Die Feinstruktur der Josephschen Zellen im Gehirn von Amphioxus

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Zeitschrift ffir Zellforschung 86, 252--261 (1968) Die Feinstruktur der Josephschen Zellen im Gehirn von Amphioxus ULmCH WELSC~ Anatomisches Institut der Universit~t Kiel (Direktor: Prof. Dr. med. W. BARO~AN~) Eingegangen am 22. November 1967 Summary. The fine structure of a group of large cells situated in the dorsal wall of the brain of the lancelet (Branchiostoma lanceolatum, PALL.), known as Joseph's cells, was in- vestigated with the electron microscope. These cells proved to be photoreceptor cells by the following characteristic features: an intracellular photoreceptoral organelle consisting of an array of microvilli, a layer of mitochondria directly underneath the microvilli, a tightly packed system of smooth tubular membranes, and a cellular process with neurofilaments and microtubules. There are no pigment cells near the photoreeeptors. Joseph's cells are remarkably similar to the photoreceptor cells of annelids and molluscs. Zusammen/assung. Die in der Dorsalwand des Gehirns yon Amphioxus (Branchiostoma lanceolatum, PALL.) liegenden Josephschen Zellen wurden elektronenmikroskopisch unter- sucht. Diese Zellen sind durch folgende Strukturen als Lichtsinneszellen charakterisiert: ein aus Mikrovflli bestehendes, intrazellulares Rhabdom, eine darunterliegende Schicht yon Mito- chondrien, ein dichtes Maschenwerk eines glatten, r6hrenf6rmigen Membransystems und einen Fortsatz mit Neurofibrillen und Mikrotubuli. Begleitende Pigmentzellen fehlen. Die Joseph- schen Zellen zeigen weitgehende ~bereinstimmungen mit Photorezeptorzellen yon Anneliden u. Mollusken. Einleitung Im dorsalen Tell des Hirnbl/~schens yon Amphioxus befindet sich eine gegen das umliegende Nervengewebe gut abgrenzbare Zellgruppe, die verschiedene Forscher bereits am Ende des vorigen Jahrhunderts beobachteten (RETZIUS, 1891; HEYMA•S, V. D. STRICHT, 1898; I~OHDE, 1890). In einer grundlegenden Darstellung wurde sie dann von JOSE,'H, 1904 beschrieben und einfach als ,,dor- sale Zellen" bezeichnet. Sp/iter wurden sie auch im englisehen und franzSsischen Schrifttum ,,Josephsche Zellen" genannt (KAPrE~S, HUBER, CROSBY, 1936; DRAC~, 1948; BONE, 1960). Diese Zellen kommen nur bei den Aeraniern vor und sind auf den Absehnitt zwischen dem Pigmentfleck an der Spitze des Neural- rohres und den Bereich des 4. Myotoms beschr/~nkt (KAreERS, 1938). JosEPr[ (1904) konnte nach geeigneter Fixierung ihre ~3mlichkeit mit den yon HESSE (1898) untersuehten Lichtsinneszellen im Riickenmark Ieststellen. Nach seinen Angaben erstreckten sich die •bereinstimmungen auf einen st/tbchenfSrmigen Saum, eine darunterliegende Granulaschicht, neurofibrillenartige Fiiden im Zyto- plasma und einen stark granulierten Kern. Untersehiede bestfinden im Fehlen von Pigmentzellen und in der dorsalen Lage der Josephschen Zellen. WOLL~NHAUrT (1934), der die Befunde JOSErHs im wesentlichen best/s bestreitet nur das Vorkommen von Neurofibrillen in den Hesseschen Sehzellen und h/ilt diese Fi- brillen fiir ein Charakteristikum der Josephschen Zellen. Diese Zellen wurden aber

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Zeitschrift ffir Zellforschung 86, 252--261 (1968)

Die Feinstruktur der Josephschen Zellen im Gehirn von Amphioxus

ULmCH WELSC~ Anatomisches Institut der Universit~t Kiel (Direktor: Prof. Dr. med. W. BARO~AN~)

Eingegangen am 22. November 1967

Summary. The fine structure of a group of large cells situated in the dorsal wall of the brain of the lancelet (Branchiostoma lanceolatum, PALL.), known as Joseph's cells, was in- vestigated with the electron microscope. These cells proved to be photoreceptor cells by the following characteristic features: an intracellular photoreceptoral organelle consisting of an array of microvilli, a layer of mitochondria directly underneath the microvilli, a tightly packed system of smooth tubular membranes, and a cellular process with neurofilaments and microtubules. There are no pigment cells near the photoreeeptors. Joseph's cells are remarkably similar to the photoreceptor cells of annelids and molluscs.

