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Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle – Vertragstexte –

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Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle– Vertragstexte –

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Die Genfer Abkommen undihre Zusatzprotokolle

– Vertragstexte –

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Impressum

Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle– Vertragstexte – Hrsg. vom Deutschen Roten Kreuz9. Auflage 2007Berlin: DRK-Service GmbH, 2007

HerausgeberDeutsches Rotes Kreuz e.V.Carstennstraße 58, 12205 Berlin

VertriebDRK-Service GmbH, BestellcenterPostfach 100 863, 45408 Mülheimwww.rotkreuzshop.de

Art.-Nr. 810 500

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© 2007 Deutsches Rotes Kreuz e.V., Berlin© 2007 DRK-Service GmbH, Berlin

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung zur Textsammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde [I. Genfer Abkommen von 1949] . . . . . . . . . . . . . . . . . 25Kapitel I Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25Kapitel II Verwundete und Kranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28Kapitel III Sanitätseinheiten und -einrichtungen . . . . . . . . . . . . 32Kapitel IV Das Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33Kapitel V Gebäude und Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36Kapitel VI Sanitätstransporte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36Kapitel VII Das Schutzzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Kapitel VIII Durchführung des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . 39Kapitel IX Ahndung von Mißbräuchen und Übertretungen . . . . . 40Schlußbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Anhang I Entwurf einer Vereinbarung über Sanitätszonen

und -orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Anhang II Ausweiskarte für die Mitglieder des Sanitäts-

und Seelsorgepersonals der Streitkräfte . . . . . . . . . . 45

Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Ver-besserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See[II. Genfer Abkommen von 1949] . . . . . . . . . . . . . . . . . 47Kapitel I Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47Kapitel II Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige . . . . . . . . . . 50Kapitel III Lazarettschiffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54Kapitel IV Das Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56Kapitel V Sanitätstransporte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57Kapitel VI Das Schutzzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58Kapitel VII Durchführung des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . 60Kapitel VIII Ahndung von Mißbräuchen und Übertretungen . . . . . 60Schlußbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61Anhang Ausweiskarte für die Mitglieder des Sanitäts- und

Seelsorgepersonals der Streitkräfte zur See . . . . . . . 63

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Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen [III. Genfer Abkommen von 1949] . . . . . . . . . . . . . . . . 65Teil I Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65Teil II Allgemeiner Schutz der Kriegsgefangenen . . . . . 70Teil III Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71Abschnitt I Beginn der Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 71Abschnitt II Internierung der Kriegsgefangenen . . . . . . . . . . 73Kapitel I Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73Kapitel II Unterkunft, Verpflegung und Bekleidung der

Kriegsgefangenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74Kapitel III Gesundheitspflege und ärztliche Betreuung . . . . . . . 76Kapitel IV Zur Betreuung der Kriegsgefangenen zurückge-

haltenes Sanitäts- und Seelsorgepersonal . . . . . . . . 77Kapitel V Religion, geistige und körperliche Betätigung . . . . . . 78Kapitel VI Disziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79Kapitel VII Dienstgrade der Kriegsgefangenen . . . . . . . . . . . . . . 80Kapitel VIII Verlegung von Kriegsgefangenen nach ihrer

Ankunft im Lager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80Abschnitt III Arbeit der Kriegsgefangenen . . . . . . . . . . . . . . . 81Abschnitt IV Geldmittel der Kriegsgefangenen . . . . . . . . . . . 84Abschnitt V Beziehungen der Kriegsgefangenen zur

Außenwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88Abschnitt VI Beziehungen der Kriegsgefangenen zu den

Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92Kapitel I Beschwerden der Kriegsgefangenen über die

Gefangenschaftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92Kapitel II Vertreter der Kriegsgefangenen . . . . . . . . . . . . . . . . 92Kapitel III Straf- und Disziplinarmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 94Teil IV Beendigung der Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . 101Abschnitt I Direkte Heimschaffung und Hospitalisierung

in neutralen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101Abschnitt II Freilassung und Heimschaffung der Kriegs-

gefangenen bei Beendigung der Feindselig-keiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Abschnitt III Todesfälle von Kriegsgefangenen . . . . . . . . . . 105Teil V Auskunftsstellen und Hilfsorganisationen für

Kriegsgefangene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107Teil VI Durchführung des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . 109Abschnitt I Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . 109Abschnitt II Schlußbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

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Anhang I Muster-Vereinbarung über die direkte Heim-schaffung von verwundeten und kranken Kriegsgefangenen und die Hospitalisierung in einem neutralen Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Anhang II Regelung über die gemischtenärztlichen Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Anhang III Regelung über Sammel-Hilfssendungen für Kriegsgefangene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Anhang IV A. Ausweiskarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120B. Gefangenschaftskarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120C. Karte und Brief für Schriftwechsel. . . . . . . . . . . . 121D. Todesurkunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122E. Heimschaffungsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . 122

Anhang V Muster-Regelung über die von den Kriegs-gefangenen in ihr eigenes Land überwie-senen Geldbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutzvon Zivilpersonen in Kriegszeiten [IV. Genfer Abkommen von 1949] . . . . . . . . . . . . . . . . 123Teil I Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 123Teil II Allgemeiner Schutz der Bevölkerung

vor gewissen Kriegsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127Teil III Rechtsstellung und Behandlung der

geschützten Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132Abschnitt I Gemeinsame Bestimmungen für die

Gebiete der am Konflikt beteiligten Parteien und die besetzten Gebiete . . . . . . . . . 132

Abschnitt II Ausländer im Gebiet einer am Konflikt beteiligten Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Abschnitt III Besetzte Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137Abschnitt IV Bestimmungen über die Behandlung

von Internierten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146Kapitel I Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146Kapitel II Internierungsorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147Kapitel III Ernährung und Bekleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149Kapitel IV Gesundheitspflege und ärztliche Betreuung . . . . . . 149Kapitel V Religion, geistige und körperliche Betätigung . . . . . 150Kapitel VI Persönliches Eigentum und Geldmittel . . . . . . . . . . 152Kapitel VII Verwaltung und Disziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153Kapitel VIII Beziehungen zur Außenwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155Kapitel IX Straf- und Disziplinarmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . 159

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Kapitel X Verlegung von Internierten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162Kapitel XI Todesfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163Kapitel XII Freilassung, Heimschaffung und Hospitalisierung

in neutralen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164Abschnitt V Auskunftsbüros und Zentralauskunftsstelle . . 165Teil IV Durchführung des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . 167Abschnitt I Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . 167Abschnitt II Schlussbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169Anhang I Entwurf einer Vereinbarung über Sanitäts- und

Sicherheitszonen und -orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171Anhang II Entwurf einer Regelung über Sammel-Hilfs-

sendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173Anhang III I. Internierungskarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

II. Brief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174III. Mitteilungskarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu den GenferAbkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflike (Protokoll I) [I. Zusatzprotokoll von 1977] . . . . . . . . . 177Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181Teil I Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 181Teil II Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige . . . . . . . 184Abschnitt I Allgemeiner Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184Abschnitt II Sanitätstransporte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191Abschnitt III Vermißte und Tote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198Teil III Methoden und Mittel der Kriegführung.

Kombattanten- und Kriegsgefangenenstatus . . . 200Abschnitt I Methoden und Mittel der Kriegführung . . . . . . 200Abschnitt II Kombattanten- und Kriegsgefangenen-

status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202Teil IV Zivilbevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205Abschnitt I Allgemeiner Schutz vor den Auswirkungen

von Feindseligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205Kapitel I Grundregel und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . 205Kapitel II Zivilpersonen und Zivilbevölkerung . . . . . . . . . . . . . 206Kapitel III Zivile Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207Kapitel IV Vorsorgliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210Kapitel V Orte und Zonen unter besonderem Schutz . . . . . . . 211Kapitel VI Zivilschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

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Abschnitt II Hilfsmaßnahmen zugunsten der Zivilbe-völkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Abschnitt III Behandlung von Personen, die sich in der Gewalt einer am Konflikt beteiligten Partei befinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Kapitel I Anwendungsbereich und Schutz von Personen und Objekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Kapitel II Maßnahmen zugunsten von Frauen und Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Kapitel III Journalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225Teil V Durchführung der Abkommen und dieses

Protokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225Abschnitt I Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . 225Abschnitt II Ahndung von Verletzungen der Abkommen

und dieses Protokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227Teil VI Schlußbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232Anhang I Vorschriften über die Kennzeichnung. . . . . . . . . . . . 235Kapitel I Ausweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235Kapitel II Das Schutzzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237Kapitel III Erkennungssignale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238Kapitel IV Nachrichtenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240Kapitel V Zivilschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241Kapitel VI Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte

enthalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242Anhang II Ausweis für Journalisten in gefährlichem beruf-

lichem Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Ab-kommen vom 12. August 1949 über den Schutz derOpfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte(Protokoll II) [II. Zusatzprotokoll von 1977] . . . . . . . . 245Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246Teil I Geltungsbereich dieses Protokolls . . . . . . . . . . . 246Teil II Menschliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247Teil III Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige . . . . . . . 250Teil IV Zivilbevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251Teil V Schlußbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

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Zusatzprotokoll vom 8. Dezember 2005 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über dieAnnahme eines zusätzlichen Schutzzeichens (Protokoll III) [III. Zusatzprotokoll von 2005] . . . . . . . 255Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256Anhang Zeichen des III. Protokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

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A. Einleitende Bemerkungen

Seit Annahme der Charta der VereintenNationen im Jahre 1945 ist Androhungoder Anwendung von Gewalt kein er-laubtes Mittel zur Beilegung von Kon-flikten zwischen Staaten. Mit klaren undunmissverständlichen Worten verbietetArtikel 2 Nr. 4 der UNO Charta denKrieg.

Die Charta selber durchbricht diesesVerbot, zu den Waffen zu greifen, aller-dings für zwei Situationen. Erstens darfsich jeder Staat unter Einsatz von Ge-walt zur Wehr setzen, wenn er durcheinen Drittstaat angegriffen wird – ge-stützt auf das „naturgegebene“ Rechtzur Selbstverteidigung (Artikel 51). Obdamit auch ein Recht zur präventivenSelbstverteidigung erfasst wird, ist heuteGegenstand lebhafter Auseinanderset-zungen. Drittstaaten dürfen dem ange-griffenen Staat Hilfe leisten, im Gefolgedes Rechts auf kollektive Selbstver-teidigung. Zweitens kann der UNOSicherheitsrat militärische Sanktionenbeschließen, „um den Weltfrieden unddie internationale Sicherheit zu wahrenoder wiederherzustellen“ (UNO Charta,Kapitel VII, insbesondere Artikel 42).

Trotz des Gewaltverbots und des frie-denssichernden Systems der UNOCharta gibt es auch heute noch Kriege,und zwar Kriege zwischen Staaten, aberauch gewalttätige Auseinandersetzun-gen innerhalb eines Staates. Die interna-tionale Gemeinschaft muss sich somitmit dem Phänomen Krieg befassen, undzwar unter zwei Aspekten. Einmal istjeder Krieg Ausdruck und Folge eines

nicht in zufrieden stellender Weise gelö-sten Problems. Das Problem mussgelöst werden. Anderseits bedeutetKrieg immer Ausdruck roher Gewalt, dieden Menschen viel Leid zufügt und diegeistige und materielle Werte zerstört.

Es ist diese zweite Erscheinung, wel-che die Existenz des humanitärenVölkerrechts begründet. HumanitäresVölkerrecht soll die Folgen des Kriegs-geschehens für die Menschen lindernund damit unverhältnismäßiges Leidenund Zerstörung verhüten. Es ist hinge-gen nicht dazu berufen, die einem be-waffneten Konflikt zugrunde liegendenSpannungen und Differenzen politischerNatur zu lösen.

Unter dem humanitären Völkerrechtverstehen wir die

Gesamtheit jener internationalen Re-geln, welche aus humanitären Gründender Anwendung von Gewalt in einembewaffneten Konflikt zwischen Staatenoder innerhalb eines Staates Grenzensetzen. Diese Regeln schränken zumeinen das Recht der Konfliktparteien zurWahl von Mitteln und Methoden derKriegführung ein. Zum anderen verbie-ten sie sowohl die Anwendung vonGewalt gegen die an militärischenOperationen nicht oder nicht mehr betei-ligten Personen – namentlich die Ange-hörigen der Zivilbevölkerung – als auchdie Zerstörung von zivilen Gütern. Dashumanitäre Völkerrecht verpflichtet zurLeistung von Hilfe zu Gunsten der Opferkriegerischer Gewalt.

Einleitung zur Textsammlung

Einleitung zur Textsammlung

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Das humanitäre Völkerrecht unter-scheidet zwischen zwei Arten von be-waffneten Konflikten, den internationa-len und den nicht-internationalen kriege-rischen Auseinandersetzungen. Die fürdie zwischenstaatlichen Konflikte gelten-de rechtliche Ordnung geht stärker insDetail als das in internen Konflikten(Bürgerkriegen) anwendbare Recht, u.a.weil sich das letztere auch an nichtstaat-liche Akteure wendet.

Humanitäres Völkerrecht ist Teil des all-gemeinen Völkerrechts. Als solches lei-stet es einen Beitrag zum Ziel des Völ-kerrechts, die Schaffung einer friedlichenund gerechten internationalen Ordnung.

B. Anwendbarkeit und Inhalt des humanitärenVölkerrechts

Die folgenden Zeilen sollen einen allge-meinen Überblick über den Inhalt deshumanitären Völkerrechts vermitteln.Soweit nicht anders angegeben geltendie hier wiedergegebenen, grundlegen-den Bestimmungen sowohl für interna-tionale als auch für nicht-internationalebewaffnete Konflikte.

1. Anwendbarkeit des humanitärenVölkerrechts

Humanitäres Völkerrecht ist in einembewaffneten Konflikt anwendbar. Einbewaffneter Konflikt liegt dann vor, wennein Staat gegen einen anderen Staatmilitärische Gewalt anwendet, um seineZiele zu erreichen. Ein bewaffneterKonflikt liegt aber auch dann vor, wenninnerhalb eines Staates die Streitkräfteorganisierten bewaffneten Gruppen, diesich gegen die staatlichen Behörden

auflehnen, gegenüber stehen oder wennmehrere solcher Gruppen sich gegen-seitig bekämpfen. Das (behauptete)Motiv des Gangs zur Waffe spielt für dieAnwendbarkeit des humanitären Völker-rechts auf einen Konflikt keine Rolle.

2. Grundregeln des humanitärenVölkerrechts

„In einem bewaffneten Konflikt habendie am Konflikt beteiligten Parteien keinunbeschränktes Recht in der Wahl derMethoden und Mittel der Kriegführung.“(Artikel 35 Abs. 1 Zusatzprotokoll I von1977 zu den Genfer Abkommen, ZP I)

Namentlich muss jederzeit zwischender Zivilbevölkerung und zivilen Objek-ten, einerseits, und Angehörigen militäri-scher Streitkräfte und militärischenZielen, anderseits, unterschieden wer-den. Zivilbevölkerung und zivile Objektedürfen nicht angegriffen werden.

Personen, die nicht oder nicht mehr anFeindseligkeiten teilnehmen, müssenunter allen Umständen und ohne jegli-che nachteilige Unterscheidung oderBenachteiligung mit Menschlichkeit be-handelt und vor Gewalttätigkeiten ge-schützt werden. Es sind geschütztePersonen.

3. Verwundete, Kranke undSanitätspersonal

Angehörige der Streitkräfte, die nichtoder nicht mehr an Feindseligkeiten teil-nehmen, haben Anspruch auf Achtungihrer Person und auf menschlicheBehandlung. Es ist namentlich verboten,Soldaten, die ihre Waffen niederlegenund sich ergeben, die hors de combat

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sind, zu töten, zu verletzen oder zu fol-tern. Dies gilt auch im Falle von Zivil-personen, die unberechtigterweise anFeindseligkeiten teilnehmen.

Verwundete and Kranke militärischenoder zivilen Ursprungs müssen durchdie Konfliktparteien aufgesucht, gebor-gen und gepflegt werden.

Dem (zivilen und militärischen) Sani-tätspersonal muss gestattet werden, dieVerwundeten und Kranken zu pflegen.Jegliche nachteilige, nicht durch medizi-nische Gründe erforderliche Unterschei-dung oder Benachteiligung ist verboten.

Die (zivilen oder militärischen) Sanitäts-einrichtungen, wie z. B. Lazarette undSpitäler, müssen geschont und ge-schützt werden. Es muss ihnen ermög-licht werden, ihre Aufgaben zu Gunstender Verwundeten und Kranken unterallen Umständen wahrzunehmen. Trans-portmittel zur Beförderung von Verwun-deten und Kranken (Ambulanzen) undvon Sanitätsmaterial sind ebenfalls ge-schützt.

Die Schutzzeichen des roten Kreuzesauf weißem Grund und des rotenHalbmonds auf weißem Grund dienender Bezeichnung der Sanitätseinrich-tungen, des Sanitätspersonals und derTransportmittel, und zwar sowohl zivilerals auch militärischer Herkunft. Sie müs-sen unter allen Umständen respektiertund dürfen nicht missbraucht werden.Das im Dezember 2005 angenommeneZusatzprotokoll über das neue Schutz-zeichen des roten Kristalls auf weißemGrund (ZP III) entfaltet die gleichenWirkungen für Staaten, die das Protokollratifiziert haben.

4. Militärische und zivile Gefangene

Militärische und zivile Gefangene müs-sen jederzeit menschlich behandelt wer-den. Folter und andere Formen un-menschlicher Behandlung während derGefangenschaft sind verboten und stel-len eine schwere Verletzung der GenferAbkommen dar.

Jeder Kriegsgefangene ist spätestensnach Beendigung der aktiven Feind-seligkeiten freizulassen und heim zuschaffen, es sei denn, er habe eine Stra-fe wegen einer schweren Verletzung deshumanitären Völkerrechts zu verbüßen.

Eine gefangen genommene Zivilpersonhat das Recht, den Grund ihrer Inhaftie-rung zu erfahren. Fällt der angeführteGrund weg, dann ist sie in die Freiheit zuentlassen. Wird der Person eine Straftatvorgeworfen, dann muss sie einemStrafgericht vorgeführt werden, das denAnforderungen eines gerechten Verfah-rens genügt (fair trial). Niemand darfeines Vergehens verurteilt werden ohneNachweis seiner persönlichen Verant-wortung für die Straftat.

Die Bestimmungen über den Schutzder militärischen und zivilen Gefangenenschließen deren strafrechtliche Verfol-gung somit nicht aus, wenn der Ver-dacht einer schweren Verletzung deshumanitären Völkerrechts vorliegt.

5. Zivilpersonen in den Händen des Gegners, insbesondereBewohner besetzter Gebiete

Zivilpersonen, die unter irgendwelchenUmständen in die Hände des Gegnersfallen, behalten die Rechtsstellung einer

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geschützten Person. Diese kann ihnennicht entzogen werden, noch können siedarauf verzichten. Danach haben sieunter allen Umständen Anspruch aufmenschliche Behandlung.

Kriegerische Besetzung des Territori-ums eines fremden Staates, oder einesTeils davon, gibt der Besatzungsmachtkeine mit staatlicher Souveränität ver-bundenen Rechte. Eine solche Besetz-ung ist grundsätzlich als vorübergehen-des Phänomen zu verstehen. Deshalbdarf die Besatzungsmacht die imbesetzten Gebiet vorgefundene staatli-che Ordnung nicht verändern. Maß-nahmen zur Wahrung ihrer eigenenSicherheit sind hingegen erlaubt.

Den Bewohnern eines besetzten Ge-biets muss gestattet werden, ihr norma-les Leben weiterzuführen. Namentlichhaben inhaftierte Personen Anspruchauf Respektierung ihrer grundlegendenRechte. Die Besatzungsmacht ist für dieVersorgung der Bewohner verantwort-lich und muss notfalls selbst für dieLieferung lebenswichtiger Güter sorgen.Gegebenenfalls muss sie Hilfsaktionendurch Drittstaaten oder internationaleOrganisationen zulassen.

Den Bewohnern eines besetzten Ge-biets ist es nicht gestattet, gegen dieBesatzungsbehörden Gewalt anzuwen-den.

6. Schutz der Zivilbevölkerung vormilitärischen Operationen

Zivilbevölkerung und zivile Objektegenießen einen allgemeinen Schutz vorden Kriegshandlungen. Die Zivilbevöl-

kerung als solche darf unter keinenUmständen angegriffen werden.

Kriegshandlungen dürfen nur gegenmilitärische Ziele gerichtet werden. Mili-tärische Ziele sind die gegnerischenStreitkräfte (samt Waffen, Ausrüstungund übrige Geräte), einerseits, und zivileObjekte, deren Zerstörung, Inbesitz-nahme oder Neutralisierung einen militä-rischen Vorteil darstellt, anderseits. An-griffe gegen militärische Ziele, welcheLeid und Zerstörung unter der Zivilbe-völkerung verursachen, die in keinemVerhältnis zum erwarteten militärischenVorteil stehen, sind nicht gestattet.

Militärische Operationen gegen zivileObjekte, die für das Überleben derZivilbevölkerung unmittelbar nötig sind,wie z. B. Installationen zur Produktionund Transport von Nahrungsmitteln,sind verboten. Ebenso dürfen Anlagen,die ein großes Gefährdungspotential fürdie Zivilbevölkerung enthalten (z. B. Stau-dämme, Deiche oder Nuklearkraft-werke), oder die natürliche Umwelt nichtangegriffen werden.

Die Konfliktparteien treffen alle notwen-digen Maßnahmen, um die Angehörigender Zivilbevölkerung mit den für dasÜberleben unerlässlichen Gütern zu ver-sorgen, eingeschlossen die notwendigemedizinische Betreuung.

Nur Angehörige der Streitkräfte der amKonflikt beteiligten Parteien (Soldaten)sind berechtigt, unmittelbar an Feind-seligkeiten teilzunehmen und Gewaltgegen (erlaubte) militärische Ziele auszu-üben.

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7. Verbot besonders grausamerWaffen

Es ist verboten, Waffen, Geschosseund Material sowie Methoden der Krieg-führung zu verwenden, die geeignetsind, überflüssige Verletzungen oderunnötige Leiden zu verursachen. DiesesVerbot schützt Angehörige der Streit-kräfte vor grausamen Waffen. Es trägtauch zum Schutz der Zivilbevölkerungbei.

8. Durchsetzung des humanitärenVölkerrechts

„Die Hohen Vertragsparteien verpflich-ten sich, das vorliegende Abkommenunter allen Umständen einzuhalten undseine Einhaltung durchzusetzen.“ (Gen-fer Abkommen und Zusatzprotokoll I,gleichlautender Artikel 1)

Die Abkommensstaaten müssen be-reits in Friedenszeiten alle Maßnahmentreffen, die notwendig und geeignetsind, die Durchsetzung des humanitärenVölkerrechts in einem möglichen bewaff-neten Konflikt zu sichern. Speziell müs-sen seine Bestimmungen all denjenigenPersonen bekannt sein, die in irgendei-ner Weise mit militärischen Belangenbefasst sind.

Im Falle eines bewaffneten Konfliktsmüssen die Bestimmungen des humani-tären Völkerrechts in allen Situationenbeachtet werden, insbesondere bei mili-tärischen Operationen oder im Falleeiner militärischen Besetzung fremdenTerritoriums. Die militärischen Führer tra-gen dabei eine besondere Verantwor-tung.

Die am Konflikt beteiligten Parteiengewähren den Vertretern allfälligerSchutzmächte und, unter allen Um-ständen, den Delegierten des Internati-onalen Komitees vom Roten Kreuzes(IKRK) die notwendigen Erleichterungen,damit sie ihre humanitäre Tätigkeitzugunsten der Kriegsopfer wahrnehmenkönnen. Namentlich muss ihnen Zugangzu besetzten Gebieten und zu allenOrten gestattet werden, wo sich Kriegs-gefangene oder gefangene Zivilper-sonen befinden. Den nationalen Rot-kreuz- und Rothalbmondgesellschaftenist ebenfalls die Möglichkeit zu verschaf-fen, Hilfe an die Kriegsopfer zu leisten.

Schwere Verletzungen des humanitä-ren Völkerrechts sind internationaleVerbrechen und müssen strafrechtlichverfolgt werden. In Friedenszeiten sindZuständigkeit und Verfahren auf nationa-ler Ebene zu regeln. In einem bewaffne-ten Konflikt müssen die eines Kriegs-verbrechens verdächtigen Personen inHaft genommen und dem Richter zuge-führt werden. Jeder Staat, in dessenHänden sich eine eines Kriegsverbre-chens verdächtigte Person befindet, istzur Strafverfolgung zuständig.

C. Quellen des humanitärenVölkerrechts

Das geltende humanitäre Völkerrechtist in den klassischen Quellen desVölkerrechts verankert, wie sie Artikel 38des Statuts des Internationalen Ge-richtshofs aufzählt:• Völkervertragsrecht• Völkergewohnheitsrecht• allgemeine Rechtsgrundsätze

Einleitung zur Textsammlung

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Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle16

Die Rechtsprechung internationalerGerichte, namentlich des InternationalenGerichtshofs in Den Haag, der ad hocerrichteten internationalen Strafgerichts-höfe und – in Zukunft – des Internatio-nalen Strafgerichtshofs, ist Hilfsmittel fürdie Interpretation des Rechts. Ihr fälltgerade im Bereich des humanitärenVölkerrechts eine wachsende Bedeu-tung zu.

1. Völkervertragsrecht

Der größte Teil des geltenden humani-tären Völkerrechts ist in geschriebenen,multilateralen Abkommen unter Staatenzu finden. Die wichtigsten Abkommen,die ausschließlich dem Recht derbewaffneten Konflikte gewidmet sind,sind die folgenden:• Abkommen betreffend die Gesetze

und Gebräuche des Landkriegs, 18. Oktober 1907, mit Haager Landkriegsordnung (HLKO)

• Genfer Abkommen zum Schutz derKriegsopfer, 12. August 1949- Genfer Abkommen zur Verbesser-

ung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde (I. Genfer Abkom-men)

- Genfer Abkommen zur Verbesser-ung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See (II. Genfer Abkommen)

- Genfer Abkommen über die Be-handlung der Kriegsgefangenen, (III. Genfer Abkommen)

- Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegs-zeiten, (IV. Genfer Abkommen)

• Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949

- über den Schutz der Opfer inter-nationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I), 8. Juni 1977

- über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflik-te (Protokoll II), 8. Juni 1977

- über die Annahme eines zusätz-lichen Schutzzeichens (Protokoll III),8. Dezember 2005

Andere Abkommen sind für das huma-nitäre Völkerrecht wichtig, obwohl sieeine dieses Rechtsgebiet überschreiten-de Thematik abdecken. Hierzu zählenetwa:• Konvention über die Verhütung

und Bestrafung des Völkermordes, 9. Dezember 1948

• Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 28. Juli 1951- Protokoll vom 31. Januar 1967

• Haager Abkommen für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Kon-flikten, 14. Mai 1954 - Protokolle vom 14. Mai 1954 und

26. März 1999• Übereinkommen über das Verbot

der militärischen oder einer sonsti-gen feindseligen Nutzung umwelt-verändernder Techniken (ENMOD), 10. Dezember 1976

• Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, 10. Dezember 1984, und entsprechende regionale Überein-kommen

• Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 20. November 1989, namentlich seine Artikel 38 und 39, ergänzt durch- Fakultativprotokoll betreffend die

Beteiligung von Kindern an bewaff-neten Konflikten, 25. Mai 2000

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Eine Reihe von Abkommen verbietetheute aus humanitären Gründen gewis-se besonders grausame Waffen oderschränkt wenigstens ihren Einsatz ineinem bewaffneten Konflikt ein:• Genfer Protokoll über das Verbot der

Verwendung von erstickenden, gifti-gen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege, 17. Juni 1925 (Genfer Gift-gasprotokoll)

• Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologi-scher) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen, 10. April 1972

• Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatz-es bestimmter konventioneller Waffen,die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können,10. Oktober 1980/21. Dezember 2001, mit fünf Protokollen: - Protokoll über nichtentdeckbare

Splitter (Protokoll I), 10. Oktober 1980

- Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen (Protokoll II), 1. Oktober 1980/3. Mai 1996

- Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Brandwaffen (Protokoll III), 10. Oktober 1980

- Protokoll über blindmachende Laserwaffen (Protokoll IV), 13. Oktober 1995

- Protokoll über nicht explodierte Munitionsrückstände (Protokoll V), 28. November 2003

• Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lager-

ung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen, 13. Januar 1993

• Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und über deren Vernichtung, 18. September 1997 (Abkommen von Ottawa)

Schließlich ist auf die rechtlichenGrundlagen der ad hoc errichteten inter-nationalen Strafgerichtshöfe für das frü-here Jugoslawien und für Ruanda sowieauf das Rom-Statut des InternationalenStrafgerichtshofs zu verweisen.

2. Völkergewohnheitsrecht

Obwohl das geltende humanitäreVölkerrecht weitgehend durch Abkom-men kodifiziert ist, gibt es Situationen,wo die geschriebenen Regeln nichtgenügen. Gewohnheitsrecht spielt des-halb eine bedeutende Rolle im Bereichdes humanitären Völkerrechts. DerInternationale Gerichtshof hat in seinemRechtsgutachten vom 8. Juli 1996 überdie Zulässigkeit der Nuklearwaffen dennauch festgestellt, dass das in bewaffne-ten Konflikten anwendbare Recht, in derForm, wie es in den Genfer Abkommenzum Ausdruck kommt, heute imWesentlichen gewohnheitsrechtlichenCharakter hat.

Sodann sind gewohnheitsrechtlicheRegeln vor allem für nicht-internationalebewaffnete Konflikte wichtig. Der denvier Abkommen gemeinsame Artikel 3und Zusatzprotokoll II von 1977 habenzwar einen erheblichen rechtlichenSchutz der Opfer von Bürgerkriegengeschaffen. Ihre Aussagen sind aber

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Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle18

häufig wenig präzis, und insbesonderedie Bestimmungen über die eigentlicheKriegführung sind schwach ausgefallen.Gewohnheitsrecht kann helfen. DieFrage stellt sich deshalb in jedem Fall,ob eine für den internationalen bewaff-neten Konflikt ausgearbeitete Regelnicht auch in internen Konflikten zurAnwendung kommt, als Gewohnheits-recht verankerte Regel.

Sodann gibt es Situationen, für diezwar eine geschriebene Regel existiert,sie aber nicht zur Anwendung kommt,weil der betroffene Staat das fraglicheAbkommen nicht ratifiziert hat, er durchVertragsrecht also nicht gebunden ist.Dann stellt sich die Frage, ob gewisseRegeln des geschriebenen humanitärenVölkerrechts den fraglichen Staat dochbinden, und zwar in der Form vonGewohnheitsrecht.

Im Hinblick auf die Bedeutung desGewohnheitsrechts für das humanitäreVölkerrecht hat das IKRK eine umfas-sende Studie veröffentlicht, welche diegeltenden gewohnheitsrechtlichen Re-geln zum Ausdruck bringt. (J. M.Henckaerts/L. Doswald-Beck (eds),Customary International HumanitarianLaw, Cambridge University Press, 2005)

3. Allgemeine Rechtsgrundsätze

Wie im Völkerrecht ganz allgemein sogelten auch im humanitären Völkerrechtgewisse allgemeine Rechtsgrundsätze.Solche Grundsätze durchziehen dieRechtsordnung und machen oft einebestimmte Norm erst verständlich undanwendbar.

Zu diesen Grundsätzen zählt an ersterStelle der Grundsatz der Menschlichkeit.Das Gebot der Menschlichkeit durch-zieht das ganze humanitäre Völkerrecht.Sodann steht an hervorragender Stelledas Prinzip der Verhältnismäßigkeit.Ohne diesen Grundsatz wäre z. B. dasRecht, welches die Zivilbevölkerung undzivile Objekte vor den Auswirkungenmilitärischer Operationen schützt, in derPraxis kaum anwendbar.

Zu den wichtigen allgemeinen Grund-sätzen zählt auch die Pflicht zur Unter-scheidung zwischen militärischen Zielenund geschützten zivilen Personen undObjekten.

Es versteht sich von selbst, dass die imallgemeinen Völkerrecht verankertenGrundsätze auch im humanitären Völ-kerrecht gelten. Als Beispiele mögenpacta sunt servanda und der Grundsatzvon Treu und Glauben dienen.

D. Humanitäres Völkerrechtund verwandte Bereiche

Das humanitäre Völkerrecht steht nichtvereinzelt im Raum. Es ist vielmehr mitzahlreichen anderen Bereichen des all-gemeinen Völkerrechts eng verbunden.Der Zusammenhang mit dem Recht derUNO Charta über das Verbot derAnwendung von Gewalt zwischenStaaten wurde bereits aufgezeigt. Derfolgende Abschnitt will einige Hinweiseauf weitere dem humanitären Völker-recht verwandte Rechtsgebiete geben.

1. Allgemeines Völkerrecht

Das humanitäre Völkerrecht ist Teil desallgemeinen Völkerrechts. Dessen Be-

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stimmungen sind bei der Anwendungdes humanitären Völkerrechts zu Ratezu ziehen, weil sie die Antwort zu allge-meinen Fragen der Rechtsanwendungenthalten. Erwähnt seien etwa die für dieAuslegung von völkerrechtlichen Verträ-gen gültigen Regeln über die Folgen vonVertragsverletzungen, die Bestimmung-en über die Vorbehalte oder dieVoraussetzungen, unter denen Abkom-men gekündigt werden können.

Neben den für diese Fragen besonderswichtigen Regeln des Gewohnheits-rechts spielen vor allem das WienerÜbereinkommen über das Recht derVerträge vom 23. Mai 1969 und dieRegeln über die Verantwortlichkeit derStaaten für völkerrechtswidrige Hand-lungen (Resolution 56/83 der UNOGeneralversammlung, 12. Dezember2001) eine wichtige Rolle.

In diesem Zusammenhang sei auchauf das Neutralitätsrecht verwiesen.Unter Neutralität ist die Situation einesStaates zu verstehen, der an einembewaffneten Konflikt zwischen Dritt-staaten nicht teilnimmt. Die GenferAbkommen von 1949 enthalten eineReihe von Bestimmungen, die den neu-tralen Staaten gewisse Aufgaben imhumanitären Bereich zuweisen.

2. Menschenrechtsschutz

Das Recht der Menschenrechte setztauf internationaler Ebene den Rahmenfür die Stellung des Individuums in derGemeinschaft. Die Allgemeine Erklärungder Menschenrechte vom 10. Dezember1948 legt in ihrer Präambel dieGrundlage, mit folgenden Worten:

„Da die Anerkennung der angeborenenWürde und der gleichen und unveräu-ßerlichen Rechte aller Mitglieder derGemeinschaft der Menschen die Grund-lage von Freiheit, Gerechtigkeit undFrieden in der Welt bildet …“

Wie bereits festgehalten, verfolgt dashumanitäre Völkerrecht dasselbe Ziel,jedoch beschränkt auf die besonderenGegebenheiten eines bewaffneten Kon-flikts.

Der Internationale Gerichtshof hat inseinem Rechtsgutachten über dieRechtmäßigkeit der von Israel gebautenMauer in Palästina vom 9. Juli 2004 fest-gehalten, dass das humanitäre Völker-recht den Charakter einer lex specialiszum allgemeinen Recht der Menschen-rechte innehat. Das heißt aber nicht,dass bei Anwendbarkeit des humanitä-ren Völkerrechts der menschenrechtli-che Schutz ohne weiteres wegfallenwürde. Menschenrechte und humanitä-res Völkerrecht können gleichzeitiganwendbar sein. Zu verweisen wäre indiesem Zusammenhang in erster Linieauf die Bestimmungen über den Frei-heitsentzug von Personen und auf das inbesetzten Gebieten anwendbare Recht.

Der Verweis auf die Menschenrechtespielt eine besondere Rolle für die Opfereines nicht-internationalen bewaffnetenKonflikts. Als innerstaatliches Ereignis istein Bürgerkrieg den menschenrecht-lichen Abkommen, die den betreffendenStaat binden, unterworfen, allenfalls imRahmen der in einem Ausnahmezu-stand noch anwendbaren Garantien. Diebesonders für Konfliktsituationen ge-schaffenen Regeln des humanitärenVölkerrechts stützen sich auf dieses

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Recht ab und ergänzen es (GenferAbkommen, gleich lautender Artikel 3und Zusatzprotokoll II).

An dieser Stelle sei auf Abkommenzum Schutz der Menschenrechte ver-wiesen, die auch in KonfliktsituationenGeltung entfalten können:• Konvention über Verhütung und

Bestrafung des Völkermords, 9. Dezember 1948

• Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, 10. Dezember 1984 und entsprechende regionale Über-einkommen

• Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 20. November 1989, namentlich seine Artikel 38 und 39, ergänzt durch Fakultativprotokoll betreffend die Beteiligung von Kin-dern an bewaffneten Konflikten, 25. Mai 2000

3. Internationales Flüchtlingsrecht

Nach Artikel 1.A. des Abkommensüber die Rechtsstellung der Flüchtlingevom 28. Juli 1951 ist diejenige Personals Flüchtling zu betrachten, die „ausbegründeter Furcht vor Verfolgung we-gen ihrer Rasse, Religion, Staatszuge-hörigkeit, Zugehörigkeit zu einer be-stimmten sozialen Gruppe oder wegenihrer politischen Überzeugung außerhalbihres Heimatlandes befindet und dessenSchutz nicht beanspruchen kann oderwegen dieser Befürchtungen nichtbeanspruchen will …“. Flüchtlinge gibtes im Zusammenhang mit bewaffnetenKonflikten wie auch in Friedenszeiten.Das Flüchtlingsabkommen kann des-halb durchaus gleichzeitig wie das

humanitäre Völkerrecht zur Anwendungkommen. Seinerseits begnügt sich dashumanitäre Völkerrecht mit einfachenVerweisen auf das internationale Flücht-lingsrecht.• Abkommen über die Rechtsstellung

der Flüchtlinge, 28. Juli 1951 mit Protokoll vom 31. Januar 1967

4. Internationales Strafrecht

Die Genfer Abkommen von 1949 undZusatzprotokoll I von 1977 enthalten ge-wichtige Kapitel über die strafrechtlicheVerfolgung von schweren Verletzungenihrer Bestimmungen. In den vergange-nen Jahren sind internationale Strafge-richte errichtet worden für zwei spezielleKonflikte: für den bewaffneten Konfliktim früheren Jugoslawien und für denVölkermord in Ruanda. Im Jahre 1998nahm sodann in Rom eine Staatenkon-ferenz das Statut des InternationalenStrafgerichtshofs an. Dieses Gericht istfür die Aburteilung von schwerenVerletzungen des humanitären Völker-rechts, also von Kriegsverbrechen,zuständig. Sodann hat es Verbrechengegen die Menschlichkeit und Völker-mord zu beurteilen. Das Gericht ist sub-sidiär für die Aburteilung solcher Straf-taten zuständig. Die hauptsächlicheVerantwortung für die Ahndung dieserStraftaten liegt weiterhin bei denStaaten.• Römisches Statut des Internatio-

nalen Strafgerichtshofs, Abkommen vom 17. Juli 1998

5. Schutz des Kulturguts, Schutzder natürlichen Umwelt

Der Schutz der Kulturgüter vorZerstörung durch kriegerische Ereig-

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nisse hat eine besondere internationaleRegelung erhalten:• Haager Abkommen für den Schutz

von Kulturgut bei bewaffneten Kon-flikten, 14. Mai 1954 mit Protokollen vom 14. Mai 1954 und 26. März 1999

Kurz vor Annahme von Zusatzproto-koll I von 1977 ist ein Abkommen ent-standen, das den Einsatz im Krieg vonTechniken, welche die Umwelt verän-dern können, verbietet:• Übereinkommen über das Verbot

der militärischen oder einer sonsti-gen feindseligen Nutzung umwelt-verändernder Techniken (ENMOD), 10. Dezember 1976

6. Auf bewaffnete Einsätze vonEinheiten der Vereinten Nationenanwendbares Recht

Vom Sicherheitsrat der VereintenNationen beschlossene bewaffnete Ein-sätze von staatlichen Truppenkontingen-ten und von der UNO direkt unterste-henden Blauhelmen sind grundsätzlichnicht als Krieg zu verstehen. Und dochmüssen auch militärische Operationenunter dem Kommando der UNO denRegeln des humanitären Völkerrechtsunterworfen, mit dem Ziel, überflüssigeGewalt zu vermeiden. Damit soll derSchutz allfälliger Opfer von Gewaltsichergestellt werden. Der Generalsek-retär der UNO hat dies in einem wichti-gen Text festgehalten:• Observance by United Nations

Forces of International Humanitarian Law, United Nations Secretary-General’s Bulletin, 6. August 1999, UNO Dok. ST/SGB/1999/13

E. Verbreitung derKenntnisse im humanitären Völkerrecht

Wie jede völkerrechtliche Norm somüssen auch die Bestimmungen deshumanitären Völkerrechts unter allenUmständen beachtet und in die Wirk-lichkeit umgesetzt werden. Auf denAbkommensstaaten lastet somit eineVerantwortung, welche Artikel 80 vonZusatzprotokoll I in folgender Weise aus-drückt:

„Die Hohen Vertragsparteien und dieam Konflikt beteiligten Parteien treffenunverzüglich alle notwendigen Maßnah-men, um ihre Verpflichtungen aus denAbkommen und diesem Protokoll zuerfüllen.“

Die Herausgabe dieser Textsammlungist eine derartige Maßnahme, welche dieDurchsetzung und Beachtung deshumanitären Völkerrechts fördert. DieStaaten haben sich nämlich verpflichtet,„in Friedens- und in Kriegszeiten denWortlaut des vorliegenden Abkommensin ihren Ländern im weitestmöglichenAusmaß zu verbreiten“ (z. B. I. GenferAbkommen, Artikel 47). Deshalb müs-sen die Texte der internationalen Ab-kommen all denen ohne weitereszugänglich sein, welche Zugang zumhumanitären Völkerrecht suchen, sei esaus eigenem Interesse oder aus beruf-licher oder militärischer Verpflichtung.

Die Pflicht zur Verbreitung derKenntnisse im humanitären Völkerrechtgeht noch einen Schritt weiter. DieAbkommensstaaten sollen nämlich „ins-besondere ihr Studium in die militäri-schen Ausbildungsprogramme auf[zu]-nehmen und die Zivilbevölkerung zu

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ihrem Studium an[zu]regen, so dassdiese Übereinkünfte den Streitkräftenund der Zivilbevölkerung bekannt wer-den.“ (Artikel 83 Abs. 1 ZP I)

Damit soll Folgendes erreicht werden:„Die militärischen oder zivilen Dienst-stellen, die in Zeiten eines bewaffnetenKonflikts Verantwortlichkeiten bei derAnwendung der Abkommen und diesesProtokolls zu übernehmen haben, müs-sen mit ihrem Wortlaut voll und ganz ver-traut sein.“ (Artikel 83 Abs. 2 ZP I) Werirgendeine Stellung in den Streitkräftenoder in zivilen Behörden einnimmt, mussdie Verpflichtungen aus dem humanitä-ren Völkerrecht kennen, insoweit sie fürseine konkrete Mission von Bedeutungsind.

Das humanitäre Recht erscheint natür-lich nicht nur als „Pflichtfach“ für dieAngehörigen der Streitkräfte und zivilerBehörden, sondern auch als Gegen-stand akademischen Studiums. Die vor-liegende Textsammlung ist eines derunerlässlichen Hilfsmittel, welches denStudierenden die Arbeit mit dem huma-nitären Völkerrecht möglich macht.

F. Internationale Bewegungdes Roten Kreuzes unddes Roten Halbmonds

In seiner 1862 erschienenen EineErinnerung an Solferino schlug HenryDunant nicht nur die Kodifizierung eini-ger grundlegenden Bestimmungen zurMilderung des Loses von Opfern desKrieges vor, sondern er appellierte auchan die Weltöffentlichkeit, in jedem Staateine freiwillige Hilfsgesellschaft zu grün-den, die sich im Kriegsfall der Verwun-deten auf dem Schlachtfeld annehmenkann. Aus diesem zweiten Vorschlag ist

die Rotkreuz- und Rothalbmondbewe-gung entstanden.

Die Internationale Bewegung desRoten Kreuzes und des Roten Halb-monds besteht heute aus dem Inter-nationalen Komitee vom Roten Kreuz(IKRK), der Internationalen Föderationder Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesell-schaften und den Nationalen Rotkreuz-Gesellschaften oder (in verschiedenenislamischen Staaten) Rothalbmond-Gesellschaften.

Das IKRK wurde im Jahre 1863 in Genfgegründet. Es ist eine nicht-staatlicheund von den Staaten unabhängige inter-nationale Organisation, denen dieGenfer Abkommen und Zusatzproto-kolle gewisse Aufgaben humanitärenCharakters übertragen, die in Zeitenbewaffneter Konflikte zu erfüllen sind.Daneben genießt das IKRK ein ausge-dehntes Recht, aus eigenem Antrieb dieInitiative zur Lösung humanitärer Pro-bleme in Konfliktsituationen zu ergreifen.Das IKRK betrachtet es sodann alsseine Aufgabe, an der Weiterent-wicklung des humanitären Völkerrechtszu arbeiten.

In (praktisch) allen Staaten gibt es eineNationale Gesellschaft, die in der Regelentweder den Namen Rotkreuz- oderRothalbmond-Gesellschaft trägt. Ineinem Staat kann nur eine einzigeGesellschaft anerkannt werden. DieseGesellschaften entfalten ihre Tätigkeit imKriegsfalle in dem durch die GenferAbkommen bestimmten Rahmen. Siesind darüber hinaus im In- und Ausland„freiwillige Hilfsgesellschaft der Behör-den im humanitären Bereich“. (Artikel 4

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Abs. 3 Statuen der Internationalen RK-/RH-Bewegung)

Dachverband der einzelnen NationalenGesellschaften ist die InternationaleFöderation der Rotkreuz- und Rothalb-mond-Gesellschaften, die internationalinsbesondere bei Naturkatastrophenund in der Entwicklungszusammen-arbeit tätig wird.

Die Internationale Bewegung desRoten Kreuzes und des Roten Halb-mondes ist der Verbreitung des humani-tären Völkerrechts besonders verpflichtet.

Datenbanken zum humanitä-ren Völkerrecht und zumRoten Kreuz

Mehrere Datenbanken vermitteln Infor-mationen zum humanitären Völkerrechtund zu Fragen, welche die InternationaleBewegung des Roten Kreuzes und desRoten Halbmondes betreffen. Sie er-leichtern namentlich auch den Zugangzu den Texten internationaler Abkom-men in verschiedenen Sprachen, zu denListen mit den Abkommensstaaten, zuInformationen über Neuerscheinungenoder zu den Entscheiden internationalerGerichte. Die hier wiedergegebenenAdressen stellen nur eine Auswahl dar.

1. Datenbanken mit Texten

www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/Voelkerrecht/HumanitaeresVoelkerrecht.htmlAuswärtiges Amt, Politisches Archiv

www.admin.ch/ch/d/sr/0.5.html(Schweizerische) Bundeskanzlei,Systematische Sammlung des Bundes-rechts, 0.5 Krieg und Neutralität

www.ris.bka.gv.at(Österreichisches) Rechtsinformations-system des Bundes (RIS)

www.icrc.org/ihlICRC Database on InternationalHumanitarian Law

2. Bibliographische und andereInformationen

www.mpil.de/ww/de/pub/bibliothek.cfmMax-Planck-Institut für ausländischesöffentliches Recht und Völkerrecht

www.ruhr-uni-bochum.de/ifhv/lib/index.htmlInstitut für Friedenssicherungsrecht undHumanitäres Völkerrecht

www.icrc.org («info resources»)ICRC Library and Research Service

3. Internationale Bewegung desRoten Kreuzes und des RotenHalbmondes

www.icrc.orgInternationales Komitee vom RotenKreuz (IKRK – ICRC)

www.ifrc.orgInternational Federation of the RedCross and Red Crescent

www.drk.de/voelkerrecht/index.htmlDeutsches Rotes Kreuz

www.roteskreuz.at/27.htmlÖsterreichisches Rotes Kreuz

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Genfer Abkommen vom 12. August 1949zur Verbesserung des Loses derVerwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde [I. Genfer Abkommen von 1949]1

Die unterzeichneten Bevollmächtigtender Regierungen, die auf der vom 21.April bis 12. August 1949 in Genf ver-sammelten diplomatischen Konferenzzur Revision des Genfer Abkommensvom 27. Juli 1929 zur Verbesserung desLoses der Verwundeten und Krankender Heere im Felde vertreten waren,haben folgendes vereinbart:

Kapitel IAllgemeine Bestimmungen

Artikel 1 Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, das vorliegende Abkommenunter allen Umständen einzuhalten undseine Einhaltung durchzusetzen.

Artikel 2 Außer den Bestimmungen, die bereits

in Friedenszeiten durchzuführen sind,findet das vorliegende AbkommenAnwendung in allen Fällen eines erklär-ten Krieges oder eines anderen bewaff-neten Konflikts, der zwischen zwei odermehreren der Hohen Vertragsparteienentsteht, auch wenn der Kriegszustandvon einer dieser Parteien nicht aner-kannt wird.

Das Abkommen findet auch in allenFällen vollständiger oder teilweiserBesetzung des Gebietes einer HohenVertragspartei Anwendung, selbst wenndiese Besetzung auf keinen bewaffnetenWiderstand stößt.

Ist eine der am Konflikt beteiligtenMächte nicht Vertragspartei des vorlie-genden Abkommens, so bleiben dieVertragsparteien in ihren gegenseitigenBeziehungen gleichwohl durch dasAbkommen gebunden. Sie sind fernerdurch das Abkommen auch gegenüberdieser Macht gebunden, wenn diesedessen Bestimmungen annimmt undanwendet.

Artikel 3 Im Falle eines bewaffneten Konflikts,

der keinen internationalen Charakter hatund auf dem Gebiet einer der HohenVertragsparteien entsteht, ist jede deram Konflikt beteiligten Parteien gehal-ten, mindestens die folgenden Bestim-mungen anzuwenden: 1. Personen, die nicht unmittelbar an

den Feindseligkeiten teilnehmen, ein-schließlich der Mitglieder der Streit-kräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch

1 (1) BGBl. 1954 II S. 783. – Am 21. Oktober 1950 – für die Bundesrepublik Deutschland am 3. März 1955– in Kraft getreten.

(2) In Österreich, in der Schweiz und in Liechtenstein lautet der Titel dieses Abkommens „GenferAbkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken derbewaffneten Kräfte im Felde“.

I. Genfer Abkommen

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Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle26

Krankheit, Verwundung, Gefangen-nahme oder irgendeine andere Ur-sache außer Kampf gesetzt sind, werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt, ohne jede auf Rasse, Farbe, Religion oder Glauben, Geschlecht, Geburt oder Vermögen oder auf irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungs-merkmal beruhende Benachteiligung.Zu diesem Zwecke sind und bleiben in bezug auf die oben erwähnten Personen jederzeit und überall ver-boten a) Angriffe auf das Leben und die

Person, namentlich Tötung jeder Art, Verstümmelung, grausame Behandlung und Folterung;

b) das Festnehmen von Geiseln;c) Beeinträchtigung der persön-

lichen Würde, namentlich ernie-drigende und entwürdigende Behandlung;

d) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil eines ordentlich bestellten Gerichtes, das die von den zivilisierten Völ-kern als unerläßlich anerkannten Rechtsgarantien bietet.

2. Die Verwundeten und Kranken wer-den geborgen und gepflegt.

Eine unparteiische humanitäre Organi-sation, wie das Internationale Komiteevom Roten Kreuz, kann den am Konfliktbeteiligten Parteien ihre Dienste anbie-ten.

Die am Konflikt beteiligten Parteienwerden sich andererseits bemühen,durch Sondervereinbarungen auch dieanderen Bestimmungen des vorliegen-den Abkommens ganz oder teilweise inKraft zu setzen.

Die Anwendung der vorstehendenBestimmungen hat auf die Rechts-

stellung der am Konflikt beteiligtenParteien keinen Einfluß.

Artikel 4 Die neutralen Mächte wenden die Be-

stimmungen des vorliegenden Abkom-mens sinngemäß auf Verwundete undKranke sowie auf Mitglieder des Sani-täts- und Seelsorgepersonals der Streit-kräfte der am Konflikt beteiligten Par-teien an, die in ihr Gebiet aufgenommenoder dort interniert werden, sowie aufdie geborgenen Gefallenen.

Artikel 5 Auf geschützte Personen, die der

Gegenpartei in die Hände gefallen sind,findet das vorliegende Abkommen biszu ihrer endgültigen HeimschaffungAnwendung.

Artikel 6 Außer den in den Artikeln 10, 15, 23,

28, 31, 36, 37 und 52 ausdrücklich vor-gesehenen Vereinbarungen können dieHohen Vertragsparteien andere Sonder-vereinbarungen über jede Frage treffen,deren besondere Regelung ihnenzweckmäßig erscheint. Eine Sonderver-einbarung darf weder die Lage derVerwundeten und Kranken sowie derMitglieder des Sanitäts- und Seelsorge-personals, wie sie durch das vorliegendeAbkommen geregelt ist, beeinträchti-gen, noch die Rechte beschränken, dieihnen das Abkommen einräumt.

Die Verwundeten und Kranken sowiedie Mitglieder des Sanitäts- und Seel-sorgepersonals genießen die Vorteiledieser Vereinbarungen, solange dasAbkommen auf sie anwendbar ist, es seidenn, daß in den oben genannten oderin späteren Vereinbarungen ausdrück-lich etwas anderes festgelegt wird, oder

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daß durch die eine oder andere der amKonflikt beteiligten Parteien vorteilhaftereMaßnahmen zu ihren Gunsten ergriffenwerden.

Artikel 7 Die Verwundeten und Kranken sowie

die Mitglieder des Sanitäts- und Seel-sorgepersonals können in keinem Falle,weder teilweise noch vollständig, auf dieRechte verzichten, die ihnen das vorlie-gende Abkommen und gegebenenfallsdie im vorstehenden Artikel genanntenSondervereinbarungen verleihen.

Artikel 8 Das vorliegende Abkommen wird unter

der Mitwirkung und Aufsicht der Schutz-mächte angewendet, die mit der Wahr-nehmung der Interessen der am Konfliktbeteiligten Parteien betraut sind. Zu die-sem Zwecke können die Schutzmächteaußer ihren diplomatischen oder konsu-larischen Vertretern Delegierte unterihren eigenen Staatsangehörigen oderunter Staatsangehörigen anderer neu-traler Mächte ernennen. Diese Delegier-ten müssen von der Macht genehmigtwerden, bei der sie ihre Aufgabe durch-zuführen haben.

Die am Konflikt beteiligten Parteienerleichtern die Aufgabe der Vertreteroder Delegierten der Schutzmächte ingrößtmöglichem Maße.

Die Vertreter oder Delegierten derSchutzmächte dürfen keinesfalls dieGrenzen ihrer Aufgabe, wie sie aus demvorliegenden Abkommen hervorgeht,überschreiten; insbesondere haben siedie zwingenden Sicherheitsbedürfnissedes Staates, bei dem sie ihre Aufgabedurchführen, zu berücksichtigen. Nuraus zwingender militärischer Notwendig-

keit kann ihre Tätigkeit ausnahmsweiseund zeitweilig eingeschränkt werden.

Artikel 9 Die Bestimmungen des vorliegenden

Abkommens bilden kein Hindernis fürdie humanitäre Tätigkeit, die das Inter-nationale Komitee vom Roten Kreuzoder irgendeine andere unparteiischehumanitäre Organisation mit Genehmi-gung der betreffenden am Konflikt betei-ligten Parteien ausübt, um die Verwun-deten und Kranken sowie die Mitgliederdes Sanitäts- und Seelsorgepersonalszu schützen und ihnen Hilfe zu bringen.

Artikel 10 Die Hohen Vertragsparteien können

jederzeit vereinbaren, die durch das vor-liegende Abkommen den Schutzmäch-ten übertragenen Aufgaben einer Orga-nisation anzuvertrauen, die alle Garan-tien für Unparteilichkeit und Wirksamkeitbietet.

