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Rifa‘at Lenzin 1 Die Frau in der Migration – Gedanken zu Kopftüchern, Haushalthilfen und Heiratsmigration Dr. Rifa‘at Lenzin Forum Integration 13. März 2014, Aarau

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Die Frau in der Migration – Gedanken

zu Kopftüchern, Haushalthilfen und

Heiratsmigration

Dr. Rifa‘at Lenzin

Forum Integration

13. März 2014, Aarau

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• Im Jahr 2000 gab es weltweit 175 Millionen transnationale Migrantinnen und Migranten.

• D.h. eine von 35 Personen war MigrantIn.

� Das Ausmass der grenzüberschreitenden Migration hat sich seit 1960 mehr als verdoppelt von 2.5 auf 2.9% der Bevölkerung im Jahr 2000.

� Ein Grossteil der Zunahme war der Auflösung der Tschechoslowakei, der Sowjetunion und Jugoslawien geschuldet.

� In der Zwischenzeit sind Kriege in Afghanistan, Irak, Afrika und Syrien hinzugekommen.

� Heute gibt es über 100 Millionen Migrantinnen, die als Haushalthilfen beschäftigt werden.

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Mexiko ist der zweitgrösste "Exporteur" von MigrantInnen. Die meisten von ihnen sind männlich.

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Die Philippinen sind der weltweit grösste "Exporteur" von MigranInnen. Die meisten von ihnen sind weiblich.

Die neuen "Dienstmädchen"

� Wie kommt es, dass sich in unserem von der Informationstechnologie geprägten Umfeld ein informeller archaischer Arbeitsmarkt etabliert hat.

� Waren nicht Sozialwissenschaftler und Ökonomen davon ausgegangen, dass es dieses Phänomen seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr gibt?

� Wie kommt es, dass sich die Frauen- und Gender-Forschung zu diesem aktuellen Phänomen kaum äussert?

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Frage ...

Migrations-Diskurse

� Die Hauptströmung in den Untersuchungen geht nach wie vor davon aus, dass die Migration in erster Linie männlich ist.

� Männer gelten als aktive Auslöser des Migrations-prozesses; Frauen und Kinder sind dabei nur passive Nachzügler.

� Dies, obschon präzisere Analyse betreffend Immigrationsstatistiken und Emigrationsmotiven längst gezeigt haben, dass ein beträchtlicher Teil der Frauen aus eigenem Antrieb und autonom migriert.

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Genderforschung

� Genderforschung konzentrierte sich lange Zeit ausschliesslich auf die Frau.

� Männer sind erst seit verhältnismässig kurzer Zeit Gegenstand der Genderforschung.

� Es existiert wesentlich mehr Literatur zu Homosexualität als zum "gewöhnlichen" Mann.

Migrations-Diskurse

� Ein anderer Aspekt des westlichen Diskurses bildet die feministische Interpretation von Gender Beziehungen.

� Danach sind Männer und Frauen in eine symbolische und normative Zweiteilung eingebettet, welche das Weibliche als das Andere definiert.

� Männlichkeit bildet den Standard in der Gesellschaft; Weiblichkeit ist die Abweichung davon.

Migrations-Diskurse

� Die Forschung betr. Migrantinnen aus der Türkei, dem Maghreb und Pakistan konzentriert sich auf die Tatsache, dass

1. die Frauen Migrantinnen sind und2. aus einem islamischen Land kommen

� Ein weiterer Aspekt des westlichen Diskurses bildet das "Migrantin-als-Opfer" Paradigma.

� Nach dieser Vorstellung ist das Leben der Migrantin in allen gesellschaftlichen Belangen und auf jeder Ebene von Benachteiligung geprägt.

Migrations-Diskurse

� Für diese generelle Benachteiligung werden Restriktionen verantwortlich gemacht, die ihre Wurzel im kulturellen Erbe hätten und dieses kulturelle Erbe wird als islamisch definiert.

� Eine weitere Annahme geht davon aus, dass es so etwas wie weibliche Autonomie in der islamischen Kultur nicht gibt (nicht geben kann).

� Die muslimische Migrantin wird so zum bedauerns-werten, hilflosen Opfer par excellence.

Migrations-Diskurse

� Untersuchungen in Nord-, Mittel- und Westeuropa haben gezeigt, dass es erstaunlicherweise ein einheitliches Bild betreffend der Migrantin gibt:

� Die typische Migrantin ist in jedem Fall ein Frau aus einem islamischen Land.

� Die Migrantin, welche als am weitesten entfernt von westlicher Zivilisation empfunden wird, dient damit als Vorbild zum Prototyp der Migrantin.

Migrations-Diskurse

� Der islamische Background gilt als Quelle der Misere. (Dies auch bei "muslimischen" AutorInnen wie z.B. Necla Kelek)

� Frage: Wieso ist eine solche simplifizierende Darstellung so breit akzeptiert und wird von der westlichen Forschung kaum hinterfragt.

� Orientalismus-Diskurs

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Edward Said

Seine Hauptthese ist,

� dass der Westen den Orient gewissermassen als Objekt des Wissens nach seinem Gegenbild erschaffen hätte, als negative Folie seiner Identität und mit dem klaren Ziel, diesen zu beherrschen.

� Während Europa sich also rational, politisch wohlgeordnet und entwicklungsfähig (auch männlich) sah, wurde der Orient als irrational, ungeordnet, stagnierend und weiblich dargestellt.

„Orientalismus“

Diskurse

� Aus dieser Ideologie heraus entwickelte sich das Bild vom westlichen männlichen Retter der unterdrückten muslimischen Frau.

� Gayatri Chakravorty Spivak hat dieses Phänomen in ihrem berühmten Artikel „Weisser Mann rettet braune Frau vor braunem Mann“ genannt.

� Bis heute gehalten hat sich die generell Überzeugung, dass muslimische Frauen grundsätzlich mehr unterdrückt sind als ihre christlichen Schwestern und das muslimische Patriarchat strenger und unbarmherziger ist als andere Patriarchate.

Thesen

� Der berufliche Aufstieg der einheimischen deutschen Frauen in den letzten zwanzig bis dreissig Jahren basierte nicht unwesentlich auf der ethnischen Unterschichtung durch Migrantinnen.

� Die einheimischen Frauen sind aufgestiegen während die eingewanderten die nun frei gewordenen Plätze eingenommen haben � Plakativ gesprochen ist die deutsche Putzfrau durch die türkische ersetzt worden.

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Die soziale Hierarchie wird damit abgesichert, dass die kulturelle Differenz zwischen den Frauen betont wird. Das islamische Kopftuch hat nicht gestört, solange es die Putzfrau oder Fabrikarbeiterin trug.

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als Politikum.

Das Kopftuch

Zuwanderung in der Schweiz

� Wirtschaftlich motiviert 30,2% (Arbeitskräfte)

� Humanitär motiviert 2,4% (Asylsuchende)

� Sozial motiviert 48,7% Familiennachzug, Heirat

Quelle: Hans-Rudolf Wicker, Uni Bern

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