte pazifischen

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Charakter tragt. Denn hier ist wiederum die Osthälfte erheblichtiefer als die Westhälfte. Diese Dinge haben für dieVerschiebungstheorie deshalb ein besonderes Interesse, weil einBlick auf die Karte zeigt, daß es gerade die ältesten Tiefseebödensind, welche die größte Tiefe haben, während diejenigen, welcheerst vor relativ kurzer Zeit entblößt sind, die geringste Tiefe zeigen.So sieht man in Abb. 57 in überraschender Weise sozusagen dieSpur der Verschiebungen.

Über die Ursache dieses Tiefenunterschiedes haben wir heutenoch keine gefestigten Vorstellungen. Sie kann einerseits inUnterschieden des physikalischen Zustandes, andererseits aberauch in Materialverschiedenheit bestehen. Physikalisch könnensich alte und junge Tiefseeböden einerseits durch die Temperatur,andererseits durch den Aggregatzustand unterscheiden. Beträgt dasspezifische Gewicht des Materials 2,9, und rechnet man mit demkubischen Ausdehnungskoeffizienten für Granit 0,0000269, sowürde das spezifische Gewicht bei Temperaturerhöhung um 100°auf 2,892 verändert. Zwei bis 60 km Tiefe um 100° verschiedentemperierte Tiefseeböden, die untereinander im isostatischenGleichgewicht stehen, müßten dann einen Tiefenunterschied von160 m aufweisen, um welche der wärmere Boden höher liegt.

Andererseits ist es auch nicht unwahrscheinlich, daß beirelativ frisch entblößten Tiefseeböden die kristallineErstarrungsdecke wesentlich dünner ist als bei alten, wodurchebenfalls Unterschiede des spezifischen Gewichts und also derTiefe erzeugt werden können. Drittens besteht auch dann, wennman die Ozeanbecken alle auf gleiche Weise entstanden denkt, dieMöglichkeit, bei den großen Zeitunterschieden ihrer Entstehungauch Materialverschiedenheiten anzunehmen, da sich im Laufelanger geologischer Zeiten das Magma — etwa durchfortschreitende Kristallisationsprozesse oder auf anderem Wege —verändern kann und vermutlich auch verändert hat. Undschließlich können die Simaflächen in verschiedenem Grade mitFließresten der unteren Partien der Kontinentalschollen, sowierandlichen Abfallprodukten derselben bedeckt sein.

Unsere Vorstellungen von dem Material oder den Materialien,mit denen wir es beim Tiefseeboden zu tun haben, sindgegenwärtig, wie schon früher erwähnt, sehr im Fluß, so daß es

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sich nicht verlohnt, hier alle dazu geäußerten Meinungenanzuführen. Ich möchte mich deshalb darauf beschränken, nur dieam besten untersuchten Verhältnisse beim Atlantischen Ozean zubesprechen, wo ohnehin die breite mittelatlantischeBodenschwelle eine Erscheinung darstellt, mit der sich auch dieVerschiebungstheorie auseinandersetzen muß.

Schon vor langer Zeit ist man darauf aufmerksam geworden,daß der Tiefseeboden über weite Strecken oft erstaunlich geringeHöhenunterschiede zeigt. Solche auffallend ebenen Tiefseegebietesind bisher hauptsächlich durch die engen Lotungsreihen beiKabellegungen gefunden worden. So erwähnt Krümmel [30], daßim Pazifischen Ozean auf der 1540 km langen Strecke zwischenden Midway-Inseln und Guam alle 100 Lotungen zwischen 5510und 6277 m Tiefe lagen. Auf einer 180 km langen Teilstrecke warenbei einer mittleren Tiefe von 5938 m die größten Abweichungender 14 Lotungen nur + 36 und — 38 m. Auf einem anderen Stückevon 550 m Länge waren bei 5790 m Mitteltiefe die größtenAbweichungen der 37 Lotungen + 103 und — 112 m. Solche engenLotungsreihen können neuerdings in bequemer Weise vomfahrenden Schiffe aus mittels des Echolotes gewonnen werden.Aus dem Bereich des Atlantik werden in kurzem die zahlreichenProfile, die die deutsche „Meteor“-Expedition gewonnen hat,weitere Beiträge hierzu liefern. Nach dem ersten, vonamerikanischer Seite erhaltenen Echolotprofil durch denNordatlantik habe ich [197] den westlichen Teil, der dasTiefseebecken der Sargassosee noch gerade in deren nördlichstemTeile schneidet, in Abb. 58 dargestellt, welche zwischen 58 und471/2° Länge (auf 930 km) bei einer Mitteltiefe von 5132 m alsgrößte Abweichungen — 121 und + 108 m zeigt. In Teilstrecken istdie Tiefenkonstanz noch viel auffallender, z. B. liegen achtaufeinanderfolgende Messungen (mit je 28 km Zwischenraum)zwischen 2780 und 2790 Faden (10 Faden war dieGenauigkeitsgrenze der Messungen).

Abb. 58.

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Westlicher Teil des amerikanischen Echolotprofils durch den Nordatlantik,ohne den Schelf.

Im Gegensatz zu dieser Gleichförmigkeit zeigen die übrigen,immer noch der Tiefsee angehörigen, wenngleich weniger tiefenTeile der Route ein unruhiges Profil.

Ich habe hieraus geschlossen, daß im Bereich der Sargassosee,wo die Tiefe so auffallend konstant ist, die Simaoberfläche entblößtist, während den anderen Partien mit unruhigem Bodenreliefvermutlich eine Sialbedeckung von wechselnder, im allgemeinenerheblich geringerer Mächtigkeit als bei den Kontinentalschollenentspricht. Wenn man hiernach die Annahme macht, daß alle unter5000 m Tiefe gelegenen Teile des Ozeanbodens ungefähr denfreien Simaflächen entsprechen, so würde Abb. 59 dieoberflächliche Verteilung des Sials und Simas am Boden desAtlantik zeigen [1].

