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Die Erprobung eines Streitschlichterangebotes an der Bürgermeister-Grimm-Schule unter besonderer Berücksichtigung der Unterschiede zu Regelschulkonzepten Pädagogische Prüfungsarbeit zur Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen im Lande Hessen Eingereicht dem Studienseminar für Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen in Frankfurt am Main Vorgelegt von der Lehramtsreferendarin: Anke Bunke, Bürgermeister-Grimm-Schule, Frankfurt

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Die Erprobung eines Streitschlichterangebotes an der Bürgermeister-Grimm-Schule

unter besonderer Berücksichtigung der Unterschiede zu

Regelschulkonzepten

Pädagogische Prüfungsarbeit zur Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen im Lande Hessen

Eingereicht dem Studienseminar für Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen

in Frankfurt am Main Vorgelegt von der Lehramtsreferendarin:

Anke Bunke, Bürgermeister-Grimm-Schule, Frankfurt

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG ........................................................................................................ 1 1.1 THEMENAUFRISS ............................................................................................... 1 1.2 EINGRENZUNG DES THEMAS.............................................................................. 1

2 KONFLIKTE UND MEDIATION....................................................................... 3 2.1 UNSER SCHULHOF IM HINBLICK AUF DIE DEFINITION DES KONFLIKTS ............. 3 2.2 KONSTRUKTIVE KONFLIKTLÖSUNG UND MEDIATION – TECHNIK ODER

EINSTELLUNG? .................................................................................................. 4 2.2.1 Meine theoretischen Grundlagen _________________________ 4 2.2.2 Das Konzept der Mediation im Bereich der Schule ___________ 6 2.2.3 Mediation ist mehr, als der Streitschlichterraum _____________ 8 2.2.4 Ablauf der Mediation _________________________________ 10

2.2.4.1 Prinzip der Freiwilligkeit ....................................................................10 2.2.4.2 Regeln und Struktur der Mediation.....................................................10 2.2.4.3 Darstellung der Konflikte....................................................................11 2.2.4.4 Rolle des Mediators ............................................................................11 2.2.4.5 Zeitpunkt der Mediation......................................................................11 2.2.4.6 Dauer der Mediation ...........................................................................11 2.2.4.7 Art der Konflikte .................................................................................11 2.2.4.8 Alternative Handlungsmöglichkeiten und Lösungen..........................12

3 PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN....................................................................... 14 3.1 PLANUNG DER ERPROBUNG............................................................................... 14

3.1.1 Die Information des Kollegiums_________________________ 14 3.1.2 Die Unterstützung durch Kollegen _______________________ 14 3.1.3 Die Einrichtung des Raumes: ___________________________ 15 3.1.4 Die Zeiten __________________________________________ 15

3.2 EINFÜHRUNG DER MEDIATION .......................................................................... 16 3.2.1 Die Information der Schüler ____________________________ 16 3.2.2 Ablauf und Organisation der Streitschlichtung______________ 17

3.3 DIE ERPROBUNGSPHASE.................................................................................... 18 3.3.1 Dokumentation ______________________________________ 18 3.3.2 Beobachtungen in der Erprobungsphase___________________ 18

3.3.2.1 Prinzip der Freiwilligkeit ....................................................................19 3.3.2.2 Regeln und Struktur der Mediation.....................................................20 3.3.2.3 Darstellung der Konflikte....................................................................21 3.3.2.4 Rolle des Mediators ............................................................................23 3.3.2.5 Zeitpunkt der Mediation......................................................................24 3.3.2.6 Dauer der Mediation ...........................................................................24 3.3.2.7 Art der Konflikte .................................................................................25 3.3.2.8 Alternative Handlungsmöglichkeiten und Lösungen..........................26 3.3.2.9 Medieneinsatz .....................................................................................27

3.3.3 Die Reaktionen des Kollegiums _________________________ 27 3.3.4 Resonanz seitens der Schüler ___________________________ 29

4 BEURTEILUNG DER ERPROBUNGSPHASE ZUR MEDIATION IN DER BÜRGERMEISTER-GRIMM-SCHULE............................................................ 29 4.1 BEDINGUNGEN FÜR SCHULEN FÜR LERNHILFE- EIN VERGLEICH MEINER

BEOBACHTUNGEN MIT ERFAHRUNGEN DER FRIEDRICH –FRÖBEL-SCHULE –EINER SCHULE FÜR LERNHILFE.................................................................................... 29

INHALTSVERZEICHNIS

4.2 FRAGESTELLUNGEN, DIE SICH AUS DER ERPROBUNGSPHASE FÜR DIE INITIATIVPHASE ZUR MEDIATION IN DER BÜRGERMEISTER-GRIMM-SCHULE ERGEBEN ........................................................................................................... 30

4.3 ZUSAMMENFASSUNG DES THEORETISCHEN TEILS ............................................. 31

5 KONSEQUENZEN AUS DEN BEOBACHTUNGEN ....................................... 32 5.1 NOTWENDIGE VERÄNDERUNGEN FÜR EIN MEDIATIONSKONZEPT...................... 32

5.1.1 Prinzip der Freiwilligkeit ______________________________ 32 5.1.2 Regeln und Struktur der Mediation_______________________ 32 5.1.3 Darstellung der Konflikte ______________________________ 33 5.1.4 Rolle des Mediators __________________________________ 33 5.1.5 Zeitpunkt der Mediation _______________________________ 33 5.1.6 Dauer der Mediation __________________________________ 34 5.1.7 Art der Konflikte_____________________________________ 34 5.1.8 Alternative Handlungsmöglichkeiten und Lösungen _________ 35 5.1.9 Medieneinsatz _______________________________________ 35

5.2 ERGÄNZENDE MODIFIKATIONEN....................................................................... 36 5.3 AUSBLICKE UND MÖGLICHE ENTWICKLUNGEN ................................................. 36

5.3.1 Entwicklungen in der Schule ___________________________ 36 5.3.2 Entwicklungen außerhalb der Schule _____________________ 37

5.4 ZUSAMMENFASSUNG DES PRAKTISCHEN TEILS.................................................. 37

6 SCHLUSSBEMERKUNGEN ............................................................................... 39

LITERATURVERZEICHNIS.................................................................................. 42

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis a.d.E aus der Erinnerung

BGS Bürgermeister-Grimm-Schule

HELP Hessische Landesinstitut für Pädagogik

i.o. im Original

i.S. im Sinne

KL Klassenlehrer

LH Lernhilfe

M Mediator

o.J. Literatur ohne Angabe des Erscheinungsjahres

o.S. Literatur ohne Angabe der Seitenzahl bei Zitaten aus Quellentexten, die dem Internet entnommen

wurden und daher keine Seitennummerierung beinhalten

o.V. Literatur ohne Angabe des Verfassers

SCH Schüler

SV Schülervertretung

u.U. unter Umständen

WPU Wahlpflicht- Unterricht

1. EINLEITUNG

1

1 EINLEITUNG Ein Zaubermittel gegen die wachsen Aggressivität an unseren Schulen gibt es nicht.“ (WALKER, 1995, 121)

1.1 THEMENAUFRISS Mediation und Streitschlichtung - Das sind Themen, die mich während meines

Studiums bereits interessiert und beschäftigt haben. Ein Ansatz, bei dem Konflikte

grundsätzlich nicht als Störfaktoren für den Schulalltag gewertet werden und die es

nicht möglichst schnell zu beenden oder wenn möglich, sogar ganz zu unterbinden gilt,

sondern indem Konflikte viel mehr als normal und Ausgangspunkt für soziales Lernen

gesehen werden, halte ich für ein vielversprechendes Konzept.

In meiner Referendariatszeit an der Bürgermeister-Grimm-Schule begegne ich täglich

kleinen und größeren Konflikten und verfolge, wie sie in vielen Fällen in verbalen oder

körperlichen Gewaltanwendungen enden. In der konkreten Situation jedoch (z.B.

Unterricht soll stattfinden, Schüler1 wollen auf dem Schulhof in Ruhe spielen, usw.)

fällt es mir sehr schwer diesen positiven Konfliktbegriff auch tatsächlich im Alltag der

Schule umzusetzen. Aus meiner Unzufriedenheit, dass ich in diesen Momenten häufig,

ebenso wie Kollegen, eher bestrafende und sanktionierende Maßnahmen ergreife, wenn

-„eben mal wieder schnell“- ein Konflikt geregelt werden muss, entstand meine Idee,

ein Angebot zur Streitschlichtung für Schüler unserer Schule zu schaffen, dem dieser

positive Konfliktbegriff zu Grunde liegt. Von der Einrichtung von Schulmediation

erhoffe ich mir für die Schüler unserer Schule, die oftmals in ihrem Umfeld und zu

Hause keine Alternativen zum Umgang mit Konflikten, als das Anwenden von

sprachlicher oder körperlicher Gewalt gelernt haben, eine Möglichkeit zur positiven und

konstruktiven Auseinandersetzung mit ihrem Streit.2

1.2 EINGRENZUNG DES THEMAS Mediation3 in der Schule ist aktuell in Veröffentlichungen4, Fortbildungen und auch in

den Studienseminaren ein populäres Thema. Entsprechend existieren in diesen Bereich

1 Der Einfachheit halber wird in der vorliegenden Arbeit, abgesehen von Zitaten, bei Berufsbezeichnungen und der Beschreibung von Personengruppen die maskuline Form verwendet. 2 Anstelle eines Versuches die Schüler unserer Schule zu beschreiben, verweise ich auf die Definition von Schülern mit Lernbehinderungen in: LAUTH, G.W., 2000, 21-28. 3 In der vorliegenden Arbeit verwende ich die Begriffe Mediation, Streitschlichtung und konstruktive Konfliktlösung synonym. Ich habe mich dafür entschieden, dass alle Konzepte, die unter diesen unterschiedlichen Bezeichnungen in Veröffentlichungen beschrieben werden von den selben Grundprinzipen (Vgl. Punkt 2.2.2) und ähnlichen schematischen Abläufen bei der Gesprächsführung ausgehen. Vgl. auch: DURDEL, A., 2003, 9. 4z.B.: PÄDAGOGIK, 1/2003 widmet diesem Thema eine Ausgabe, im Internet findet man bei Eingabe „Mediation und Schule“ bei der Suchmaschine GOOGLE (www.google.de) Hinweise auf ca. 14000 Artikel, Erfahrungsberichte und Informationen, Mediationszentren oder –ausbildungsstätten schießen nach Aussage von FABRIZIUS (Fortbildung 21./22.03.2003 in Naurod ) „wie Pilze aus dem Boden“ und in der Tagespresse erscheinen regelmäßig Artikel zu dieser Thematik, z.B.: FRANKFURTER RUNDSCHAU, 02.04 2003, S.30: „Blumenstrauß statt Urteilsspruch“.

1. EINLEITUNG

2

unterschiedliche Ansichten, Ansätze und Umsetzungen in die Praxis5. Ich werde im

Folgenden die Erprobung eines Modells für Mediation, i.S. eines

Streitschlichtungsangebotes an der Bürgermeister-Grimm-Schule beschreiben. Dazu

werde ich die für meine Arbeit grundlegende Literatur dieses individuellen Projektes

darstellen, im Bewusstsein, dass ich dabei andere Konzepte vernachlässige oder aber

bewusst für unsere Schule nicht ausgewählt habe (Vgl. Punkt 2.2.1). Ausgehend von

dieser theoretischen Basis, die der erste Teil dieser Arbeit beinhaltet, beschreibe ich

mein Projekt zur Erprobung eines Streitschlichterangebotes für Schüler der

Bürgermeister-Grimm-Schule. Dabei setze ich den besonderen Schwerpunkt auf die

Betrachtung der Besonderheiten, Brüche und Unterschiede von Mediation in einer

Schule für Lernhilfe gegenüber theoretischen Konzepten und Erfahrungsberichten für

und aus Regelschulen. Die Bewertung meiner Beobachtungen stelle ich dabei im

Vergleich zu Erfahrungen einer Lernhilfeschule in Neu-Isenburg, die Pausenmediation

bereits seit einem Jahr durchführt und am Projekt „Mediation und Schulprogramm“6 des

HELPs teilnimmt, dar. Eventuelle Übereinstimmungen könnten dabei Hinweise auf

allgemeingültige Besonderheiten für Streitschlichterangebote in Schulen für Lernhilfe

geben.

Hinzufügen möchte ich noch, dass die Erprobungsphase in der Bürgermeister-Grimm-

Schule beim Vorliegen der Arbeit noch nicht abgeschlossen sein wird. Aber schon zu

diesem Zeitpunkt - nach vier Monaten der Erprobung - zeichnen sich bestimmte,

wiederkehrende Auffälligkeiten ab, die sich meiner Einschätzung nach in den letzten

zwei Monaten der Erprobung noch weiter bestätigen werden.

Nicht ob, sondern wie Mediation in der Bürgermeister-Grimm-Schule weiterentwickelt

und eingerichtet werden kann, stellt den Abschluss und damit den dritten Teil meiner

Arbeit dar. Denn nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass Konflikte normal sind.

Durch die Art des Umgangs mit diesen Konflikten in einer Gemeinschaft, wie

beispielsweise der Schule- wird sich auch die Art des Umgangs der Menschen in dieser

Gemeinschaft miteinander entwickelt.

5 Ein Überblick zu verschiedenen Ansätzen der Gewaltprävention in der Schule in: BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG , 2000, 5-9. 6 Vgl. Eine Beschreibung, bzw. Erfahrungsbericht zu diesem Projekt, in: FALLER, 1998, S.199- 205, oder Auskünfte zum Projekt bei: 069-9708619-ZEIDLEWITZ-MÜLLER, G., HELP.

2. Konflikte und Mediation

3

2 KONFLIKTE UND MEDIATION „Nicht der Konflikt ist das Problem, sondern die Art und Weise, wie wir damit umgehen.“ (FALLER, 2002, 16).

2.1 UNSER SCHULHOF IM HINBLICK AUF DIE DEFINITION DES KONFLIKTS „Auf dem Schulhof gibt es doch immer Streit!“, „Einen Tag an dem die aus der Pause kommen und

keinen Streit hatten, gibt es nicht!“, „Manche streiten sich wahnsinnig gerne!“ - solche und ähnliche

Aussagen hört man sicherlich täglich in jedem Lehrerzimmer. Den Konzepten der

Mediation, an denen ich mich orientiert habe, liegt ein Konfliktbegriff von GLASL zu

Grunde, der diese Aussagen nicht widerlegt. Demnach sieht GLASL einen sozialen

Konflikt „...als eine Interaktion zwischen Aktoren, wobei wenigstens ein Aktor Unvereinbarkeiten im

Denken/ Vorstellen/ Wahrnehmen und/ oder Fühlen und/ oder Wollen mit dem anderen Aktor in der Art

erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor erfolgt.“(GLASL, 1990,14f) Oder anders ausgedrückt: Wo verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Interessen,

Gefühlen, Wahrnehmungen und Vorerfahrungen aufeinander treffen, wird es

zwangsläufig immer zu Konflikten kommen.

Durch die Individualität aller unserer Schüler und ihrer besonderen Lebensumstände ist

das Potenzial für Konflikte auf dem Pausenhof und im Schulalltag sicherlich erhöht

gegeben. Mit besonderen Lebensumständen meine ich in diesem Zusammenhang, dass

die Schüler der Bürgermeister-Grimm-Schule einerseits sehr vielen verschiedenen

ethnischen und religiösen Gruppen angehören und andererseits zum Teil mit sehr

extremen sozialen Lebensumständen konfrontiert sind (Armut, psychische Probleme der

Eltern, Heimunterbringung, Misshandlung usw.). Sie haben teilweise sehr traurige oder

schwierige Wege und Erfahrungen gemacht. Weiterhin unterscheiden sich zum Teil

selbst Schüler einer Klasse vom Alter her sehr deutlich, die Schüler wohnen in

verschiedenen Stadtteilen, sie haben vorher unterschiedliche Schulen besucht, sie

kamen zu unterschiedlichen Zeitpunkten an die Schule für Lernhilfe und ihre Eltern

haben sehr unterschiedlich auf ihre Umschulung in eine Sonderschule reagiert. Viele

Schüler haben bis zum Eintritt in unsere Schule schulische und familiäre Leidenswege,

verbunden mit frustrierenden Erfahrungen, hinter sich, was für den größten Teil der

Schüler an Regelschulen nicht zutrifft.