Werden Verwundete und Kranke sowieMitglieder des Sanitäts- und Seelsorge-personals aus irgendeinem Grunde nichtoder nicht mehr von einer Schutzmachtoder einer gemäß Absatz 1 bezeichne-ten Organisation betreut, so ersucht derGewahrsamsstaat einen neutralen Staatoder eine solche Organisation, dieAufgaben zu übernehmen, die das vor-liegende Abkommen den durch die amKonflikt beteiligten Parteien bezeichne-ten Schutzmächten überträgt.

Kann der Schutz auf diese Weise nichtgewährleistet werden, so ersucht derGewahrsamsstaat entweder eine huma-nitäre Organisation, wie das Internatio-nale Komitee vom Roten Kreuz, diedurch das vorliegende Abkommen denSchutzmächten zufallenden humanitä-

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Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle28

ren Aufgaben zu übernehmen, oder ernimmt unter Vorbehalt der Bestimmun-gen dieses Artikels die Dienste an, dieihm eine solche Organisation anbietet.

Jede neutrale Macht oder jede Orga-nisation, die von der betreffenden Machteingeladen wird oder sich zu diesemZweck zur Verfügung stellt, hat sich inihrer Tätigkeit ihrer Verantwortung ge-genüber der am Konflikt beteiligtenPartei, welcher die durch das vorliegen-de Abkommen geschützten Personenangehören, bewußt zu bleiben und aus-reichende Garantien dafür zu bieten,daß sie in der Lage ist, die betreffendenAufgaben zu übernehmen und mitUnparteilichkeit zu erfüllen.

Von den vorstehenden Bestimmungenkann nicht durch eine Sonderverein-barung zwischen Mächten abgewichenwerden, von denen die eine, wenn auchnur vorübergehend, gegenüber deranderen oder deren Verbündeten infolgemilitärischer Ereignisse und besondersinfolge einer Besetzung ihres gesamtenGebietes oder eines wichtigen Teilsdavon in ihrer Verhandlungsfreiheitbeschränkt ist.

Jedesmal, wenn im vorliegenden Ab-kommen die Schutzmacht erwähnt wird,bezieht sich diese Erwähnung ebenfallsauf die Organisationen, die sie im Sinnedieses Artikels ersetzen.

Artikel 11 In allen Fällen, in denen die Schutz-

mächte dies im Interesse der geschütz-ten Personen als angezeigt erachten,insbesondere in Fällen von Meinungs-verschiedenheiten zwischen den amKonflikt beteiligten Parteien über dieAnwendung oder Auslegung der Be-stimmungen des vorliegenden Abkom-

mens, leihen sie ihre guten Dienste zurBeilegung des Streitfalles.

Zu diesem Zwecke kann jede derSchutzmächte, entweder auf Einladungeiner Partei oder von sich aus, den amKonflikt beteiligten Parteien eine Zu-sammenkunft ihrer Vertreter und insbe-sondere der für das Schicksal derVerwundeten und Kranken sowie derMitglieder des Sanitäts- und Seelsorge-personals verantwortlichen Behördenvorschlagen, gegebenenfalls auf einempassend gewählten neutralen Gebiet.Die am Konflikt beteiligten Parteien sindgehalten, den ihnen zu diesem Zweckgemachten Vorschlägen Folge zu lei-sten. Die Schutzmächte können gege-benenfalls den am Konflikt beteiligtenParteien eine einer neutralen Machtangehörende oder vom InternationalenKomitee vom Roten Kreuz delegiertePersönlichkeit zur Genehmigung vor-schlagen, die zu ersuchen wäre, an die-ser Zusammenkunft teilzunehmen.

Kapitel IIVerwundete und Kranke

Artikel 12 Die Mitglieder der Streitkräfte und die

sonstigen im folgenden Artikel bezeich-neten Personen, die verwundet oderkrank sind, werden unter allen Umstän-den geschont und geschützt.

Sie werden durch die am Konfliktbeteiligte Partei, in deren Händen siesich befinden, mit Menschlichkeitbehandelt und gepflegt, ohne jede aufGeschlecht, Rasse, Nationalität, Religi-on, politischer Meinung oder irgendei-nem anderen ähnlichen Unterschei-dungsmerkmal beruhende Benachteili-gung. Streng verboten ist es, ihr Lebenund ihre Person anzugreifen, insbeson-

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dere sie umzubringen oder auszurotten,sie zu foltern, an ihnen biologischeVersuche vorzunehmen, sie vorsätzlichohne ärztliche Hilfe oder Pflege zu las-sen oder sie eigens dazu geschaffenenAnsteckungs- oder Infektionsgefahrenauszusetzen.

Nur dringliche medizinische Gründerechtfertigen eine Bevorzugung in derReihenfolge der Behandlung.

Frauen werden mit aller ihrem Ge-schlecht gebührenden Rücksicht be-handelt.

Die am Konflikt beteiligte Partei, diegezwungen ist, dem Gegner Verwunde-te oder Kranke zu überlassen, läßt,soweit es die militärischen Erfordernissegestatten, einen Teil ihres Sanitätsper-sonals und -materials bei ihnen zurück,um zu deren Pflege beizutragen.

Artikel 13 Das vorliegende Abkommen findet auf

Verwundete und Kranke folgenderKategorien Anwendung: 1. Mitglieder von Streitkräften einer am

Konflikt beteiligten Partei sowie Mit-glieder von Milizen und Freiwilligen-korps, die in diese Streitkräfte einge-gliedert sind;

2. Mitglieder anderer Milizen und Frei-willigenkorps, einschließlich solcher von organisierten Widerstandsbe-wegungen, die zu einer am Konflikt beteiligten Partei gehören und außer-halb oder innerhalb ihres eigenen Gebietes, auch wenn dasselbe be-setzt ist, tätig sind, sofern diese Milizen oder Freiwilligenkorps, ein-schließlich der organisierten Wider-standsbewegungen a) eine für ihre Untergebenen ver-

antwortliche Person an ihrer Spitze haben;

b) ein bleibendes und von weitem erkennbares Unterscheidungs-zeichen führen;

c) die Waffen offen tragen;d) bei ihren Kampfhandlungen die

Gesetze und Gebräuche des Krieges einhalten;

3. Mitglieder regulärer Streitkräfte, die sich zu einer von der Gewahrsams-macht nicht anerkannten Regierung oder Autorität bekennen;

4. Personen, die den Streitkräften fol-gen, ohne in sie eingegliedert zu sein, wie zivile Besatzungsmitglieder von Militärflugzeugen, Kriegsbericht-erstatter, Heereslieferanten, Mitglie-der von Arbeitseinheiten oder von Diensten, die für die Betreuung der Militärpersonen verantwortlich sind, sofern dieselben von den Streitkräf-ten, die sie begleiten, zu ihrer Tätig-keit ermächtigt sind;

5. die Besatzungen der Handelsschiffe, einschließlich der Kapitäne, Lotsen und Schiffsjungen, sowie Besatzun-gen der Zivilluftfahrzeuge der am Konflikt beteiligten Parteien, die keine günstigere Behandlung auf Grund anderer Bestimmungen des internationalen Rechts genießen;

6. die Bevölkerung eines unbesetzten Gebietes, die beim Herannahen des Feindes aus eigenem Antrieb zu den Waffen greift, um die eindringenden Truppen zu bekämpfen, ohne zur Bildung regulärer Streitkräfte Zeit gehabt zu haben, sofern sie die Waffen offen trägt und die Gesetze und Gebräuche des Krieges einhält.

Artikel 14 Vorbehaltlich der Bestimmungen von

Artikel 12 werden Verwundete undKranke eines Kriegsführenden, wenn sie

I. Genfer Abkommen

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in Feindeshand geraten, Kriegsgefan-gene, und die völkerrechtlichen Regelnüber Kriegsgefangene finden auf sieAnwendung.

Artikel 15 Die am Konflikt beteiligten Parteien

treffen jederzeit und besonders nacheinem Kampf unverzüglich alle zuGebote stehenden Maßnahmen, um dieVerwundeten und Kranken zu suchenund zu bergen, sie vor Beraubung undMißhandlung zu schützen und ihnen dienotwendige Pflege zu sichern, sowie umdie Gefallenen zu suchen und derenAusplünderung zu verhindern.

Wenn immer es die Umstände gestat-ten, werden ein Waffenstillstand, eineFeuerpause oder örtliche Abmachungenvereinbart, um die Bergung, denAustausch und den Abtransport der aufdem Schlachtfeld gebliebenen Verwun-deten zu ermöglichen.

Gleichfalls können zwischen den amKonflikt beteiligten Parteien örtlicheAbmachungen für die Evakuierung oderden Austausch von Verwundeten undKranken aus einer belagerten oder ein-geschlossenen Zone sowie für denDurchzug von Sanitäts- und Seelsorge-personal und Sanitätsmaterial nach die-ser Zone getroffen werden.

Artikel 16 Die am Konflikt beteiligten Parteien

zeichnen möglichst bald sämtlicheAnhaltspunkte für die Identifizierung derihnen in die Hände gefallenen Verwun-deten, Kranken und Gefallenen der Ge-genpartei auf.

Diese Verzeichnisse sollen, wenn mög-lich, folgendes enthalten:

a) Angabe der Macht, von der sie abhängen;

b) militärische Einheit oder Matrikel-nummer;

c) Familienname; d) den oder die Vornamen; e) Geburtsdatum; f) alle anderen auf der Ausweiskarte

oder der Erkennungsmarke ent-haltenen Angaben;

g) Ort und Datum der Gefangen-nahme oder des Todes;

h) Angaben über Verwundung, Krankheit oder Todesursache.

Die oben erwähnten Angaben werdenso schnell wie möglich der in Artikel 122des Genfer Abkommens vom 12. Au-gust 1949 über die Behandlung derKriegsgefangenen vorgesehenen Aus-kunftsstelle übermittelt, die sie ihrerseitsdurch Vermittlung der Schutzmacht undder Zentralstelle für Kriegsgefangene andie Macht weiterleitet, von der diesePersonen abhängen.

Die am Konflikt beteiligten Parteien fer-tigen Todesurkunden oder ordnungsge-mäß beglaubigte Gefallenenlisten ausund lassen diese auf dem im vorstehen-den Absatz genannten Weg einanderzukommen. Sie sammeln auch dieHälften der doppelten Erkennungsmar-ken, die Testamente und andere für dieFamilien der Gefallenen wichtige Schrift-stücke sowie Geldbeträge und allge-mein alle bei den Gefallenen gefundenenGegenstände von materiellem oderideellem Wert und lassen diese durchVermittlung derselben Stelle einanderzukommen. Diese sowie die nicht identi-fizierten Gegenstände werden in versie-gelten Paketen versandt, begleitet voneiner Erklärung, die alle zur Identifizie-rung des verstorbenen Besitzers not-wendigen Einzelheiten enthält, sowievon einem vollständigen Verzeichnis desPaketinhaltes.

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Artikel 17 Die am Konflikt beteiligten Parteien

sorgen dafür, daß der Beerdigung oderder Einäscherung der Gefallenen, die,soweit es die Umstände irgendwie ge-statten, einzeln vorgenommen wird, einesorgfältige und, wenn möglich, ärztlicheLeichenschau vorangeht, die den Todfeststellt, die Identität klärt und Auskunftdarüber ermöglicht. Die Hälfte der dop-pelten Erkennungsmarke oder, wenndiese nur einfach ist, die ganze, bleibt ander Leiche.

Die Leichen dürfen nur aus zwingen-den hygienischen Gründen oder gemäßder Religion der Gefallenen eingeäschertwerden. Im Falle einer Einäscherungwird diese Tatsache unter Angabe derGründe auf der Todesurkunde oder derbeglaubigten Gefallenenliste ausführlichvermerkt.

Die am Konflikt beteiligten Parteiensorgen ferner dafür, daß die Gefallenenmit allen Ehren, wenn möglich gemäßden Riten der Religion, der sie angehör-ten, bestattet werden, daß ihre Gräbergeschont, wenn möglich nach derStaatsangehörigkeit der Gefallenenangeordnet, angemessen instand gehal-ten und so gekennzeichnet werden, daßsie jederzeit wieder aufgefunden werdenkönnen. Zu diesem Zweck richten siebei Beginn der Feindseligkeiten einenamtlichen Gräberdienst ein, um etwaigeExhumierungen zu ermöglichen und um,wie auch immer die Gräber angeordnetsind, die Identifizierung der Leichen undihre etwaige Überführung in die Heimatsicherzustellen. Dieselben Bestimmun-gen gelten auch für die Asche, die vomGräberdienst aufbewahrt wird, bis derHeimatstaat seine endgültigen Verfü-gungen in dieser Hinsicht bekanntgibt.

Sobald es die Umstände gestatten,spätestens aber bei Beendigung derFeindseligkeiten, tauschen diese Dienst-stellen durch Vermittlung der in Artikel16 Absatz 2 erwähnten Auskunftsstelledie Listen mit den genauen Angabenüber den Ort und die Bezeichnung derGräber sowie über die darin beerdigtenGefallenen aus.

Artikel 18 Die Militärbehörde kann sich an die

Hilfsbereitschaft der Einwohner wenden,damit diese unter ihrer AufsichtVerwundete und Kranke freiwillig bergenund pflegen, wobei sie den Personen,die diesem Aufruf nachkommen, dennotwendigen Schutz und die erforder-lichen Erleichterungen gewährt. Bringtdie Gegenpartei das betreffende Gebieterstmalig oder abermals unter ihreKontrolle, so erhält sie zugunsten dergenannten Personen diesen Schutz unddiese Erleichterungen aufrecht.

Die Militärbehörde ermächtigt dieEinwohner und die Hilfsgesellschaftenauch in Invasions- und besetzten Ge-bieten, unaufgefordert Verwundete oderKranke, gleich welcher Staatsange-hörigkeit, zu bergen und zu pflegen. DieZivilbevölkerung hat diese Verwundetenund Kranken zu schonen und darf vorallem keinerlei Gewalttaten gegen sieverüben.

Niemand darf jemals dafür, daß erVerwundete oder Kranke gepflegt hat,behelligt oder verurteilt werden.

Die Bestimmungen dieses Artikels ent-heben die Besatzungsmacht nicht ihrerPflichten, die sie in gesundheitlicher undgeistiger Hinsicht gegenüber den Ver-wundeten und Kranken hat.

I. Genfer Abkommen

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Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle32

Kapitel IIISanitätseinheiten

und -einrichtungen

Artikel 19 Ortsfeste Einrichtungen und bewegli-

che Einheiten des Sanitätsdienstes dür-fen unter keinen Umständen angegriffenwerden, sondern werden von den amKonflikt beteiligten Parteien jederzeitgeschont und geschützt. Fallen sie derGegenpartei in die Hände, so können sieihre Tätigkeit fortsetzen, solange diegefangennehmende Macht nicht selbstdie für die in diesen Einrichtungen undEinheiten befindlichen Verwundeten undKranken notwendige Pflege sicherstellt.

Die zuständigen Behörden sorgendafür, daß die oben bezeichneten Sani-tätseinrichtungen und -einheiten nachMöglichkeit so gelegt werden, daß siedurch Angriffe auf militärische Ziele nichtgefährdet werden können.

Artikel 20 Lazarettschiffe, die Anrecht auf den

Schutz des Genfer Abkommens vom12. August 1949 zur Verbesserung desLoses der Verwundeten, Kranken undSchiffbrüchigen der Streitkräfte zur Seehaben, dürfen nicht vom Lande ausangegriffen werden.

Artikel 21 Der den ortsfesten Sanitätseinrich-

tungen und beweglichen Sanitätsein-heiten des Sanitätsdienstes gebührendeSchutz darf nur aufhören, wenn dieseaußerhalb ihrer humanitären Aufgabenzu Handlungen verwendet werden, dieden Feind schädigen. Jedoch hört derSchutz erst auf, nachdem eine War-nung, die in allen geeigneten Fällen eine

angemessene Frist setzt, unbeachtetgeblieben ist.

Artikel 22 Nicht als geeignet, um eine Sanitäts-

einheit oder -einrichtung des durch Ar-tikel 19 zugesicherten Schutzes zuberauben, gelten 1. die Tatsache, daß das Personal der

Einheit oder Einrichtung bewaffnet ist und von den Waffen zu seiner eigenen Verteidigung oder zur Ver-teidigung seiner Verwundeten und Kranken Gebrauch macht;

2. die Tatsache, daß in Ermangelung bewaffneter Krankenpfleger die Ein-heit oder Einrichtung von einer mili-tärischen Abteilung oder von Wacht-posten oder von einem Geleittrupp geschützt wird;

3. die Tatsache, daß in der Einheit oder Einrichtung Handwaffen und Muniti-on vorgefunden werden, die den Verwundeten oder Kranken abge-nommen, aber der zuständigen Dienststelle noch nicht abgeliefert worden sind;

4. die Tatsache, daß sich Personal und Material des Veterinärdienstes in der Einheit oder Einrichtung befinden, ohne ihr eingegliedert zu sein;

5. die Tatsache, daß sich die humani-täre Tätigkeit der Sanitätseinheiten und -einrichtungen oder ihres Per-sonals auf verwundete oder kranke Zivilpersonen erstreckt.

Artikel 23 Schon in Friedenszeiten können die

Hohen Vertragsparteien und, nach Er-öffnung der Feindseligkeiten, die amKonflikt beteiligten Parteien auf ihremeigenen und, wenn nötig, auf besetztemGebiet Sanitätszonen und -orte errich-

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ten, die so eingerichtet sind daß sie denVerwundeten und Kranken sowie demmit der Organisation und Verwaltungdieser Zonen und Orte und mit derPflege der dort zusammengefaßtenPersonen beauftragten Personal Schutzvor den Folgen des Krieges bieten.

Vom Ausbruch eines Konfliktes an undwährend seiner Dauer können die betei-ligten Parteien unter sich Vereinbarung-en zur Anerkennung der von ihnen etwaerrichteten Sanitätszonen und -orte tref-fen. Sie können zu diesem Zweck dieBestimmungen des dem vorliegendenAbkommen beigefügten Vereinbarungs-entwurfs in Kraft setzen, indem siegegebenenfalls die für notwendig erach-teten Abänderungen darin vornehmen.

Die Schutzmächte und das Internatio-nale Komitee vom Roten Kreuz werdeneingeladen, ihre guten Dienste zu leihen,um die Einrichtung und Anerkennungdieser Sanitätszonen und -orte zuerleichtern.

Kapitel IVDas Personal

Artikel 24 Das ausschließlich zum Aufsuchen, zur

Bergung, Beförderung oder Behandlungvon Verwundeten und Kranken oder zurVerhütung von Krankheiten verwendeteSanitätspersonal sowie das ausschließ-lich zur Verwaltung von Sanitätseinhei-ten und -einrichtungen verwendete Per-sonal sowie die den Streitkräften zuge-teilten Feldgeistlichen werden unter allenUmständen geschont und geschützt.

Artikel 25 Militärpersonen, die besonders ausge-

bildet sind, um gegebenenfalls als Hilfs-krankenpfleger oder Hilfskrankenträger

zum Aufsuchen, zur Bergung, Beförde-rung oder Behandlung von Verwundetenund Kranken verwendet zu werden,werden gleichfalls geschont und ge-schützt, wenn sie im Zeitpunkt ihrerBerührung mit dem Feind oder ihrerGefangennahme die genannten Verrich-tungen ausüben.

Artikel 26 Dem in Artikel 24 erwähnten Personal

wird das Personal der von ihrer Re-gierung in gehöriger Form anerkanntenund ermächtigten nationalen Gesell-schaften des Roten Kreuzes und ande-rer freiwilliger Hilfsgesellschaften, das zudenselben Verrichtungen wie das imgenannten Artikel erwähnte Personalverwendet wird, gleichgestellt, voraus-gesetzt, daß das Personal dieser Ge-sellschaften den militärischen Gesetzenund Verordnungen untersteht.

Jede Hohe Vertragspartei notifiziert deranderen, entweder schon in Friedens-zeiten oder bei Beginn oder im Verlaufder Feindseligkeiten, jedenfalls aber vorder tatsächlichen Inanspruchnahme, dieNamen der Gesellschaften, die sie er-mächtigt hat, unter ihrer Verantwortungim ständigen Sanitätsdienst ihrer Streit-kräfte mitzuwirken.

Artikel 27 Eine anerkannte Gesellschaft eines

neutralen Staates darf ihr Sanitätsper-sonal und ihre Sanitätseinheiten beieiner am Konflikt beteiligten Partei nurmit vorheriger Einwilligung ihrer eigenenRegierung und mit Ermächtigung deram Konflikt beteiligten Partei selbst mit-wirken lassen. Dieses Personal unddiese Einheiten werden der Aufsicht die-ser am Konflikt beteiligten Partei unter-stellt.

I. Genfer Abkommen

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Die neutrale Regierung notifiziert dieseEinwilligung der Gegenpartei desjenigenStaates, der die Mitwirkung annimmt.Die am Konflikt beteiligte Partei, diediese Mitwirkung annimmt, ist gehalten,dies vor der Inanspruchnahme der Ge-genpartei zu notifizieren.

Unter keinen Umständen darf dieseMitwirkung als eine Einmischung in denKonflikt betrachtet werden.

Die Mitglieder des im Absatz 1 erwähn-ten Personals müssen vor dem Verlas-sen des neutralen Staates, dem sieangehören, ordnungsgemäß mit den inArtikel 40 vorgesehenen Ausweisen ver-sehen sein.

Artikel 28 Fällt das in den Artikeln 24 und 26

bezeichnete Personal der Gegenparteiin die Hände, so darf es nur zurückge-halten werden, soweit der gesundheitli-che Zustand, die geistigen Bedürfnisseund die Zahl der Kriegsgefangenen dieserfordern.

Die so zurückgehaltenen Personengelten nicht als Kriegsgefangene. Siegenießen jedoch zumindest die Vorteilesämtlicher Bestimmungen des GenferAbkommens vom 12. August 1949 überdie Behandlung der Kriegsgefangenen.Sie setzen im Rahmen der militärischenGesetze und Verordnungen des Ge-wahrsamsstaates unter der Leitung sei-ner zuständigen Dienststellen und inÜbereinstimmung mit ihrem beruflichenVerantwortungsbewußtsein ihre ärztlicheund seelsorgerische Tätigkeit zugunstender Kriegsgefangenen, vorzugsweiseder ihren eigenen Streitkräften angehö-renden, fort. Für die Ausübung ihrer ärzt-lichen oder seelsorgerischen Tätigkeitstehen ihnen ferner folgende Erleich-terungen zu:

a) Sie sind berechtigt, die Kriegsge-fangenen, die sich in Arbeitsgruppen oder in außerhalb des Lagers liegen-den Lazaretten befinden, regelmäßig zu besuchen. Die Gewahrsams-macht stellt ihnen zu diesem Zweck die nötigen Beförderungsmittel zur Verfügung.

b) In jedem Lager ist der dienstälteste Militärarzt des höchsten Dienstgra-des den militärischen Behörden des Lagers für die gesamte Tätigkeit des zurückgehaltenen Sanitätspersonals verantwortlich. Zu diesem Zweck verständigen sich die am Konflikt beteiligten Parteien schon bei Be-ginn der Feindseligkeiten über die vergleichbaren Dienstgrade ihres Sanitätspersonals, einschließlich desjenigen der in Artikel 26 bezeich-neten Gesellschaften. Für alle ihre Aufgaben betreffenden Fragen ha-ben dieser Arzt sowie die Feldgeist-lichen unmittelbaren Zutritt zu den zuständigen Lagerbehörden. Diese gewähren ihnen alle Erleichterungen, die für den mit diesen Fragen zu-sammenhängenden Schriftwechsel erforderlich sind.

c) Obwohl das zurückgehaltene Perso-nal der Disziplin des Aufenthaltsla-gers unterstellt ist, kann es zu keiner mit seiner ärztlichen oder seelsorge-rischen Tätigkeit nicht im Zusam-menhang stehenden Arbeit gezwun-gen werden.

Im Verlaufe der Feindseligkeiten ver-ständigen sich die am Konflikt beteilig-ten Parteien über eine etwaige Ablösungdes zurückgehaltenen Personals undlegen die Art ihrer Durchführung fest.

Die vorstehenden Bestimmungen ent-heben die Gewahrsamsmacht keines-wegs der Pflichten, die sie in gesund-

34 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 34

heitlicher und geistiger Hinsicht gegen-über den Kriegsgefangenen hat.

Artikel 29 Fallen die in Artikel 25 bezeichneten

Personen in Feindeshand, so gelten sieals Kriegsgefangene, werden aber, so-weit ein Bedürfnis danach besteht, fürden Sanitätsdienst verwendet.

Artikel 30 Mitglieder des Personals, die nach den

Bestimmungen von Artikel 28 nicht un-bedingt zurückzuhalten sind, werden andie am Konflikt beteiligte Partei, der sieangehören, zurückgesandt, sobald einWeg für ihre Rückkehr offen ist und diemilitärischen Erfordernisse es gestatten.

Bis zu ihrer Rücksendung gelten sienicht als Kriegsgefangene. Sie genießenjedoch zumindest die Vorteile sämtlicherBestimmungen des Genfer Abkommensvom 12. August 1949 über die Behand-lung der Kriegsgefangenen. Sie setzenihre Tätigkeit unter der Leitung derGegenpartei fort; sie werden vorzugs-weise für die Pflege der Verwundetenund Kranken der am Konflikt beteiligtenPartei verwendet, der sie angehören.

Bei ihrer Rückkehr können sie dieihnen gehörenden Sachen, persönlichenGegenstände, Wertsachen und Instru-mente mitnehmen.

Artikel 31 Die Auswahl der Personen, deren

Rücksendung an die am Konflikt betei-ligte Partei durch Artikel 30 vorgesehenist, wird ohne jeden Unterschied inbezug auf Rasse, Religion oder politi-sche Anschauung, vorzugsweise nachder zeitlichen Reihenfolge ihrer Gefan-gennahme und nach ihrem Gesund-heitszustand getroffen.

Vom Beginn der Feindseligkeiten ankönnen die am Konflikt beteiligten Par-teien durch Sondervereinbarungen denprozentualen Anteil des im Verhältnis zurGefangenenzahl zurückzuhaltene Per-sonals und dessen Verteilung auf dieeinzelnen Lager festsetzen.

Artikel 32 Fallen die im Artikel 27 bezeichneten

Personen der Gegenpartei in die Hände,so dürfen sie nicht zurückgehalten wer-den.

Außer im Falle gegenteiliger Verein-barungen werden sie ermächtigt, sobaldein Weg für ihre Rückkehr offen ist unddie militärischen Erfordernisse es gestat-ten, in ihr Land oder, wenn dies nichtmöglich ist, in das Gebiet der am Kon-flikt beteiligten Partei zurückzukehren, inderen Dienst sie standen.

Bis zu ihrer Rückkehr setzen sie ihreTätigkeit unter der Leitung der Gegen-partei fort; sie werden vorzugsweise fürdie Pflege der Verwundeten und Kran-ken der am Konflikt beteiligten Parteiverwendet, in deren Dienst sie standen.

Bei ihrer Rückkehr können sie dieihnen gehörenden Sachen, persönlichenGegenstände und Wertsachen, Instru-mente, Waffen und, wenn möglich, auchBeförderungsmittel mitnehmen.

Die am Konflikt beteiligten Parteiengewährleisten diesem Personal, solangees sich in ihrer Hand befindet, die glei-che Verpflegung, die gleiche Unterkunft,die gleichen Bezüge und den gleichenSold wie dem entsprechenden Personalihrer Streitkräfte. Auf jeden Fall muß ihreVerpflegung nach Menge, Beschaffen-heit und Abwechslung ausreichend sein,um einen normalen Gesundheitszustandder Betreffenden sicherzustellen.

35I. Genfer Abkommen

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Kapitel VGebäude und Material

Artikel 33 Das Material der beweglichen Sanitäts-

einheiten der Streitkräfte, die der Gegen-partei in die Hände fallen, wird weiterhinzugunsten der Verwundeten und Kran-ken verwendet.

Die Gebäude, das Material und dieVorratslager der ortsfesten Sanitätsein-richtungen der Streitkräfte bleiben demKriegsrecht unterworfen, dürfen aberihrer Bestimmung nicht entzogen wer-den, solange sie für Verwundete undKranke erforderlich sind. Die Befehls-haber der Streitkräfte im Felde könnensie jedoch im Falle dringender militäri-scher Erfordernisse unter der Voraus-setzung benützen, daß sie vorher die fürdas Wohl der dort gepflegten Krankenund Verwundeten notwendigen Maß-nahmen treffen.

Das in diesem Artikel erwähnte Ma-terial und die Vorratslager dürfen nichtabsichtlich zerstört werden.

Artikel 34 Das bewegliche und unbewegliche

Eigentum der Hilfsgesellschaften, denendie Vergünstigungen dieses Abkom-mens zustehen, gilt als Privateigentum.

Das den Kriegführenden nach denGesetzen und Gebräuchen des Kriegeszuerkannte Requisitionsrecht wird nur imFalle dringender Notwendigkeit undnach Sicherstellung des Schicksals derVerwundeten und Kranken ausgeübt.

Kapitel VISanitätstransporte

Artikel 35 Transporte von Verwundeten und

Kranken oder von Sanitätsmaterial wer-den in gleicher Weise wie die beweg-lichen Sanitätseinheiten geschont undgeschützt.

Fallen solche Transporte oder Fahr-zeuge der Gegenpartei in die Hände, sounterliegen sie den Kriegsgesetzen, vor-ausgesetzt, daß die am Konflikt beteilig-te Partei, die sie erbeutet, sich in allenFällen der mitgeführten Verwundetenund Kranken annimmt.

Das Zivilpersonal und alle requiriertenBeförderungsmittel unterstehen den all-gemeinen Regeln des Völkerrechtes.

Artikel 36 Sanitätsluftfahrzeuge, d. h. ausschließ-

lich für die Wegschaffung von Verwun-deten und Kranken und für die Beförde-rung von Sanitätspersonal und -materialverwendete Luftfahrzeuge, werden vonden Kriegführenden nicht angegriffensondern geschont, solange sie inHöhen, zu Stunden und auf Streckenfliegen, die von allen beteiligten Krieg-führenden ausdrücklich vereinbart sind.

Sie tragen neben den Landesfarbendeutlich sichtbar das in Artikel 38 vorge-sehene Schutzzeichen auf den unteren,oberen und seitlichen Flächen. Sie wer-den mit allen sonstigen zwischen denKriegführenden bei Beginn oder imVerlauf der Feindseligkeiten durch Ver-einbarung festgelegten Kennzeichenoder Erkennungsmitteln ausgestattet.

In Ermangelung gegenteiliger Verein-barungen ist das Überfliegen feindlichenoder vom Feinde besetzten Gebietesuntersagt.

36 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 36

Die Sanitätsluftfahrzeuge leisten jedemBefehl zum Landen Folge. Im Falle einerso befohlenen Landung kann dasLuftfahrzeug mit seinen Insassen nacheiner etwaigen Untersuchung den Flugfortsetzen.

Im Falle einer unbeabsichtigten Lan-dung auf feindlichen oder vom Feindebesetztem Gebiet werden die Verwun-deten und Kranken sowie die Besatzungdes Luftfahrzeuges Kriegsgefangene.Das Sanitätspersonal wird gemäß Artikel24 und den folgenden Artikeln behan-delt.

Artikel 37 Sanitätsluftfahrzeuge der am Konflikt

beteiligten Parteien können unter Vorbe-halt von Absatz 2 das Gebiet neutralerMächte überfliegen und dort eine Not-oder Zwischenlandung oder -wasserungvornehmen. Sie notifizieren vorher denneutralen Mächten das Überfliegen ihresGebietes und leisten jedem Befehl zumLanden oder Wassern Folge. Bei ihremFlug sind sie vor Angriffen nur geschützt,solange sie in Höhen, zu Stunden undauf Strecken fliegen, die zwischen denbetreffenden am Konflikt beteiligtenParteien und neutralen Mächten aus-drücklich vereinbart sind.

Die neutralen Mächte können jedochfür das Überfliegen ihres Gebietes durchSanitätsluftfahrzeuge oder für derenLandung auf ihrem Gebiete Bedingun-gen oder Beschränkungen festsetzen.Diese finden auf alle am Konflikt beteilig-ten Parteien in gleicher Weise Anwen-dung.

Die mit Zustimmung der lokalen Be-hörde von einem Sanitätsluftfahrzeugauf neutralem Gebiet abgesetzten Ver-wundeten und Kranken müssen vondem neutralen Staat in Ermangelung

einer gegenteiligen Abmachung zwi-schen ihm und den am Konflikt beteilig-ten Parteien, wenn es das Völkerrechterfordert, so bewacht werden, daß sienicht mehr an Kriegshandlungen teilneh-men können. Die Krankenhaus- undInternierungskosten gehen zu Lastenderjenigen Macht, von der die Verwun-deten und Kranken abhängen.

Kapitel VIIDas Schutzzeichen

Artikel 38 Zu Ehren der Schweiz wird das durch

Umkehrung der eidgenössischen Far-ben gebildete Wappenzeichen des rotenKreuzes auf weißem Grunde als Wahr-und Schutzzeichen des Sanitätsdienstesder Streitkräfte beibehalten.

Jedoch sind für die Länder, die anStelle des roten Kreuzes den roten Halb-mond oder den roten Löwen mit roterSonne auf weißem Grund bereits alsSchutzzeichen verwenden, diese Wahr-zeichen im Sinne des vorliegendenAbkommens ebenfalls zugelassen.

Artikel 39 Unter der Aufsicht der zuständigen

Militärbehörde wird dieses Wahrzeichenauf Fahnen, Armbinden und dem ge-samten im Sanitätsdienst verwendetenMaterial geführt.

Artikel 40 Das in Artikel 24 sowie in den Artikeln

26 und 27 bezeichnete Personal trägteine am linken Arm befestigte, feuchtig-keitsbeständige und mit dem Schutz-zeichen versehene Binde, die von derMilitärbehörde geliefert und abgestem-pelt wird.

37I. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 37

Dieses Personal trägt außer der inArtikel 16 erwähnten Erkennungsmarkeeine besondere, mit dem Schutzzeichenversehene Ausweiskarte bei sich. DieseKarte ist feuchtigkeitsbeständig und hatTaschenformat. Sie ist in der Landes-sprache abgefaßt und enthält mindes-tens den Namen und die Vornamen,Geburtsdatum, Dienstgrad und Matri-kelnummer des Inhabers. Sie beschei-nigt, in welcher Eigenschaft er Anspruchauf den Schutz des vorliegendenAbkommens hat. Die Karte ist mit einemLichtbild des Inhabers und außerdemmit seiner Unterschrift oder seinenFingerabdrücken oder mit beidem ver-sehen. Sie trägt den Trockenstempel derMilitärbehörde.

Die Ausweiskarten sind innerhalb derStreitkräfte einer Macht einheitlich undbei den Streitkräften der Hohen Ver-tragsparteien soweit wie möglich gleich-artig. Die am Konflikt beteiligten Parteienkönnen sich an das dem vorliegendenAbkommen als Beispiel beigefügteMuster halten. Bei Beginn der Feind-seligkeiten geben sie das von ihnen ver-wendete Muster einander bekannt. JedeAusweiskarte wird, wenn möglich, inmindestens zwei Exemplaren ausgefer-tigt, wovon eines vom Heimatstaat auf-bewahrt wird.

In keinem Fall dürfen dem obenerwähnten Personal die Abzeichen oderdie Ausweiskarte abgenommen oderdas Recht zum Tragen der Armbindeentzogen werden. Bei Verlust hat esAnspruch auf ein Doppel der Karte undauf Ersatz der Abzeichen.

Artikel 41 Das in Artikel 25 bezeichnete Personal

trägt, jedoch nur während der Ausübungsanitätsdienstlicher Verrichtungen, eine

weiße Armbinde mit einem verkleinertenSchutzzeichen in der Mitte; sie wird vonder Militärbehörde geliefert und abge-stempelt.

Die militärischen Ausweise, die diesesPersonal bei sich führt, enthalten alleAngaben über die sanitätsdienstlicheAusbildung des Inhabers, über den vor-übergehenden Charakter seiner Tätig-keit und über sein Recht zum Tragen derArmbinde.

Artikel 42 Die Schutzflagge des vorliegenden

Abkommens darf nur über den durchdas Abkommen geschützten Sanitäts-einheiten und -einrichtungen und nur mitZustimmung der Militärbehörde gehißtwerden.

Bei den beweglichen Einheiten sowiebei den ortsfesten Einrichtungen kanndaneben die Landesflagge der amKonflikt beteiligten Partei gehißt werden,der die Sanitätseinheit oder -einrichtungangehört.

In Feindeshand geratene Sanitätsein-heiten hissen jedoch lediglich die Flaggedes Abkommens.

Die am Konflikt beteiligten Parteientreffen, soweit die militärischen Erfor-dernisse es gestatten, die nötigen Maßnahmen, um den feindlichen Land-,Luft- und Seestreitkräften die Schutz-zeichen, welche Sanitätseinheiten und -einrichtungen kennzeichnen, deutlichsichtbar zu machen und so jede Mög-lichkeit eines Angriffs auszuschalten.

Artikel 43 Sanitätseinheiten neutraler Länder, die

unter den in Artikel 27 vorgesehenenBedingungen ermächtigt sind, einemKriegführenden Hilfe zu leisten, hissenneben der Flagge des vorliegenden

38 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 38

Abkommens die Landesflagge diesesKriegführenden, wenn dieser von demihm gemäß Artikel 42 zustehendenRecht Gebrauch macht.

Sofern die zuständige Militärbehördenichts Gegenteiliges befiehlt, können sieunter allen Umständen, selbst wenn sieder Gegenpartei in die Hände fallen, ihreeigene Landesflagge hissen.

Artikel 44 Das Wahrzeichen des roten Kreuzes

auf weißem Grund und die Worte „RotesKreuz“ oder „Genfer Kreuz“ dürfen, mitAusnahme der in den nachstehendenAbsätzen dieses Artikels genanntenFälle, sowohl in Friedens- wie in Kriegs-zeiten nur zur Bezeichnung oder zumSchutz der Sanitätseinheiten und -ein-richtungen, des Personals und desMaterials verwendet werden, die durchdas vorliegende Abkommen oder durchandere internationale Abkommen, dieähnliche Gegenstände regeln, geschütztsind. Das gleiche gilt hinsichtlich der inArtikel 38 Absatz 2 genannten Schutz-zeichen für die Länder, die sie verwen-den. Die nationalen Gesellschaften desRoten Kreuzes und die sonstigen inArtikel 26 genannten Gesellschaftenhaben nur im Rahmen der Bestimmun-gen dieses Absatzes das Recht zur Ver-wendung des Schutzzeichens, das denSchutz des vorliegenden Abkommensgewährleistet.

Die nationalen Gesellschaften desRoten Kreuzes (des Roten Halbmondes,des Roten Löwen mit roter Sonne) dür-fen außerdem in Friedenszeiten gemäßden nationalen Rechtsvorschriften denNamen und das Wahrzeichen des RotenKreuzes für ihre sonstige den Grund-sätzen der internationalen Rotkreuzkon-ferenzen entsprechende Tätigkeit ver-

wenden. Wird diese Tätigkeit in Kriegs-zeiten fortgesetzt, so muß das Wahrzei-chen unter solchen Voraussetzungenverwendet werden, daß es nicht denAnschein erweckt, als ob dadurch derSchutz des Abkommens gewährleistetwerde; das Wahrzeichen muß verhält-nismäßig klein sein und darf weder aufArmbinden noch auf Dächern ange-bracht werden.

Die internationalen Rotkreuzorganisa-tionen und ihr gehörig ausgewiesenesPersonal sind berechtigt, jederzeit dasZeichen des roten Kreuzes auf weißemGrund zu führen.

Ausnahmsweise kann gemäß dennationalen Rechtsvorschriften und mitausdrücklicher Erlaubnis einer der natio-nalen Gesellschaften des Roten Kreuzes(des Roten Halbmondes, des Roten Lö-wen mit roter Sonne) in Friedenszeitendas Wahrzeichen des Abkommens ver-wendet werden, um Krankenwagen undRettungsstellen kenntlich zu machen,die ausschließlich der unentgeltlichenPflege von Verwundeten und Krankenvorbehalten sind.

Kapitel VIIIDurchführung des

Abkommens

Artikel 45 Jede am Konflikt beteiligte Partei hat

durch ihre Oberbefehlshaber im einzel-nen für die Durchführung der vorstehen-den Artikel zu sorgen und nicht vorgese-hene Fälle gemäß den allgemeinenGrundsätzen des vorliegenden Abkom-mens zu regeln.

Artikel 46 Vergeltungsmaßnahmen gegen Ver-

wundete, Kranke, Personal, Gebäude

39I. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 39

oder Material, die unter dem Schutzedes Abkommens stehen, sind untersagt.

Artikel 47 Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, in Friedens- und Kriegszeitenden Wortlaut des vorliegenden Abkom-mens in ihren Ländern im weitestmög-lichen Ausmaß zu verbreiten und insbe-sondere sein Studium in die militäri-schen und, wenn möglich, zivilen Aus-bildungsprogramme aufzunehmen, sodaß die Gesamtheit der Bevölkerung,insbesondere die bewaffneten Streit-kräfte, das Sanitätspersonal und dieFeldgeistlichen, seine Grundsätze ken-nen lernen kann.

Artikel 48 Die Hohen Vertragsparteien stellen

sich gegenseitig durch Vermittlung desSchweizerischen Bundesrates und wäh-rend der Feindseligkeiten durch Vermitt-lung der Schutzmächte die amtlichenÜbersetzungen des vorliegenden Ab-kommens sowie die Gesetze undVerordnungen zu, die sie gegebenenfallszur Gewährleistung seiner Anwendungerlassen.

Kapitel IXAhndung von Mißbräuchen

und Übertretungen

Artikel 49 Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, alle notwendigen gesetzgeberi-schen Maßnahmen zur Festsetzung vonangemessenen Strafbestimmungen fürsolche Personen zu treffen, die irgendei-ne der im folgenden Artikel umschriebe-nen schweren Verletzungen des vorlie-genden Abkommens begehen oder zu

einer solchen Verletzung den Befehlerteilen.

Jede Vertragspartei ist zur Ermittlungder Personen verpflichtet, die der Be-gehung oder der Erteilung eines Befehlszur Begehung einer dieser schwerenVerletzungen beschuldigt sind; sie stelltsie ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeitvor ihre eigenen Gerichte. Wenn sie esvorzieht, kann sie sie auch gemäß den inihrem eigenen Recht vorgesehenenBedingungen einer anderen an dergerichtlichen Verfolgung interessiertenVertragspartei zur Aburteilung überge-ben, sofern diese gegen die erwähntenPersonen ein ausreichendes Belastungs-material vorbringt.

Jede Vertragspartei ergreift die not-wendigen Maßnahmen, um auch dieje-nigen Zuwiderhandlungen gegen dieBestimmungen des vorliegenden Ab-kommens zu unterbinden, die nicht zuden im folgenden Artikel umschriebenenschweren Verletzungen zählen.

Unter allen Umständen genießen dieAngeklagten nicht geringere Sicherhei-ten in bezug auf Gerichtsverfahren undfreie Verteidigung, als in Artikel 105 undden folgenden Artikeln des GenferAbkommens vom 12. August 1949 überdie Behandlung der Kriegsgefangenenvorgesehen sind.

Artikel 50 Als schwere Verletzung im Sinne des

vorstehenden Artikels gilt jede der fol-genden Handlungen, sofern sie gegendurch das Abkommen geschützte Per-sonen oder Güter begangen wird: vor-sätzliche Tötung, Folterung oder un-menschliche Behandlung einschließlichbiologischer Versuche, vorsätzliche Ver-ursachung großer Leiden oder schwereBeeinträchtigung der körperlichen Un-

40 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 40

versehrtheit oder der Gesundheit sowieZerstörung und Aneignung von Eigen-tum, die durch militärische Erfordernissenicht gerechtfertigt sind und in großemAusmaß rechtswidrig und willkürlich vor-genommen werden.

Artikel 51 Eine Hohe Vertragspartei kann weder

sich selbst noch eine andere Vertrags-partei von den Verantwortlichkeitenbefreien, die ihr selbst oder einer ande-ren Vertragspartei auf Grund von Ver-letzungen im Sinne des vorstehendenArtikels zufallen.

Artikel 52 Auf Begehren einer am Konflikt betei-

ligten Partei wird gemäß einem zwischenden beteiligten Parteien festzusetzendenVerfahren über jede behauptete Verletz-ung des Abkommens eine Untersu-chung eingeleitet.

Kann über das Untersuchungsverfah-ren keine Übereinstimmung erzielt wer-den, so kommen die Parteien überein,einen Schiedsrichter zu wählen, derüber das zu befolgende Verfahren ent-scheidet.

Sobald die Verletzung festgestellt ist,setzen ihr die am Konflikt beteiligtenParteien ein Ende und ahnden sie soschnell wie möglich.

Artikel 53 Der Gebrauch des Wahrzeichens oder

der Bezeichnung „Rotes Kreuz“ oder„Genfer Kreuz“ sowie aller Zeichen undBezeichnungen, die eine Nachahmungdarstellen, durch nach dem vorliegen-den Abkommen dazu nicht berechtigtePrivatpersonen, öffentliche und privateGesellschaften und Handelsfirmen istjederzeit verboten, ohne Rücksicht auf

den Zweck und auf den etwaigen frühe-ren Zeitpunkt der Verwendung.

Im Hinblick auf die der Schweiz durchAnnahme der umgekehrten eidgenössi-schen Landesfarben erwiesene Ehrungund auf die zwischen dem Schweizer-wappen und dem Schutzzeichen desAbkommens mögliche Verwechslung istder Gebrauch des Wappens derSchweizerischen Eidgenossenschaft so-wie aller Zeichen, die eine Nachahmungdarstellen, durch Privatpersonen, Ge-sellschaften und Handelsfirmen, sei esals Fabrik- oder Handelsmarke oder alsBestandteil solcher Märken, sei es zueinem gegen die kaufmännische Ehr-barkeit verstoßenden Zweck oder unterBedingungen, die geeignet sind, dasschweizerische Nationalgefühl zu verlet-zen, jederzeit verboten.

Die Hohen Vertragsparteien, die nichtVertragsparteien des Genfer Abkom-mens vom 27. Juli 1929 sind, könnenjedoch den bisherigen Benutzern der inAbsatz 1 erwähnten Zeichen, Bezeich-nungen oder Marken eine Frist vonhöchstens drei Jahren nach Inkrafttretendes vorliegenden Abkommens einräu-men, um diese Verwendung einzustel-len, wobei während dieser Frist dieVerwendung in Kriegzeiten nicht denAnschein erwecken darf, als ob dadurchder Schutz des Abkommens gewährlei-stet werde.

Das in Absatz 1 dieses Artikels erlas-sene Verbot gilt auch für die in Artikel 38Absatz 2 vorgesehenen Zeichen undBezeichnungen, ohne jedoch eine Wir-kung auf die durch bisherige Benutzererworbenen Rechte auszuüben.

Artikel 54 Die Hohen Vertragsparteien, deren

Rechtsvorschriften zur Zeit nicht ausrei-

41I. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 41

chend sein sollten, treffen die erforder-lichen Maßnahmen, um die in Artikel 53erwähnten Mißbräuche jederzeit zu ver-hindern und zu ahnden.

Schlußbestimmungen

Artikel 55 Das vorliegende Abkommen ist in fran-

zösischer und englischer Sprache abge-faßt. Beide Texte sind gleicherweisemaßgeblich.

Der Schweizerische Bundesrat läßtamtliche Übersetzungen des Abkom-mens in die russische und die spanischeSprache herstellen.

Artikel 56 Das vorliegende Abkommen, welches

das Datum des heutigen Tages trägt,kann bis zum 12. Februar 1950 imNamen der Mächte unterzeichnet wer-den, die auf der am 21. April 1949 inGenf eröffneten Konferenz vertretenwaren, sowie im Namen der Mächte, dieauf dieser Konferenz nicht vertretenwaren, aber Vertragsparteien der GenferAbkommen von 1864, 1906 oder 1929zur Verbesserung des Loses der Ver-wundeten und Kranken der Heere imFelde sind.

Artikel 57 Das vorliegende Abkommen soll so

bald wie möglich ratifiziert werden. DieRatifikationsurkunden werden in Bernhinterlegt.

Über die Hinterlegung jeder Rati-fikationsurkunde wird ein Protokoll auf-genommen. Von diesem wird einebeglaubigte Abschrift durch denSchweizerischen Bundesrat allen Mäch-ten übersandt, in deren Namen das

Abkommen unterzeichnet oder derBeitritt erklärt worden ist.

Artikel 58 Das vorliegende Abkommen tritt sechs

Monate nach Hinterlegung von minde-stens zwei Ratifikationsurkunden inKraft.

Späterhin tritt es für jede Hohe Ver-tragspartei sechs Monate nach Hinter-legung ihrer Ratifikationsurkunde inKraft.

Artikel 59 Das vorliegende Abkommen ersetzt in

den Beziehungen zwischen den HohenVertragsparteien die Abkommen vom22. August 1864, vom 6. Juli 1906 undvom 27. Juli 1929.

Artikel 60 Vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an

steht das vorliegende Abkommen jederMacht zum Beitritt offen, in derenNamen es nicht unterzeichnet wordenist.

Artikel 61 Der Beitritt wird dem Schweizerischen

Bundesrat schriftlich notifiziert und wirdsechs Monate nach dem Zeitpunkt, andem diesem die Notifikation zugegan-gen ist, wirksam.

Der Schweizerische Bundesrat bringtdie Beitritte allen Mächten zur Kenntnis,in deren Namen das Abkommen unter-zeichnet oder der Beitritt notifiziert wor-den ist.

Artikel 62 Der Eintritt der in Artikel 2 und 3 vorge-

sehenen Lage verleiht den vor oder nachBeginn der Feindseligkeiten oder derBesetzung hinterlegten Ratifikationsur-

42 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 42

kunden und notifizierten Beitritten vonam Konflikt beteiligten Parteien sofortigeWirkung. Der Schweizerische Bundesratgibt die eingegangenen Ratifikationenoder Beitrittserklärungen von Parteien,die am Konflikt beteiligt sind, auf demschnellsten Wege bekannt.

Artikel 63 Jeder Hohen Vertragspartei steht es

frei, das vorliegende Abkommen zu kün-digen.

Die Kündigung wird dem Schweize-rischen Bundsrat schriftlich notifiziert.Dieser bringt sie den Regierungen allerHohen Vertragsparteien zur Kenntnis.

Die Kündigung wird ein Jahr nach ihrerNotifizierung an den SchweizerischenBundesrat wirksam. Jedoch bleibt eineKündigung, die notifiziert wird, währenddie kündigende Macht in einen Konfliktverwickelt ist, unwirksam, solange nichtFriede geschlossen ist, und auf alle Fällesolange die mit der Freilassung undHeimschaffung der durch das vorliegen-de Abkommen geschützten Personenim Zusammenhang stehenden Hand-lungen nicht abgeschlossen sind.

Die Kündigung gilt nur in bezug auf diekündigende Macht. Sie hat keinerleiWirkung auf die Verpflichtungen, welchedie am Konflikt beteiligten Parteiengemäß den Grundsätzen des Völker-rechts zu erfüllen gehalten sind, wie siesich aus den unter zivilisierten Völkernfeststehenden Gebräuchen, aus denGesetzen der Menschlichkeit und ausden Forderungen des öffentlichen Ge-wissens ergeben.

Artikel 64 Der Schweizerische Bundesrat läßt

das vorliegende Abkommen beimSekretariat der Vereinten Nationen ein-

tragen. Er setzt das Sekretariat derVereinten Nationen ebenfalls von allenRatifikationen, Beitritten und Kündi-gungen in Kenntnis, die er in bezug aufdas vorliegende Abkommen erhält.

ZU URKUND DESSEN haben die Unter-zeichneten nach Hinterlegung ihrer ent-sprechenden Vollmachten das vorlie-gende Abkommen unterschrieben.

GESCHEHEN zu Genf am 12. August1949 in französischer und englischerSprache. Das Original wird im Archiv derSchweizerischen Eidgenossenschafthinterlegt. Der Schweizerische Bundes-rat übermittelt jedem unterzeichnendenund beitretenden Staat eine beglaubigteAusfertigung des vorliegenden Abkom-mens.

ANHANG IEntwurf einer Vereinbarung über

Sanitätszonen und -orte

Artikel 1 Die Sanitätszonen sind ausschließlich

dem Personenkreis vorbehalten, der inArtikel 23 des Genfer Abkommens vom12. August 1949 zur Verbesserung desLoses der Verwundeten und Krankender bewaffneten Kräfte im Felde be-zeichnet ist sowie dem mit der Organi-sation und der Verwaltung dieser Zonenund Orte und mit der Pflege der dortzusammengezogenen Personen beauf-tragten Personal.

Die Personen, die ihren gewöhnlichenAufenthalt innerhalb dieser Zonenhaben, sind jedoch berechtigt, dortwohnen zu bleiben.

Artikel 2 Die Personen, die sich, in welcher

Eigenschaft es auch sei, in einer Sani-tätszone befinden, dürfen weder inner-

43I. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 43

halb noch außerhalb dieser Zone eineTätigkeit ausüben, die mit den Kampf-handlungen oder der Herstellung vonKriegsmaterial in unmittelbarem Zu-sammenhang steht.

Artikel 3 Die Macht, die eine Sanitätszone

errichtet, trifft alle geeigneten Maßnah-men, um allen Unbefugten den Zugangzu untersagen.

Artikel 4 Die Sanitätszonen müssen folgende

Voraussetzungen erfüllen: a) Sie dürfen nur einen geringen Teil des

Gebietes umfassen, das der Macht, untersteht, die sie errichtet hat;

b) sie müssen im Verhältnis zu ihrer Aufnahmefähigkeit dünn bevölkert sein;

c) sie müssen frei von jedem militäri-schen Ziel und jeder wichtigen In-dustrieanlage oder Verwaltungs-einrichtung sein und weit davon entfernt liegen;

d) sie dürfen nicht in Gebieten liegen, die aller Wahrscheinlichkeit nach für die Kriegführung von Bedeutung sein können.

Artikel 5 Die Sanitätszonen unterliegen folgen-

den Bestimmungen: a) Die dort befindlichen Verbindungs-

wege und Beförderungsmittel dürfen nicht zur Beförderung von Militär-personal und -material, auch nicht zur einfachen Durchfahrt, benutzt werden;

b) sie dürfen unter keinen Umständen militärisch verteidigt werden.

Artikel 6 Die Sanitätszonen sollen durch rote

Kreuze (rote Halbmonde, rote Löwen mitroten Sonnen) auf weißem Grund ge-kennzeichnet, die an ihren Grenzen undauf den Gebäuden anzubringen sind.

Nachts können sie auch durch geeig-nete Beleuchtung gekennzeichnet wer-den.

Artikel 7 Bereits in Friedenszeiten oder bei

Ausbruch der Feindseligkeiten läßt jedeMacht allen Hohen Vertragsparteien eineListe der Sanitätszonen auf ihrem Ho-heitsgebiet zugehen. Sie benachrichtigtsie auch über jede im Verlauf desKonfliktes neu errichtete Zone.

Sobald die Gegenpartei die vorge-nannte Notifizierung erhalten hat, gilt dieZone als ordnungsgemäß errichtet.

Glaubt jedoch die Gegenpartei, daßeine der Bedingungen dieser Verein-barung offensichtlich nicht erfüllt ist, sokann sie die Anerkennung der Zone ver-weigern, indem sie der Partei, der dieseZone untersteht, ihre Ablehnung umge-hend mitteilt, oder ihre Anerkennung vonder Einsetzung der in Artikel 8 vorgese-henen Überwachung abhängig machen.