Dabei entsteht nun aber eine gewisse Schwierigkeit. Wenn wirnämlich annehmen, daß diese Sialmassen die Reste eines bei derTrennung in Trümmer gegangenen Streifens darstellen, so wirddieser Streifen auffallend breit. Auf der in Abb. 59 eingezeichnetenRoute des ersten transatlantischen Echolotprofils z. B. würden wires mit den auseinandergezogenen Trümmern eines 1300 kmbreiten Streifens zu tun haben. Im Südatlantik würden wirallerdings kleinere Werte erhalten, da die mittelatlantischeBodenschwelle hier schmaler ist und beiderseits, nicht wie auf dergenannten Route nur im Westen, an Tiefseebecken grenzt.Genauere Angaben werden sich erst auf Grund der Echolotungender „Meteor“-Expedition machen lassen, aber immerhin würdeman wohl auch hier auf ein in Trümmer gegangenesZwischengebiet von etwa 500 bis 800 km kommen. Dies ist zwarnicht gerade widersinnig, erscheint mir aber doch schon reichlichviel, denn die hier so auffallende Kongruenz der heutigen

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Abb. 59.

Die unter 5000 m Tiefe liegenden Flächen des atlantischenMeeresbodens.

Schollenränder von Südamerika und Afrika scheint dochanzudeuten, daß diese Ränder ziemlich unmittelbarzusammengehangen haben. Und auf ähnliche, wenn auch nichtsehr bedeutende Schwierigkeiten dieser Art stößt man noch anverschiedenen anderen Stellen in unseren Rekonstruktionen.

Es erscheint mir gegenwärtig als das Wahrscheinlichste, daßdiese kleine Unstimmigkeit dadurch verursacht wird, daß wir nurmit den zwei Schichten Sial und Sima gerechnet haben, während inWirklichkeit die Verhältnisse komplizierter liegen. Nehmen wir inÜbereinstimmung mit dem, was aus den neuestengeophysikalischen Untersuchungen immer deutlicherhervorzutreten scheint, statt dessen an, daß wir normalerweise bis30 km Tiefe die aus Granit bestehenden Kontinentalschollen und

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darunter bis 60 km Tiefe Basalt haben, und unter letzterer Tiefeein ultrabasisches Gestein (Dunit), so kommt man zu einerErklärung, die allen heute bekannten Tatsachen völlig befriedigendentspricht. Die Granittafeln der Kontinente sind wirklich zerrissen,wie es in der Verschiebungstheorie angenommen wird, abgesehenvon gewissen in der Tiefe geschmolzenen Teilen und von den beider Trennung erzeugten Randbrocken, die heute als Inseln diemittelatlantische Bodenschwelle krönen. War die basaltischeSchicht unter dem Granit wirklich, wie es angenommen ist,besonders fluid, so mußte sie bei der immer weiterfortschreitenden Öffnung der atlantischen Spalte in dieseremporquellen und im weiteren Verlauf ständig von beiden Seitenher nachfließen; sie wird also zunächst überall den Boden desOzeans gebildet haben und noch heute den größten Teil desselbenbilden. Bei immer weiter gehender Öffnung mußte aber schließlichdie Fließfähigkeit auch dieses Materials unzureichend werden undder darunterliegende Dunit fensterartig zutage treten (vgl. Abb.60). Im Nordmeer, wo die Trennung der Schollen noch nicht weitfortgeschritten ist, wird der Boden — abgesehen von Granitresten— ganz aus Basalt bestehen, der hier noch von bedeutenderMächtigkeit sein wird. In den großen Räumen des Pazifik dagegenwerden entsprechend große Dunitflächen entblößt sein, währenddie flacheren Teile auch hier noch die Basaltdecke tragen, diestellenweise sogar von Granitresten gekrönt sein dürfte.

Abb. 60.

Idealer Schnitt durch Kontinentscholle und Tiefseeboden.

Natürlich ist dies Bild noch ganz hypothetisch. Ich glaube aberan meiner ursprünglichen Annahme eines ziemlich unmittelbarenehemaligen Zusammenhanges der Kontinentalschollen nach derGesamtheit der geologischen, biologischen und paläoklimatischenArgumente festhalten zu müssen; die neuen geophysikalischen

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Abb. 61.

Untersuchungen widersprechen dem, wie gezeigt wurde,keineswegs, sondern sind umgekehrt, wie es scheint, geeignet, dieSchwierigkeit zu beseitigen, die in dem Umstand liegt, daßzwischen solchen, früher offenbar nach ihren Kanten unmittelbarzusammenhängenden Schollen heute unregelmäßigeBodenerhebungen von der Art der mittelatlantischen Schwelleliegen. Daß daneben gelegentlich auch noch dieKontinentalschollen selbst, wie Gutenberg will, sich durchFließbewegungen „ausgezogen“ haben können, soll keineswegsbestritten werden; wir haben an verschiedenen Stellen, wienamentlich beim Ägäischen Meer, von dieser VorstellungGebrauch gemacht. Doch dürfte das eigentliche Fließen auch hierauf die tieferen Schichten beschränkt sein, während dieOberflächenschichten durch Brüche zerstückelt werden.

Da gegenwärtig über die Frage, wieweit Basalt oder Dunit alsMaterial der Tiefseeböden in Frage kommt, noch keine Einigkeitunter den Geophysikern erzielt ist, wollen wir im folgenden derKürze halber wieder zu der bloßen Unterscheidung zwischen Sialund Sima zurückkehren.

Wenn das Simawirklich einzähflüssiger Körperist, so wäre esmerkwürdig, wennsich seine Fähigkeitzu strömen nur imAusweichen vor dentriftendenSialschollen äußerte,und nicht auchStrömungenselbständigerenCharakters aufträten.Die Karte gibt aneinigen Stellen durchdie Verzerrung früheranscheinendgeradliniger

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Oben: Madagaskar und Seychellen-Bank.Unten: Die Fidschi-Inseln.

(Tiefenlinien 200 und 2000 m; Tiefseerinnen punktiert.)