Zusammen/assung. Die in der Dorsalwand des Gehirns yon Amphioxus (Branchiostoma lanceolatum, PALL.) liegenden Josephschen Zellen wurden elektronenmikroskopisch unter- sucht. Diese Zellen sind durch folgende Strukturen als Lichtsinneszellen charakterisiert: ein aus Mikrovflli bestehendes, intrazellulares Rhabdom, eine darunterliegende Schicht yon Mito- chondrien, ein dichtes Maschenwerk eines glatten, r6hrenf6rmigen Membransystems und einen Fortsatz mit Neurofibrillen und Mikrotubuli. Begleitende Pigmentzellen fehlen. Die Joseph- schen Zellen zeigen weitgehende ~bereinstimmungen mit Photorezeptorzellen yon Anneliden u. Mollusken.

Einle i tung

I m dorsalen Tell des Hirnbl/~schens yon Amphioxus bef inde t sich eine gegen das umliegende Nervengewebe gut abgrenzbare Zellgruppe, die verschiedene Forscher berei ts am Ende des vorigen J a h r h u n d e r t s beobach te ten (RETZIUS, 1891; HEYMA•S, V. D. STRICHT, 1898; I~OHDE, 1890). I n einer grundlegenden Dars te l lung wurde sie dann von JOSE,'H, 1904 beschr ieben und einfach als ,,dor- sale Zel len" bezeichnet . Sp/i ter wurden sie auch im englisehen und franzSsischen Schr i f t tum , ,Josephsche Zel len" genann t (KAPrE~S, HUBER, CROSBY, 1936; DRAC~, 1948; BONE, 1960). Diese Zellen k o m m e n nur bei den Aeraniern vor und sind auf den Absehn i t t zwischen dem Pigment f leck an der Spi tze des Neural - rohres und den Bereich des 4. Myotoms beschr/~nkt (KAreERS, 1938). JosEPr[ (1904) konnte nach geeigneter F ix ie rung ihre ~3mlichkei t mi t den yon HESSE (1898) un te r sueh ten Lichts inneszel len im R i i ckenmark Ieststel len. Nach seinen Angaben e rs t reck ten sich die •be re ins t immungen auf einen s t / tbchenfSrmigen Saum, eine darunte r l iegende Granulaschicht , neurof ibr i l lenar t ige F i iden im Zyto- p l a sma und einen s t a rk granul ie r ten Kern . Unterseh iede bes t f inden im Fehlen von Pigmentze l len und in der dorsa len Lage der Josephschen Zellen. WOLL~NHAUrT (1934), der die Befunde JOSErHs im wesentl ichen best/s bes t re i t e t nur das Vorkommen von Neurof ibr i l len in den Hesseschen Sehzellen und h/ilt diese Fi- bri l len fiir ein Charak te r i s t i kum der Josephschen Zellen. Diese Zellen wurden aber

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vor und nach dem Erscheinen der Josepschen Arbeit mehffach anders beurteilt. v. KVPFFER (1903) nannte sie z.B. dorsale Ganglienplatte, FRA~Z (1923) h~lt sie ffir ,,Assoziationszellen", KAPP~RS (1920, 1938) spricht von groBen Ganglienzellen unbekannter Funktion.

Um diese einander widersprechenden Angaben zu kli~ren bzw. um eindeutig zu entscheiden, ob es sich um Sinnes- oder um Nervenzellen handelt, erscheint es wfin- schenswert, die Struktur der Josephschen Zellen elektronenmikroskopisch zu untersuchen. Die Beantwortung dieser Frage ist wegen der entscheidendcn Stellung, die Amphioxus im natfirlichen System einnimmt, im Hinblick auf die Evolution des Gehirndaches bei den Vertebraten wichtig.