Natürlich läuft der Alltag an Regelschulen auch nicht konfliktfrei ab. Denn

entscheidend ist außerdem, dass die Institution der Schule per se bereits ein hohes

Konfliktpotenzial bietet7. Die Schüler werden oftmals mit Anforderungen und

Aufgaben konfrontiert, die ihren Vorstellungen, Bedürfnissen und Interessen völlig 7 Damit meine ich, dass Schüler in Deutschland nicht freiwillig in die Schule gehen, so dass hier generell Macht ausgeübt wird, mit der sich die Schüler auseinandersetzen müssen.

2. Konflikte und Mediation

4

widersprechen. Auch so entstehen Konflikte für die einzelnen Schüler, mit denen sie

sich zunächst nicht an eine konkrete Person richten können. Sie sind gezwungen, sich

für ihre (Ohnmachts- oder Aggressions-) Gefühle Adressaten zu suchen, die sie in den

meisten Fällen auf dem Schulhof auch finden. Ich denke, es wird deutlich, dass es nach

der Definition von GLASL in der Bürgermeister-Grimm-Schule viele Konflikte, aber

damit auch viele Chancen zum sozialen Lernen und zum Einüben von gewaltloser

Auseinandersetzung gibt (Vgl.: FALLER, 2002, 16f).

2.2 KONSTRUKTIVE KONFLIKTLÖSUNG UND MEDIATION – TECHNIK ODER EINSTELLUNG?

Es gibt nicht das Konzept der Mediation. Der Begriff der Mediation wird (schul-)

alltagssprachlich unterschiedlich verwendet. Ich beschreibe im Folgenden Grundlagen,

von denen ausgehend ich „mein Konzept“ zur Erprobung der Mediation erarbeitet habe.

Um „mein Konzept“ einordnen zu können, stelle ich diese Grundlagen in den

Zusammenhang

1. unterschiedlicher theoretischer Grundlagen für Mediation,

2. von Mediation in unterschiedlichen Feldern,

3. von unterschiedlichen Wegen, Mediation in Schulen einzuführen sowie

4. konkreter Beschreibungen des Ablaufs eines Mediationsgesprächs.

2.2.1 Meine theoretischen Grundlagen

In einem Praktikum in der Waibelfeld-Schule (Gesamtschule in Dreieich-Sprendlingen)

während meines Studiums hatte ich die Möglichkeit, nicht nur Mediation im

Schulalltag8 zu erleben, sondern auch einen sogenannten Baustein des

Fortbildungsangebotes des HELPs für Schulen, die am Projekt „Mediation und

Schulprogramm“ teilnehmen. Dieses Projekt basiert auf dem Streit-Schlichter-

Programm „Konflikte selber lösen“ VON FALLER, KERNTKE UND WACKMANN (1996)

und ist bis heute die Grundlage für die Mediation der Projektschulen. Auch ich habe die

Erprobung der Mediation in der Bürgermeister-Grimm-Schule zum größten Teil auf

diese Literatur gestützt. Ein weiterer wichtiger Ausgangspunkt sind aber auch Aspekte

des Täter-Opfer-Ausgleichs (DURACH, B., GRÜNER, T. U. NAPAST, N., 2002) sowie die

Ausführungen von WALKER (2001) zur gewaltfreien Konfliktaustragung (WALKER,

2001, 94-112), da diese speziell auf die Bedürfnisse von Grundschulkindern

ausgerichtet sind.

8. Eine Beschreibung des Weges der Waibelfeldschulein: FALLER, 1998, 182-188

2. Konflikte und Mediation

5

Unsere Schule besuchen Schüler von der ersten bis zur neunten Klasse. Es besteht die

Möglichkeit für einen Hauptschulabschluss nach der erweiterten 10. Klasse.

Grundlegende Literatur, die sich insbesondere auf Mediation in Sonderschulen, bzw.

Schulen für Lernhilfe bezieht, wurde bisher (noch9) nicht veröffentlicht, so dass ich in

diesem Bereich ausschließlich auf Erfahrungsberichte zurückgreifen kann.

Zunächst geht es mir um das grundsätzlich positive Verständnis und die Definition von

Konflikten, wie sie durch GLASL beschrieben und bei FALLER angewendet wird. Als

zweites basiert mein Ansatz, d.h. die Methode und die Durchführung der

Mediationsgespräche, auf den kommunikationstheoretischen Modellen von

WATZLAWIK, bzw. SCHULZ VON THUN über das Versenden und Empfangen von

Botschaften. Beim aktiven Zuhören des Mediators in der Erhellungsphase (Vgl. Punkt

2.2.4), wie auch in der Umformulierung von Aussagen in Ich-Botschaften, kommt

diesen Theorien und Ausführungen eine große Bedeutung zu.10 Auf der Ebene der

praktischen Umsetzung beziehe ich mich eher auf Erfahrungsberichte anderer

Schulen11, Praxiserfahrungen der Friedrich-Fröbel-Schule in Neu-Isenburg12, bzw.

meinen eigenen Erfahrungen aus der Praktikumsschule und aus Berichten einer

Mediatorenausbilderin13.

Im Folgenden beziehe ich nur jene Literatur ein, die direkt zu meinem Vorhaben,

Mediation an der Bürgermeister-Grimm-Schule zu erproben, beigetragen hat. Andere

Streitschlichter-Programme habe ich vernachlässigt, weil sie, wie beispielsweise das

Konfliktlotsen-Programm (HAGEDORN, 1995), das Buddy-Projekt (1999) oder das

Schüler-Streitschlichter-Programm (JEFFERYS, 1995), direkt die Beteiligung der Schüler

bei der Streitschlichtung voraussetzen und trainieren. Programme wie z.B. das

Eingangsprogramm (FECHLER U. KALETSCH, 1997), „Du dumme Sau“ (MILLER, 2002)

und die Arbeitshilfe zum Unterrichtsfach- Konflikte selber lösen (ALTENBURG U.

PILGRAMM, O.J) zielen eher allgemein auf die Veränderung von Schülerverhalten im

Rahmen eines Unterrichtsfaches oder eines sozialen Lerntrainings ab. In Bezug auf

diese Arbeit haben diese Ansätze erst bei der tatsächlichen Einrichtung von Mediation

in unserer Schule eine Relevanz.

9 KALETSCH arbeitet an der ersten Veröffentlichung zu diesem wichtigen Thema. Ich konnte mit ihr Teile dieses Programms in der Zeit vom 07.07-11.07. 2003 in der 7. Klasse der Bürgermeister-Grimm-Schule ausprobieren. 10 Vgl. : THOMAN, CHR. U. SCHULZ VON THUN, F.(2003): Klärungshilfen, Reinbeck/ Hamburg 11 z.B.: BLASER, E.(2002); LINDNER, M. (2002); Schulprogramm der FRIEDRICH-FRÖBEL-SCHULE in Neu-Isenburg, in der Fassung vom 29.04.2002, Bericht der Nardini-Schule in Germersheim unter http://www.sich-vertragen.de/, o.S.. (Bei Zitaten aus Quellentexten, die ausschließlich über das Internet publiziert wurden, sind Seitenangaben nicht möglich. Im folgenden werden Internetzitate durch „ohne Seitenangabe“= o.S. gekennzeichnet) 12 Gesprächsnotiz mit FRAU WOLF, der Lehrerin, die für die Mediation verantwortlich ist, im Anhang V. 13 Ich besuchte vom 21.-22. März eine Fortbildung, Zukunft der Schulen- Mediation und Schulprogramm bei FABRIZIUS die für das HELP Mediatoren an Projektschulen ausbildet.

2. Konflikte und Mediation

6

2.2.2 Das Konzept der Mediation im Bereich der Schule

Unterschiede im Gesamtkonzept von Mediation, d.h. von der Planung bis zur

Durchführung in allen Details, entstehen durch den jeweiligen Rahmen oder den

Bereich, in dem Mediation durchgeführt wird.14 So unterscheidet sich ein

Mediationsgespräch beispielsweise bei einer Ehescheidung sowohl im Ablauf, als auch

in der Organisation und dem äußeren Rahmen sehr von Mediationsverfahren in

Wirtschaft und Politik, wie z.B. bei den Diskussionen zum Flughafenausbau in

Frankfurt.15

Mein Mediationsprojekt ist ein Konzept für die Schule und im Besonderen für eine

Schule für Lernhilfe, so dass ich weiterführende Literatur zur Mediation in anderen

Zusammenhängen an dieser Stelle vernachlässige.

Grundlegend gemeinsam ist jedoch allen Mediations- oder Streitschlichtungsansätzen

die Annahme, dass die streitenden Parteien mit Hilfe eines Vermittlers selber zu

Lösungen oder Abmachungen kommen.

Die Grundannahmen des Mediationskonzeptes nach BESEMER:

- Konflikte sind normal, aber ein ungelöster Konflikt ist gefährlich.

- Häufig resultiert ein Konflikt eher daraus, dass die Parteien nicht wissen, wie sie ein Problem

lösen sollen, als dass sie es nicht lösen wollen.

- Die an einem Streit Beteiligten können grundsätzlich bessere Entscheidungen über ihr Leben

treffen, als eine Autorität von außerhalb.

- Die Beteiligten einer Übereinkunft halten sich eher an die Bestimmungen, wenn sie selbst für

das Ergebnis verantwortlich sind und den Prozeß, der zur Übereinkunft geführt hat, akzeptieren.

- Die in der Mediation erlernten Verhandlungsfähigkeiten sind nützlich um zukünftig Konflikte zu

lösen. (Quelle: BESEMER, 1993, 37)

Mediation ist ein Verfahren der Vermittlung in Konflikten, das in den 1960er/1970er

Jahren in den USA entwickelt wurde.16 Wörtlich übersetzt bedeutet „Mediation" die

friedenstiftende versöhnende Vermittlung“17.

Im Mediationsverfahren vermittelt eine neutrale, allparteiliche dritte Person zwischen

den Konfliktparteien. Ziel ist eine für beide Parteien annehmbare Lösung und die

Beilegung des Konflikts. Aufgabe der Mediatoren ist es nicht, einen Schiedsspruch oder

ein Urteil zu sprechen, vielmehr sollen die Konfliktparteien selbst eine ihren Interessen

14 Mediationsverfahren werden z.B. in folgenden Bereichen verwendet: Familienstreitigkeiten/Scheidungsverfahren; Umweltbereich; Firmen/Unternehmenskonflikte; Friedensarbeit; Schulbereich; Täter-Opfer-Ausgleich; Nachbarschaftsstreitigkeiten. 15 z.B: FRANKFURTER RUNDSCHAU, 05.04.2003, 33: Der Streit ist rauer geworden. 16 Vgl.: Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V., 2002, o.S.: unter: „Wie kam es zur Mediation?“ 17 BROCKHAUS, 1991, 371

2. Konflikte und Mediation

7

entsprechende Problemlösung erarbeiten. Die Vermittler hören sich die Anliegen aller

Beteiligten an und stellen in zunehmenden Maße wieder eine direkte Verbindung

zwischen den Streitenden her. Hierdurch erfahren die Kontrahenten, welches die

eigentlichen Probleme, Gefühle und Interessen der anderen Seite sind. Im geschützten

Raum eines solchen Gespräches können sie Verständigung und neues Vertrauen

zueinander entwickeln und schließlich gemeinsam an einer Lösung des Konflikts

arbeiten (Vgl. FALLER, 2002, 10f).

Zur Entwicklung eines Konzeptes der Mediation für die Schule stehen daher Fragen im

Vordergrund, die Art und Weise der Planung, Einführung und Begleitung der

Schulmediation betreffen. Hier kann es kein Rezept oder eine Anleitung geben, da sich

die Situationen der einzelnen Schüler, aber auch die Rahmenbedingungen und

Voraussetzung der Schulen unterscheiden.

Entscheidend ist die Prozessorientierung bei der Einführung der Mediation, die

durchgängig beibehalten wird.18 D.h. auch FALLER geht nicht davon aus, dass es ein

Konzept für die Einrichtung und Durchführung der Mediation an Schulen gibt, sondern

dass die Schulen sich auf der Grundlage sogenannter grundlegender Bausteine ein

individuelles Konzept erarbeiten.

In dieser Erarbeitung werden nach FABRICUS verschiedene Phasen bis zur Einführung

von Mediation in einer Schule nacheinander durchlaufen:

Initiativphase

Grundgedanken und Ablauf der Mediation im Kollegium wird vorgestellt.

Entwicklungsphase

Ein Projektplan wird erstellt und dem Kollegium vorgestellt. Die einzelnen Phasen der Mediation werden

transparent gemacht.

Erprobungsphase

Unter Zustimmung von Schulleitung und Kollegen wird Mediation in der Schule über einen festgelegten

Zeitraum erprobt.

Parallel: Evaluation und Modifikation

18Vgl. auch FALLER, 2002, 42, bzw. Projektbeschreibung „Mediation und Schulprogramm“: Es wird von einer ständigen Evaluation und Weiterentwicklung der Mediation an der Schule ausgegangen.

2. Konflikte und Mediation

8

Die Erprobungsphase wird ausgewertet und gegebenenfalls wird das schulinterne Modell für Mediation

verändert oder erweitert.

Implementierungsphase

Die Mediation wird eingeführt-

Parallel: Aufbau von Unterstützungssystemen für die an der Mediation beteiligten Kollegen. Die

Durchführung der Mediation zieht eine weitreichende Veränderung des Regelwerks der Schule mit sich.

Das Prozesshafte der Mediation bleibt bestehen. Dadurch wird das schulinterne Modell stetig modifiziert

und erweitert

Vgl. FABRIZIUS, 2003, o.S.

In diesem Schema wird deutlich, dass die Erprobung eine wichtige Funktion im Prozess

der Einrichtung von Mediation in einer Schule einnimmt. Da aber nach FABRIZIUS 2-3

Jahre vergehen können, ehe sie dann tatsächlich implementiert ist, ist es noch ein langer

Weg bis zur entgültigen Einrichtung von Mediation in der Bürgermeister-Grimm-

Schule.

2.2.3 Mediation ist mehr, als der Streitschlichterraum

In der vorliegenden Arbeit steht die personenzentrierte Mediation19, d.h. das direkte

Streitvermittlergespräch zwischen zwei verstrittenen Konfliktparteien - in den meisten

Fällen zwei streitende Schüler- im Vordergrund. Das bedeutet aber keinesfalls, dass

Mediation allein die Einrichtung eines Streitschlichterraumes und die Ausbildung eines

Lehrers zum Streitschlichter bedeutet. Vielmehr bedeutet Mediation die Entwicklung

hin zu einer generell positiven Sichtweise auf Konflikte seitens Schülern und Lehrern.

Welche Veränderungen die Entscheidung für Einrichtung von Mediation in der Schule

zur Folge hat beschreibt FALLER in einem pädagogischen Hexagon:

19 Vgl. FABRIZIUS, 2003, o.S.

2. Konflikte und Mediation

9

Abbildung 1: Pädagogisches Hexagon; Quelle: FALLER, 1998, 76

In einer Schule Mediation als einen Weg zur Konfliktprävention und - bewältigung

einzuführen und weiter zu gehen, bedeutet die bewusste Veränderung des

Konfliktbegriffes in der Schule. Wenn Mediation tatsächlich vom Kollegium

befürwortet, getragen und umgesetzt wird, kann sie in der Schule auf unterschiedlichen

Ebenen sichtbar werden.

So findet soziales Lernen in der Mediation bei Schlichtern und streitenden Schülern

statt. Wenn -wie bei FALLER vorgesehen- auch Schüler die Rolle der Mediatoren

übernehmen, verändert dies ihre Rolle im Schulgeschehen. Ihnen wird Verantwortung

übertragen und sie nehmen gegenüber jüngeren Schülern eine Vorbildfunktion ein.

Andererseits werden die Konflikte und die Probleme von Schülern einer Schule mit

Mediation anders wahrgenommen als bisher. Streitereien und Konflikte werden als

normal bewertet und ernst genommen, statt wie bisher, als unerwünscht bewertet und

ignoriert wahrgenommen. Sehr hoch angesetzt zielt Mediation auf eine demokratische

Grundhaltung und soziales Leben in Schule und Gesellschaft. (Vgl.: DURDEL, 2003, 8)

Diese in der Theorie beschriebenen und in der Praxis erhofften Veränderungen im

gesamten Schulalltag werde ich am Ende dieser Arbeit nochmals aufgreifen und anhand

der Erfahrungen aus meiner Praxis reflektieren. Zunächst steht jedoch die konkrete, auf

die Schüler zentrierte Durchführung der Mediation in der Erprobungsphase, im

Vordergrund meiner Ausführungen.