Inselketten eineunmittelbareAnschauung vonsolchen mehr lokalenStrömungen desSimas. In Abb. 61 sindzwei Beispiele dafürgegeben, nämlich dasder Seychellen unddas der Fidschi-Inseln. DerhalbmondförmigeSeychellenschelf, derdie einzelnen, ausGranit bestehendenInseln trägt, läßt sichweder Madagaskarnoch Vorderindienanpassen, derengeradlinige Konturenvielmehr aufeinstigenunmittelbarenZusammenhangdeuten. So liegt dieDeutung nahe, daß essich umgeschmolzene, vonder Unterseite der

Scholle aufgestiegene Sialmassen handelt, die dann von demSimastrom entführt wurden und in der Richtung auf Vorderindienbereits ein gut Stück Weges zurückgelegt haben. Dieser Simastrom,dem auch Madagaskar schon folgt, „läuft“ genau in der SpurVorderindiens, vielleicht durch dessen Verschiebung erzeugt,vielleicht auch umgekehrt letztere erzeugend, worauf dasAbbrechen Ceylons hindeutet. Die Bewegungen in Flüssigkeiten,auch in zähen, sind nur selten so einfacher Art, daß man Ursacheund Wirkung klar auseinanderhalten kann, und unsere Kenntnis

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dieser Dinge ist noch allzu lückenhaft. Es ist deshalb töricht, vonder Verschiebungstheorie zu verlangen, daß sie jede inErscheinung tretende relative Bewegung in ihr System eingliedernund erklären könne. Wir betrachten diese Dinge nur zurErläuterung von Fließerscheinungen im Sima, und diese letzterengehen besonders aus den zurückgebogenen Enden des Schelfshervor, welche zeigen, daß die Bewegung des Simastroms von derMittellinie Madagaskar—Vorderindien beiderseits abnimmt. Wirkönnen auch

Abb. 62.

Fünffach übertiefter Querschnitt durch die Yap-Rinne, nach G. Schott undP. Perlewitz.

(Oben gestrichelt die natürlichen Maßverhältnisse.)

sagen: der Strom läuft am stärksten im frisch entblößten Sima,während die älteren Tiefseeböden nordwestlich und südöstlichdavon sich langsamer bewegen. Die zweite Figur zeigt in derGruppe der Fidschi-Inseln eine Form, die an einen zweiarmigenSpiralnebel erinnert und auf eine spiralige Fließbewegungschließen läßt. Ihre Entstehung scheint mit derBewegungsänderung zusammenzuhängen, welche Australienerfuhr, als es seine letzte Verbindung mit Antartika zerriß undunter Zurücklassung der Girlande Neuseeland seine noch heuteerkennbare Bewegung nach Nordwesten begann. Vermutlichbildeten die Fidschi-Inseln vor diesem Zusammenrollen eineparallel neben dem Tongarücken liegende Kette, und beidezusammen eine äußere Girlande der Scholle Australien—Neuguinea, die, wie alle ostasiatischen Girlanden, außen an demalten Tiefseeboden hafteten und sich daher innen von derKontinentalscholle lösten; die innere Kette wurde beim Abzug derScholle wirbelartig zusammengestreift. Die neuen Hebriden und

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Salomoninseln dürften zwei weitere, gestaffelte Girlanden sein, dieunterwegs liegengeblieben sind[2]. Vom Bismarckarchipel ist dabeiNeupommern, wie früher erwähnt, an Neuguinea haftengebliebenund herumgeschleppt worden, während auf der anderen Seite dergroßen australischen Scholle das spiralige Umbiegen der beidensüdlichsten Ketten der Sundainseln eine ähnliche Wirbelströmungim Sima andeutet wie bei den Fidschi-Inseln.

Über die Natur der Tiefseerinnen[3] läßt sich wohl auf Grundder bisherigen Beobachtungen noch kein abschließendes Bildgewinnen. Sie sind, mit wenigen Ausnahmen von vielleicht andererEntstehung, stets den Außen- (konvexen) Seiten der Girlandenvorgelagert, wo diese an alten Tiefseeboden stoßen, während aufder Innenseite der Girlande, wo der neu entblößte Tiefseebodenfensterartig zutage liegt, niemals eine Rinne zu treffen ist. Esscheint also, als sei der alte Tiefseeboden infolge seiner tiefergehenden Abkühlung und Erhärtung allein dazu befähigt, Rinnenzu bilden. Vielleicht darf man sie als Randspalten auffassen, dereneine Seite vom Sial der Girlande, und deren andere vom Sima desTiefseebodens gebildet wird. Daran darf das in Abb. 62 dargestellte,in Wirklichkeit sehr flache Profil nicht irremachen, denn es istnatürlich durch die Schwere stark eingeebnet.

Abb. 63.

Verlauf der Schwerestörung zwischen den Philippinen und San Franzisko,nach Vening-Meinesz.

Skala links; punktierte Linie: nach Anbringung der isostatischen Reduktion, schraffiertMeeresboden, Tiefenskala rechts.

Bei der tiefen, rechtwinklig gebogenen Rinne südlich undsüdöstlich der Insel Neupommern beruht die Entstehungoffensichtlich auf dem gewaltsamen Fortzerren der Insel nachNordwesten infolge Anhaftens an Neuguinea; die tiefhinabreichende Inselscholle pflügt das Sima, welchesnachströmend das Loch noch nicht ganz gefüllt hat. Es ist dies

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vielleicht derjenige Fall, wo wir uns am genauesten Rechenschaftüber die Entstehung einer Tiefseerinne ablegen können.

Für die Atakamarinne westlich von Chile scheint sich dieMöglichkeit noch einer anderen Erklärung zu ergeben.Berücksichtigen wir nämlich, daß sich bei der Aufstauung diesesGebirges alle Schichten unterhalb des Tiefseeniveaus nach untenstauchen, so muß hierdurch auch der benachbarte Tiefseebodenmit hinabgezogen werden[4]. Dazu kommt noch ein weiterer Grundfür das Sinken des Kontinentalrandes, nämlich die Abschmelzungder nach unten gerichteten Gebirgsfaltung und die durch dieWestwanderung der Scholle bewirkte Entführung dergeschmolzenen Massen nach Osten, wo sie nach unserenAnnahmen teilweise in der Abrolhosbank auftauchen. Auchhierdurch muß der Kontinentalrand sinken und das benachbarteSima mit hinabschleppen.

Natürlich bedürfen diese Vorstellungen noch durchaus derPrüfung im einzelnen. Von großer Wichtigkeit hierfür sind dieErgebnisse der Schweremessungen. Bereits Hecker [198] hatteüber der Tongarinne ein starkes Schweredefizit, auf dembenachbarten Tongaplateau dagegen einen Schwereüberschußgefunden. Dies wurde neuerdings von Vening Meinesz [39] aneiner großen Zahl von Tiefseerinnen bestätigt. Wir geben hier ausseinen Veröffentlichungen das in Abb. 63 dargestellteSchwereprofil zwischen den Philippinen und San Franzisko wieder,in dem auch das Bodenprofil eingezeichnet ist. Hier wurden vierRinnen gekreuzt, und der Schwereverlauf war überall der gleiche:über der Rinne selbst ein Defizit, über der daneben gelegenenErhebung ein Überschuß. Diese Gesetzmäßigkeit scheint zu zeigen,daß in der Rinne der isostatische Ausgleich durch Nachströmen desSimas noch nicht erfolgt ist; die Anordnung läßt sich vielleichtdadurch erklären, daß die die Erhebung darstellende Scholle eineschiefe Lage besitzt (vgl. Abb. 52, S. 201). Doch sind weitereForschungen nötig, ehe man zu einem abschließenden Urteilgelangen kann.

