Die Flußjungfern (Odonata: Gomphidae) der südlichen ...

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Braunschw. naturkdl. Schr. • 5 • H e f t 1 • 2 1 -3 4 • Braunschweig, Oktober 1996 Die Flußjungfern (Odonata: Gomphidae) der südlichen Allerzuflüsse, Niedersachsen Gomphid dragonflies (Odonata) in the southern tributaries of the river Aller, Niedersachsen, Germany Von THOMAS 0 . EGGERS, KARSTEN GRABOW, CARSTEN SCHÜTTE und FRANK SUHLING Herrn Dr. Dietrich Teschner zum 70. Geburtstag gewidmet Summary In 1995, the dragonfly fauna of the southern tributaries of the river Aller, northern Germany, was stu- died. 3 gomphid species, Gomphus vulgatissimus, G. pulchellus and Ophiogomphus cecilta were found. In the case of the threatened species G. vulgatissimus und 0 . cecina 4 new reproduction sites are de- scribed. In both the number of autochthonous populations in the county of Niedersachsen increased about 40%. Possible reasons for this increase as climatic change and other factors are discussed. 1. Einleitung Flußjungfern gehören zu den in Deutschland am stärksten gefährdeten Libellenar- ten (CLAUSNITZER et al. 1984). Insgesamt kommen 7 Arten vor. Von diesen waren auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsens ursprünglich 4 heimisch, Gomphus fla- vipes flavipes, G. vulgatissimus, Onychogomphus forcipatus forcipatus und Ophio- gomphus cecilia (siehe z.B. ALTMÜLLER et al. 1989). Ende des letzten oder Anfang dieses Jahrhunderts kam Gomphus pulchellus hinzu, die aus ihrem westmediterra- nen Verbreitungsgebiet möglicherweise über Belgien und die Niederlande nach Nordwestdeutschland einwanderte (RuDoLPH 1980). Sie hat sich seither weiter aus- gebreitet und ist heute die häufigste Flußjungfer in Niedersachsen (z.B. MÜLLER & SUHLING 1990). Von den ursprünglichen 4 Arten gelten G. f. flavipes und 0 . f. for- cipatus heute hingegen in Niedersachsen als verschollen bzw. ausgestorben (ALT- MÜLLER, et al. 1989). Gomphus vulgatissimus schien lange Zeit ebenfalls stark im Rückgang begriffen zu sein (ALTMÜLLER et al. 1989), wurde aber in den 90er Jah- ren wieder vermehrt gefunden (CLAUSNITZER 1994, KERN 1992, STÖCKMANN & BORGGRAFE 1991/92). Gleiches gilt für die Art im gesamten Bundesgebiet (FREY- 21

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Braunschw. naturkdl. Schr. • 5 • H e f t 1 • 2 1 -3 4 • Braunschweig, Oktober 1996

Die Flußjungfern (Odonata: Gomphidae) der südlichenAllerzuflüsse, Niedersachsen

Gomphid dragonflies (Odonata) in the southern tributaries of the river Aller,Niedersachsen, Germany

Von

THOMAS 0 . EGGERS, KARSTEN GRABOW, CARSTEN SCHÜTTE und FRANK SUHLING

Herrn Dr. Dietrich Teschner zum 70. Geburtstag gewidmet

Summary

In 1995, the dragonfly fauna of the southern tributaries of the river Aller, northern Germany, was stu-died. 3 gomphid species, Gomphus vulgatissimus, G. pulchellus and Ophiogomphus cecilta were found.In the case of the threatened species G. vulgatissimus und 0. cecina 4 new reproduction sites are de-scribed. In both the number of autochthonous populations in the county of Niedersachsen increasedabout 40%. Possible reasons for this increase as climatic change and other factors are discussed.

1. Einleitung

Flußjungfern gehören zu den in Deutschland am stärksten gefährdeten Libellenar-ten (CLAUSNITZER et al. 1984). Insgesamt kommen 7 Arten vor. Von diesen warenauf dem Gebiet des heutigen Niedersachsens ursprünglich 4 heimisch, Gomphus fla-vipes flavipes, G. vulgatissimus, Onychogomphus forcipatus forcipatus und Ophio-gomphus cecilia (siehe z.B. ALTMÜLLER et al. 1989). Ende des letzten oder Anfangdieses Jahrhunderts kam Gomphus pulchellus hinzu, die aus ihrem westmediterra-nen Verbreitungsgebiet möglicherweise über Belgien und die Niederlande nachNordwestdeutschland einwanderte (RuDoLPH 1980). Sie hat sich seither weiter aus-gebreitet und ist heute die häufigste Flußjungfer in Niedersachsen (z.B. MÜLLER &SUHLING 1990). Von den ursprünglichen 4 Arten gelten G. f. flavipes und 0. f. for-cipatus heute hingegen in Niedersachsen als verschollen bzw. ausgestorben (ALT-MÜLLER, et al. 1989). Gomphus vulgatissimus schien lange Zeit ebenfalls stark imRückgang begriffen zu sein (ALTMÜLLER et al. 1989), wurde aber in den 90er Jah-ren wieder vermehrt gefunden (CLAUSNITZER 1994, KERN 1992, STÖCKMANN &BORGGRAFE 1991/92). Gleiches gilt für die Art im gesamten Bundesgebiet (FREY-