2. Konflikte und Mediation

10

2.2.4 Ablauf der Mediation

Für die Streitschlichtung ist in den Konzepten, die meiner Einführung zu Grunde liegen,

ein fester Ablauf, in fünf aufeinander aufbauenden Phasen20 vorgegeben:

1. Phase: Einleitung

2. Phase: Darstellung der Sichtweisen

3. Phase: Konflikterhellung

4. Phase: Problemlösung

5. Phase: Vereinbarung

Der Mediator übernimmt in diesem Prozess die Rolle des Moderators. Anstatt diesen

theoretischen Ablauf an dieser Stelle genauer auszuführen, fasse ich in den folgenden

Punkten kurz Vorraussetzungen und grundlegende Prinzipien von Schulmediation

zusammen. Im zweiten Teil dieser Arbeit sind diese „Spiel-Regeln“ der Mediation für

Regelschulen Ausgangspunkt für Überlegungen zu Widersprüchen bei der Mediation an

Schulen für Lernhilfe. Im dritten Teil der Arbeit dienen die Ergebnisse dieser

Überlegungen zur Strukturierung der konkreten Modifikationen für die Initiierung von

Mediation in der Bürgermeister-Grimm-Schule.

2.2.4.1 Prinzip der Freiwilligkeit Die Bereitschaft, einen Konflikt klären zu wollen beinhaltet, dass beide Konfliktparteien

freiwillig die Hilfe eines Mediators in Anspruch nehmen. Es wird davon ausgegangen,

dass die betroffenen Schüler ihren Konflikt als so belastend empfinden, dass sie ihn

gerne lösen würden, dazu aber ohne Hilfe nicht mehr in der Lage sind.

2.2.4.2 Regeln und Struktur der Mediation Es gibt zwei grundlegende Regeln für Mediation, um ein konstruktives Gespräch zu

ermöglichen:21

I. Es redet immer nur ein Schüler. Der andere hört zu und lässt den anderen ausreden.

II. Beleidigungen und Beschimpfungen sind nicht erlaubt.

Das Mediationsgespräch ist stark strukturiert und folgt den einzelnen Phasen der

Mediation.

20 Die genaue Beschreibung der einzelnen Phasen im Anhang I und II: FALLER (1996), 153 und unter: www.sich-vertragen.de 21 Vgl.: DURACH, B., GRÜNER, T. U. NAPAST, N., 2002, 15

2. Konflikte und Mediation

11

2.2.4.3 Darstellung der Konflikte Die Schüler schildern nacheinander zunächst nur dem Mediator die erlebte Situation

oder den empfundenen Konflikt. Diese eigene Wahrnehmung spiegelt der Mediator und

fasst den Konflikt mit Zustimmung der Schüler zusammen.

2.2.4.4 Rolle des Mediators Der Mediator ist im Mediationsgespräch ein Vermittler oder Moderator. Er darf bei der

Vermittlung keine Bewertung oder Urteil abgeben. Diese Allparteilichkeit muss auch

für die Schüler deutlich und sicher sein, ebenso wie die Vertraulichkeit, mit der der

Mediator das Gehörte behandelt. Aus dem Mediationszimmer dringen keine

Informationen an Außenstehende.

2.2.4.5 Zeitpunkt der Mediation Die Schüler können in bestimmten (Öffnungs-) Zeiten das Mediationszimmer

aufsuchen, um ihre Probleme oder Konflikte zu klären. Häufig besteht das Angebot,

„Termine“ auch außerhalb dieser festen Zeiten auszumachen.

2.2.4.6 Dauer der Mediation Pausenmediation ist in der Regel auf die Pausenlänge von ca. 20 Minuten begrenzt.

Mediation zu anderen Terminen können länger dauern. Generell gibt es aber keine

vorgegebene Dauer, vielmehr hängt es von der Art der Konflikte und den Beteiligten ab.

Bei jüngeren Schülern geht FABRIZIUS davon aus, dass sie weniger Konzentration

aufbringen können, als ältere Schüler. Da ihre Konflikte jedoch häufig weniger komplex

sind, sollten sie in einer für sie durchzuhaltenden Zeit von 10-15 Minuten zu klären

sein. Bei älteren Schülern hingegen, deren Probleme oft komplex und schwieriger zu

klären sind, geht sie davon aus, dass sie bis zur Lösung häufig mindestens 15-20

Minuten brauchen, oft aber auch sehr viel länger (Vgl. FABRIZIUS, 2003). In diesen

Fällen wird dann nach einer bestimmten Zeit eine Pause eingelegt oder aber das

Mediationsgespräch zu einem anderen Zeitpunkt weitergeführt.

2.2.4.7 Art der Konflikte Prinzipiell gibt es keine Einschränkung, mit welchen Konflikten Schüler zur Mediation

kommen können. Allein die Tatsache, dass die Schüler mit ihrem Problem zur

Mediation kommen zeigt, dass es für sie ein sehr bedeutsamer Konflikt ist.

2. Konflikte und Mediation

12

Allerdings gibt es immer auch Konflikte, bei denen man mit Mediation an Grenzen

stößt, weil eine einfache Entscheidung oder Strafe ausgesprochen werden muss, wie

z.B.: Strafbare Handlungen, Verstöße gegen allgemeingültige Regeln u.ä.22

2.2.4.8 Alternative Handlungsmöglichkeiten und Lösungen Die Lösungen in der Mediation kommen von den am Konflikt beteiligten Schülern

selber. Dabei spielt es keine Rolle wie diese Lösung aussieht, wenn sie denn von beiden

akzeptiert und umgesetzt werden kann. Häufige Einigungen sind bei jüngeren Schülern:

Sich Entschuldigen, ein Bild malen, dem anderen den Ranzen tragen. Bei Älteren: Den

einen in der Fußballmannschaft spielen lassen, eine SMS schreiben, ins Kino gehen,

sich in der Stadt treffen, aber eben auch: sich eine Woche aus dem Weg gehen, nicht

mehr miteinander in der Pause spielen, sich nicht mehr anzurufen, sich in Ruhe zu

lassen uMedieneinsatz

Im Streitschlichterraum sind häufig die zwei Regeln für den Ablauf des Gesprächs

aufgehängt. Ein Ordner für die Protokolle ist sehr hilfreich, ebenso wie eine Tafel oder

große Blätter zum Festhalten wichtiger Gesprächs- bzw. Konfliktpunkte. In der

Checkliste für den Mediationsraum (DURACH, GRÜNER U. NAPAST, 2002, 16) werden

Wiedergutmachungsvorschläge und Blankoformulare für: „was ich vom anderen

erwarte:“ und zu „was ich bereit bin, um den Streit zu beenden:“ (Vgl. Abbildung 2)

empfohlen, in denen die Schüler ihre Wünsche aufschreiben können.

22 In jeder Gemeinschaft gibt es Regeln und Entscheidungen aus Machtpositionen heraus, bei denen Mediation höchstens begleitend wirken kann. Vgl.: Anhang X.

2. Konflikte und Mediation

13

Abbildung 2: Hilfekarten für die Lösungsphase; Quelle: DURACH, GRÜNER U. NAPAST,

2002, 14

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

14

3 Praktische Erfahrungen “» So hab ich das doch gar nicht gemeint!« Missverständnisse sind normal.“ (MILLLER, 2002, 20)

Beim Beschreiben meiner praktischen Erfahrungen lege ich den Fokus in dieser Arbeit

auf Modifikationen oben genannter Ansätze zur Mediation, die ich im Vorhinein,

während der Durchführung und im Rückblick in der Schule umgesetzt habe. Ich stelle

einzelne Beobachtungen im Gesamtzusammenhang von Mediation dar, um die

Widersprüche und Besonderheiten zu oben dargestellten Regelkonzepten deutlich zu

machen.

3.1 PLANUNG DER ERPROBUNG Die Erprobung der Mediation bedarf unterschiedlicher Vorüberlegungen und konkreter

Vorbereitungen, die ich im Folgenden darstelle.

3.1.1 Die Information des Kollegiums

Ich stelle das Prinzip der Mediation und mein Projektvorhaben in der Gesamtkonferenz

(am 23.10.2002) vor. Nach Austausch mit Lehrern anderer Schulformen bin ich der

Ansicht, dass das Kollegium der Bürgermeister-Grimm-Schule sehr viel schneller und

bereitwilliger meinem Vorschlag zugestimmt hat, als Kollegien anderer Schulformen.

Ich erkläre mir diese Bereitwilligkeit aus einem größeren Bedarf heraus. Viele Lehrer

berichten sofort von Schwierigkeiten überhaupt unterrichten zu können, da ihnen

einzelne Konflikte und die Klärung dieser sehr viel Zeit nimmt. Problematisch sehen die

Kollegen allerdings ihre Mitarbeit, da sie alle mit vielen anderen Aufgaben beschäftigt

sind. Aber die Erprobung dieses Konfliktschlichtungsweges wurde von allen Kollegen

positiv angenommen.

3.1.2 Die Unterstützung durch Kollegen

Auf Grund der Belastung der Kollegen durch andere wichtige Dinge und Angebote, wie

Pausenspielausleihe, Entwicklung eines Konzeptes der Bürgermeister-Grimm-Schule

zum Beratungs- und Förderzentrum, Frühbetreuung, Praktikumstag und

Hauptschulabschluss, liegt die Organisation und Erprobung der Streitschlichtung allein

in meiner Hand. Unterstützung habe ich allerdings auf drei Ebenen:

Die Gesamtkonferenz hat einstimmig die Zeit für drei Pausen pro Woche und die

anschließenden Stunden als Unterrichtszeit angenommen. D.h., dass die Kollegen meine

Pausenaufsichten und drei Stunden Unterricht in der Woche übernehmen und damit die

Mediation mittragen.

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

15

Des Weiteren haben sich drei Lehrer bereit erklärt, in regelmäßigen Abständen den

Stand und die Ergebnisse der Mediation mit mir zu besprechen und die Mediation

gegebenenfalls zu verändern und weiter zu entwickeln.

Drittens ist die Gesamtkonferenz der Raum, in dem ich für alle Lehrer den Stand der

Erprobung transparent machen kann und so alle an der Mediation teilhaben lassen kann.

(Auch ist hier die Möglichkeit, die Kollegen über Fortbildungsangebote zu informieren,

die parallel zur Erprobung wahrgenommen werden.)

3.1.3 Die Einrichtung des Raumes:

Zunächst muss der Raum in irgendeiner Weise verändert werden, da er bisher das

Arztzimmer war und die Schüler mit ihm Untersuchungen oder Ähnliches verbinden.

Außerdem ist es mir schon im Vorhinein ein Anliegen, dass die Schüler mit geringer

Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistung nicht durch überflüssige Dekoration oder

Ausstattung vom Mediationsgespräch ablenkt werden.

Besonderen Wert lege ich auch auf eine visuelle Unterstützung aller Regeln der

Mediation durch eindeutige Medien und Materialien. So zeigt ein großer, drehbarer,

roter Pfeil in der Mitte des Tisches stets an, wer gerade reden darf. Der Ablauf des

Gespräches ist symbolisch durch ein Plakat dargestellt, an dem ein kleinerer,

verrückbarer Pfeil jeweils anzeigt, an welchem Punkt des Gespräches die Schüler sich

gerade befinden. Durch Schilder an den Plätzen ist den Schülern eine immer

gleichbleibende Sitzordnung vorgegeben, bei der sie zunächst eher auf den Mediator

ausgerichtet sitzen, aber dennoch die Möglichkeit haben, sich im Verlauf einander

zuzuwenden.

3.1.4 Die Zeiten

Besonders schwierig fällt es den Kollegen und mir einzuschätzen, wie der Bedarf für die

Streitschlichtung sein würde. Wir entscheiden uns aus praktischen Gründen und in

Orientierung an die Friedrich-Fröbel-Schule, das Mediationzimmer drei Tage in der

Woche in der ersten Pause und in der anschließenden Schulstunde zu öffnen23. Nach

vier Wochen soll diese Regelung überprüft und gegebenenfalls verändert werden.24

Weitere organisatorische Rahmenbedingungen (wie Information der Kollegen am

pädagogischen Tag, Information der Eltern usw.) und Überlegungen zu begleitenden

23 Dienstags habe ich Seminartag, Donnerstags sind alle neunten Klassen im Praktikum und die Kleinen beim Heilpädagogischen Reiten. Die erste Pause bietet sich an, weil viele Klassen nach der vierten schon keinen Unterricht mehr haben oder aber danach im WPU (Wahlpflicht Unterricht) und dadurch teilweise nicht im Schulgebäude sind. 24 Dies war nicht notwendig, weil es sich als sehr günstig erwies.

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

16

Maßnahmen (soziales Lernen als Fach, Training von Schülern zu Streitschlichtern usw.)

können an dieser Stelle vernachlässigt werden, da sie direkt für die Erprobungsphase

der Mediation an der Bürgermeister-Grimm-Schule nicht von Belang sind.

3.2 EINFÜHRUNG DER MEDIATION Für Schüler und Lehrer ist Mediation an ihrer Schule neu, so dass ich die Einführung

der Erprobung auf die besonderen Bedürfnisse der Schüler ausrichte.

3.2.1 Die Information der Schüler

Zu Beginn der Erprobung werden alle Schüler der Schule von mir über die Mediation in

einer Einführung von ca. 30 Minuten Dauer über das Projekt informiert.25 Jeweils die

Hälfte einer Klasse besucht mit mir den neu gestalteten Mediationsraum, indem ich

ihnen an Hand eines Beispiels den Ablauf der Mediation erkläre.26 Geringen

Fähigkeiten zur Abstraktion, aber auch oft beobachteter Schwellenangst gegenüber

neuen Einrichtungen oder Angeboten möchte ich direkt entgegentreten.

Im Verlauf der Einführungen ergeben sich weiter Änderungen, die ich im Folgenden

kurz skizziere:27

Um den Schülern möglichst konkret deutlich zu machen, wie ein Mediationsgespräch

abläuft, wähle ich ein Beispiel, das zwei Schüler der Gruppe vorspielen sollen. Es wird

aber sehr schnell klar, dass bereits so viele „kleine“ Konflikte im Alltag der Schüler

vorkommen, dass sie direkt geschehene oder vor einiger Zeit aufgetauchte und in den

meisten Fällen auch bereits in irgendeiner Art und Weise geklärte, bzw. geregelte

Konflikte für das „Schauspiel“ verwenden wollen. Die Darstellung wird dadurch sehr

viel realistischer und den Schüler gelingt der Transfer auf ihre eigene Situation sehr viel

besser : Ersin28 erzählte sofort, als es darum ging, ob sie sich denn Streitfälle vorstellen könnten, mit

denen sie zur Mediation gehen könnten, dass er und Selςuk immer Streit haben. Immer wenn sie in die

Pause gehen, beschimpfen sie sich. Die beiden erzählten dann nacheinander, wie sie die Situationen in

den Pausen sehen. Es wurde ziemlich schnell und sehr eindrucksvoll für die Zuschauer deutlich, dass die

Neckereien, die Selςuk sehr spaßig findet, für Ersin keineswegs lustig sind. Selςuk war das nie so bewusst

gewesen und er war wirklich erstaunt und bedrückt durch die Ernsthaftigkeit, mit der Ersin sein Problem

mit Selςuk hervorbrachte...(a.d.E.29) . Oftmals ergibt sich direkt aus der Einführung der

Wunsch nach einem Mediationsgespräch, so dass direkt ein Termin ausgemacht wird.

25 Dies fand zu Beginn diesen Jahres vom 13.-30.01.2003 statt. 26 D.h. 12 Klassen jeweils in zwei Gruppen eingeteilt. 27 Die Einführung bei 24 Gruppen bietet genügend Möglichkeiten, auch bereits während der laufenden Einführungen das Konzept, nach Rücksprache mit den mich unterstützenden Kollegen zu verändern. 28 Alle Namen von Schülern und Schülerinnen sind in der vorliegenden Arbeit verändert. 29 Die in der vorliegenden Arbeit mit a.d.E.-aus der Erinnerung- gekennzeichneten Beispiele für beobachtetes Verhalten sind in den beigefügten Mitschnitten von Streitschlichtungsgesprächen nicht zu finden.