1. ↑ Gutenberg hat unter der gleichen Annahme, daß nur die zweiMaterialien Sial und Sima in Betracht kommen, eine andereAnsicht geäußert und sie als „Fließtheorie“ der

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Verschiebungstheorie gegenübergestellt [196]. Er glaubt, „daßeine einzige Sialscholle auf dem Sima schwimmt, das nur imPazifischen Ozean zutage tritt“. Er rechnet also den Boden desAtlantik und Indik mit zur Kontinentalscholle und nimmt an,daß sich diese hier durch Fließen auf die Hälfte verflacht habe.Dies kann aber nicht richtig sein. Schon wenn wir dieWasserlast außer Betracht lassen, müßte die Tiefe des Atlantik(und Indik) dann nur halb so groß sein wie die des Pazifik, unddurch das Wasser müßte sich der Unterschied ausisostatischen Gründen noch vergrößern. Gutenbergs Ansichtwird also durch die morphologische Gleichartigkeit desGesamtozeanbodens und seinen Gegensatz zu denKontinentalschollen widerlegt; auch genügt eine Annäherungder Kontinente in den Rekonstruktionen bis auf die Hälfteihres heutigen Abstandes nicht den Forderungen der Geologie,Biologie und Paläoklimatologie, und schließlich bliebe dieauffallende Kongruenz der heutigen Schollenränder rätselhaft.Weiteres siehe oben.

2. ↑ Hedley kommt auch auf biologischem Wege zu demResultat, daß Neuguinea mit Neukaledonien, den NeuenHebriden und den Salomoninseln eine Einheit bildet.

3. ↑ Die Bezeichnung „Tiefseegraben“ ist weniger glücklich, da siedie Behauptung einschließt, daß es sich um Grabenbrücheähnlich denen der Kontinentalschollen handelt.

4. ↑ Der von Ampferer, A. Penck u. a. gemachte Einwand, bei derBewegung Amerikas nach Westen müßte sich vor demSchollenrand ein Simagebirge auftürmen, ist unzutreffend,wenn, wie wir annehmen müssen, alle Faltung sich unterWahrung der Isostasie vollzieht. Die ausweichende Bewegungdes Simas kann wegen seiner Schwere nicht nach oben gehen,sondern nur nach unten, und unterhalb derKontinentalscholle nach rückwärts, genau wie die Bewegungdes Wassers, wenn ein schwimmender Körper langsam durchdasselbe fortgezogen wird.

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Anhang.

Während des Druckes ist eine Bestätigung der im 3. Kapitelgeforderten Abstandsvergrößerung zwischen Nordamerika undEuropa erbracht worden, die wir dem Leser nicht vorenthaltenwollen. F. B. Littell und J. C. Hammond haben nämlich dieErgebnisse der im Oktober und November 1927 zwischenNordamerika und Europa ausgeführtenLängendifferenzenbestimmungen mitgeteilt, und dieselben mitden 1913/14 erhaltenen Messungen verglichen[1]

Der Längenunterschied Washington—Paris ergab sich 1927 zu5h 17m 36,665s ± 0,0019s,

dagegen 1913/145h 17m 36,653s ± 0,0031s,

5h 17m 36,651s ± 0,003s.Von den beiden Angaben für 1913/14 bezieht sich die erste auf

die Messungen der amerikanischen, die zweite auf die derfranzösischen Beobachter.

Aus dem Vergleich dieser Zahlen ergibt sich, daß derLängenunterschied Washington—Paris im Laufe von 13 bis 14Jahren um den Betrag von

0,013s ± etwa 0,003s,das ist in linearem Maß etwa um

4,35 m ± etwa 1,0 mgewachsen ist. Dies entspricht einer jährlichen Vergrößerung

des Abstandes um etwa0,32m ± etwa 0,08 m.

Sinn wie Betrag dieser Änderung stehen in besterÜbereinstimmung mit den im 3. Kapitel erläuterten Folgerungenaus der Verschiebungstheorie.

1. ↑ F. B. Littell and J. C. Hammond, World Longitude Operation.The Astronomical Journal 38, No. 908, S. 185, 14. Aug. 1928.

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[89]O. Wilckens, Die Geologie von Neuseeland. DieNaturwissenschaften 1920, Heft 41. Auch Geol. Rundsch. 8,143—161, 1917.

[90]

H. A. Brouwer, On the Crustal Movements in the region ofthe curving rows of Islands in the Eastern Part of the East-Indian Archipelago. Kon. Ak. v. Wetensch. te AmsterdamProceed. 22, Nr. 7 u. 8, 1916. Auch Geol. Rundsch. 8, Heft 5—8 1917 und Nachr. d. Ges. d. Wiss. z. Göttingen 1920.

|

[91] G. A. F. Molengraaff, The coral reef problem and isostasy.Kon. Akad. van Wetensch. 1916, S. 621 Anmerkung.

[92] L. van Vuuren, Het Gouvernement Celebes. Proeve eenerMonographie 1, 1920 (namentlich S. 6—50).

[93]

Wing Easton, Het onstaan van den maleischen Archipel,bezien in het licht van Wegener's hypothesen. Tijdschriftvan het Kon. Nederlandsch Aardrijkskundig Genootschap38, Nr. 4, Juli 1921, S. 484—512. Ferner: On someextensions of Wegener's Hypothesis and their bearing uponthe meaning of the terms Geosynclines and Isostasy. Verh.van het Geolog.-Mijnbouwkundig Genootschap voorNederland en Kolonien, Geolog. Ser., Deel V, Bl. 113—133,Juli 1921. [Hierin werden einige meines Erachtens wenigerglückliche Abänderungen der Verschiebungstheorievorgeschlagen.]G. L. Smit Sibinga, Wegener’s Theorie en het ontstaan vanden oostelijken O. J. Archipel. Tijdschr. van het Kon. Ned.