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HOF 1994, MAUERSBERGER & ZESSIN 1990, TITTIZER et aL 1989, WESTERMANN etal. 1995). Von 0 . cecilia galten die Populationen in der Lüneburger Heide (siehez.B. CLAUSNITZER 1977) lange als eines der letzten größeren Vorkommen inDeutschland (BELLMANN 1987, DREYER 1986).G. vulgatissimus und 0. cecilia haben in Niedersachsen ihren Verbreitungsschwer-punkt heute offenbar in den aus der Lüneburger Heide zur Aller bzw. Weser fließen-den Flüssen (BAHL0 1989, BREUER 1987, CLAUSNITZER 1977, 1994, REHFELDT1986, STÖCKMANN & BORGGRÄFE 1991/92). In den von Süden in das Allersystemeinmündenden Flüssen konnte dagegen bisher für beide Arten kein Entwicklungs-nachweis erbracht werden (z.B. LIESS 1986, REHFELDT 1982, 1983). Lediglich vona vulgatissimus liegen einige Imaginal-Beobachtungen vor (H. GRUNERT mündl.,LIESS 1986, A. MARTENS mündl.). In den Jahren 1992 und 1993 fanden wir aberunabhängig voneinander 0. cecilia an mehreren Abschnitten der Oker, wo sie z.T.in größerer Stückzahl flog. 1994 konnten dort erstmals einige Exuvien der Art ge-funden werden und es kam der Fang eines einzelnen frischgeschlüpften G. vulgatis-simus hinzu.

Diese Funde bewogen uns dazu, 1995 eine intensivere Erfassung der Gomphiden,zunächst an der Oker und Schunter, wenig später auch an anderen südlichen Aller-zuflüssen, durchzuführen. Dabei haben wir unseren Schwerpunkt auf die Suchenach Exuvien gelegt, da nur so die Entwicklung der Arten im Gewässer nachgewie-sen werden kann. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen hier vorgestellt und dis-kutiert werden. Dabei wollen wir vor allem auf die aktuelle Verbreitungssituationder Flußjungfern in Niedersachsen eingehen.

W i r d a n ke n D r . R . ALTM Ü LLER ( N L Ö ) , H AN S-JOAC H I M CLAUSNITZER, D r . H OR ST GRUNERT, CHRI STI NELI NGNAU, D r . AN D R EAS M AR TEN S, D r . JOAC H I M M Ü L L ER u n d D r . SI EBER T ( S t A W A Ve rd e n ) f ü r d iefreundliche Überlassung bisher unveröffentlichter Informationen bzw. Funddaten. Dr. ANDREAS MAR-TENS übernahm außerdem die Durchsicht des Manuskriptes. Bisher unveröffentlichte Verbreitungsdatenwurden uns mit freundlicher Genehmigung vom Niedersächsischen Landesamt für Ökologie - Tierarten-schutz Hannover überlassen. Temperaturdaten wurden uns vom Deutschen Wetterdienst Braunschweigund vom StAWA Hildesheim (GÜN) zur Verfügung gestellt. Die Untersuchung wurde teilweise mit Mit-teln des Landes Niedersachsen unterstützt.

2. Methode

Von Anfang Mai bis September 1995 wurden Exuvien von Flußjungfern an den folgenden südlichen M-lerzuflüssen gesucht: Schunter, Oker, Erse, Fuhse, Wietze, Leine und Alpe. Dabei wurden in etwa dieletzten 20 Fluffidlometer erfaßt. Lediglich an der Leine wurden die letzten 15 km nicht befahren, sondernnur der oberhalb liegende Abschnitt (siehe Tab. 1). An der Oker und Schunter betrug die untersuchteStrecke dagegen jeweils etwa 40 km. Allen Untersuchungsabschnitten ist gemeinsam, daß sie im Natur-raum Weser-Aller-Flachland liegen. Die Flüsse haben hier wenig Gefälle und fließen eher träge. Insbe-sondere die Oker und die Leine können aber im Winter und Frühjahr starke Wasserstandserhöhungenund damit verbunden erhöhte Strömungsgeschwindigkeit von mehr als 1 ms-' a u f w e i s e n . D e r B o d e n -

grund besteht überwiegend aus feinkörnigem Material, in dem Sand überwiegt; kiesige Bereiche sind nurin der Erse und Fuhse gelegentlich anzutreffen. Die Seitenränder sind insbesondere in der Oker an vielenStellen stark verschlammt. Die kleineren Gewässer, Erse, Fuhse, Schunter und Alpe, sind streckenweisebegradigt und mit Fa.schinen befestigt. Oker und Leine sind ihrem Verlauf nach hingegen naturnah. DieUmgebungsstruktur besteht bei allen Gewässern, mit Ausnahme der Alpe, überwiegend aus beweidetemGrünland. Wälder sind in der Umgebung eher die Ausnahme (Tab. 1).