Material und Methode Frisch gefangene 2,5--3 cm lange Lanzettfischchen (Branchiostoma lanceolatum, PALLAS)

wurden in kaltem 3,5% phosphatgepuffertem Glutaraldehyd (pH 7,5) getStet und sofort in 1 mm dicke Scheiben zerschnitten. Die Fixierung mit (5%) und ohne Sucrosezusatz zeigte keine erkennbaren Unterschiede in der Strukturerhaltung. Nach lstfindiger Glutaraldehyd- fixierung wurden die Gewebestficke in 5real gewechseltem Phosphatpuffer gewaschen und in Araldit eingebettet. Es wurde der Kopfbereich sowohl sagittal als auch quer geschnitten. Mikroskopiert wurde am Siemens Elmiskop I und Zeiss E.M. 9.

Befunde Die Josephschen Zellen fallen in der Dorsalwand des Hirnbl/~schens sofort

durch ihre bedeutende Gr61~e auf. Ihre Anschnittsfl~che ist durchschnittlich 31/2mal so gro[~ wie die der in der N/~he liegenden Nerven- und Gliazellen (Abb. 2). Auf Sagittalschnitten dureh das Neuralrohr zeigen sie in der Mehrzahl der F/ille eine 1/~nghch ovale Gestalt. Daneben gibt es aber auch abgcrundet dreieckige bis rundliche Anschnitte; auf Querschnitten fiberwiegen letztere. Die Josephschen Elemente bilden eine 2- -3 Zellen starke Schicht, die gelegentlich direkt an der Kollagenfaserhfille, die das Nervenrohr umgibt, anliegt, h/~ufig aber yon der Faserhfille durch Ausl/~ufer von Nervenzellen getrennt wird. Ihre Ausdehnung von vorn nach hinten erstreckt sich fiber 5 - -6 Zellen. An den Kontaktstel len zweier Zellen sind z.T. recht lange Desmosomen ausgebildet (Abb. 3). Mesial, ventral und caudal sind sie yon Nerven- und Gliazellen umgeben.

Besonders kennzeichnend ffir die Josephschen Zellen ist eine bfirstensaum- ~hnliche Formation (Abb. 1--3), die sich fiber die Peripherie einer Zellh/~lfte hin- zieht. Dieser Saum weist in verschiedenen Zellen in verschiedene Riehtungen, wobei keine Verzugsanordnung beobachtet wurde. 0f tcr liegen die S/tume benach- barter Zellen einander gegenfiber (Abb. 3). Es handelt sich nieht um einen Bfir- stensaum der Plasmamembran, sondern um eine/ihnliche Auffaltung einer Mem- bran innerhalb der Zelle dicht unter der Oberfl/tche (Abb. l, 3). Die Mikrovilli dieses Saumes stehen sehr dicht. Ihre L/~nge betrKgt 1,4 ~, ihr ~ 1400 A. Zwisehen ihren Spitzen und der Zytoplasmamembran verl/~uft parallel zu dieser eine dfinne Schicht glatten Reticulums, von dem aus sich fingerf6rmige Vorstfilpungen zwischen die Mikrovilli schieben. Gelegentlieh ist der schmale Raum zwisehen Plasmamembran und den Villi auch yon einer Lage gewellter, dicht aufeinander- liegender Membranen ausgefiillt. Die Innenstruktur der Mikrovilli ist oft nicht klar erkennbar, was z.T. daran liegt, dab sie leieht gewellt nebeneinander stehen, so da$ sie oft schr/ig angeschnitten sind. Sie sind immer mit einem leieht floekigen

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Abb. 1. Schematische Darstellung einer Josephschen Zelle. d Desmosom; cw Cilienwurzeln; g Golgiapparat; gt Glykogengranula; gm glattes, tubul~res Membransystem mit Innenstruk- tur; gr glattes Retikulum an der Zellperipherie; k Kern; kg Granula vom Katecholamintyp; lg lipofuscin~hnliche Granula; me m~anderfSrmiges RShrensystem; mi Mikrovilli des Rhab- doms; mit Mitochondrien; n/ Neurofibrillen; nt Neurotubuli; p Pinocytosebl~schen (Saum-

bl~ischen) an der Basis der Mikrovilli

Material gefiillt und im Zentrum ist 5fter ein optisch leerer oder leicht elektronen- dichter, yon einer dtinnen Membran umgebener Zylinder auszumachen. Auf Schr~gschnitten lassen sich auch mehrere ovale oder runde rShrenfSrmige An- schnitte in einem Villus linden (Abb. 1, 3). An der Basis zwischen 2 Villi sind oft Pinocytosebl~schen (Saumbl~schen) mit einem Durchmesser yon 700 A zu finden (Abb. 5a).