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Aardrijkskundig Genootschap, 2e Ser. dl. XLIV, 1927, Aufl.5.

[95] B. G. Escher, Over Oorzaak en Verband der inwendigegeologische Krachten. Leiden 1922.

[96] Wanner, Zur Tektonik der Molukken. Geol. Rundsch. 12,160, 1921.

[97]G. A. F. Molengraaff, De Geologie der Zeeen vanNederlandsch-Oost-Indie(Overgedrukt uit: De Zeeen vanNederlandsch-Oost-Indie. Leiden 1921).

[98]C. Gagel, Beiträge zur Geologie von Kaiser-Wilhelmsland.Beitr. z. geol. Erforsch, d. Deutsch. Schutzgebiete, Heft 4, 55S. Berlin 1912.

[99] K. Sapper, Zur Kenntnis Neu-Pommerns und des Kaiser-Wilhelmslandes. Peterm. Mitt. 56, 89—193, 1910.

[100]F. Kühn, Der sogenannte „Südantillen-Bogen“ und seineBeziehungen. Zeitschr. d. Ges. f. Erdkde, z. Berlin 1920, Nr.8/10, S. 249—262.

[101] F. B. Taylor, Greater Asia and Isostasy. Amer. Journ. ofScience XII, July 1926, S. 47—67.

[102] H. Jeffreys, The Earth: Its Origin, History and PhysicalConstitution. Cambridge University Press, 1924.

[103]

H. Cloos, Geologische Beobachtungen in Südafrika. IV.Granite des Tafellandes und ihre Raumbildung. NeuesJahrb. f. Min., Geol. u. Paläont., Beilage-Band XLII, S. 420—456.

[104]B. Gutenberg, Mechanik und Thermodynamik desErdkörpers, in Müller-Pouillet, Bd. V, 1 (Geophysik).Braunschweig 1928.

[105]C. A. Matley, The geology of the Cayman Islands (BritishWest Indies). Quart. Journ. Geol. Soc., vol. LXXXII, part 3,1926, p. 352—387.

[106] F. Hermann, Paléogéographie et genèse penniques. Eclogaegeclogicae Helvetiae, Vol. XIX, Nr. 3, 1925, S. 604—618.

[107] J. W. Evans, Regions of Tension. Proceed. Geolog. Soc.LXXXI, part 2, p. LXXX—CXXII. London 1925.Diener, Die Großformen der Erdoberflächen. Mitt. d. k. k.

272

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[108]Diener, Die Großformen der Erdoberflächen. Mitt. d. k. k.geol. Ges. Wien 58, 329—349, 1915. — Die marinen Reicheder Triasperiode. Denkschr. d. Akad. d. Wiss. Wien, math.-naturw. Kl. 1915.

[109] Jaworski, Das Alter des südatlantischen Beckens. Geol.Rundsch. 1921, S. 60—74.

|

[110]A. Penck, Wegeners Hypothese der kontinentalenVerschiebungen. Zeitschr. d. Ges. f. Erdkde. z. Berlin 1921,S. 110—120.

[111] W. Penck, Zur Hypothese der Kontinentalverschiebung.Zeitschr. d. Ges. f. Erdkde. z. Berlin 1921, S. 130—143.

[112]

H. A. Brouwer, On the Non-existence of ActiveVolcanoesbetween Pantar and Dammer (East Indianarchipelago), in Connection with the Tectonic Movementsin this Region. Kon. Ak. van Wetensch. te AmsterdamProceed. 21, Nr. 6 u. 7, 1917.

[113]H. S. Washington, Comagmatic regions and the Wegenerhypothesis. Journ. of the Washington Acad. of Sciences,Vol. 13, Sept. 1923, p. 339—347.

[114]F. Nölke, Physikalische Bedenken gegen A. WegenersHypothese der Entstehung der Kontinente und Ozeane.Peterm. Mitt. 1922, S. 114.

[115] Stromer, Geogr. Zeitschr. 1920, S. 287ff.

[116]

F. Ökland, Einige Argumente aus der Verbreitung dernordeuropäischen Fauna mit Bezug auf WegenersVerschiebungstheorie. Nyt Mag. f. Naturv. 65, 339—363,1927.

[117]L. v. Ubisch, Wegeners Kontinentalverschiebungstheorieund die Tiergeographie. Verh. d. Physikal.-Med. Ges. z.Würzburg 1921.

[118]G. Colosi, La teoria della traslazione dei continenti e ledottrine biogeografiche. L’Universo 6, Nr. 3. Marzo 1925.(Hierin auch weitere biogeographische Literaturangaben.)

[119] W. R. Eckhard, Die Beziehungen der afrikanischen Tierweltzur südasiatischen. Nat. Wochenschr. 1922, Nr. 51.

273

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[120]H. Osterwald, Das Problem der Aalwanderungen im Lichteder Wegenerschen Verschiebungstheorie. Umschau 1928, S.127 — 128.

[121] A. Wegener, Die geophysikalischen Grundlagen der Theorieder Kontinentenverschiebung. Scientia, Februar 1927.

[122] H. v. Ihering, Die Geschichte des Atlantischen Ozeans. Jena1927.

[123]

L. F. de Beaufort, De beteekenis van de theorie vanWegener voor de zoögeografie. Handelingen van het XXeNed. Natuuren Geneeskundig Congress, 14./16. April 1925,Groningen.

[124] H. Hergesell, Die Abkühlung der Erde und diegebirgsbildenden Kräfte. Beitr. z. Geophys. 2, 153, 1895.

[125]Semper, Das paläothermale Problem, speziell dieklimatischen Verhältnisse des Eozäns in Europa und denPolargebieten. Zeitschr. Deutsch. Geol. Ges. 48, 261 f., 1896.

[126] Schröter, Artikel „Geographie der Pflanzen“ imHandwörterbuch der Naturwissenschaften.

[127] W. Köppen, Das Klima Patagoniens im Tertiär und Quartär.Gerlands Beitr. z. Geophys. 17, 3, 391—394, 1927.

[128]

A. Wegener, Bemerkungen zu H. v. Iherings Kritik derTheorien der Kontinentverschiebungen und derPolwanderungen. Zeitschr. f. Geophys. 4, Heft l, S. 46—48,1928.