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Tab. 1: Charakterisierung der zur Erfassung von Flußjungfern untersuchten Gewässerabschnitte südli-cher Allerzuflüsse. Angegeben ist die Gewässergüte nach (*) STAWA Braunschweig 1995, (**) STAWAHannover 1992, (***) SIEBERT in lit.

Gewässer Bearbeiteter Abschnitt (Flutildlometer) Länge [lan] Methode Datum

Alpe B 214(4) bis Rethem (21) 17 Boot 02.7.Leine Basse (76) bis Niederstöcken (96) 20 Boot 01.7.Metze Bissendorf (11) bis Wietze (31) 20 Boot 24.6.Puh se Detze (69) bis Westercelle (93) 24 Boot 21.6,Erse Harvesse (4,5) bis Abbeile (25) 20,5 Boot 25.5.Oh r Braunschweig Veltenhof (72,4) bis Müden/Aller (115,2) 42,8 Punkt 20.-23.5., 27.6., 12.7., 18.9., 22.9.Olter Schuntennündimg (83) bis Volkse (98) 15 Boot 08.7.Schunter Beienrode (7,5) bis Mündung in die Oker (46) 38,5 Punkt 20. - 24.5., 12.6., 14.8.Schunter Thune (40) bis Mündung in die Oker (46) 6 Boot 08.7.

Gewässer Gesamtlänge [km) mittlere Breite [m] Güteldasse Umgebtmgsstruktur

Alpe 22 4 - 6 H v•* Wald imd GrünlandLeine 292 20 - 30 II - I I I * * GrünlandWietze 32 4 - 10 11 - EI * * Grünland und WaldFuhse 98 6 - 15 11 - I n * * Grünhuld und Acker, wenig WaldErse 320 4 - 8 II - El * Grünland und AckerOker 115 10 - 20 n a Grünland, sehr wenig WaldSchunter 46 5 - 10 II - EI * Grünland und Acker, Stadtgebiet

Die Erfassung der Flußjungfern erfolgte nach 2 unterschiedlichen Methoden:(A) Erfassung vom Boot: Alle Gewässer wurden einmalig vom Boot aus kartiert (Tab. 2). Dabei ließen

wir uns mit der Strömung langsam den Fluß abwärts treiben und suchten die Ufer abschnittsweisebis 1 m Höhe über der Wasserlinie nach Exuvien ab.

(B) Punkterfassung: Die Oker und die Schunter wurden zusätzlich vom Land aus kartiert. Dabei wurdenbis maximal 100 m Uferlinie an gut zugänglichen Stellen, meist bei Brücken, nach Exuvien abge-sucht. Da in erster Linie qualitativ vorgegangen werden sollte, wurden unterschiedlich lange Uferab-schnitte überprüft. Je mehr Exuvien pro Strecke gefunden wurden, desto kürzer waren die unter-suchten Abschnitte.

Neben den Exuvien von Flußjungfern wurden zusätzlich solche anderer Arten gesammelt und bis zur Artbestimmt. Außerdem wurden alle fliegenden Imagines erfaßt. Recht häufig (s.u.) fanden wir bei unsererSuche abgeschlagene Flügel von frisch geschlüpften Flußjungfern. Da bekannt ist, daß insbesondereBach- und Schafstelzen (Motacilla alba, M. flava) Gomphiden direkt am Schlupfort fangen und nochvor Ort die Flügel abschlagen (z.B. SOMME 1933, MÜLLER 1995), haben wir solche Funde ebenfalls alsSchlupfnachweis gewertet, sofern keine Exuvien gefunden wurden.

Tab. 2: 1995 untersuchte Gewässerabschnitte und angewandte Methoden zur Erfassung der Flußjungfernan den südlichen Mlerzuflüssen. Boot = Kartierung vom Boot aus, Punkt = Kartierung an leicht er-reichbaren Uferstellen.