Unterhalb des Btirstensaumes ist eine Schicht dicht nebeneinanderliegender einfach gebauter Mitochondrien vom Cristatyp ausgebildet (Abb. 1, 3). Sie sind

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Abb. 2. Gruppe von Josephschen Zellen, Sagittalschnitt. Beachte die Mitochondrienschicht unter dem Rhabdom, das in verschiedene Richtungen weist, c Collagenschicht, die das

Neuralrohr umkleidet. Vergr. 3000 •

schmal, l~nglich, besitzen eine recht dichte Matrix und vereinzelt bivalente Kationen.

Das gesamte Zytoplasma unterhalb des Villussaumes ist mit unregelmi~l~igen Anschnitten eines tubul~ren glatten Membransystems angeffillt (Abb. 1, 3). Darin befindet sich sehr oft eine Innenstruktur , die normalerweise einfSrmig leicht elektronendicht und yon einer zarten Membran umgeben ist (Abb. 3). 0f ter ist nut diese feine Membran zu sehen, die dann als einfacher Ring (~ 1000 bis 1200 A) in den Anschnitten des glatten Membransystems erkennbar ist. Vereinzelt

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Abb. 3. Zwei aneinandergrenzende Josephsche Zellen. Beachte die Innenstruktur in den An- schnitten des glatten tubul~ren Membransystems und der Mikrovilli (s. Pfeile). d Desmosom.

Vergr. 20400 x

wurde beobachtet, dab diese Innenformation mit dem ~u~eren Rohr in Verbin- dung steht, so, als handele es sich um eine Abfaltung (Abb. 4).

Der Golgiapparat ist klein und einfach gebaut; in seiner N~he befindet sich eine Vielzahl ldeiner Bl~schen ( ~ 500--700 A) (Abb. 4).

l m ganzen Zytoplasma, das auf schmale Bereiche zwischen den Anschnitten des glatten RShrensystems beschr~nkt ist, liegen Glycogengranula. Sie kommen auch in den Mikrovilli des Bfirstensaumes vor. Der Kern ist verhiiltnism~fiig klein und besitzt einen unrege lm~igen Umrifi. Er liegt in der dem Bfirstensaum gegen- fiberliegenden Zellhiilfte, besitzt eine einheitlich helle Matrix und einen einfachen Nukleolus.

In der N~ihe des Kerns befindet sich ein Zellfortsatz, der Ahnlichkeiten mit einem Axon yon Nervenzellen hat. Sein Zytoplasma besitzt an Zellorganellen vor allem Mikrotubuli und dichte Fibrillenbfindel. In der N~he der Abgangsstelle liegen gewShnlich einige grol3e, dunkle und unregelm~Big geformte Einschlfisse, die z.T. an Lipofuscin erinnern (;~ 1--3 ~). Diese sind entweder homogen oder bestehen aus dichten Wirbeln und konzentrischen Lagen yon Membranen.

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Abb. 4. Ausschnitt aus dem Zytoplasma unterhalb des Rhabdoms. Beachte die Einstiilpungen in das Lumen des glatten, tubul~ren Membransystems (s. Pfeile). cw Cilienwurzeln,

g Golgiapparat. Vergr. I6200 •

Verh~ltnism~llig selten wurden noch folgende Strukturen gefunden: ,,Wur- zeln" yon Cilien (Abb. 4), Bl~sehen mit elektronendichtem Inhalt (~ 1400 bis 2100/~) und wohlabgegrenzte m~anderfSrmig gewundene RShrensysteme, deren Bedeutung vorliiufig vSllig im Dunkeln bleibt (Abb. 5b). Rauhes ER wurde im Gegensatz zu vergleichbaren Zellen anderer Tiergruppen nicht gefunden.

Diskussion

Die Frage, ob die Josephschen Zellen Nerven-oder Photoreceptorzellen seien, kann eindeutig ira Sinne JOSEPHS (1904) und WOLLE~HAUI"TS (1934) entschieden werden. Die elektronenmikroskopische Analyse zeigt nKmlich, dab es sich ohne Zweifel um Liehtsinneszellen handelt. Lichtsinneneszellen sind ganz allgemein durch reich entwickelte, besonders strukturierte Membransysteme und zahlreiehe Mitochondrien gekennzeiehnet.