[129] R. v. Klebelsberg, Die marine Fauna der Ostrauer Schichten.Jahrb. d. k. k. Geol. Reichsanstalt 62, 461—556, 1912.

[130]J. Huus, Über die Ausbreitungshindernisse derMeerestiefen und die geographische Verbreitung derAscidien. Nyt Mae. f. Naturv. 65, 1927.

[131]

Scharff, Über die Beweisgründe für eine frühereLandbrücke zwischen Nordeuropa und Nordamerika (Proc.of the Royal Irish Ac. 28, l, 1—28, 1909; nach dem Referatvon Arldt, Naturw. Rundsch. 1910).

|

W. Petersen, Eupithecia fenestrata Mill, als Zeuge einer

274

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[132] tertiären Landverbindung von Nord-Amerika mit Europa.Beitr. z. Kunde Estlands 9, 4—5, 1922.

[133] H. Hoffmann, Moderne Probleme der Tiergeographie. DieNaturwissenschaften 13, 77—83, 1925.

[134]L. v. Ubisch, Stimmen die Ergebnisse der Aalforschung mitWegeners Theorie der Kontinentalverschiebung überein?Die Naturwissenschaften 12, 345—348, 1924.

[135] T. Arldt, Südatlantische Beziehungen. Peterm. Mitt. 62, 41—46, 1916.

[136] A. Handlirsch, Beiträge zur exakten Biologie. Sitz.-Ber. d.Wiener Ak. d. Wiss., math.-naturw. Kl. 122, 1, 1913.

[137]B. Kubart, Bemerkungen zu Alfred WegenersVerschiebungstheorie. Arb. d. phytopaläont. Lab. d. Univ.Graz II, 1926.

[138]B. Sahni, The Southern Fossil Floras: a Study in the Plant-Geography of the Past. Proc. of the 13. Indian ScienceCongress 1926.

[139] Wallace, Die geographische Verbreitung der Tiere, deutschvon Meyer, 2 Bde. Dresden 1876.

[140]E. Bresslau, Artikel Plathelminthes im Handwörterbuch d.Naturw. 7, 993. — Auch Zschokke, Zentralbl. Bakt. Paras. I,S.36, 1904.

[141] P. Marshall, New Zealand. Handb. d. regional. Geol. VII, 1,1911.

[142]H. V. Bröndsted, Sponges from New Zealand. Papers fromDr. Th. Mortensen’s Pacific Expedition 1914/16. Vidensk.Medd. fra Dansk naturh. Foren 77, 435-483; 81, 295—331.

[143] E. Meyrick, Wegeners Hypothesis and the distribution ofMicro-Lepidoptera. Nature, S. 834—835. London 1925.

[144]Simroth, Über das Problem früheren Landzusammenhangsauf der südlichen Erdhälfte. Geogr. Zeitschr. 7, 665—676,1901.

[145] Andrée, Das Problem der Permanenz der Ozeane undKontinente. Peterm. Mitt. 63, 348, 1917.

[146] Th. Arldt, Die Frage der Permanenz der Kontinente undOzeane. Geogr. Anzeiger 19, 2—12, 1918.

275

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[147]A. Griesebach, Die Vegetation der Erde nach ihrerklimatischen Anordnung. Ein Abriß der vergleichendenGeographie der Pflanzen 2, 528 u. 632. Leipzig 1872.

[148] O. Drude, Handbuch der Pflanzengeographie. S. 487.Stuttgart 1890.

[149] L. v. Ubisch, Hermann v. Iherings „Geschichte desAtlantischen Ozeans“. Peterm. Mitt. 1927, S. 206—207.

[150]

E. Irmscher, Pflanzenverbreitung und Entwicklung derKontinente. Studien zur genetischen Pflanzengeographie.Mitt. aus d. Inst. f. allgem. Botanik in Hamburg 5, 15—235,1922.

[151] W. Köppen und A. Wegener, Die Klimate der geologischenVorzeit. 256 S. Berlin 1924.

[152]W. Studt, Die heutige und frühere Verbreitung derKoniferen und die Geschichte ihrer Arealgestaltung. Diss.Hamburg 1926.}

[153]F. Koch, Über die rezente und fossile Verbreitung derKoniferen im Lichte neuerer geologischer Theorien. Mitt. d.Deutschen Dendrologischen Gesellschaft, Nr. 34, 1924.

[154]

W. Michaelsen, Die Verbreitung der Oligochäten im Lichteder Wegenerschen Theorie der Kontinentenverschiebungund andere Fragen zur Stammesgeschichte und Verbreitungdieser Tiergruppe. Verh. d. naturw. Ver. zu Hamburg imJahre 1921, 37 S. Hamburg 1922.

|

[155]

N. Svedelius, On the discontinuous geographicalDistribution of some tropical and subtropical Marine Algae.Arkiv för Botanik, utg. av K. Svenska Vetensk. Ak. 19, Nr. 3,1924.

[156] W. Köppen, Die Klimate der Erde. Grundriß derKlimakunde. Berlin und Leipzig 1923.

[157] V. Paschinger, Die Schneegrenze in verschiedenenKlimaten. Peterm. Mitt. 1912, Erg.-Heft 173.

[158] W. Köppen, Die Lufttemperatur an der Schneegrenze.Peterm. Mitt. [Separat, ohne Jahreszahl.]

276

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[159]Th. Arldt, Die Ursachen der Klimaschwankungen derVorzeit, besonders der Eiszeiten. Zeitschr. f.Gletscherkunde 11, 1918.

[160] Rollin T. Chamberlin, Objections to Wegeners Theory,1928; in [228].

[161]

P. Reibisch, Ein Gestaltungsprinzip der Erde; 27.Jahresbericht d. Ver. Erdkunde zu Dresden 1901, S. 105—124. — Zweiter Teil [enthält nur unwesentlicheErgänzungen), Mitt. Ver. Erdk. Dresden 1, 39—53, 1905. —III. Die Eiszeiten. Ebenda 6, 58—75, 1907.

[162] H. Simroth, Die Pendulationstheorie. Leipzig 1907.

[163] Ch. Schuchert, The hypothesis of continental displacement,1928; in [228].

[164] E. Jacobitti, Mobilità dell’ Assa Terrestre, Studio Geologico.Torino 1912.

[165]G. A. F. Molengraaff, The Glacial Origin of the DwykaConglomerate. Trans, of the Geol. Soc. of South Africa 4,103—115, 1898.