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ExuvienfundeAn allen untersuchten Gewässern mit Ausnahme der Erse konnten Exuvien von Fluß-jungfern gefunden werden (Abb. 1, Tab. 3). An 4 der 7 Flüsse fanden wir jeweilsnur eine Art, an der Schunter und der Alpe Gomphus vulgatissimus, an der Fuhseund Leine dagegen Ophiogomphus cecilia. An der Wietze kamen beide Arten gemein-sam vor. An der Oker fanden wir neben diesen als dritte Flußjungfer zusätzlich nochGomphus pulchellus in geringer Zahl (Tab. 3). G. vulgatissimus und 0. cecilla wa-ren hingegen insgesamt wesentlich häufiger.An allen Flüssen zusammen wurden von G. vulgatissimus 97 und von 0. cecilia 194Exuvien gefunden. Dabei trat die höchste Funddichte im Schunter-Oker-System undder Leine auf (Tab. 3). Beide Arten nahmen jeweils flußabwärts zu (Abb. 1). Ander Oker hatten sowohl 0. cecilia als auch G. vulgatissimus ihre höchste Abundanzbei Volkse, ca. 18 km oberhalb der Mündung in die Aller. Von G. vulgatissimus fan-den wir hier z.B. an einem dichtbewachsenen Steiluferbereich 15 Exuvien auf 2 mUferlänge. Insbesondere an dieser Stelle haben wir auch viele durch Stelzen (Mota-cilia sp.) abgeschlagene Flügel von G. vulgatissimus gefunden (vgl. Kap. 2), die vonca. 10 Individuen stammen dürften. An der Schunter trat G. vulgatissimus in höch-ster Abundanz im Stadtgebiet von Braunschweig auf, an der Brücke Bienroder Weg,wo das Ufer seichter und nicht mit Fa.schinen befestigt ist.An der Leine kam 0. cecilla teilweise in hoher Dichte vor. Im Bereich von Nieder-stöcken fanden wir im Mittel ca. 20 Exuvien auf 5 m Uferstrecke. In diesem Fallwurde nur noch ein kleiner Teil der Exuvien abgesammelt. An der Leine waren also

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Hannover

3. Ergebnisse

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Abb.!: Larven- und Exuviennachweise von Ophiogomphus cecilla (grau), Gomphus vulgatissimus (weiß)und G. putchellus (Stern). Ältere Funde nach ALTMÜLLER et al. (1989) und CLAUSNITZER (1993) sind mitQuadraten, neue Funde (diese Arbeit) mit Kreisen dargestellt.

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nachweislich wesentlich mehr Exuvien vorhanden, als in Tab. 3 angegeben. Wie auchan der Oker bei Volkse war 0. cecilla hier vor allem an abgeweideten Uferabschnit-ten geschlüpft.Neben den Hußjungfern haben wir nur von wenigen anderen Libellenarten Exuviengefunden. Dies waren Calopteryx splendens, Platycnemis pennipes und Pyrrhosomanymphula (Tab. 3).

Gewässer Schlupfnachweisevon Andere ArtenGomphus vulgatissimus Gomphus puichellus Ophiogomphus cecilia

Exuvien Tk Nr./ Quadrant Exuvien Tk Nr./ Quadrant Exuvien Tk Nr./ QuadrantAlpe 1 3222 / 3 0 0 Cs

Leine 0 0 127 3323 / 3, 4 Cs, Pp3343 /1,2

Wietze 9 * 3325 / 1 0 11 3325 / 1, 3 Cs3424/ 2

Fuhse 0 0 3 3427/ 3 Cs

~

3527/ 1

Erse 0 0 0 Cs

Oker 51 * 3428 / 7 2 3528 / 3 55 3428/ 7 Cs, Pp, Pn3528 / 1,3 3628 / 4 3528/ 1, 33528 / 1,2,4 3528/ 1, 2, 4

Sclumter 36 3628 / 4 0 0 Cs, Pn3629 / 3, 43630 / 3, 43729 / 1

Tab. 3: Schlupfnachweise von Flußjungfern an den südlichen Allerzuflüssen. Angegeben sind die geogra-phischen Daten (TK Nummern / Quadrant), die Anzahl gefundener Exuvien pro Fluß und außerdem Dm-vienfunde anderer Arten (Cs = Calopteryx splendens, Pp = Platycnemis pennipes, Pn = Pyrrhosomanymphula).

ImaginalbeobachtungenTrotz der recht großen Zahl geschlüpfter G. vulgatissimus konnten im gesamten Un-tersuchungszeitraum nur sehr wenige Imagines beobachtet werden. Lediglich an derAlpe haben wir 3 ausgefärbte Imagines gesehen. Außerdem fanden wir 2 frisch ge-schlüpfte aber schon flugfähige Imagines an der °ker.Insbesondere ow 0. von 0. cecilla flogen hingegen an fast allen Exuvienfundorten.An der Oker bei Neubrück und bei Volkse, wo mehrere Begehungen stattfanden,konnten zwischen dem 27.6. und dem 22.9.1995 konstant jeweils 5 bis 15 a csi auf100 m Fließstrecke gezählt werden. Während einige auf der Vegetation oder auf demBoden am Ufer saßen, patrouillierten andere langsam fliegend, manchmal über meh-rere Minuten, in Gewässermitte und waren dadurch sehr auffällig. Im September,nach einer mehrwöchigen Schlechtwetterperiode, war 0. cecilia die letzte Libellenart,

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die noch in größerer Anzahl an der Oker flog. Die dort vorher in großen Mengenvorhandenen Calopteryx splendens und Platycnemis pennipes, jeweils mehrere hun-dert Exemplare auf 100 m, waren hingegen verschwunden. Am 22.9.1995 konntenwir noch ein 9 von 0 . cecilia fangen, dessen Abdomen mit Eiern gefüllt war.