EAKIN u. Mitarb. (1963, 1964, 1965) haben gezeigt, dab sich im Tierreich 2 Typen von Sehzellen herausgebildet haben: der ,,ciliary-type photoreceptor" und der ,,rhabdomeric - - type photoreceptor". Im ersten Fall hat sich das lichtempfind- liehe Organell der Zelle yon einem zihenartigen Fortsatz oder seiner Basis aus

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Abb. 5. a Pinocytosebl~schen (Saumbl~schen) an der Basis der Mikrovilli (s. Pfeile); b m~anderfSrmiges RShrensystem. Vergr. 40200•

entwickelt , im zweiten Fall en t s t and es ohne Beteil igung eines Ciliums aus mikro- vil l iart igen Vorstfilpungen, die in ihrer Gesamthei t ein R ha bdom bilden. Diese zweite MSglichkeit ist vor allem bei TubeUarien, Mollusken, Annel iden und Artro- poden - - alle Protostomier und Spiralier - - verwirklicht. Der ,,ciliary - - type

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photoreceptor" kommt nach EAKIN bei vielen Deuterostomiern vor: Chaeto- gnathen, Eehinodermen und Chordaten.

Uberraschenderweise fallen an den Josephschen Zellen wesentliche ~ber- einstimmungen mit dem Rhabdomtyp der Anneliden und Mollusken auf. Wie bei dem Polyeh/~ten Neanthes succinea (EAKIN und WESTFALL, 1964) dem Egel Helobdella stagnalis (CLARK, 1967), den Mollusken Hermissenda (EAKIN, W]~STFALL, DEN- NIS, 1967) und Pecten (hier nur die proximalen Retinazellen) (BARBER, EVANS, LAUD, 1967) und aueh Turbellarien (RSHLICH U. TOROK, 1961; EAKIN, 1963) wird das spezifische lichtwahrnehmende Organell yon Mikrovilli gebildet; es kann daher als Rhabdom bezeiehnet werden. DaB die Villi auch intrazellul/ir liegen kSnnen, zeigt Helobdella (CLARK, 1967). Intrazellul/s liegen aber auch die scheibenfSrmigen Einfaltungen im Aul~englied der St/s und Zapfenzellen der Wirbeltiere (MOODY u. ROBERTSON, 1960; SJSSTRA~D, 1961).

Die Tatsache, dab gelegentlich im Zytoplasma der Josepschen Zellen ge- streifte Verankerungs- und Wurzelstrukturen gefunden wurden, wie sie z.B. ffir das Zilienepithel des Pharynx von Amphioxus typisch sind, steht nicht im Wider- spruch zu dicser Interpretation. Die Wurzelstrukturen lassen auf das Vorkommen eines Zentriols schliel~en. EAKIN U. WESTFALL (1964) konnten im Verlaufe der Ontogenese des Polychaeten Neanthes succinea zeigen, da$ ein zun/~chst vorhan- denes Cilium verloren geht und dal~ sich die Mikrovilli unabh/~ngig davon aus- bilden. Als Reste des Ciliums bleiben aber Kinetophor (Centriol) und Wurzel- strukturen im Zytoplasma erhalten.

Die engen r/~umlichen Beziehungen des Rhabdoms zum glatten Membran- system, ihre strukturelle Ahnlichkeit und das Vorkommen von Pinocytose- bl/~schen an der Basis der Mikrovilli 1/s an enge Stoffwechselbeziehungen zwi- schen beiden Systemen denken und unterstiitzt die Annahme RSHLICHS u. TSI~SKs (1962), da$ das glatte Membransystem entweder mit Photopigment oder dessen Vorstufen angefiillt ist. Das glatte R6hrensystem mit seinen Einstiilpungen /ihnelt aueh dem von ANDRES (1965) beschriebenen ,,tubul/~ren Apparat" in markhaltigen Fasern des Stratum granulosum im Kleinhirn der Ratte und wird auch hier als Ausdruck besonderer Stoffwechselleistungen interpretiert, die mit nur morphologischen Methoden nicht n/~her zu kennzeichnen sind.

Die Ffille kleiner B1/~schen, die EAKIN, WESTFALL U. DENNIS (1967) bei Hermis. senda beschreiben und in denen mSglicherweise eine ~bertrKgersubstanz ent- halten ist, sind bei Amphioxus viel weniger zahlreich. Vereinzelte Vesikel mit sehr elektronendichtem Inhalt ~hneln Katecholamingranula, aber aueh den Sekret- granula Polypeptidhormone produziercnder Zellen.