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

17

Damit die Einführung anschaulich und konkret genug für die Schüler ist gehört es dazu,

dass ich Protokolle und Verträge nicht, wie zunächst geplant, vorher ausfülle und den

Schülern als Beispiele zeige, sondern ein Protokoll des aktuellen Beispielfalles erstelle,

dass natürlich auch von den „Schauspielern“ unterschrieben wird.

Häufige Fragen nach dem Mediator, führen dazu, dass ich mir für die

Weiterentwicklung eine Streitschlichtung durch Schüler eher vorstellen kann. Jaafar:

„Sind Lehrer mit dabei?“ Mediatior: „Ja! Zunächst schon.“ Jaafar: „Dann komm` ich nicht!“ (Vgl.:

Anhang III)

Die spontanen Kommentare einiger Schüler zeigen mir allerdings auch deutlich, dass sie

scheinbar nicht viele Erfahrungen gemacht haben, überhaupt mit Gesprächen zu einer

Konfliktlösung zu gelangen und dadurch keine Vorstellung von Streitschlichtung haben: „Schlagen wir uns dann denn nicht?“, „Was soll das denn bringen, wir kriegen ja eh` nur Ärger

danach!“ „Bei meinen Problemen können sie mir nicht helfen!“(a.d.E.)

Aus der Vielzahl der Fragen schließe ich insgesamt auf eine hohe Motivation bzw. ein

Interesse an dem Angebot zur Streitschlichtung. Da viele Vorschläge und Ideen genannt

werden, bin ich überzeugt, dass die Schüler der Bürgermeister-Grimm-Schule

Bedürfnisse haben, ihre kleinen und großen Konflikte zu lösen.

3.2.2 Ablauf und Organisation der Streitschlichtung

Ein wesentlicher Unterschied zu Streitschlichtermodellen, wie ich sie oben dargestellt

habe, ist, dass ich für das Erprobungsmodell der Bürgermeister-Grimm-Schule als

Mediatoren zunächst keine Schüler (im Unterschied zur „Peer-Group-Mediation“30)

vorgesehen habe. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe:

1. Zunächst sollen Schüler und Lehrer die Mediation und gegebenenfalls auch die

Vorteile, die Mediation an ihrer Schule für sie beinhalten kann, kennenlernen. Da aber

gerade die Schüler von Mediationsgesprächen zur Konfliktlösung noch nie etwas gehört

haben, scheint es mir für sie sehr schwierig, sich für etwas ausbilden zu lassen, dass sie

selber noch nicht erlebt haben.

2. In Regelschulkonzepten wird davon ausgegangen, dass eher die älteren Schüler über

den Überblick und die Fähigkeiten verfügen, die Position eines neutralen Beobachters

einzunehmen. Da aber die zehnten Klassen ihren Hauptschulabschluss machen und

damit im Anschluss an die „Streitschlichterausbildung“ nicht mehr lange an der Schule

sind und auch der größte Teil der Neuntklässler die Schule schon zum Sommer verlässt,

gestaltet sich dies organisatorisch sehr schwierig.

30 Peer-Group-Mediation ist die gängige Bezeichnung der Streitschlichtung durch Schüler (Vgl.: DURDEL, 2003, 9f).

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

18

3. Ich bin generell der Ansicht, dass unsere Schüler größtenteils überfordert wären, die

allparteiliche Rolle des Vermittlers einzunehmen. Im Unterricht wird häufig deutlich,

wie schwer es ihnen fällt, eine Position einzunehmen, in der sie ihre eigene Meinung

und Einstellung zu einer Person zurückstellen und sich emotional disziplinieren müssen,

um allein die Handlung oder Situation zu beurteilen.31

Zudem können einige Schüler kaum Zusammenhänge und Abläufe überblicken und

erfassen. Auch ihre sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten entsprechen nicht denen von

gleichaltrigen Regelschülern32.

Diese Ausführungen bedeuten nicht, dass ich die Möglichkeit der „Peer-Group-

Mediation“ für unsere Schüler generell ausschließe, aber dass sie bei unseren Schülern

sehr viel intensiver vorbereitet und geplant werden muss, als das für die

Erprobungsphase möglich ist.33

Das Mediationsgespräch verläuft, entsprechend den theoretischen Konzepten, nach

vorgegebenen Phasen. Einen Leitfaden für weitere (zukünftige) Mediatoren habe ich in

den Mediationsordner geheftet.(Vgl.: Anhang VII)

3.3 DIE ERPROBUNGSPHASE 3.3.1 Dokumentation

Zur Dokumentation meiner Beobachtungen in der Erprobungsphase nutze ich im

Wesentlichen drei Quellen:

Meine eigenen Beobachtungen (auch aus Mitschnitten der Mediationsgespräche34),

spontan geäußerte Kommentare von Lehrern und Schülern sowie eine stichpunktartige

Befragung von Lehrerinnen, deren Schüler besonders häufig in der Mediation waren.35

Unter Verwendung von Beispielen stelle ich meine Beobachtungen im nächsten Punkt

ausführlich dar.

3.3.2 Beobachtungen in der Erprobungsphase

Um Unterschiede oder Widersprüche zu Regelkonzepten für Mediation -den Fokus

meiner Arbeit- deutlich machen zu können, stelle ich die Beobachtungen, die ich in der

Erprobungsphase machen konnte, entlang der Punkte dar, die ich im ersten Teil dieser

31 Diese Erfahrung machte ich hauptsächlich in einer 9. Klasse im Sozialkundeunterricht, wo es für die Schüler nahezu unmöglich war, in Rollenspielen einen Perspektivenwechsel zu vollziehen oder eine Handlung unabhängig von der handelnden Person zu beurteilen (z.B. bei Gesprächen über Rollenspiele oder Diskussionen auf der Metaebene). 32 Vgl.: Definition von Schülern mit Lernbehinderungen in: LAUTH, G.W., 2000, 21-28 33 Beispiele für Trainings für Schüler als Streitschlichter, die insbesondere die Fähigkeiten des aktiven Zuhörens, der verbalen und nonverbalen Kommunikation, der Sendung von Ich-Botschaften und zum Aufbau der Realisierung eines Streitgespräches fördern, findet man u.a. bei: FALLER, 1996, 25-154, JEFFERYS, 1995, 103ff, FECHLER U. KALETSCH, 1997, 19 ff 34 Eine Auflistung der Mediationsgespräche im Anhang IX. 35 Vgl.: Ausführliche Befragung im Anhang VIII.

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

19

Arbeit als Prinzipien oder „Spielregeln“ für Mediation bezeichnet habe. Diese

Darstellung ermöglicht einen direkten Vergleich zwischen theoretischem Konzept und

praktischen Erfahrungen. Die ausgewählten Beispiele, die meine Beobachtungen

erläutern und belegen, sind jeweils Auszüge aus den Mitschnitten von unterschiedlichen

Mediationsgesprächen (Vgl.: Anhang IX) oder Kommentare von Schülern, an die ich

mich erinnere, die aber nicht im Anhang zu finden sind.

3.3.2.1 Prinzip der Freiwilligkeit In der Erprobung beobachte ich unterschiedliche Reaktionen auf das Angebot von

Streitschlichtung durch einen Mediator.

Es gibt Schüler, die wirklich ein Problem haben, dass sie klären wollen und damit zu

mir kommen (z.B.: Nr. 1, 2, 15, 1836). Andere Schüler kommen am Anfang aus Neugierde,

was hier wohl passiert und haben eigentlich kein wirkliches Problem. Das stellt sich

sehr schnell heraus: So brach Leyla schon an der Tür in Lachen aus, als sie mir dramatisch erzählen

wollte, welches Problem sie mit Mauro habe. Der größte Teil der Schüler wird allerdings von Lehrern geschickt, die sie darauf

hinwiesen, dass ein Mediationsgespräch ihnen (und damit auch dem Fortgang des

Unterrichts in der Klasse) eventuell weiterhelfen könnte. Einige dieser Schüler sind

dann zunächst ziemlich abweisend: Rene: „So ein Kindergarten, die [damit meinte er die beiden,

mit denen er zur Mediation kam] verstehen doch sowieso nicht, was ich ihnen sage!“(Nr.16) Andere

Schüler wissen trotz Einführung nicht, was in der Mediation passiert und erwarteten

eine Art von Bestrafung (Saabit.:„Ist das jetzt hier Gericht, oder was?!“(Nr.12)) oder dass ich

die Sache für die Streitenden möglichst schnell regele: Steve.:„Jetzt sagen sie doch mal was,

der lügt doch, Alter!“ (Nr.11).

In besonderen Fällen, sehen die Schüler in der Mediation zunächst keine Chance für

sich, sondern empfinden die Mediation selbst bereits als Strafe: Mauro, Cosimo und Steve

hatten bereits riesigen Ärger und ein Gespräch mit dem Schulleiter gehabt, weil sie sich zum

wiederholten Male sehr massiv geprügelt und dabei verletzt hatten. Es war die Rede vom Schulverweis

für den einen Schüler. Der Schulleiter bot ihnen die Mediation als letzte Chance an. Zu ihrem Termin

kamen sie daher nur, um nicht von der Schule verwiesen zu werden und waren dann erstaunt, dass sie

den selben Vorfall nur noch einmal erzählen sollten. (Nr.11) Schließlich gibt es immer dann Probleme für mich, das Prinzip der Freiwilligkeit

einzuhalten, wenn ein Schüler (Sch 1) mit einem für ihn sehr wichtigen Problem

kommt, der andere (Sch 2), den dieses betrifft aber (oft aus dem Grund, weil er schon

ahnt, dass das, was er da mit dem anderen macht nicht in Ordnung ist) nicht zur

36 Die Zahlen in den Klammern hinter Beispielen kennzeichnen die Gespräche im Anhang IX. Z.B.: (Nr.1) bedeutet: Das erste Gespräch in der Auflistung aller Mediationsgespräche im Anhang IX vom 20.01.03.

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

20

Mediation kommen will. Zunächst bin ich in diesem Fall mit Sch 1 in die Pause

gegangen und habe Sch 2 darauf angesprochen, dass es Sch 1 sehr wichtig wäre, mit

ihm zu sprechen. Ich mache allerdings in anderen Fällen direkt über die Klassenlehrer

einen Termin aus, der für die betreffenden Schüler dann Pflicht ist und den sie in der

Regel dann auch tatsächlich wahrgenehmen.

3.3.2.2 Regeln und Struktur der Mediation Die Formalitäten am Anfang eines Mediationsgespräches (Namen der Beteiligten

aufschreiben, Regeln im Mediationsraum wiederholen und das Thema des Konfliktes

formulieren) haben eine besondere Wirkung: Ich beobachtete, dass sich die Schüler zum

einen beruhigen und kurz von ihren (hochgekochten) Emotionen abgelenkt sind. Zum

anderen fühlen sich die Schüler durch die „offizielle“ Begrüßung mit ihren Konflikten

sehr ernst genommen: „Wir müssen hier die Wahrheit sagen, gell? Wie im Fernsehgericht!“(a.d.E.)

Außerdem wird durch das Festhalten des Themas bereits ganz am Anfang sichergestellt,

dass beide Schüler wissen, warum sie hier sind und welcher Konflikt besprochen wird.

Den formulierten Konflikt kann ich im Verlauf des Gesprächs auch immer wieder

erwähnen, wenn plötzlich von Streitereien oder Vorfällen geredet wird, die mit dem

Konflikt (zumindest vordergründig) nichts zu tun haben und das Mediationsgespräch,

insbesondere die Erhellungsphase, nur künstlich in die Länge ziehen führen würden: Asma:„Dann hat die mich beleidigt!“ Merve:„Egal, aber in letzte Woche oder so da hab ich ihm gesehen

mit Betül und da ...“ Mediator: „Gut vielleicht können wir da nachher noch einmal drauf eingehen, lass`

uns erst mal bei eurem Konflikt heute in der Pause beim Brötchenverkauf bleiben!“ (Nr.9) Besonders schwer fällt den Schülern die Regel, dass stets nur einer spricht. Dem

anderen zuhören und ihn ausreden zu lassen, ist oft nur mit vielen Unterbrechungen und

erneutem Wiederholen der Regeln möglich. D.h. ich lasse Sch 1 einen Teil des Vorfalls

schildern, spiegele diesen beiden Schülern und lasse dann Sch 2 ebenfalls bis zu diesem

Punkt berichten. Diese schnelleren Wechsel verhindern zum einen, dass sich Sch 1 sich

nicht mehr erinnern kann, was denn nun Sch 2 gesagt hat, weil sowohl seine

Aufmerksamkeitsspanne, als auch seine Aufnahmefähigkeit bereits ausgeschöpft sind. Nach einer langen und komplexen Schilderung von Mauro fragte ich Steve: „Hast du jetzt gehört, was

Mauro gesagt hat?“ Steve antwortet gelangweilt: „Ja, Ja!!“. Die Empathie und die Aufgebrachtheit, mit

der er während des Erzählens immer wieder versucht hat Mauro zu unterbrechen, hat Steve jetzt völlig

aufgegeben und er lässt die Mediation nicht mehr an sich heran. (Nr.11)

Andererseits haben die Schüler zum Teil auch ein ausreichend ausgeprägtes Gefühl für

Zeit, so dass sie sich ungerecht behandelt fühlen, aus der Überzeugung heraus, dass der

andere viel mehr erzählen darf: Cosimo: „Und dann habe ich...“ Steve:„ Wann bin ich mal dran?“

Mediator: „Gleich!“ Cosimo:“ Also, ich habe den Ball...“ Steve: „Ich komme nie dran!“ Mediator:

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

21

„Doch! Gleich darfst du alles erzählen.! Cosimo: „Der hat dann mich voll ...“ Steve: „Das ist voll

ungerecht ich darf hier gar nichts sagen!“ (Nr.11) Besonders schwer fällt es den Schülern, keine Schimpfwörter zu verwenden, weil das

die Form ist, in der viele ihre Gefühle normalerweise ausdrücken. Alternativen, wie das

Versenden von Ich-Botschaften, wie sie in der Mediation vorgesehen ist, kennen die

Schüler nicht und können sie zum Teil einfach nicht anwenden. Mediator: „Wie war das für

dich, als Leonardo da mit Sascha auf dem Schulhof zusammen war?“ Selςuk: „ Seine Mutter ist doch

selber eine Hure!“ Mediator: „ Ich merke, dass du ziemlich sauer auf ihn warst und ihn am Liebsten

ganz tief treffen wolltest. Vielleicht warst du auch enttäuscht?“ Selςuk: „Mmmh, aber der Arme[aktuelles,

schlimmes Schimpfwort], was macht der so?!“.(Nr.19)

3.3.2.3 Darstellung der Konflikte Bei der Darstellung der Konflikte in der Erhellungsphase fallen mir ganz besonders

viele Unterschiede zu den Erfahrungsberichten über Mediation in Regelschulen auf. In

besonderer Weise sind hier die Ausdrucksfähigkeit, das Erinnerungsvermögen, bzw. die

Aufnahmefähigkeit und die Fähigkeit zur Reflexion zu erwähnen. Ich möchte diese

Beobachtungen anhand von Beispielen differenzierter ausführen:

Eine erlebte Situation oder einen Konflikt genau zu beschreiben fällt besonders den

Schülern schwer, denen sprachlich dazu die Mittel fehlen. Diese Schwierigkeiten in der

sprachlichen Ausdrucksfähigkeit, haben wiederum ganz unterschiedliche Folgen:

Viele Kinder haben auf Grund von fremdsprachlicher Herkunft Schwierigkeiten mit der

deutschen Sprache.37 In diesem Fall beschreiben die Schüler eine Situation und vor

allem ihre Gefühle in einer Situation sehr viel weniger detailliert und damit auch für

seinen Gegenüber weniger vorstellbar . Cagla: „ Im Bus-da sind die-hinten und gucken und

lachen und kommen!“ Erst nach vielen Nachfragen wurde für mich deutlich, dass Alex und seine Freunde

Cagla bedrängt und belästigt haben. (Nr.13) Ein sehr reduzierter Sprachschatz führt dazu, dass ihnen in ihrer Schilderung ganze

Worte fehlen, so dass die beschriebene Situation zum Teil unverständlich wird und

sowohl der Mediator als auch die andere Konfliktpartei nur ein unzusammenhängendes

Bild des Konflikts bekommt.