[166] A. du Toit, The Carboniferous Glaciation of South Africa.Ebenda 24, 188—227, 1921.

[167] Koken, Indisches Perm und die permische Eiszeit. Festbandd. N. Jahrb. f. Min. 1907.

[168]R. W. Sayles, The Squairtum Tillite. Bull, of the Museum ofComparative Zoölogy at Harvard College 56, Nr. 2 (Geol.Series, Vol. 10). Cambridge 1914.

[169]

H. Potonié, Die Tropensumpfflachmoornatur der Moore desproduktiven Karbons. Jahrb. d. Kgl. Preuß. Geol.Landesanstalt 30, Teil I, Heft 3 Berlin 1909. — DieEntstehung der Steinkohle, 5. Aufl., S. 164. Berlin 1910.

[170] Rudzki, L’age de la terre. Scientia 13, Nr. XXVIII, 2, S. 161-173, 1913.

[171] E. Dacqué, Abschnitt „Paläogeographie“ in Enzyklopädie derErdkunde, herausgeg. v. Kende. Leipzig u. Wien 1926.

[172]Danmark-Ekspeditionen til Grönlands Nordöstkyst1906/08 under Ledelsen af L. Mylius-Erichsen 6(Meddelelser om Grönland 46). Köbenhavn 1917.

277

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[173]F. Burmeister, Die Verschiebung Grönlands nach denastronomischen Längenbestimmungen. Peterm. Mitt. 1921,S. 225—227.

[174]P. F. Jensen, Ekspeditionen til Vestgrönland Sommeren1922. Meddelelser om Grönland LXIII, S. 205—283.Köbenhavn 1923.

[175]

A. Wegener, Ekspeditionen til Vestgrönland Sommeren1922 (P. F. Jensen, Medd. om Grönland LXIII, S. 205—283,Köbenhavn 1923). Die Naturwissenschaften 1923, S. 982—983.

[176]E. Stück, Breiten-und Längenbestimmungen inWestgrönland im Sommer 1922. Annal. d. Hydrographieusw. 1923, S. 290—292.

|

[177] Galle, Entfernen sich Europa und Nordamerikavoneinander? Deutsche Revue, Februar 1916.

[178]Jahresber. d. preuß. Geodät. Inst, in Vierteljahrsschr. d.Astron. Ges. 51, 139, sowie Astronomical Journal Nr.673/674.

[179]B. Wanach, Ein Beitrag zur Frage derKontinentalverschiebung. Zeitschr. f. Geophysik 2, 161—163, 1926.

[180]

P. Poisson, L’Observatoire de Tananarive. Paris 1924. — P.E. Colin, Comptes Rendus, 5. Mars 1894, S. 512. — FernerLa Géographie 45, 354—355, 1926, wo auch die Positionenangegeben sind.

[181] Günther, Lehrb. d. Geophys. 1, 278. Stuttgart 1897.

[182]W. D. Lambert, The Latitude of Ukiah and the Motion ofthe Pole. Journ. of the Washington Ac. of Sc. 12, Nr. 2, 19.Jan. 1922.

[183] Neumayr-Uhlig, Erdgeschichte 1, Allgem. Geol., 2. Aufl., S.367. Leipzig und Wien 1897.

[184]E. Kohlschütter, Über den Bau der Erdkruste in Deutsch-Ostafrika. Nachr. d. Kgl. Ges. d. Wiss. Göttingen, Math.-Phys. Kl-, 1911.

278

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[185] J. W. Gregory, The Nature and origin of Fjords. 542 S.London 1913.

[186]

F. v. Richthofen, Über Gebirgskettungen in Ostasien.Geomorphologische Studien aus Ostasien 4; Sitz.-Ber. d.Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin, Phys.-Math. Kl. 40, 867—891, 1903.

[187]

E. Wittich, Über Meeresschwankungen an der Küste vonKalifornien. Zeitschr. d. Deutschen Geol. Ges. 64, 1912,Monatsbericht Nr. 11, S. 505—512. — La Emersion modernade la costa Occidental de la Baja Californica. Mém. de laSociété „Alzate“ 35, 121—144, Mexiko 1920.

[188] Tams, Die Entstehung des kalifornischen Erdbebens vom18. April 1906. Peterm. Mitt. 64, 77, 1918.

[189]A.C. Lawson, The Mobility of the Coast Ranges ofCalifornia. Univ. of California Publ. Geology 12, Nr. 7, S. 431—473, 1921.

[190] O. Meissner, Isostasie und Küstentypus. Peterm. Mitt. 64,221, 1918.

[191] W. v. Lozinski, Vulkanismus und Ztisammenschub. Geol.Rundsch. 9, 65—98, 1918.

[192]Steinmann, Die kambrische Fauna im Rahmen derorganischen Gesamtentwicklung. Geol. Rundsch. 1, 69,1910.

[193] Gothan, Neues von den ältesten Landpflanzen. DieNaturwissenschaften 9, 553, 1921.

[194]J. Walther, Über Entstehung und Besiedelung derTiefseebecken. Naturwiss. Wochenschr., N. F. 3. Bd., Heft46.

[195]S. Fujiwhara, On the Echelon Structure of JapaneseVolcanic Ranges and its Significance from the Vertical Pointof View. Gerlands Beitr. z. Geophys. XVI, Heft 1/2, 1927.

[196]B. Gutenberg, Die Veränderungen der Erdkruste durchFließbewegungen der Kontinentalscholle. Gerlands Beitr. z.Geophys. 16, 239—247, 1927; 18, 225—246, 1927.

[197] A. Wegener, Der Boden des Atlantischen Ozeans. GerlandsBeitr. z. Geophys. 17, Heft 3, 1927, S. 311—321.

279

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[198]O. Hecker, Bestimmung der Schwerkraft auf dem Indischenund Großen Ozean und an den Küsten. Zentralbureau d.Internat. Erdmess., N. F. Nr. 16. Berlin 1908.

[199] Eötvös, Verh. d. 17. Allg. Konf. d. Internat. Erdmessung, I.Teil, 1913, S. 111.

|

[200]

W. Köppen, Ursachen und Wirkungen derKontinentenverschiebungen und Polwanderungen. Peterm.Mitt. 1921, S. 145—149 und 191—194. Siehe besonders S.149. — Über Änderungen der geographischen Breiten unddes Klimas in geologischer Zeit. Geografiska Annaler 1920,S. 235—299. — Zur Paläoklimatologie. Meteorol. Zeitschr.1921, S. 97—101 (hier mit anderer Figur). — Über die Kräfte,welche die Kontinentenverschiebungen undPolwanderungen bewirken. Geol. Rundsch. 12, 314—320,1922.