Die unter dem Rhabdom liegende Mitochondriensehieht, die der Granula- schicht JOSEPHs (1904) entsprieht, ist in sehr /ihnlicher Weise bei Turbellarien (RSHLICH U. TOROK, 1961 ; EAKI~, 1963) und Polych~tenlarven (EAKIN and WEST- FALL, 1964) ausgebildet. Bei den fibrigen Formen liegen die Mitochondrien ver- streut im Zytoplasma oder um den Kern konzentriert. Allerdings ist auch bei den den St~bchen- und Zapfenzellen der S~ugerretina das unter dem lichtempfind- lichen Teil gelegene Innenglied besonders reich an Mitoehondrien (SJoSTRAND, 1961), so da$ es sich hierbei wohl um eine l~bereinstimmung handelt, die leicht auf Grund/~hnlieher funktioneller Bediirfnisse entstehen kann.

260 U.W~LsCH:

Die Ubereinstimmungen der Josephschen Zellen mit den Lichtsinneszellen be- sonders der Anneliden zeigt, daI3 bei den Chordaten auch der Rhabdomlicht- organelltyp verwirklicht sein kann. Eine andere Ausnahme der hypothetischen Einteilung von EAKIN (1963, 1965) wurde kiirzlich yon BARBER, EVANS u. LAND (1967) beschrieben, die im Auge der Muschel Pecten maximus beide Typen yon Photorezeptoren fanden.

Etwas fiberraschend ist zuni~chst die Abwesenheit von Pigmentzellen. Bei dem Egel Helobdella (CLARK, 1967) liegt z.B. eine vergleichbare Gruppe yon Lichtsinneszellen eingeschlossen in einem Becher yon Pigmentzellen. Vermutlich kSnnen die Josephschen Zellen daher nicht auf Licht aus ganz bestimmten Rich- tungen reagieren, denn die einzelnen gro~en Granula in der N~he der Abgangs- stelle des Fortsatzes haben wegen ihrer geringen Zahl wohl keine bestimmte Funk- tion in Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Lichtreizen. MSglicherweise besteht aber eine Beziehung zu den Pigmentflecken am Vorderende des Neural- rohres, der bei der schri~g eingegrabenen Lebensweise der Tiere eine Rolle spielen kSnnte. Aul3erdem kommen bei niederen Tieren h~ufig diffus lichtempfindliche pigmentfreie Lichtzellen vor.

Das Vorkommen yon Lichtsinneszellen im dorsalen Wandbereich des Hirn- blgschens yon Amphioxus l~Bt die Frage entstehen, ob es sich hierbei um Vor- lgufer der Wirbeltieraugen handelt, die sich ja aus lateralen und dorsalen Teilen der Vorderhirnwand differenzieren. Wegen seiner geringen morphologischen Glie- derung ist eine Homologisierung bestimmter Teile des Amphioxusgehirns mit Abschnitten des Vertebratengehirns nicht durchffihrbar. Es ist jedoch m5glich, Strukturen wegen ihrer Spezialbildungen zu homologisieren (R]~MANw, 1952). In diesem Fall wfirde das bedeuten, da~ der dorsale Wandabschnitt mit den Joseph- schen Zellen dem Zwischenhirn der Wirbeltiere entspricht, vielleicht sogar dem Teil, aus dem sich spi~ter die Dorsalaugen entwickeln. Eine solche Homologi- sierung erscheint sinnvoller als die Homologisierung des Pigmentfleckens mit den Wirbeltieraugen, wie sie von vielen itlteren Autoren, z.B. HA]~CKEL (1895) voll- zogen wurde, und der sich fibrigens auch JoS~eH (1904) anschlol~. Eine ttomo- logisierung der Josephschen Zellen mit den Zwischenhirnaugen der Vertebraten bleibt aber wegen der strukturcllen Unterschiede der Sehzellen und der ebenfalls im Riickenmark vorkommenden Photorezeptoren, die allgemein auf ein sehr spezialisiertes Lichtsinnessystem hindeuten, unsicher.

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Dr. ULRICH WELSCH Anatomisches Insti tut der Universiti~t 23 Kiel, Neue Universit~t, Eingang F 1