4. Diskussion

Das Flußsystem der Aller ist seit langem als Lebensraum von Flußjungfern bekannt(z.B. ALTMÜLLER et al. 1989, CLAUSNITZER 1977). Dies galt bislang aber ausschließ-lich für die nördlichen, in der Lüneburger Heide entspringenden Zuflüsse und dieAller selber. Insbesondere in der Lutter, der Lachte und der Ise konnten Entwick-lungsnachweise für Ophiogomphus cecilla und Gomphus vulgatissimus erbracht wer-den (Abb. 1, siehe auch unten). In den südlichen, aus den Mittelgebirgen bzw. derBörde kommenden Allerzuflüssen schienen dagegen bisher Flußjungfern zu fehlen(ALTMÜLLER et al. 1989, REHFELDT 1982, 1983). Allerdings wurden an Oker undSchunter einzelne Imagines beobachtet (H. GRUNERT mündl., A. MARTENS mündl.).In dieser Untersuchung konnten erstmals auch für einen Großteil der südlichen Zu-flüsse Fortpflanzungsnachweise von Flußjungfern erbracht werden.In einigen Abschnitten der Leine und der Oker haben wir 0. cecilia in verhältnismä-ßig hoher Dichte gefunden (siehe Kap. 3). Sie war hier sogar wesentlich häufiger alsnach eigenen Beobachtungen an den bekannten Fundorten Lachte und Lutter (s.u.).Die hohe Anzahl der Funde (siehe Tab. 3) ist durchaus überraschend, wenn man be-denkt, daß die meisten Gewässer nur ein einziges Mal befahren wurden. Normaler-weise sollte man für eine solche Erfassung mindestens 4 Termine einplanen, einenguten Kenntnisstand der Erfasser vorausgesetzt. Letztlich könnte die geringe Erfas-sungsintensität auch dafür verantwortlich sein, daß an einigen Flüssen nur eine ein-zige Art nachgewiesen wurde, da die vorkommenden Arten zeitlich getrennte Schlupf-perioden haben (siehe SUHLING & MÜLLER 1996). So könnte z.B. an der Leine G.vulgatissimus vorkommen, die jedoch möglicherweise aufgrund des späten Erfassungs-termines nicht nachgewiesen wurde (s.u.).

Hier zeigt sich ein Nachteil der Erfassung vom Boot aus. Diese Methode ist sehr zeit-aufwendig, da sie eine umfangreiche Vorbereitung voraussetzt. An der Oker hinge-gen konnten wir mit der Punktkartierung spontan auch kurze Gewässerabschnittekartieren und so beide Schlupfperioden erfassen. Außerdem war es so möglich, die-sen Fluß wie auch die Schunter auf einer längeren Strecke zu kartieren. Möglicher-weise hätten wir mittels Punktkartierung auch in Wietze und Fuhse eine größere An-zahl Fundstellen bzw. Arten nachweisen können. Die Exuviensuche vom Boot ausbietet jedoch in Gewässern mit geringer Individuendichte oder in solchen mit schwererreichbaren Ufern deutliche Vorteile (vgl. ZIEBELL 1982), da von der Wasserflächeaus das Ufer besser einsehbar ist und so, wie z.B. an der Alpe, auch einzelne Exuviengefunden werden können. Aufgrund der zahlreichen Funde ergibt sich für die Fluß-jungfern z.T. eine neue Verbreitungssituation in Niedersachsen, die im folgenden füralle 3 Arten diskutiert werden soll.

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Gomphus vulgatissimusDie Gemeine Keiljungfer gilt in Niedersachsen, wie auch in der gesamten Bundesre-publik, als vom Aussterben bedroht (ALTMÜLLER et al. 1989, CLAUSNITZER et al.1984). Bisher waren bodenständige Vorkommen an 9-10 niedersächsischen Gewäs-sern bekannt (unpubl. Verbreitungskarte des Niedersächsischen Landesamtes für Öko-logie Stand 1993, 11.-.1. CLAUSNITZER in lit.). Durch unsere Funde kommen 4 hin-zu. Diese unterscheiden sich nicht wesentlich vom bisher bekannten Lebensraum-spektrum.Die Art besiedelt sowohl große Ströme, wie Main, Rhein und Oder (HEITz 1993,MÜLLER 1989, TITTIZER et al. 1989, WESTERMANN et al. 1995) als auch kleinere Wie-sengräben, wie z.B. die niedersächsische Allerbeeke (KERN 1992, 1995). TypischeFundorte sind auch größere Seen (z.B. GRIEBLER 1994, WESENBERG-LUND 1908).In neuerer Zeit konnten Vorkommen in Kiesgruben (FoIDL et al. 1993) und im Mit-tellandkanal (MÜLLER 1996) nachgewiesen werden. Viele Autoren betonen, daß sichdie Art nur in strukturreichen, naturnahen Bächen und Flüssen fortpflanzen kann(z.B. ALTMÜLLER 1984, BELLMANN 1987, DREYER 1986). Nach Berücksichtigungder Literatur, kann man davon ausgehen, daß Strukturreichtum im Gewässer dasVorkommen zumindest nicht verhindert. Aber auch aus eher strukturarmen und be-gradigten Gewässern, wie der Allerbeeke (KERN 1992) und der Ise (eigene Beob.),sind jedoch große Vorkommen bekannt.