Artikel 8 Jede Macht, die eine oder mehrere

Sanitätszonen der Gegenpartei aner-kannt hat, kann verlangen, daß ein odermehrere Sonderausschüsse nachprü-fen, ob bezüglich dieser Zonen die indieser Vereinbarung festgesetzten Be-dingungen und Verpflichtungen erfülltsind.

Zu diesem Zweck haben die Mitgliederder Sonderausschüsse jederzeit freienZutritt zu den einzelnen Zonen und kön-nen sich dort sogar ständig aufhalten.

44 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 44

Zur Erfüllung ihrer Überwachungsaufga-be wird ihnen jede Erleichterung ge-währt.

Artikel 9 Stellen die Sonderausschüsse Tat-

sachen fest, die nach ihrer Meinung denBestimmungen dieser Vereinbarungzuwiderlaufen, so verständigen sie un-verzüglich die Macht, der diese Zoneuntersteht, und setzen ihr eine Frist vonhöchstens fünf Tagen zur Abstellungdieser Verletzungen; sie benachrichtigenhiervon die Macht, welche die Zoneanerkannt hat.

Ist nach Ablauf dieser Frist die Macht,der diese Zone untersteht, der an siegerichteten Aufforderung nicht nachge-kommen, so kann die Gegenpartei er-klären, daß sie in bezug auf diese Zonenicht mehr durch diese Vereinbarunggebunden ist.

Artikel 10 Die Macht, die eine oder mehrere

Sanitätszonen und -orte errichtet hat,und die Gegenparteien, denen derenErrichtung notifiziert worden ist, ernen-nen oder lassen durch neutrale Mächtedie Personen bestimmen, die als Mit-glieder der in Artikel 8 und 9 erwähntenSonderausschüsse in Betracht kom-men.

Artikel 11 Die Sanitätszonen dürfen unter keinen

Umständen angegriffen werden; siewerden vielmehr jederzeit durch die amKonflikt beteiligten Parteien geschütztund geschont.

45I. Genfer Abkommen

Artikel 12 Bei Besetzung eines Gebietes werden

die dort befindlichen Sanitätszonenweiterhin als solche geschont und be-nützt.

Die Besatzungsmacht kann jedoch ihreZweckbestimmung ändern, nachdemsie für das Schicksal der dort aufgenom-menen Personen gesorgt hat.

Artikel 13 Diese Vereinbarung findet auch auf die

Orte Anwendung, die von den Mächtenfür denselben Zweck wie die Sanitäts-zonen bestimmt werden.

ANHANG IIAusweiskarte für die Mitglieder desSanitäts- und Seelsorgepersonals

der Streitkräfte

Vorderseite

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 45

Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle46

Rückseite

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 46

Die unterzeichneten Bevollmächtigtender Regierungen, die auf der vom 21.April bis 12. August 1949 in Genf ver-sammelten diplomatischen Konferenzzur Revision des X. Haager Abkommensvom 18. Oktober 1907 betreffend dieAnwendung der Grundsätze des GenferAbkommens von 1906 auf den Seekriegvertreten waren, haben folgendes ver-einbart:

Kapitel IAllgemeine Bestimmungen

Artikel 1 Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, das vorliegende Abkommenunter allen Umständen einzuhalten undseine Einhaltung durchzusetzen.

Artikel 2 Außer den Bestimmungen, die bereits

in Friedenszeiten durchzuführen sind,findet das vorliegende Abkommen An-wendung in allen Fällen eines erklärtenKrieges oder eines anderen bewaffnetenKonflikts, der zwischen zwei oder meh-reren Hohen Vertragsparteien entsteht,auch wenn der Kriegszustand von einerdieser Parteien nicht anerkannt wird.

Das Abkommen findet auch in allenFällen vollständiger oder teilweiser Be-

setzung des Gebietes einer HohenVertragspartei Anwendung, selbst wenndiese Besetzung auf keinen bewaffnetenWiderstand stößt.

Ist eine der am Konflikt beteiligtenMächte nicht Vertragspartei des vorlie-genden Abkommens, so bleiben dieVertragsparteien in ihren gegenseitigenBeziehungen gleichwohl durch das Ab-kommen gebunden. Sie sind fernerdurch das Abkommen auch gegenüberdieser Macht gebunden, wenn diesedessen Bestimmungen annimmt undanwendet.

Artikel 3 Im Falle eines bewaffneten Konflikts,

der keinen internationalen Charakter hatund auf dem Gebiet einer der HohenVertragsparteien entsteht, ist jede deram Konflikt beteiligten Parteien gehal-ten, mindestens die folgenden Bestim-mungen anzuwenden: 1. Personen, die nicht unmittelbar an

den Feindseligkeiten teilnehmen, ein-schließlich der Mitglieder der Streit-kräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangen-nahme oder irgendeine andere Ur-sache außer Kampf gesetzt sind, werden unter allen Umständen mit

47

Genfer Abkommen vom 12. August 1949zur Verbesserung des Loses derVerwundeten, Kranken undSchiffbrüchigen der Streitkräfte zur See [II. Genfer Abkommen von 1949]1

1 BGBl. 1954 II S. 813. – Am 21. Oktober 1950 – für die Bundesrepublik Deutschland am 3. März 1955 –in Kraft getreten.

II. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 47

Menschlichkeit behandelt, ohne jede auf Rasse, Farbe, Religion oder Glauben, Geschlecht, Geburt oder Vermögen oder auf irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungs-merkmal beruhende Benachteiligung.Zu diesem Zwecke sind und bleiben in bezug auf die oben erwähnten Personen jederzeit und überall ver-boten a) Angriffe auf das Leben und die

Person, namentlich Tötung jeder Art, Verstümmelung, grausame Behandlung und Folterung;

b) das Festnehmen von Geiseln;c) Beeinträchtigung der persönlichen

Würde, namentlich erniedrigende und entwürdigende Behandlung;

d) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil einesordentlich bestellten Gerichtes, das die von den zivilisierten Völ-kern als unerläßlich anerkannten Rechtsgarantien bietet.

2. Die Verwundeten und Kranken wer-den geborgen und gepflegt.

Eine unparteiische humanitäre Organi-sation, wie das Internationale Komiteevom Roten Kreuz, kann den am Konfliktbeteiligten Parteien ihre Dienste anbie-ten.

Die am Konflikt beteiligten Parteienwerden sich andererseits bemühen,durch Sondervereinbarungen auch dieanderen Bestimmungen des vorliegen-den Abkommens ganz oder teilweise inKraft zu setzen.

Die Anwendung der vorstehendenBestimmungen hat auf die Rechtsstel-lung der am Konflikt beteiligten Parteienkeinen Einfluß.

Artikel 4 Bei Kriegshandlungen zwischen den

Land- und Seestreitkräften der amKonflikt beteiligten Parteien sind dieBestimmungen des vorliegenden Ab-kommens nur auf die an Bord befind-lichen Streitkräfte anwendbar.

Die an Land gesetzten Streitkräfte sindsofort dem Genfer Abkommen vom 12.August 1949 zur Verbesserung desLoses der Verwundeten und Krankender Streitkräfte im Felde unterstellt.

Artikel 5 Die neutralen Mächte wenden die

Bestimmungen des vorliegenden Ab-kommens sinngemäß auf Verwundete,Kranke und Schiffbrüchige sowie aufMitglieder des Sanitäts- und Seelsorge-personals der Streitkräfte der am Kon-flikt beteiligten Parteien an, die in ihrGebiet aufgenommen oder dort inter-niert werden, sowie auf die geborgenenGefallenen.

Artikel 6 Außer den in den Artikeln 10, 18, 31,

38, 39, 40, 43 und 53 ausdrücklich vor-gesehenen Vereinbarungen können dieHohen Vertragsparteien andere Sonder-vereinbarungen über jede Frage treffen,deren besondere Regelung ihnenzweckmäßig erscheint. Eine Sonderver-einbarung darf weder die Lage derVerwundeten, Kranken und Schiffbrü-chigen sowie der Mitglieder des Sani-täts- und Seelsorgepersonals, wie siedurch das vorliegende Abkommen gere-gelt ist, beeinträchtigen, noch dieRechte beschränken, die ihnen dasAbkommen verleiht.

Die Verwundeten, Kranken und Schiff-brüchigen sowie die Mitglieder desSanitäts- und Seelsorgepersonals ge-

48 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 48

nießen die Vorteile dieser Vereinbarun-gen, solange das Abkommen auf sieanwendbar ist, es sei denn, daß in denoben genannten oder in späteren Ver-einbarungen ausdrücklich etwas ande-res festgelegt wird, oder daß durch dieeine oder andere der am Konflikt betei-ligten Parteien vorteilhaftere Maßnah-men zu ihren Gunsten ergriffen werden.

Artikel 7 Die Verwundeten, Kranken und Schiff-

brüchigen sowie die Mitglieder desSanitäts- und Seelsorgepersonals kön-nen in keinem Falle, weder teilweisenoch vollständig, auf die Rechte verzich-ten, die ihnen das vorliegende Abkom-men und gegebenenfalls die im vorste-henden Artikel genannten Sonderverein-barungen verleihen.

Artikel 8 Das vorliegende Abkommen wird unter

der Mitwirkung und Aufsicht der Schutz-mächte angewendet, die mit der Wahr-nehmung der Interessen der am Konfliktbeteiligten Parteien betraut sind. Zu die-sem Zwecke können die Schutzmächteaußer ihren diplomatischen oder konsu-larischen Vertretern Delegierte unterihren eigenen Staatsangehörigen oderunter Staatsangehörigen anderer neu-traler Mächte ernennen. Diese Delegier-ten müssen von der Macht genehmigtwerden, bei der sie ihre Aufgabe durch-zuführen haben.

Die am Konflikt beteiligten Parteien er-leichtern die Aufgabe der Vertreter oderDelegierten der Schutzmächte in größt-möglichem Maße.

Die Vertreter oder Delegierten derSchutzmächte dürfen keinesfalls dieGrenzen ihrer Aufgabe, wie sie aus demvorliegenden Abkommen hervorgeht,

überschreiten; insbesondere haben siedie zwingenden Sicherheitsbedürfnissedes Staates, bei dem sie ihre Aufgabedurchführen, zu berücksichtigen. Nuraus zwingender militärischer Notwendig-keit kann ihre Tätigkeit ausnahmsweiseund zeitweilig eingeschränkt werden.

Artikel 9 Die Bestimmungen des vorliegenden

Abkommens bilden kein Hindernis fürdie humanitäre Tätigkeit, die das Inter-nationale Komitee vom Roten Kreuzoder irgendeine andere unparteiischehumanitäre Organisation mit Genehmi-gung der betreffenden am Konflikt betei-ligten Parteien ausübt, um die Verwun-deten, Kranken und Schiffbrüchigensowie die Mitglieder des Sanitäts- undSeelsorgepersonals zu schützen undihnen Hilfe zu bringen.

Artikel 10 Die Hohen Vertragsparteien können

jederzeit vereinbaren, die durch das vorliegende Abkommen den Schutz-mächten übertragenen Aufgaben einerOrganisation anzuvertrauen, die alleGarantien für Unparteilichkeit und Wirk-samkeit bietet.

Werden Verwundete, Kranke undSchiffbrüchige sowie Mitglieder desSanitäts- und Seelsorgepersonals ausirgendeinem Grunde nicht oder nichtmehr von einer Schutzmacht oder einergemäß Absatz 1 bezeichneten Organi-sation betreut, so ersucht der Gewahr-samsstaat einen neutralen Staat odereine solche Organisation, die Aufgabenzu übernehmen, die das vorliegendeAbkommen den durch die am Konfliktbeteiligten Parteien bezeichneten Schutz-mächten überträgt.

Kann der Schutz auf diese Weise nicht

49II. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 49

gewährleistet werden, so ersucht derGewahrsamsstaat entweder eine huma-nitäre Organisation, wie das Internatio-nale Komitee vom Roten Kreuz, diedurch das vorliegende Abkommen denSchutzmächten zufallenden humanitä-ren Aufgaben zu übernehmen, oder ernimmt unter Vorbehalt der Bestimmun-gen dieses Artikels die Dienste an, dieihm eine solche Organisation anbietet.

Jede neutrale Macht oder jede Orga-nisation, die von der betreffenden Machteingeladen wird oder sich zu diesemZweck zur Verfügung stellt, hat sich inihrer Tätigkeit ihrer Verantwortung ge-genüber der am Konflikt beteiligtenPartei, welcher die durch das vorliegen-de Abkommen geschützten Personenangehören, bewußt zu bleiben und aus-reichende Garantien dafür zu bieten,daß sie in der Lage ist, die betreffendenAufgaben zu übernehmen und mitUnparteilichkeit zu erfüllen.

Von den vorstehenden Bestimmungenkann nicht durch eine Sonderverein-barung zwischen Mächten abgewichenwerden, von denen die eine, wenn auchnur vorübergehend, gegenüber deranderen oder deren Verbündeten infolgemilitärischer Ereignisse und besondersinfolge einer Besetzung ihres gesamtenGebietes oder eines wichtigen Teilsdavon in ihrer Verhandlungsfreiheit be-schränkt ist.

Jedesmal wenn im vorliegenden Ab-kommen die Schutzmacht erwähnt wird,bezieht sich diese Erwähnung ebenfallsauf die Organisation, die sie im Sinnedieses Artikels ersetzen.

Artikel 11 In allen Fällen, in denen die Schutz-

mächte dies im Interesse der geschütz-ten Personen als angezeigt erachten,

insbesondere in Fällen von Meinungs-verschiedenheiten zwischen den amKonflikt beteiligten Parteien über dieAnwendung oder Auslegung der Be-stimmungen des vorliegenden Abkom-mens, leihen sie ihre guten Dienste zurBeilegung des Streitfalles.

Zu diesem Zwecke kann jede derSchutzmächte, entweder auf Einladungeiner Partei oder von sich aus, den amKonflikt beteiligten Parteien eine Zu-sammenkunft ihrer Vertreter und insbe-sondere der für das Schicksal der Ver-wundeten, Kranken und Schiffbrüchigensowie der Mitglieder des Sanitäts- undSeelsorgepersonals verantwortlichenBehörden vorschlagen, gegebenenfallsauf einem passend gewählten neutralenGebiet. Die am Konflikt beteiligtenParteien sind gehalten, den ihnen zu die-sem Zwecke gemachten VorschlägenFolge zu leisten. Die Schutzmächte kön-nen gegebenenfalls den am Konfliktbeteiligten Parteien eine einer neutralenMacht angehörende oder vom Inter-nationalen Komitee vom Roten Kreuzdelegierte Persönlichkeit zur Geneh-migung vorschlagen, die zu ersuchenwäre, an dieser Zusammenkunft teilzu-nehmen.

Kapitel IIVerwundete, Kranke und Schiffbrüchige

Artikel 12 Die Mitglieder der Streitkräfte und die

sonstigen im folgenden Artikel bezeich-neten Personen, die sich zur See befin-den und verwundet, krank oder schiff-brüchig sind, werden unter allenUmständen geschont und geschützt,wobei sich der Ausdruck „schiffbrüchig“auf jede Art von Schiffbruch bezieht,

50 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 50

gleichviel, unter welchen Umständen ersich ereignet, einschließlich der Not-wasserung oder des Absturzes vonFlugzeugen auf See.

Sie werden durch die am Konfliktbeteiligte Partei, in deren Händen siesich befinden, mit Menschlichkeit be-handelt und gepflegt, ohne jede aufGeschlecht, Rasse, Nationalität, Religi-on, politischer Meinung oder irgendei-nem anderen ähnlichen Unterschei-dungsmerkmal beruhende Benachteili-gung. Streng verboten ist es, ihr Lebenoder ihre Person anzugreifen, insbeson-dere sie umzubringen oder auszurotten,sie zu foltern, an ihnen biologischeVersuche vorzunehmen, sie vorsätzlichohne ärztliche Hilfe oder Pflege zu las-sen oder sie eigens dazu geschaffenenAnsteckungs- oder Infektionsgefahrenauszusetzen.

Nur dringliche medizinische Gründerechtfertigen eine Bevorzugung in derReihenfolge der Behandlung.

Frauen werden mit aller ihrem Ge-schlecht gebührenden Rücksicht be-handelt.

Artikel 13 Das vorliegende Abkommen findet auf

Schiffbrüchige, Verwundete und Krankezur See folgender Kategorien Anwen-dung: 1. Mitglieder von Streitkräften einer am

Konflikt beteiligten Partei sowie Mit-glieder von Milizen und Freiwilligen-korps, die in diese Streitkräfte einge-gliedert sind;

2. Mitglieder anderer Milizen und Frei-willigenkorps, einschließlich solcher von organisierten Widerstandsbe-wegungen, die zu einer am Konflikt beteiligten Partei gehören, und außerhalb oder innerhalb ihres eige-

nen Gebietes, auch wenn dasselbe besetzt ist, tätig sind, sofern diese Milizen oder Freiwilligenkorps, ein-schließlich der organisierten Wider-standsbewegungen a) eine für ihre Untergebenen ver-

antwortliche Person an ihrer Spitze haben;

b) ein bleibendes und von weitem erkennbares Unterscheidungs-zeichen führen;

c) die Waffen offen tragen;d) bei ihren Kampfhandlungen die

Gesetze und Gebräuche des Krieges einhalten;

3. Mitglieder regulärer Streitkräfte, die sich zu einer von der Gewahrsams-macht nicht anerkannten Regierung oder Autorität bekennen;

4. Personen, die den Streitkräften fol-gen, ohne in sie eingegliedert zu sein, wie zivile Besatzungsmitglieder von Militärflugzeugen, Kriegsbericht-erstatter, Heereslieferanten, Mitglie-der von Arbeitseinheiten oder von Diensten, die für die Betreuung der Militärpersonen verantwortlich sind, sofern dieselben von den Streitkräf-ten, die sie begleiten, zu ihrer Tätig-keit ermächtigt sind;

5. die Besatzungen der Handelsschiffe, einschließlich der Kapitäne, Lotsen und Schiffsjungen, sowie Besatzun-gen der Zivilluftfahrzeuge der am Konflikt beteiligten Parteien, die keine günstigere Behandlung auf Grund anderer Bestimmungen des internationalen Rechts genießen;

6. die Bevölkerung eines unbesetzten Gebietes, die beim Herannahen des Feindes aus eigenem Antrieb zu den Waffen greift, um die eindringenden Truppen zu bekämpfen, ohne zur Bildung regulärer Streitkräfte Zeit

51II. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 51

gehabt zu haben, sondern sie die Waffen offen trägt und die Gesetze und Gebräuche des Krieges einhält.

Artikel 14 Jedes Kriegsschiff einer kriegführen-

den Partei kann die Auslieferung derVerwundeten, Kranken oder Schiffbrü-chigen verlangen, die sich an Bord vonmilitärischen Lazarettschiffen, von Laza-rettschiffen der Hilfsgesellschaften oderprivater Personen sowie von Handels-schiffen, Jachten und anderen Wasser-fahrzeugen gleich welcher Nationalitätbefinden, sofern der Gesundheits-zustand der Verwundeten und Krankendies gestattet und das Kriegsschiff überdie für eine hinreichende Pflege nötigenEinrichtungen verfügt.

Artikel 15 Werden Verwundete, Kranke oder

Schiffbrüchige an Bord eines neutralenKriegsschiffes oder eines neutralenMilitärluftfahrzeuges genommen, so ist,wenn es das Völkerrecht erfordert, dafürzu sorgen, daß sie nicht mehr anKriegshandlungen teilnehmen können.

Artikel 16 Vorbehaltlich der Bestimmungen von

Artikel 12 werden Verwundete, Krankeund Schiffbrüchige eines Kriegführen-den, wenn sie in Feindeshand geraten,Kriegsgefangene, und die völkerrecht-lichen Regeln über Kriegsgefangene fin-den auf sie Anwendung. Es liegt imErmessen des Gefangennehmenden,sie je nach Umständen festzuhaltenoder sie nach einem Hafen seinesLandes, nach einem neutralen Hafenoder selbst nach einem Hafen desGegners zu schicken. Im letzteren Falledürfen die so in ihre Heimat zurückge-

kehrten Kriegsgefangenen während derDauer des Krieges keinen Militärdienstmehr leisten.

Artikel 17 Die mit Zustimmung der lokalen

Behörde in einem neutralen Hafen anLand gebrachten Verwundeten, Krankenund Schiffbrüchigen müssen in Erman-gelung einer gegenteiligen Verein-barung zwischen der neutralen Machtund den kriegführenden Mächten, wennes das Völkerrecht erfordert, von derneutralen Macht so bewacht werden,daß sie nicht mehr an Kriegshandlungenteilnehmen können.

Die Krankenhaus- und Internierungs-kosten gehen zu Lasten derjenigenMacht, von der die Verwundeten,Kranken und Schiffbrüchigen abhängen.

Artikel 18 Nach jedem Kampf treffen die am

Konflikt beteiligten Parteien unverzüglichalle zu Gebote stehenden Maßnahmen,um die Schiffbrüchigen, Verwundetenund Kranken zu suchen und zu bergen,sie vor Beraubung und Mißhandlung zuschützen und ihnen die notwendigePflege zu sichern sowie um die Ge-fallenen zu suchen und deren Ausplün-derung zu verhindern.

Wenn immer es die Umstände gestat-ten, treffen die am Konflikt beteiligtenParteien örtliche Abmachungen, um dieVerwundeten und Kranken aus einerbelagerten oder eingeschlossenen Zoneauf dem Seewege zu evakuieren sowiedie Beförderung von Sanitäts- undSeelsorgepersonal und Sanitätsmaterialnach dieser Zone zu ermöglichen.

52 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 52

Artikel 19 Die am Konflikt beteiligten Parteien

zeichnen möglichst bald sämtlicheAnhaltspunkte für die Identifizierung derihnen in die Hände gefallenen Schiff-brüchigen, Verwundeten, Kranken undGefallenen der Gegenpartei auf. DieseVerzeichnisse sollen, wenn möglich, fol-gendes enthalten: a) Angabe der Macht, von der sie ab-

hängen; b) militärische Einheit oder Matrikel-

nummer c) Familienname; d) den oder die Vornamen; e) Geburtsdatum; f) alle anderen auf der Ausweiskarte

oder der Erkennungsmarke enthalte-nen Angaben;

g) Ort und Datum der Gefangennahme oder des Todes;

h) Angaben über Verwundung, Krank-heit oder Todesursache.

Die oben erwähnten Angaben werdenso schnell wie möglich der in Artikel 122des Genfer Abkommens vom 12. Au-gust 1949 über die Behandlung derKriegsgefangenen vorgesehenen Aus-kunftsstelle übermittelt, die sie ihrerseitsdurch Vermittlung der Schutzmacht undder Zentralstelle für Kriegsgefangene andie Macht weiterleitet, von der diesePersonen abhängen.

Die am Konflikt beteiligten Parteien fer-tigen Todesurkunden oder ordnungsge-mäß beglaubigte Gefallenenlisten ausund lassen diese auf dem im vorstehen-den Absatz genannten Weg einanderzukommen. Sie sammeln auch dieHälften der doppelten Erkennungsmar-ken oder, wenn diese einfach sind, dieganzen, die Testamente und andere fürdie Familien der Gefallenen wichtigeSchriftstücke sowie Geldbeträge und all-

gemein alle bei den Gefallenen gefunde-nen Gegenstände von materiellem oderideellem Wert und lassen diese durchVermittlung derselben Stelle einanderzukommen. Diese sowie die nicht identi-fizierten Gegenstände werden in versie-gelten Paketen versandt, begleitet voneiner Erklärung, die alle zur Identifizie-rung des verstorbenen Besitzers not-wendigen Einzelheiten enthält, sowievon einem vollständigen Verzeichnis desPaketinhaltes.

Artikel 20 Die am Konflikt beteiligten Parteien

sorgen dafür, daß der Versenkung derGefallenen, die, soweit es die Umständeirgendwie gestatten, einzeln vorgenom-men wird, eine sorgfältige und, wennmöglich, ärztliche Leichenschau voran-geht, die den Tod feststellt, die Identitätklärt und Auskunft darüber ermöglicht.Wurde eine doppelte Erkennungsmarkegetragen, so bleibt eine ihrer Hälften ander Leiche.

Werden Gefallene an Land gebracht,so finden die Bestimmungen des GenferAbkommens vom 12. August 1949 zurVerbesserung des Loses der Verwun-deten und Kranken der Streitkräfte imFelde auf sie Anwendung.

Artikel 21 Die am Konflikt beteiligten Parteien

können sich an die Hilfsbereitschaft derKapitäne neutraler Handelsschiffe, Jach-ten oder anderer Wasserfahrzeuge wen-den, damit sie Verwundete, Kranke oderSchiffbrüchige an Bord nehmen undpflegen und Gefallene bergen.

Die Wasserfahrzeuge jeder Art, welchediesem Aufruf Folge leisten, sowie dieje-nigen, die unaufgefordert Verwundete,Kranke oder Schiffbrüchige aufnehmen,

53II. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 53

genießen einen besonderen Schutzsowie Erleichterungen für die Ausübungihrer Hilfstätigkeit.

Sie dürfen auf keinen Fall wegen einessolchen Transportes aufgebracht wer-den; sofern ihnen aber keine gegenteili-gen Zusicherungen gemacht wurden,bleiben sie für etwa begangene Neutra-litätsverletzungen der Aufbringung aus-gesetzt.

Kapitel IIILazarettschiffe

Artikel 22 Die militärischen Lazarettschiffe, d. h.

die Schiffe, die von den Mächten einzigund allein dazu erbaut und eingerichtetworden sind, um Verwundeten, Krankenund Schiffbrüchigen Hilfe zu bringen, siezu pflegen und zu befördern, dürfenunter keinen Umständen angegriffenoder aufgebracht werden, sondern wer-den jederzeit geschont und geschützt,sofern ihre Namen und ihre Merkmalezehn Tage vor ihrem Einsatz den amKonflikt beteiligten Parteien mitgeteiltwurden.

Zu den besonderen Merkmalen, die inder Notifikation enthalten sein müssen,gehören die Anzahl der Bruttoregister-tonnen, die Länge vom Heck zum Bugsowie die Anzahl der Masten undSchornsteine.

Artikel 23 An der Küste gelegene Einrichtungen,

die Anrecht auf den Schutz des GenferAbkommens vom 12. August 1949 zurVerbesserung des Loses der Verwunde-ten und Kranken der Streitkräfte imFelde haben, dürfen nicht von See ausangegriffen oder beschossen werden.

Artikel 24 Die von nationalen Gesellschaften des

Roten Kreuzes, von amtlich anerkanntenHilfsgesellschaften oder von Privat-personen eingesetzten Lazarettschiffegenießen den gleichen Schutz wie diemilitärischen Lazarettschiffe und dürfennicht aufgebracht werden, wenn die amKonflikt beteiligte Partei, von der sieabhängen, ihnen einen amtlichen Auf-trag gegeben hat und sofern dieBestimmungen von Artikel 22 über dieNotifizierung eingehalten werden.

Diese Schiffe müssen eine Bescheini-gung der zuständigen Behörde darüberbei sich führen, daß sie während derAusrüstung und beim Auslaufen ihrerAufsicht unterstellt waren.

Artikel 25 Die von nationalen Gesellschaften des

Roten Kreuzes, von amtlich anerkanntenHilfsgesellschaften oder von Privatper-sonen neutraler Länder eingesetztenLazarettschiffe genießen den gleichenSchutz wie die militärischen Lazarett-schiffe und dürfen nicht aufgebrachtwerden, sofern sie sich mit vorherigerEinwilligung ihrer eigenen Regierung undmit Ermächtigung einer am Konfliktbeteiligten Partei der Aufsicht dieserPartei unterstellt haben und sofern dieBestimmungen von Artikel 22 über dieNotifizierung eingehalten werden.

Artikel 26 Der in den Artikeln 22, 24 und 25 vor-

gesehene Schutz erstreckt sich auf dieLazarettschiffe aller Tonnagen und aufihre Rettungsboote, wo immer sie einge-setzt sind. Um jedoch die größtmöglicheAnnehmlichkeit und Sicherheit zu ge-währleisten, werden sich die am Konfliktbeteiligten Parteien bemühen, für die

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Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 54

Beförderung von Verwundeten, Krankenund Schiffbrüchigen auf weite Entfer-nungen und auf hoher See nur Lazarett-schiffe von mehr als 2000 Bruttotonneneinzusetzen.

Artikel 27 Unter den gleichen Voraussetzungen,

wie sie in den Artikeln 22 und 24 vorge-sehen sind, werden auch die von einemStaat oder von amtlich anerkanntenHilfsgesellschaften eingesetzten Küsten-rettungsboote, soweit es die Erforder-nisse der Kampfhandlungen gestatten,geschont und geschützt.

Dasselbe gilt soweit wie möglich auchfür die ortsfesten Küsteneinrichtungen,die ausschließlich von diesen Booten für ihre humanitäre Tätigkeit benutztwerden.

Artikel 28 Findet an Bord von Kriegsschiffen ein

Kampf statt, so werden die Lazarettenach Möglichkeit geschont und unbe-helligt gelassen. Diese Schiffslazaretteund ihre Ausrüstung bleiben den Kriegs-gesetzen unterworfen, dürfen aber ihrerBestimmung nicht entzogen werden,solange sie für die Verwundeten undKranken notwendig sind. Gleichwohlkann der Befehlshaber, der sie in seinerGewalt hat, im Falle dringender militäri-scher Notwendigkeit darüber verfügen,wenn er zuvor die Betreuung der daringepflegten Verwundeten und Krankensichergestellt hat.

Artikel 29 Jedes Lazarettschiff, das in einem

Hafen liegt, der dem Feind in die Händefällt, ist berechtigt, auszulaufen.

Artikel 30 Die in den Artikeln 22, 24, 25 und 27

bezeichneten Schiffe und Boote gewäh-ren den Verwundeten, Kranken undSchiffbrüchigen ohne Unterschied derNationalität Hilfe und Beistand.

Die Hohen Vertragsparteien verpflich-ten sich, diese Schiffe und Boote zu keinerlei militärischen Zwecken zu ver-wenden.

Diese Schiffe und Boote dürfen in keiner Weise die Bewegungen derKämpfenden behindern.

Während und nach Beendigung desKampfes handeln sie auf eigene Gefahr.

Artikel 31 Die am Konflikt beteiligten Parteien

haben auf den in den Artikeln 22, 24, 25und 27 bezeichneten Schiffen undBooten das Kontroll- und Durch-suchungsrecht. Sie können die Hilfe die-ser Schiffe und Boote ablehnen, ihnenbefehlen, sich zu entfernen, ihnen einenbestimmten Kurs vorschreiben, dieVerwendung ihrer Funk- und aller ande-ren Nachrichtengeräte regeln und sie beiVorliegen besonders schwerwiegenderUmstände sogar für eine Höchstdauervon 7 Tagen, vom Zeitpunkt des Anhal-tens an gerechnet, zurückhalten.

Sie können vorübergehend einenKommissar an Bord geben, dessen aus-schließliche Aufgabe darin besteht, dieAusführung der gemäß den Bestimmun-gen des vorstehenden Absatzes erteil-ten Befehle sicherzustellen.

Die am Konflikt beteiligten Parteien tra-gen soweit wie möglich ihre den La-zarettschiffen erteilten Befehle in einerfür den Kapitän des Lazarettschiffes ver-ständlichen Sprache in deren Logbuchein.

55II. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 55

Die am Konflikt beteiligten Parteienkönnen einseitig oder auf Grund einerSondervereinbarung neutrale Beobach-ter an Bord ihrer Lazarettschiffe geben,die die genaue Einhaltung der Bestim-mungen dieses Abkommens nachzu-prüfen haben.

Artikel 32 Die in den Artikeln 22, 24, 25 und 27

bezeichneten Schiffe und Boote werdenbei einem Aufenthalt in neutralen Häfennicht als Kriegsschiffe behandelt.

Artikel 33 In Lazarettschiffe umgewandelte Han-

delsschiffe dürfen während der ganzenDauer der Feindseligkeiten keiner ande-ren Bestimmung zugeführt werden.

Artikel 34 Der den Lazarettschiffen und Schiffs-

lazaretten gebührende Schutz darf nuraufhören, wenn diese außerhalb ihrerhumanitären Aufgaben zu Handlungenverwendet werden, die den Feind schä-digen. Jedoch hört der Schutz erst auf,nachdem eine Warnung, die in allengeeigneten Fällen eine angemesseneFrist setzt, unbeachtet geblieben ist.

Insbesondere dürfen Lazarettschiffe fürihre Sendungen mit Funk- oder anderenNachrichtengeräten keinen Geheimkodebesitzen oder verwenden.

Artikel 35 Nicht als geeignet, um Lazarettschiffe

oder Schiffslazarette des ihnen gebüh-renden Schutzes zu berauben, gelten 1. die Tatsache, daß das Personal die-

ser Schiffe oder Lazarette bewaffnet ist und von den Waffen zur Aufrecht-erhaltung der Ordnung, zu seiner eigenen Verteidigung oder zur Ver-

teidigung seiner Verwundeten und Kranken Gebrauch macht;

2. die Tatsache, daß sich an Bord Geräte befinden, die ausschließlich für die Sicherung der Navigation oder der Nachrichtenübermittlung bestimmt sind;

3. die Tatsache, daß an Bord von Lazarettschiffen oder in Schiffsla-zaretten Handwaffen und Munition vorgefunden werden, die den Ver-wundeten, Kranken und Schiffbrü-chigen abgenommen, aber der zuständigen Dienststelle noch nicht abgeliefert worden sind;

4. die Tatsache, daß sich die humanitä-re Tätigkeit der Lazarettschiffe und der Schiffslazarette oder ihres Per-sonals auf verwundete, kranke oder schiffbrüchige Zivilpersonen erstreckt;

5. die Tatsache, daß Lazarettschiffe ausschließlich für sanitätsdienstliche Zwecke bestimmtes Material und Personal in größerem Ausmaß be-fördern, als für sie üblicherweise erforderlich ist.

Kapitel IVDas Personal

Artikel 36 Das geistliche, ärztliche und Lazarett-

personal von Lazarettschiffen sowiederen Besatzung werden geschont undgeschützt; sie dürfen während der Zeitihres Dienstes auf diesen Schiffen nichtgefangengenommen werden, gleichviel,ob Verwundete und Kranke an Bord sindoder nicht.

Artikel 37 Fällt das geistliche, ärztliche und

Lazarettpersonal, dem die ärztliche oderseelische Betreuung der in den Artikeln

56 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 56

12 und 13 bezeichneten Personenobliegt, in Feindeshand, so wird esgeschont und geschützt; es kann seineTätigkeit fortsetzen, solange die Pflegeder Verwundeten und Kranken dieserfordert. Es muß danach zurückge-sandt werden, sobald der Oberbefehls-haber, in dessen Gewalt es sich befin-det, dies für möglich erachtet. BeimVerlassen des Schiffes kann es sein per-sönliches Eigentum mit sich nehmen.

Erweist es sich jedoch infolge dergesundheitlichen oder seelischen Be-dürfnisse der Kriegsgefangenen als not-wendig, einen Teil dieses Personalszurückzuhalten, so werden alle Maßnah-men getroffen, um es möglichst bald anLand zu setzen.

Bei seiner Landung wird das zurückge-haltene Personal den Bestimmungendes Genfer Abkommens vom 12. Au-gust 1949 zur Verbesserung des Losesder Verwundeten und Kranken derStreitkräfte im Feld unterstellt.

Kapitel VSanitätstransporte

Artikel 38 Die zu dem nachstehend genannten

Zweck gecharterten Schiffe sind berech-tigt, ausschließlich für die Pflege derVerwundeten und Kranken der Streit-kräfte oder für die Verhütung von Krank-heiten bestimmtes Material zu beför-dern, sofern Einzelheiten ihrer Fahrt derfeindlichen Macht mitgeteilt und von ihrgenehmigt werden. Die feindliche Machthat das Recht, sie anzuhalten, abernicht, sie aufzubringen oder das mitge-führte Material zu beschlagnahmen.

Auf Grund einer Vereinbarung zwi-schen den am Konflikt beteiligten Par-teien können neutrale Beobachter zur

Kontrolle des mitgeführten Materials anBord gebracht werden. Zu diesemZweck muß dieses Material leichtzugänglich sein.

Artikel 39 Sanitätsluftfahrzeuge, d. h. ausschließ-

lich für die Wegschaffung von Verwun-deten, Kranken und Schiffbrüchigen undfür die Beförderung von Sanitätsper-sonal und -material verwendete Luft-fahrzeuge, werden von den am Konfliktbeteiligten Parteien nicht angegriffen,sondern geschont, solange sie inHöhen, zu Stunden und auf Streckenfliegen, die von allen in Betracht kom-menden am Konflikt beteiligten Parteienausdrücklich vereinbart sind.

Sie tragen neben den Landesfarbendeutlich sichtbar das in Artikel 41 vorge-sehene Schutzzeichen auf den unteren,oberen und seitlichen Flächen. Sie wer-den mit allen sonstigen zwischen denam Konflikt beteiligten Parteien beiBeginn oder im Verlauf der Feindselig-keiten durch Vereinbarung festgelegtenKennzeichen oder Erkennungsmittelnausgestattet.

In Ermangelung gegenteiliger Verein-barungen ist das Überfliegen feindlichenoder vor Feinde besetzten Gebietesuntersagt.

Die Sanitätsluftfahrzeuge leisten jedemBefehl zum Landen oder Wassern Folge.Im Falle einer so befohlenen Landungoder Wasserung kann das Luftfahrzeugmit seinen Insassen nach einer etwaigenUntersuchung den Flug fortsetzen.

Im Falle einer unbeabsichtigten Lan-dung oder Wasserung auf feindlichemoder vom Feinde besetztem Gebiet wer-den die Verwundeten, Kranken undSchiffbrüchigen sowie die Besatzungdes Luftfahrzeuges Kriegsgefangene.

57II. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 57

Das Sanitätspersonal wird gemäß Artikel36 und 37 behandelt.

Artikel 40 Sanitätsluftfahrzeuge der am Konflikt

beteiligten Parteien können unter Vor-behalt von Absatz 2 das Gebiet neutra-ler Mächte überfliegen und dort eineNot- oder Zwischenlandung oder -was-serung vornehmen. Sie notifizieren vor-her den neutralen Mächten das Überflie-gen ihres Gebietes und leisten jedemBefehl zum Landen oder Wassern Folge.Bei ihrem Flug sind sie vor Angriffen nurgeschützt, solange sie in Höhen, zuStunden und auf Strecken fliegen, diezwischen den betreffenden am Konfliktbeteiligten Parteien und neutralen Mäch-ten ausdrücklich vereinbart sind.

Die neutralen Mächte können jedochfür das Überfliegen ihres Gebietes durchSanitätsluftfahrzeuge oder für derenLandung auf ihrem Gebiete Bedingun-gen oder Beschränkungen festsetzen.Diese finden auf alle am Konflikt beteilig-ten Parteien in gleicher Weise Anwen-dung.

Die mit Zustimmung der lokalenBehörde von einem Sanitätsluftfahrzeugauf neutralem Gebiet abgesetztenVerwundeten Kranken und Schiffbrü-chigen müssen von dem neutralen Staatin Ermangelung einer gegenteiligenVereinbarung zwischen ihm und den amKonflikt beteiligten Parteien, wenn esdas Völkerrecht erfordert, so bewachtwerden, daß sie nicht mehr anKriegshandlungen teilnehmen können.Die Krankenhaus- und Internierungs-kosten gehen zu Lasten derjenigenMacht, von der die VerwundetenKranken oder Schiffbrüchigen abhän-gen.

Kapitel VIDas Schutzzeichen

Artikel 41 Unter der Aufsicht der zuständigen

Militärbehörde wird das Wahrzeichendes roten Kreuzes auf weißem Grundauf Fahnen, Armbinden und dem ge-samten für den Sanitätsdienst verwen-deten Material geführt.

Jedoch sind für die Länder, die anStelle des roten Kreuzes den rotenHalbmond oder den roten Löwen mitroter Sonne auf weißem Grund bereitsals Schutzzeichen verwenden, dieseWahrzeichen im Sinne des vorliegendenAbkommens ebenfalls zugelassen.

Artikel 42 Das in den Artikeln 36 und 37 bezeich-

nete Personal trägt eine am linken Armbefestigte, feuchtigkeitsbeständige undmit dem Schutzzeichen verseheneBinde, die von der Militärbehörde gelie-fert und abgestempelt wird.

Dieses Personal trägt außer der inArtikel 19 erwähnten Erkennungsmarkeeine besondere, mit dem Schutzzeichenversehene Ausweiskarte bei sich. DieseKarte ist feuchtigkeitsbeständig und hatTaschenformat. Sie ist in der Landes-sprache abgefaßt und enthält minde-stens den Namen, und die Vornamen,Geburtsdatum, Dienstgrad und Matrikel-nummer des Inhabers. Sie bescheinigt,in welcher Eigenschaft er Anspruch aufden Schutz des vorliegenden Abkom-mens hat. Die Karte ist mit einemLichtbild des Inhabers und außerdemmit seiner Unterschrift oder seinenFingerabdrücken oder mit beidem ver-sehen. Sie trägt den Trockenstempel derMilitärbehörde.

58 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

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Die Ausweiskarten sind innerhalb derStreitkräfte einer Macht einheitlich undbei den Streitkräften der Hohen Ver-tragsparteien soweit wie möglich gleich-artig. Die am Konflikt beteiligten Parteienkönnen sich an das dem vorliegendenAbkommen als Beispiel beigefügteMuster halten. Bei Beginn der Feind-seligkeiten geben sie das von ihnen ver-wendete Muster einander bekannt. JedeAusweiskarte wird, wenn möglich, inmindestens zwei Exemplaren ausgefer-tigt, wovon eines vom Heimatstaat auf-bewahrt wird.

In keinem Fall dürfen dem obenerwähnten Personal die Abzeichen oderdie Ausweiskarte abgenommen oderdas Recht zum Tragen der Armbindeentzogen werden. Bei Verlust hat esAnspruch auf ein Doppel der Karte undauf Ersatz der Abzeichen.

Artikel 43 Die in den Artikeln 22, 24, 25 und 27

bezeichneten Schiffe und Boote werdenauf folgende Weise gekennzeichnet: a) Alle ihre äußeren Flächen sind weiß; b) ein oder mehrere möglichst große

dunkelrote Kreuze werden auf bei-den Seiten des Rumpfes sowie auf den waagerechten Flächen so auf-gemalt, daß sie die beste Sicht von See und aus der Luft gewährleisten.

Alle Lazarettschiffe machen sich kennt-lich, indem sie ihre Landesflagge und,wenn sie einem neutralen Staat angehö-ren, die Flagge der am Konflikt beteilig-ten Partei hissen, deren Aufsicht sie sichunterstellt haben. Eine weiße Flagge mitrotem Kreuz wird am Großmast so hochwie möglich gesetzt.

Die Rettungsboote der Lazarettschiffe,die Küstenrettungsboote und alle vomSanitätsdienst verwendeten kleinen

Wasserfahrzeuge werden weiß mit gutsichtbaren dunkelroten Kreuzen bemalt;ganz allgemein gilt für sie die oben fürLazarettschiffe vorgesehene Art derKennzeichnung.

Die oben erwähnten Schiffe und ande-ren Wasserfahrzeuge, die sich bei Nachtund bei beschränkter Sicht den ihnenzustehenden Schutz sichern wollen,treffen im Einvernehmen mit der amKonflikt beteiligten Partei, in derenGewalt sie sich befinden, die nötigenMaßnahmen, um ihre Bemalung undihre Schutzzeichen hinreichend sichtbarzu machen.

Lazarettschiffe, die auf Grund vonArtikel 31 vorübergehend vom Feindzurückgehalten werden, ziehen dieFlagge der am Konflikt beteiligten Partei,in deren Dienst sie stehen oder derenAufsicht sie sich unterstellt haben, ein.

Unter Vorbehalt der vorherigen Notifi-kation an alle in Betracht kommendenam Konflikt beteiligten Parteien könnendie Küstenrettungsboote, die mit Zu-stimmung der Besatzungsmacht ihreTätigkeit von einem besetzten Stütz-punkt aus fortsetzen, ermächtigt wer-den, neben der Rotkreuzflagge weiterhinihre Landesflagge zu hissen, solange sievon ihrem Stützpunkt entfernt sind.

Alle Bestimmungen dieses Artikelsüber das Wahrzeichen des rotenKreuzes gelten auch für die anderen inArtikel 41 erwähnten Wahrzeichen.

Die am Konflikt beteiligten Parteienwerden sich jederzeit bemühen, Verein-barungen hinsichtlich der Verwendungder modernsten ihnen zur Verfügungstehenden Methoden zu treffen, um dieKennzeichnung der in diesem Artikelerwähnten Schiffe und anderen Wasser-fahrzeuge zu erleichtern.

59II. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 59

Artikel 44 Die in Artikel 43 vorgesehenen Schutz-

zeichen dürfen sowohl in Friedens- wiein Kriegszeiten nur zur Bezeichnungoder zum Schutz der dort erwähntenSchiffe verwendet werden, unter Vorbe-halt der Fälle, die in einem anderen inter-nationalen Abkommen oder durch Ver-einbarung zwischen allen in Betrachtkommenden am Konflikt beteiligtenParteien vorgesehen werden.

Artikel 45 Die Hohen Vertragsparteien, deren

Rechtsvorschriften zur Zeit nicht ausrei-chend sein sollten, treffen die erforder-lichen Maßnahmen, um jeden Miß-brauch der in Artikel 43 vorgesehenenSchutzzeichen jederzeit zu verhindernund zu ahnden.

Kapitel VIIDurchführung des

Abkommens

Artikel 46 Jede am Konflikt beteiligte Partei hat

durch ihre Oberbefehlshaber im einzel-nen für die Durchführung der vorstehen-den Artikel zu sorgen und gemäß denallgemeinen Grundsätzen des vorliegen-den Abkommens nicht vorgeseheneFälle zu regeln.

Artikel 47 Vergeltungsmaßnahmen gegen Ver-

wundete, Kranke, Schiffbrüchige, Per-sonal, Schiffe oder Material, die unterdem Schutz des Abkommens stehen,sind untersagt.

Artikel 48 Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, in Friedens- und Kriegszeiten

den Wortlaut des vorliegenden Abkom-mens in ihren Ländern im weitestmög-lichen Ausmaß zu verbreiten und insbe-sondere sein Studium in die militäri-schen und, wenn möglich, zivilen Aus-bildungsprogramme aufzunehmen, sodaß die Gesamtheit der Bevölkerung,insbesondere die bewaffneten Streit-kräfte, das Sanitätspersonal und dieFeldgeistlichen, seine Grundsätze ken-nen lernen kann.

Artikel 49 Die Hohen Vertragsparteien stellen

sich gegenseitig durch Vermittlung desSchweizerischen Bundesrates und wäh-rend der Feindseligkeiten durch Vermitt-lung der Schutzmächte die amtlichenÜbersetzungen des vorliegenden Ab-kommens sowie die Gesetze undVerordnungen zu, die sie gegebenenfallszur Gewährleistung seiner Anwendungerlassen.

Kapitel VIIIAhndung von Mißbräuchen

und Übertretungen

Artikel 50 Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, alle notwendigen gesetzgeberi-schen Maßnahmen zur Festsetzung vonangemessenen Strafbestimmungen fürsolche Personen zu treffen, die irgend-wie der im folgenden Artikel umschrie-benen schweren Verletzungen des vor-liegenden Abkommens begehen oderzu einer solchen Verletzung den Befehlerteilen.

Jede Vertragspartei ist zur Ermittlungder Personen verpflichtet, die der Be-gehung oder der Erteilung eines Befehlszur Begehung einer dieser schwerenVerletzungen beschuldigt sind; sie stellt

60 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 60

sie ungeachtet ihrer Nationalität vor ihreeigenen Gerichte. Wenn sie es vorzieht,kann sie sie auch gemäß den in ihremeigenen Recht vorgesehenen Bedingun-gen einer anderen an der gerichtlichenVerfolgung interessierten Vertragsparteizur Aburteilung übergeben, sofern diesegegen die erwähnten Personen ein aus-reichendes Belastungsmaterial vor-bringt.

Jede Vertragspartei ergreift die not-wendigen Maßnahmen, um auch dieje-nigen Zuwiderhandlungen gegen dieBestimmungen des vorliegenden Ab-kommens zu unterbinden, die nicht zuden im folgenden Artikel umschriebenenschweren Verletzungen zählen.

Unter allen Umständen genießen dieAngeklagten nicht geringere Sicherhei-ten in bezug auf Gerichtsverfahren undfreie Verteidigung, als in Artikel 105 undden folgenden Artikeln des GenferAbkommens vom 12. August 1949 überdie Behandlung der Kriegsgefangenenvorgesehen sind.

Artikel 51 Als schwere Verletzung im Sinne des

vorstehenden Artikels gilt jede der fol-genden Handlungen, sofern sie gegendurch das Abkommen geschütztePersonen oder Güter begangen wird;vorsätzliche Tötung, Folterung oderunmenschliche Behandlung einschließ-lich biologischer Versuche, vorsätzlicheVerursachung großer Leiden oderschwere Beeinträchtigung der körper-lichen Unversehrtheit oder der Gesund-heit sowie Zerstörung und Aneignungvon Eigentum, die durch militärischeErfordernisse nicht gerechtfertigt sindund in großem Ausmaß rechtswidrig undwillkürlich vorgenommen werden.

Artikel 52 Eine Hohe Vertragspartei kann weder

sich selbst noch eine andere Vertrags-partei von den Verantwortlichkeitenbefreien, die ihr selbst oder einer ande-ren Vertragspartei auf Grund vonVerletzungen im Sinne des vorstehen-den Artikels zufallen.

Artikel 53 Auf Begehren einer am Konflikt betei-

ligten Partei wird gemäß einem zwischenden beteiligten Parteien festzusetzendenVerfahren über jede behaupteteVerletzung des Abkommens eineUntersuchung eingeleitet.

Kann über das Untersuchungsverfah-ren keine Übereinstimmung erzielt wer-den, so kommen die Parteien überein,einen Schiedsrichter zu wählen, derüber das zu befolgende Verfahren ent-scheidet.

Sobald die Verletzung festgestellt ist,setzen ihr die am Konflikt beteiligtenParteien ein Ende und ahnden sie soschnell wie möglich.

Schlußbestimmungen

Artikel 54 Das vorliegende Abkommen ist in fran-

zösischer und englischer Sprache abge-faßt. Beide Texte sind gleicherweisemaßgeblich.

Der Schweizerische Bundesrat läßtamtliche Übersetzungen des Abkom-mens in die russische und die spanischeSprache herstellen.

Artikel 55 Das vorliegende Abkommen, welches

das Datum des heutigen Tages trägt,kann bis zum 12. Februar 1950 imNamen der Mächte unterzeichnet wer-

61II. Genfer Abkommen

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den, die auf der am 21. April 1949 inGenf eröffneten Konferenz vertretenwaren, sowie im Namen der Mächte, dieauf dieser Konferenz nicht vertreten wa-ren, aber Vertragsparteien des X. Haa-ger Abkommens vom 18. Oktober 1907betreffend die Anwendung der Grund-sätze des Genfer Abkommens von 1906auf den Seekrieg oder der GenferAbkommen von 1864, 1906 oder 1929zur Verbesserung des Loses derVerwundeten und Kranken der Heere imFelde sind.

Artikel 56 Das vorliegende Abkommen soll so

bald wie möglich ratifiziert werden; dieRatifikationsurkunden werden in Bernhinterlegt.

Über die Hinterlegung jeder Ratifi-kationsurkunde wird ein Protokoll aufge-nommen; von diesem wird eine beglau-bigte Abschrift durch den Schweizeri-schen Bundesrat allen Mächten über-sandt, in deren Namen das Abkommenunterzeichnet oder der Beitritt erklärtworden ist.

Artikel 57 Das vorliegende Abkommen tritt sechs

Monate nach Hinterlegung von minde-stens zwei Ratifikationsurkunden inKraft.

Späterhin tritt es für jede HoheVertragspartei sechs Monate nachHinterlegung ihrer Ratifikationsurkundein Kraft.

Artikel 58 Das vorliegende Abkommen ersetzt in

den Beziehungen zwischen den HohenVertragsparteien das X. Haager Ab-kommen vom 18. Oktober 1907 betref-fend die Anwendung der Grundsätze

des Genfer Abkommens von 1906 aufden Seekrieg.

Artikel 59 Vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an

steht das vorliegende Abkommen jederMacht zum Beitritt offen, in deren Na-men es nicht unterzeichnet worden ist.

Artikel 60 Der Beitritt wird dem Schweizerischen

Bundesrat schriftlich notifiziert und wirdsechs Monate nach dem Zeitpunkt, andem diesem die Notifizierung zugegan-gen ist, wirksam.

Der Schweizerische Bundesrat bringtdie Beitritte allen Mächten zur Kenntnis,in deren Namen das Abkommen unter-zeichnet oder der Beitritt notifiziert wor-den ist.

Artikel 61 Der Eintritt der in Artikel 2 und 3 vorge-

sehenen Lage verleiht den vor oder nachBeginn der Feindseligkeiten oder derBesetzung hinterlegten Ratifikationsur-kunden und notifizierten Beitritten vonam Konflikt beteiligten Parteien sofortigeWirkung. Der Schweizerische Bundesratgibt die eingegangenen Ratifikationenoder Beitrittserklärungen von Parteien,die am Konflikt beteiligt sind, auf demschnellsten Wege bekannt.

Artikel 62 Jeder Hohen Vertragspartei steht es

frei, das vorliegende Abkommen zu kün-digen.

Die Kündigung wird dem Schweizeri-schen Bundesrat schriftlich notifiziert.Dieser bringt sie den Regierungen allerHohen Vertragsparteien zur Kenntnis.

Die Kündigung wird ein Jahr nach ihrerNotifizierung an den Schweizerischen

62 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 62

Bundesrat wirksam. Jedoch bleibt eineKündigung, die notifiziert wird, währenddie kündigende Macht in einen Konfliktverwickelt ist, unwirksam, solange nichtFriede geschlossen ist, und auf alleFälle, solange die mit der Freilassungund Heimschaffung der durch das vor-liegende Abkommen geschützten Per-sonen im Zusammenhang stehendenHandlungen nicht abgeschlossen sind.

Die Kündigung gilt nur in bezug auf diekündigende Macht. Sie hat keinerleiWirkung auf die Verpflichtungen, welchedie am Konflikt beteiligten Parteiengemäß den Grundsätzen des Völker-rechts zu erfüllen gehalten sind, wie siesich aus den unter zivilisierten Völkernfeststehenden Gebräuchen, aus denGesetzen der Menschlichkeit und ausden Forderungen des öffentlichenGewissens ergeben.

Artikel 63 Der Schweizerische Bundesrat läßt

das vorliegende Abkommen beimSekretariat der Vereinten Nationen ein-tragen. Er setzt das Sekretariat derVereinten Nationen ebenfalls von allenRatifikationen, Beitritten und Kündigun-gen in Kenntnis, die er in bezug auf dasvorliegende Abkommen erhält.

ZU URKUND DESSEN haben die Unter-zeichneten nach Hinterlegung ihrer ent-sprechenden Vollmacht das vorliegendeAbkommen unterschrieben.

GESCHEHEN zu Genf am 12. August1949 in französischer und englischerSprache. Das Original wird im Archiv derSchweizerischen Eidgenossenschafthinterlegt. Der Schweizerische Bundes-rat übermittelt jedem unterzeichnendenund beitretenden Staat eine beglaubigteAusfertigung des vorliegenden Abkom-mens.

63II. Genfer Abkommen

ANHANGAusweiskarte für die Mitglieder desSanitäts- und Seelsorgepersonals

der Streitkräfte zur See

Vorderseite

Rückseite

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Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle64

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 64

Die unterzeichneten Bevollmächtigtender Regierungen, die auf der vom 21.April bis 12. August 1949 in Genf ver-sammelten diplomatischen Konferenzzur Revision des Genfer Abkommensvom 27. Juli 1929 über die Behandlungder Kriegsgefangenen vertreten waren,haben folgendes vereinbart:

Teil IAllgemeine

Bestimmungen

Artikel 1 Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, das vorliegende Abkommenunter allen Umständen einzuhalten undseine Einhaltung durchzusetzen.