[201] P. S. Epstein, Über die Polflucht der Kontinente. DieNaturwissenschaften 9, Heft 25, S. 499—502.

[202]W. D. Lambert, Some Mechanical Curiosities connectedwith the Earth’s Field of Force. The Amer. of Journ, ofScience, Vol. II, Sept. 1921, p. 129—158.

[203]

R. Berner, Sur la grandeur de la force qui tendrait àrapprocher un continent de l’équateur. Thàse prés. à laFaculté des sciences de l’université de Genéve. Genàve1925.

[204]R. Wavre, Sur la force qui tendrait à rapprocher uncontinent de l’équateur. Archives des Sciences physiques etnaturelles. Août 1925.

[205] M. Möller, Kraftarten und Bewegungsformen.Braunschweig 1922.

[206]

U. P. Lely, Een Proef die de Krachten demonstreert, welkede Continentendrift kan veroorzaken. „Physica“,Nederlandsch Tijdschrift voor Natuurkunde, 7e Jaargang,blz. 278—281, 1927.

[207] St. Meyer und E. Schweydler, Radioaktivität, 2. Aufl., S.558ff. Leipzig 1927.

280

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[208] B. Wanach, Eine fortschreitende Lagenänderung derErdachse. Zeitschr. f. Geophys. 3, Heft 2/3, S. 102—105.

[209]Noch nicht veröffentlicht. Briefliche Mitteilung vonOberstleutnant Jensen mit Genehmigung von ProfessorNörlund.

[210]W. A. J. M. van Waterschoot van der Gracht, Remarksregarding the papers offered by the other contributors tothe Symposion, 1928; in [228].

[211]

Schiaparelli, De la rotation de la terre sous l’influence desactions géologiques (Mém. pres. à l’observatoire dePoulkova à l’occasion de sa fête semiséculaire). 32 S. St.Pétersbourg 1889.

[212] Sir W. Thompson, Report of Section of Mathematics andPhysics, p. 11. Report of British Association 1876.

[213]G. Ferrié, L’opération des longitudes mondiales(octobre/novembre 1926). Comptes Rendus de l'académiedes Sciences 186. Paris, 5. Mars 1928.

[214] R. Staub, Das Bewegungsproblem in der modernenGeologie. Antrittsvorlesung, Zürich 1928.

[215] R. Staub, Der Bewegungsmechanismus der Erde. Berlin1928.

[216]

M. Sluys, Les périodes glaciaires dans le Bassin Congolais.Compte Rendu du Congrés de Bordeaux 1923 del’Association Française pour l’Avancement du Sciences, 30.Juillet 1923.

[217] A. Wegener, Two Notes concerning my Theory ofContinental Drift, 1928; in [228].

[218]W. Köppen, Muß man neben der Kontinentenverschiebungnoch eine Polwanderung in der Erdgeschichte annehmen?Peterm. geogr. Mitt. 1925, S. 160—162.

[219]W. Heiskanen, Die Erddimensionen nach den europäischenGradmessungen. Veröff. d. Finn. Geodät. Inst, Nr. 6.Helsinki 1926.

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R. Schumann, Über Erdschollen-Bewegung und

281

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[220] PolhöhenSchwankung. Astr. Nachr. 227, Nr. 5442, S. 289—304, 1926.

[221]W. D. Lambert, The Variation of Latitude. Bull, of theNational Research Council 10, Part 3, Nr. 53, p. 43—45.Washington 1925.

[222]

F. Nansen, The Earth’s Crust, its Surface-Forms, andIsostatic Adjustment. Avhandl. utgitt av Det NorskeVidenskaps-Akademi i Oslo, I. Mat.-Naturv. Klasse 1927,Nr. 12, 121 S. Oslo 1928.

[223]P. Byerly, The Montana Earthquake of June 28, 1925, G. M.C. T. The Bull, of the Seismological Society of America 16,Nr. 4, Dec. 1926.

[224] W. Bowie, Isostasie. 275 S. New York 1927.

[225]

W. A. Jaschnov, Crustacea von Nowaja Zemlja.Sonderdruck aus den Berichten des WissenschaftlichenMeeresinstituts, Lief. 12 Moskau 1925 (russisch, mitdeutscher Zusammenfassung).

[226] C. Diener, Grundzüge der Biostratigraphie. Leipzig u. Wien1925.

[227]L. von Ubisch, Tiergeographie undKontinentalverschiebung. Zeitschr. f. induktiveAbstammungs-und Vererbungslehre 47, 159—179, 1928.

[228]

Theory of Continental Drift, a Symposium on the originand movement of land masses both inter-continental andintracontinental, as proposed by Alfred Wegener, by W. A.J. M. van Waterschoot van der Gracht, Bailey Willis, RollinT. Chamberlin, John Joly, G. A. F. Molengraaff, J.W.Gregory, Alfred Wegener, Charles Schuchert, ehester R.Longwell, Frank Bursley Taylor, William Bowie, DavidWhite, Joseph T. Singewald, Jr., and Edward W. Berry.Publ. by the American Association of Petroleum Geologists240 S. London 1928.

[229]E. Brennecke, Die Aufgaben und Arbeiten des Geodät. Inst.m Potsdam in der Zeit nach dem Weltkriege. Zeitschr f.Vermess.-Wesen 1927, Heft 23 u. 24.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort. 8Geschichtliche Vorbemerkungen. 11Das Wesen der Verschiebungstheorie und ihr Verhältnis zu denbisher herrschenden Vorstellungen über die Änderungen derErdoberfläche in geologischen Zeiten.

15

Geodätische Argumente. 35Geophysikalische Argumente. 50Geologische Argumente. 82Paläontologische und biologische Argumente. 126Paläoklimatische Argumente. 155Grundsätzliches über Kontinentverschiebungen undPolwanderungen. 184

Die verschiebenden Kräfte. 207Ergänzende Bemerkungen über die Sialsphäre. 222Ergänzende Bemerkungen über die Tiefseeböden. 252Anhang. 264Literatur. 265

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