Häufig wurden sogar Massenschlupfereignisse mit bis zu 10.000 Individuen auf 10km Fließstrecke beobachtet (LöNs 1919, MÜLLER 1993, SOMME 1937, WESTERMANNet al. 1995, YANG & DAVIES 1993). In Mitteleuropa beginnt die Emergenz Ende Aprilbis Mitte Mai (SÜHLING & MÜLLER 1996). Wie bei Frühjahrsarten (sensu CORBET1962) üblich, verläßt der größte Teil eines Schlupfjahrganges innerhalb weniger Tagedas Wasser. Wenn sich zu dieser Zeit starke Regenfälle ereignen, werden die Exu-vien abgespült. Da sich außerdem die Imagines meist nur kurz am Gewässer aufhal-ten, ist die Art schwer zu erfassen. Nicht zuletzt deshalb dürfte sie oft übersehenworden sein. Außerdem dürften bei schlechter Witterung zur Flugzeit viele Imaginessterben. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, daß wir im verregneten Mai 1995nur sehr wenige Imagines zu Gesicht bekamen.

Gomphus pulehellusDas einzige Fließgewässer im Untersuchungsgebiet, in dem sich die Westliche Fluß-jungfer nachweislich entwickelt, ist die Oker. Bisher waren aus Niedersachsen, wodie Art derzeit ihre nordöstliche Verbreitungsgrenze hat, nur Vorkommen aus Still-gewässern bekannt, unter anderem aus Altarmen der Oker (MÜLLER & SUHLING1990). Aufgrund fehlender Fortpflanzungsnachweise in Fließgewässern fand sie kei-ne Berücksichtigung in der Publikation über die Fließgewässerlibellen Niedersach-sens (ALTMÜLLER et al. 1989). Der gute Erhaltungszustand der beiden an der Okeram 27.6. und 8.7.1995 gefundenen Exuvien läßt auf einen späten Schlupftertnin schlie-ßen. Der in Kiesgrubengewässern der Region um mindestens einen Monat frühereSchlupf (siehe MÜLLER & SUHLING 1990) liegt möglicherweise in der höheren Tem-

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peratur dieser Gewässer begründet. Bei der Großen Zangenlibelle Onychogomphusuncatus ist gezeigt worden, daß Unterschiede im Temperaturregime auch in unmit-telbar benachbarten Gewässern den Schlupfbeginn deutlich verschieben können (SUH-LING 1995).

Ophiogomphus ceciliaAuch die Grüne Flußjungfer gilt in Niedersachsen und der Bundesrepublik aber auchin ganz Europa als vom Aussterben bedroht (ALTMÜLLER et al. 1989, CLAUSNIT-ZER et al. 1984, VAN TOL & VERDONK 1988). Nachweise aus Niedersachsen lagenbisher nur aus der Lüneburger Heide und der nördlichen Allerniederung vor (ALT-MÜLLER et al. 1989). Bisher waren 9 Gewässer bekannt, an denen die Art boden-ständig ist (unpubl. Verbreitungskarte des NM) Stand 1993, 11.-J. CLAUSNITZER inlit.), zu denen mit unseren Funden 4 weitere hinzu kommen.Die bisher bekannten Fundorte vermitteln das folgende Bild des Lebensraumes von0. cecilia.• Kühle, schnellfließende Bäche und Flüsse (AurmtILLER et al. 1989), Ober-läufe sauberer Bäche und Flüsse (DREYER 1986), vorzugsweise sandige Bäche (BELL-MANN 1987), rasch fließende, saubere Bäche und Flüsse mit Sandgrund (JURZITZA1988). REHFELDT (1986) fand die Art in der Lüneburger Heide überwiegend an ex-tensiv ausgebauten bzw. naturnahen Flußabschnitten, die meist durch Wald fließenoder an Waldrändern liegen. Diese Habitatbeschreibungen decken sich auch mit denAngaben zu anderen aktuellen Funden, z.B. in den Vogesen, der Oberpfalz und derSchweiz (BöNiscH & H on 1994, JACQUEMIN & BOUDOT 1991, VONWIL & OSTER-WALDER 1994).