Artikel 2 Außer den Bestimmungen, die bereits

in Friedenszeiten durchzuführen sind,findet das vorliegende Abkommen An-wendung in allen Fällen eines erklärtenKrieges oder eines anderen bewaffnetenKonflikts, der zwischen zwei oder meh-reren der Hohen Vertragsparteien ent-steht, auch wenn der Kriegszustand voneiner dieser Parteien nicht anerkanntwird.

Das Abkommen findet auch in allenFällen vollständiger oder teilweiser Be-setzung des Gebietes einer HohenVertragspartei Anwendung, selbst wenndiese Besetzung auf keinen bewaffnetenWiderstand stößt.

Ist eine der am Konflikt beteiligtenMächte nicht Vertragspartei des vorlie-genden Abkommens, so bleiben dieVertragsparteien in ihren gegenseitigenBeziehungen gleichwohl durch dasAbkommen gebunden. Sie sind fernerdurch das Abkommen auch gegenüberdieser Macht gebunden, wenn diesedessen Bestimmungen annimmt undanwendet.

Artikel 3 Im Falle eines bewaffneten Konflikts,

der keinen internationalen Charakter hatund auf dem Gebiet einer der HohenVertragsparteien entsteht, ist jede deram Konflikt beteiligten Parteien gehal-ten, mindestens die folgenden Bestim-mungen anzuwenden: 1. Personen, die nicht unmittelbar an

den Feindseligkeiten teilnehmen, ein-schließlich der Mitglieder der Streit-kräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangen-

65

Genfer Abkommen vom 12. August 1949über die Behandlung derKriegsgefangenen [III. Genfer Abkommen von 1949]1

1 BGBl. 1954 II S. 838. – Am 21. Oktober 1950 – für die Bundesrepublik Deutschland am 3. März 1955 – in Kraft getreten.

III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 65

nahme oder irgendeine andere Ur-sache außer Kampf gesetzt sind, werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt, ohne jede auf Rasse, Farbe, Religion oder Glauben, Geschlecht, Geburt oder Vermögen oder auf irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungs-merkmal beruhende Benachteiligung.Zu diesem Zwecke sind und bleiben in bezug auf die oben erwähnten Personen jederzeit und überall ver-boten a) Angriffe auf das Leben und die

Person, namentlich Tötung jeder Art, Verstümmelung, grausame Behandlung und Folterung;

b) das Festnehmen von Geiseln;c) Beeinträchtigung der persönli-

chen Würde, namentlich ernie-drigende und entwürdigende Behandlung;

d) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil eines ordentlich bestellten Gerichtes, das die von den zivilisierten Völ-kern als unerläßlich anerkannten Rechtsgarantien bietet.

2. Die Verwundeten und Kranken wer-den geborgen und gepflegt.

Eine unparteiische humanitäre Organi-sation, wie das Internationale Komiteevom Roten Kreuz, kann den am Konfliktbeteiligten Parteien ihre Dienste anbieten.

Die am Konflikt beteiligten Parteienwerden sich andererseits bemühen,durch Sondervereinbarungen auch dieanderen Bestimmungen des vorliegen-den Abkommens ganz oder teilweise inKraft zu setzen.

Die Anwendung der vorstehendenBestimmungen hat auf die Rechtsstel-lung der am Konflikt beteiligten Parteienkeinen Einfluß.

Artikel 4 A. Kriegsgefangene im Sinne des vor-

liegenden Abkommens sind die inFeindeshand gefallenen Personen, dieeiner der nachstehenden Kategorienangehören: 1. Mitglieder von Streitkräften einer am

Konflikt beteiligten Partei sowie Mit-glieder von Milizen und Freiwilligen-korps, die in diese Streitkräfte einge-gliedert sind;

2. Mitglieder anderer Milizen und Frei-willigenkorps, einschließlich solcher von organisierten Widerstandsbe-wegungen, die zu einer am Konflikt beteiligten Partei gehören und außer-halb oder innerhalb ihres eigenen Gebietes, auch wenn dasselbe be-setzt ist, tätig sind, sofern diese Milizen oder Freiwilligenkorps ein-schließlich der organisierten Wider-standsbewegungen a) eine für ihre Untergebenen ver-

antwortliche Person an ihrer Spitze haben;

b) ein bleibendes und von weitem erkennbares Unterscheidungs-zeichen führen;

c) die Waffen offen tragen;d) bei ihren Kampfhandlungen die

Gesetze und Gebräuche des Krieges einhalten;

3. Mitglieder regulärer Streitkräfte, die sich zu einer von der Gewahrsams-macht nicht anerkannten Regierung oder Autorität bekennen;

4. Personen, die den Streitkräften fol-gen, ohne in sie eingegliedert zu sein, wie zivile Besatzungsmitglieder von Militärflugzeugen, Kriegsbericht-erstatter, Heereslieferanten, Mitglie-der von Arbeitseinheiten oder von Diensten, die für die Betreuung der Militärpersonen verantwortlich sind,

66 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 66

sofern dieselben von den Streitkräf-ten, die sie begleiten, zu ihrer Tätig-keit ermächtigt sind, wobei diese ihnen zu diesem Zweck eine dem beigefügten Muster entsprechende Ausweiskarte auszuhändigen haben;

5. die Besatzungen der Handelsschiffe, einschließlich der Kapitäne, Lotsen und Schiffsjungen sowie Besatzun-gen der Zivilluftfahrzeuge der am Konflikt beteiligten Parteien, die keine günstigere Behandlung auf Grund anderer Bestimmungen des internationalen Rechts genießen;

6. die Bevölkerung eines unbesetzten Gebietes, die beim Herannahen des Feindes aus eigenem Antrieb zu den Waffen greift, um die eindringenden Truppen zu bekämpfen, ohne zur Bildung regulärer Streitkräfte Zeit gehabt zu haben, sofern sie die Waffen offen trägt und die Gesetze und Gebräuche des Krieges einhält.

B. Die gemäß dem vorliegenden Ab-kommen den Kriegsgefangenen zu-gesicherte Behandlung genießen eben-falls 1. die Personen, die den Streitkräften

des besetzten Landes angehören oder angehört haben, sofern die Besatzungsmacht es als nötig er-achtet, sie auf Grund dieser Zuge-hörigkeit zu internieren, selbst wenn sie sie ursprünglich, während die Feindseligkeiten außerhalb des be-setzten Gebietes weitergingen, frei-gelassen hatte; dies gilt namentlich nach einem mißglückten Versuch dieser Personen, sich den eigenen im Kampf stehenden Streitkräften wieder anzuschließen, oder wenn sie einer Aufforderung, sich internieren zu lassen, nicht Folge leisten;

2. die einer der in diesem Artikel aufge-zählten Kategorien angehörenden Personen, die von neutralen oder nichtkriegführenden Staaten in ihr Gebiet aufgenommen werden und auf Grund des Völkerrechts von ihnen interniert werden müssen, unter dem Vorbehalt jeder günsti-geren Behandlung, die diese ihnen zu gewähren wünschen, und mit Ausnahme der Bestimmungen der Artikel 8,10, 15, 30 Absatz 5, 58 bis 67 einschließlich, 92, 126 und für den Fall, daß zwischen den am Kon-flikt beteiligten Parteien und der be-treffenden neutralen oder nichtkrieg-führenden Macht diplomatische Beziehungen bestehen, auch mit Ausnahme der die Schutzmacht betreffenden Bestimmungen. Be-stehen solche diplomatischen Be-ziehungen, so sind die am Konflikt beteiligten Parteien, denen diese Personen angehören, ermächtigt, diesen gegenüber die gemäß dem vorliegenden Abkommen den Schutz-mächten zufallenden Funktionen auszuüben, ohne daß dadurch die von diesen Parteien auf Grund der diplomatischen oder konsularischen Gebräuche und Verträge ausgeübtenFunkionen beeinträchtigt werden.

C. Die Bestimmungen dieses Artikelsberühren in keiner Weise die Rechts-stellung des Sanitäts- und Seelsorge-personals, wie sie in Artikel 33 des vor-liegenden Abkommens vorgesehen ist.

Artikel 5 Das vorliegende Abkommen findet auf

die in Artikel 4 bezeichneten PersonenAnwendung, sobald sie in Feindeshandfallen, und zwar bis zu ihrer endgültigen

67III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 67

Freilassung und Heimschaffung. Bestehen Zweifel, ob eine Person, die

eine kriegerische Handlung begangenhat und in Feindeshand gefallen ist, einerder in Artikel 4 aufgezählten Kategorienangehört, so genießt diese Person denSchutz des vorliegenden Abkommens,bis ihre Rechtsstellung durch ein zustän-diges Gericht festgestellt worden ist.

Artikel 6 Außer den in den Artikeln 10, 23, 28,

33, 60, 65, 66, 67, 72, 73, 75, 109, 110,118, 119, 122 und 132 ausdrücklichvorgesehenen Vereinbarungen könnendie Hohen Vertragsparteien andere Son-dervereinbarungen über jede Frage tref-fen, deren besondere Regelung ihnenzweckmäßig erscheint. Eine Sonderver-einbarung darf weder die Lage derKriegsgefangenen, wie sie durch dasvorliegende Abkommen geregelt ist,beeinträchtigen noch die Rechte be-schränken, die ihnen das Abkommenverleiht.

Die Kriegsgefangenen genießen dieVorteile dieser Vereinbarungen, solangedas Abkommen auf sie anwendbar ist,es sei denn, daß in den oben genanntenoder in späteren Vereinbarungen aus-drücklich etwas anderes festgelegt wird,oder daß durch die eine oder andere deram Konflikt beteiligten Parteien vorteil-haftere Maßnahmen zu ihren Gunstenergriffen werden.

Artikel 7 Die Kriegsgefangenen können in kei-

nem Falle, weder teilweise noch voll-ständig, auf die Rechte verzichten, dieihnen das vorliegende Abkommen undgegebenenfalls die im vorstehendenArtikel genannten Sondervereinbarun-gen verleihen.

Artikel 8 Das vorliegende Abkommen wird unter

der Mitwirkung und Aufsieht derSchutzmächte angewendet, die mit derWahrnehmung der Interessen der amKonflikt beteiligten Parteien betraut sind.Zu diesem Zwecke können die Schutz-mächte außer ihren diplomatischen oderkonsularischen Vertretern, Delegierteunter Angehörigen ihres eigenen Landesoder unter Angehörigen anderer neutra-ler Mächte ernennen. Diese Delegiertenmüssen von der Macht genehmigt wer-den, bei der sie ihre Aufgabe durchzu-führen haben.

Die am Konflikt beteiligten Parteienerleichtern die Aufgabe der Vertreteroder Delegierten der Schutzmächte ingrößtmöglichem Maße.

Die Vertreter oder Delegierten derSchutzmächte dürfen keinesfalls dieGrenzen ihrer Aufgabe, wie sie aus demvorliegenden Abkommen hervorgeht,überschreiten; insbesondere haben siedie zwingenden Sicherheitsbedürfnissedes Staates, bei dem sie ihre Aufgabedurchführen, zu berücksichtigen.

Artikel 9 Die Bestimmungen des vorliegenden

Abkommens bilden kein Hindernis fürdie humanitäre Tätigkeit, die das Inter-nationale Komitee vom Roten Kreuzoder irgendeine andere unparteiischehumanitäre Organisation mit Genehmi-gung der betreffenden am Konflikt betei-ligten Parteien ausübt, um die Kriegs-gefangenen zu schützen und ihnen Hilfezu bringen.

Artikel 10 Die Hohen Vertragsparteien können

jederzeit vereinbaren, die durch das vor-liegende Abkommen den Schutzmäch-

68 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 68

ten übertragenen Aufgaben einer Orga-nisation anzuvertrauen, die alle Garan-tien für Unparteilichkeit und Wirksamkeitbietet.

Werden Kriegsgefangene aus irgendei-nem Grund nicht oder nicht mehr voneiner Schutzmacht oder einer gemäßAbsatz 1 bezeichneten Organisationbetreut, so ersucht der Gewahrsams-staat einen neutralen Staat oder einesolche Organisation, die Aufgaben zuübernehmen, die das vorliegende Ab-kommen den durch die im Konflikt betei-ligten Parteien bezeichneten Schutz-mächten überträgt.

Kann der Schutz auf diese Weise nichtgewährleistet werden, so ersucht derGewahrsamsstaat entweder eine huma-nitäre Organisation wie das Internatio-nale Komitee vom Roten Kreuz, diedurch das vorliegende Abkommen denSchutzmächten zufallenden humanitä-ren Aufgaben zu übernehmen, oder ernimmt unter Vorbehalt der Bestimmun-gen dieses Artikels die Dienste an, dieihm eine solche Organisation anbietet.

Jede neutrale Macht oder jedeOrganisation, die von der betreffendenMacht eingeladen wird oder sich zu die-sem Zweck zur Verfügung stellt, hat sichin ihrer Tätigkeit ihrer Verantwortunggegenüber der am Konflikt beteiligtenPartei, welcher die durch das vorliegen-de Abkommen geschützten Personenangehören, bewußt zu bleiben und aus-reichende Garantien dafür zu bieten,daß sie in der Lage ist, die betreffendenAufgaben zu übernehmen und mitUnparteilichkeit zu erfüllen.

Von den vorstehenden Bestimmungenkann nicht durch eine Sonderverein-barung zwischen Mächten abgewichenwerden, von denen die eine wenn auchnur vorübergehend, gegenüber der

anderen oder deren Verbündeten infolgemilitärischer Ereignisse und besondersinfolge einer Besetzung ihres gesamtenGebietes oder eines wichtigen Teilsdavon in ihrer Verhandlungsfreiheitbeschränkt ist.

Jedesmal wenn im vorliegendenAbkommen die Schutzmacht erwähntwird, bezieht sich diese Erwähnungebenfalls auf die Organisationen, die sieim Sinne dieses Artikels ersetzen.

Artikel 11 In allen Fällen, in denen die Schutz-

mächte dies im Interesse der geschütz-ten Personen als angezeigt erachten,insbesondere in Fällen von Meinungs-verschiedenheiten zwischen den amKonflikt beteiligten Parteien über dieAnwendung oder Auslegung der Be-stimmungen des vorliegenden Abkom-mens, leihen sie ihre guten Dienste zurBeilegung des Streitfalles.

Zu diesem Zweck kann jede derSchutzmächte, entweder auf Einladungeiner Partei oder von sich aus, den amKonflikt beteiligten Parteien eine Zu-sammenkunft ihrer Vertreter und insbe-sondere der für das Schicksal derKriegsgefangenen verantwortlichen Be-hörden vorschlagen, gegebenenfalls aufeinem passend gewählten neutralenGebiet. Die am Konflikt beteiligtenParteien sind gehalten, den ihnen zu die-sem Zweck gemachten VorschlägenFolge zu leisten. Die Schutzmächte kön-nen gegebenenfalls den am Konfliktbeteiligten Parteien eine einer neutralenMacht angehörende oder vom Inter-nationalen Komitee vom Roten Kreuzdelegierte Persönlichkeit zur Genehmi-gung vorschlagen, die zu ersuchen wärean dieser Zusammenkunft teilzuneh-men.

69III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 69

Teil IIAllgemeiner Schutz

der Kriegsgefangenen

Artikel 12 Die Kriegsgefangenen unterstehen der

Gewalt der feindlichen Macht, nichtjedoch der Gewalt der Personen oderTruppenteile, die sie gefangengenom-men haben. Der Gewahrsamsstaat ist,unabhängig von etwa bestehenden per-sönlichen Verantwortlichkeiten, für dieBehandlung der Kriegsgefangenen ver-antwortlich.

Die Kriegsgefangenen dürfen vomGewahrsamsstaat nur einer Macht über-geben werden, die Vertragspartei desvorliegenden Abkommens ist, und diesnur, wenn er sich vergewissert hat, daßdie fragliche Macht willens und in derLage ist, das Abkommen anzuwenden.Werden Kriegsgefangene unter diesenUmständen übergeben, so übernimmtdie sie aufnehmende Macht die Verant-wortung für die Anwendung des Ab-kommens, solange sie ihr anvertrautsind.

Sollte diese Macht indessen dieBestimmungen des Abkommens nichtin alten wichtigen Punkten einhalten, soergreift die Macht, die die Kriegsgefan-genen übergeben hat, auf Notifizierungder Schutzmacht hin wirksame Maß-nahmen, um Abhilfe zu schaffen, oderersucht um Rückgabe der Kriegsgefan-genen. Einem solchen Ersuchen mußstattgegeben werden.

Artikel 13 Die Kriegsgefangenen müssen jeder-

zeit mit Menschlichkeit behandelt wer-den. Jede rechtwidrige Handlung oderUnterlassung seitens des Gewahrsams-

staates, die den Tod oder eine schwereGefährdung der Gesundheit eines in sei-nen Händen befindlichen Kriegsgefan-genen zur Folge hat, ist untersagt undgilt als schwere Verletzung des vorlie-genden Abkommens. Insbesonderedürfen an den Kriegsgefangenen keineVerstümmelungen oder medizinischenoder wissenschaftlichen Versuche ir-gendwelcher Art vorgenommen werden,die nicht durch die ärztliche Behandlungdes betreffenden Kriegsgefangenengerechtfertigt sind und nicht in seinemInteresse liegen.

Die Kriegsgefangenen werden fernerjederzeit geschützt, insbesondere auchvor Gewalttätigkeit oder Einschüch-terung, Beleidigungen und öffentlicherNeugier.

Vergeltungsmaßnahmen gegen Kriegs-gefangene sind untersagt.

Artikel 14 Die Kriegsgefangenen haben unter

allen Umständen Anspruch auf Achtungihrer Person und ihrer Ehre.

Frauen werden mit aller ihrem Ge-schlecht gebührenden Rücksicht be-handelt und erfahren auf jeden Fall eineebenso günstige Behandlung wie dieMänner.

Die Kriegsgefangenen behalten ihrevolle bürgerliche Rechtsfähigkeit, wie sieim Augenblick ihrer Gefangennahmebestand. Der Gewahrsamsstaat darfderen Ausübung innerhalb oder außer-halb seines Gebietes nur insofern ein-schränken, als es die Gefangenschafterfordert.

Artikel 15 Der Gewahrsamsstaat ist verpflichtet,

unentgeltlich für den Unterhalt derKriegsgefangenen aufzukommen und

70 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 70

ihnen unentgeltlich die ärztliche Be-handlung angedeihen zu lassen, die ihrGesundheitszustand erfordert.

Artikel 16 Unter Berücksichtigung der Bestim-

mungen des vorliegenden Abkommenshinsichtlich Dienstgrad und Geschlechtund vorbehaltlich der den Kriegsgefan-genen auf Grund ihres Gesundheits-zustandes, ihres Alters oder ihrer beruf-lichen Eignung gewährten Vergünstigun-gen sind alle Kriegsgefangenen durchden Gewahrsamsstaat gleich zu behan-deln, ohne jede auf Rasse, Nationalität,Religion, politischer Meinung oderirgendeinem anderen ähnlichen Unter-scheidungsmerkmal beruhende Benach-teiligung.

Teil IIIGefangenschaft

ABSCHNITT IBEGINN DER GEFANGENSCHAFT

Artikel 17 Jeder Kriegsgefangene ist auf Befra-

gen nur verpflichtet, seinen Namen,seine Vornamen, seinen Dienstgrad,sein Geburtsdatum und seine Matrikel-nummer zu nennen oder, wenn diesefehlt, eine andere gleichwertige Angabezu machen.

Handelt er wissentlich gegen dieseVorschrift, so setzt er sich einerBeschränkung der Vergünstigungenaus, die den Kriegsgefangenen seinesDienstgrades oder seiner Stellung zuste-hen.

Jede der am Konflikt beteiligtenParteien ist verpflichtet, allen Personen,die unter ihrer Hoheit stehen und in

Kriegsgefangenschaft geraten könnten,eine Ausweiskarte auszuhändigen, aufder Name, Vornamen und Dienstgrad,Matrikelnummer oder eine gleichwertigeAngabe und das Geburtsdatum ver-zeichnet sind. Diese Karte kann außer-dem mit der Unterschrift oder denFingerabdrücken oder mit beidem sowiemit allen sonstigen den am Konfliktbeteiligten Parteien für die Mitgliederihrer Streitkräfte wünschenswert er-scheinenden Angaben versehen sein.Soweit möglich mißt diese Karte 6,5 x10 cm und wird in zwei Exemplaren aus-gestellt. Der Kriegsgefangene hat dieseAusweiskarte auf jedes Verlangen hinvorzuweisen; sie darf ihm jedoch keines-falls abgenommen werden.

Zur Erlangung irgendwelcher Aus-künfte dürfen die Kriegsgefangenenweder körperlichen noch seelischenFolterungen ausgesetzt, noch darfirgendein anderer Zwang auf sie ausge-übt werden. Die Kriegsgefangenen, dieeine Auskunft verweigern, dürfen wederbedroht noch beleidigt noch Unan-nehmlichkeiten oder Nachteilen irgend-welcher Art ausgesetzt werden.

Kriegsgefangene, die infolge ihres kör-perlichen oder geistigen Zustandes nichtfähig sind, sich über ihre Person auszu-weisen, werden dem Sanitätsdienstanvertraut. Die Identität dieser Kriegsge-fangenen wird, vorbehaltlich der Be-stimmungen des vorstehenden Absat-zes, mit allen zur Verfügung stehendenMitteln festgestellt.

Die Kriegsgefangenen werden in einerfür sie verständlichen Sprache vernom-men.

Artikel 18 Alle persönlichen Sachen und Ge-

brauchsgegenstände – außer Waffen,

71III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 71

Pferden, militärischer Ausrüstung undSchriftstücken militärischen Inhalts –verbleiben, ebenso wie die Stahlhelme,die Gasmasken und alle anderen zumpersönlichen Schutz dienenden Gegen-stände, im Besitz der Kriegsgefangenen.Sämtliche Sachen und Gegenstände,die zu ihrer Bekleidung und Verpflegungdienen, verbleiben ebenfalls in ihremBesitz, auch wenn sie zu ihrer vor-schriftsmäßigen militärischen Ausrüs-tung gehören.

Die Kriegsgefangenen müssen stets imBesitz eines Ausweispapiers sein. DerGewahrsamsstaat stellt denen, die kei-nen Ausweis besitzen einen solchenaus.

Dienstgrad- und Nationalitätsabzei-chen, Ehrenzeichen sowie Gegenstän-de, die hauptsächlich persönlichen odergefühlsmäßigen Wert haben, dürfen denKriegsgefangenen nicht abgenommenwerden.

Geldbeträge, die die Kriegsgefangenenbei sich tragen, dürfen ihnen nur aufBefehl eines Offiziers abgenommen wer-den, und dies erst nach Eintragung derSumme und der Bezeichnung desBesitzes in ein besonderes Registersowie nach Aushändigung einer ins ein-zelne gehenden Empfangsbestätigung,auf der Name, Dienstgrad und Einheitdes Ausstellers lesbar aufgeführt sind.Die Beträge in der Währung desGewahrsamsstaates sowie diejenigen,die auf Verlangen des Kriegsgefangenenin diese Währung umgewechselt wer-den, werden gemäß Artikel 64 demKonto des Kriegsgefangenen gutge-schrieben.

Wertgegenstände dürfen den Kriegs-gefangenen durch den Gewahrsams-staat nur aus Gründen der Sicherheitabgenommen werden. In diesem Falle

wird das gleiche Verfahren angewendetwie bei der Abnahme der Geldbeträge.

Diese Wertgegenstände sowie dieabgenommenen Geldbeträge in jederanderen Währung als derjenigen desGewahrsamsstaates, deren Umwechse-lung vom Besitzer nicht verlangt wird,werden vom Gewahrsamsstaat aufbe-wahrt und dem Kriegsgefangenen beiBeendigung der Gefangenschaft in ihrerursprünglichen Form zurückerstattet.

Artikel 19 Die Kriegsgefangenen werden nach

ihrer Gefangennahme möglichst bald inLager geschafft, die von der Kampfzoneso weit entfernt sind, daß sie sich außerGefahr befinden.

In einer Gefahrenzone dürfen nur sol-che Gefangene vorübergehend zurück-behalten werden, die infolge ihrerVerwundungen oder Krankheiten bei derWegschaffung in ein Lager größerenGefahren ausgesetzt wären als beimVerbleiben an Ort und Stelle.

Die Kriegsgefangenen werden bis zuihrer Wegschaffung aus der Kampfzonenicht unnötig Gefahren ausgesetzt.

Artikel 20 Das Wegschaffen der Kriegsgefan-

genen erfolgt immer mit Menschlichkeitund unter ähnlichen Bedingungen wiebei der Verlegung der Truppen desGewahrsamsstaates.

Der Gewahrsamsstaat versieht diewegzuschaffenden Kriegsgefangenenmit Trinkwasser und Verpflegung ingenügender Menge sowie mit der not-wendigen Bekleidung und ärztlichenPflege; er trifft ferner alle zweckdien-lichen Vorkehrungen, um die Sicherheitder Gefangenen während der Weg-schaffung zu gewährleisten und erstellt

72 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 72

sobald wie möglich ein Verzeichnis derweggeschafften Gefangenen.

Müssen die Kriegsgefangenen wäh-rend der Wegschaffung in Durchgangs-lagern untergebracht werden, so wird ihrAufenthalt in diesen Lagern so kurz wiemöglich bemessen.

ABSCHNITT IIINTERNIERUNG DER

KRIEGSGEFANGENEN

Kapitel IAllgemeines

Artikel 21 Der Gewahrsamsstaat kann die

Kriegsgefangenen internieren. Er kannihnen die Verpflichtung auferlegen, sichnicht über eine gewisse Grenze vomLager, in dem sie interniert sind, zu ent-fernen oder, wenn das Lager eingezäuntist, nicht über diese Umzäunung hinaus-zugehen. Vorbehaltlich der Bestimmun-gen des vorliegenden Abkommensbetreffend Straf- und disziplinarischeMaßnahme ist ihre Einschließung oderBeschränkung auf einen Raum nur alsunerläßliche Maßnahme zum Schutzeihrer Gesundheit zulässig, und zwar nur,solange die Umstände, die dieseMaßnahme nötig machten, andauern.

Die Kriegsgefangenen können aufEhrenwort oder Versprechen teilweiseoder ganz freigelassen werden, soferndie Gesetze der Macht, von der sieabhängen, dies gestatten. Diese Maß-nahme wird namentlich dann getroffen,wenn sie zur Besserung des Gesund-heitszustandes der Gefangenen beizu-tragen vermag. Es darf kein Gefangenergezwungen werden, seine Freilassungauf Ehrenwort oder Versprechen anzu-nehmen.

Bei Eröffnung der Feindseligkeiten noti-fiziert jede am Konflikt beteiligte Parteider Gegenpartei ihre Rechtsvorschriften,die den Angehörigen ihres eigenenLandes die Annahme der Freilassungauf Ehrenwort oder Versprechen gestat-ten oder verbieten. Die gemäß diesenRechtsvorschriften auf Ehrenwort oderVersprechen in Freiheit gesetztenGefangenen sind bei ihrer persönlichenEhre verpflichtet, die eingegangenenVerpflichtungen sowohl gegenüber derMacht, von der sie abhängen, wie auchgegenüber dem Gewahrsamsstaat ge-wissenhaft einzuhalten. In derartigenFällen darf die Macht, von der dieKriegsgefangenen abhängen, keineDienstleistung von ihnen verlangen oderannehmen, die gegen das eingegange-ne Ehrenwort oder Versprechen versto-ßen würde.

Artikel 22 Die Kriegsgefangenen werden nur in

Einrichtungen interniert, die auf festemLande liegen und jede mögliche Gewährfür Hygiene und gesundheitliche Zu-träglichkeit bieten; abgesehen von be-sonderen Fällen, in denen dies ihr eige-nes Interesse rechtfertigt, werdenKriegsgefangene nicht in Strafanstalteninterniert.

Kriegsgefangene, die in ungesundenGegenden oder in Gebieten, derenKlima für sie schädlich ist, interniert sind,werden sobald wie möglich in ein gün-stigeres Klima geschafft.

Der Gewahrsamsstaat faßt die Kriegs-gefangenen in den Lagern oder in Teilenderselben unter Berücksichtigung ihrerNationalität, ihrer Sprache und ihrerGebräuche zusammen, unter dem Vor-behalt, daß diese Gefangenen nicht vonden Kriegsgefangenen der Streitkräfte

73III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 73

getrennt werden, in denen sie imAugenblick ihrer Gefangennahme dien-ten, es sei denn, sie wären damit einver-standen.

Artikel 23 Kein Kriegsgefangener darf jemals in

ein Gebiet gebracht oder dort zurückge-halten werden, wo er dem Feuer derKampfzone ausgesetzt wäre; er darfauch nicht dazu verwendet werden, umdurch seine Anwesenheit die Kampf-handlungen von gewissen Punkten oderGebieten fernzuhalten.

Den Kriegsgefangenen werden in glei-chem Maße wie der ortsansässigenZivilbevölkerung Schutzräume gegenFliegerangriffe und andere Kriegsgefah-ren zur Verfügung gestellt; im Falle einesAlarms dürfen sie sich so rasch wiemöglich dorthin begeben, mit Aus-nahme derjenigen unter ihnen, die amSchutz ihren Unterkünfte gegen dieseGefahren teilnehmen. Jede andere zuGunsten der Bevölkerung getroffeneSchutzmaßnahme kommt auch ihnenzugute.

Die Gewahrsamsstaaten lassen einan-der durch Vermittlung der Schutzmächtealle zweckdienlichen Angaben über diegeographische Lage der Kriegsgefan-genenlager zugehen.

Soweit die militärischen Erwägungenes erlauben, werden die Kriegsgefan-genenlager tagsüber mit den Buchsta-ben PG oder PW so gekennzeichnet,daß sie aus der Luft deutlich erkennbarsind; es ist den betreffenden Mächtenjedoch unbenommen, sich über einanderes Mittel zur Kennzeichnung zueinigen. Einzig die Kriegsgefangenen-lager dürfen auf diese Weise gekenn-zeichnet werden.

Artikel 24 Die ständigen Durchgangs- und Son-

derungslager werden nach ähnlichenGesichtspunkten eingerichtet wie die indiesem Abschnitt vorgesehenen, undden dort befindlichen Kriegsgefangenenkommt die gleiche Behandlung zu wie inden anderen Lagern.

Kapitel IIUnterkunft, Verpflegung

und Bekleidung derKriegsgefangenen

Artikel 25 Die Unterkunftsbedingungen der

Kriegsgefangenen müssen ebenso gün-stig sein wie diejenigen die in der glei-chen Gegend untergebrachten Truppendes Gewahrsamsstaates. Diese Bedin-gungen haben den Sitten undGebräuchen der Gefangenen Rechnungzu tragen und dürfen ihrer Gesundheitkeinesfalls abträglich sein.

Die vorstehenden Bestimmungen be-ziehen sich namentlich auf die Schlaf-räume der Kriegsgefangenen, und zwarsowohl hinsichtlich des gesamtenBelegraumes und des Mindestluft-aumes wie auch hinsichtlich der Ein-richtung und des Bettzeuges mitEinschluß der Decken.

Sowohl die für die persönliche wie diefür die gemeinschaftliche Benützungdurch die Kriegsgefangenen bestimm-ten Räume müssen vollkommen vorFeuchtigkeit geschützt und, namentlichzwischen dem Einbruch der Dunkelheitund dem Beginn der Nachtruhe, genü-gend geheizt und beleuchtet sein.Gegen Feuersgefahr sind alle Vorsichts-maßnahmen zu treffen.

74 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 74

In allen Lagern, in denen gleichzeitigweibliche und männliche Gefangeneuntergebracht sind, muß für getrennteSchlafräume gesorgt sein.

Artikel 26 Die tägliche Verpflegungs-Grundration

muß in bezug auf Menge, Güte undAbwechslung ausreichend sein, umeinen guten Gesundheitszustand derGefangenen zu gewährleisten undGewichtsverluste und Mangelerschei-nungen zu verhindern. Den Ernährungs-gewohnheiten der Gefangenen wirdebenfalls Rechnung getragen.

Der Gewahrsamsstaat liefert denarbeitenden Kriegsgefangenen die zurVerrichtung der Arbeit, zu der sie ver-wendet werden, notwendige Zusatzver-pflegung.

Trinkwasser wird den Kriegsgefan-genen in genügender Menge geliefert.Tabakgenuß ist gestattet.

Die Kriegsgefangenen werden so häu-fig wie möglich bei der Zubereitung derMahlzeiten herangezogen; sie könnenzu diesem Zweck in den Küchenbeschäftigt werden. Außerdem erhaltensie die Hilfsmittel zur Zubereitung derZusatzverpflegung, über die sie verfü-gen.

Als Eßräume und Messen sind geeig-nete Räumlichkeiten zur Verfügung zustellen.

Alle kollektiven Disziplinarmaßregelnhinsichtlich der Ernährung sind verbo-ten.

Artikel 27 Kleidung, Wäsche und Schuhwerk

werden den Kriegsgefangenen vomGewahrsamsstaat in genügender Men-ge geliefert, wobei dem Klima derGegend, in der sich die Gefangenen

befinden, Rechnung getragen wird. Diedurch den Gewahrsamsstaat den feind-lichen Streitkräften abgenommenenUniformen werden, wenn sie den klima-tischen Verhältnissen des Landes ent-sprechen, für die Bekleidung derKriegsgefangenen verwendet.

Der Gewahrsamsstaat sorgt regelmä-ßig für Ersatz und Ausbesserung dieserGegenstände. Außerdem erhalten arbei-tende Kriegsgefangene einen geeigne-ten Arbeitsanzug, wenn immer die Artder Arbeit dies erfordert.

Artikel 28 In allen Lagern werden Kantinen einge-

richtet, in denen sich die Kriegsgefan-genen zu Preisen, die keinesfalls jenedes örtlichen Handels übersteigen dür-fen, Lebensmittel, Gebrauchsgegen-stände, Seife und Tabak beschaffenkönnen.

Die Überschüsse dieser Kantinen wer-den zugunsten der Kriegsgefangenenverwendet; zu diesem Zweck wird einbesonderer Fonds geschaffen. DemVertrauensmann steht das Recht zu, beider Verwaltung der Kantine und desFonds mitzuwirken.

Bei der Auflösung eines Lagers wirdder Überschuß dieses besonderenFonds einer internationalen humanitärenOrganisation übergeben, um zugunstenvon Kriegsgefangenen verwendet zuwerden, die die gleiche Nationalitätbesitzen, wie die, welche den Fondsmitgeschaffen haben. Im Falle allgemei-ner Heimschaffung werden diese Über-schüsse vom Gewahrsamsstaat aufbe-wahrt, sofern nicht eine Vereinbarungzwischen den betreffenden Mächtenetwas anderes vorsieht.

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Kapitel IIIGesundheitspflege und

ärztliche Betreuung

Artikel 29 Der Gewahrsamsstaat ist verpflichtet,

alle nötigen Hygienemaßnahmen zutref-fen, um die Sauberkeit und die gesund-heitliche Zuträglichkeit der Lager zugewährleisten und Massenerkrankun-gen vorzubeugen.

Den Kriegsgefangenen stehen Tag undNacht sanitäre Einrichtungen zurVerfügung, die den Erfordernissen derHygiene entsprechen und dauernd sau-ber gehalten werden. In den Lagern, indenen sich auch weibliche Kriegsgefan-gene aufhalten, werden diesen getrenn-te sanitäre Einrichtungen zur Verfügunggestellt.

Unbeschadet der Bade- und Dusch-anlagen, die in den Lagern einzurichtensind, werden den Kriegsgefangenen fürihre tägliche Körperpflege und dieReinigung ihrer Wäsche genügendWasser und Seife geliefert; die hierfürnotwendigen Einrichtungen und Hilfs-mittel sowie die notwendige Zeit werdenihnen gewährt.

Artikel 30 Jedes Lager besitzt eine zweckent-

sprechende Krankenabteilung, wo dieKriegsgefangenen die erforderlichePflege und eine geeignete Diät erhaltenkönnen. Für die von ansteckenden oderGeisteskrankheiten befallenen Krankenwerden gegebenenfalls Isolierräumebereitgestellt.

Kriegsgefangene, die von einer schwe-ren Krankheit befallen sind oder derenZustand eine besondere Behandlung,einen chirurgischen Eingriff oder Laza-rettpflege nötig macht, werden in jeder

für ihre Behandlung geeigneten militäri-schen oder zivilen Anstalt zugelassen,selbst wenn ihre Heimschaffung für dienächste Zeit vorgesehen ist. Für dieBehandlung der Versehrten, vor allemder Blinden, sowie für ihre Umschulungbis zum Zeitpunkt ihrer Heimschaffungwerden besondere Erleichterungengewährt.

Die Kriegsgefangenen werden vor-zugsweise durch ärztliches Personal derMacht, von der sie abhängen, wennmöglich durch eigene Landsleute, be-handelt.

Die Kriegsgefangenen dürfen nichtdaran gehindert werden, sich von denärztlichen Stellen untersuchen zu lassen.Die Behörden des Gewahrsamsstaateshändigen auf Ersuchen jedem behandel-ten Gefangenen eine amtliche Beschei-nigung aus, die die Art seiner Ver-letzun-gen oder seiner Krankheit, die Dauer derBehandlung und die erhaltene Pflegebezeichnet. Ein Doppel dieser Beschei-nigung ist der Zentralstelle für Kriegs-gefangene zu übermitteln.

Die Kosten der Behandlung einschließ-lich der Kosten aller für die Aufrecht-erhaltung eines guten Gesundheits-zustandes der Kriegsgefangenen benö-tigten Geräte insbesondere künstlicherZähne und anderer Prothesen sowieBrillen, gehen zu Lasten des Gewahr-samsstaates.

Artikel 31 Mindestens einmal monatlich werden

die Kriegsgefangenen ärztlich unter-sucht. Diese Untersuchung umfaßt dieKontrolle und Aufzeichnung des Ge-wichtes jedes Kriegsgefangenen. IhrZweck ist insbesondere, den allgemei-nen Gesundheits-, Ernährungs- undSauberkeitszustand zu überwachen

76 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 76

sowie ansteckende Krankheiten,namentlich Tuberkulose, Malaria undGeschlechtskrankheiten, festzustellen.Dazu gelangen die wirksamsten zurVerfügung stehenden Methoden zurAnwendung, zum Beispiel die periodi-sche Reihenröntgenaufnahme undMikrofilm zur frühzeitigen Entdeckungvon Tuberkulosefällen.

Artikel 32 Kriegsgefangene, die, ohne dem

Sanitätsdienst ihrer Streitkräfte angehörtzu haben, Ärzte, Zahnärzte, Pfleger oderPflegerinnen sind, können vom Ge-wahrsamsstaat zur Ausübung ihrer sani-tätsdienstlichen Funktionen im Interesseihrer der gleichen Macht angehörendenMitgefangenen herangezogen werden.Sie bleiben in diesem Falle weiterhinKriegsgefangene, werden jedoch wie dieentsprechenden Angehörigen des vomGewahrsamsstaat zurückgehaltenenSanitätspersonals behandelt. Sie sindvon jeder anderen Arbeit, die ihnengemäß Artikel 49 übertragen werdenkönnte, befreit.

Kapitel IVZur Betreuung der

Kriegsgefangenen zurück-gehaltenes Sanitäts- und

Seelsorgepersonal

Artikel 33 Die vom Gewahrsamsstaat zum

Zwecke der Betreuung der Kriegsgefan-genen zurückgehaltenen Mitglieder desSanitäts- und Seelsorgepersonals geltennicht als Kriegsgefangene. Sie genießenjedoch zumindest alle in dem vorliegen-den Abkommen vorgesehenen Vergün-stigungen und den Schutz desselben

sowie alle nötigen Erleichterungen, umden Kriegsgefangenen ärztliche Pflegeund geistlichen Beistand geben zu kön-nen.

Sie setzen im Rahmen der militäri-schen Gesetze und Verordnungen desGewahrsamsstaates unter der Leitungseiner zuständigen Dienststellen und inÜbereinstimmung mit ihrem beruflichenVerantwortungsbewußtsein ihre ärztlicheund seelsorgerische Tätigkeit zugunstender Kriegsgefangenen, vorzugsweiseder ihren eigenen Streitkräften angehö-renden, fort. Für die Ausübung ihrer ärzt-lichen oder seelsorgerischen Tätigkeitstehen ihnen ferner folgende Erleich-terungen zu: a) Sie sind berechtigt, die Kriegsgefan-

genen, die sich in Arbeitsgruppen oder in außerhalb des Lagers liegen-den Lazaretten befinden, regelmäßig zu besuchen. Die Gewahrsams-macht stellt ihnen zu diesem Zweck die nötigen Beförderungsmittel zur Verfügung.

b) In jedem Lager ist der dienstälteste Militärarzt des höchsten Dienstgra-des den militärischen Behörden des Lagers für die gesamte Tätigkeit deszurückgehaltenen Sanitätspersonals verantwortlich. Zu diesem Zweck verständigen sich die am Konflikt beteiligten Parteien schon beim Be-ginn der Feindseligkeiten über die vergleichbaren Dienstgrade ihres Sanitätspersonals, einschließlich desjenigen, der in Artikel 26 des Genfer Abkommens vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde bezeichneten Gesellschaften. Für alle ihre Aufga-ben betreffenden Fragen haben die-ser Arzt sowie die Feldgeistlichen

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unmittelbaren Zutritt zu den zustän-digen Lagerbehörden. Diese gewäh-ren ihnen alle Erleichterungen, die für den mit diesen Fragen zusammen-hängenden Schriftwechsel erforder-lich sind.

c) Obwohl das zurückgehaltene Per-sonal der Disziplin des Aufenthalts-lagers unterstellt ist, kann es zu keiner mit seiner ärztlichen oder seel-sorgerischen Tätigkeit nicht im Zu-sammenhang stehenden Arbeit ge-zwungen werden.

Im Verlauf der Feindseligkeiten verstän-digen sieh die am Konflikt beteiligtenParteien über eine etwaige Ablösungdes zurückgehaltenen Personals undlegen die Art ihrer Durchführung fest.

Die vorstehenden Bestimmungen ent-heben die Gewahrsamsmacht keines-wegs der Pflichten, die sie in gesund-heitlicher und geistiger Hinsieht gegenü-ber den Kriegsgefangenen hat.

Kapitel VReligion, geistige und

körperliche Betätigung

Artikel 34 Den Kriegsgefangenen wird in der

Ausübung ihrer Religion, einschließlichder Teilnahme an Gottesdiensten ihresGlaubensbekenntnisses, volle Freiheitgewährt, vorausgesetzt, daß sie dieOrdnungsvorschriften der Militärbehördebefolgen.

Für die Abhaltung der Gottesdienstewerden geeignete Räume zur Verfügunggestellt.

Artikel 35 Die der feindlichen Macht in die Hände

gefallenen Feldgeistlichen, die zur Be-treuung der Kriegsgefangenen zurück-

geblieben sind oder zurückgehaltenwerden, sind berechtigt, ihnen geist-lichen Beistand zukommen zu lassenund ihr Amt unter ihren Glaubens-genossen im Einklang mit ihrem religiö-sen Gewissen uneingeschränkt auszuü-ben. Sie werden auf die verschiedenenLager und Arbeitsgruppen verteilt, indenen sich den gleichen Streitkräftenangehörende Kriegsgefangene befin-den, die die gleiche Sprache sprechenoder sich zum gleichen Glauben beken-nen. Es werden ihnen die nötigenErleichterungen gewährt und insbeson-dere die in Artikel 33 vorgesehenenBeförderungsmittel zur Verfügung ge-stellt, damit sie die außerhalb ihresLagers befindlichen Kriegsgefangenenbesuchen können. Sie genießen unterVorbehalt der Zensur zur Ausübungihres religiösen Amtes volle Freiheit imSchriftwechsel mit den kirchlichen Be-hörden des Gewahrsamsstaates undden internationalen religiösen Organisa-tionen. Zu diesem Zweck können Briefeund Karten zusätzlich zu der in Artikel 71vorgesehenen Anzahl versandt werden.

Artikel 36 Diejenigen Kriegsgefangenen, die geist-

lichen Standes sind, ohne in der eigenenArmee Feldgeistliche gewesen zu sein,werden, gleich welchem Glaubensbe-kenntnis sie angehören, ermächtigt, ihrgeistliches Amt unter ihren Glaubens-genossen uneingeschränkt auszuüben.Sie genießen zu diesem Zweck die glei-che Behandlung wie die durch denGewahrsamsstaat zurückgehaltenenFeldgeistlichen. Sie dürfen zu keineranderen Arbeit gezwungen werden.

78 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

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Artikel 37 Sofern Kriegsgefangenen der Beistand

eines zurückgehaltenen Feldgeistlichenoder eines kriegsgefangenen Geistlichenihres Glaubensbekenntnisses nicht zurVerfügung steht, wird auf Verlangen derbetreffenden Kriegsgefangenen einGeistlicher ihres oder eines ähnlichenBekenntnisses oder, in Ermangelungeines solchen und wenn dies vom kon-fessionellen Gesichtspunkt aus möglichist, ein befähigter Laie zur Ausübung desgeistlichen Amtes namhaft gemacht.Diese der Zustimmung des Gewahr-samsstaates unterliegende Ernennungerfolgt im Einvernehmen mit derGemeinschaft der betreffenden Kriegs-gefangenen und, wo es nötig ist, mitZustimmung der örtlichen geistlichenBehörde des gleichen Bekenntnisses.Die so ernannte Person hat alle vomGewahrsamsstaat im Interesse derDisziplin und der militärischen Sicherheiterlassenen Vorschriften zu befolgen.

Artikel 38 Der Gewahrsamsstaat fördert unter

Achtung der persönlichen Vorliebe dereinzelnen Gefangenen die geistige,erzieherische, sportliche und die derErholung dienende Betätigung derKriegsgefangenen; er trifft die nötigenMaßnahmen, um diese Betätigung zugewährleisten, indem er ihnen geeigneteRäume sowie die nötige Ausrüstung zurVerfügung stellt.

Den Kriegsgefangenen muß dieMöglichkeit zu körperlichen Übungen,einschließlich Sport und Spiele, und zumAufenthalt im Freien geboten werden. Zudiesem Zwecke sind in allen Lagerngenügend offene Plätze zur Verfügungzu stellen.

Kapitel VIDisziplin

Artikel 39 Jedes Kriegsgefangenenlager wird der

unmittelbaren Leitung eines den regulä-ren Streitkräften des Gewahrsamsstaa-tes angehörenden verantwortlichenOffiziers unterstellt. Dieser Offizier mußden Wortlaut des vorliegenden Abkom-mens besitzen und darüber wachen,daß dessen Bestimmungen dem unterseinem Befehl stehenden Personalbekannt sind; er ist unter der Kontrolleseiner Regierung, für dessen Anwen-dung verantwortlich.

Mit Ausnahme der Offiziere schuldendie Kriegsgefangenen allen Offizierendes Gewahrsamsstaates den Gruß unddie in den Vorschriften der eigenenArmee vorgesehenen Ehrenbezeugun-gen.

Die kriegsgefangenen Offiziere habennur die Offiziere höheren Dienstgradesdes Gewahrsamsstaates zu grüßen; aufjeden Fall schulden sie dem Lagerkom-mandanten, ohne Rücksicht auf dessenDienstgrad, den Gruß.

Artikel 40 Das Tragen der Dienstgrad- und

Nationalitätsabzeichen sowie der Aus-zeichnungen ist gestattet.

Artikel 41 In jedem Lager wird der Wortlaut des

vorliegenden Abkommens und seinerAnhänge sowie der Inhalt aller in Artikel6 vorgesehenen Sondervereinbarungenin der Sprache der Kriegsgefangenen anStellen angeschlagen, wo sie von sämt-lichen Gefangenen eingesehen werdenkönnen. Auf Verlagen werden sie denje-nigen Gefangenen, die nicht in der Lage

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sind, vom angeschlagenen WortlautKenntnis zu nehmen, bekanntgegeben.

Vorschriften, Anordnungen, Ankündi-gungen und Bekanntmachungen jederArt, die sich auf das Verhalten derKriegsgefangenen beziehen, werdendiesen in einer für sie verständlichenSprache bekanntgegeben; sie werden inder oben beschriebenen Weise ange-schlagen, und dem Vertrauensmannwerden weitere Exemplare ausgehän-digt. Auch alle an einzelne Gefangenegerichteten Befehle und Anordnungenwerden in einer ihnen verständlichenSprache erteilt.

Artikel 42 Der Waffengebrauch gegen Kriegsge-

fangene, besonders gegen solche, dieflüchten oder zu flüchten versuchen,darf nur ein äußerstes Mittel darstellen,dem stets den Umständen entsprechen-de Warnungen voranzugehen haben.

Kapitel VIIDienstgrade der

Kriegsgefangenen

Artikel 43 Bei Eröffnung der Feindseligkeiten

geben sich die am Konflikt beteiligtenParteien gegenseitig die Rangbezeich-nungen und Dienstgrade aller in Artikel 4des vorliegenden Abkommens aufge-führten Personen bekannt, um dieGleichmäßigkeit in der Behandlung derGefangenen gleichen Dienstgrades zugewährleisten; werden Rangbezeich-nungen oder Dienstgrade erst nachträg-lich geschaffen, so werden sie in glei-cher Weise bekanntgegeben.

Der Gewahrsamsstaat erkennt dieBeförderungen von Kriegsgefangenenan, wenn sie ihm von der Macht, von der

diese Gefangenen abhängen, ordnungs-gemäß mitgeteilt werden.

Artikel 44 Offiziere und ihnen gleichgestellte

Kriegsgefangene werden mit der ihremDienstgrad und ihrem Alter zukommen-den Rücksicht behandelt.

Zur Sicherstellung des Dienstbetriebesin den Offizierlagern werden diesenLagern kriegsgefangene Mannschaftenderselben Streitkräfte, die möglichst diegleiche Sprache wie die Offiziere spre-chen, in ausreichender, dem Dienstgradder Offiziere und der ihnen gleichgestell-ten Kriegsgefangenen entsprechenderZahl zugeteilt; sie dürfen zu keiner ande-ren Arbeit gezwungen werden.

Bei der Beköstigung wird die Selbst-verwaltung durch die Offiziere auf jedeArt gefördert.

Artikel 45 Alle nicht zu den Offizieren und den

ihnen Gleichgestellten zählenden Kriegs-gefangenen werden mit der ihremDienstgrad und ihrem Alter zukommen-den Rücksicht behandelt.

Bei der Beköstigung wird die Selbst-verwaltung durch die Kriegsgefangenenauf jede Art gefördert.

Kapitel VIIIVerlegung von Kriegs-gefangenen nach ihrer

Ankunft im Lager

Artikel 46 Beim Entscheid über eine Verlegung

von Kriegsgefangenen berücksichtigtder Gewahrsamsstaat die Interessenderselben; insbesondere unternimmt ernichts, was die Schwierigkeiten bei ihrerHeimschaffung vergrößern könnte.

80 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

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Verlegungen von Kriegsgefangenenwerden stets mit Menschlichkeit undunter nicht minder günstigen Bedingun-gen als Verlegungen der Truppen desGewahrsamsstaates durchgeführt. Aufdie klimatischen Verhältnisse, an die dieKriegsgefangenen gewohnt sind, istimmer Rücksicht zu nehmen; dieBedingungen der Verlegung dürfen ihrerGesundheit keinesfalls abträglich sein.

Der Gewahrsamsstaat versorgt dieKriegsgefangenen während der Ver-legung mit Trinkwasser und Nahrungs-mitteln in genügender Menge, um sie beiguter Gesundheit zu erhalten; er sorgtebenfalls für die notwendige Bekleidungund Unterkunft sowie die erforderlicheärztliche Pflege. Er trifft alle zweckdien-lichen Vorsichtsmaßnahmen, namentlichim Falle der Beförderung zur See oder inder Luft, um ihre Sicherheit während derVerlegung zu gewährleisten; vor derAbreise stellt er eine vollständige Listeder zu verlegenden Gefangenen auf.

Artikel 47 Kranke oder verwundete Kriegsgefan-

gene werden nicht verlegt, wenn dieReise ihre Genesung beeinträchtigenkönnte; es sei denn, daß ihre Sicherheites zwingend erfordert.

Nähert sich die Front einem Lager, sodürfen die dort befindlichen Kriegsge-fangenen nur verlegt werden, wenn diesunter ausreichenden Sicherheitsbedin-gungen geschehen kann oder wenn siedurch Verbleib an Ort und Stelle größe-ren Gefahren ausgesetzt sind, als diesbei einer Verlegung der Fall wäre.

Artikel 48 In Verlegungsfällen werden die Kriegs-

gefangenen amtlich von ihrem Abtrans-port und ihrer neuen Postanschrift in

Kenntnis gesetzt; diese Mitteilung wirdihnen so frühzeitig gemacht, daß sie ihrGepäck vorbereiten und ihre Familienbenachrichtigen können.

Es wird ihnen gestattet, ihre persön-lichen Sachen, ihre Briefschaften unddie für sie eingetroffenen Pakete mitzu-nehmen; das Gewicht dieses Gepäckskann, falls die Umstände der Verlegunges erfordern, auf das beschränkt wer-den, was der Kriegsgefangene vernünf-tigerweise tragen kann, keinesfalls je-doch darf das erlaubte Gewicht 25 kgüberschreiten.

Die Briefschaften und Pakete, die anihr ehemaliges Lager gerichtet werden,werden ihnen ohne Verzug nachge-schickt. Der Lagerkommandant ergreiftgemeinsam mit dem Vertrauensmanndie notwendigen Maßnahmen, um dieÜberführung des Gemeinschaftseigen-tums der Gefangenen und des Gepäckssicherzustellen, das die Gefangeneninfolge einer auf Grund von Absatz 2dieses Artikels verordneten Beschrän-kung nicht mit sich nehmen können.

Die Kosten der Verlegung gehen zuLasten des Gewahrsamsstaates.

ABSCHNITT IIIARBEIT DER KRIEGSGEFANGENEN

Artikel 49 Der Gewahrsamsstaat kann die gesun-

den Kriegsgefangenen unter Berück-sichtigung ihres Alters, ihres Ge-schlechts, ihres Dienstgrades sowieihrer körperlichen Fähigkeiten zuArbeiten heranziehen, besonders um siein gutem körperlichen und moralischenGesundheitszustand zu erhalten.

Die kriegsgefangenen Unteroffizieredürfen nur zu Aufsichtsdiensten heran-gezogen werden. Diejenigen, die nicht

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dazu benötigt werden, können um eineandere ihnen zusagende Arbeit nachsu-chen, die ihnen nach Möglichkeit zu ver-schaffen ist.

Falls Offiziere oder ihnen Gleichge-stellte um eine ihnen zusagende Arbeitnachsuchen, ist sie ihnen nach Mög-lichkeit zu verschaffen. Auf keinen Falldürfen sie jedoch zur Arbeit gezwungenwerden.

Artikel 50 Außer den Arbeiten, die mit der

Verwaltung, der Einrichtung und derInstandhaltung ihres Lagers in Zusam-menhang stehen, dürfen die Kriegsge-fangenen nur zu Arbeiten angehaltenwerden, die unter eine der nachfolgendangeführten Kategorien fallen: a) Landwirtschaft; b) Industrien, die sich mit dem Abbau

oder der Erzeugung von Rohstoffen oder der Herstellung von Gütern befassen, mit Ausnahme der metal-lurgischen, der chemischen und der Maschinenindustrie; öffentliche Ar-beiten und Bauarbeiten, sofern sie nicht militärischen Charakter oder eine militärische Bestimmung haben;

c) Transport- und Lager-Arbeiten ohne militärischen Charakter oder militäri-sche Bestimmung;

d) kommerzielle, künstlerische oder handwerkliche Betätigung;

e) häusliche Dienste;f) öffentliche Dienste ohne militärischen

Charakter oder militärische Bestim-mung.