Aber auch Schüler mit einem relativ guten Wortschatz sind teilweise nicht in der Lage,

ihre Emotionen auszudrücken. Es fällt auf, dass diese Schüler Situationen sehr einsilbig

und undifferenziert beurteilen: „Find` ich schlecht“ „Ist scheiße!“ „Nicht gut.“ Und auf die Frage

vom Mediator: „Wie ging es dir?“ Häufige Antort: „Weiß ich nicht!“(a.d.E.)

Es liegt nahe zu vermuten, dass diese Schüler zu Hause nicht oft nach ihren Gefühlen

gefragt werden, so dass sie diese Art der Beschreibung einfach nicht gelernt haben oder 37 Im Schuljahr 2001 waren 59% der Schüler Ausländer aus 23 Nationen. Das entspricht einem Ausländeranteil, der ungefähr doppelt so hoch wie in Frankfurt insgesamt ist. Vgl.: SCHULPROGRAMM DER BÜRGERMEISTER-GRIMM-SCHULE (2001), 3

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

22

es ihnen sehr unangenehm ist, ihre Gefühle auszudrücken: Coskun hört von seinem Freund

Achille, dass der traurig ist, wenn er bei Unfug, den sie zusammen anstellen, die Schuld nur auf Achille

schiebt. Coskun trifft diese Aussage so, dass er mit den Tränen kämpft, aber auf meine Frage, ob es ihm

jetzt nicht so gut gehe antwortet er schluchzend: „Nein [schnieft] ist mir egal!“(Nr.10) Eine weitere Schwierigkeit bei der Darstellung des Konfliktes ergibt sich für die

Schüler aber auch daraus, dass ihr Erinnerungsvermögen und die Auffassungsgabe nicht

ausreichen, um die geschilderte Situation oder die Vorkommnisse im Ganzen zu

erfassen. Erlebte Dinge oder Situationen in der richtigen Reihenfolge aufzunehmen,

aber auch wiederzugeben, fällt den Schülern auch auf Grund von zahlreichen

Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen sehr schwer. Diese führen dazu, dass ein

Schüler tatsächlich eine Situation völlig anders erlebt und wahrgenommen hat, als sein

Gegenüber. Der wiederum kann die Darstellung nicht annehmen, weil er sich nicht

wiederfindet und wird schwerlich in der Lage sein, sich auf folgende Gespräche

einzulassen, da er annehmen muss, sein Gegenüber würde ihn belügen: C.:„Also dann hat

der Ch. Die Kondome allen in der Klasse gezeigt und uns natürlich auch.“ M.: Ch. Du hattest also

Kondome, die du den anderen Schülern der Klasse mal zeigen wolltest.“ Ch.: „Ich habe die keinem

gezeigt!“ C.: Aber du hattest die doch in der Hosentasche und hast die vorhin allen Schülern in der

kleinen Pause gezeigt!“ Ch.: „Ich hatte die in der Hosentasche und habe die keinem gezeigt!“ C.: „Du

kannst doch alle in der Klasse fragen Frau Bunke, auch Frau M. der hat so eingepackte, grüne Kondome

gezeigt.“... Auch nach noch längerem Diskutieren war Ch. der festen Überzeugung, dass er die Kondome

niemand gezeigt hätte, weil er sie auch niemanden zeigen wollte. Ch. hatte die Situation für sich

vollkommen anders interpretiert und abgespeichert und war der absoluten Überzeugung, dass er die

Wahrheit beschreibe. (Nr.14) Geringe Fähigkeiten der Schüler, zu strukturieren und Zusammenhänge zu erkennen,

tragen ihren Teil dazu bei, dass die Erhellungsphase für Mediator und beide

Konfliktparteien mit sehr viel Anstrengung verbunden ist. Me.: „...Guck, die war da erst mit

meinem Freund zusammen, also der war mal mein Freund, ich habe den nicht...schon lange nicht mehr,

der ist voll Scheiße, gell, A.? Und da guck in dem Kino war die mit ihre Cousinen und auch mal da hat

die so über mich gesagt, aber das hat die auch noch mal gesagt, gell, da wo wir in die Stadt...“ (Nr.9)

Für die Erhellungsphase bedeuten geringe Aufmerksamkeits- und

Aufnahmenmöglichkeiten aber auch, dass der jeweils zuhörende Schüler bei den

Darstellungen u.U. ganze Teile der Darstellung ausblendet, weil er/sie nichts mehr

verarbeiten oder aufnehmen können. M: „Hast du verstanden, was B. sich von dir wünscht?“ C:

„Ja!“ M: „Kannst du es noch mal in Deinen Worten ausdrücken?“ C: „Ich hab´s vergessen!“ (Nr.10) Psychische Schwierigkeiten, die viele Schüler der Bürgermeister-Grimm-Schule mit

sich herumtragen, zeigen sich oft eben auch in der Position des Empfängers, der alles

um ihn herum gesagte und erlebte zunächst auf sich bezieht und davon ausgeht, dass es

prinzipiell negativ und gegen ihn gerichtet ist: Mohammed:„Ich möchte ja mit dir befreundet

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

23

sein!“ René: „Der soll mich nicht beleidigen!“ Meron: „Hast du gehört, was er gerade zu dir gesagt

hat?“ René: „Der mag mich doch gar nicht, keiner kann mich leiden! Ich mach` den fertig!“ Meron: „Er

hat dir gerade gesagt, dass ihm eure Freundschaft wichtig ist!“ René: „Ich sag doch, der soll das Maul

halten, und mich nicht beleidigen!“. (Nr.16) Schwierig empfinde ich es, wenn die Schüler z.T. nicht in der Lage sind, aus meinen

Anregungen aktiv eigene Aussagen oder Fragen zu formulieren: Mediator: „Dann frag ihn

doch mal, ob er mit dir befreundet sein will!“ Pedro: „Ja!“, Mediator: „Frag du ihn jetzt!“ Pedro: “Was

soll ich jetzt sagen?“ Mediator: „ Ob er mit dir befreundet sein möchte!“ Pedro: „Ja, will ich doch!“

(Nr.4). In diesem Fall muss ich ganze Gesprächsteile für die beiden formulieren, was die

Neutralität des Mediators für mich in Frage stellt. Mediator: „Versuch es mit: Hey Massimo,

willst du eigentlich überhaupt mit mir befreundet sein?!“(Nr.4) Meiner Meinung nach ist zum Teil

schon fast ein Therapeut nötig, der für die beiden spricht, weil sie sich das nicht sagen

können.

Als schwierig empfinde ich es allerdings auch, wenn ein Schüler dem anderen

sprachlich über-, bzw. unterlegen ist: Phillip braucht eine halbe Ewigkeit, bis er mir, aber auch

Gülςan vermittelt hat, worin für ihn das Problem liegt. Gülςan findet das inzwischen so langweilig, dass

sie lieber gar nicht mehr zuhört, weil sie ja sowieso viel schneller und detaillierter beschreiben kann, was

tatsächlich passiert ist. (Nr.3) Andererseits verstehen Schüler mit sehr geringen

Sprachkenntnissen oft nicht, was der andere Schüler von ihnen will.

Ich denke, dass deutlich geworden ist, welch große Rolle der Sprache und der

Ausdrucksfähigkeit in der Mediation zu kommt, über die viele unserer Schüler auf

Grund unterschiedlichster Faktoren nicht verfügen.

3.3.2.4 Rolle des Mediators In der Rolle des Mediators werde ich erstaunlicherweise von den Schülern von Anfang

an akzeptiert. Selbst wenn ich mit Schülern aus meiner Klasse direkt aus dem Unterricht

in das Mediationszimmer gehe, verhalten sich die Schüler der Mediatorin Frau Bunke

plötzlich ganz anders gegenüber als zuvor der Lehrerin Frau Bunke: Coskun und Nilüfer

hatten in der Klasse von beiden Seiten gleichzeitig versucht, mich von ihrer Unschuld zu überzeugen.

Dabei redeten sie wild auf mich ein und beschimpften sich noch über meinen Kopf hinweg. Als wir jedoch

das Mediationszimmer betraten, wurden beide ganz still und schauten mich erwartungsvoll an. (Nr.3) Generell fällt mir auf, dass ich in den Mediationsgesprächen teilweise sehr bestimmend

auf die Regeln hinweise, so dass ich nicht immer nur vermittelnd, sondern auch

teilweise reglementierend wirke. Außerdem erfordert die Rolle des Mediators bei

Schülern mit den oben beschriebenen Schwierigkeiten in der Kommunikation, dass hier

teilweise mit viel Einfallsreichtum und einem Repertoire an Methoden Hilfestellungen

angeboten werden müssen: Phillip war nicht in der Lage aus meinem Vorschlag, „Sag ihr doch, das

du gerne mit ihr spielen möchtest“ einen eigenen Satz zu formulieren, den er Gülςan sagen konnte. Aber

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

24

Gülςan wartete auf seine Antwort. Um sie nicht zu enttäuschen und die Kommunikation aufrecht zu

erhalten, setzte ich mich hinter Phillip Und sprach für ihn. Er schien sehr erleichtert zu sein und auch

Gülςan war mit dieser Form zufrieden. (Nr.2)

3.3.2.5 Zeitpunkt der Mediation Schon in der Einführung war eine der häufigsten Fragen: „Was ist, wenn ich mich donnerstags

in der zweiten Pause streite? Dann ist doch der Raum hier gar nicht auf.“(Vgl. Anhang III) Ich

beobachte hier ein Problem, dass sich meiner Meinung nach für Regelschulen nicht in

diesem Maße ergibt. Da die Schüler mit sich selbst und den Beziehungen um sie herum

beschäftigt sind, geraten oft Angebote oder Ideen von außen in Vergessenheit. Ich

denke in der Bürgermeister-Grimm-Schule müsste Mediation noch viel offensichtlicher

und präsenter sein, als sie es mit den vergleichsweise kurzen Öffnungszeiten an drei

Tagen in der Woche für die Schüler ist. Vor allem weil es den Schülern sehr schwer

fällt, ihre Bedürfnisse aufzuschieben. Ein Konflikt, der am Dienstag sehr akut ist, kann

am Mittwoch bereits wieder vergessen sein. Das Problem allerdings, dass sich hinter

dem sichtbaren Streit verbirgt, besteht weiter und kann jederzeit wieder entflammen.

Enttäuschungen, dass sie ihr Problem zwar klären wollen, zu dieser Zeit aber keinen

Mediator vorfinden, können aber auch dazu führen, dass die Schüler beim nächsten Mal

überhaupt nicht mehr kommen: Mohammed und Rene wollten eine alte Geschichte bei einem neuen

Termin besprechen, weil der Streit um ein Fußballspiel nach dem ersten Mediationsgespräch für die

beiden gar keine Bedeutung mehr hatte. Im Überprüfungszeitraum in der nächsten Woche war es für

mich schwer, die Möglichkeit für ein Gespräch einzurichten. Anschließend waren beide nicht mehr bereit,

ihre alte Geschichte zu klären. (Vgl. Nr.16) Als problematisch sehe ich den daraus resultierenden Widerspruch an, dass die Schüler

unserer Schule zwar einerseits auf Grund geringer Frustrationstoleranz eine zeitnahe

Mediation benötigen, andererseits aber dann auch emotional so aufgeladen sind, dass

eine ruhiges Gespräch kaum möglich ist.

3.3.2.6 Dauer der Mediation Besonders wichtig ist mir die Darstellung meiner Beobachtungen in diesem Punkt. Ich

sehe ein großes Problem und für mich unlösbaren Widerspruch in der Dauer, die die

Schüler in der Bürgermeister-Grimm-Schule für ein Mediationsgespräch benötigen. In

zahlreichen Gesprächen wird deutlich, dass auch für größere Schüler der achten und

neunten Klassen ein Gespräch, dass länger als 20 Minuten dauert, kaum auszuhalten ist.

Die Schüler fangen an, sich auf den Stühlen zu winden, können Gesprächsergebnisse

nicht mehr aufnehmen und sich an ihre eigenen Wünsche, Forderungen oder

Schilderungen nicht mehr erinnern. In der Folge beginnen sie wieder sich zu beleidigen.

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

25

Aber im Gegensatz zu ihrer äußerst niedrigen Konzentrations- und

Aufmerksamkeitsspanne, dauert die Erhellungsphase extrem lange, weil die Schüler

immer weiter ausholen, Orte und Zeiten durcheinanderbringen, sich nicht richtig

erinnern können und häufig eine Situation, die wir im Gespräch bereits für beide

annehmbar erhellt haben, wieder von vorne in Frage gestellt wird: Leonardo: „Ich wollte

nicht deine Mutter beleidigen und es tut mir leid!“ Selςuk: „Aber du hast du Hurensohn gesagt!

Leonardo:, „Ja aber das habe ich für dich gemeint, es tut mir leid!“ Selςuk:„Frau Bunke haben sie

gehört, der hat Hurensohn gesagt, ich bringe dich um!“ Meditor: „Hast du gehört, das er nicht deine

Mutter gemeint hat?“ Selςuk: „Ja, aber der hat doch meine Mutter beleidigt!“ (Nr.19) Auch die oben aufgezeigten sprachlichen Schwierigkeiten bei der Darstellung der

Konflikte führen dazu, dass die Schüler in der letzten Phase keine Geduld und

Konzentration mehr aufbringen können, um eine Lösung zu finden.

Das bedeutet eigentlich für die Mediation an unserer Schule, dass regelmäßige Pausen

oder aber ein Schnitt gemacht werden müssten, um am nächsten Tag an der Stelle

weiterzuarbeiten. Aus folgenden Gründen halte ich das für sehr ungünstig:

Zum einen müssten auf Grund der Vergesslichkeit und der geringen

Aufnahmemöglichkeiten der Schüler viele Punkte ganz von neuem besprochen werden,

die zuvor so mühsam erarbeitet wurden, so dass sich auch dieses Gespräch wieder sehr

in die Länge zieht.