Die untersuchten Gewässerabschnitte von Leine und Oker sind im Gegensatz dazufast ausschließlich von Grünland umgeben (Abb. 2). Insbesondere die Fuhse weichtvon den oben beschriebenen Lebensräumen ab (siehe Tab. 1). Obwohl es im Mittel-lauf eine naturnahe mäandrierende Passage durch einen Wald gibt, wurden die Exu-vien an einem stark begradigten Stück weiter unterhalb gefunden. Der fehlende Nach-weis für die Erse liegt wahrscheinlich an dem zu frühen Befahrungstermin. Ein Vor-kommen ist hier jedoch zu erwarten. Die Fundorte an der Fuhse liegen nur einenKilometer entfernt und in den Gewässerstrukturen bestehen zwischen beiden Gewäs-sern keine wesentlichen Unterschiede. Trotz der deutlichen Unterschiede sind die Exu-viendichten an der Leine und Oker mit bis zu 20 Exuvien auf 5 m Uferlänge minde-stens genauso hoch, wie an den „typischen" Habitaten. Ähnlich hohe Populations-dichten sind auch von der mittleren Oder bei Frankfurt bekannt (MünER 1988,1995). Diese Beispiele zeigen, daß das Habitatspektrum von 0. cecilla wesentlich brei-ter ist, als bislang angenommen (s.o.). Schon in den 30er Jahren war bekannt, daßdie Art auch in breiten Flüssen lebt (MÜNCHBERG 1932, WOLF 1939).

Werden Flußjungfem in Niedersachsen häufiger?Nach dem oben Dargestellten scheint sich das Verbreitungsgebiet von G. vulgatissi-mus und 0 . cecilia in Niedersachsen ausgeweitet zu haben. Nach unserer Ansichtkommen für die gehäuften Nachweise folgende Erklärungen in Frage:

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Abb. 2: Typischer Fundort von Ophiogomphus cecilia an der Leine mit geringem Baumbestand und Grün-land bis ans Ufer.

• Verbesserung der Wasserqualität: In den letzten Jahren zeigte sich z.B. im Regie-rungsbezirk Braunschweig eine Verbesserung der Wasserqualität vieler Fließge-wässer von II - III (kritisch belastet) auf II (mäßig belastet), welches z.T. auf denBau und die Modernisierung von Kläranlagen zurückzuführen ist (STAWABRAUNSCHWEIG 1995). Für die weitläufige Meinung (s.o.), Flußjtmgfem seien aufgute Wasserqualität angewiesen, gibt es keine Beweise. SUHLING & MÜLLER (1996)vertreten die Auffassung, daß die Wasserqualität keinen entscheidenden Einflußauf das Vorkommen von Gomphiden hat.

• Weniger gewässerbauliche Maßnahmen: In den letzten Jahren wurden kaum nochgrößere gewässerbauliche und -unterhaltende Maßnahmen durchgeführt. Dieseshatte zur Folge, daß sich die Gewässersohlen stabilisierten und keine größeren Se-dimentverlagerungen stattfanden. Den negativen Einfluß von größeren Sediment-überlagerungen auf G. vulgatissimus wies TOBIAS (1995) nach.

• Günstige klimatische Verhältnisse in den letzten Jahren: Die allgemeine Erwär-mung des Klimas (Abb. 3; siehe auch RAPP 1994) könnten für die Ausbreitungbzw. Wiederausbreitung im Raum Braunschweig günstige Bedingungen geschaf-fen haben. OTT (1996) führt die Ausweitung des Verbreitungsgebietes einiger süd-europäischer Libellenarten, wie Crocothemis erythraea, nach Norden ebenfallsauf die Klimaveränderung zurück. Auch im Braunschweiger Raum sind in denletzten Jahren vermehrt solche Arten, z.B. Lestes barbarus, Aeshna affinis, Anaxpathenope und Orthetrum brunneum, angetroffen worden (MARTENS & GASSE1995, MARTENS & MÜLLER 1989, SCHRIDDE et al. 1993, VOIGT 1996). Die Ima-gines vieler Flußjungfern-Arten sind sehr wärmeliebend. Die Populationen kön-nen durch kalte, regnerische Witterung gerade während der Reifezeit stark redu-ziert werden (SuHLING & MÜLLER 1996). Dies trifft insbesondere auf die Schlupf-

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Abb. 3: Veränderung der mittleren Jahrestemperaturen in Braunschweig-Völkenrode von 1965 bis 1995(Quelle: Deutscher Wetterdienst Braunschweig). Dargestellt ist der Temperaturverlauf, die mittlere Tem-peratur bezogen auf den gesamten Zeitraum (unterbrochene Linie) und der mittels linearer Regressionerrechnete Anstieg (durchgezogene Linie). Die Pfeile kennzeichnen den sich aus der Regression ergeben-den Unterschied der Jahresmitteltemperaturen.