Im Falle einer Verletzung dieser vorge-nannten Bestimmungen steht denKriegsgefangenen gemäß Artikel 78 dasRecht zu, Beschwerde zu führen.

Artikel 51 Den Kriegsgefangenen müssen ange-

messene Arbeitsbedingungen gewährtwerden, insbesondere hinsichtlich Un-terkunft, Verpflegung, Bekleidung undMaterial; diese Bedingungen dürfennicht schlechter sein als diejenigen, dieden Angehörigen des Gewahrsams-staates für gleiche Arbeit gewährt wer-den; dabei werden die klimatischenVerhältnisse ebenfalls berücksichtigt.

Der Gewahrsamsstaat, der die Arbeitder Kriegsgefangenen in Anspruchnimmt, wacht darüber, daß in denGebieten, wo diese Gefangenen arbei-ten, die Landesgesetze über denArbeitsschutz und insbesondere dieVorschriften über die Sicherheit derArbeiter eingehalten werden.

Die Kriegsgefangenen werden ange-lernt und mit Schutzmitteln versehen,die der ihnen zugewiesenen Arbeitangepaßt sind und den für die Ange-hörigen des Gewahrsamsstaates vorge-sehenen entsprechen. Vorbehaltlich derBestimmungen des Artikels 52 dürfendie Kriegsgefangenen den normalenGefahren, die auch Zivilarbeiter auf sichnehmen müssen ausgesetzt werden.

Auf keinen Fall werden die Arbeits-bedingungen durch Disziplinarmaßnah-men verschärft.

Artikel 52 Kein Kriegsgefangener wird für unge-

sunde oder gefährliche Arbeiten verwen-det, es sei denn, er meldet sich freiwillig.

Kein Kriegsgefangener wird zu Arbei-ten herangezogen, die für ein Mitgliedder Streitkräfte des Gewahrsamsstaatesals erniedrigend angesehen würden.

Das Entfernen von Minen oder anderenähnlichen Vorrichtungen gilt als gefährli-che Arbeit.

82 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 82

Artikel 53 Die tägliche Arbeitszeit der Kriegs-

gefangenen, einschließlich des Hin- undRückweges, darf nicht übermäßig sein;sie darf auf keinen Fall die Arbeitszeitüberschreiten, die für einen demGewahrsamsstaat angehörenden undfür die gleiche Arbeit verwendetenZivilarbeiter in der Gegend zulässig ist.

Den Kriegsgefangenen wird nach hal-ber Tagesarbeit eine Ruhepause vonmindestens einer Stunde eingeräumt; istdie für die Arbeiter des Gewahrsams-staates vorgesehene Ruhepause vonlängerer Dauer, so gilt dies auch für dieKriegsgefangenen. Außerdem wirdihnen wöchentlich eine ununterbrochenevierundzwanzigstündige Ruhezeit ge-währt, und zwar vorzugsweise amSonntag oder an dem in ihrem Heimat-lande üblichen Ruhetag. Zusätzlich wirdjedem Kriegsgefangenen, der währendeines ganzen Jahres gearbeitet hat, eineununterbrochene achttägige Ruhezeiteingeräumt, für die ihm der Arbeits-entgelt ausgezahlt wird.

Werden Arbeitsmethoden wie zumBeispiel Akkordarbeit angewendet, sodarf dadurch die Arbeitszeit nicht über-mäßig ausgedehnt werden.

Artikel 54 Der den Kriegsgefangenen zustehende

Arbeitsentgelt wird gemäß den Bestim-mungen von Artikel 62 des vorliegendenAbkommens festgesetzt.

Den Kriegsgefangenen, die einenArbeitsunfall erlitten haben oder diewährend oder infolge ihrer Arbeit er-krankt sind, wird jegliche ihrem Zustandentsprechende Pflege gewährt. Außer-dem händigt ihnen der Gewahrsams-staat ein ärztliches Zeugnis aus, mit demsie gegenüber der Macht, von der sie

abhängen, ihre Rechte geltend machenkönnen; ein Doppel dieses Zeugnisseswird durch den Gewahrsamsstaat der inArtikel 123 vorgesehenen Zentralstellefür Kriegsgefangene übermittelt.

Artikel 55 Die Arbeitsfähigkeit der Kriegsgefan-

genen wird periodisch, mindestens ein-mal im Monat, einer ärztlichen Kontrolleunterzogen. Bei diesen Untersuchungenwird insbesondere die Art der Arbeitenberücksichtigt, zu denen die Kriegs-gefangenen herangezogen sind.

Glaubt ein Kriegsgefangener, nichtarbeitsfähig zu sein, so ist er berechtigt,sich den ärztlichen Instanzen seinesLagers zur Untersuchung zu stellen; dieArzte können Kriegsgefangene, die ihrerAnsicht nach nicht arbeitsfähig sind, fürArbeitsbefreiung empfehlen.

Artikel 56 Die Arbeitsgruppen werden in ähn-

licher Weise organisiert und verwaltetwie die Kriegsgefangenenlager.

Jede Arbeitsgruppe verbleibt unter derKontrolle eines Kriegsgefangenenlagersund hängt verwaltungsmäßig weiter vonihm ab. Die Militärbehörden und derLagerkommandant sind unter derKontrolle ihrer Regierung dafür verant-wortlich, daß die Bestimmungen desvorliegenden Abkommens in den Ar-beitsgruppen beachtet werden.

Der Lagerkommandant führt ein stetsauf dem neuesten Stand gehaltenesVerzeichnis der seinem Lager unterstell-ten Arbeitsgruppen und legt es denDelegierten der Schutzmacht, desInternationalen Komitees vom RotenKreuz und anderer Hilfsorganisationenfür Kriegsgefangene vor, die das Lagerbesuchen.

83III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 83

Artikel 57 Die Behandlung der Kriegsgefan-

genen, die für Privatpersonen arbeiten,entspricht, selbst wenn letztere für dieBewachung und den Schutz die Verant-wortung tragen, mindestens der durchdas vorliegende Abkommen vorgesehe-nen Behandlung; der Gewahrsamsstaat,die militärischen Behörden und derKommandant des Lagers, zu dem dieseGefangenen gehören, tragen die ge-samte Verantwortung für den Unterhalt,die Betreuung, die Behandlung und dieAuszahlung des Arbeitsentgelts dieserKriegsgefangenen.

Diese Kriegsgefangenen haben dasRecht, mit den Vertrauensleuten derLager, denen sie unterstellt sind, inVerbindung zu bleiben.

ABSCHNITT IVGELDMITTEL DER

KRIEGSGEFANGENEN

Artikel 58 Der Gewahrsamsstaat kann von

Beginn der Feindseligkeiten an und inErwartung einer entsprechendenRegelung mit der Schutzmacht denHöchstbetrag an Bargeld oder ähnlichenZahlungsmitteln festsetzen, den dieKriegsgefangenen bei sich tragen dür-fen. Die rechtmäßig in ihrem Besitzbefindlichen, ihnen abgenommenenoder zurückbehaltenen Mehrbeträgesowie die von ihnen hinterlegtenGeldbeträge werden ihrem Konto gutge-schrieben und dürfen ohne ihre Einwilli-gung nicht in eine andere Währungumgewechselt werden.

Sind die Kriegsgefangenen ermächtigt,außerhalb des Lagers gegen BarzahlungKäufe zu tätigen oder Dienstleistungenentgegenzunehmen, so werden diese

Zahlungen durch die Kriegsgefangenenselbst oder durch die Lagerverwaltungvorgenommen, die sie zu Lasten derGefangenen verbucht. Der Gewahr-samsstaat erläßt die nötigen diesbezüg-lichen Bestimmungen.

Artikel 59 Die gemäß Artikel 18 den Kriegs-

gefangenen bei ihrer Gefangennahmeabgenommenen Geldbeträge in derWährung des Gewahrsamsstaates wer-den entsprechend den Bestimmungenvon Artikel 64 dieses Abschnittes deneinzelnen Konten der Gefangenen gut-geschrieben.

Das gleiche gilt für die den Kriegs-gefangenen gleichzeitig abgenomme-nen und in die Währung des Gewahr-samsstaates umgewechselten Beträgefremder Währung.

Artikel 60 Der Gewahrsamsstaat zahlt den

Kriegsgefangenen einen monatlichenSoldvorschuß aus, dessen Höhe, inGeld des Gewahrsamsstaates umge-wandelt, folgenden Beträgen entspricht: Kategorie I: Kriegsgefangene unter

dem Dienstgrade eines Feldwebels: acht Schweizer Franken;

Kategorie II: Feldwebel und andere Unteroffiziere oder Kriegsgefangene mit ent-sprechendem Dienst-grad: zwölf Schweizer Franken;

Kategorie III: Offiziere unter dem Rangeines Majors oder Kriegs-gefangene mit entspre-chendem Dienstgrad: fünfzig Schweizer Franken;

84 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 84

Kategorie IV: Majore, Oberstleutnante, Oberste oder Kriegsge-fangene mit entspre-chendem Dienstgrad: sechzig Schweizer Franken;

Kategorie V: Offiziere im Generalsrang oder Kriegsgefangene mit entsprechendem Dienstgrad: fünfundsieb-zig Schweizer Franken.

Jedoch ist es den am Konflikt beteilig-ten Parteien freigestellt, die Höhe dieserden Kriegsgefangenen der oben ange-führten Kategorien zustehenden Sold-vorschüsse durch Sondervereinbarungabzuändern.

Sind ferner die im ersten Absatz diesesArtikels vorgesehenen Beträge imVergleich zu dem den Mitgliedern derStreitkräfte des Gewahrsamsstaatesausbezahlten Sold zu hoch oder berei-ten sie aus irgendeinem anderen Grundediesem Staat ernsthafte Schwierigkei-ten, so wird der Gewahrsamsstaat biszum Abschluß einer Sonderverein-barung über die Abänderung dieserBeträge mit der Macht, von der dieKriegsgefangenen abhängen, a) die im ersten Absatz vorgesehenen

Beträge weiterhin den Konten der Kriegsgefangenen gutschreiben;

b) die Beträge, die er aus den Sold-vorschüssen den Kriegsgefangenen für ihre persönliche Verwendung zur Verfügung stellt, vorübergehend auf ein vernünftiges Maß beschränken können; jedoch dürfen diese Beträgefür die Gefangenen der Kategorie I keinesfalls niedriger sein als die den Mitgliedern der eigenen Streitkräfte des Gewahrsamsstaates gezahlten Beträge.

Die Gründe einer solchen Beschrän-kung werden der Schutzmacht ohneVerzug bekanntgegeben.

Artikel 61 Der Gewahrsamsstaat nimmt Geld-

sendungen, die die Macht, von der dieKriegsgefangenen abhängen, diesen alsSoldzulage überweist, unter der Bedin-gung an, daß diese Beträge für jedenGefangenen derselben Kategorie gleichhoch sind, daß sie an sämtliche dieserMacht angehörende Gefangene dieserKategorie überwiesen werden, und daßsie sobald wie möglich gemäß denBestimmungen von Artikel 64 den per-sönlichen Konten der Gefangenen gut-geschrieben werden. Diese Soldzulagenbefreien den Gewahrsamsstaat von kei-ner der ihm durch das vorliegendeAbkommen auferlegten Verpflichtungen.

Artikel 62 Die Kriegsgefangenen erhalten un-

mittelbar durch die Behörden desGewahrsamsstaates ein angemessenesArbeitsentgelt, dessen Höhe durchdiese Behörden festgesetzt wird, jedochkeinesfalls niedriger sein darf als einViertel eines Schweizer Franken für denganzen Arbeitstag. Der Gewahrsams-staat gibt den Gefangenen und durchVermittlung der Schutzmacht der Macht,von der sie abhängen, die von ihm fest-gesetzte Höhe des täglichen Arbeits-entgelts bekannt.

Die Behörden des Gewahrsamsstaa-tes zahlen auch denjenigen Kriegsgefan-genen einen Arbeitsentgelt, die imZusammenhang mit der Verwaltung, derinneren Einrichtung oder der Instand-haltung des Lagers ständige Funktionenausüben oder handwerkliche Arbeit lei-sten; dasselbe gilt für Kriegsgefangene,

85III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 85

die zur Ausübung geistlicher oder ärzt-licher Funktionen für ihre Kameradenbenötigt werden.

Der Arbeitsentgelt des Vertrauens-mannes, seiner Gehilfen und etwaigenBerater wird dem aus den Überschüs-sen der Kantine gebildeten Fonds ent-nommen; die Höhe dieses Entgelts wirdvom Vertrauensmann festgesetzt undvom Lagerkommandanten genehmigt.Besteht kein derartiger Fonds, so zahlendie Behörden des Gewahrsamsstaatesdiesen Gefangenen einen angemesse-nen Entgelt.

Artikel 63 Die Kriegsgefangenen sind berechtigt,

Geldsendungen zu empfangen, dieihnen einzeln oder gemeinsam zugehen.

Jeder Kriegsgefangene kann über dasGuthaben seines im nachfolgendenArtikel vorgesehenen Kontos innerhalbder vom Gewahrsamsstaat, der die ver-langten Zahlungen vornimmt, festgeleg-ten Grenzen verfügen. Unter Vorbehaltder vom Gewahrsamsstaat als wesent-lich erachteten Einschränkungen finan-zieller oder währungstechnischer Artsind die Kriegsgefangenen berechtigt,Zahlungen nach dem Ausland zu täti-gen. In diesen Fällen begünstigt derGewahrsamsstaat vor allem solcheZahlungen, die die Gefangenen anPersonen anweisen, für deren Unterhaltsie aufzukommen haben.

Auf jeden Fall können die Kriegsge-fangenen mit dem Einverständnis derMacht, von der sie abhängen, Zahlun-gen in ihr eigenes Land nach folgendemVerfahren vornehmen lassen: Der Ge-wahrsamsstaat läßt besagtem Staatdurch Vermittlung der Schutzmacht eineAnzeige zukommen, die alle zweckdien-lichen Angaben über den Anweiser und

den Empfänger sowie über die Höhedes auszuzahlenden Betrages, in derWährung des Gewahrsamsstaates aus-gedrückt, enthält; diese Anzeige wirdvon dem betreffenden Kriegsgefan-genen unterzeichnet und vom Lager-kommandanten gegengezeichnet. DerGewahrsamsstaat belastet das Kontodes Gefangenen mit diesem Betrag; dieso abgebuchten Beträge schreibt er derMacht gut, von der die Gefangenenabhängen.

Für die Anwendung der vorstehendenBestimmungen kann der Gewahrsams-staat zweckmäßigerweise die in AnhangV des vorliegenden Abkommens enthal-tene Muster-Regelung zu Rate ziehen.

Artikel 64 Der Gewahrsamsstaat führt für jeden

Kriegsgefangenen ein Konto, das zu-mindest folgende Angaben enthält: 1. die dem Gefangenen geschuldeten

oder von ihm als Soldvorschuß, als Arbeitsentgelt oder auf Grund einer anderen Forderung bezogenen Be-träge; die dem Gefangenen abge-nommenen Beträge in der Währung des Gewahrsamsstaates; die dem Gefangenen abgenommenen und auf sein Verlangen in die Währung des Gewahrsamsstaates umge-wechselten Beträge;

2. die dem Gefangenen in Bargeld oder ähnlicher Form ausbezahlten Be-träge; die auf seine Rechnung und sein Verlangen hin geleisteten Zah-lungen; die gemäß Absatz 3 des vorstehenden Artikels überwiesenen Beträge.

Artikel 65 Alle auf dem Konto eines Kriegsgefan-

genen getätigten Buchungen sind durch

86 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 86

ihn oder durch den in seinem Namenhandelnden Vertrauensmann gegenzu-zeichnen oder zu paraphieren.

Den Kriegsgefangenen werden jeder-zeit angemessene Erleichterungen ge-währt, um in ihr Konto Einsicht zu neh-men und eine Abschrift desselben zuerhalten; das Konto kann anläßlichLagerbesuchen auch durch die Vertreterder Schutzmacht geprüft werden.

Bei einer Verlegung der Kriegsgefan-genen in ein anderes Lager wird ihr per-sönliches Konto mitverlegt. Im Falle derÜbergabe an einen anderen Gewahr-samsstaat werden ihre nicht auf dieWährung des Gewahrsamsstaates lau-tenden Beträge mitübergeben; für alleihre übrigen Guthaben wird ihnen eineBestätigung ausgestellt.

Die betreffenden am Konflikt beteiligtenParteien können vereinbaren, sichgegenseitig durch Vermittlung derSchutzmacht in bestimmten Zeitab-ständen die Kontenauszüge der Kriegs-gefangenen mitzuteilen.

Artikel 66 Wird die Gefangenschaft durch Frei-

lassung oder Heimschaffung des Kriegs-gefangenen beendigt, so händigt ihmder Gewahrsamsstaat eine durch einenzuständigen Offizier unterzeichnete Be-scheinigung über das Guthaben aus,das ihm bei Beendigung der Gefangen-schaft noch zusteht. Andererseits über-mittelt der Gewahrsamsstaat der Macht,von der die Kriegsgefangenen abhän-gen, durch Vermittlung der SchutzmachtVerzeichnisse, die alle Angaben über dieGefangenen enthalten, deren Gefangen-schaft durch Heimschaffung, Freilas-sung, Flucht, Tod oder aus irgendeinemanderen Grund ihr Ende gefunden hat,und auf denen insbesondere die Gut-

haben ihrer Konten bescheinigt sind.Jedes einzelne Blatt dieser Verzeich-nisse wird durch einen bevollmächtigtenVertreter des Gewahrsamsstaates be-glaubigt.

Den beteiligten Mächten ist es freige-stellt, die oben angeführten Bestim-mungen durch Sondervereinbarungenganz oder teilweise abzuändern.

Für die Auszahlung des dem Kriegs-gefangenen nach Beendigung der Ge-fangenschaft vom Gewahrsamsstaatgeschuldeten Guthabens ist die Macht,von der er abhängt, verantwortlich.

Artikel 67 Die den Kriegsgefangenen gemäß

Artikel 60 ausgezahlten Soldvorschüssegelten als von der Macht, von der sieabhängen, getätigt; diese Soldvor-schüsse sowie alle von dieser Macht aufGrund von Artikel 63 Absatz 3 undArtikel 68 ausgeführten Zahlungen sindbei Beendigung der FeindseligkeitenGegenstand von Abmachungen zwi-schen den beteiligten Mächten.

Artikel 68 Jeder von einem Kriegsgefangenen

wegen eines Arbeitsunfalles oder wegeneiner durch Arbeit verursachten Invali-dität erhobene Schadenersatzanspruchwird der Macht, von der er abhängt,durch Vermittlung der Schutzmachtbekanntgegeben. In allen diesen Fällenstellt der Gewahrsamsstaat dem Kriegs-gefangenen gemäß den Bestimmungenvon Artikel 54 eine Bescheinigung aus,in der die Art der Verletzung oder derInvalidität, die Umstände, unter denensie zustande gekommen ist, und dieerhaltene ärztliche oder Lazarettpflegevermerkt sind. Diese Bescheinigungwird von einem verantwortlichen Offizier

87III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 87

des Gewahrsamsstaates unterzeichnet;die Angaben ärztlicher Natur werdenvon einem Arzt des Sanitätsdienstesbeglaubigt.

Der Gewahrsamsstaat bringt derMacht, von der die Kriegsgefangenenabhängen, ebenfalls jeden Schadens-ersatzanspruch zur Kenntnis, der voneinem Gefangenen hinsichtlich der ihmgemäß Artikel 18 abgenommenen undanläßlich der Heimschaffung nicht zu-rückerstatteten persönlichen Sachen,Geldbeträge oder Wertsachen geltendgemacht wird; das gleiche gilt hinsicht-lich jedes Schadenersatzansprucheswegen eines Verlustes, für den derGefangene den Gewahrsamsstaat odereinen von dessen Bediensteten verant-wortlich macht. Dagegen ersetzt derGewahrsamsstaat auf seine Kosten allevom Gefangenen während der Gefan-genschaft zum Gebrauch benötigtenpersönlichen Sachen. Auf jeden Fallhändigt der Gewahrsamsstaat demGefangenen eine von einem verantwort-lichen Offizier unterzeichnete Bescheini-gung aus, die alle zweckdienlichenAngaben über die Gründe enthält, wes-halb ihm diese Sachen, Beträge oderWertsachen nicht zurückerstattet wor-den sind. Ein Doppel dieser Beschei-nigung wird durch Vermittlung der inArtikel 123 vorgesehenen Zentralstellefür Kriegsgefangene der Macht zuge-stellt, von der der Gefangene abhängt.

ABSCHNITT VBEZIEHUNGEN DER

KRIEGSGEFANGENEN ZUR

AUSSENWELT

Artikel 69 Sobald der Gewahrsamsstaat Kriegs-

gefangene in seiner Gewalt hat, bringt erihnen sowie der Macht, von der sieabhängen, durch Vermittlung derSchutzmacht, die zur Ausführung derBestimmungen dieses Abschnittes ge-troffenen Maßnahmen zur Kenntnis.Überdies macht er den Erwähnten vonjeder Änderung dieser MaßnahmenMitteilung.

Artikel 70 Jedem Kriegsgefangenen wird un-

mittelbar nach seiner Gefangennahme,spätestens aber eine Woche nach seinerAnkunft in einem Lager, Gelegenheitgegeben, unmittelbar an seine Familieund an die in Artikel 123 vorgeseheneZentralstelle für Kriegsgefangene je eineKarte zu senden, die möglichst dem die-sem Abkommen beigefügten Musterentspricht und die Empfänger von seinerGefangenschaft, seiner Anschrift undseinem Gesundheitszustand in Kenntnissetzt; dies gilt auch, wenn es sich um einDurchgangslager handelt, sowie in allenFällen von Krankheit oder Verlegung inein Lazarett oder ein anderes Lager. DieBeförderung dieser Karten erfolgt soschnell wie möglich und darf in keinerWeise verzögert werden.

Artikel 71 Die Kriegsgefangenen sind ermächtigt,

Briefe und Postkarten abzuschicken undzu empfangen. Erachtet es der Ge-wahrsamsstaat für notwendig, die Zahlder von jedem Kriegsgefangenen abge-

88 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 88

sandten Briefe und Postkarten zubeschränken, so darf die Zugelassenemonatliche Anzahl nicht geringer sein alszwei Briefe und vier Postkarten (ohneAnrechnung der in Artikel 70 vorgesehe-nen Karten), die soweit wie möglich dendem vorliegenden Abkommen beigefüg-ten Mustern entsprechen. SonstigeBeschränkungen dürfen nur auferlegtwerden, wenn die Schutzmacht über-zeugt ist, daß angesichts derSchwierigkeiten, die dem Gewahrsams-staat in der Beschaffung einer genügen-den Anzahl qualifizierter Übersetzer zurErledigung der Zensuraufgaben erwach-sen, diese Beschränkungen im Interesseder Gefangenen selbst liegen. Müssendie an die Gefangenen gerichtetenBriefschaften eingeschränkt werden, sodarf dies nur durch Entscheid derMacht, von der die Kriegsgefangenenabhängen, gegebenenfalls auf Ersuchendes Gewahrsamsstaates, angeordnetwerden. Diese Karten und Briefe sindmit den schnellsten Mitteln zu befördern,über die der Gewahrsamsstaat verfügt;sie dürfen aus disziplinarischen Gründenweder auf- noch zurückgehalten wer-den.

Denjenigen Kriegsgefangenen, die seitlängerer Zeit ohne Nachrichten von ihrerFamilie sind oder denen es nicht möglichist, von ihr solche zu erhalten oder ihr aufnormalem Wege zugehen zulassen,sowie denjenigen, die durch beträchtli-che Entfernungen von den Ihren ge-trennt sind, muß gestattet werden,Telegramme zu senden, deren Gebüh-ren ihrem Konto beim Gewahrsamsstaatzur Last geschrieben oder mit demihnen zur Verfügung stehenden Geldbeglichen werden. Auch in Dringlich-keitsfällen gelangen sie in den Genußeiner solchen Maßnahme.

In der Regel ist der Schriftwechsel derGefangenen in ihrer Mutterspracheabzufassen. Die am Konflikt beteiligtenParteien können jedoch Schriftwechselauch in anderen Sprachen zulassen.

Die Säcke mit der Post derGefangenen werden sorgfältig versie-gelt, mit einer ihren Inhalt klar ersichtlichmachenden Aufschrift versehen und andie Bestimmungspoststellen adressiert.

Artikel 72 Den Kriegsgefangenen wird gestattet,

auf dem Postweg oder auf jede andereWeise Einzel- und Sammelsendungenzu empfangen, die namentlich Lebens-mittel, Kleidung, Arzneimittel undGegenstände enthalten, die für ihre reli-giösen Bedürfnisse, ihre Studien undihre Zerstreuung bestimmt sind, ein-schließlich von Büchern, religiösenGegenständen, wissenschaftlichem Ma-terial, Examensformularen, Musikinstru-menten, Sportgeräten und Sachen, dieden Gefangenen die Fortsetzung ihrerStudien oder eine künstlerische Betäti-gung ermöglichen.

Diese Sendungen befreien den Ge-wahrsamsstaat in keiner Weise von denVerpflichtungen, die ihm das vorliegendeAbkommen auferlegt.

Diese Sendungen können nur denjeni-gen Einschränkungen unterliegen, dievon der Schutzmacht im Interesse derKriegsgefangenen selbst vorgeschlagenoder durch das Internationale Komiteevom Roten Kreuz oder andere Hilfs-organisationen für Kriegsgefangene inbezug auf ihre eigenen Sendungenwegen außerordentlicher Beanspruch-ung der Beförderungs- und Verbin-dungsmittel beantragt werden.

Wenn nötig, sind die Bedingungen derBeförderung von Einzel- und Sammel-

89III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 89

sendungen Gegenstand von Sonder-vereinbarungen zwischen den betreffen-den Mächten, die jedoch den Empfangsolcher Hilfssendungen durch dieKriegsgefangenen auf keinen Fall verzö-gern dürfen. Lebensmittel- und Kleider-sendungen dürfen keine Bücher enthal-ten; ärztliche Hilfslieferungen sind in derRegel in Sammelpaketen zu senden.

Artikel 73 In Ermangelung von Sonderverein-

barungen zwischen den beteiligtenMächten über das beim Empfang undbei der Verteilung von Sammel-Hilfs-sendungen zu befolgende Verfahren, fin-det die dem vorliegenden Abkommenbeigefügte Regelung über Sammel-Hilfssendungen Anwendung.

Die oben erwähnten Sonderverein-barungen dürfen auf keinen Fall dasRecht der Vertrauensleute beschränken,die für die Kriegsgefangenen bestimm-ten Sammel-Hilfssendungen in Empfangzu nehmen, zu verteilen und darüber imInteresse der Gefangenen zu verfügen.

Ebensowenig dürfen sie das Recht derVertreter der Schutzmacht, des Inter-nationalen Komitees vom Roten Kreuzund jeder sonstigen mit der Weiterlei-tung dieser Sammelsendungen beauf-tragten Hilfsorganisation für Kriegsge-fangen beschränken, ihre Verteilungunter die Empfänger zu überwachen.

Artikel 74 Alle für die Kriegsgefangenen be-

stimmten Hilfssendungen werden vonsämtlichen Einfuhr-, Zoll- und anderenGebühren befreit.

Der Schriftwechsel, die Hilfssendun-gen und die genehmigten Geldsendun-gen, die an die Kriegsgefangenen ge-richtet oder von ihnen auf dem Postweg

entweder unmittelbar oder durch Ver-mittlung der in Artikel 122 vorgesehenenAuskunftsbüros und der in Artikel 123vorgesehenen Zentralstelle für Kriegs-gefangenen abgeschickt werden, sindsowohl in den Ursprungs- und Bestim-mungs- als auch in den Durchgangs-ländern von allen Postgebühren befreit.

Die Kosten für die Beförderung der fürdie Kriegsgefangenen bestimmten Hilfs-sendungen, die ihres Gewichtes oderirgendeines anderen Grundes wegennicht auf dem Postweg befördert wer-den können, fallen in allen im Herr-schaftsbereich des Gewahrsamsstaatesliegenden Gebieten zu dessen Lasten.Die anderen Vertragsparteien des vorlie-genden Abkommens tragen die Beför-derungskosten auf ihren Gebieten. InErmangelung von Sondervereinbarun-gen zwischen den beteiligten Mächtengehen die aus der Beförderung dieserSendungen erwachsenden Kosten, diedurch die oben vorgesehenen Befreiun-gen nicht gedeckt sind, zu Lasten desAbsenders.

Die Hohen Vertragsparteien werdensich bemühen, die Gebühren für vonden Kriegsgefangenen aufgegebeneoder an sie gerichtete Telegramme imRahmen des Möglichen zu ermäßigen.

Artikel 75 Sollten Kampfhandlungen die in Frage

kommenden Mächte daran hindern, ihreVerpflichtung zur Gewährleistung derBeförderung der in den Artikeln 70, 71,72 und 77 vorgesehenen Sendungen zuerfüllen, so können die betreffendenSchutzmächte, das Internationale Komi-tee vom Roten Kreuz oder jede sonstigevon den am Konflikt beteiligten Parteienanerkannte Organisation es überneh-men, die Beförderung dieser Sendun-

90 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 90

gen mit passenden Mitteln (Eisenbah-nen, Lastwagen, Schiffen oder Flugzeu-gen usw.) zu gewährleisten. Zu diesemZwecke werden sich die Hohen Ver-tragsparteien bemühen, ihnen dieseBeförderungsmittel zu verschaffen undsie zum Verkehr zuzulassen, insbeson-dere durch Ausstellung der notwendigenGeleitbriefe.

Diese Beförderungsmittel könnenebenfalls verwendet werden zur Beför-derung von a) Briefschaften, Listen und Berichten,

die zwischen der im Artikel 123 vor-gesehenen zentralen Auskunftsstelle und den in Artikel 122 vorgesehenen nationalen Büros ausgetauscht wer-den;

b) Briefschaften und Berichten betref-fend die Kriegsgefangenen, die von den Schutzmächten, dem Internatio-nalen Komitee vom Roten Kreuz undjeder sonstigen Hilfsorganisation für Kriegsgefangene entweder mit ihren eigenen Delegierten oder mit den am Konflikt beteiligten Parteien ausge-tauscht werden.

Diese Bestimmungen beschränkenkeinesfalls das Recht jeder am Konfliktbeteiligten Partei, wenn sie es vorzieht,andere Transporte zu organisieren undGeleitbriefe zu gegenseitig vereinbartenBedingungen auszustellen.

In Ermangelung von Sonderverein-barungen werden die aus der Verwen-dung dieser Beförderungsmittel erwach-senden Kosten proportional von den amKonflikt beteiligten Parteien, derenStaatsangehörigen diese Dienste zugutekommen, getragen.

Artikel 76 Die Zensur des an die Kriegsgefan-

genen gerichteten und von ihnen abge-

schickten Schriftwechsels wird soschnell wie möglich vorgenommen. Siedarf nur von den Absende- und denEmpfangsstaaten durchgeführt werden,und zwar von jedem nur einmal.

Die Durchsicht der für die Kriegsge-fangenen bestimmten Sendungen darfnicht unter Bedingungen erfolgen, wel-che die darin enthaltenen Lebensmitteldem Verderb aussetzen, und wird, außerwenn es sich um Schriftstücke oderDrucksachen handelt, in Gegenwart desEmpfängers oder eines von ihm ord-nungsgemäß beauftragten Kameradenvorgenommen. Die Aushändigung derEinzel- oder Sammelsendungen an dieKriegsgefangenen darf nicht unter demVorwand von Zensurschwierigkeitenverzögert werden.

Ein von einer am Konflikt beteiligtenPartei aus militärischen oder politischenGründen erlassenes Schriftwechselver-bot darf nur vorübergehender Art seinund wird so kurz wie möglich befristet.

Artikel 77 Die Gewahrsamsstaaten gewähren

jede Erleichterung zur Weiterleitung – seies durch Vermittlung der Schutzmachtoder der in Artikel 123 vorgesehenenZentralstelle für Kriegsgefangene – vonAkten, Schriftstücken oder Urkunden,insbesondere von Vollmachten undTestamenten, die für die Kriegsgefan-genen bestimmt sind oder von ihnenabgesandt werden.

In allen Fällen erleichtern die Gewahr-samsmächte den Kriegsgefangenen dieErstellung dieser Dokumente; sie gestat-ten ihnen insbesondere den Verkehr miteinem Rechtsanwalt und veranlassendas Nötige, um die Echtheit ihrer Unter-schrift beglaubigen zu lassen.

91III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 91

ABSCHNITT VIBEZIEHUNGEN DER

KRIEGSGEFANGENEN ZU

DEN BEHÖRDEN

Kapitel IBeschwerden der

Kriegsgefangenen über dieGefangenschaftsbedingungen

Artikel 78 Die Kriegsgefangenen haben das

Recht, den militärischen Behörden, inderen Gewalt sie sich befinden, ihreAnliegen betreffend die Gefangen-schaftsbedingungen, denen sie unter-stellt sind, vorzubringen.

Sie haben ferner das unbeschränkteRecht, sich entweder durch Vermittlungdes Vertrauensmannes oder, wenn siees für notwendig erachten, unmittelbaran die Vertreter der Schutzmächte zuwenden, um ihnen die Punkte zurKenntnis zu bringen, über welche sieBeschwerden hinsichtlich der Gefan-genschaftsbedingungen vorzubringenhaben.

Diese Anliegen und Beschwerdenunterliegen keiner Beschränkung undwerden nicht auf die in Artikel 71genannte Anzahl von Postsendungenangerechnet. Sie werden beschleunigtweitergeleitet. Selbst wenn sie sich alsunbegründet erweisen, dürfen sie nichtAnlaß zu irgendeiner Bestrafung geben.

Die Vertrauensleute können denVertretern der Schutzmächte regelmäßigBerichte über die Lage in den Lagernund über die Bedürfnisse derKriegsgefangenen zustellen.

Kapitel IIVertreter der

Kriegsgefangenen

Artikel 79 In allen Orten, in denen sich Kriegs-

gefangene befinden, mit Ausnahme der-jenigen, wo Offiziere sind, wählen dieGefangenen alle sechs Monate undgleicherweise bei Vakanzen in freier undgeheimer Wahl Vertrauensleute, die mitihrer Vertretung bei den militärischenBehörden, den Schutzmächten, demInternationalen Komitee vom RotenKreuz und jeder sonstigen Hilfsorga-nisation für Kriegsgefangene beauftragtsind. Diese Vertrauensleute sind wieder-wählbar.

In den Lagern der Offiziere und derihnen Gleichgestellten oder in dengemischten Lagern wird der ältestekriegsgefangene Offizier des höchstenDienstgrades als Vertrauensmann aner-kannt. In den Offizierlagern wird er durcheinen oder mehrere von den Offizierengewählte Berater unterstützt; in dengemischten Lagern werden diese Ge-hilfen den Kriegsgefangenen, die nichtOffiziere sind, entnommen und von die-sen gewählt.

Den Arbeitslagern für Kriegsgefangenewerden kriegsgefangene Offiziere dergleichen Nationalität zugeteilt, um dieden Kriegsgefangenen obliegenden Ver-waltungsaufgaben der Lager zu über-nehmen. Im übrigen können diese Offi-ziere gemäß den Bestimmungen desersten Absatzes dieses Artikels zu Ver-trauensleuten gewählt werden. In diesemFalle werden die Gehilfen des Vertrau-ensmannes den Kriegsgefangenen, dienicht Offiziere sind, entnommen.

Jeder Vertrauensmann muß, bevor erseine Funktionen ausüben kann, vom

92 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 92

Gewahrsamsstaat genehmigt werden.Lehnt der Gewahrsamsstaat die Ge-nehmigung eines durch seine Kamera-den gewählten Kriegsgefangenen ab, sogibt er der Schutzmacht die Gründe sei-ner Ablehnung bekannt.

Auf jeden Fall muß der Vertrauens-mann die gleiche Nationalität besitzen,die gleiche Sprache sprechen und die-selben Gebräuche pflegen wie dieKriegsgefangenen, die er vertritt. Soerhalten die nach Nationalität, Spracheund Gebräuchen auf die verschiedenenAbteilungen eines Lagers verteiltenKriegsgefangenen für jede Abteilungeinen eigenen Vertrauensmann gemäßden Bestimmungen der vorstehendenAbsätze.

Artikel 80 Die Vertrauensleute haben das körper-

liche, sittliche und geistige Wohl derKriegsgefangenen zu fördern.

Sollten insbesondere die Kriegsgefan-genen beschließen, untereinander einUnterstützungssystem auf Gegenseitig-keit zu organisieren, so sind die Ver-trauensleute für diese Organisationzuständig, unbeschadet der besonde-ren Aufgaben, die ihnen durch andereBestimmungen des vorliegenden Ab-kommens übertragen sind.

Die Vertrauensleute können nicht ledig-lich auf Grund ihres Amtes für die vonden Kriegsgefangenen begangenenstrafbaren Handlungen verantwortlichgemacht werden.

Artikel 81 Die Vertrauensleute werden zu keiner

anderen Arbeit gezwungen, wenn diesdie Erfüllung ihrer Aufgaben erschwerenkönnte.

Die Vertrauensleute können unter denGefangenen die von ihnen benötigtenHilfskräfte bezeichnen. Alle materiellenErleichterungen, vor allem eine gewissefür die Erfüllung ihrer Aufgaben (Be-suche der Arbeitsgruppen, Inempfang-nahme von Versorgungsgütern usw.)notwendige Freizügigkeit, werden ihnengewährt.

Die Vertrauensleute sind ermächtigt,die Räume zu besichtigen, in denen dieKriegsgefangenen untergebracht sind;die Kriegsgefangenen haben das Recht,ihren Vertrauensmann frei zu Rate zuziehen.

Für ihren postalischen und telegraphi-schen Verkehr mit den Gewahrsamsbe-hörden, den Schutzmächten, demInternationalen Komitee vom RotenKreuz und deren Delegierten, dengemischten ärztlichen Ausschüssensowie mit den Hilfsorganisationen fürKriegsgefangene wird den Vertrauens-leuten gleicherweise jegliche Erleichter-ung gewährt. Die Vertrauensleute derArbeitsgruppen genießen die gleichenErleichterungen für den schriftlichenVerkehr mit dem Vertrauensmann desHauptlagers. Dieser Verkehr darf wederbeschränkt noch auf die in Artikel 71erwähnte Anzahl von Postsachen ange-rechnet werden.

Ein Vertrauensmann darf nicht versetztwerden, ohne daß ihm die billigerweisenotwendige Zeit eingeräumt wird, umseinen Nachfolger mit den laufendenGeschäften vertraut zu machen.

Im Falle einer Absetzung werden dieGründe, die zu diesem Entscheid ge-führt haben, der Schutzmacht bekannt-gegeben.

93III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 93

Kapitel IIIStraf- und

Disziplinarmaßnahmen

I. ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 82 Die Kriegsgefangenen unterstehen den

für die Streitkräfte des Gewahrsams-staates geltenden allgemeinen Geset-zen, Verordnungen und Anordnungen.Der Gewahrsamsstaat ist ermächtigt,gegen jeden Kriegsgefangenen, der sicheine Übertretung dieser allgemeinenGesetze, Verordnungen und Anordnun-gen zuschulden kommen läßt, gerichtli-che oder disziplinarische Maßnahmenzu treffen. Jedoch ist keine Strafverfol-gung oder Bestrafung gestattet, die denBestimmungen dieses Kapitels zuwider-läuft.

Erklären allgemeine Gesetze, Verord-nungen oder Anordnungen des Gewahr-samsstaates die von einem Kriegsge-fangenen begangenen Handlungen alsstrafbar, während die gleichen Hand-lungen nicht strafbar sind, sofern siedurch Mitglieder der Streitkräfte desGewahrsamsstaates begangen werden,so dürfen diese Handlungen lediglicheine disziplinarische Bestrafung nachsich ziehen.

Artikel 83 Handelt es sich darum, festzustellen,

ob eine durch einen Kriegsgefangenenbegangene strafbare Handlung diszipli-narisch oder gerichtlich zu bestrafen ist,so wacht der Gewahrsamsstaat darü-ber, daß die zuständigen Behörden beider Prüfung dieser Frage größte Nach-sicht walten lassen und, wenn immermöglich, eher zu disziplinarischen Maß-

nahmen als zu gerichtlicher Verfolgunggreifen.

Artikel 84 Ein Kriegsgefangener darf nur vor ein

Militärgericht gestellt werden, außerwenn die Rechtsvorschriften des Ge-wahrsamsstaates ausdrücklich die Zivil-gerichte zur Aburteilung eines Mitgliedsder Streitkräfte des Gewahrsamsstaatesfür die gleiche strafbare Handlung wiedie von dem Kriegsgefangenen began-gene als zuständig erklären.

Auf keinen Fall darf ein Kriegsgefan-gener vor ein Gericht gestellt werden,das nicht die allgemein anerkanntenwesentlichen Garantien der Unabhän-gigkeit und der Unparteilichkeit bietetund dessen Verfahren ihm insbesonderenicht die in Artikel 105 vorgesehenenRechte und Mittel der Verteidigunggewährleistet.

Artikel 85 Die Kriegsgefangenen, die auf Grund

der Rechtsvorschriften des Gewahr-samsstaates für Handlungen, die sie vorihrer Gefangennahme begangen haben,verfolgt werden, bleiben, auch wenn sieverurteilt werden, im Genuß der im vor-liegenden Abkommen vorgesehenenVergünstigungen.

Artikel 86 Ein Kriegsgefangener darf nicht mehr

als einmal für dieselbe Handlung oderauf Grund derselben Anklage bestraftwerden.

Artikel 87 Über die Kriegsgefangenen können

von den Militärbehörden und den Ge-richten des Gewahrsamsstaates nur sol-che Strafen verhängt werden, die bei

94 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 94

den gleichen Tatbeständen für dieMitglieder der Streitkräfte dieses Staatesvorgesehen sind.

Bei der Strafzumessung haben dieGerichte oder Behörden des Gewahr-samsstaates soweit wie möglich dieTatsache zu berücksichtigen, daß derAngeklagte, da er nicht Angehöriger desGewahrsamsstaates ist, durch keinerleiTreuepflicht ihm gegenüber gebundenist und sich infolge von Umständen, dienicht von seinem eigenen Willen abhän-gen, in seiner Gewalt befindet. Es bleibtihnen anheimgestellt, das Strafmaßnach freiem Ermessen zu verringern,daß für die dem Gefangenen zur Lastgelegte strafbare Handlung vorgesehenist; sie sind zu diesem Zwecke nicht andie vorgeschriebene Mindeststrafegebunden.

Sämtliche Kollektivstrafen für Hand-lungen einzelner, sämtliche Körperstra-fen, jede Einkerkerung in Räumen ohneTageslicht und ganz allgemein jede Artvon Folter und Grausamkeit sind unter-sagt.

Im übrigen darf der Gewahrsamsstaatkeinen Kriegsgefangenen seines Dienst-grades entheben oder am Tragen seinerDienstgradabzeichen hindern.

Artikel 88 Kriegsgefangene Offiziere, Unteroffi-

ziere und Soldaten, die eine disziplinari-sche oder gerichtliche Strafe verbüßen,werden keiner strengeren Behandlungunterworfen, als bei gleichem Dienst-grad und gleicher Strafe für die Mitglie-der der Streitkräfte des Gewahrsams-staates vorgesehen ist.

Weibliche Kriegsgefangene werdennicht strenger bestraft und während ihrerStrafverbüßung nicht strenger behandeltals die wegen der gleichen strafbaren

Handlung bestraften, den Streitkräftendes Gewahrsamsstaates angehörendenFrauen.

Auf keinen Fall dürfen weibliche Kriegs-gefangene strenger bestraft und wäh-rend der Strafverbüßung strengerbehandelt werden als ein wegen dergleichen strafbaren Handlung bestrafter,den Streitkräften des Gewahrsams-staates angehörender Mann.

Kriegsgefangene, die eine Disziplinar-oder Gerichtsstrafe verbüßt haben, wer-den nicht anders behandelt als die übri-gen Kriegsgefangenen.

II. DISZIPLINARSTRAFEN

Artikel 89 Die auf Kriegsgefangene anwendbaren

Disziplinarstrafen sind die folgenden: 1. Buße bis zu 50 v.H. des Soldvor-

schusses und des Arbeitsentgelts, wie sie in Artikel 60 und 62 vorge-sehen sind, und zwar nur während einer Zeitspanne von höchstens dreißig Tagen;

2. Entzug von Vorteilen, welche über die im vorliegenden Abkommen vor-gesehene Behandlung hinausgehendgewährt wurden;

3. Arbeitsdienst von höchstens zwei Stunden täglich;

4. Arrest.Die unter Ziffer 3 vorgesehene Strafe

darf jedoch nicht auf Offiziere angewen-det werden.

Keinesfalls dürfen Disziplinarstrafenunmenschlich, grausam oder für dieGesundheit der Kriegsgefangenen ge-fährlich sein.

Artikel 90 Die Dauer einer einzigen Strafe darf

dreißig Tage nicht überschreiten. In

95III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 95

Disziplinarfällen wird die vor der Ver-handlung oder der Verhängung derStrafe in Untersuchungshaft verbrachteZeit von der verhängten Strafe abgezo-gen.

Die oben erwähnte Höchstdauer derStrafe von dreißig Tagen darf auch dannnicht überschritten werden, wenn einKriegsgefangener im Zeitpunkt derEntscheidung über seinen Fall sichwegen verschiedener Disziplinarver-gehen zu verantworten hat, gleichgültig,ob diese Handlungen miteinander inZusammenhang stehen oder nicht.

Zwischen dem Disziplinarentscheidund seinem Vollzug darf nicht mehr alsein Monat verstreichen.

Wird über einen Kriegsgefangeneneine weitere Disziplinarstrafe verhängt,so muß zwischen dem Vollzug jeder derStrafen ein Zeitraum von mindestensdrei Tagen liegen, sobald eine von ihnenneun Tage überschreitet.

Artikel 91 Die Flucht eines Kriegsgefangenen gilt

als gelungen, 1. wenn er die Streitkräfte der Macht,

von der er abhängt, oder einer ver-bündeten Macht erreicht hat,

2. wenn er das in der Gewalt des Ge-wahrsamsstaates oder einer mit die-sem verbündeten Macht befindliche Gebiet verlassen hat,

3. wenn er ein die Flagge der Macht, von der er abhängt, oder einer ver-bündeten Macht führendes, in den Territorialgewässern des Gewahr-samsstaates befindliches Schiff er-reicht hat, vorausgesetzt, daß dieses Schiff nicht unter der Befehlsgewalt des Gewahrsamsstaates steht.

Kriegsgefangene, denen im Sinne die-ses Artikels die Flucht gelungen ist, die

aber neuerdings in Gefangenschaftgeraten, dürfen wegen ihrer früherenFlucht nicht bestraft werden.

Artikel 92 Ein Kriegsgefangener, der einen

Fluchtversuch unternimmt und wiederergriffen wird, bevor seine Flucht imSinne von Artikel 91 gelungen ist, darffür diese Handlung, selbst im Wieder-holungsfalle, lediglich disziplinarischbestraft werden.

Der wieder ergriffene Gefangene wirdden zuständigen militärischen Behördenso schnell wie möglich übergeben.

Ungeachtet von Artikel 88 Absatz 4können wegen eines mißlungenenFluchtversuches bestrafte Kriegsgefan-gene einer besonderen Aufsieht unter-stellt werden, jedoch nur unter derBedingung, daß diese Überwachungihren Gesundheitszustand nicht beein-trächtigt, in einem Kriegsgefangenen-lager durchgeführt wird und keinenEntzug irgendwelcher ihnen durch dasvorliegende Abkommen verbürgterRechte umfaßt.

Artikel 93 Flucht oder Fluchtversuche, auch im

Wiederholungsfall, dürfen nicht als er-schwerende Umstände in Fällen be-trachtet werden, in denen ein Kriegsge-fangener wegen einer während seinerFlucht oder seines Fluchtversuchesbegangenen strafbaren Handlung ge-richtlich verfolgt wird.

Kriegsgefangene, die sich einzig undallein in der Absicht, ihre Flucht zuerleichtern, einer strafbaren Handlungschuldig machen, ohne dabei gegenPersonen Gewalt anzuwenden, wieetwa einer strafbaren Handlung gegendas öffentliche Eigentum, des Diebstahls

96 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 96

ohne Bereicherungsabsicht, der Her-stellung und Verwendung falscher Pa-piere, des Tragens von Zivilkleidern dür-fen, entsprechend dem in Artikel 83 auf-gestellten Grundsatz nur disziplinarischbestraft werden.

Kriegsgefangene, die an einer Fluchtoder an einem Fluchtversuch mitgewirkthaben, dürfen deswegen nur disziplina-risch bestraft werden.

Artikel 94 Wird ein geflüchteter Kriegsgefangener

wieder ergriffen, so ist dies, vorausge-setzt, daß auch die Flucht notifiziert wor-den ist, in der in Artikel 122 vorgesehe-nen Weise der Macht, von der erabhängt, zu notifizieren.

Artikel 95 Kriegsgefangene, die eines Verstoßes

gegen die Disziplin angeschuldigt sind,werden bis zur Fällung des Entscheidesnicht in Untersuchungshaft behalten, essei denn, daß diese Maßnahme auch aufMitglieder der Streitkräfte des Gewahr-samsstaates, die sich der gleichen straf-baren Handlung schuldig gemachthaben Anwendung findet, oder daß dashöhere Interesse der Aufrechterhaltungvon Ordnung und Disziplin im Lager diesverlange.

Für alle Kriegsgefangenen wird dieUntersuchungshaft in Disziplinarfällenauf das unbedingt notwendige Mindest-maß beschränkt; sie darf vierzehn Tagenicht überschreiten.

Die Bestimmungen der Artikel 97 und98 dieses Kapitels finden auf Kriegs-gefangene Anwendung, die sich wegeneines Disziplinarvergehens in Unter-suchungshaft befinden.

Artikel 96 Handlungen, die einen Verstoß gegen

die Disziplin darstellen, werden unver-züglich untersucht.

Unbeschadet der Zuständigkeit derGerichte und höheren militärischenBehörden können Disziplinarstrafen nurvon einem Offizier, der in seiner Eigen-schaft als Lagerkommandant mit derDisziplinarstrafgewalt ausgestattet ist,oder von einem verantwortlichen Offizier,der ihn vertritt oder dem er seineDisziplinarstrafgewalt übertragen hat,verhängt werden.

Auf keinen Fall darf diese Disziplinar-strafgewalt einem Kriegsgefangenenübertragen oder durch einen Kriegsge-fangenen ausgeübt werden.

Bevor eine Disziplinarstrafe verhängtwird, wird der angeklagte Kriegsgefan-gene genau über die Tatsachen ins Bildgesetzt, die ihm vorgeworfen werden.Es wird ihm gestattet, sein Verhalten zurechtfertigen und sich zu verteidigen. Erist berechtigt, Zeugen vernehmen zulassen und, falls notwendig, die Hilfeeines befähigten Dolmetschers inAnspruch zu nehmen. Der Entscheidwird dem Kriegsgefangenen und demVertrauensmann bekanntgegeben.

Der Lagerkommandant hat einDisziplinarstrafregister zu führen, dasvon Vertretern der Schutzmacht einge-sehen werden kann.

Artikel 97 Auf keinen Fall dürfen Kriegsgefangene

in Strafanstalten (Kerker, Zuchthäuser,Gefängnisse usw.) überführt werden, umdort Disziplinarstrafen zu verbüßen.

Die Örtlichkeiten, in denen Disziplinar-strafen zu verbüßen sind, müssen den inArtikel 25 vorgesehenen hygienischenAnforderungen entsprechen. Den die

97III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 97

Strafe verbüßenden Kriegsgefangenenmuß gemäß den Bestimmungen vonArtikel 29 ermöglicht werden, sich sau-ber zu halten.

Offiziere und ihnen Gleichgestellte ver-büßen ihre Strafen nicht in den gleichenRäumlichkeiten wie Unteroffiziere undMannschaften.

Weibliche Kriegsgefangene, die eineDisziplinarstrafe verbüßen, werden invon den Männerabteilungen getrenntenRäumen in Haft gehalten und unter dieunmittelbare Überwachung von Frauengestellt.

Artikel 98 Die ihre Disziplinarstrafe verbüßenden

Kriegsgefangenen bleiben weiterhin imGenuß der Bestimmungen des vorlie-genden Abkommens, soweit dessenAnwendung nicht durch die Tatsacheihrer Haft selbst unmöglich gemachtwird. In keinem Fall dürfen ihnen jedochdie Vergünstigungen der Artikel 78 und126 entzogen werden.

Den disziplinarisch bestraften Kriegs-gefangenen dürfen die ihnen auf Grundihres Dienstgrades zustehenden Vor-rechte nicht entzogen werden.

Disziplinarisch bestrafte Kriegsgefan-gene können sich täglich mindestenszwei Stunden im Freien bewegen undaufhalten.

Es wird ihnen gestattet, sich aufVerlangen bei der täglichen Arztvisite zumelden; sie erhalten die Pflege, die ihrGesundheitszustand erfordert, und wer-den gegebenenfalls in die Krankenab-teilung des Lagers oder ein Lazarettüberführt.

Sie erhalten die Erlaubnis, zu lesen undzu schreiben, Briefe abzusenden und zuempfangen. Pakete und Geldsendun-gen dagegen können ihnen bis nach

Verbüßung der Strafe vorenthalten wer-den; in der Zwischenzeit werden diesedem Vertrauensmann anvertraut, der diein den Paketen befindlichen verderb-lichen Lebensmittel der Krankenabtei-lung übergibt.

III. GERICHTLICHE VERFOLGUNG

Artikel 99 Kein Kriegsgefangener darf wegen

einer Handlung gerichtlich verfolgt oderverurteilt werden, die zur Zeit ihrerBegehung nicht ausdrücklich durch inKraft befindliche Gesetze des Gewahr-samsstaates oder geltendes Völkerrechtverboten war.

Auf einen Kriegsgefangenen darf kei-nerlei körperlicher oder seelischerZwang ausgeübt werden, um ihn dazuzu bringen, sich der Handlung, deren erangeklagt ist, schuldig zu bekennen.

Kein Kriegsgefangener darf verurteiltwerden, ohne die Möglichkeit zu seinerVerteidigung und den Beistand einesgeeigneten Verteidigers gehabt zuhaben.

Artikel 100 Den Kriegsgefangenen und den

Schutzmächten ist so früh wie möglichmitzuteilen, für welche strafbaren Hand-lungen die Rechtsvorschriften desGewahrsamsstaates die Todesstrafevorsehen.

Nachträglich kann ohne Einwilligungder Macht, von der die Gefangenenabhängen, die Todesstrafe auf keineweitere strafbare Handlung mehrerstreckt werden.

Die Todesstrafe kann gegen einenKriegsgefangenen nur ausgesprochenwerden, wenn gemäß Artikel 87 Absatz2 das Gericht besonders auf die

98 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 98

Tatsache aufmerksam gemacht wurde,daß der Angeklagte, da er nichtAngehöriger des Gewahrsamsstaatesist, durch keinerlei Treuepflicht ihmgegenüber gebunden ist und sich aufGrund von Umständen in seiner Gewaltbefindet, die nicht von seinem eigenenWillen abhängen.

Artikel 101 Wird gegen einen Kriegsgefangenen

die Todesstrafe ausgesprochen, so wirddas Urteil nicht vollstreckt vor Ablaufeiner Frist von mindestens sechsMonaten, von dem Zeitpunkt an gerech-net, in dem die Schutzmacht unter derangegebenen Anschrift die in Artikel 107vorgesehene ausführliche Mitteilungerhalten hat.

Artikel 102 Ein Urteil gegen einen Kriegsgefan-

genen kann nur dann rechtsgültig gefälltwerden, wenn es durch die gleichenGerichte und nach dem gleichenVerfahren, wie sie für die Angehörigender Streitkräfte des Gewahrsamsstaatesvorgesehen sind, ausgesprochen wirdund im übrigen die Bestimmungen die-ses Kapitels eingehalten werden.