Zum anderen haben die Schüler eine sehr geringe Aufschubtoleranz, d.h.: Cosimo:

„Entweder wir klären das jetzt hier oder ich komme hier gar nicht mehr hin, sondern kläre das auf meine

Art...Warte nur bis wir draußen sind!“(Nr.11)

3.3.2.7 Art der Konflikte Die Konflikte von Schülern, die ganz von alleine und freiwillig kommen, sind noch

nicht eskaliert in dem Sinne, dass hier nichts mehr zu machen ist. 38 Die Konfliktpartner

haben eigentlich ein großes Interesse an ihrer Freundschaft oder Beziehung zu einander: Phillip möchte doch eigentlich nur weiter mit den Mädchen spielen, aber die haben sich so entwickelt,

dass sie im Moment unter Mädchen bleiben wollen und kein Fangen mehr spielen wollen. Um doch noch

mit ihnen Fangen spielen zu können, wirft er Gülςan Küsschen zu, weil die sich dann so aufregt, dass sie

hinter ihm herrennt. Für Gülςan, die aus einer muslimischen Familie kommt, ist dieses Küsschenzuwerfen

sehr unangenehm und sie will lieber zu anderen Zeiten mit Pillip. spielen. (Nr.2)

Die Konflikte älterer Schülern sind häufig bereits eskaliert, d. h. es gab eine Prügelei,

Bedrohungen oder es wurden andere Schüler, bzw. die Familien derer in den Streit

einbezogen. Die von den aufgebrachten Schülern genannten Gründe oder Auslöser

erscheinen in diesen Fällen für Außenstehende zunächst eher alltäglich oder kindisch. In

38 Vgl.: Eskalationsstufen eines Konfliktes nach GLASL,1994, 215 und im Anhang XI

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

26

der Erhellungsphase wird häufig erst deutlich, welche Konflikte tatsächlich hinter den

kleinen Problemen versteckt sind: Selςuk und Leonardo kommen zur Mediation, weil es ziemlichen

Streit gab. Als Auslöser nennen beide eine Beschimpfung. Selςuk nennt Leonardo „Digimon“ und

Leonardo schimpft Selςuk „Hurensohn“. Nach längerem Gespräch war besonders Selςuk. in Tränen

aufgelöst, weil er hören musste, dass sein Freund, der in einer Klasse über ihm ist, auf dem Schulhof

lieber mit seinen Klassenkameraden zusammen sein möchte und nicht will, dass Selςuk mit seinen

„Kindergartenfreunden“ zu ihm kommt. Die Schimpfwörter waren im Verlauf des Gespräches kein

Thema mehr. (Nr.19) Wenn die Konflikte allerdings auch in den Bereich der Kriminalität hereinreichen muss

ich den Schülern transparent machen, dass weitere, folgende Konsequenzen unabhängig

von diesem Gespräch noch auf sie zu kommen werden. (Vgl.Nr.14: Klauen von Kondomen in

der Drogerie)

3.3.2.8 Alternative Handlungsmöglichkeiten und Lösungen Ich beobachte in sehr vielen Fällen, dass die Schüler trotz bereits klar formulierter

Gründe oder Lösungsansätze eine Einigung nicht sehen, bzw. den Vorschlag des einen

Schülers vom anderen nicht hören oder verstehen. Diese Schüler benötigen dann an

dieser Stelle entweder noch einmal meine Hilfe, indem ich Lösungsvorschläge mache: Mediator: „Sag mal könntet ihr euch vorstellen, was man sagen kann, wenn das mal wieder so ist, damit

er wirklich versteht, dass das für dich kein Spaß ist?“(Nr. 2, 8, 11, 13) Oder ich versuche die Konfliktlösung des einen dem anderen zu erklären, Mediator: „Du

ich habe jetzt gerade bei Rowel verstanden, dass er sich wünscht, dass du ihn beim nächsten mal wenn er

dich nervt, freundlich darum bittest, aufzuhören und ihn nicht gleich so fies anschreist.“ (Nr.18)

Bei manchen Schülern jedoch hilft das nicht, so dass wir nach einem Gespräch von 20

Minuten wieder bei Null anfangen müssen: Zwischen Senu und Samiel war eigentlich alles klar:

Dass nicht wirklich seine Mutter gemeint war, als Senu Hurensohn gesagt hat, dass Senu Samiels Eltern

sogar gerne mag, dass sich aber Samiel so toll aufregt und dass Senu im Unterricht manchmal einfach

langweilig ist, dass sie eigentlich Freunde sein wollen usw. In der Problemlösungsphas: Mediator: „Senu

was kannst du jetzt machen, damit du mit Samiel Freund bleiben kannst?“ Senu: „Nicht mit Samiel

streiten.“ Und was kannst du dafür machen?“ Samiel: „Weiß nicht...egal, dann gehe ich halt ganz weg

von dem, der Arme [Schimpfwort, s.o.], die Missgeburt!“ (Nr.5) Die Formulierung, aber auch das konkrete Aussprechen von Abmachungen und

Lösungen fällt den Schülern sehr schwer. Häufig sind sie bereit und gewillt, eine

Lösung zu versuchen, aber es fällt ihnen nichts ein und sie fordern Hilfe von mir ein

oder sie stützen sich auf das einzige Muster, dass sie kennen: „Ja,Ja, dann entschuldige ich

mich halt bei ihm.“ (a.d.E)

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

27

Ich beobachte auch, dass sich Schüler eine Lösung oder Abmachung häufig nicht in der

konkreten Umsetzung vorstellen können. Als Hilfestellung bitte ich sie, es für eine

Woche auszuprobieren und dann gegebenenfalls wieder zu kommen.

3.3.2.9 Medieneinsatz Ich habe mich schon im Vorhinein entschieden, im Mediationsraum unterschiedliche

Medien (Vgl.: Punkt 3.1.1) einzusetzen, die über die vorgeschlagenen in der Checkliste

für den Mediationsraum hinausgehen.

Der „Wer-spricht-Pfeil“ erweist sich als äußerst günstig, da er nicht nur sehr konsequent

die Richtung von Sprecher und Zuhörer anzeigt, sondern die Schüler selbst ihn als

Unterstützung ihrer Äußerungen nutzen können: René beendet seine Ausführungen damit, dass

er dem Pfeil einen ordentlichen Schubs gibt, so dass er jetzt auf Mohammed zeigt. „Ich habe alles gesagt,

jetzt bin ich gespannt, was du dazu sagst!“ drückt sich in dieser Geste sehr viel deutlicher aus, als es

René sprachlich hätte ausdrücken können. (Nr.16)

Die Visualisierung der einzelnen Phasen anhand des Wandplakates hilft den Schülern

die Struktur des Gespräches zu verstehen: Mediator: Willst du mal wissen, wie das für ihn war?

Soll ich ihn fragen, oder möchtest du ihn selbst fragen?“ Samiel:„Hey, Frau Bunke, da sind wir doch

noch gar nicht, wir reden doch noch nicht miteinander!“ (Nr.5) Insbesondere möchte ich aber noch auf weitere von mir eingesetzte Medien verweisen,

die ich sehr hilfreich finde, besonders bei komplexen Konflikten:

Durch Aufmalen oder Nachstellen von Situationen gelingt es den Schülern häufig eine

Konfliktsituation nachzuvollziehen und sich besser zu erinnern: Coskun und Nilüfer konnten

sich nicht einig werden, wann wer genau bei dem Feuer dabei war und wer es dann ausgelöscht hatte.

Als ich den Schulhof aufmalte, zeigten sie mir, wo die beteiligten Personen standen. Es wurde sehr

schnell klar, dass Nilüfer in der Zeit nicht gleichzeitig die Pausenaufsicht geholt und mit dem Feuer

gespielt haben konnte. Coskun konnte nachvollziehen, dass er selber viel zu aufgeregt gewesen war, als

dass er Nilüfer die ganze Zeit über beobachten hätte haben können. (Nr.3)

3.3.3 Die Reaktionen des Kollegiums

Anhand einer im Anhang beigefügten kurzen Lehrerbefragung (Vgl. Anhang VIII) und

den spontan geäußerten Kommentaren und Rückmeldungen von Lehrern meiner Schule,

fasse ich die Beurteilung der Erprobung durch das Kollegium im Folgenden zusammen:

Insgesamt haben die Lehrer die Mediation bereits in der Erprobungsphase sehr positiv

erlebt. Hauptsächlich empfinden sie eine Entlastung, wenn Konflikte, die nach ihrer

Einschätzung an unserer Schule noch sehr viel massiver auftreten, als an anderen

Schulen, nicht im Unterricht und vor der ganzen Klasse, sondern in Ruhe und ohne

Unterrichtsunterbrechung, geklärt werden. Entscheidend ist für sie auch, dass die

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

28

Schüler mit den Ergebnissen oder Lösungen der Streitschlichtung wesentlich

zufriedener zu sein scheinen, als mit Entscheidungen oder Regelungen, die in der Klasse

eben mal so schnell von Lehrern gefällt werden: Frau Schulze:„..ich halte die Mediation in

jeder Situation für die Kinder für sehr sinnvoll, weil sie einfach anschließend ein gutes Gefühl haben und

weiter gekommen sind, als sie es alleine oder vor der Klasse im Unterricht geschafft hätten.“39 Sie

empfinden es als eine Entlastung und wünschen sich Mediation fest an ihrer Schule. Die

Ergebnisse zeigen damit Zufriedenheit in Punkten, die auch andere Schulformen

bestätigen. Gerade aus einer Verzweifelung über einige Schüler und „...bei Konflikten, bei

denen ich einfach nicht mehr weiter wusste“, sehen sie Mediation als eine weitere Chance, dass

es eventuell doch noch Möglichkeiten in der Verhaltensänderung gibt.

Aber auch bei sich erleben die Lehrer Veränderungen: Frau M.: „Ganz besonders wichtig

finde ich, dass ich jetzt viel freundlicher mit den Schülern umgehen kann, wenn ich statt zu bestrafen nur

sagen brauche: „Na geht halt jetzt in die Mediation!““. Die Lehrer brauchen dann kein

schlechtes Gewissen zu haben, dass sie das Problem nicht sofort behandelt, um nicht die

ganze Klasse durch diesen Konflikt vom Lernen abzuhalten, aber dennoch nach dem

Prinzip „Störungen haben Vorrang“40 den Schülern eine Möglichkeit anbieten kann, wie

sie ihr aktuell wichtigstes Problem klären können.

Als ganz besonders schwierig schätzen die Lehrer für die Mediation an der

Bürgermeister-Grimm-Schule und auch generell an Schulen für Lernhilfe die geringen

Fähigkeiten ein, mit Konflikten anders umzugehen, als über körperliche oder verbale

Gewalt: Frau Schulze: „Also besonders schwierig finde ich für unsere Schüler, dass sie in Konflikten

keine anderen Handlungsalternativen kennen, als sich zu bedrohen oder zu beschimpfen.“ Sie sehen

im Umfeld der Schüler wenige Vorbilder, von denen das Reden über Probleme, aber

auch das ausdrücken von Gefühlen gelernt werden könnte. Auf Grund massiver

psychischer Probleme, halten sie es auch für unwahrscheinlich, dass diese Kinder die

„Zweite Wahrheit41“ des anderen Kindes überhaupt aufnehmen und verarbeiten können: „Da ist es ganz schwierig, eine Situation zu klären und herauszufinden, was da wirklich passiert ist, wenn

einige Schüler selber die Situation überhaupt nicht oder völlig anders wahrnehmen, als das die anderen

Schüler in dieser Situation erlebt haben.“ Einen großen Vorteil sehen die Lehrer an Mediation in einer Schule, in der täglich so

viele kleine und große Konflikte auftreten darin, dass die Schüler, aber auch sie eine

Möglichkeit haben, das Ausmaß oder die Dringlichkeit des Konfliktes besser beurteilen

und einschätzen zu können. Frau Mück.: „Wenn sie das (zur Mediation gehen) dann lieber nicht

wollen, merke ich, dass da andere Gründe dahinter stecken. Meine Schüler zum Beispiel brauchen dann

39 Die Folgenden Zitate sind Ausschnitte aus der Lehrerbefragung, die im Anhang VIII ausführlich aufgeführt ist. 40 Vgl.: COHN, 1994, 124 41 Vgl: DURACH, GRÜNER U. NAPAST, 2002, 32

3. PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN

29

die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse und probieren damit auch aus, wer zu wem hält. Ist der Streit

jedoch wirklich wichtig, dann nehmen sie das Angebot der Mediation auch gerne an und belasten nicht

die ganze Klasse[...]“.

Eine andere Lehrerin berichtet mir, dass sie beobachtet habe, dass zwei streitende

Schüler auf ihren Vorschlag hin, sie könnten mit ihrem Problem doch zur Mediation

gehen, begeistert reagiert hätten. Durch die gemeinsamen Planung des Besuches der

Mediation fand bei den beiden Schülern bereits schon wieder eine Annäherung statt.

Andere Lehrer berichten mir aus der Pausenaufsicht von der Wirkung der Mediation.

Einige Schüler, die in einen Konflikt verwickelt sind, winken beim Vorschlag des

Lehrers zur Mediation zu gehen ab, beruhigen sich und finden selber eine Lösung. Beide

Schüler schauen einander an, „Nee, ein Problem haben wir nicht miteinander, stimmt`s, ...?!“ und

bewegen sich mit einem Handschlag auseinander.

3.3.4 Resonanz seitens der Schüler

Generell waren die Schüler von Anfang an sehr interessiert an der Mediation, konnten

sich aber nicht so gut vorstellen, dass sie durch ein Gespräch tatsächlich ihre Konflikte

lösen könnten. Da fast in jeder Woche mindestens ein Mediationsgespräch stattfindet,

schienen diese Zweifel jedoch bei einigen Schülern abzunehmen.

Als schwierig empfinden die Schüler die festen Zeiten, weil sie sich diese trotz

Erinnerungszetteln in jeder Klasse nicht merken können und daher häufig in einem für

mich ungünstigen Moment sehr enttäuscht vor mir stehen, weil sie doch gerne zur

Mediation wollen, und fragen, ob die denn nun nicht geöffnet sei. In manchen Fällen

kommen diese Schüler nicht noch einmal wieder, was mich dann sehr beschäftigt (Vgl.

3.2.2-Zeitpunkt der Mediation).

Als sehr positive Rückmeldung sehe sind die Reaktionen der Schüler, wenn ich

Aufsicht habe oder durch die Schule gehe. Sie zeigen mir, dass die Kinder mich mit der

Mediation verbinden:„Frau Bunke, ich habe gar keinen Streit mehr!“(a.d.E.) oder: „Frau Bunke,

ich habe ein Problem mit XY. Ich brauche einen Termin.“(a.d.E.) oder aber, wenn es Streit gibt,

die umliegenden Schüler sofort von selber vorschlagen: „Damit könnt ihr doch zur Frau

Bunke gehen, die ist doch gerade da!“(a.d.E.). Das bedeutet für ein Mediations-Konzept für die

Bürgermeister-Grimm-Schule, dass das Mediationszimmer sowie die Mediatoren für die

Schüler noch viel offensichtlicher und präsenter sein müssen, um auch diese

ungewohnte Möglichkeit für sich in Betracht zu ziehen, bzw. überhaupt erst daran zu

denken.

4. Beurteilung der Erprobungsphase zur Mediation in der Bürgermeister-Grimm-Schule

29

4 BEURTEILUNG DER ERPROBUNGSPHASE ZUR MEDIATION IN DER BÜRGERMEISTER-GRIMM-SCHULE

“Mediation schien für sie (die Schüler) etwas angenehmes gewesen zu sein und nicht irgendwie etwas Schlimmes.“ (FRAU MAURER, Lehrerin an der Bürgermeister-Grimm-Schule, 02.April.2003) In meinen Ausführungen bis zu diesem Teil der Arbeit habe ich deutliche Unterschiede

und Widersprüche von Mediation in der Bürgermeister-Grimm-Schule gegenüber der in

Regelschulen herausgearbeitet. Inwiefern diese Unterschiede „typisch“ für Schulen für

Lernhilfe und damit die Modifikationen auch übertragbar auf andere Lernhilfeschulen

sind, kann ich nicht abschätzen. Aber indem ich meine Beobachtungen aus der

Erprobungsphase in der Bürgermeister-Grimm-Schule im Folgenden mit den

Erfahrungen der Friedrich-Fröbel-Schule, die Mediation schon seit einem Jahr für ihre

Schüler anbietet, vergleiche, kann ich anhand der Übereinstimmungen eventuell

einschätzen, welche Besonderheiten nicht allein aus besonderen und individuellen

Voraussetzungen an der Bürgermeister-Grimm-Schule resultieren.

4.1 BEDINGUNGEN FÜR SCHULEN FÜR LERNHILFE- EIN VERGLEICH MEINER BEOBACHTUNGEN MIT ERFAHRUNGEN DER FRIEDRICH –FRÖBEL-SCHULE –EINER SCHULE FÜR LERNHILFE

Die Friedrich-Fröbel-Schule orientiert sich ebenso wie ich im Projekt der

Bürgermeister-Grimm-Schule an Konzepten für die Regelschule. Größtenteils nutzen

sie Programme für die Grundschulen, da auch Frau Wolf, die für die Mediation

zuständige Lehrerin der Schule, einen Widerspruch zwischen dem Alter der Schüler und

den Fähigkeiten für die Darstellung des Konfliktes sowie der Konzentrationsspanne

sieht.

Auch den Grundsatz der Freiwilligkeit können sie größtenteils nicht einhalten, weil die

Schüler von Lehrern geschickt werden, bzw. Lehrer den Schülern Mediation

vorschlagen. Dafür entwickelten sie „Terminzettelchen“, mit denen die Lehrer ihre

Schüler bei der Mediation anmelden.

Frau Wolf sieht die Mediation in der Friedrich-Fröbel-Schule deshalb als so wichtig an,

weil es dadurch endlich einen Raum gibt, indem mit genügend Zeit Schülern richtig

zugehört werden kann. Dies kennen die meisten Schüler von ihren oft problematischen

Elternhäusern nicht: „Vieles regelt sich von allein, wenn einfach mal ganz in Ruhe gesprochen wird.“

Das individuelle Konzept der Friedrich Fröbel-Schule, sowie die praktische Umsetzung

entwickelten sich erst im Laufe der Erprobung in der Schule und sind auch noch nicht

abgeschlossen. Dennoch geht Frau Wolf davon aus, dass es in der Friedrich-Fröbel-

Schule keine Ausbildung von Schülern als Mediatoren geben wird, „[...] weil keine

4. Beurteilung der Erprobungsphase zur Mediation in der Bürgermeister-Grimm-Schule

30

geeigneten Schüler gefunden werden, weil die erst aus den höheren Klassen kommen könnten und dann

schon wieder weg sind, ehe sie aktiv werden können.“ Frau Wolf stellt ebenfalls insbesondere in der Konflikterhellungsphase große

Schwierigkeiten der Schüler fest, ihr Problem herauszuarbeiten. Frau Wolf: „Nur spiegeln

hilft den Schülern häufig nicht zur Lösung. Schüler reagieren häufig erst auf Bilder, Impulse oder

tiefergehende Fragen, die vom Mediator ausgehen und daher fast schon psychologische Fähigkeiten der

Mediatoren voraussetzen.“

Das bedeutet, dass auch in der Friedrich-Fröbel-Schule Modifikationen der

Regelschulkonzepte nötig sind, um auf die besonderen Voraussetzungen der Schüler

einzugehen und ihnen Mediation zu ermöglichen.