periode von G. vulgatissimus im Mai zu. Gerade dieser Monat war in den Jahren1988 bis 1990 sowie 1992 und 1993 überdurchschnittlich warm (DEUTSCHER WET-TERDIENST BRAUNSCHWEIG). Dadurch dürften sich die Bestände in den verblie-benen Restpopulationen erholt und sich somit die Wahrscheinlichkeit einer erfolg-reichen Ausbreitung in neue Lebensräume erhöht haben. Derselbe Ausbreitungs-mechanismus könnte aufgrund der ebenfalls sehr warmen Sommer auch auf 0.cecilia zutreffen. G. pulchellus, die in Niedersachsen sonst nur in wärmeren Still-gewässern vorkommt, konnte sich wahrscheinlich nur wegen der zunehmendenWassertemperaturen in der Oker (nach Daten des STAWA BRAUNSCHWEIG)entwickeln.

Die 3 genannten Punkte implizieren, daß sich die Arten tatsächlich weiter ausgebrei-tet haben. Möglich wäre auch folgende Erklärung:• Me hr Bearbeiter mit höherem Kenntnisstand und besserem Suchschema erhöhen

die Fundhäufigkeit: Die Zahl der Meldungen z.B. im Niedersächsischen Tierarten-erfassungsprogramm stieg bis 1995 an (R. ALTMÜLLER mündl.). So sind in letz-ter Zeit auch häufiger bzw. mehr Gewässer aufgesucht worden. Ein nicht zu un-terschätzender Faktor ist auch ein höherer Wissensstand der Bearbeiten Durcheine steigende Zahl von Veröffentlichungen und Seminaren zur Problematik derErfassung durch Exuvienaufsammlungen werden mehr Libellenkundler sensibili-siert (MARTENS et al. 1991).

Sicherlich dürfte der letzte Punkt mit zur Erhöhung der Fundhäufigkeit beigetragenhaben. Im Bereich des Oker-Schunter-Systems wurde die Libellenfauna in den letz-ten 15 Jahren jedoch kontinuierlich untersucht (LIEss 1986, MARTENS 1985, MÜL-LER & SUHLING 1990, REHFELDT 1982, 1983, 1984), wobei lediglich einzelne Imagi-nes gefunden wurden (s.o.). Deshalb ist nicht anzunehmen, daß größere Populatio-nen, wie sie heute existieren, bisher übersehen worden sind. Es ist vielmehr anzuneh-men, daß entweder die Gewässer neu besiedelt wurden oder die Dichte vorhandenerRestpopulationen zugenommen hat. Letzteres könnte für G. vulgatissimus in Okerund Schunter zutreffen.

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Für die Ausbreitung ist sicherlich eine Kombination oben genannter Punkte verant-wortlich. Bei gleichbleibend günstigen Bedingungen dürfte sich dieser Trend fortset-zen. Dies mag auch für die beiden in Niedersachsen als ausgestorben geltenden Artenzutreffen. Beide sind in den letzten Jahren in benachbarten Bundesländern gefundenworden. Von der Asiatischen Keiljungfer, Gomphusf. flavipes, wurden an der Elbebei Wittenberge (Mecklenburg-Vorpommern; ca. 20 km Luftlinie bis Niedersachsen)Exuvien gefunden (BROmmER & MARTENS 1994). Aus Hessen sind aktuelle Vorkom-men von Onychogomphus forcipatus (Kleine Zangenlibelle) von der Eder bekannt(LEIsE et al. 1994). Eine noch unbestätigte neuere Meldung (1993) dieser Art liegtvon der südlichen Wietze vor (C. LINGNAU mündl.). Auf beide Arten sollte in Zu-kunft besonders geachtet werden.

5. Zusammenfassung

Die Libellenfauna der südlichen Allerzuflüsse wurden 1995 mit verschiedenen Methoden erfaßt. Dabeikonnten 3 Flußjungfern-Arten, Gomphus vulgatissimus, G. pulchellus und Ophiogomphus cecilia nach-gewiesen werden. Für die vom Aussterben bedrohten G. vulgatissimus und 0. cecilia werden jeweils 4neue Fortpflanzungsgewässer beschrieben. Bei beiden Arten erhöht sich die Anzahl bekannter bodenständigerVorkommen in Niedersachsen damit um ca. 40%. Mögliche Ursachen für die Erhöhung der Fundhäufig-keit, wie Klimaänderung, Verbesserung der Wasserqualität und erhöhte Erfassungsintensität, werdendiskutiert.

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Anschrift der Verfasser:Thomas 0. EggersDipl.-Biol. Karsten GrabowDipl.-Biol. Carsten SchütteDr. Frank SuhlingZoologisches Institutder Technischen Universität BraunschweigFasanenstraße 3D-38102 Braunschweig

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