Artikel 103 Gerichtliche Untersuchungen gegen

Kriegsgefangene werden so schnelldurchgeführt, wie die Umstände esgestatten, und zwar so, daß dieGerichtsverhandlung möglichst frühzei-tig stattfinden kann. Ein Kriegsgefan-gener darf nur dann in Untersuchungs-haft gehalten werden, wenn dieseMaßnahme bei gleichen strafbarenHandlungen auch für die Mitglieder derStreitkräfte des Gewahrsamsstaatesvorgesehen ist, oder wenn es die natio-

nale Sicherheit erfordert. Die Unter-suchungshaft darf auf keinen Fall längerals drei Monate dauern.

Die Dauer der Untersuchungshaft istauf die über den Kriegsgefangenen ver-hängte Freiheitsstrafe anzurechnen; diesist bereits bei der Festsetzung der Strafezu berücksichtigen.

Die Bestimmungen der Artikel 97 und98 dieses Kapitels bleiben für dieKriegsgefangenen auch während derUntersuchungshaft in Geltung.

Artikel 104 In allen Fällen, in denen sich der

Gewahrsamsstaat für die Einleitung dergerichtlichen Verfolgung eines Kriegsge-fangenen entschieden hat, hat er diesder Schutzmacht so schnell wie mög-lich, mindestens jedoch drei Wochen vorVerhandlungsbeginn, bekanntzugeben.Diese Frist von drei Wochen läuft erstvon dem Augenblick an, in dem dieSchutzmacht unter der von ihr demGewahrsamsstaat vorher bekanntge-gebenen Anschrift die Mitteilung erhal-ten hat.

Diese Mitteilung hat folgende Angabenzu enthalten: 1. Name, Vorname, Dienstgrad, Ma-

trikelnummer, Geburtsdatum und etwaigen Beruf des Kriegsgefan-genen;

2. Ort der Internierung oder der Haft; 3. genaue Bezeichnung des oder der

Anklagepunkte unter Erwähnung der anwendbaren gesetzlichen Bestim-mungen;

4. das den Fall behandelnde Gericht sowie Zeitpunkt und Ort der Eröff-nung der Verhandlung.

Die gleiche Mitteilung läßt der Ge-wahrsamsstaat dem Vertrauensmannder Kriegsgefangenen zugehen.

99III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 99

Kann bei der Eröffnung der Verhand-lung der Beweis nicht erbracht werden,daß die Schutzmacht, der Kriegsgefan-gene selbst und sein Vertrauensmanndie genannte Mitteilung mindestens dreiWochen vor Verhandlungsbeginn erhal-ten haben, so findet die Verhandlungnicht statt und wird vertagt.

Artikel 105 Dem Kriegsgefangenen steht das

Recht zu, einen seiner kriegsgefangenenKameraden zur Unterstützung beizuzie-hen, sich durch einen geeigneten Anwaltseiner Wahl verteidigen zu lassen,Zeugen vorladen zu lassen und, wenn eres für nötig erachtet, die Dienste einesbefähigten Dolmetschers in Anspruch zunehmen. Der Gewahrsamsstaat setztihn rechtzeitig vor Verhandlungsbeginnvon diesen Rechten in Kenntnis.

Hat der Kriegsgefangene keinen Ver-teidiger gewählt, so stellt ihm dieSchutzmacht einen solchen zur Ver-fügung; dafür steht ihr eine Frist vonmindestens einer Woche zu. AufVerlangen der Schutzmacht läßt ihr derGewahrsamsstaat ein Verzeichnis vonfür die Übernahme der Verteidigunggeeigneten Personen zukommen. Fürden Fall, daß weder der Kriegsgefan-gene noch die Schutzmacht einenVerteidiger bestellen, bezeichnet derGewahrsamsstaat einen für die Vertei-digung des Angeklagten geeignetenAnwalt.

Dem Verteidiger stehen zur Vorberei-tung der Verteidigung des Angeklagtenmindestens zwei Wochen bis zu Eröff-nung der Verhandlung zur Verfügung,ihm werden die dafür erforderlichenErleichterungen gewährt, insbesonderekann er den Angeklagten ungehindertbesuchen und ohne Zeugen mit ihm

sprechen. Er kann mit allen Entlastungs-zeugen einschließlich der Kriegsgefan-genen sprechen. Diese Erleichterungenwerden ihm bis zum Ablauf der Rechts-mittelfristen gewährt.

Dem angeklagten Kriegsgefangenenwerden die Anklageschrift sowie diejeni-gen Dokumente, die im allgemeinen denAngeklagten gemäß den bei den Streit-kräften des Gewahrsamsstaates gelten-den Gesetzen bekanntgegeben werden,in einer ihm verständlichen Sprache undrechtzeitig vor Verhandlungseröffnungzugestellt. Seinem Verteidiger werdendieselben Schriftstücke unter den glei-chen Bedingungen zugestellt.

Die Vertreter der Schutzmacht habendas Recht, den Verhandlungen beizu-wohnen, sofern diese nicht ausnahms-weise im Interesse der Staatssicherheitunter Ausschluß der Öffentlichkeit statt-finden müssen; in diesem Falle teilt derGewahrsamsstaat dies der Schutz-macht mit.

Artikel 106 Jeder Kriegsgefangene hat das Recht,

unter den gleichen Bedingungen, dieauch für die Mitglieder der Streitkräftedes Gewahrsamsstaates gelten, gegendas gegen ihn ergangene Urteil Be-rufung oder Revision einzulegen. Überdie ihm diesbezüglich zustehendenRechte sowie über die zu derenAusübung festgesetzten Fristen ist ervoll und ganz aufzuklären.

Artikel 107 Jedes gegen einen Kriegsgefangenen

ergangene Urteil wird der Schutzmachtunverzüglich in Form einer Zusammen-fassung bekanntgegeben, die auchangibt, ob dem Gefangenen das Rechtzur Berufung oder zur Revision zusteht.

100 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 100

Diese Mitteilung wird auch dem betref-fenden Vertrauensmann zugestellt. Istdas Urteil in Abwesenheit des Ange-klagten gefällt worden, so ergeht dieseMitteilung auch an den Kriegsgefange-nen selbst, und zwar in einer ihm ver-ständlichen Sprache. Außerdem teilt derGewahrsamsstaat der Schutzmacht un-verzüglich mit, ob der Kriegsgefangenevon Rechtsmitteln Gebrauch machenwill oder nicht.

Handelt es sich um ein rechtskräftigesUrteil oder um ein in erster Instanz gefäll-tes Todesurteil, so richtet der Gewahr-samsstaat ferner an die Schutzmachtsobald wie möglich eine ausführlicheMitteilung, die folgende Angaben ent-hält: 1. den genauen Wortlaut des Urteils; 2. einen zusammenfassenden Bericht

über die Untersuchung und die Ver-handlung, der besonders die Grund-züge der Anklage und der Verteidi-gung hervorhebt;

3. gegebenenfalls die Angabe der An-stalt, wo die Strafe zu verbüßen ist.

Die in den vorstehenden Absätzengenannten Mitteilungen werden derSchutzmacht vom Gewahrsamsstaatunter der ihm vorher bekanntgegebenenAnschrift zugestellt.

Artikel 108 Die auf Grund eines ordnungsgemäß

vollstreckbar gewordenen Urteils übereinen Kriegsgefangenen verhängtenStrafen werden in den gleichen Anstal-ten und unter den gleichen Bedingun-gen verbüßt, wie dies bei Mitgliedern derStreitkräfte des Gewahrsamsstaates derFall ist. Diese Bedingungen entsprechenauf alle Fälle den Erfordernissen derHygiene und der Menschlichkeit.

Weibliche Kriegsgefangene, über dieeine derartige Strafe verhängt wird, wer-den in gesonderten Räumen unterge-bracht und unter die Überwachung vonFrauen gestellt.

Auf jeden Fall gelten die Bestimmun-gen der Artikel 78 und 126 des vorlie-genden Abkommens weiterhin für die zueiner Freiheitsstrafe verurteilten Kriegs-gefangenen. Es wird ihnen außerdemgestattet, Briefschaften zu empfangenund zu versenden monatlich mindestensein Hilfspaket zu empfangen und sichregelmäßig im Freien zu bewegen; ent-sprechend ihrem Gesundheitszustandhaben sie Anrecht auf die notwendigeärztliche Pflege und auf Wunsch auchauf geistlichen Beistand. Ihnen auferleg-te Strafen haben den Bestimmungenvon Artikel 87 Absatz 3 zu entsprechen.

Teil IVBeendigung der Gefangenschaft

ABSCHNITT IDIREKTE HEIMSCHAFFUNG

UND HOSPITALISIERUNG IN

NEUTRALEN LÄNDERN

Artikel 109 Die am Konflikt beteiligten Parteien

sind unter Vorbehalt der Bestimmungenvon Absatz 3 dieses Artikels gehalten,die schwerkranken und schwerverwun-deten Kriegsgefangenen, ohne Rück-sicht auf Anzahl und Dienstgrad undnach Herbeiführung ihrer Transportfähig-keit gemäß den Bestimmungen vonAbsatz 1 des nachstehenden Artikels inihre Heimat zurückzusenden.

Die am Konflikt beteiligten Parteienwerden sich während der Dauer der

101III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 101

Feindseligkeiten in Zusammenarbeit mitden in Betracht kommenden neutralenMächten bemühen, die Hospitalisierungder in Absatz 2 des nachstehendenArtikels erwähnten verwundeten oderkranken Kriegsgefangenen in neutralenLändern in die Wege zu leiten; im übri-gen können sie auch Vereinbarungenzur direkten Heimschaffung von gesun-den, schon seit langer Zeit in Gefangen-schaft befindlichen Kriegsgefangenenoder zu deren Internierung in einem neu-tralen Lande treffen.

Während der Feindseligkeiten kannkein gemäß Absatz 1 dieses Artikels fürdie Heimschaffung vorgesehener kran-ker oder verwundeter Kriegsgefangenergegen seinen Willen heimgeschafft wer-den.

Artikel 110 Es sind direkt heimzuschaffen

1. die unheilbar Verwundeten und Kranken, deren geistige oder körper-liche Fähigkeiten beträchtlich herab-gemindert zu sein scheinen;

2. die Verwundeten und Kranken, die nach ärztlicher Voraussicht im Ver-laufe eines Jahres nicht geheilt wer-den können, wenn ihr Zustand eine Behandlung erfordert und ihre geisti-gen und körperlichen Fähigkeiten beträchtlich herabgemindert zu sein scheinen;

3. die geheilten Verwundeten und Kranken, deren geistige oder körper-liche Fähigkeiten dauernd und be-trächtlich herabgemindert zu sein scheinen.

Es können in neutralen Ländern hospi-talisiert werden 1. die Verwundeten und Kranken,

deren Heilung innerhalb eines Jahresnach der Verletzung oder Erkran-

kung zu erwarten ist, wenn die Behandlung in einem neutralen Lande eine sichere und schnellere Heilung voraussehen läßt;

2. die Kriegsgefangenen, deren geistige und körperliche Gesundheit nach ärztlicher Voraussicht durch die Fort-setzung der Gefangenschaft ernst-lich bedroht ist, bei denen jedoch durch die Hospitalisierung in einem neutralen Lande diese Bedrohung vermieden werden könnte.

Die Bedingungen, welche die in einemneutralen Lande hospitalisierten Kriegs-gefangenen erfüllen müssen, um heim-geschafft zu werden, wie auch ihreRechtsstellung werden durch Verein-barung unter den Beteiligten Mächtengeregelt. Im allgemeinen werden diejeni-gen in einem neutralen Lande hospitali-sierten Kriegsgefangenen heimge-schafft, die folgenden Kategorien ange-hören: 1. diejenigen, deren Gesundheitszu-

stand sich derart verschlimmert hat, daß die für die direkte Heimschaf-fung vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind;

2. diejenigen, deren geistige oder kör-perliche Fähigkeiten auch nach er-folgter Behandlung beträchtlich herabgemindert bleiben.

In Ermangelung von Sonderverein-barungen zwischen den betreffendenam Konflikt beteiligten Parteien über dieBestimmung der Invaliditäts- oder Krank-heitsfälle, die die direkte Heimschaffungoder die Hospitalisierung in einem neu-tralen Lande zur Folge haben, werdendiese Fälle gemäß der Muster-Verein-barung über die direkte Heimschaffungund die Hospitalisierung in einem neu-tralen Lande und der Regelung über diegemischten ärztlichen Ausschüsse be-

102 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 102

stimmt, die dem vorliegenden Abkom-men beiliegen.

Artikel 111 Der Gewahrsamsstaat, die Macht, von

der die Kriegsgefangenen abhängen,und eine von diesen beiden Mächtengenehmigte neutrale Macht werden sichum den Abschluß von Vereinbarungenbemühen, die die Internierung vonKriegsgefangenen auf dem Gebiete dergenannten neutralen Macht bis zurEinstellung der Feindseligkeiten gestat-ten.

Artikel 112 Bei Beginn der Feindseligkeiten sind

gemischte ärztliche Ausschüsse zubestellen, die die kranken und verletztenGefangenen untersuchen und allezweckdienlichen Entscheidungen übersie treffen. Für die Bestellung, diePflichten und die Tätigkeit dieser Aus-schüsse sind die Bestimmungen derdem vorliegenden Abkommen beiliegen-den Regelung maßgebend.

Jedoch können Gefangene, die nachAnsicht der ärztlichen Behörden desGewahrsamsstaates offenkundig Schwer-verletzte oder Schwerkranke sind, ohneUntersuchung durch einen gemischtenärztlichen Ausschuß heimgeschafft wer-den.

Artikel 113 Außer den durch die ärztlichen Behör-

den der Gewahrsamsmacht bezeichne-ten verwundeten oder kranken Kriegs-gefangenen haben diejenigen, die einerder nachstehend aufgeführten Kate-gorien angehören, das Recht, sich vonden im vorstehenden Artikel genanntengemischten ärztlichen Ausschüssenuntersuchen zu lassen:

1. die Verwundeten und Kranken, die von einem im Lager tätigen Arzt vor-geschlagen werden, der ihr Lands-mann ist oder einer am Konflikt be-teiligten Partei angehört, die mit der Macht, von der sie abhängen, ver-bündet ist;

2. die von ihrem Vertrauensmann vor-geschlagenen Verwundeten und Kranken;

3. die von der Macht, von der sie ab-hängen, oder von einer von dieser Macht anerkannten Hilfsorganisation für Kriegsgefangene vorgeschlage-nen Verwundeten und Kranken.

Die Kriegsgefangenen, die keiner die-ser drei Kategorien angehören, könnensich diesen gemischten ärztlichen Aus-schüssen gleichwohl zur Untersuchungstellen, werden jedoch erst nach denGefangenen der erwähnten Kategorienuntersucht.

Dem Arzt, der ein Landsmann der vondem gemischten ärztlichen Ausschußuntersuchten Kriegsgefangenen ist,sowie ihrem Vertrauensmann ist eserlaubt, dieser Untersuchung beizuwoh-nen.

Artikel 114 Kriegsgefangene, die einen Unfall erlit-

ten haben, kommen, außer wenn essich um Selbstverstümmelung handelt,in den Genuß der Bestimmungen desvorliegenden Abkommens in bezug aufihre Heimschaffung oder etwaige Hospi-talisierung in einem neutralen Lande.

Artikel 115 Ein disziplinarisch bestrafter Kriegsge-

fangener, der die für die Heimschaffungoder die Hospitalisierung in einem neu-tralen Lande vorgesehenen Bedingun-gen erfüllt, darf nicht zurückgehalten

103III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 103

werden, weil er seine Strafe noch nichtverbüßt hat.

Die gerichtlich verfolgten oder verurteil-ten Kriegsgefangenen, die für die Heim-schaffung oder Hospitalisierung in einemneutralen Lande vorgesehen sind, kön-nen vor Beendigung des Verfahrensoder der Verbüßung der Strafe in denGenuß dieser Maßnahmen gelangen,wenn der Gewahrsamsstaat seine Ein-willigung dazu gibt.

Die am Konflikt beteiligten Parteiengeben sich gegenseitig die Namen der-jenigen bekannt, die bis zur Beendigungdes Verfahrens oder der Verbüßung derStrafe zurückbehalten werden.

Artikel 116 Die Kosten der Heimschaffung oder

die Überführung von Kriegsgefangenenin ein neutrales Land gehen von derGrenze des Gewahrsamsstaates an zuLasten derjenigen Macht, von der dieseKriegsgefangenen abhängen.

Artikel 117 Ein Heimgeschaffter darf im aktiven

Militärdienst nicht mehr verwendet wer-den.

ABSCHNITT IIFREILASSUNG UND HEIM-SCHAFFUNG DER KRIEGS-

GEFANGENEN BEI BEENDIGUNG

DER FEINDSELIGKEITEN

Artikel 118 Die Kriegsgefangenen werden nach

Beendigung der aktiven Feindseligkeitenohne Verzug freigelassen und heimge-schafft.

Enthält das zwischen den am Konfliktbeteiligten Parteien abgeschlossene Ab-

kommen zur Beendigung der Feind-seligkeiten keine diesbezüglichen Be-stimmungen oder wird kein solchesAbkommen abgeschlossen, so stelltjeder Gewahrsamsstaat gemäß dem imvorstehenden Absatz aufgestelltenGrundsatz ohne Verzug selbst einenHeimschaffungsplan auf und führt ihnaus.

In beiden Fällen werden die beschlos-senen Maßnahmen den Kriegsgefan-genen zur Kenntnis gebracht.

Die Kosten der Heimschaffung derKriegsgefangenen werden auf jeden Fallin billiger Weise zwischen der Gewahr-samsmacht und der Macht, von der dieKriegsgefangenen abhängen, geteilt. Zudiesem Zweck werden folgende Grund-sätze beachtet: a) Wenn es sich um Nachbarstaaten

handelt, übernimmt der Staat, von dem die Kriegsgefangenen abhän-gen, die Kosten der Heimschaffung von der Grenze des Gewahrsams-staates an;

b) Wenn es sich nicht um Nachbar-staaten handelt, übernimmt der Gewahrsamsstaat die Kosten der Beförderung der Kriegsgefangenen auf seinem Gebiet, und zwar bis zu seiner Grenze oder bis zu seinem Einschiffungshafen, der dem Staat, von dem die Gefangenen abhängen, am nächsten liegt. Was den Rest der Heimschaffungskosten betrifft, so einigen sich die beteiligten Mäch-te über eine gerechte Aufteilung. Auf keinen Fall darf wegen des Ab-schlusses einer solchen Vereinba-rung die Heimschaffung der Kriegs-gefangenen auch nur im geringsten verzögert werden.

104 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 104

Artikel 119 Die Heimschaffung erfolgt unter ähn-

lichen Bedingungen, wie sie in denArtikel 46 bis 48 einschließlich des vor-liegenden Abkommens für die Verlegungvon Kriegsgefangenen vorgesehen sindund unter Berücksichtigung derBestimmungen von Artikel 118 sowieder nachfolgenden Bestimmungen.

Bei der Heimschaffung werden denKriegsgefangenen die ihnen gemäßArtikel 18 abgenommenen Wertgegen-stände und die Geldbeträge in ausländi-scher Währung, die nicht in die Währungdes Gewahrsamsstaates umgewechseltwurden, zurückerstattet. Die Wert-gegenstände und die Geldbeträge inausländischer Währung, die aus irgend-einem Grunde den Kriegsgefangenenbei ihrer Heimschaffung nicht zurücker-stattet werden, werden dem in Artikel122 vorgesehenen Auskunftsbüro über-geben.

Die Kriegsgefangenen sind berechtigt,ihre persönlichen Sachen, ihre Brief-schaften und die erhaltenen Pakete mit-zunehmen das Gewicht dieses Gepäckskann, falls die Umstände der Heim-schaffung es erfordern, auf das be-schränkt werden, was der Gefangenevernünftigerweise tragen kann; auf jedenFall ist jeder Kriegsgefangene berechtigt,mindestens 25 kg mitzunehmen.

Die anderen persönlichen Sachen desheimgeschafften Kriegsgefangenen wer-den von der Gewahrsamsmacht aufbe-wahrt; diese läßt sie dem Gefangenenzukommen, sobald sie mit der Macht,von der er abhängt, eine Vereinbarungüber die Einzelheiten der Beförderungund die Bezahlung der dadurch entste-henden Kosten getroffen hat.

Die Kriegsgefangenen, gegen diewegen eines Verbrechens oder Ver-

gehens eine Strafverfolgung anhängigist, können bis zum Abschluß desGerichtsverfahrens und gegebenenfallsbis zur Verbüßung der Strafe zurückge-halten werden. Das gleiche gilt fürKriegsgefangene, die wegen eines straf-rechtlichen Verbrechens oder Vergehensverurteilt sind.

Die am Konflikt beteiligten Parteien tei-len sich gegenseitig die Namen derKriegsgefangenen mit, die bis zumAbschluß des Gerichtsverfahrens oderbis zur Verbüßung der Strafe zurückge-halten werden.

Die am Konflikt beteiligten Parteienvereinbaren die Einsetzung von Aus-schüssen, um verstreute Kriegsgefan-gene zu suchen und ihre möglichstschnelle Heimschaffung zu gewährlei-sten.

ABSCHNITT IIITODESFÄLLE VON

KRIEGSGEFANGENEN

Artikel 120 Die Testamente der Kriegsgefangenen

werden so aufgesetzt, daß sie den inden Rechtsvorschriften ihres Heimat-staates aufgestellten Gültigkeitsbedin-gungen entsprechen; diese Bedingun-gen werden vom Heimatstaat demGewahrsamsstaat zur Kenntnis ge-bracht. Auf Verlangen des Kriegsgefan-genen und auf jeden Fall nach seinemTod wird das Testament unverzüglichder Schutzmacht übermittelt und einebeglaubigte Abschrift davon der Zen-tralstelle für Kriegsgefangene zugestellt.

Die gemäß dem diesem Abkommenbeiliegenden Muster erstellten Todes-urkunden oder die von einem verant-wortlichen Offizier beglaubigten Listenaller in der Gefangenschaft verstorbenen

105III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 105

Kriegsgefangenen werden so schnellwie möglich dem in Artikel 122 vorgese-henen Auskunftsbüro für Kriegsgefan-gene zugestellt. Die in Artikel 17 Absatz3 aufgezählten Angaben über Identität,Ort und Zeitpunkt des Todes, Todes-ursache, Ort und Zeitpunkt der Bestat-tung sowie alle zur Auffindung derGräber notwendigen Angaben müssenin diesen Urkunden oder Listen enthal-ten sein.

Der Beerdigung oder Einäscherungmuß eine ärztliche Leichenschau voran-gehen, die den Tod feststellt, die Abfas-sung eines Berichts ermöglicht und,wenn nötig, die Identität des Verstorbe-nen feststellt.

Die Gewahrsamsbehörden sorgendafür, daß in der Gefangenschaft ver-storbene Kriegsgefangene mit allenEhren, wenn möglich gemäß den Ritender Religion der sie angehörten, bestat-tet werden, daß ihre Gräber geachtet,angemessen instandgehalten und sogekennzeichnet werden, daß sie jeder-zeit wieder aufgefunden werden kön-nen. Wenn immer möglich, werden dieverstorbenen Kriegsgefangenen, die vonder gleichen Macht abhingen, am glei-chen Ort bestattet.

Die verstorbenen Kriegsgefangenenwerden einzeln bestattet, sofern nichtdie Beisetzung in einem Gemeinschafts-grab infolge höherer Gewalt unumgäng-lich ist. Die Leichen dürfen nur aus zwin-genden hygienischen Gründen odergemäß der Religion des Verstorbenenoder auf seinen eigenen Wunsch einge-äschert werden. Im Falle einer Ein-äscherung wird die Tatsache unterAngabe der Gründe auf der Todes-urkunde des Verstorbenen vermerkt.

Damit die Gräber jederzeit wieder auf-gefunden werden können, werden alle

Angaben über die Bestattungen und dieGräber durch einen vom Gewahrsams-staat geschaffenen Gräberdienst aufge-zeichnet. Die Verzeichnisse der Gräberund die Angaben über die auf denFriedhöfen oder anderswo bestattetenKriegsgefangenen werden der Macht,von der diese Kriegsgefangenen abhin-gen, übermittelt. Ist die Macht, in derenGewalt ein Gebiet steht, Vertragsparteides vorliegenden Abkommens, soobliegt es ihr, für die Pflege der darinbefindlichen Gräber und für die Eintra-gung jeder nachträglichen Überführungeiner Leiche besorgt zu sein. DieselbenBestimmungen gelten auch für dieAsche, die vom Gräberdienst aufbe-wahrt wird, bis der Heimatstaat seineendgültigen Verfügungen in dieserHinsicht bekanntgibt.

Artikel 121 Nach jedem Todesfall oder jeder

schweren Verletzung eines Kriegsgefan-genen, die durch einen Posten, einenanderen Kriegsgefangenen oder irgend-eine andere Person verursacht wurdeoder verursacht sein könnte, sowie nachjedem Todesfall, dessen Ursache unbe-kannt ist, wird vom Gewahrsamsstaatunverzüglich eine amtliche Unter-suchung eingeleitet.

Der Schutzmacht wird darüber sofortMitteilung gemacht. Die Aussagen derZeugen, besonders der Kriegsgefan-genen, werden aufgenommen; ein dieseAussagen enthaltender Bericht wird dergenannten Macht übersandt.

Erweist die Untersuchung die Schuldeiner oder mehrerer Personen, soergreift der Gewahrsamsstaat alle Maß-nahmen zur gerichtlichen Verfolgung derverantwortlichen Person oder Personen.

106 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 106

Teil VAuskunftsstellen und

Hilfsorganisationen fürKriegsgefangene

Artikel 122 Bei Ausbruch eines Konflikts und in

allen Fällen einer Besetzung richtet jededer am Konflikt beteiligten Parteien einamtliches Auskunftsbüro für die in ihrerHand befindlichen Kriegsgefangenenein; das gleiche gilt für die neutralenoder nichtkriegführenden Mächte hin-sichtlich derjenigen Personen, die einerder in Artikel 4 aufgeführten Kategorienangehören und die sie in ihr Gebiet auf-genommen haben. Die betreffendeMacht trägt dafür Sorge, daß demAuskunftsbüro die Räumlichkeiten, dasMaterial und das Personal zur Verfügungstehen, die notwendig sind, damit eswirksam arbeiten kann. Es steht ihr frei,unter Beachtung der im Abschnitt desvorliegenden Abkommens über dieArbeit der Kriegsgefangenen festgeleg-ten Bedingungen Kriegsgefangene hier-für zu verwenden.

Jede der am Konflikt beteiligtenParteien läßt ihrem Büro in kürzestmög-licher Frist die im vierten, fünften undsechsten Absatz dieses Artikels erwähn-ten Auskünfte über jede feindliche, zueiner der in Artikel 4 aufgeführtenKategorien gehörende und in ihre Händegefallene Person zukommen. Das glei-che gilt für die neutralen oder nichtkrieg-führenden Mächte hinsichtlich jenerPersonen, die diesen Kategorien ange-hören und die sie in ihr Gebiet aufge-nommen haben.

Das Auskunftsbüro leitet diese Aus-künfte durch Vermittlung der Schutz-mächte einerseits und der in Artikel 123

vorgesehenen Zentralstelle andererseitsunverzüglich auf schnellstem Wege andie betreffenden Mächte weiter.

Diese Auskünfte sollen eine schnelleBenachrichtigung der betreffendenFamilien ermöglichen. Vorbehaltlich derBestimmungen des Artikels 17 enthaltendiese Angaben für jeden Kriegsgefan-genen Namen, Vornamen, Dienstgrad,Matrikelnummer, Ort und vollständigesDatum der Geburt, Bezeichnung derMacht, von der er abhängt, Vornamendes Vaters und Mädchennamen derMutter, Namen und Anschrift der zubenachrichtigenden Person sowie dieAnschrift, unter der dem GefangenenBriefschaften zugestellt werden können,soweit das Auskunftsbüro diese An-gaben besitzt.

Das Auskunftsbüro erhält von den ver-schiedenen zuständigen Dienststellendie Angaben über Verlegung, Freilas-sung, Heimschaffung, Flucht, Hospita-lisierung, Tod und leitet sie auf die imdritten Absatz dieses Artikels vorgese-hene Weise weiter.

Ebenso werden regelmäßig, und zwarwenn möglich wöchentlich, Auskünfteüber den Gesundheitszustand schwer-kranker oder schwerverletzter Kriegsge-fangener weitergeleitet.

Das Auskunftsbüro ist ebenfalls verant-wortlich für die Beantwortung allerAnfragen über die Kriegsgefangenen,einschließlich der in der Gefangenschaftverstorbenen; um sich die verlangtenAuskünfte, die ihm fehlen sollten, zubeschaffen, nimmt es die nötigenErhebungen vor.

Alle schriftlichen Mitteilungen desAuskunftsbüros werden durch Unter-schrift oder Siegel beglaubigt.

Das Auskunftsbüro wird ferner beauf-tragt, alle persönlichen Wertgegen-

107III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 107

stände, einschließlich der Geldbeträge inanderer Währung als der des Gewahr-samsstaates, sowie die für die nächstenAngehörigen wichtigen Schriftstücke zusammeln, die die Kriegsgefangenen beiihrer Heimschaffung, ihrer Freilassung,ihrer Flucht oder ihrem Tod zurückgelas-sen haben, und sie an die betreffendenMächte zu übermitteln. Diese Gegen-stände werden vom Büro in versiegeltenPaketen versandt; es wird ihnen eineErklärung, welche die Identität derPerson, der die Gegenstände gehörten,genau feststellt, sowie ein vollständigesVerzeichnis des Paketinhaltes beigefügt.Die sonstigen persönlichen Sachen derin Frage kommenden Kriegsgefangenenwerden gemäß den zwischen denbetreffenden am Konflikt beteiligtenParteien getroffenen Abmachungenzurückgesandt.

Artikel 123 Eine Zentralauskunftsstelle für

Kriegsgefangene wird in einem neutralenLand geschaffen. Das InternationaleKomitee vom Roten Kreuz wird den inFrage kommenden Mächten, sofern esihm notwendig erscheint, die Organisa-tion dieser Zentralstelle vorschlagen.

Diese Zentralstelle wird beauftragt, alleAuskünfte betreffend Kriegsgefangene,die sie auf amtlichem oder privatemWege beschaffen kann, zu sammeln; sieleitet sie so schnell wie möglich an dasHerkunftsland der Kriegsgefangenenoder an die Macht, von der sie abhän-gen, weiter. Seitens der am Konfliktbeteiligten Parteien erhält diese Zentral-stelle alle Erleichterungen zur Durch-führung dieser Weiterleitungen.

Die Hohen Vertragsparteien und imbesonderen diejenigen, deren Angehöri-gen die Dienste der Zentralstelle zugute

kommen, werden aufgefordert, ihr diefinanzielle Hilfe angedeihen zu lassen,deren sie bedarf.

Die vorstehenden Bedingungen dürfennicht als eine Beschränkung der huma-nitären Tätigkeit des InternationalenKomitees vom Roten Kreuz und der inArtikel 125 erwähnten Hilfsgesellschaf-ten ausgelegt werden.

Artikel 124 Die nationalen Auskunftsbüros und die

Zentralauskunftsstelle genießen für allePostsendungen Gebührenfreiheit; auchwerden ihnen alle in Artikel 74 vorgese-henen Befreiungen sowie im Rahmendes Möglichen Gebührenfreiheit oderzumindest bedeutende Gebührener-mäßigungen für telegraphische Mittei-lungen gewährt.

Artikel 125 Unter Vorbehalt der Maßnahmen, die

die Gewahrsamsstaaten für unerläßlicherachten, um ihre Sicherheit zu gewähr-leisten oder jedem anderen vernünftigenErfordernis zu entsprechen, lassen siereligiösen Organisationen, Hilfsgesell-schaften oder jeder anderen den Kriegs-gefangenen Hilfe bringenden Organisa-tion gute Aufnahme zuteil werden. Siegewähren ihnen sowie ihren gebührendbeglaubigten Delegierten alle notwendi-gen Erleichterungen, damit diese dieKriegsgefangenen besuchen, Hilfssen-dungen und für Erziehungs-, Erholungs-oder Religionszwecke bestimmte Ge-genstände, gleich welcher Herkunft, ansie verteilen und ihnen bei der Gestal-tung ihrer Freizeit innerhalb der Lagerhelfen können. Die genannten Gesell-schaften oder Organisationen könnenauf dem Gebiet des Gewahrsamsstaa-tes oder in einem anderen Land gegrün-

108 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 108

det sein oder aber internationalenCharakter haben.

Der Gewahrsamsstaat kann die Anzahlder Gesellschaften und Organisationenbegrenzen, deren Delegierte ermächtigtsind, ihre Tätigkeit auf seinem Gebietund unter seiner Aufsicht auszuüben,vorausgesetzt, daß eine solche Begren-zung die wirksame und ausreichendeHilfeleistung an alle Kriegsgefangenennicht hindert.

Die besondere Stellung des Internatio-nalen Komitees vom Roten Kreuz aufdiesem Gebiete ist jederzeit anzuerken-nen und zu beachten.

Sobald Hilfssendungen oder Gegen-stände, die den oben genanntenZwecken dienen, den Kriegsgefangenenübergeben werden, oder kurze Zeitdanach wird den Hilfsgesellschaftenoder Organisationen für jede von ihnenabgeschickte Sendung eine vom Ver-trauensmann unterzeichnete Empfangs-bestätigung zugestellt. Gleichzeitig wer-den von den Verwaltungsbehörden, diedie Kriegsgefangenen überwachen,Empfangsbestätigungen für dieseSendungen ausgestellt.

Teil VIDurchführung des

Abkommens

ABSCHNITT IALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 126 Die Vertreter oder Delegierten der

Schutzmächte sind ermächtigt, sich analle Orte zu begeben, wo sich Kriegs-gefangene aufhalten, namentlich an alleInternierungs-, Gefangenhaltungs- undArbeitsorte; sie haben zu allen von

Kriegsgefangenen benutzten Räumlich-keiten Zutritt. Sie sind ebenfalls ermäch-tigt, sich an die Abfahrts-, Durchfahrts-und Ankunftsorte von verlegten Kriegs-gefangenen zu begeben. Sie könnensich ohne Zeugen mit den Gefangenenund besonders mit ihrem Vertrauens-mann unterhalten, wenn nötig durchVermittlung eines Dolmetschers.

Den Vertretern und Delegierten derSchutzmächte wird in der Wahl der Orte,die sie zu besuchen wünschen, jedeFreiheit gelassen. Dauer und Zahl dieserBesuche werden nicht eingeschränkt.Diese Besuche dürfen nur aus zwingen-den militärischen Gründen und nur aus-nahmsweise und vorübergehend unter-sagt werden.

Der Gewahrsamsstaat und die Macht,von der die Kriegsgefangenen abhän-gen, können gegebenenfalls überein-kommen, Mitbürger dieser Kriegsgefan-genen zur Teilnahme an solchen Be-suchen zuzulassen.

Die Delegierten des InternationalenKomitees vom Roten Kreuz genießendie gleichen Vorrechte. Die Ernennungdieser Delegierten bedarf der Genehmi-gung der Macht, in deren Hand sich diezu besuchenden Kriegsgefangenenbefinden.

Artikel 127 Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, in Friedens- und Kriegszeitenden Wortlaut des vorliegenden Abkom-mens in ihren Ländern im weitestmög-lichen Ausmaß zu verbreiten und insbe-sondere sein Studium in die militäri-schen und, wenn möglich, zivilen Aus-bildungsprogramme aufzunehmen, sodaß die Gesamtheit ihrer Streitkräfte unddie Bevölkerung seine Grundsätze ken-nenlernen kann.

109III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 109

Die militärischen oder anderen Behör-den, die in Kriegszeiten Verantwortlich-keiten in bezug auf Kriegsgefangene zuübernehmen haben, müssen den Wort-laut des Abkommens besitzen und überdessen Bestimmungen besonders un-terrichtet werden.

Artikel 128 Die Hohen Vertragsparteien stellen

sich gegenseitig durch Vermittlung desSchweizerischen Bundesrates und wäh-rend der Feindseligkeiten durch Vermitt-lung der Schutzmächte die amtlichenÜbersetzungen des vorliegenden Ab-kommens sowie die Gesetze undVerordnungen zu, die sie gegebenenfallszur Gewährleistung seiner Anwendungerlassen.

Artikel 129 Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, alle notwendigen gesetzgeberi-schen Maßnahmen zur Festsetzung vonangemessenen Strafbestimmungen fürsolche Personen zu treffen, die irgendei-ne der im folgenden Artikel umschriebe-nen schweren Verletzungen des vorlie-genden Abkommens begehen oder zueiner solchen Verletzung den Befehlerteilen.

Jede Vertragspartei ist zur Ermittlungder Personen verpflichtet, die derBegehung oder der Erteilung einesBefehls zur Begehung einer dieserschweren Verletzungen beschuldigtsind; sie stellt sie ungeachtet ihrerNationalität vor ihre eigenen Gerichte.Wenn sie es vorzieht, kann sie sie auchgemäß den in ihrem eigenen Recht vor-gesehenen Bedingungen einer anderenan der gerichtlichen Verfolgung interes-sierten Vertragspartei zur Aburteilungübergeben, sofern diese gegen die

erwähnten Personen ein ausreichendesBelastungsmaterial vorbringt.

Jede Vertragspartei ergreift die not-wendigen Maßnahmen um auch diejeni-gen Zuwiderhandlungen gegen dieBestimmungen des vorliegenden Ab-kommens zu unterbinden, die nicht zuden im folgenden Artikel umschriebenenschweren Verletzungen zählen.

Unter allen Umständen genießen dieAngeklagten nicht geringere Sicherheit-en in bezug auf Gerichtsverfahren undfreie Verteidigung, als in Artikel 105 undden folgenden Artikeln des vorliegendenAbkommens vorgesehen sind.

Artikel 130 Als schwere Verletzung im Sinne des

vorstehenden Artikels gilt jede der fol-genden Handlungen, sofern sie gegendurch das Abkommen geschützte Per-sonen oder Güter begangen wird; vor-sätzliche Tötung, Folterung oder un-menschliche Behandlung einschließlichbiologischer Versuche, vorsätzliche Ver-ursachung großer Leiden oder schwereBeeinträchtigung der körperlichen Un-versehrtheit oder der Gesundheit,Nötigung eines Kriegsgefangenen zurDienstleistung in den Streitkräften derfeindlichen Macht oder Entzug seinesAnrechts auf ein ordentliches und unpar-teiisches, den Vorschriften des vorlie-genden Abkommens entsprechendesGerichtsverfahren.

Artikel 131 Eine Hohe Vertragspartei kann weder

sich selbst noch eine andere Vertrags-partei von den Verantwortlichkeitenbefreien, die ihr selbst oder einer ande-ren Vertragspartei auf Grund von Ver-letzungen im Sinne des vorstehendenArtikels zufallen.

110 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 110

Artikel 132 Auf Begehren einer am Konflikt betei-

ligten Partei wird gemäß einem zwischenden beteiligten Parteien festzusetzendenVerfahren über jede behauptete Verlet-zung des Abkommens eine Unter-suchung eingeleitet.

Kann über das Untersuchungsverfah-ren keine Übereinstimung erzielt werden,so kommen die Parteien überein, einenSchiedsrichter zu wählen, der über daszu befolgende Verfahren entscheidet.

Sobald die Verletzung festgestellt ist,setzen ihr die am Konflikt beteiligtenParteien ein Ende und ahnden sie soschnell wie möglich.

ABSCHNITT IISCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 133 Das vorliegende Abkommen ist in fran-

zösischer und englischer Sprache abge-faßt. Beide Texte sind gleicherweisemaßgeblich.

Der Schweizerische Bundesrat läßtamtliche Übersetzungen des Abkom-mens in die russische und die spanischeSprache herstellen.

Artikel 134 Das vorliegende Abkommen ersetzt in

den Beziehungen zwischen den HohenVertragsparteien das Abkommen vom27. Juli 1929.

Artikel 135 In den Beziehungen zwischen Mäch-

ten, die durch das Haager Abkommenbetreffend die Gesetze und Gebräuchedes Landkrieges gebunden sind, sei esdas vom 29. Juli 1899 oder das vom 18.Oktober 1907, und die Vertragsparteien

des vorliegenden Abkommens werden,ergänzt dieses letztere das ZweiteKapitel der dem erwähnten HaagerAbkommen anliegenden Kriegsordnung.

Artikel 136 Das vorliegende Abkommen, welches

das Datum des heutigen Tages trägt,kann bis zum 12. Februar 1950 imNamen der Mächte unterzeichnet wer-den, die auf der am 21. April 1949 inGenf eröffneten Konferenz vertretenwaren, sowie im Namen der Mächte, dieauf dieser Konferenz nicht vertretenwaren, aber Vertragsparteien des Ab-kommens vom 27. Juli 1929 sind.

Artikel 137 Das vorliegende Abkommen soll so-

bald wie möglich ratifiziert werden; dieRatifikationsurkunden werden in Bernhinterlegt.

Über die Hinterlegung jeder Ratifika-tionsurkunde wird ein Protokoll aufge-nommen; von diesem wird eine beglau-bigte Abschrift durch den Schweizeri-schen Bundesrat allen Mächten über-sandt, in deren Namen das Abkommenunterzeichnet oder der Beitritt erklärtworden ist.

Artikel 138 Das vorliegende Abkommen tritt sechs

Monate nach Hinterlegung von minde-stens zwei Ratifikationsurkunden inKraft.

Späterhin tritt es für jede Hohe Ver-tragspartei sechs Monate nach Hinter-legung ihrer Ratifikationsurkunde inKraft.

Artikel 139 Vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an

steht das vorliegende Abkommen jeder

111III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 111

Macht zum Beitritt offen, in deren Namees nicht unterzeichnet worden ist.

Artikel 140 Der Beitritt wird dem Schweizerischen

Bundesrat schriftlich notifiziert und wirdsechs Monate nach dem Zeitpunkt, andem diesem die Notifikation zugegan-gen ist, wirksam.

Der Schweizerische Bundesrat bringtdie Beitritte allen Mächten zur Kenntnis,in deren Namen das Abkommen unter-zeichnet oder der Beitritt notifiziert wor-den ist.

Artikel 141 Der Eintritt der in Artikel 2 und 3 vorge-

sehenen Lage verleiht den vor oder nachBeginn der Feindseligkeiten oder derBesetzung hinterlegten Ratifikationsur-kunden und notifizierten Beitritten vonam Konflikt beteiligten Parteien sofortigeWirkung. Der Schweizerische Bundesratgibt die eingegangenen Ratifikationenoder Beitrittserklärungen von Parteien,die am Konflikt beteiligt sind, auf demschnellsten Wege bekannt.

Artikel 142 Jeder Hohen Vertragspartei steht es

frei, das vorliegende Abkommen zu kün-digen.

Die Kündigung wird dem Schweizeri-schen Bundesrat schriftlich notifiziert.Dieser bringt sie den Regierungen allerHohen Vertragsparteien zur Kenntnis.

Die Kündigung wird ein Jahr nach ihrerNotifizierung an den SchweizerischenBundesrat wirksam. Jedoch bleibt eineKündigung, die notifiziert wird, währenddie kündigende Macht in einen Konfliktverwickelt ist, unwirksam, solange nichtFrieden geschlossen ist und auf alleFälle, solange die mit der Freilassung

und Heimschaffung der durch das vor-liegende Abkommen geschützten Per-sonen in Zusammenhang stehendenHandlungen nicht abgeschlossen sind.

Die Kündigung gilt nur in bezug auf diekündigende Macht. Sie hat keinerleiWirkung auf die Verpflichtungen, welchedie am Konflikt beteiligten Parteiengemäß den Grundsätzen des Völker-rechts zu erfüllen gehalten sind, wie siesich aus den unter zivilisierten Völkernfeststehenden Gebräuchen, aus denGesetzen der Menschlichkeit und ausden Forderungen des öffentlichen Ge-wissens ergeben.

Artikel 143 Der Schweizerische Bundesrat läßt

das vorliegende Abkommen beimSekretariat der Vereinten Nationen ein-tragen. Er setzt das Sekretariat derVereinten Nationen ebenfalls von allenRatifikationen, Beitritten und Kündigun-gen in Kenntnis, die er in bezug auf dasvorliegende Abkommen erhält.

ZU URKUND DESSEN haben die Unter-zeichneten nach Hinterlegung ihrer ent-sprechenden Vollmachten das vorlie-gende Abkommen unterschrieben.

GESCHEHEN zu Genf am 12. August1949 in französischer und englischerSprache. Das Original wird im Archiv derSchweizerischen Eidgenossenschafthinterlegt. Der Schweizerische Bundes-rat übermittelt jedem unterzeichnendenund beitretenden Staat eine beglaubigteAusfertigung des vorliegenden Abkom-mens.

112 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 112

ANHANG IMuster-Vereinbarung über

die direkte Heimschaffung von verwundeten und krankenKriegsgefangenen und dieHospitalisierung in einem

neutralen Land (siehe Artikel 110)

I. Grundsätze der direktenHeimschaffung undHospitalisierung in neutralem Lande

A. DIREKTE HEIMSCHAFFUNG

Es werden direkt heimgeschafft: 1. Alle Kriegsgefangenen mit nachfol-

genden Gebrechen, die durch Ge-walteinwirkung entstanden sind: Verlust einer Extremität, Lähmung, artikuläre und andere Gebrechen, unter der Voraussetzung, daß das Gebrechen mindestens in dem Verlust einer Hand oder eines Fußes besteht oder dem Verlust einer Hand oder eines Fußes gleichkommt. Ohne einer weiteren Auslegung vor-zugreifen, werden folgende Fälle dem Verlust einer Hand oder eines Fußes gleichgesetzt: a) Verlust der Hand, aller Finger

oder des Daumens und Zeige-fingers einer Hand; Verlust des Fußes oder aller Zehen und Metatarsen eines Fußes;

b) Ankylose, Knochendefekte, Narbenschrumpfungen, die die Bewegungsfähigkeit eines großen Gelenkes oder aller Fingerge-lenke einer Hand aufheben;

c) Pseudarthrose an langen Röhren-knochen;

d) Deformitäten, die von Frakturen oder anderen Traumen herrühren und die eine ernstliche Vermin-derung der Funktionsfähigkeit und Fähigkeit zum Lastentragen herbeiführen.

2. Alle verwundeten Kriegsgefangenen, deren Zustand derart chronisch geworden ist, daß trotz Behandlung eine Wiederherstellung innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Verletzung voraussichtlich aus-geschlossen scheint, wie zum Bei-spiel in folgenden Fällen: a) Projektil im Herzen, auch wenn

der gemischte ärztliche Ausschuß bei seiner Untersuchung keine schweren Störungen feststellen kann;

b) Metallsplitter in der Hirnsubstanz oder in den Lungen, auch wenn der gemischte ärztliche Ausschuß bei seiner Untersuchung keine lokalen oder allgemeinen Er-scheinungen feststellen kann;

c) Osteomyelitis, deren Heilung im Verlauf des Jahres, das der Ver-letzung folgt, nicht absehbar ist, und die anscheinend zu einer Ankylose eines Gelenkes oder zu anderen Veränderungen führt, die dem Verlust einer Hand oder eines Fußes gleichkommen;

d) tiefe und eitrige Verletzungen der großen Gelenke;

e) Verletzungen des Schädels mit Verlust oder Verlagerung von Knochengewebe;

f) Verletzung oder Verbrennung des Gesichtes mit Defektbildung und funktionellen Störungen;

g) Verletzungen des Rückenmarkes;h) Verletzung des peripheren Ner-

vensystems, deren Folgen dem

113III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 113

Verlust einer Hand oder eines Fußes gleichkommen und deren Heilung mehr als ein Jahr seit der Verletzung erfordert, zum Beispiel Verletzung des Plexus brachialis oder lumbo-sacralis, des Nervus medianus oder ischiaticus, sowie kombinierte Verletzungen des Nervus radialis und cubitalis oder Nervus peronaeus und tibialis usw. Die isolierte Verletzung des Nervus radialis, cubitalis, pero-naeus oder tibialis rechtfertigt die Heimschaffung nicht, ausgenom-men bei Kontrakturen oder er-heblichen neurotrophischen Störungen;

i) Verletzung des Urogenitalappara-tes, die dessen Funktion ernstlich gefährdet.

3. Alle kranken Kriegsgefangenen, deren Zustand derart chronisch geworden ist, daß trotz Behandlung eine Wiederherstellung innerhalb eines Jahres nach Krankheitsbeginn voraussichtlich ausgeschlossen scheint, wie zum Beispiel in folgen-den Fällen: a) jede aktive Organtuberkulose, die

nach ärztlicher Beurteilung durch Behandlung in neutralem Lande nicht mehr geheilt oder wenig-stens erheblich gebessert werden kann;

b) exsudative Pleuritis;c) schwere Erkrankungen des

Respirationstraktus nicht tuber-kulöser Ätiologie, die voraussicht-lich unheilbar sind, z. B.: schwe-res Lungenemphysem mit oder ohne Bronchitis; chronisches

Asthma*, chronische Bronchitis*,die sich durch mehr als ein Jahr in der Gefangenschaft hinzieht; Bronchieectasie* usw.;

d) schwere chronische Zirkulations-störungen, z. B. Erkrankungen der Herzklappen und des Herz-muskels*, die während der Ge-fangenschaft zu Dekompen-sationserscheinungen führen, auch wenn der gemischte ärztli-che Ausschuß bei seiner Unter-suchung keine dieser Symptome feststellen kann; Erkrankungen des Perikards und der Gefäße usw. (Buerger’sche Krankheit, Aneurismen der großen Gefäße);

e) chronische schwere Erkrankun-gen des Magen-Darmtraktus, z. B.: Ulcus des Magens oder des Duodenums; Operations-folgen nach chirurgischem Ein-griff am Magen, der während der Gefangenschaft ausgeführt wurde; Gastritis, Enteritis oder chronische Colitis, die über ein Jahr andauern und den Allge-meinzustand schwer beeinträch-tigen; Leberzirrhose; chronische Cholezystopathie* usw.;

f) chronische Erkrankungen des Urogenitaltraktus; z. B.: chroni-sche Nephritis mit nachfolgendenStörungen; Nephrektomie wegen Nierentuberkulose; chronische Pyelitis oder chronische Zystitis; Hydronephrose oder Pyonephro-se; schwere chronische Erkran-kungen der weiblichen Genital-organe; Schwangerschaft und geburtshilfliche Erkrankungen,

114 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

* Die Entscheidung des gemischten ärztlichen Ausschusses wird sich weitgehend auf die Beobachtungen der Militärärzte und der Ärzte, die Landsleute der Kriegsgefangenen sind, oder auf Gutachten vonSpezialärzten des Gewahrsstaates stützen.

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 114

wenn eine Hospitalisierung in einem neutralen Lande unmög-lich ist, usw.;

g) schwere chronische Erkrankun-gen des zentralen und peripheren Nervensystems, z. B.: alle Psy-chosen und manifesten Psycho-neurosen, sei es schwere Hysterie,schwere Gefangenen-Psycho-neurose usw., die von einem Spezialisten ordnungsgemäß festgestellt wurden*; jede Epilep-sie, die durch einen Militärarzt ordnungsgemäß festgestellt wird*; Hirngefäßsklerose; chroni-sche Neuritis, die länger als ein Jahr andauert usw.;

h) chronische schwere Erkrankun-gen des neuro-vegetativen Ner-vensystems mit beträchtlicher Verminderung der geistigen und körperlichen Kraft, bedeutendem Gewichtsverlust und allgemeiner Asthenie;

i) Blindheit beider Augen oder eines Auges, wenn der Visus des an-deren Auges trotz Korrektur durch Augengläser geringer ist als 1,0; Verminderung der Seh-schärfe, die nicht bei mindestens einem Auge auf 0,5 korrigiert werden kann*; die anderen schweren Augenerkrankungen, wie z. B. Glaucoma, Iritis, Choroiditis, Trachom usw.;

k) die Störungen der Hörfähigkeit wie vollständige einseitige Taub-heit, wenn das andere Ohr das gesprochene Wort auf einen Meter Distanz nicht mehr wahr-nimmt*, usw.;

l) schwere Stoffwechselstörungen, z. B. Diabetes mellitus, der eine Insulin-Therapie verlangt, usw.;

m) schwere innersekretorische Störungen, z. B.: Thyreotoxikose, Hypothyreose, Addisonsche Krankheit, Simmondssche Kachexie; Tetanie usw.;

n) schwere Erkrankungen der blut-bildenden Organe;

o) schwere chronische Intoxikatio-nen, z. B. Bleivergiftung, Queck-silbervergiftung, Morphinismus, Kokainismus, Alkoholismus; Gasvergiftung und Strahlenschä-digung usw.;

p) chronische Erkrankungen des Bewegungsapparates mit mani-festen funktionellen Störungen; z. B. Arthrosis deformans; primä-re und sekundäre chronische Polyarthritis mit akuten Schüben; Rheumatismus mit schweren kli-nischen Erscheinungen usw.;

q) chronische schwere Hauterkran-kungen, die jeder Behandlung trotzen;

r) jeder bösartige Tumor;s) schwere chronische Infektions-

krankheiten, die über ein Jahr nach Beginn andauern, z. B.: Sumpffieber mit ausgesproche-nen organischen Störungen; Amoeben- und Bazillen-Dysente-rie mit beträchtlichen Störungen; tertiäre therapieresistente Syphilis; Lepra usw.;

t) schwere Avitaminosen oder schwere Inanition.

115

* Die Entscheidung des gemischten ärztlichen Ausschusses wird sich weitgehend auf die Beobachtungen der Militärärzte und der Ärzte, die Landsleute der Kriegsgefangenen sind, oder auf Gutachten vonSpezialärzten des Gewahrsstaates stützen.

III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 115

B. HOSPITALISIERUNG IN EINEM

NEUTRALEN LAND

Es werden vorgesehen zur Hospitali-sierung in einem neutralen Land: 1. Alle verwundeten Kriegsgefangenen,

deren Heilung in der Gefangenschaft unwahrscheinlich ist, die aber geheiltwerden könnten oder deren Zustand beträchtlich gebessert werden könn-te, wenn sie in einem neutralen Lande hospitalisiert würden;

2. die Kriegsgefangenen, die an irgend-einer Organtuberkulose erkrankt sind, deren Behandlung in einem neutralen Land wahrscheinlich eine Heilung oder wenigstens eine be-trächtliche Besserung herbeiführen würde. Ausgenommen sind vor der Gefangenschaft geheilte Primär-tuberkulosen;

3. die Kriegsgefangenen, deren Krank-heit eine Behandlung der Organe des Respirationstraktus, des Herz-Gefäßsystems, des Magen-Darm-traktus, des Nervensystems, des Sensoriums, des Urogenitalappara-tes, des Haut- und Bewegungs-apparates usw. verlangt und die offenkundig mit besseren Resultaten in einem neutralen Lande zu behan-deln sind als in der Gefangenschaft;

4. Kriegsgefangene, die in der Gefan-genschaft nach einer nichttuberkulö-sen Nierenerkrankung eine Nephrek-tomie durchgemacht haben oder an Osteomyelitis erkrankt sind, die auf dem Wege der Besserung oder la-tent ist, oder an Diabetes mellitus, der keine Insulintherapie verlangt, usw.;

5. Kriegsgefangene, die an Neurosen erkrankt sind, die durch den Krieg oder die Gefangenschaft verursacht

wurden. Kriegsgefangene mit Ge-fangenschafts-Neurosen, die nach dreimonatiger Hospitalisierung in neutralem Lande nicht geheilt sind oder die sich nach dieser Frist noch nicht offenkundig auf dem Wege der Besserung befinden, sind heimzu-schaffen;

6. alle Kriegsgefangenen, die eine chro-nische Intoxikation erlitten haben (Gas, Metalle, Alkaloide usw.), bei welchen die Aussichten auf Heilungin einem neutralen Lande besonders günstig sind;

7. alle weiblichen Kriegsgefangenen, die schwanger sind, oder kriegsge-fangene Mütter mit ihren Säuglingen und Kleinkindern.