4.2 FRAGESTELLUNGEN, DIE SICH AUS DER ERPROBUNGSPHASE FÜR DIE INITIATIVPHASE ZUR MEDIATION IN DER BÜRGERMEISTER-GRIMM-SCHULE ERGEBEN

Aus den Ergebnissen und Beobachtungen in der Erprobungsphase und dem Vergleich

mit der Friedrich-Fröbel-Schule ergeben sich nach meiner Einschätzung folgende

Fragestellungen, die in einem Konzept für Mediation an einer Lernhilfeschule

besonders berücksichtigt und diskutiert werden sollten:

1. Inwieweit muss die Freiwilligkeit zur Teilnahme an der Mediation in allen Fällen aufrechterhalten werden?

2. Welche Regeln und Strukturen der Mediation müssen verändert werden, damit unsere Schüler konstruktive Gespräche führen können?

3. Wie können die Kinder bei der genauen Darstellung ihrer Konflikte und ihrer Gefühle unterstützt werden?

4. Inwieweit kann der Mediator Hilfestellungen für die Kommunikation geben, ohne die Rolle des allparteilichen Vermittlers zu verändern?

5. Wie kann man Zeitnähe zum Konflikt und damit ein Interesse an der Klärung für die Schüler ermöglichen, ohne dass die Konfliktpartner noch zu sehr mit ihren Emotionen beschäftigt sind?

6. Wie kann man es erreichen, dass die Schüler trotz einer geringen Konzentrationspanne und Ausdauer selbst komplexe Konflikte detailliert darstellen und klären können, ohne dass bei ihnen Frustration provoziert wird, indem man das Gespräch unterbricht und an einem anderen Tag weiterführt?

7. Welche Konflikte sind in der Bürgermeister-Grimm-Schule nicht für die Mediation geeignet?

8. Wie kann man die Schüler darin unterstützen, für ihre individuellen Konflikte alternative Handlungsmöglichkeiten und Lösungen zu finden?

9. Welche mediale Unterstützung ist für die Schüler sinnvoll und welche sollte man vermeiden?

4. Beurteilung der Erprobungsphase zur Mediation in der Bürgermeister-Grimm-Schule

31

4.3 ZUSAMMENFASSUNG DES THEORETISCHEN TEILS

Bis zu diesem Punkt der vorliegenden Arbeit habe ich verschiedene Schwierigkeiten

und Unterschiede bei der Erprobung der Mediation in der Bürgermeister-Grimm-Schule

und damit einer Schule für Lernhilfe gegenüber Mediation in Regelschulen beschrieben.

Es wurde deutlich, dass sich aus der Zusammensetzung und Individualität der Schüler

einer Schule für Lernhilfe auch besondere, i.S.v. individuelle Bedingungen für die

Einführung der Mediation ergeben.

Die Ergebnisse meines Projekts zu Erprobung von Streitschlichtung an der

Bürgermeister-Grimm-Schule fasse ich in fünf abschließenden Thesen zusammen, die

als Grundlage für meine Vorschläge und Modifikationen im dritten Teil dieser Arbeit

dienen:

I. Die Einführung von Schulmediation in einer Schule für Lernhilfe verlangt ein sehr individuelles Konzept, dass von den Lehrern der Schule erarbeitet werden muss.

II. Die Vorrausetzungen der Schüler, insbesondere die sprachlichen und reflexiven, müssen im Mediationskonzept einer Schule für Lernhilfe ganz besonders berücksichtigt werden.

III. Die Entwicklung dieses Konzepts ist nach der Einführung nicht abgeschlossen, sondern ist ebenso wie in Regelschulkonzepten in einen Prozess eingebettet, in dem sich die Mediation mit neuen Konflikten, neuen Schülern und neuen Kollegen stetig ändert.

IV. Die Mediation kann im Schulklima eine Menge verändern, wird aber die hohe Gewalt- und Aggressionsbereitschaft nicht abschaffen

V. Mediation ist in Schulen für Lernhilfe durchzuführen!

5. Konsequenzen aus den Beobachtungen

32

5 KONSEQUENZEN AUS DEN BEOBACHTUNGEN „Vor allem bei problematischen Schülern ist wichtig, gerade die positiven Verhaltensmomente [in der Mediation] durch verschiedene Verstärker zu stützen und weiter zu entwickeln.“ (Schulprogramm der Friedrich-Fröbel-Schule, 2002, 13) Mediation in dem Sinne, wie ich es in der vorliegenden Arbeit als Regelschulkonzept

dargestellt habe, ist in Schulen für Lernhilfe durchführbar. Das bestätigen auch die

wenigen Berichte und Erfahrungen aus anderen vergleichbaren Schulformen.42

Notwendige Veränderungen finden daher nicht im Prinzip oder im Verfahren der

Mediation statt, sondern in der konkreten, operativen Ausführung. Die folgende

Darstellung ist daher eine Liste oder Sammlung an Ideen und Ratschlägen, die ich für

die tatsächliche Einführung von Mediation in der Bürgermeister-Grimm-Schule für

wichtig erachte, um den Kindern den Zugang zu positivem Nutzen von Mediation zu

ermöglichen. Für andere Schulen für Lernhilfe könnte sie Anhaltspunkte für diejenigen

Bereiche geben, in denen auch bei ihnen eventuell Schwierigkeiten auftreten könnten

und Veränderungen wichtig sind.

5.1 NOTWENDIGE VERÄNDERUNGEN FÜR EIN MEDIATIONSKONZEPT 5.1.1 Prinzip der Freiwilligkeit

Wenn die Lehrer Schülern ein Mediationsgespräch als letzte Chance anbieten, kommen

die Schüler nicht freiwillig. Bei Schülern, die aber nie das Gespräch als eine Form der

Auseinandersetzung kennen gelernt haben, halte ich diesen Weg dennoch für richtig.

Eine Ablehnung des Mediationsgespräches muss bei diesen Schülern nicht unbedingt

heißen, dass sie den Konflikt nicht klären wollen, sondern dass sie keine andere

Möglichkeit kennen und sich nicht vorstellen können, wie sie in einem Mediationsraum

zu einer Lösung kommen sollen.

5.1.2 Regeln und Struktur der Mediation

Die Einhaltung der Regeln des Mediationsgespräches muss sehr konsequent gehandhabt

werden. Um der Wahrnehmung der Schüler entgegenzuwirken, der eine dürfe mehr

reden als der andere, ist es immer wieder erforderlich den Ablauf transparent zu

machen. Mit Hilfe der zusätzlichen visuellen Medien kann man das sich beschwerende

Kind, auch ohne den anderen zu unterbrechen, stumm mit einer Geste oder einem

Fingerzeig auf den Ablaufplan beruhigen.

Konsequent heißt in diesem Fall aber nicht, dass derjenige, der Schimpfwörter

verwendet, vor die Tür gesetzt wird, sondern dass ihm Alternativen zum Ausdrücken

seiner Emotionen seitens des Mediators angeboten werden müssen. Die Spiegelung

42 Vgl.: SIEBERT, 2003; BITZER-SCHROEDER, 2002; Gespräch mit Frau Wolf über die Friedrich-Fröbel-Schule im Anhang V, Beispiel der Pestalozzischule(Schule für lern- und geistigbehinderte Schüler) in Emden unter: http://sowe.fho-emden.de/Projekte am 24.07.2003

5. Konsequenzen aus den Beobachtungen

33

nimmt hier eine sehr wichtige Rolle ein, in der der Mediator auch umformulieren hilft:

„Du Arschloch!“ heißt: „Ich mag dich, aber ich bin so sauer auf dich, dass du mir-deiner besten

Freundin- das Mäppchen runterwirfst, dass ich jetzt auch dich möglichst tief treffen möchte.“43 5.1.3 Darstellung der Konflikte

Bei der Darstellung von Situationen und Konflikten sollte der Mediator nicht erst am

Ende eine gespiegelte Zusammenfassung geben, sondern auch kleine Schritte und

Abfolgen wiederholen und bis zu diesem Punkt von beiden Parteien bestätigen lassen.

Bei sehr komplexen Situationen ist das Aufmalen des Ortes mit dem Standpunkt aller

am Konflikt Beteiligten sehr hilfreich, um Verstrickungen im weiteren Verlauf

vorzubeugen: Coskun:„ Aber da war ich doch gar nicht dabei“ Mediator:„Doch, schau mal, du

standest doch genau hier an der Treppe.“ Coscun: „Ach so, ja da schon!“(Nr.3)

Eine schwere Aufgabe sehe ich für den Mediator in der Gradwanderung, den Schülern

möglichst viele Strukturierungs- und Formulierungshilfen zu geben, ohne beeinflussend

zu wirken. Dennoch werden die oben beschriebenen Schwierigkeiten in der

Erhellungsphase der Mediation nicht grundsätzlich zu beseitigen sein. Ein Mediator

kann sich hingegen eventuell bewusst darauf einstellen, indem er mehr Zeit und Geduld

einplant.

5.1.4 Rolle des Mediators

Sehr schwierig bleibt die Vertraulichkeit immer in den Fällen, in denen die Schüler von

ihren Lehrern oder dem Schulleiter Mediation als letzte Chance „aufgebrummt“

bekommen haben und dann natürlich auch wissen wollen, was denn nun gelaufen ist.

Denn auch ihr Vertrauen in die Mediation, bzw. den Mediator bleibt nur dann bestehen,

wenn sie Mediation als etwas sinnvolles empfinden und erleben. Ein Hinweis auf den

Anlass des Streits Mediator: „Es ging doch eigentlich nicht um den Fußball, sondern es steckten ganz

alte Sachen dahinter.“ und die Art der Einigung Mediator: „Sie sind jetzt beide eigentlich ganz froh,

dass sie sich gut geeinigt habe!“(zu Nr. 16) halte ich in diesem Fall auch vor den Schülern

vertretbar.

Bei Taten, die strafbar sind oder die anderen schaden, muss den Schülern transparent

gemacht werden, dass unabhängig von diesem Gespräch Polizei, Eltern o.ä. informiert

und eingeschaltet werden müssen.

5.1.5 Zeitpunkt der Mediation

Die Erweiterung der Öffnungszeiten betrachte ich als einen sehr wichtigen Punkt. Mich

kennen die Schüler schon als Mediator und sprechen mich direkt an, ob sie nicht „einen

Termin“ haben könnten. Daher halte ich eine Bereitschaft in allen Pausen vom

43 Vgl. zur Umformulierung von Du-Botschaften in Ich-Botschaften auch: MILLER, R, 2002, 12ff

5. Konsequenzen aus den Beobachtungen

34

Lehrerzimmer aus für denkbar, wenn mehrere Lehrer als Mediatoren bekannt wären.

Möglichkeiten für Termine auch außerhalb bestimmter Öffnungszeiten müssen gerade

für Konflikte, die nach der Schule oder in anderen Zusammenhängen entstehen,

gegeben sein, weil die Schüler erfahrungsgemäß drei Tage später ein Gespräch über

diesen Streit nicht mehr als sinnvoll erachten. Das Problem hinter dem Streit aber bleibt

für die beiden ungeklärt, so dass sie innerhalb kürzester Zeit sicher wieder aneinander

geraten werden.

Um eine gute Erreichbarkeit eines Mediators zu gewährleisten, müssen aus einem

Kollegium mehrere Mediatoren zur Verfügung stehen, d.h. sich bereit erklären.

Besonders hilfreich für erfolgreiche Mediationsgespräche wäre in diesem Falle

zusätzlich, dass sich einzelne Schüler an bestimmte Mediatoren wenden können, denen

sie besonders vertrauen.

5.1.6 Dauer der Mediation

Zum einen sehe ich die Begrenzung der Mediation auf eine gewisse Zeit als sehr

hilfreich, weil in unserer Schule eigentlich kaum ein Schüler die Konzentration

aufbringen kann, länger als 20-30 Minuten ernsthaft an einem Thema zu arbeiten. Zum

anderen ergibt sich das große und für mich unlösbare Problem durch die Tatsache, das

besonders die älteren Schüler mit Konflikten kommen, die der Komplexität und Tiefe

denen ihrer Altersgenossen in der Regelschule entsprechen. Unterschiedlich sind

hingegen die Fähigkeiten der Schüler diesen Konflikt darzustellen (Vgl.: 3.2.2), so dass

besonders die Konflikterhellung, aber auch die folgenden Phasen sehr viel länger

dauern. Die Unlösbarkeit des Problems liegt darin begründet, dass gerade diejenigen

Schüler, die diese lange Zeit benötigen, nicht die Konzentration aufrecht erhalten

können, wie das Regelschüler in ihrem Alter könnten.

Es erscheint mir aber aus oben genannten Gründen ebenso wenig sinnvoll, längere

Pausen zu machen oder gar das Gespräch an einem anderen Tag weiterzuführen.

Offensichtlich muss man sich als Mediator auf diese Schwierigkeit einstellen.

5.1.7 Art der Konflikte

In diesem Punkt gibt es nur eine Änderung. Denn auch wenn sich Konflikte von denen

der Schüler in Regelschulen inhaltlich unterscheiden, so hat das auf die Mediation keine

Auswirkung.

Entscheidend ist vielmehr, dass Mediation auf Schulkonflikte begrenzt bleiben sollte.

Ich musste feststellen, dass ich mich nicht qualifiziert fühle, darüber hinaus die

Verantwortung zu übernehmen. Unsere Schüler werden z.T. zu Hause mit so vielen und

massiven Probleme konfrontiert, dass mir in diesen Fällen ein Gespräch mit dem

5. Konsequenzen aus den Beobachtungen

35

Klassenlehrer und die Hilfe von Beratungsstellen und Organisationen sinnvoller

erscheint, als ein Mediationsgespräch z.B. mit den Eltern. Als zusätzliche Möglichkeit,

z.B. für Mediationsgespräche zwischen Kollegen, sehe ich externe Mediatoren, die die

Mediation übernehmen.44

Konflikte, die nicht in der Mediation behandelt werden, sind für mich Probleme, für die

bereits Regeln bestehen, um niemand zu gefährden und den Schulbetrieb aufrecht zu

erhalten. So z. B. die Schulordnung. Wenn ein Schüler einen Konflikt mit einem Lehrer

hat, weil dieser von ihm verlangt, morgens pünktlich in die Schule zu kommen, M. aber

viel lieber ausschlafen will, brauchen die beiden nicht in die Mediation zu gehen, weil

die Schulpflicht im Schulgesetz diesen Konflikt regelt.

5.1.8 Alternative Handlungsmöglichkeiten und Lösungen

Ideen und Formulierungen von Lösungen können meiner Meinung nach auch in

Zusammenarbeit mit dem Mediator entstehen, ohne dass die Allparteilichkeit in Frage

gestellt ist. Schüler sollten vom Mediator Hilfestellungen bekommen, bevor sie selbst

keine Ideen haben oder nicht wissen, was von ihnen verlangt wird. Insbesondere nach

einem sehr konstruktiven und erhellendem Gespräch könnten die Schüler ansonsten

eine solche Frustration erfahren, dass sie sich verschließen oder aber auf ein bekanntes

Muster zurückzugreifen „Ach so ja, ja ich entschuldige mich doch!“(a.d.E.). Oftmals reicht auch

ein Vorschlag, der den Schülern hilft zu verstehen, was von ihnen verlangt wird, um

dann selber daraus eine Lösung für sich zu entwickeln.