Die Hospitalisierung in neutralemLande ist ausgeschlossen 1. in allen ordnungsgemäß festgestell-

ten Fällen von Psychosen; 2. in allen Fällen von organischen oder

funktionellen als unheilbar erachteten Nervenerkrankungen;

3. in allen Fällen ansteckender Krank-heiten, während der Periode der Ansteckungsgefahr, mit Ausnahme der Tuberkulose.

II. Allgemeine Bestimmungen

1. Die oben festgelegten Bedingungen werden allgemein so großzügig wie möglich ausgelegt und angewendet. Vor allem werden die neuropathi-schen und psychopathischen Zu-stände, die durch den Krieg oder dieGefangenschaft verursacht sind,

sowie die Fälle von Tuberkulose aller Grade in großzügiger Weise beurteilt werden. Die Kriegsgefangenen, die mehrere Verwundungen erlitten haben, von denen, einzeln betrach-

116 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 116

tet, keine die Heimschaffung recht-fertigt, sind in gleichem Sinne zu beurteilen; dabei ist dem durch die Zahl der Verletzungen bedingten psychischen Trauma Rechnung zu tragen.

2. Alle unbestreitbaren Fälle, die zu direkter Heimschaffung berechtigen (Amputationen, totale Blindheit oder Taubheit, offene Lungentuberkulose, Geisteskrankheit, bösartige Tumore usw.), werden so rasch wie möglich durch die Lagerärzte oder durch von der Gewahrsamsmacht bestimmte Ausschüsse von Militärärzten unter-sucht und heimgeschafft.

3. Vor dem Kriege eingetretene Ver-letzungen und Erkrankungen, die sich nicht verschlimmert haben, sowie Kriegsverletzungen, die eine Wiederaufnahme des Militärdienstes nicht verhindert haben, geben kein Anrecht auf direkte Heimschaffung.

4. Die vorliegenden Bestimmungen werden von allen am Konflikt betei-ligten Parteien in gleicher Weise ausgelegt und angewendet. Die in-teressierten Mächte und Behörden gewähren den gemischten ärztlichenAusschüssen alle zur Erfüllung ihrer

Aufgabe notwendigen Erleichterun-gen.

5. Die unter Ziffer I erwähnten Beispiele stellen nur typische Fälle dar. Fälle, die nicht völlig mit diesen Bestim-mungen übereinstimmen, werden im Geiste der Bestimmungen von Arti-kel 110 des vorliegenden Abkom-mens und der in der vorliegenden Muster-Vereinbarung enthaltenen Grundsätze beurteilt.

ANHANG IIRegelung über die

gemischtenärztlichen Ausschüsse (siehe Artikel 112)

Artikel 1 Die in Artikel 112 des Abkommens vor-

gesehenen gemischten ärztlichen Aus-schüsse setzen sich aus drei Mitgliedernzusammen, von denen zwei einem neu-tralen Staate angehören, während dasdritte vom Gewahrsamsstaat ernanntwird. Eines der neutralen Mitglieder führtden Vorsitz.

Artikel 2 Die beiden neutralen Mitglieder werden

auf Verlangen des Gewahrsamsstaatesim Einvernehmen mit der Schutzmachtdurch das Internationale Komitee vomRoten Kreuz bezeichnet. Sie könnenihren Wohnsitz in ihrem Heimatlande, ineinem anderen neutralen Lande oder imGebiete des Gewahrsamsstaates ha-ben.

Artikel 3 Die neutralen Mitglieder bedürfen der

Genehmigung durch die betreffendenam Konflikt beteiligten Parteien; diesenotifizieren ihre Genehmigung dem Inter-nationalen Komitee vom Roten Kreuzund der Schutzmacht. Sobald dieseNotifizierung erfolgt ist, gelten dieseMitglieder als ernannt.

Artikel 4 Zur Vertretung der ordentlichen Mit-

glieder im Bedarfsfalle werden Stellver-treter in genügender Anzahl ernannt.Diese Ernennungen erfolgen gleichzeitigmit denjenigen der ordentlichen Mit-glieder oder wenigstens so rasch wiemöglich.

117III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 117

Artikel 5 Ist das Internationale Komitee vom

Roten Kreuz aus irgendeinem Grundenicht in der Lage, die neutralen Mitglie-der zu bezeichnen, so besorgt dies dieSchutzmacht.

Artikel 6 Soweit möglich, hat eines der beiden

neutralen Mitglieder Chirurg, das anderepraktischer Arzt zu sein.

Artikel 7 Die neutralen Mitglieder sind von den

am Konflikt beteiligten Parteien, dieihnen jede Erleichterung zur Erfüllungihrer Aufgabe zu gewähren haben, voll-ständig unabhängig.

Artikel 8 Das Internationale Komitee vom Roten

Kreuz legt zugleich mit den in Artikel 2und 4 der vorliegenden Regelung vorge-sehenen Ernennungen im Einvernehmenmit dem Gewahrsamsstaat die Dienst-bedingungen der Mitglieder fest.

Artikel 9 Sobald die neutralen Mitglieder geneh-

migt sind, beginnen die gemischtenärztlichen Ausschüsse so schnell wiemöglich ihre Arbeit, auf jeden Fall inner-halb von drei Monaten nach dem Zeit-punkt der Genehmigung.

Artikel 10 Die gemischten ärztlichen Ausschüsse

untersuchen alle in Artikel 113 des Ab-kommens bezeichneten Gefangenen.Sie schlagen die Heimschaffung, denAusschluß von der Heimschaffung oderdie Zurückstellung bis zu einer späterenUntersuchung vor. Ihre Entscheidungenwerden mit Stimmenmehrheit gefällt.

Artikel 11 Die von einem Ausschuß im Einzelfall

getroffene Entscheidung wird in dem derUntersuchung folgenden Monat derGewahrsamsmacht, der Schutzmachtund dem Internationalen Komitee vomRoten Kreuz mitgeteilt. Der gemischteärztliche Ausschuß setzt auch jedenuntersuchten Gefangenen von dergetroffenen Entscheidung in Kenntnisund händigt jedem für die Heimschaf-fung Vorgeschlagenen eine Bescheini-gung entsprechend dem dem vorliegen-den Abkommen als Anhang beigefügtenMuster aus.

Artikel 12 Der Gewahrsamsstaat ist verpflichtet,

die von dem gemischten ärztlichenAusschuß getroffenen Entscheidungeninnerhalb einer Frist von drei Monaten,nachdem sie ihm ordnungsgemäß zurKenntnis gebracht wurden, durchzufüh-ren.

Artikel 13 Ist in einem Lande, in dem die Tätigkeit

eines gemischten ärztlichen Ausschus-ses notwendig erscheint, kein neutralerArzt vorhanden, und ist es aus irgendei-nem Grunde unmöglich, neutrale, ineinem anderen Lande wohnende Arztezu ernennen, so setzt der Gewahrsams-staat im Einvernehmen mit der Schutz-macht einen ärztlichen Ausschuß ein,der vorbehaltlich der Bestimmungen derArtikel 1, 2, 3, 4, 5 und 8 der vorliegen-den Regelung die gleichen Aufgabenwie ein gemischter ärztlicher Ausschußübernimmt.

Artikel 14 Die gemischten ärztlichen Ausschüsse

üben ihre Tätigkeit ständig aus und

118 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 118

suchen jedes Gefangenenlager inZeitabschnitten von höchstens sechsMonaten auf.

ANHANG IIIRegelung über Sammel-

Hilfssendungen fürKriegsgefangene

(siehe Artikel 73)

Artikel 1 Die Vertrauensleute werden ermäch-

tigt, die ihnen anvertrauten Sammel-Hilfssendungen an alle verwaltungsmä-ßig ihrem Lager zugeteilten Kriegsge-fangenen einschließlich der in Lazarettenoder Gefängnissen oder anderen Straf-anstalten befindlichen zu verteilen.

Artikel 2 Die Verteilung der Sammel-Hilfssen-

dungen geschieht nach den Weisungender Spender und in Übereinstimmungmit einem von den Vertrauensleuten auf-gestellten Plan; jedoch erfolgt die Ver-teilung von medizinischen Hilfssendun-gen vorzugsweise im Einvernehmen mitden leitenden Ärzten, und diese könnenin den Krankenhäusern und Lazarettenvon den oben erwähnten Weisungenabweichen, soweit es die Bedürfnisseihrer Patienten erfordern. Innerhalb desso umrissenen Rahmens erfolgt dieVerteilung stets gleichmäßig.

Artikel 3 Um Güte und Menge der empfange-

nen Waren überprüfen und hierüber aus-führliche Berichte für die Spender abfas-sen zu können, sind die Vertrauensleuteoder ihre Stellvertreter berechtigt, sichzu den Ankunftsstellen von Sammel-Hilfssendungen in der Nähe ihres Lagerszu begeben.

Artikel 4 Den Vertrauensleuten wird Gelegenheit

gegeben nachzuprüfen, ob die Vertei-lung der Sammel-Hilfssendungen inallen Unterabteilungen und Außenstellenihres Lagers entsprechend ihrenWeisungen durchgeführt wird.

Artikel 5 Die Vertrauensleute sind befugt, für die

Spender bestimmte Formblätter oderFragebogen, in denen Angaben über dieSammel-Hilfssendungen (Verteilung,Bedarf, Mengen usw.) gemacht werden,auszufüllen und durch die Vertrauens-leute der Arbeitsgruppen oder durch dieChefärzte der Lazarette und Kranken-häuser ausfüllen zu lassen. Diese ord-nungsmäßig ausgefüllten Formblätterund Fragebogen werden den Spendernunverzüglich zugestellt.

Artikel 6 Um eine geordnete Verteilung der

Sammel-Hilfssendungen an die Kriegs-gefangenen ihres Lagers zu gewährlei-sten und gegebenenfalls den durch dieAnkunft neuer Gruppen von Kriegsge-fangenen hervorgerufenen Bedarf zudecken, werden die Vertrauensleuteermächtigt, ausreichende Vorräte ausden Sammel-Hilfssendungen anzulegenund zu unterhalten. Zu diesem Zweckwerden ihnen geeignete Lagerräume zurVerfügung gestellt; jeder Lagerraum wirdmit zwei Schlössern gesichert; derVertrauensmann erhält die Schlüssel zudem einen, der Lagerkommandant dieSchlüssel zu dem anderen Schloß.

Artikel 7 Für den Fall, daß Sammelsendungen

Kleidungsstücke enthalten, behält jederKriegsgefangene das Anrecht auf min-

119III. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 119

destens eine vollständige Garnitur. Be-sitzt ein Kriegsgefangener mehr als einevollständige Garnitur Kleidungstücke, so steht dem Vertrauensmann, um denBedürfnissen der weniger gut mit Klei-dungsstücken versehenen Gefangenengerecht zu werden, das Recht zu, denam besten Versorgten die überschüssi-gen oder in mehr als einem Stück vor-handenen Bekleidungsstücke abzuneh-men. Indessen darf er eine zweiteGarnitur Unterwäsche, Socken oderSchuhe nicht abnehmen, es sei denn,das keine andere Möglichkeit besteht,um einen Kriegsgefangenen, der keinedieser Sachen besitzt, damit zu versehen.

Artikel 8Die Hohen Vertragsparteien, insbeson-

dere die Gewahrsamsmächte, gestattenim Rahmen des Möglichen und unterVorbehalt der Bestimmungen über dieVersorgung der Bevölkerung mit Nah-rungsmitteln alle Einkäufe auf ihremHoheitsgebiet zur Verteilung von Sam-mel-Hilfsspenden an die Kriegsgefan-genen; sie erleichtern ferner die Über-weisung von Geldmitteln und anderefinanzielle, technische oder Verwaltungs-maßnahmen im Hinblick auf solcheEinkäufe.

Artikel 9Die vorstehenden Bestimmungen be-

einträchtigen weder das Recht derKriegsgefangenen, vor ihrem Eintreffenin einem Lager oder während ihrerVerlegung Sammel-Hilfssendungen zuempfangen, noch die Möglichkeit für dieVertreter der Schutzmacht, des Inter-nationalen Komitees vom Roten Kreuzoder jeder anderen mit der Beförderungdieser Hilfssendungen beauftragtenHilfsorganisation für Kriegsgefangene,

deren Verteilung an die Empfänger mitallen sonstigen ihnen geeignet erschei-nenden Mitteln sicherzustellen.

ANHANG IV

A. Ausweiskarte(siehe Artikel 4)

120 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Bemerkungen. – Diese Karte ist vor-zugsweise in zwei oder drei Sprachen,von denen eine international im Ge-brauch, auszustellen. Maße der längsder punktierten Linie gefalteten Karte: 13 x 10 cm.

B. Gefangenschaftskarte(siehe Artikel 70)

Vorderseite

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 120

121

Rückseite

Bemerkungen. – Diese Karte ist vor-zugsweise in zwei oder drei Sprachen,insbesondere in der Muttersprache des

Rückseite

Bemerkungen. – Diese Karte ist vor-zugsweise in zwei oder drei Sprachen,insbesondere in der Muttersprache desGefangenen und in der Sprache desGewahrsamsstaates, herzustellen. Er istlängs der punktierten Linie zu falten; derobere Teil wird in die mit *** bezeichneteSpalte geschoben, und es entsteht soein Briefumschlag. Die Rückseite, wiediejenige der Postkarte mit Linien verse-hen (siehe Anhang IV C1), ist für denSchriftwechsel der Gefangenen be-stimmt und kann ungefähr 250 Wörterenthalten. Maße des entfalteten Blattes:29 x 15 cm.

Bemerkungen. – Diese Karte ist vor-zugsweise in zwei oder drei Sprachen,insbesondere in der Muttersprache desGefangenen und in der Sprache desGewahrsamsstaates, herzustellen.Maße: 15 x 10,5 cm.

C. Karte und Brief für Schriftwechsel(siehe Artikel 71)

1. KARTE

Vorderseite

Gefangenen und in der Sprache desGewahrsamsstaates, herzustellen.Maße: 15 x 10 cm.

2. BRIEF

III. Genfer Abkommen

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Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle122

ANHANG VMuster-Regelung über die von den

Kriegsgefangenen in ihr eigenesLand überwiesenen Geldbeträge

(siehe Artikel 63)

1. Die in Artikel 63 Absatz 3 erwähnte Anzeige enthält folgende Angaben:a) die in Artikel 17 vorgesehene

Matrikelnummer, den Dienstgrad, Namen und Vornamen des die Zahlung leistenden Kriegsgefan-genen;

b) Namen und Anschrift des Em-pfängers der Zahlung im Her-kunftslande;

c) den auszubezahlenden Betrag in der Währung des Gewahrsams-staates.

2. Diese Anzeige ist durch den Kriegs-gefangenen zu unterzeichnen. Ist er des Schreibens nicht kundig, setzt er ein durch einen Zeugen beglau-bigtes Zeichen. Der Vertrauensmann gegenzeichnet diese Anzeige.

3. Der Lagerkommandant legt dieser Anzeige eine Bescheinigung darüber bei, daß der Habensaldo des betref-fenden Kriegsgefangenen nicht klei-ner ist als der zu zahlende Betrag.

4. Diese Anzeigen können auch in Form von Listen erstellt werden. Jedes Blatt dieser Listen ist durch den Vertrauensmann zu beglaubigen und vom Lagerkommandanten als sachlich richtig zu bescheinigen.

D. Todesurkunde(siehe Artikel 120)

Bemerkungen. – Dieser Vordruck ist inzwei oder drei Sprachen, insbesonderein der Muttersprache des Gefangenenund in der Sprache des Gewahrsams-staates, herzustellen. Maße des Blattes:21 x 30 cm.

E. Heimschaffungsbescheinigung(siehe Anhang II, Artikel 11)

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einer dieser Parteien nicht anerkanntwird.

Das Abkommen findet auch in allenFällen vollständiger oder teilweiser Be-setzung des Gebietes einer HohenVertragspartei Anwendung, selbst wenndiese Besetzung auf keinen bewaffnetenWiderstand stößt.

Ist eine der am Konflikt beteiligtenMächte nicht Vertragspartei des vorlie-genden Abkommens, so bleiben dieVertragsparteien in ihren gegenseitigenBeziehungen gleichwohl durch das Ab-kommen gebunden. Sie sind fernerdurch das Abkommen auch gegenüberdieser Macht gebunden, wenn diesedessen Bestimmungen annimmt undanwendet.

Artikel 3 Im Falle eines bewaffneten Konflikts,

der keinen internationalen Charakter hatund auf dem Gebiet einer der HohenVertragsparteien entsteht, ist jede deram Konflikt beteiligten Parteien gehal-ten, mindestens die folgenden Bestim-mungen anzuwenden:1. Personen, die nicht unmittelbar an

den Feindseligkeiten teilnehmen, ein-

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Die unterzeichneten Bevollmächtigtender Regierungen, die auf der vom 21.April bis 12. August 1949 in Genf ver-sammelten diplomatischen Konferenzzur Ausarbeitung eines Abkommenszum Schutze von Zivilpersonen inKriegszeiten vertreten waren, haben fol-gendes vereinbart

Teil IAllgemeine

Bestimmungen

Artikel 1Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, das vorliegende Abkommenunter allen Umständen einzuhalten undseine Einhaltung durchzusetzen.

Artikel 2Außer den Bestimmungen, die bereits

in Friedenszeiten durchzuführen sind,findet das vorliegende Abkommen An-wendung in allen Fällen eines erklärtenKrieges oder eines anderen bewaffnetenKonflikts, der zwischen zwei oder meh-reren der Hohen Vertragsparteien ent-steht, auch wenn der Kriegszustand von

Genfer Abkommen vom 12. August 1949zum Schutz von Zivilpersonen inKriegszeiten [IV. Genfer Abkommen von 1949]1

1 (1) BGBl. 1954 II S. 917; BGBl. 1956 II S. 1586 – Am 21. Oktober 1950 – für die Bundesrepublik Deutschland am 3. März 1955 – in Kraft getreten.

(2) In Österreich lautet der Titel dieses Abkommens „Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über denSchutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten“. In der Schweiz und in Liechtenstein lautet der Titel dieses Abkommens „Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten“.

IV. Genfer Abkommen

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schließlich der Mitglieder der Streit-kräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangen-nahme oder irgendeine andere Ur-sache außer Kampf gesetzt sind, werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt, ohne jede auf Rasse, Farbe, Religion oder Glauben, Geschlecht, Geburt oder Vermögen oder auf irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungs-merkmal beruhende Benachteiligung.Zu diesem Zwecke sind und bleiben in bezug auf die oben erwähnten Personen jederzeit und überall ver-botena) Angriffe auf das Leben und die

Person, namentlich Tötung jeder Art, Verstümmelung, grausame Behandlung und Folterung;

b) das Festnehmen von Geiseln;c) Beeinträchtigung der persön-

lichen Würde, namentlich ernied-rigende und entwürdigende Behandlung;

d) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil einesordentlich bestellten Gerichtes, das die von den zivilisierten Völ-kern als unerläßlich anerkannten Rechtsgarantien bietet.

2. Die Verwundeten und Kranken wer-den geborgen und gepflegt.

Eine unparteiische humanitäre Organi-sation, wie das Internationale Komiteevom Roten Kreuz, kann den am Konfliktbeteiligten Parteien ihre Dienste anbieten.

Die am Konflikt beteiligten Parteienwerden sich andererseits bemühen,durch Sondervereinbarungen auch dieanderen Bestimmungen des vorliegen-den Abkommens ganz oder teilweise inKraft zu setzen.

Die Anwendung der vorstehendenBestimmungen hat auf die Rechtsstel-lung der am Konflikt beteiligten Parteienkeinen Einfluß.

Artikel 4Durch das Abkommen werden die

Personen geschützt, die sich im Falleeines Konflikts oder einer Besetzung zuirgendeinem Zeitpunkt und gleichgültigauf welche Weise im Machtbereich eineram Konflikt beteiligten Partei oder einerBesatzungsmacht befinden, deren An-gehörige sie nicht sind.

Die Angehörigen eines Staates, derdurch das Abkommen nicht gebundenist, werden durch das Abkommen nichtgeschützt. Die Angehörigen eines neu-tralen Staates, die sich auf dem Gebieteeines kriegführenden Staates befinden,und die Angehörigen eines mitkriegfüh-renden Staates werden nicht alsgeschützte Personen betrachtet, solan-ge der Staat, dem sie angehören, einenormale diplomatische Vertretung beidem Staate unterhält, in dessen Macht-bereich sie sich befinden.

Die Bestimmungen des zweiten Teilshaben hingegen einen ausgedehnteren,im Artikel 13 umschriebenen Anwen-dungsbereich.

Personen, die durch das GenferAbkommen vom 12. August 1949 zurVerbesserung des Loses der Verwunde-ten und Kranken der Streitkräfte imFelde oder durch das Genfer Abkom-men vom 12. August 1949 zur Verbes-serung des Loses der Verwundeten,Kranken und Schiffbrüchigen der Streit-kräfte zur See oder durch das GenferAbkommen vom 12. August 1949 überdie Behandlung der Kriegsgefangenengeschützt sind, gelten nicht als ge-

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schützte Personen im Sinne des vorlie-genden Abkommens.

Artikel 5Hat eine am Konflikt beteiligte Partei

wichtige Gründe anzunehmen, daß eineauf ihrem Gebiet befindliche und durchdas vorliegende Abkommen geschützteEinzelperson unter dem begründetenVerdacht steht, eine der Sicherheit desStaates abträgliche Tätigkeit zu betrei-ben, oder ist festgestellt, daß sie sichtatsächlich einer derartigen Tätigkeitwidmet, so kann sich die betreffendePerson nicht auf durch das vorliegendeAbkommen eingeräumte Rechte undVorrechte berufen, die, würden sie zu-gunsten dieser Person angewendet, derSicherheit des Staates abträglich wären.

Wird in einem besetzten Gebiet einedurch das Abkommen geschützte Per-son als Spion oder Saboteur oder unterdem begründeten Verdacht festgenom-men, eine der Sicherheit der Besat-zungsmacht abträgliche Tätigkeit zu be-treiben, so kann eine solche Person inFällen, in denen dies aus militärischenSicherheitsgründen unbedingt erforder-lich ist, der Rechte auf Benutzung der imvorliegenden Abkommen vorgesehenenMitteilungswege für verlustig erklärt wer-den.

In jedem dieser Fälle werden derartigePersonen jedoch mit Menschlichkeitbehandelt und im Falle einer gericht-lichen Verfolgung nicht des Anspruchsauf ein gerechtes und ordentliches Ver-fahren, wie es das vorliegende Abkom-men vorsieht, für verlustig erklärt. Siewerden gleichfalls wieder in den vollenBesitz der Rechte und Vorrechte einerdurch das vorliegende Abkommengeschützten Person eingesetzt, sobald

dies die Sicherheit des Staates oder derBesatzungsmacht irgendwie gestattet.

Artikel 6Das vorliegende Abkommen findet mit

Beginn jedes Konflikts oder jeder Be-setzung, wie sie im Artikel 2 erwähntsind, Anwendung.

Auf dem Gebiete der am Konflikt betei-ligten Parteien findet die Anwendungdes Abkommens mit der allgemeinenEinstellung der Kampfhandlungen ihrEnde.

In besetzten Gebieten findet die An-wendung des vorliegenden Abkommensein Jahr nach der allgemeinen Einstel-lung der Kampfhandlungen ihr Ende. DieBesatzungsmacht ist jedoch währendder Dauer der Besetzung – soweit siedie Funktionen einer Regierung in demin Frage stehenden Gebiet ausübt –durch die Bestimmungen der folgendenArtikel des vorliegenden Abkommensgebunden: 1 bis 12, 27, 29 bis 34, 47,49, 51, 52, 53, 59, 61 bis 77 und 143.

Geschützte Personen, deren Freilas-sung, Heimschaffung oder Niederlas-sung nach diesen Fristen stattfindet,bleiben in der Zwischenzeit im Genussedes vorliegenden Abkommens.

Artikel 7Außer den in den Artikeln 11, 14, 15,

17, 36, 108, 109, 132, 133 und 149 aus-drücklich vorgesehenen Vereinbarungenkönnen die Hohen Vertragsparteienandere Sondervereinbarungen über jedeFrage treffen, deren besondere Rege-lung ihnen zweckmäßig erscheint. EineSondervereinbarung darf weder dieLage der geschützten Personen, wie siedurch das vorliegende Abkommen gere-gelt ist, beeinträchtigen noch die Rechte

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beschränken, die ihnen das Abkommenverleiht.

Geschützte Personen genießen dieVorteile dieser Vereinbarungen, solangedas Abkommen auf sie anwendbar ist,es sei denn, daß in den oben genanntenoder in späteren Vereinbarungen aus-drücklich etwas anderes festgelegt wird,oder daß durch die eine oder andere deram Konflikt beteiligten Parteien vorteil-haftere Maßnahmen zu ihren Gunstenergriffen werden.

Artikel 8Die geschützten Personen können in

keinem Falle, weder teilweise noch voll-ständig, auf die Rechte verzichten, dieihnen das vorliegende Abkommen undgegebenenfalls die im vorstehendenArtikel genannten Sondervereinbarun-gen verleihen.

Artikel 9Das vorliegende Abkommen wird unter

der Mitwirkung und Aufsieht der Schutz-mächte angewendet, die mit der Wahr-nehmung der Interessen der am Konfliktbeteiligten Parteien betraut sind. Zu die-sem Zwecke können die Schutzmächteaußer ihren diplomatischen oder konsu-larischen Vertretern Delegierte unterAngehörigen ihres eigenen Landes oderunter Angehörigen anderer neutralerMächte ernennen. Diese Delegiertenmüssen von der Macht genehmigt wer-den, bei der sie ihre Aufgabe durchzu-führen haben.

Die am Konflikt beteiligten Parteien er-leichtern die Aufgabe der Vertreter oderDelegierten der Schutzmächte in größt-möglichem Maße.

Die Vertreter oder Delegierten derSchutzmächte dürfen keinesfalls dieGrenzen ihrer Aufgabe, wie sie aus dem

vorliegenden Abkommen hervorgeht,überschreiten; insbesondere haben siedie zwingenden Sicherheitsbedürfnissedes Staates, bei dem sie ihre Aufgabedurchführen, zu berücksichtigen.

Artikel 10Die Bestimmungen des vorliegenden

Abkommens bilden kein Hindernis fürdie humanitäre Tätigkeit, die das Inter-nationale Komitee vom Roten Kreuzoder irgendeine andere unparteiischehumanitäre Organisation mit Geneh-migung der betreffenden am Konfliktbeteiligten Parteien ausübt, um dieZivilpersonen zu schützen und ihnenHilfe zu bringen.

Artikel 11Die Hohen Vertragsparteien können

jederzeit vereinbaren, die durch das vor-liegende Abkommen den Schutzmäch-ten übertragenen Aufgaben einer Orga-nisation anzuvertrauen, die alle Garan-tien für Unparteilichkeit und Wirksamkeitbietet.

Werden geschützte Personen ausirgendeinem Grunde nicht oder nichtmehr von einer Schutzmacht oder einergemäß Absatz 1 bezeichneten Organi-sation betreut, so ersucht der Gewahr-samsstaat einen neutralen Staat odereine solche Organisation, die Aufgabenzu übernehmen, die das vorliegende Ab-kommen den durch die am Konflikt be-teiligten Parteien bezeichneten Schutz-mächten überträgt.

Kann der Schutz auf diese Weise nichtgewährleistet werden, so ersucht derGewahrsamsstaat entweder eine huma-nitäre Organisation wie das Internatio-nale Komitee vom Roten Kreuz, diedurch das vorliegende Abkommen denSchutzmächten zufallenden humanitä-

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ren Aufgaben zu übernehmen, oder ernimmt unter Vorbehalt der Bestimmun-gen dieses Artikels die Dienste an, dieihm eine solche Organisation anbietet.

Jede neutrale Macht oder jede Orga-nisation, die von der betreffenden Machteingeladen wird oder sich zu diesemZweck zur Verfügung stellt, hat sich inihrer Tätigkeit ihrer Verantwortunggegenüber der am Konflikt beteiligtenPartei, welcher die durch das vorliegen-de Abkommen geschützten Personenangehören, bewußt zu bleiben und aus-reichende Garantien dafür zu bieten,daß sie in der Lage ist, die betreffendenAufgaben zu übernehmen und mitUnparteilichkeit zu erfüllen.

Von den vorstehenden Bestimmungenkann nicht durch eine Sonderverein-barung zwischen Mächten abgewichenwerden, von denen die eine, wenn auchnur vorübergehend, gegenüber deranderen oder deren Verbündeten infolgemilitärischer Ereignisse und besondersinfolge einer Besetzung ihres gesamtenGebietes oder eines wichtigen Teilsdavon in ihrer Verhandlungsfreiheit be-schränkt ist.

Jedesmal wenn im vorliegenden Ab-kommen die Schutzmacht erwähnt wird,bezieht sich diese Erwähnung ebenfallsauf die Organisationen, die sie im Sinnedieses Artikels ersetzen.

Die Bestimmungen dieses Artikelserstrecken sich und werden angewen-det auf Fälle von Angehörigen einesneutralen Staates, die sich auf besetz-tem Gebiete oder auf dem Gebiete eineskriegführenden Staates befinden, beidem der Staat, dessen Angehörige siesind, keine normale diplomatische Ver-tretung unterhält.

Artikel 12In allen Fällen, in denen die Schutz-

mächte dies im Interesse der geschütz-ten Personen als angezeigt erachten,insbesondere in Fällen von Meinungs-verschiedenheiten zwischen den amKonflikt beteiligten Parteien über dieAnwendung oder Auslegung der Be-stimmungen des vorliegenden Abkom-mens, leihen sie ihre guten Dienste zurBeilegung des Streitfalles.

Zu diesem Zweck kann jede derSchutzmächte, entweder auf Einladungeiner Partei oder von sich aus, den amKonflikt beteiligten Parteien eine Zu-sammenkunft ihrer Vertreter und insbe-sondere der für das Schicksal dergeschützten Personen verantwortlichenBehörden vorschlagen, gegebenenfallsauf einem passend gewählten neutralenGebiet. Die am Konflikt beteiligtenParteien sind gehalten, den ihnen zu die-sem Zweck gemachten VorschlägenFolge zu leisten. Die Schutzmächte kön-nen gegebenenfalls den am Konfliktbeteiligten Parteien eine einer neutralenMacht angehörende oder vom Inter-nationalen Komitee vom Roten Kreuzdelegierte Persönlichkeit zur Genehmi-gung vorschlagen, die zu ersuchenwäre, an dieser Zusammenkunft teilzu-nehmen.

Teil II Allgemeiner Schutz der Bevölkerung vor

gewissen Kriegsfolgen

Artikel 13Die Bestimmungen dieses Teiles bezie-

hen sich auf die Gesamtheit der Bevöl-kerung von Ländern, die in einen Konfliktverwickelt sind, ohne jede namentlich

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auf Rasse, Nationalität, Religion oderpolitischer Meinung beruhende Benach-teiligung und zielen darauf ab, die durchden Krieg verursachten Leiden zu mil-dern.

Artikel 14Schon in Friedenszeiten können die

Hohen Vertragsparteien und nach Eröff-nung der Feindseligkeiten die am Kon-flikt beteiligten Parteien, auf ihrem eige-nen und, wenn nötig, auf besetztemGebiet Sanitäts- und Sicherheitszonenund -orte errichten, die so eingerichtetsind, daß sie Verwundeten und Kranken,Gebrechlichen und betagten Personen,Kindern unter 15 Jahren, schwangerenFrauen und Müttern von Kindern unter 7Jahren Schutz vor den Folgen desKrieges bieten.

Vom Ausbruch eines Konflikts an undwährend seiner Dauer können die betei-ligten Parteien unter sich Vereinbarun-gen zur Anerkennung der von ihnenetwa errichteten Sanitäts- und Sicher-heitszonen und -orte treffen. Sie könnenzu diesem Zweck die Bestimmungendes dem vorliegenden Abkommen bei-gefügten Vereinbarungsentwurfs in Kraftsetzen, indem sie gegebenenfalls die fürnotwendig erachteten Abänderungendarin vornehmen.

Die Schutzmächte und das Internatio-nale Komitee vom Roten Kreuz werdeneingeladen, ihre guten Dienste zu leihen,um die Errichtung und Anerkennung die-ser Sanitäts- und Sicherheitszonen und-orte zu erleichtern.

Artikel 15Jede an einem Konflikt beteiligte Partei

kann entweder unmittelbar oder durchVermittlung eines neutralen Staates odereiner humanitären Organisation der geg-

nerischen Partei vorschlagen, in denKampfgebieten neutralisierte Zonen zuerrichten, die dazu bestimmt sind, denfolgenden Personen ohne jeglicheUnterscheidung Schutz vor den Gefah-ren des Krieges zu gewähren:a) den verwundeten und kranken Kom-

battanten und Nichtkombattanten;b) den Zivilpersonen, die nicht an den

Feindseligkeiten teilnehmen und sich während ihres Aufenthalts in diesen Zonen keiner Arbeit militärischer Art widmen.

Sobald sich die am Konflikt beteiligtenParteien über die geographische Lage,Verwaltung, Versorgung und Kontrolleder in Aussicht genommenen neutrali-sierten Zone verständigt haben, wirdeine schriftliche und von den Vertreternder am Konflikt beteiligten Parteienunterzeichnete Vereinbarung getroffen.Diese setzt, den Anfang und die Dauerder Neutralisierung der Zone fest.

Artikel 16Die Verwundeten und Kranken sowie

die Gebrechlichen und die schwangerenFrauen sind Gegenstand eines beson-deren Schutzes und besonderer Rück-sichtnahme.

Soweit es die militärischen Erforder-nisse erlauben, fördert jede am Konfliktbeteiligte Partei die Maßnahmen, dieergriffen werden, um die Toten und Ver-wundeten aufzufinden, den Schiffbrüchi-gen sowie anderen einer ernsten Gefahrausgesetzten Personen zu Hilfe zu kom-men und sie vor Beraubung undMißhandlung zu schützen.

Artikel 17Die am Konflikt beteiligten Parteien

werden sich bemühen, örtlich begrenzteÜbereinkünfte zur Evakuierung der Ver-

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wundeten, Kranken, Gebrechlichen,Greise, Kinder und Wöchnerinnen auseiner belagerten oder eingeschlossenenZone und zum Durchlaß der Geistlichenaller Bekenntnisse sowie des Sanitäts-personals und -materials zu treffen, diesich auf dem Wege nach dieser Zonebefinden.

Artikel 18Zivilkrankenhäuser, die zur Pflege von

Verwundeten, Kranken, Gebrechlichenund Wöchnerinnen eingerichtet sind,dürfen unter keinen Umständen das Zielvon Angriffen sein; sie werden von denam Konflikt beteiligten Parteien jederzeitgeschont und geschützt.

Die an einem Konflikt beteiligtenStaaten stellen allen Zivilkrankenhäuserneine Urkunde aus, die ihre Eigenschaftals Zivilkrankenhaus bezeugt und fest-stellt, daß die von ihnen benutztenGebäude nicht zu Zwecken gebrauchtwerden, welche sie im Sinne von Artikel19 des Schutzes berauben könnten.

Die Zivilkrankenhäuser müssen, sofernsie vom Staate dazu ermächtigt sind,mittels des Schutzzeichens, wie esArtikel 38 des Genfer Abkommens vom12. August 1949 zur Verbesserung desLoses der Verwundeten und Krankender Streitkräfte im Felde vorsieht, ge-kennzeichnet sein.

Die am Konflikt beteiligten Parteienergreifen, soweit es die militärischen Er-fordernisse gestatten, die notwendigenMaßnahmen, um die die Zivilkranken-häuser kennzeichnenden Schutzzeichenden feindlichen Land-, Luft- und See-streitkräften deutlich sichtbar zu machenund auf diese Weise die Möglichkeitjeder Angriffshandlung auszuschalten.

Im Hinblick auf die Gefahren, denenKrankenhäuser durch in der Nähe lie-

gende militärische Ziele ausgesetzt seinkönnten, ist es angezeigt, darüber zuwachen, daß sie von solchen Zielen soweit wie möglich entfernt sind.

Artikel 19Der den Zivilkrankenhäusern gebüh-

rende Schutz darf ihnen nur dann entzo-gen werden, wenn sie außerhalb ihrerhumanitären Bestimmung dazu verwen-det werden, den Feind schädigendeHandlungen zu begehen. Jedoch darfihnen der Schutz erst entzogen werden,nachdem eine Warnung, die in allenFällen, soweit angängig, eine angemes-sene Frist setzen muß, unbeachtetgeblieben ist.

Die Pflege von verwundeten oder kran-ken Militärpersonen oder die Aufbe-wahrung von Handwaffen und vonMunition, die diesen Personen abge-nommen und der zuständigen Dienst-stelle noch nicht übergeben wurden,darf nicht als eine den Feind schädigen-de Handlung betrachtet werden.

Artikel 20Das ordentliche und ausschließlich für

den Betrieb und die Verwaltung derZivilkrankenhäuser bestimmte Personal,einschließlich des mit der Aufsuchung,Bergung, Beförderung und Behandlungvon zivilen Verwundeten und Kranken,Gebrechlichen und Wöchnerinnen be-faßten, wird geschont und geschützt.

In besetzten Gebieten und in Kampf-gebieten wird das Personal mittels einerAusweiskarte kenntlich gemacht, die dieEigenschaft des Trägers bescheinigt undmit seinem Lichtbild und dem Stempelder verantwortlichen Behörde versehenist, sowie mittels einer während desDienstes am linken Arm zu tragendengestempelten und feuchtigkeitsbestän-

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digen Armbinde. Diese Armbinde wirdvom Staat geliefert und mit dem inArtikel 38 des Genfer Abkommens vom12. August 1949 zur Verbesserung desLoses der Verwundeten und Krankender Streitkräfte im Felde vorgesehenenSchutzzeichen versehen.

Jedes andere den Zivilkrankenhäusernzum Betrieb oder zur Verwaltung beige-gebene Personal wird geschont undgeschützt und hat unter den im vorlie-genden Artikel umschriebenen Bedin-gungen während des Dienstes dasRecht auf Tragen der Armbinde, wie sieoben vorgesehen ist. Die Ausweiskartehat die Pflichten zu bezeichnen, die demTräger übertragen sind.

Die Leitung jedes Zivilkrankenhauseshat jederzeit die auf den Tag nachge-führte Liste ihres Personals zurVerfügung der zuständigen einheimi-schen oder Besatzungsbehörden zuhalten.

Artikel 21Fahrzeugkolonnen oder Lazarettzüge

zu Lande oder besonders ausgerüsteteSchiffe zur See mit verwundeten undkranken Zivilpersonen, Gebrechlichenund Wöchnerinnen werden auf gleicheWeise geschont und geschützt wie diein Artikel 18 erwähnten Krankenhäuser;sie kennzeichnen sich, indem sie mitErmächtigung des Staates das in Artikel38 des Genfer Abkommens vom 12.August 1949 zur Verbesserung desLoses der Verwundeten und Krankender Streitkräfte im Felde vorgeseheneSchutzzeichen anbringen.

Artikel 22Die ausschließlich für die Beförderung

von verwundeten und kranken Zivilper-sonen, von Gebrechlichen und Wöch-

nerinnen oder für die Beförderung vonSanitätspersonal und -material verwen-deten Luftfahrzeuge dürfen nicht ange-griffen, sondern müssen geschont wer-den, wenn sie in Höhen, zu Stunden undauf Strecken fliegen, die durch eineVereinbarung unter allen in Betrachtkommenden am Konflikt beteiligtenParteien besonders festgelegt wurden.

Sie können mit dem in Artikel 38 desGenfer Abkommens vom 12. August1949 zur Verbesserung des Loses derVerwundeten und Kranken der Streit-kräfte im Felde vorgesehenen Schutz-zeichen versehen sein.

Wenn keine andere Abmachungbesteht, ist die Überfliegung feindlichenoder vom Feind besetzten Gebiets ver-boten.

Diese Flugzeuge haben jedem Lande-befehl Folge zu leisten. Im Falle einer sobefohlenen Landung können das Flug-zeug und seine Insassen den Flug nacheiner etwaigen Untersuchung fortsetzen.

Artikel 23Jede Vertragspartei gewährt allen

Sendungen von Arzneimitteln undSanitätsmaterial sowie allen für denGottesdienst notwendigen Gegenstän-den, die ausschließlich für die Zivil-bevölkerung einer anderen Vertragspar-tei, selbst einer feindlichen, bestimmtsind, freien Durchlaß. Auch allenSendungen von unentbehrlichen Le-bensmitteln, von Kleidung und vonStärkungsmitteln, die Kindern unter 15Jahren, schwangeren Frauen undWöchnerinnen vorbehalten sind, wirdfreier Durchlaß gewährt.

Eine Vertragspartei ist nur dann ver-pflichtet, die im vorstehenden Absatzerwähnten Sendungen ungehindertdurchzulassen, wenn sie die Gewißheit

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besitzt, keinen triftigen Grund zurBefürchtung haben zu müssen,a) die Sendungen könnten ihrer Be-

stimmung entfremdet werden, oderb) die Kontrolle könnte nicht wirksam

sein, oderc) der Feind könnte daraus einen offen-

sichtlichen Vorteil für seine militäri-schen Anstrengungen und seine Wirtschaft ziehen, indem er diese Sendungen an die Stelle von Gütern treten läßt, die er sonst selbst hätte beschaffen oder herstellen müssen, oder indem er Material, Erzeugnisse und Dienste freimacht, die er sonst selbst zur Herstellung solcher Güter benötigt hätte.

Die Macht, die den Durchlaß der inAbsatz 1 dieses Artikels erwähntenSendungen genehmigt, kann ihre Ge-nehmigung von der Bedingung abhän-gig machen, daß die Verteilung an dieNutznießer an Ort und Stelle von denSchutzmächten überwacht werde.

Diese Sendungen müssen so schnellwie möglich befördert werden, und derStaat, der ihren ungehinderten Durchlaßgenehmigt, besitzt das Recht, die tech-nischen Bedingungen festzusetzen,unter denen diese Genehmigung ge-währt wird.

Artikel 24Die am Konflikt beteiligten Parteien

ergreifen die notwendigen Maßnahmen,damit infolge des Krieges verwaiste odervon ihren Familien getrennte Kinderunter 15 Jahren nicht sich selbst über-lassen bleiben und unter allen Umstän-den ihr Unterhalt, die Ausübung ihresGlaubensbekenntnisses und ihre Er-ziehung erleichtert werden. Letzterewird, wenn möglich, Personen der glei-

chen kulturellen Überlieferung anver-traut.

Mit Zustimmung der etwaigen Schutz-macht begünstigen die am Konfliktbeteiligten Parteien die Aufnahme dieserKinder in neutralen Ländern währendder Dauer des Konflikts, wenn sie dieGewähr dafür haben, daß die in Absatz1 erwähnten Grundsätze berücksichtigtwerden.

Außerdem bemühen sie sich, die not-wendigen Maßnahmen zu ergreifen,damit alle Kinder unter 12 Jahren durchdas Tragen einer Erkennungsmarkeoder auf irgendeine andere Weise identi-fiziert werden können.

Artikel 25Jede auf dem Gebiet einer am Konflikt

beteiligten Partei oder auf einem von ihrbesetzten Gebiete befindliche Personkann ihren Familienmitgliedern, woimmer sie sich befinden, Nachrichtenstreng persönlicher Natur geben undvon ihnen erhalten. Diese Briefschaftensind schnell und ohne ungerechtfertigteVerzögerung zu befördern.

Ist auf Grund der Verhältnisse derFamilienschriftwechsel auf dem norma-len Postwege schwierig oder unmöglichgeworden, so wenden sich die betref-fenden am Konflikt beteiligten Parteienan einen neutralen Vermittler, wie die inArtikel 140 vorgesehene Zentralstelle,um mit ihm die Mittel zu finden, dieErfüllung ihrer Verpflichtungen unter denbesten Bedingungen zu gewährleisten,insbesondere unter Mitwirkung dernationalen Gesellschaften vom RotenKreuz (vom Roten Halbmond, vomRoten Löwen mit roter Sonne).

Wenn die am Konflikt beteiligtenParteien es für nötig erachten, diesenFamilienschriftwechsel einzuschränken,

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können sie höchstens die Anwendungvon einheitlichen Formblättern vor-schreiben, die 25 frei gewählte Wörterenthalten, und den Gebrauch dieserFormblätter auf eine einmalige Sendungje Monat begrenzen.

Artikel 26Jede am Konflikt beteiligte Partei

erleichtert die Nachforschungen, dievom Kriege zerstreute Familien anstel-len, um wieder Verbindung miteinanderaufzunehmen und sich, wenn möglich,wieder zu vereinigen. Sie fördert insbe-sondere die Tätigkeit von Organisatio-nen, die sich dieser Aufgabe widmen,unter der Voraussetzung, daß sie von ihrgenehmigt sind und sich den von ihrergriffenen Sicherheitsmaßnahmen fügen.

Teil III Rechtsstellung und

Behandlung dergeschützten Personen

ABSCHNITT I GEMEINSAME BESTIMMUNGEN

FÜR DIE GEBIETE DER AM

KONFLIKT BETEILIGTEN PARTEIEN

UND DIE BESETZTEN GEBIETE

Artikel 27Die geschützten Personen haben unter

allen Umständen Anspruch auf Achtungihrer Person, ihrer Ehre, ihrer Familien-rechte, ihrer religiösen Überzeugungenund Gepflogenheiten, ihrer Gewohnhei-ten und Gebräuche. Sie werden jeder-zeit mit Menschlichkeit behandelt undinsbesondere vor Gewalttätigkeit oderEinschüchterung, vor Beleidigungen undder öffentlichen Neugier geschützt.

Die Frauen werden besonders vorjedem Angriff auf ihre Ehre und nament-lich vor Vergewaltigung, Nötigung zurgewerbsmäßigen Unzucht und jederunzüchtigen Handlung geschützt.

Unbeschadet der bezüglich des Ge-sundheitszustandes, des Alters und desGeschlechts getroffenen Vorkehrungenwerden sämtliche geschützten Perso-nen von den am Konflikt beteiligtenParteien, in deren Machtbereich sie sichbefinden, mit der gleichen Rücksichtund ohne jede insbesondere auf Rasse,Religion oder der politischen Meinungberuhende Benachteiligung behandelt.

Jedoch können die am Konflikt betei-ligten Parteien in bezug auf die ge-schützten Personen diejenigen Kontroll-und Sicherheitsmaßnahmen ergreifen,die sich infolge des Krieges als notwen-dig erweisen.

Artikel 28Die Anwesenheit einer geschützten

Person darf nicht dazu benutzt werden,Kampfhandlungen von gewissen Punk-ten oder Gebieten fernzuhalten.

Artikel 29Die am Konflikt beteiligte Partei, in

deren Machtbereich sich geschütztePersonen befinden, ist verantwortlich fürdie Behandlung, die diese durch ihreBeauftragten erfahren, unbeschadet derindividuellen Verantwortlichkeiten, diegegebenenfalls bestehen.

Artikel 30Die geschützten Personen genießen

jede Erleichterung, um sich an dieSchutzmächte, an das InternationaleKomitee vom Roten Kreuz, an die natio-nale Gesellschaft vom Roten Kreuz (vomRoten Halbmond, vom Roten Löwen mit

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roter Sonne) des Landes, in dem sie sichbefinden, sowie an jede andere Orga-nisation, die ihnen behilflich sein könnte,zu wenden.

Diesen verschiedenen Organisationenwird zu diesem Zwecke innerhalb derdurch militärische oder Sicherheitser-fordernisse gezogenen Grenzen von denBehörden jede Erleichterung gewährt.

Außer den Besuchen der Delegiertender Schutzmächte und des Internatio-nalen Komitees vom Roten Kreuz, wie inArtikel 143 vorgesehen, erleichtern dieGewahrsamsstaaten oder Besatzungs-mächte soweit wie möglich die Be-suche, die Vertreter anderer Organisa-tionen den geschützten Personen mitdem Ziel zu machen wünschen, diesenPersonen geistig und materiell Hilfe zubringen.

Artikel 31Auf die geschützten Personen darf kei-

nerlei körperlicher oder seelischerZwang ausgeübt werden, namentlichnicht, um von ihnen oder dritten Per-sonen Auskünfte zu erlangen.

Artikel 32Den Hohen Vertragsparteien ist jede

Maßnahme, die körperliche Leiden oderden Tod der in ihrem Machtbereichbefindlichen geschützten Personen zurFolge haben könnte, ausdrücklich unter-sagt. Dieses Verbot betrifft nicht nurTötung, Folterung, körperliche Strafen,Verstümmelungen und medizinischeoder wissenschaftliche, nicht durch ärzt-liche Behandlung einer geschütztenPerson gerechtfertigte biologische Ver-suche, sondern auch alle anderenGrausamkeiten, gleichgültig, ob siedurch zivile Bedienstete oder Militär-personen begangen werden.

Artikel 33Keine geschützte Person darf wegen

einer Tat bestraft werden, die sie nichtpersönlich begangen hat. Kollektivstra-fen sowie jede Maßnahme zur Ein-schüchterung oder Terrorisierung sinduntersagt.

Plünderungen sind untersagt. Vergel-tungsmaßnahmen gegen geschütztePersonen und ihr Eigentum sind unter-sagt.

Artikel 34Das Festnehmen von Geiseln ist unter-

sagt.

ABSCHNITT II AUSLÄNDER IM GEBIET EINER AM

KONFLIKT BETEILIGTEN PARTEI

Artikel 35Jede geschützte Person, die zu Beginn

oder im Verlaufe eines Konflikts dasGebiet zu verlassen wünscht, hat dasRecht dazu, soweit ihre Ausreise dennationalen Interessen des Staates nichtzuwiderläuft. Über Ausreisegesuche sol-cher Personen wird in einem ordent-lichen Verfahren befunden; der Ent-scheid wird so schnell wie möglichgetroffen. Zur Ausreise ermächtigtePersonen dürfen sich mit dem notwen-digen Reisegeld versehen und eine aus-reichende Menge Sachen und persönli-che Gebrauchsgegenstände mit sichnehmen.

Die Personen, denen die Erlaubniszum Verlassen des Gebietes verweigertwird, haben Anspruch auf schnellstmög-liche Überprüfung dieser Verweigerungdurch ein Gericht oder einen zu diesemZweck vom Gewahrsamsstaat geschaf-fenen zuständigen Verwaltungsaus-schuß.

133IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 133

Auf Ersuchen werden den Vertreternder Schutzmacht, sofern dem keineSicherheitsgründe entgegenstehen oderdie Betroffenen keine Einwände erhe-ben, die Gründe mitgeteilt, aus denenPersonen, die ein diesbezügliches Ge-such eingereicht hatten, die Erlaubniszum Verlassen des Gebietes verweigertwurde, und überdies so schnell wiemöglich die Namen aller von dieser Ver-weigerung Betroffenen.

Artikel 36Die gemäß dem vorstehenden Artikel

bewilligten Ausreisen werden unterzufriedenstellenden Bedingungen inbezug auf Sicherheit, Hygiene, Sauber-keit und Ernährung durchgeführt. Alledamit im Zusammenhang stehendenKosten gehen vom Verlassen des Ge-bietes des Gewahrsamsstaates an zuLasten des Bestimmungslandes oder,im Falle der Aufnahme in einem neutra-len Land, zu Lasten der Macht, der dieBegünstigten angehören. Die praktischeDurchführung dieser Reisen wird, wennnötig, durch Sondervereinbarungenunter den betroffenen Mächten geregelt.

Vorbehalten sind Sondervereinbarun-gen, die gegebenenfalls zwischen denam Konflikt beteiligten Parteien bezüg-lich Austausch und Heimschaffung ihrerin die Hände des Feindes gefallenenAngehörigen getroffen werden.

Artikel 37Geschützte Personen, die sich in

Untersuchungshaft befinden oder eineFreiheitsstrafe verbüßen, werden wäh-rend ihrer Gefangenschaft mit Mensch-lichkeit behandelt.

Sie können nach ihrer Freilassunggemäß den vorstehenden Artikeln um

Erlaubnis zum Verlassen des Gebietesnachsuchen.

Artikel 38Mit Ausnahme der besonderen Maß-

nahmen, die auf Grund des vorliegen-den Abkommens, insbesondere seinerArtikel 27 und 41, getroffen werden kön-nen, finden auf die Lage der geschütz-ten Personen grundsätzlich die für dieBehandlung von Ausländern in Frie-denszeiten geltenden BestimmungenAnwendung. Auf jeden Fall werdenihnen folgende Rechte gewährleistet:1. Sie erhalten die Einzel- und Sammel-

Hilfssendungen, die ihnen zugehen;2. wenn ihr Gesundheitszustand es

erfordert, erhalten sie ärztliche Be-handlung und Krankenhauspflege im gleichen Ausmaß wie die Angehöri-gen des betreffenden Staates;

3. sie dürfen ihre Religion ausüben und den seelsorgerischen Beistand der Geistlichen ihres Glaubensbekennt-nisses erhalten;

4. wenn sie in einer den Kriegsgefahren besonders ausgesetzten Gegend wohnen, werden sie im gleichen Ausmaß wie die Angehörigen des betreffenden Staates ermächtigt, diese Gegend zu verlassen;

5. Kinder unter fünfzehn Jahren, schwangere Frauen und Mütter von Kindern unter sieben Jahren genie-ßen jede Art Vorzugsbehandlung im gleichen Ausmaß wie die Angehöri-gen des betreffenden Staates.

Artikel 39Geschützten Personen, die infolge des

Konflikts ihren Broterwerb verlorenhaben, wird die Möglichkeit geboten,eine bezahlte Arbeit zu finden; sie genie-ßen zu diesem Zwecke, unter Vorbehalt

134 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 134

der Sicherheitserwägungen und derBestimmungen des Artikels 40, diesel-ben Vorteile wie die Angehörigen derMacht, auf deren Gebiet sie sich befin-den.

Unterwirft eine am Konflikt beteiligtePartei eine geschützte Person Kon-trollmaßnahmen, die ihr den eigenenUnterhalt unmöglich machen, zumalwenn diese Person aus Gründen derSicherheit keine bezahlte Arbeit zuangemessenen Bedingungen findenkann, so kommt die erwähnte amKonflikt beteiligte Partei für ihren Unter-halt und denjenigen der von ihr abhängi-gen Personen auf.

Die geschützten Personen können inallen Fällen Beihilfen aus ihrem Her-kunftsland, von der Schutzmacht oderden in Artikel 30 erwähnten Wohltätig-keitsgesellschaften erhalten.

Artikel 40Geschützte Personen dürfen nur im

gleichen Ausmaß wie die Angehörigender am Konflikt beteiligten Partei, aufderen Gebiet sie sich befinden, zurArbeit gezwungen werden.

Sind die geschützten Personen feind-licher Nationalität, so dürfen sie nur zuArbeiten gezwungen werden, die nor-malerweise zur Sicherstellung der Er-nährung, der Unterbringung, der Beklei-dung, der Beförderung und der Gesund-heit von Menschen nötig sind und dienicht in unmittelbarem Zusammenhangmit der Durchführung der Kampfhand-lungen stehen.

In allen in den verstehenden Absätzenerwähnten Fällen genießen die zur Arbeitgezwungenen geschützten Personendie gleichen Arbeitsbedingungen unddieselben Schutzmaßnahmen wie die

einheimischen Arbeiter, namentlich wasdie Entlohnung, die Arbeitsdauer, dieAusrüstung, die Vorbildung und dieEntschädigung für Arbeitsunfälle undBerufskrankheiten betrifft.

Im Falle der Verletzung der oben er-wähnten Vorschriften sind die geschütz-ten Personen ermächtigt, entsprechendArtikel 30 ihr Beschwerderecht auszuü-ben.