5.1.9 Medieneinsatz

Den Medien im Streitschlichterraum kommt in der Schule für Lernhilfe eine besonders

wichtige Rolle zu. Die bereits in der Vorbereitung genannten Hilfsmittel „Wer-spricht-

Pfeil“, Ablaufraster und feste Plätze helfen den oft sehr unstrukturierten Kindern, ihre

Konflikte darzustellen, indem sie die vorgegebenen Strukturen nutzen aber nicht

verstanden haben müssen. Sie brauchen nur auf vorgegebene Fragen und

Aufforderungen zu reagieren. Zettel hingegen, auf denen sie ihre Wünsche aufschreiben

sollen, haben sich als unpraktisch erwiesen. Die wenigsten Schüler können gut

schreiben und assoziieren damit etwas sehr Negatives und nicht zu ihnen Gehöriges.

Eine Tafel oder große Blätter zum Festhalten wichtiger Gesprächs- bzw. Konfliktpunkte

sind eben auch aus in Punkt 3.2.2 genannten Gründen sehr wichtig, um Szenen und

Abläufe zu erfassen.

44 Das HELP bietet für besonders schwierige Konflikte an, dass die Mediatorenausbilder zur Mediation in die Schule kommen. DIE AGBS- AKTIONSGEMEINSCHAFT FÜR BEWEGUNGSORIENTIERTE SOZIALARBEIT E.V. bietet kostenlose Konfliktschlichtung nach Jugendstrafsachen und Täter-Opfer-Ausgleich an. Oftmals gibt es ähnliche Angebote auch seitens des Jugendamtes.

5. Konsequenzen aus den Beobachtungen

36

Besonders wichtig schätze ich die Methode ein, Schüler anhand des Rollenspiels

Situationen konkret erfahren zu lassen. Ich habe dabei festgestellt, dass es den Schülern

leichter fällt, ihre „zwei Wahrheiten“( Vgl.: DURACH, GRÜNER U. NAPAST, 2002, 32) mit

oder an mir zu zeigen, als mit dem verstrittenen Anderen, dem sie nicht vertrauen und

der ja auch wieder nur gemäß seiner Wahrnehmung reagiert.

5.2 ERGÄNZENDE MODIFIKATIONEN

Über die konkreten Veränderungen innerhalb des Mediationsgespräches hinaus, könnte

der Raum näher an den Schülern, z.B. neben die Pausenspieleausleihe, und damit in

ihrer Erinnerung bleiben. Als nützlich stelle ich mir auch eine Art „Mediations-

Bereitschafts-Handy“ vor, mit dem Lehrer ankündigen können, dass Schüler kommen,

damit nicht Mediation zur Ausrede für eine Pause wird, aber auch umgekehrt als

Rückmeldung an die Lehrer, damit diese ihre Schüler nicht vermissen.

Vorstellbar wäre in diesem Zusammenhang auch ein Karten-Modell wie es in der

Johann-Wichern-Schule, einer Sonderschule in Niedersachsen, beschrieben wird.45, Die

Schüler bekommen eine rote Karte vom Lehrer, wenn dieser der Ansicht ist, die zwei

sollten ihren Konflikt außerhalb der Klasse klären. Mit dieser Karte gehen sie zum

Mediationsraum. Nach Klärung ihres Problems bekommen sie die grüne Karte, mit der

sie wieder in den Unterricht gehen. Das Kartenmodell ist weiter ausbaubar, ermöglicht

den Lehrern mehr Einblick, aber erinnert auch stets an die Möglichkeit, konstruktive

Konfliktlösung anstelle schneller Regelungen zu nutzen.

5.3 AUSBLICKE UND MÖGLICHE ENTWICKLUNGEN

Aus meinen einleitenden Ausführungen wurde deutlich, dass Mediation mehr als die

Einrichtung eines Streitschlichterraumes bedeutet. Mögliche Entwicklungen in der

Bürgermeister-Grimm-Schule können nur Anregungen sein, weil sich mit der

Entscheidung für Mediation in der Bürgermeister-Grimm-Schule ein individuelles

Konzept entwickeln wird.

5.3.1 Entwicklungen in der Schule

Als erstes halte ich eine möglichst zeitige Bewerbung für das HELP Projekt „Mediation

und Schulprogramm“ für sinnvoll (Pädagogischer Tag für das ganze Kollegium,

regelmäßige Fortbildungen und zusätzliche Informations- und Schulungsangebote für

die Schüler wären dann Grundlagen für die Mediation).46 Veränderungen in der

45 Vgl: BITZER-SCHROEDER, 2002, 124 46 Vgl. Darstellung des Ablaufes des Projektes unter: http://help.bildung.hessen.de/Mediation/organisation/beschreibung vom 24.07.2003

5. Konsequenzen aus den Beobachtungen

37

Einstellung zu Konflikten im Schulalltag können nach außen hin sichtbar durch die

Verankerung und Festlegung von Mediation im Schulprofil gemacht werden.47

Vorstellbar halte ich (nach der Erprobung) auch die Ausbildung von Schülern zu

Streitschlichtern. Diese Weiterentwicklung setzt allerdings voraus, dass eine feste Zeit

und ein fester Ort dafür vorgesehen werden, wie beispielsweise als WPU, Projekttag

oder aber eine Verbindung mit der SV-Arbeit, in der die Schüler ausgebildet und

besonders sensibilisiert werden. Gerade Schülern unserer Schule, deren schwierige

Voraussetzungen zur Teilnahme an konstruktiver Konfliktlösung ich in dieser Arbeit

dargestellt habe, müssen durch begleitende Programme und/ oder Unterrichtstunden

parallel auf Mediation, bzw. auf einen sozialen Umgang miteinander vorzubereiten. Da

ich an dieser Schule mit einer Kollegin zusammen für eine 5./6. Klasse das Fach

soziales Lernen unterrichte, könnte man ein solches „Soziales Trainingsprogramm“ z.

B. regelmäßig für die 5. und 6. Klassen institutionalisieren.48

5.3.2 Entwicklungen außerhalb der Schule

Entwicklungen außerhalb der Schule, wie sie im pädagogischen Hexagon von FALLER

(Vgl.: Anhang II) beschrieben werden, sehe ich vor allem in der Zusammenarbeit und

im Austausch mit anderen Lernhilfeschulen. Die Friedrich-Fröbel-Schule ist an einer

solchen Vernetzung sehr interessiert. Aber auch die Öffnung der Schule für weitere

Gewaltpräventionsprojekte, wie „Cool sein- cool bleiben“ ein Projekt der Frankfurter

Polizei (BAER, 2000) oder „Theaterpädagogische Gewaltprävention“ des

SCHULTHEATER-STUDIOS FRANKFURT A.M. kann ich mir für die Bürgermeister-Grimm-

Schule sehr gut vorstellen. Zu überlegen ist auch, ob nicht die Mediation ein Teil der

Schulsozialarbeit ausmachen könnte, die unsere Schule bereits beantragt hat und für

sehr wichtig hält.

5.4 ZUSAMMENFASSUNG DES PRAKTISCHEN TEILS Wenn durch das Einüben von Mediation z.B. in der Kinderkonferenz meiner Klasse

oder wenn durch das Fach soziales Lernen die Schüler der Bürgermeister-Grimm-

Schule zu größeren Reflexionsfähigkeiten und erweiterten

Kommunikationsmöglichkeiten kommen, dann verändern sich auch die

Voraussetzungen für Mediation im Schulalltag. Es wird deutlich, wie sehr alle

Unterrichtsfächer mit der Konfliktlösung zusammenhängen. Kenntnisse über

Zeitspannen in Mathe können zu mehr Toleranz bei den Sprechzeiten führen. Übungen

47 Vgl.: Schulprogramm der Friedrich-Fröbel-Schule in Neu-Isenburg, 2002,, S.13 48Ich habe das Eingangsprogramm „Arbeitshilfe zum Unterrichtsfach- Konflikte selber lösen- Soziales Lernen“ (Vgl.: PILGRAMM, U. ALTENBURG, o.J.). in der Waibelfeldschule kennen gelernt. Mit Frau KALETSCH habe ich in der Zeit vom 7.7-11.7.2003 die Erprobung eines Eingangsprogrammes für Schulen für Lernhilfe an unserer Schule durchgeführt.

5. Konsequenzen aus den Beobachtungen

38

zum allgemeinen Ausdruck und der sprachlichen Fähigkeiten in Deutsch erleichtern in

der Mediation die Erhellungsphase usw.

Schließlich aber geht es, wie es auch die Kollegin Frau Maurer formulierte: „Wir sind

eben noch nicht so daran gewöhnt.“(Vgl.: Anhang VIII), erst mal darum, dass die Mediation

verlässlich für die Schüler da ist. Denn wenn der Raum immer dann geschlossen ist,

wenn der eine Mediator Vertretungsunterricht übernimmt oder krank ist, dann lässt auch

irgendwann verständlicherweise das Interesse der Schüler an dem Mediationsangebot

nach. Alle anderen Überlegungen werden in der Zusammenarbeit der an der Mediation

interessierten Kollegen entwickelt werden. Ich bin gespannt auf diese Veränderungen,

die in der Bürgermeister-Grimm-Schule auf die Schüler und die Lehrer gleichermaßen

zu kommen, wenn Mediation an der Schule eingerichtet wird.

6. Schlussbemerkungen

39

6 SCHLUSSBEMERKUNGEN “Ob Menschen bereit sind, ihr Verhalten zu ändern, entscheiden sie letztlich allein. Anleitung und Beratung kann dazu Anstöße geben, unterstützen und den Prozess der Veränderung begleiten. Es ist kein Ersatz für das eigene Bemühen- und kann dies auch nicht sein.“ (FALLER, 2002, 42) Ich beginne meine abschließenden Bemerkungen mit der Frage, inwieweit sich durch

die Erprobung meine in der Einleitung dieser Arbeit geäußerten Unzufriedenheit in

Bezug auf die Regelung alltäglicher Konflikte in der Schule verändert hat.

Ich habe bemerkt, dass allein durch die Erprobung einer Möglichkeit für die Schüler,

mit ihren Problemen konstruktiv umzugehen, sich meine Einstellung zu den Konflikten

geändert hat. Anstatt emotional zu reagieren, mich zu ärgern oder nicht die richtige

Entscheidung zu wissen, konnte ich gelassen auf die Mediation verweisen. Ich habe

gemerkt, dass auch ich mich auf diese „Termine“ freute, in denen ich mit viel Ruhe und

Zeit die Konflikte der Schüler begleiten konnte. Mir war vorher nicht klar gewesen,

welche Probleme, aber auch was für einfache Auslöser hinter sichtbaren Streitereien der

Schüler steckten. Im Schulalltag bleibt einfach oft nicht die Zeit, danach zu fragen. In

der Mediation sehe ich eine große Chance, Unzufriedenheiten bei Lehrern und Schülern

über alltägliche Konflikte abzubauen und sich durch die konstruktive Arbeit an diesen

Konflikten näher zu kommen.

Insgesamt kam in der vorliegenden Arbeit meine Rolle als Mediator zu kurz. Ich habe

einzelne Vorrausetzungen des Mediators beschrieben, die ich selbst jedoch nicht immer

erfüllen konnte. Es fiel mir beispielsweise immer dann besonders schwer, allparteilich

zu bleiben, wenn Schüler aus meiner Klasse mit einem Konflikt kamen, der in der

Klasse schon über eine längere Zeit auftrat. Aber auch bei anderen

Mediationsgesprächen, in denen sich die Erhellungsphase sehr mühsam gestaltete,

fehlte mir zum Teil die Geduld und Zeit, die Schüler ihre Sichtweisen ausdiskutieren zu

lassen. Meine Zusammenfassungen mögen in einigen Gesprächen etwas zu schnell und

nicht ganz objektiv gespiegelt gewesen sein. Allerdings gab es bei den meisten

Gesprächen den überwältigenden Moment, der mich stets tief beeindruckt, weil die

Streitenden einen Punkt selber gefunden und ausgesprochen haben, den weder ich, noch

die Schüler selbst, erwartet hätten. Ab diesem Moment herrschte eine ganz besondere

Stimmung im Mediationszimmer.

Nach meinen Erfahrungen als Mediatior sehe ich die besondere Notwendigkeit, dass die

Mediatoren an einer Schule sich ständig weiterbilden und austauschen müssen. Eine

Form der Supervision für die Mediatoren halte ich für erforderlich, um die schwierige

Aufgabe des Vermittlers zwischen unseren Schülern zufriedenstellend erfüllen zu

können.

6. Schlussbemerkungen

40

Ein weiterer Punkt der abschließenden Betrachtungen liegt für mich in der

Einschätzung, ob die Unterschiede und Brüche von Mediation in Regelschulen zu

Lernhilfeschulen, bzw. speziell zur Bürgermeister-Grimm-Schule richtig dargestellt

wurden. Durch die Annahme, die Einführung von Mediation in einer Schule für

Lernhilfe unterscheide sich von derjenigen in einer Regelschule, sehe ich durchaus eine

Gefahr. Das bedeutet, das diese Schüler nicht allein im Unterricht, sondern auch, wie

dargestellt in der Mediation, besondere Maßnahmen bedürfen. Können nicht gerade aus

dieser „Sonder“-behandlung Frustrationen entstehen, die wieder zu Aggressionen und

Konflikten führen?

Ich denke, dass ich diese Frage verneinen kann. Die von mir dargestellten notwendigen

Veränderungen sind im Grunde nur Hilfestellungen, die die Schüler nutzen können, die

ihnen aber eigentlich nicht bewusst als „sonderderpädagogische“ Maßnahmen

erscheinen werden. Ich bin jedoch über jeden Schüler glücklich, der die zusätzlichen

Hilfen nicht in Anspruch nimmt und auf den das Bild des von mir beschriebenen

Schülers nicht zutrifft. Idealerweise benötigen die Schüler, die Mediation nutzen, immer

weniger Hilfestellungen.

Für den Mediator hingegen halte ich Kenntnisse über besondere Vorraussetzungen der

Schüler für sehr wichtig, so dass sie auf Brüche zum theoretischen Verlauf eingestellt

sind und nicht gleich frustriert aufgeben.

Generell stellte sich mir nach der Erprobung immer wieder die Frage nach allgemeinen

Veränderungen.

War es nicht so, dass eher die Schüler freiwillig zu mir kamen, die noch am ehesten eine

Form der Konfliktlösung durch Gespräche kannten? Und kann man tatsächlich

Kommunikationsformen und Konfliktlösungsstrategien, die Schüler über ihre Eltern

jahrelang vorgelebt bekommen und verinnerlicht haben, verändern? Ich weiß es nicht,

aber dennoch halte ich den Versuch für den richtigen Weg, weil ich denke, dass man

keine Chance auslassen darf. Menschen und in diesem Fall Schüler sind meines

Erachtens nach in der Lage neue Verhaltensmuster aufzunehmen und in geforderten

(zukünftigen) Situationen auf diese zurückzugreifen.

Ich wünsche mir, dass es Mediation als Angebot in der Bürgermeister-Grimm-Schule

für die Schüler auch weiterhin geben wird und dass meine Arbeit vielleicht eine kleine

Hilfestellung für den noch sehr aufwendigen, aber auch spannenden Weg sein wird.

Als letzten Punkt meiner Betrachtungen möchte ich eines besonders betonen: Wenn ich

in der vorliegenden Arbeit die Besonderheiten der Schüler herausgestellt und fokussiert

habe und diese zum Teil in einer sehr defizitären Sichtweise beschrieben habe, so heißt

6. Schlussbemerkungen

41

das nicht, dass unsere Schüler nicht auch über besonders positive Fähigkeiten für die

konstruktive Konfliktlösung verfügen: Die Schüler sind oft sehr impulsiv und spontan,

was sich in den Mediationsgesprächen so äußern kann, dass sie ehrlich und offen zu

ihren Taten und ihren Gefühlen stehen. Ich erlebte oft sehr herzliche und offene

Bekenntnisse, die zu einfachen Lösungen führten.

Mediation in einer Schule wie der Bürgermeister-Grimm-Schule kann meiner Meinung

nach niemals aus Gründen abgelehnt werden, die bei den Schülern liegen. Mit den

Konflikten umgehen müssen wir sowieso, dann können wird auch einen produktiven

Weg wählen.

Das Resümee dieser Arbeit stellt für mich daher einen Appell dar, in unseren Schulen

von einem positiven Konfliktbegriff auszugehen und die Chancen für ein konstruktives

Miteinander, die sich aus den normalen (Konflikt-) Situationen im Schulalltag ergeben,

zu nutzen

6. Schlussbemerkungen

42

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