Artikel 41Erachtet die Macht, in deren Macht-

bereich die geschützten Personen sichbefinden, die im vorliegenden Abkom-men erwähnten Kontrollmaßnahmen alsungenügend, so bilden Zuweisung einesZwangsaufenthaltes oder Internierunggemäß den Bestimmungen der Artikel42 und 43 die strengsten Kontrollmaß-nahmen, die sie ergreifen darf.

Bei der Anwendung von Artikel 39 Ab-satz 2 auf Personen, die zur Aufgabeihres gewöhnlichen Aufenthaltsortes aufGrund eines Entscheides gezwungensind, der sie zu einem Zwangsaufenthaltin einem anderen Orte nötigt, hält sichder Gewahrsamsstaat so peinlich wiemöglich an die Bestimmungen für dieBehandlung von Internierten (Teil III Ab-schnitt IV des vorliegenden Abkom-mens).

Artikel 42Die Internierung oder die Zuweisung

eines Zwangsaufenthalts darf bei ge-schützten Personen nur angeordnetwerden, wenn es die Sicherheit derMacht, in deren Machtbereich sie sichbefinden, unbedingt erfordert.

Wenn eine Person durch Vermittlungvon Vertretern der Schutzmacht ihre frei-willige Internierung verlangt und ihre

135IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 135

Lage dies erfordert, wird die Internierungdurch die Macht vorgenommen, inderen Machtbereich sie sich befindet.

Artikel 43Jede geschützte Person, die interniert

oder der ein Zwangsaufenthalt zugewie-sen worden ist, hat ein Anrecht darauf,daß ein Gericht oder ein zuständiger, zudiesem Zwecke vom Gewahrsamsstaatgeschaffener Verwaltungsausschuß in-nerhalb kürzester Frist die betreffendeEntscheidung überprüft. Wird die Inter-nierung oder die Zuweisung einesZwangsaufenthalts aufrechterhalten, soprüft das Gericht oder der Verwaltungs-ausschuß in regelmäßigen Zeitabstän-den, zumindest zweimal jährlich, denFall dieser Person im Hinblick auf eineÄnderung des ersten Entscheids zuihren Gunsten, falls es die Umständeerlauben.

Sofern sich die betreffenden geschütz-ten Personen dem nicht widersetzen,bringt der Gewahrsamsstaat die Namender geschützten Personen, die interniertoder einem Zwangsaufenthalt unterwor-fen, und derjenigen, die aus derInternierung oder dem Zwangsaufent-halt entlassen worden sind, so schnellwie möglich der Schutzmacht zurKenntnis. Unter dem gleichen Vorbehaltwerden auch die Entscheidungen der inAbsatz 1 dieses Artikels erwähntenGerichte oder Verwaltungsausschüsseso schnell wie möglich der Schutzmachtmitgeteilt.

Artikel 44Bei der Anwendung der durch das vor-

liegende Abkommen vorgesehenenKontrollmaßnahmen behandelt der Ge-wahrsamsstaat die Flüchtlinge, die inWirklichkeit den Schutz keiner Regie-

rung genießen, nicht lediglich auf Grundihrer rechtlichen Zugehörigkeit zu einemfeindlichen Staat als feindliche Aus-länder.

Artikel 45Geschützte Personen dürfen nicht

einer Macht übergeben werden, dienicht Vertragspartei des vorliegendenAbkommens ist.

Diese Bestimmung darf jedoch derHeimschaffung von geschützten Per-sonen oder ihrer Rückkehr in ihrenNiederlassungsstaat nach dem Endeder Feindseligkeiten nicht im Wege ste-hen.

Geschützte Personen dürfen voneinem Gewahrsamsstaat nur einerMacht übergeben werden, die Vertrags-partei des vorliegenden Abkommens ist,und dies nur, wenn er sich vergewisserthat, daß die fragliche Macht willens undin der Lage ist, das Abkommen anzu-wenden. Werden geschützte Personenunter diesen Umständen übergeben, soübernimmt die sie aufnehmende Machtdie Verantwortung für die Anwendungdes Abkommens, solange sie ihr anver-traut sind. Sollte diese Macht indessendie Bestimmungen des Abkommensnicht in allen wichtigen Punkten einhal-ten, so ergreift die Macht, die diegeschützten Personen übergeben hat,auf Benachrichtigung durch dieSchutzmacht hin wirksame Maßnah-men, um Abhilfe zu schaffen, oderersucht um Rückgabe der geschütztenPersonen. Einem solchen Ersuchen mußstattgegeben werden.

Eine geschützte Person kann auf kei-nen Fall einem Land übergeben werden,wo sie fürchten muß, ihrer politischenoder religiösen Überzeugungen wegenverfolgt zu werden.

136 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 136

Die Bestimmungen dieses Artikels bil-den kein Hindernis für die Auslieferungvon geschützten Personen, die einesgemeinen Verbrechens angeklagt sind,auf Grund von Auslieferungsverträgen,die vor Ausbruch der Feindseligkeitenabgeschlossen wurden.

Artikel 46Sofern einschränkende Maßnahmen in

bezug auf geschützte Personen nichtbereits früher rückgängig gemacht wor-den sind, werden sie nach Abschluß derFeindseligkeiten so bald wie möglichaufgehoben.

Einschränkende Maßnahmen in bezugauf ihr Vermögen werden nach Abschlußder Feindseligkeiten entsprechend denRechtsvorschriften des Gewahrsams-staates so bald wie möglich aufgeho-ben.

ABSCHNITT IIIBESETZTE GEBIETE

Artikel 47Geschützten Personen, die sich in

besetztem Gebiet befinden, werden inkeinem Falle und auf keine Weise dieVorteile des vorliegenden Abkommensentzogen, weder wegen irgendeinerVeränderung, die sich aus der Tatsacheder Besetzung bei den Einrichtungenoder der Regierung des in Frage stehen-den Gebietes ergibt, noch auf Grundeiner zwischen den Behörden desbesetzten Gebietes und der Besat-zungsmacht abgeschlossenen Verein-barung, noch auf Grund der Ein-verleibung des ganzen besetztenGebietes oder eines Teils davon durchdie Besatzungsmacht.

Artikel 48Geschützte Personen, die nicht

Angehörige der Macht sind, derenGebiet besetzt ist, können unter den inArtikel 35 vorgesehenen Bedingungendas Recht zum Verlassen des Gebietesgeltend machen; Entscheidungen darü-ber werden auf Grund des Verfahrensgetroffen, daß die Besatzungsmachtentsprechend dem erwähnten Artikeleinzurichten hat.

Artikel 49Einzel- oder Massenzwangsverschik-

kungen sowie Verschleppungen vongeschützten Personen aus besetztemGebiet nach dem Gebiet der Besat-zungsmacht oder dem irgendeinesanderen besetzten oder unbesetztenStaates, sind ohne Rücksicht auf derenBeweggrund untersagt.

Jedoch kann die Besatzungsmachteine vollständige oder teilweise Räu-mung einer bestimmten besetztenGegend durchführen, wenn die Sicher-heit der Bevölkerung oder zwingendemilitärische Gründe es erfordern. SolcheRäumungen dürfen keinesfalls die Ver-schleppung von geschützten Personenin Gegenden außerhalb des besetztenGebietes zur Folge haben, es sei denn,dies ließe sich aus materiellen Gründennicht vermeiden. Unmittelbar nach Be-endigung der Feindseligkeiten in derbetreffenden Gegend, wird die so ver-schickte Bevölkerung in ihre Heimatzurückgeführt.

Die Besatzungsmacht sorgt bei derDurchführung derartiger Verschickungenoder Räumungen im Rahmen desMöglichen dafür, daß angemesseneUnterkunft für die Aufnahme dergeschützten Personen vorgesehen wird,daß die Verlegung in bezug auf

137IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 137

Sauberkeit, Hygiene, Sicherheit undVerpflegung unter befriedigenden Be-dingungen durchgeführt wird, und daßMitglieder derselben Familie nicht von-einander getrennt werden. Die Schutz-macht wird von Verschickungen undRäumungen verständigt, sobald siestattgefunden haben.

Die Besatzungsmacht kann geschütz-te Personen nicht in einer besondersden Kriegsgefahren ausgesetzten Ge-gend zurückhalten, sofern nicht dieSicherheit der Bevölkerung oder zwin-gende militärische Gründe dies erfor-dern.

Die Besatzungsmacht darf nicht Teileihrer eigenen Zivilbevölkerung in das vonihr besetzte Gebiet verschleppen oderverschicken.

Artikel 50Die Besatzungsmacht erleichtert im

Benehmen mit den Landes- undOrtsbehörden den geordneten Betriebder Einrichtungen, die zur Pflege undErziehung der Kinder dienen.

Sie ergreift alle notwendigen Maß-nahmen, um die Identifizierung derKinder und die Eintragung ihrer Familien-zugehörigkeit zu erleichtern. Keinesfallsdarf sie ihren Personalstand ändern odersie in von ihr abhängige Formationenoder Organisationen einreihen.

Sollten die örtlichen Einrichtungen un-zulänglich sein, so trifft die Besatzungs-macht die notwendigen Vorkehrungen,um den Unterhalt und die Erziehung derWaisen und der von ihren Eltern im Krieggetrennten Kinder sicherzustellen, undzwar wenn möglich durch Personengleicher Nationalität, Sprache undReligion, sofern nicht ein naher Ver-wandter oder Freund für sie sorgenkann.

Eine besondere Abteilung des aufGrund der Bestimmungen von Artikel136 geschaffenen Büros wird beauf-tragt, alle notwendigen Schritte zuunternehmen, um diejenigen Kinder zuidentifizieren, deren Identität ungewiß ist.Angaben, die man über ihre Eltern oderandere nahe Verwandte etwa besitzt,werden ausnahmslos aufgezeichnet.

Die Besatzungsmacht darf die An-wendung irgendwelcher Vorzugsmaß-nahmen in bezug auf Ernährung, ärztli-che Pflege und Schutz vor Kriegsfolgennicht behindern, die etwa bereits vor derBesetzung zu Gunsten von Kindernunter 15 Jahren, schwangeren Frauenund Müttern von Kindern unter 7 Jahrenin Kraft waren.

Artikel 51Die Besatzungsmacht kann geschütz-

te Personen nicht zwingen, in ihrenStreitkräften oder Hilfskräften zu dienen.Jeder Druck und jede Propaganda, dieauf freiwilligen Eintritt in diese abzielt, istuntersagt.

Sie kann geschützte Personen nurdann zur Arbeit zwingen, wenn sie über18 Jahre alt sind und es sich lediglichum Arbeiten handelt, die zur Befrie-digung der Bedürfnisse der Besatzungs-armee oder für die öffentlichen Dienste,die Ernährung, Unterbringung, Beklei-dung, das Verkehrs- oder Gesundheits-wesen der Bevölkerung des besetztenLandes notwendig sind. GeschütztePersonen dürfen nicht zu irgendwelcherArbeit gezwungen werden, die sie ver-pflichten würde, an Kampfhandlungenteilzunehmen. Die Besatzungsmachtkann geschützte Personen nicht zwin-gen, Einrichtungen, in denen sieZwangsarbeit verrichten, unter Anwen-dung von Gewalt zu sichern.

138 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 138

Die Arbeit darf nur innerhalb desbesetzten Gebietes geleistet werden, indem sich die betreffenden Personenbefinden. Jede solche Person wirdsoweit wie möglich auf ihrem gewohntenArbeitsplatz verwendet. Die Arbeit istangemessen zu bezahlen und muß denkörperlichen und geistigen Fähigkeitender Arbeitenden angepaßt sein. Die imbesetzten Lande geltenden Rechtsvor-schriften betreffend die Arbeitsbedin-gungen und Schutzmaßnahmen, insbe-sondere in bezug auf Löhne, Arbeit-dauer, Ausrüstung, Vorbildung undEntschädigungen für Arbeitsunfälle undBerufskrankheiten, werden auf diegeschützten Personen angewendet, dieArbeiten der in diesem Artikel bezeich-neten Art verrichten.

In keinem Falle darf die Einziehung vonArbeitskräften zu einer Mobilisation vonArbeitern für Organisationen militäri-schen oder halbmilitärischen Charaktersführen.

Artikel 52Kein zivilrechtlicher Vertrag, keine

Vereinbarung und keine Vorschrift kön-nen das Recht irgendeines freiwilligenoder unfreiwilligen Arbeiters beeinträch-tigen, sich, wo immer er sich befindet,an die Vertreter der Schutzmacht zuwenden, um deren Einschreiten zu ver-langen.

Alle Maßnahmen, die darauf abzielen,Arbeitslosigkeit zu schaffen oder dieArbeitsmöglichkeiten der Arbeiter einesbesetzten Gebietes zu beschränken, umsie auf diese Weise zur Arbeit für dieBesatzungsmacht zu gewinnen, sinduntersagt.

Artikel 53Es ist der Besatzungsmacht untersagt,

bewegliches oder unbewegliches Ver-mögen zu zerstören, das individuell oderkollektiv Privatpersonen oder dem Staatoder öffentlichen Körperschaften, sozia-len oder genossenschaftlichen Organi-sationen gehört, außer in Fällen, indenen die Kampfhandlungen solcheZerstörungen unbedingt erforderlichmachen.

Artikel 54Es ist der Besatzungsmacht untersagt,

die Rechtsstellung der Beamten oderGerichtspersonen des besetzten Ge-bietes zu ändern oder ihnen gegenüberSanktionen oder irgendwelche Zwangs-maßnahmen zu treffen oder sie zubenachteiligen, weil sie sich aus Ge-wissensgründen enthalten, ihre Funktio-nen zu erfüllen.

Dieses Verbot verhindert nicht dieAnwendung von Artikel 51 Absatz 2. Esberührt nicht das Recht der Besat-zungsmacht, öffentliche Beamte ihrerPosten zu entheben.

Artikel 55Die Besatzungsmacht hat die Pflicht,

die Versorgung der Bevölkerung mitLebens- und Arzneimitteln im Rahmenaller ihr zur Verfügung stehenden Mittelsicherzustellen; insbesondere führt sieLebensmittel, medizinische Ausrüstun-gen und alle anderen notwendigenArtikel ein, falls die Hilfsquellen desbesetzten Gebietes nicht ausreichen.

Die Besatzungsmacht darf keine imbesetzten Gebiete befindlichen Lebens-mittel, Waren oder medizinischenAusrüstungen beschlagnahmen, es seidenn für die Besatzungsstreitkräfte und-verwaltung, und auch dann nur unter

139IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 139

Berücksichtigung der Bedürfnisse derZivilbevölkerung. Unter Vorbehalt derBestimmungen anderer internationalerAbkommen trifft die Besatzungsmachtdie notwendigen Vorkehrungen, damitfür die beschlagnahmten Güter einangemessenes Entgelt bezahlt wird.

Die Schutzmächte können jederzeitohne Behinderung den Stand derVersorgung mit Lebens- und Arznei-mitteln in den besetzten Gebieten unter-suchen, unter Vorbehalt von vorüberge-henden Beschränkungen, die auf zwin-genden militärischen Erfordernissenberuhen.

Artikel 56Die Besatzungsmacht ist im Rahmen

aller ihr zur Verfügung stehenden Mittelverpflichtet, im Benehmen mit denLandes- und Ortsbehörden die Ein-richtungen und Dienste der Kranken-hauspflege und ärztlichen Behandlungsowie das öffentliche Gesundheits-wesen im besetzten Gebiet sicherzustel-len und weiterzuführen, insbesonderedurch Einführung und Anwendung dernotwendigen Vorbeugungs- und Vor-sichtsmaßnahmen zur Bekämpfung derAusbreitung von ansteckenden Krank-heiten und Seuchen. Das ärztlichePersonal aller Kategorien ist ermächtigt,seine Aufgaben zu erfüllen.

Werden neue Krankenhäuser im be-setzten Gebiet geschaffen und erfüllendie zuständigen Organe des besetztenStaates ihre Funktionen nicht mehr, sonehmen die Besatzungsbehörden erfor-derlichenfalls die in Artikel 18 vorgese-hene Anerkennung vor. Unter ähnlichenUmständen nehmen die Besatzungs-behörden ebenfalls die Anerkennungdes Krankenhauspersonals und der

Krankenfahrzeuge gemäß Artikel 20 und21 vor.

Beim Erlaß von Gesundheits- undHygienemaßnahmen sowie bei derenInkraftsetzung berücksichtigt die Be-satzungsmacht die sittlichen und ethi-schen Auffassungen der Bevölkerungdes besetzten Gebietes.

Artikel 57Die Besatzungsmacht darf Zivilkran-

kenhäuser nur vorübergehend und nurim Falle dringender Notwendigkeit be-schlagnahmen, um verwundete undkranke Militärpersonen zu pflegen, undnur unter der Bedingung, daß in ange-messener Frist geeignete Maßnahmengetroffen werden, um die Pflege undBehandlung der Patienten sicherzustel-len und den Bedarf der Zivilbevölkerungzu befriedigen.

Das Material und die Vorräte derZivilkrankenhäuser dürfen nicht be-schlagnahmt werden, solange sie fürden Bedarf der Zivilbevölkerung notwen-dig sind.

Artikel 58Die Besatzungsmacht gestattet den

Geistlichen, den Mitgliedern ihrer religiö-sen Gemeinschaften seelsorgerischenBeistand zu leisten.

Die Besatzungsmacht nimmt ebenfallsSendungen von Büchern und Gegen-ständen an, die zur Befriedigung religiö-ser Bedürfnisse notwendig sind, underleichtert deren Verteilung im besetztenGebiet.

Artikel 59Ist die Bevölkerung eines besetzten

Gebietes oder ein Teil derselben un-genügend versorgt, so gestattet dieBesatzungsmacht Hilfsaktionen zugun-

140 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 140

sten dieser Bevölkerung und erleichtertsie im vollen Umfange der ihr zurVerfügung stehenden Mittel.

Solche Hilfsaktionen, die entwederdurch Staaten oder durch eine unpartei-ische humanitäre Organisation, wie dasInternationale Komitee vom RotenKreuz, unternommen werden können,bestehen insbesondere aus Lebens-mittel-, Arznei- und Kleidungssendun-gen.

Alle Vertragsstaaten gewähren diesenSendungen freien Durchlaß und gewähr-leisten ihren Schutz.

Die Macht, die den freien Durchlaß vonSendungen gewährt, die für ein voneiner feindlichen Partei besetztes Gebietbestimmt sind, hat jedoch das Recht,die Sendungen zu prüfen, ihren Durch-laß nach vorgeschriebenen Fahrplänenund Wegen zu regeln und von derSchutzmacht ausreichende Zusicherun-gen zu verlangen, daß diese Sendungenzur Hilfeleistung an die notleidendeBevölkerung bestimmt sind und nichtzugunsten der Besatzungsmacht ver-wendet werden.

Artikel 60Die Hilfssendungen entbinden die

Besatzungsmacht in keiner Weise vonden ihr durch Artikel 55, 56 und 59 auf-erlegten Verpflichtungen. Sie kann dieHilfssendungen auf keine Weise füreinen anderen als den vorbestimmtenZweck verwenden, ausgenommen inFällen dringender Notwendigkeit imInteresse der Bevölkerung des besetz-ten Gebietes und mit Zustimmung derSchutzmacht.

Artikel 61Die Verteilung der in den vorstehenden

Artikeln erwähnten Hilfssendungen wird

im Benehmen mit der Schutzmacht undunter ihrer Aufsicht durchgeführt. DieseAufgabe kann, nach einer Vereinbarungzwischen Besatzungs- und Schutz-macht, auch einem neutralen Staat,dem Internationalen Komitee vom RotenKreuz oder irgendeiner anderen unpar-teiischen humanitären Organisationübertragen werden.

Solche Hilfssendungen sind von allenAbgaben, Steuern oder Zöllen imbesetzten Gebiete befreit, es sei denn,eine derartige Abgabe liege im Interesseder Wirtschaft des betreffenden Ge-bietes. Die Besatzungsmacht erleichtertdie schnelle Verteilung dieser Sendun-gen. Alle Vertragsparteien werden sichbemühen, die unentgeltliche Durchfuhrund Beförderung dieser für besetzteGebiete bestimmten Sendungen zugestatten.

Artikel 62Unter Vorbehalt von zwingenden

Sicherheitsgründen können auf besetz-tem Gebiet befindliche geschützte Per-sonen an sie gerichtete Einzel-Hilfssendungen empfangen.

Artikel 63Unter Vorbehalt von vorübergehenden

von der Besatzungsmacht ausnahms-weise aus zwingenden Sicherheitsgrün-den auferlegten Maßnahmena) können die anerkannten nationalen

Gesellschaften vom Roten Kreuz (vom Roten Halbmond, vom Roten Löwen mit roter Sonne) ihre Tätigkeitgemäß den Grundsätzen des Roten Kreuzes fortsetzen, wie sie von den internationalen Rotkreuzkonferenzen festgelegt worden sind. Die anderen Hilfsgesellschaften können ihre hu-

141IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 141

manitäre Tätigkeit unter ähnlichen Bedingungen fortsetzen;

b) darf die Besatzungsmacht keine Veränderungen im Personal oder in der Zusammensetzung dieser Ge-sellschaften verlangen, die der oben erwähnten Tätigkeit zum Nachteil gereichen könnten.

Die gleichen Regeln finden auf dieTätigkeit und das Personal von beson-deren Organisationen nichtmilitärischenCharakters Anwendung, welche bereitsbestehen oder geschaffen werden, umdie Lebensbedingungen der Zivilbe-völkerung durch Aufrechterhaltung derlebenswichtigen öffentlichen Dienste,durch Verteilung von Hilfssendungenund durch Organisierung von Rettungs-aktionen zu sichern.

Artikel 64Das Strafrecht des besetzten Gebietes

bleibt in Kraft, soweit es nicht durch dieBesatzungsmacht außer Kraft gesetztoder suspendiert werden darf, wenn eseine Gefahr für die Sicherheit dieserMacht oder ein Hindernis bei derAnwendung des vorliegenden Abkom-mens darstellt. Vorbehaltlich dieserAusnahme und der Notwendigkeit, einearbeitsfähige Justizverwaltung zu ge-währleisten, setzen die Gerichte desbesetzten Gebietes ihre Tätigkeit hin-sichtlich aller durch die erwähntenRechtsvorschriften erfaßten strafbarenHandlungen fort.

Jedoch kann die Besatzungsmacht dieBevölkerung des besetzten GebietesBestimmungen unterwerfen, die ihrunerläßlich erscheinen zur Erfüllung derihr durch das vorliegende Abkommenauferlegten Verpflichtungen, zur Auf-rechterhaltung einer ordentlichen Ver-waltung des Gebietes und zur Ge-

währleistung der Sicherheit sowohl derBesatzungsmacht wie auch der Mit-glieder und des Eigentums der Be-satzungsstreitkräfte oder -verwaltungsowie der von der Besatzungsmachtbenutzten Anlagen und Verbindungs-linien.

Artikel 65Die durch die Besatzungsmacht erlas-

senen Strafbestimmungen erhalten erstdann Rechtskraft, wenn sie veröffentlichtund der Bevölkerung in ihrer Sprachezur Kenntnis gebracht worden sind. Siekönnen keine rückwirkende Kraft haben.

Artikel 66Im Falle eines Verstoßes gegen die

gemäß Artikel 64 Absatz 2 erlassenenStrafbestimmungen kann die Besat-zungsmacht die Angeklagten an ihrenicht politischen und ordentlich bestell-ten Militärgerichte überweisen, unter derBedingung, daß diese im besetztenLande tagen. Die Berufungsgerichtetagen vorzugsweise im besetztenLande.

Artikel 67Die Gerichte dürfen nur Gesetzes-

bestimmungen anwenden, die vor derBegehung der strafbaren Handlungbestanden und in Übereinstimmung mitden allgemein anerkannten Rechts-grundsätzen stehen, insbesondere demGrundsatz, daß die Strafe der Schwereder strafbaren Handlung entsprechenmuß. Sie ziehen in Betracht, daß derAngeklagte kein Angehöriger der Be-satzungsmacht ist.

Artikel 68Wenn eine geschützte Person eine

strafbare Handlung begeht, die aus-

142 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 142

schließlich den Zweck verfolgt, derBesatzungsmacht Schaden zuzufügen,und wenn diese strafbare Handlung kei-nen Angriff auf das Leben oder die kör-perliche Unversehrtheit der Mitgliederder Besatzungsstreitkräfte oder -behör-den darstellt, ferner weder eine ernsteGefahr für die Gemeinschaft bedeutetnoch dem Eigentum der Besatzungs-macht oder der Besatzungsbehörden,noch den durch sie benutzten Ein-richtungen wesentlichen Schaden zu-fügt, so wird diese Person mitInternierung oder Gefängnis bestraft,vorausgesetzt, daß die Dauer dieserInternierung oder Gefängnisstrafe derSchwere der begangenen strafbarenHandlung entspricht. Des weiteren sindInternierung oder Gefängnis für solchestrafbaren Handlungen die einzigen frei-heitsentziehenden Maßnahmen, die inbezug auf geschützte Personen getrof-fen werden können. Die in Artikel 66 desvorliegenden Abkommens vorgesehe-nen Gerichte können ohne weiteres dieGefängnisstrafe in eine Internierung vongleicher Dauer umwandeln.

Die von der Besatzungsmacht gemäßArtikel 64 und 65 in Kraft gesetztenStrafbestimmungen können die Todes-strafe für geschützte Personen nur dannvorsehen, wenn diese Personen derSpionage, schwerer Sabotageakte anmilitärischen Einrichtungen der Besat-zungsmacht oder vorsätzlicher strafba-rer Handlungen schuldig befunden wer-den, die den Tod einer oder mehrererPersonen verursacht haben, und wenngemäß den bereits vor der Besetzung inKraft befindlichen Rechtsvorschriftendes besetzten Gebietes für solche Fälledie Todesstrafe vorgesehen war.

Die Todesstrafe kann gegen einegeschützte Person nur dann ausgespro-

chen werden, wenn die Aufmerksamkeitdes Gerichts besonders auf den Um-stand gelenkt wurde, daß der An-geklagte, weil er nicht Angehöriger derBesatzungsmacht ist, durch keinerleiTreueverpflichtung ihr gegenüber ge-bunden ist.

Keinesfalls darf die Todesstrafe gegeneine geschützte Person ausgesprochenwerden, die bei der Begehung der straf-baren Handlung weniger als 18 Jahre altwar.

Artikel 69In allen Fällen wird einer angeklagten

geschützten Person die Dauer derUntersuchungshaft von der Gefängnis-strafe abgezogen.

Artikel 70Geschützte Personen werden von der

Besatzungsmacht nicht verhaftet, ge-richtlich verfolgt oder verurteilt wegenvor der Besetzung oder während einervorübergehenden Unterbrechung der-selben begangener Handlungen odergeäußerter Meinungen, mit Ausnahmevon Verstößen gegen die Gesetze undGebräuche des Krieges.

Angehörige der Besatzungsmacht, dievor Ausbruch des Konflikts im Gebietedes besetzten Staates Zuflucht gesuchthaben, werden nicht verhaftet, gericht-lich verfolgt, verurteilt oder aus dembesetzten Gebiete verschleppt, es seidenn wegen nach Ausbruch der Feind-seligkeiten begangener strafbarer Hand-lungen oder vor Ausbruch derFeindseligkeiten begangener gemein-rechtlicher strafbarer Handlungen, dienach dem Recht des besetzten Staatesdie Auslieferung auch in Friedenszeitengerechtfertigt hätten.

143IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 143

Artikel 71Die zuständigen Gerichte der Be-

satzungsmacht fällen kein Urteil ohneein vorhergehendes ordentliches Ver-fahren.

Jeder von der BesatzungsmachtAngeklagte wird ohne Verzug schriftlichin einer ihm verständlichen Sprache vonden gegen ihn erhobenen Anschuldi-gungen eingehend in Kenntnis gesetzt,und sein Fall wird so schnell wie möglichvor Gericht gebracht. Die Schutzmachtwird von jedem durch die Besat-zungsmacht gegen geschützte Perso-nen eingeleiteten Verfahren in Kenntnisgesetzt, wenn die Anklage zu einemTodesurteil oder zur Verhängung einerGefängnisstrafe von zwei oder mehrJahren führen könnte; sie kann sichjederzeit über den Stand des Verfahrensinformieren. Des weiteren hat dieSchutzmacht das Recht, auf Verlangenalle Auskünfte über derartige und alleanderen durch die Besatzungsmachtgegen geschützte Personen eingeleite-ten Verfahren zu erhalten.

Die Notifizierung an die Schutzmacht,wie in Absatz 2 dieses Artikels vorgese-hen, erfolgt unverzüglich und geht injedem Falle der Schutzmacht dreiWochen vor dem Zeitpunkt der erstenVerhandlung zu. Die Verhandlung kannnicht stattfinden, wenn nicht bei ihrerEröffnung der Beweis erbracht wird, daßdie Bestimmungen dieses Artikels volleingehalten wurden. Die Notifizierunghat insbesondere Auskunft über folgen-de Punkte zu geben:a) Personalbeschreibung des Ange-

klagten;b) Aufenthalts- oder Gewahrsamsort;c) Aufzählung des oder der Anklage-

punkte (mit Erwähnung der Strafbe-stimmungen, auf die sie sich stützen);

d) Angabe des Gerichts, das den Fall behandeln wird;

e) Ort und Zeitpunkt der ersten Ver-handlung.

Artikel 72Jeder Angeklagte hat das Recht, die

zu seiner Verteidigung notwendigenBeweismittel geltend zu machen; insbe-sondere kann er Zeugen vernehmen las-sen. Er hat Anspruch darauf, daß ihmein geeigneter Anwalt seiner Wahl bei-steht, der ihn ungehindert besuchenkann und sich aller Erleichterungenerfreut, die zur Vorbereitung der Ver-teidigung notwendig sind.

Falls der Angeklagte selbst keinenVerteidiger bezeichnet, stellt ihm dieSchutzmacht einen zur Verfügung. Stehtder Angeschuldigte einer schwerenAnklage gegenüber und entbehrt ereiner Schutzmacht, so stellt ihm dieBesatzungsmacht unter Vorbehalt sei-ner Zustimmung einen Verteidiger.

Jeder Angeklagte wird, sofern er nichtvon sich aus darauf verzichtet, sowohlwährend der Untersuchung als auch beider Gerichtsverhandlung von einemDolmetscher unterstützt. Er kann denDolmetscher jederzeit ablehnen unddessen Ersetzung verlangen.

Artikel 73Jeder Verurteilte hat das Recht, dieje-

nigen Rechtsmittel zu ergreifen, die indem vom Gericht angewendeten Rechtvorgesehen sind. Er wird vollständigüber sein Recht, Rechtsmittel einzule-gen sowie über die hierfür festgesetztenFristen aufgeklärt.

Das in diesem Abschnitt vorgeseheneStrafverfahren findet auch bei Rechts-mitteln entsprechend Anwendung.Sehen die durch das Gericht angewen-

144 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 144

deten Rechtsvorschriften keine Rechts-mittel vor, so hat der Verurteilte dasRecht, gegen das Urteil und die Ver-urteilung bei der zuständigen Behördeder Besatzungsmacht Berufung einzule-gen.

Artikel 74Die Vertreter der Schutzmacht haben

das Recht, an der Hauptverhandlungjedes Gerichts teilzunehmen, das übereine geschützte Person befindet, sofernnicht die Verhandlungen ausnahms-weise im Interesse der Sicherheit derBesatzungsmacht unter Ausschluß derÖffentlichkeit stattfinden müssen; in die-sem Falle verständigt die Besatzungs-macht die Schutzmacht entsprechend.Ort und Zeitpunkt des Beginns derVerhandlungen werden der Schutz-macht notifiziert.

Alle Verurteilungen zum Tode oder zuFreiheitsstrafen von zwei oder mehrJahren werden unter Angaben derGründe so schnell wie möglich derSchutzmacht mitgeteilt; diese Mitteilunghat Bezug zu nehmen auf die gemäßArtikel 71 erfolgte Notifizierung und imFalle einer Freiheitsstrafe den Namendes Ortes zu enthalten, wo das Urteilvollzogen wird. Die übrigen Urteile wer-den in den Gerichtsakten festgehaltenund können durch Vertreter der Schutz-macht eingesehen werden. Im Falleeiner Verurteilung zum Jode oder einerFreiheitsstrafe von zwei oder mehrJahren beginnen die Rechtsmittelfristenerst von dem Augenblick an zu laufen, inwelchem die Schutzmacht vom Urteil inKenntnis gesetzt worden ist.

Artikel 75In keinem Fall werden zum Tode

Verurteilte des Rechtes beraubt, ein

Gnadengesuch einzureichen.Keine Todesstrafe wird vollstreckt,

bevor nicht eine Frist von wenigstenssechs Monaten abgelaufen ist; dieseFrist beginnt erst von dem Augenblickanzulaufen, in welchem die Schutz-macht die Mitteilung über das endgülti-ge Urteil, das die Todesstrafe bestätigt,oder über den Entscheid, mit welchemdas Gnadengesuch abgewiesen wird,erhält.

Dieser Aufschub von sechs Monatenkann in bestimmten Einzelfällen gekürztwerden, nämlich dann, wenn sich infolgeeiner schwierigen und kritischen Lageergibt, daß die Sicherheit der Besat-zungsmacht oder ihrer Streitkräfte einerorganisierten Bedrohung ausgesetzt ist;der Schutzmacht wird jedoch eine der-artige Kürzung der vorgesehenen Friststets notifiziert; es ist ihr genügend Zeitzu lassen, um bei den zuständigenBesatzungsbehörden wegen dieserTodesstrafe vorstellig zu werden.

Artikel 76Einer strafbaren Handlung angeklagte

geschützte Personen werden im besetz-ten Gebiet gefangengehalten und verbü-ßen, falls sie verurteilt werden, dort ihreStrafe. Sie werden wenn möglich vonden anderen Gefangenen getrennt; diefür sie maßgeblichen Bedingungen derErnährung und Hygiene müssen genü-gen, um sie in einem guten Gesund-heitszustand zu erhalten, und minde-stens den Bedingungen der Strafan-stalten des besetzten Landes entspre-chen.

Sie erhalten die ärztliche Betreuung,die ihr Gesundheitszustand erfordert.

Sie haben ebenfalls das Recht, dengeistlichen Beistand zu empfangen, umden sie etwa ersuchen.

145IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 145

Frauen werden in getrennten Räum-lichkeiten untergebracht und unterste-hen der unmittelbaren Überwachungdurch Frauen.

Besondere Aufmerksamkeit wird derden Minderjährigen zukommenden Be-handlung geschenkt.

Gefangengehaltene geschützte Per-sonen haben das Recht, den Besuchvon Delegierten der Schutzmacht unddes Internationalen Komitees vomRoten Kreuz gemäß den Bestimmungenvon Artikel 143 zu empfangen.

Ferner sind sie berechtigt, monatlichmindestens ein Hilfspaket zu erhalten.

Artikel 77Durch Gerichte im besetzten Gebiet

angeklagte oder verurteilte geschütztePersonen werden beim Abschluß derBesetzung den Behörden des befreitenGebietes mit den sie betreffenden Aktenübergeben.

Artikel 78Erachtet die Besatzungsmacht es aus

zwingenden Sicherheitsgründen als not-wendig, Sicherheitsmaßnahmen in be-zug auf geschützte Personen zu ergrei-fen, so kann sie ihnen höchstens einenZwangsaufenthalt auferlegen oder sieinternieren.

Entscheide in bezug auf solcheZwangsaufenthalte oder Internierungenwerden in einem ordentlichen Verfahrengetroffen, das durch die Besatzungs-macht entsprechend den Bestimmun-gen des vorliegenden Abkommens fest-zulegen ist. Dieses Verfahren hat für diebetroffenen Personen Rechtsmittel vor-zusehen. Über diese wird so schnell wiemöglich entschieden. Werden Ent-scheide aufrechterhalten, so werden sieeiner regelmäßigen, wenn möglich halb-

jährlichen Überprüfung durch einezuständige, von der erwähnten Machtbestellten Behörde unterzogen.

Geschützte Personen, denen einZwangsaufenthalt zugewiesen wird unddie infolgedessen zum Verlassen ihresWohnsitzes gezwungen sind, gelangenin den vollen Genuß der Bestimmungenvon Artikel 39 des vorliegenden Ab-kommens.

ABSCHNITT IV BESTIMMUNGEN ÜBER DIE

BEHANDLUNG VON INTERNIERTEN

Kapitel I Allgemeine Bestimmungen

Artikel 79Die am Konflikt beteiligten Parteien

internieren geschützte Personen nurgemäß den Bestimmungen der Artikel41, 42, 43, 68 und 78.

Artikel 80Die Internierten behalten ihre volle zivi-

le Rechtspersönlichkeit und üben dieihnen daraus erwachsenden Rechte indem mit ihrer Rechtsstellung als Inter-nierte zu vereinbarenden Ausmaß aus.

Artikel 81Die am Konflikt beteiligten Parteien, die

geschützte Personen internieren, sindgehalten, unentgeltlich für ihren Unter-halt aufzukommen und ihnen ebenfallsdie ärztliche Pflege angedeihen zu las-sen, die ihr Gesundheitszustand erfor-dert.

Von den Bezügen, Entlohnungen undGuthaben der Internierten darf zur Be-gleichung dieser Kosten keinerlei Abzuggemacht werden.

146 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 146

Der Gewahrsamsstaat kommt für denUnterhalt der von den Internierten ab-hängigen Personen auf, wenn sie ohneausreichende Unterhaltsmittel und unfä-hig sind, ihren Lebensunterhalt selbst zuverdienen.

Artikel 82Der Gewahrsamsstaat teilt die Inter-

nierten im Rahmen des Möglichen nachihrer Nationalität, ihrer Sprache undihren Gebräuchen ein. Die Internierten,die Angehörige desselben Landes sind,dürfen nicht lediglich wegen der Ver-schiedenheit ihrer Sprache getrenntwerden.

Während der ganzen Dauer ihrer Inter-nierung werden die Mitglieder derselbenFamilie und namentlich die Eltern undihre Kinder am gleichen Internierungsortvereinigt, mit Ausnahme jener Fälle, wodie Erfordernisse der Arbeit, Gesund-heitsgründe oder die Anwendung der imKapitel IX dieses Abschnittes vorgese-henen Bestimmungen eine vorüberge-hende Trennung notwendig machen. DieInternierten können verlangen, daß ihrein Freiheit gelassenen Kinder, die derelterlichen Überwachung ermangeln, mitihnen interniert werden.

Wo immer möglich, werden die inter-nierten Mitglieder derselben Familie inden gleichen Räumen zusammen undvon den übrigen Internierten getrenntuntergebracht; die notwendigen Er-leichterungen zur Führung eines Fami-lienlebens werden ihnen gewährt.

Kapitel II Internierungsorte

Artikel 83Der Gewahrsamsstaat darf die Inter-

nierungsorte nicht in Gegenden anlegen,

die den Kriegsgefahren besonders aus-gesetzt sind.

Der Gewahrsamsstaat macht durchVermittlung der Schutzmächte denfeindlichen Mächten alle zweckdien-lichen Angaben über die geographischeLage der Internierungsorte.

Soweit die militärischen Erwägungenes erlauben, werden die Internierungs-lager somit den Buchstaben IC gekenn-zeichnet, daß sie tagsüber aus der Luftdeutlich erkennbar sind; es ist denbetreffenden Mächten jedoch unbenom-men, sich über ein anderes Mittel zurKennzeichnung zu einigen. Keine ande-re Örtlichkeit darf auf die gleiche Weisewie ein Internierungslager gekennzeich-net werden.

Artikel 84Internierte werden getrennt von Kriegs-

gefangenen und von aus irgendeinemanderen Grund der Freiheit beraubtenPersonen untergebracht und betreut.

Artikel 85Der Gewahrsamsstaat ist verpflichtet,

alle notwendigen und ihm möglichenMaßnahmen zu ergreifen, damit diegeschützten Personen vom Beginn ihrerInternierung an in Gebäuden und Unter-künften untergebracht werden, die jegli-che Gewähr in bezug auf Hygiene undSauberkeit sowie wirksamen Schutz vorden Unbilden der Witterung und denFolgen des Krieges bieten. Auf keinenFall dürfen ständige Internierungsorte inGegenden angelegt werden, die unge-sund sind oder deren Klima für dieInternierten abträglich sein könnte. Inallen Fällen, in denen sie vorübergehendin einer Gegend interniert werden, dieungesund ist oder deren Klima ihrerGesundheit abträglich sein könnte, wer-

147IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 147

den die geschützten Personen, soschnell wie es die Umstände erlauben,an einen zuträglichen Internierungsortverbracht.

Die Räume müssen vollkommen vorFeuchtigkeit geschützt und, namentlichzwischen dem Einbruch der Dunkelheitund dem Beginn der Nachtruhe, genü-gend geheizt und beleuchtet sein. DieSchlafräume müssen ausreichend ge-räumig und gut gelüftet sein; denInternierten sind passendes Bettzeugund Decken in genügender Zahl zu stel-len, wobei der Witterung und dem Alter,dem Geschlecht und dem Gesund-heitszustand der Internierten Rechnungzu tragen ist.

Den Internierten stehen Tag und Nachtsanitäre Einrichtungen zur Verfügung,die den Erfordernissen der Hygiene ent-sprechen und dauernd sauber gehaltenwerden. Wasser und Seife für ihre tägli-che Körperpflege und die Reinigungihrer Wäsche werden ihnen in genügen-der Menge geliefert, die hierfür notwen-digen Einrichtungen und Erleichterungenwerden ihnen gewährt. Außerdem müs-sen ihnen Brausen und Badeeinrichtun-gen zur Verfügung stehen. Für ihreKörperpflege und die Reinigungsar-beiten ist ihnen die nötige Zeit einzuräu-men.

Wenn immer es nötig ist, ausnahms-weise und vorübergehend internierteFrauen, die nicht einer Familiengruppeangehören, zusammen mit Männern amgleichen Internierungsort unterzubrin-gen, müssen sie unbedingt über ge-trennte Schlafräume und sanitäre Ein-richtungen verfügen.

Artikel 86Der Gewahrsamsstaat stellt den Inter-

nierten jeglichen Bekenntnisses passen-

de Räume zur Abhaltung ihrer Gottes-dienste zur Verfügung.

Artikel 87Sofern die Internierten nicht über ähnli-

che andere Erleichterungen verfügen,werden an allen Internierungsorten Kan-tinen eingerichtet, damit die Interniertenin der Lage sind, sich zu Preisen, die kei-nesfalls jene des lokalen Handels über-steigen dürfen, Lebensmittel und Ge-brauchsgegenstände, einschließlich Sei-fe und Tabak, zu beschaffen, die dazubeitragen, ihr Wohlbefinden und ihrepersönliche Annehmlichkeit zu steigern.

Überschüsse der Kantinen werden aufeinen besonderen Unterstützungsfondsüberwiesen, der an jedem Internie-rungsort eingerichtet und zum Nutzender Internierten des betreffenden Inter-nierungsortes verwaltet wird. Der inArtikel 102 vorgesehene Interniertenaus-schuß hat das Recht auf Einblick in dieVerwaltung der Kantine und diesesFonds.

Wird ein Internierungsort aufgelöst, sowird der Guthaben-Saldo des Unter-stützungsfonds auf den Unterstützungs-fonds eines anderen Internierungsortesfür Internierte der gleichen Nationalitätoder, wenn ein solcher nicht besteht, aufeinen zentralen Unterstützungsfondsüberschrieben, der zum Nutzen aller inder Hand des Gewahrsamsstaates ver-bleibenden Internierten verwaltet wird.Im Falle allgemeiner Freilassung werdendiese Überschüsse vom Gewahrsams-staat einbehalten, sofern nicht eineÜbereinkunft zwischen den betreffendenMächten etwas anderes vorsieht.

Artikel 88In allen Internierungsorten, die Luftan-

griffen und anderen Kriegsgefahren aus-

148 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 148

gesetzt sind, werden passende Schutz-räume in genügender Zahl eingerichtet,um den notwendigen Schutz zu ge-währleisten. Im Falle eines Alarms dürfensich die Internierten so schnell wie mög-lich dorthin begeben, mit Ausnahmederjenigen unter ihnen, die am Schutzihrer eigenen Unterkünfte gegen dieseGefahren teilnehmen. Jede zugunstender Bevölkerung ergriffene Schutzmaß-nahme kommt auch ihnen zugute.

In den Internierungsorten werden aus-reichende Vorsichtsmaßregeln gegenFeuergefahr getroffen.

Kapitel III Ernährung und Bekleidung

Artikel 89Die tägliche Lebensmittelzuteilung an

die Internierten muß in bezug aufMenge, Güte und Abwechslung ausrei-chend sein um einen normalen Ge-sundheitszustand zu gewährleisten undMangelerscheinungen zu verhindern;den Ernährungsgewohnheiten derInternierten wird ebenfalls Rechnunggetragen.

Überdies wird den Internierten dieMöglichkeit zur Zubereitung der Ergän-zungsnahrung gegeben, über die sieetwa verfügen.

Trinkwasser wird ihnen in genügenderMenge geliefert, Tabakgenuß ist gestat-tet.

Arbeitende Internierte erhalten eine derNatur ihrer Arbeit entsprechende Zu-satzverpflegung.

Schwangere Frauen und Wöch-nerinnen sowie Kinder unter 15 Jahrenerhalten eine ihren physiologischenBedürfnissen entsprechende Zusatzver-pflegung.

Artikel 90Den Internierten werden bei ihrer

Festnahme alle Erleichterungen ge-währt, damit sie sich mit Kleidung,Schuhen und Leibwäsche ausstattenund auch späterhin nach Bedarf damiteindecken können. Besitzen die Inter-nierten nicht genügend der Witterungangepaßte Kleidung und können sie sichsolche auch nicht beschaffen, so wirdsie ihnen vom Gewahrsamsstaat unent-geltlich geliefert.

Die den Internierten vom Gewahr-samsstaat gelieferte Kleidung und diedarauf etwa angebrachten äußerenKennzeichen dürfen nicht so beschaffensein, daß sie die Internierten entehrenoder der Lächerlichkeit preisgeben.

Die arbeitenden Internierten erhaltenArbeitskleidung, einschließlich geeigne-ter Schutzkleidung, wo immer die Artihrer Arbeit dies erfordert.

Kapitel IVGesundheitspflege und

ärztliche Betreuung

Artikel 91Jeder Internierungsort weist einen

geeigneten unter der Leitung eines befä-higten Arztes stehenden Krankenraumauf, wo die Internierten die Pflege mitentsprechender Diät erhalten können,deren sie bedürfen. Für die von anstek-kenden oder Geisteskrankheiten befalle-nen Kranken werden Absonderungs-räume bereitgestellt.

Schwangere Frauen sowie Internierte,die von einer schweren Krankheit befal-len sind oder deren Zustand eine beson-dere Behandlung, einen chirurgischenEingriff oder Krankenhauspflege nötigmacht, werden in jedem für ihreBehandlung geeigneten Krankenhaus

149IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 149

zugelassen; sie erhalten dort keineschlechtere Pflege als die Bevölkerungim allgemeinen.

Die Internierten werden vorzugsweisedurch ärztliches Personal ihrer eigenenNationalität behandelt.

Die Internierten dürfen nicht darangehindert werden, sich den ärztlichenBehörden zur Untersuchung zu stellen.Die ärztlichen Behörden des Gewahr-samsstaates händigen auf Ersuchenjedem behandelten Internierten eineamtliche Bescheinigung aus, die die Artseiner Krankheit oder seiner Ver-letzungen, die Dauer der Behandlungund die erhaltene Pflege bezeichnet. EinDoppel dieser Bescheinigung ist der inArtikel 140 vorgesehenen Zentralstellezu übermitteln.

Die Behandlung sowie die Lieferungaller für die Aufrechterhaltung einesguten Gesundheitszustandes der Inter-nierten benötigten Geräte, insbesonderekünstlicher Zähne und anderer Prothe-sen sowie Brillen, werden den Inter-nierten unentgeltlich gewährt.

Artikel 92Mindestens einmal monatlich werden

die Internierten ärztlich untersucht.Diese Untersuchung dient der Kontrolledes allgemeinen Gesundheits-, Ernäh-rungs- und Sauberkeitszustands sowieder Aufdeckung von ansteckendenKrankheiten, namentlich von Tuber-kulose, Geschlechtskrankheiten undMalaria. Sie umfaßt insbesondere auchdie Kontrolle des Gewichts jedesInternierten und mindestens einmal jähr-lich eine Durchleuchtung.

Kapitel V Religion, geistige und

körperliche Betätigung

Artikel 93Den Internierten wird in der Ausübung

ihrer Religion, unter Einschluß derTeilnahme an Gottesdiensten ihresGlaubensbekenntnisses, volle Freiheitgewährt, vorausgesetzt, daß sie dieOrdnungsvorschriften der Gewahrsams-behörden befolgen.

Den internierten Geistlichen ist esgestattet, ihr Amt unter ihren Glaubens-genossen uneingeschränkt auszuüben.Zu diesem Zwecke wacht der Gewahr-samsstaat darüber, daß sie gleichmäßigauf die verschiedenen Internierungsorteverteilt werden, wo sich die gleicheSprache sprechende und dem gleichenBekenntnis angehörende Internierte auf-halten. Sind nicht genügend Geistlichevorhanden, so werden ihnen die not-wendigen Erleichterungen, unter ande-rem die Benutzung von Beförderungs-mitteln gewährt, um sich von einemInternierungsort zum anderen zu bege-ben; sie werden ermächtigt, die inKrankenhäusern befindlichen Internier-ten zu besuchen. Die Geistlichen genie-ßen zur Ausübung ihres Amtes volleFreiheit im Schriftwechsel mit den religi-ösen Behörden des Gewahrsams-staates und, soweit möglich, mit deninternationalen religiösen Organisationenihres Glaubensbekenntnisses. DieserSchriftwechsel fällt nicht unter das inArtikel 107 erwähnte Kontingent, unter-liegt jedoch den Bestimmungen desArtikels 112.

Sofern Internierte nicht über denBeistand von Geistlichen ihres Glau-bensbekenntnisses verfügen oder derenZahl nicht genügend ist, können die ört-

150 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 150

lichen Kirchenbehörden desselben Be-kenntnisses im Einverständnis mit demGewahrsamsstaat einen Geistlichen desBekenntnisses der betreffenden Inter-nierten oder, wenn dies vom konfessio-nellen Gesichtspunkt aus möglich ist,einen Geistlichen eines ähnlichen Glau-bensbekenntnisses oder einen befähig-ten Laien namhaft machen. Letzterergenießt die Vorteile, die mit der über-nommenen Aufgaben verbunden sind.Die so bezeichneten Personen habenalle vom Gewahrsamsstaat im Interesseder Disziplin und der Sicherheit aufge-stellten Vorschriften zu befolgen.

Artikel 94Der Gewahrsamsstaat fördert die gei-

stige, erzieherische, sportliche und dieder Erholung dienende Betätigung derInternierten, wobei ihnen volle Freiheit zulassen ist, daran teilzunehmen odernicht. Er trifft alle irgend möglichenMaßnahmen, um diese Betätigung zugewährleisten und insbesondere denInternierten passende Räume zur Ver-fügung zu stellen.

Alle irgend möglichen Erleichterungenwerden den Internierten gewährt, um siein die Lage zu versetzen, ihre Studienfortzuführen oder solche zu beginnen.Die Unterrichtung der Kinder und derheranwachsenden Jugend wird gewähr-leistet; sie können Schulen entwederinnerhalb oder außerhalb des Inter-nierungsortes besuchen.

Den Internierten wird Gelegenheit ge-geben, sich turnerischen Übungen, demSport und Spielen im Freien zu widmen.Zu diesem Zwecke werden in allenInternierungsorten ausreichende offenePlätze zur Verfügung gestellt. Kindernund Jugendlichen werden besondereSpielplätze vorbehalten.

Artikel 95Der Gewahrsamsstaat kann Internierte

nur auf ihren Wunsch als Arbeiterbeschäftigen. Auf jeden Fall sind unter-sagt: die Verwendung, welche, einernicht internierten geschützten Personauferlegt, eine Verletzung von Artikel 40oder 51 des vorliegenden Abkommensbedeuten würde, sowie die Verwendungzu allen Arbeiten erniedrigender oderentehrender Art.

Nach einer Arbeitszeit von 6 Wochenkönnen die Internierten die Arbeit jeder-zeit einstellen, vorausgesetzt, daß siedies acht Tage vorher ankündigen.

Diese Bestimmung beschränken nichtdas Recht des Gewahrsamsstaates,internierte Arzte, Zahnärzte und andereim Gesundheitswesen Tätige zur Aus-übung ihres Berufes zum Wohle ihrerMitinternierten zu veranlassen, Inter-nierte zu Verwaltungsarbeiten und zurInstandhaltung des Internierungsortesheranzuziehen, diese Personen mitKüchen- und anderen Hausarbeiten zubeauftragen und sie zu Arbeiten heran-zuziehen, die dazu bestimmt sind, dieInternierten vor Luftangriffen und ande-ren als dem Kriege erwachsendenGefahren zu schützen. Jedoch darf keinInternierter zur Ausführung von Arbeitengenötigt werden, zu denen ein Arzt derVerwaltung ihn als körperlich unfähigerklärt hat.

Der Gewahrsamsstaat übernimmt dievolle Verantwortung für alle Arbeits-bedingungen, für die ärztliche Pflege, fürdie Zahlung der Entlohnung und derEntschädigung für Arbeitsunfälle undBerufskrankheiten. Die Arbeitsbedin-gungen sowie die Entschädigungen fürArbeitsunfälle und Berufskrankheitenentsprechen den nationalen Rechtsvor-schriften und Gepflogenheiten; sie ste-

151IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 151

hen denjenigen, die auf Arbeit der glei-chen Art in derselben Gegend An-wendung finden, auf keinen Fall nach.Die Entlohnungen werden durch Ver-einbarung zwischen der Gewahrsams-macht, den Internierten und gegebenen-falls andern Arbeitgebern angemessenfestgesetzt, wobei der Verpflichtung desGewahrsamsstaates Rechnung zu tra-gen ist, unentgeltlich zum Unterhalt desInternierten beizutragen und ihm unent-geltlich die ärztliche Pflege, die seinGesundheitszustand erfordert, angedei-hen zu lassen. Die dauernd zu Arbeiten,wie sie in Absatz 3 umschrieben sind,herangezogenen Internierten erhaltenvom Gewahrsamsstaat eine angemes-sene Entlohung; die Arbeitsbedingun-gen und die Entschädigungen fürArbeitsunfälle und Berufskrankheitenstehen denjenigen, die auf Arbeit dergleichen Art in derselben GegendAnwendung finden, nicht nach.

Artikel 96Jede einzelne Arbeitsgruppe unter-

steht nur einem einzigen Internierungs-ort. Die zuständigen Behörden desGewahrsamsstaates und der Komman-dant des betreffenden Internierungs-ortes sind für die Einhaltung derBestimmungen des vorliegenden Ab-kommens in den Arbeitsgruppen verant-wortlich. Der Kommandant führt eineListe der ihm unterstehenden Arbeits-gruppen auf den Tag nach und legt sieden Delegierten der Schutzmacht, desInternationalen Komitees vom RotenKreuz oder anderer humanitärer Orga-nisationen vor, welche die Internierungs-orte besuchen.

Kapitel VI Persönliches Eigentum

und Geldmittel

Artikel 97Die Internierten dürfen ihre persön-

lichen Gebrauchsgegenstände behal-ten. Geldbeträge, Schecks, Wertpapiereusw. sowie die Wertgegenstände, diesie besitzen, können ihnen nur aufGrund bestehender Verfahrensvorschrif-ten entzogen werden. In einem solchenFalle werden ihnen ins einzelne gehendeQuittungen ausgestellt.

Die Geldbeträge werden dem gemäßArtikel 98 geführten Konto jedes Inter-nierten gutgeschrieben; sie dürfen nichtin eine andere Währung umgewechseltwerden, sofern nicht die Rechtsvor-schriften des Gebietes, in dem ihrEigentümer interniert ist, dies erfordernoder der Internierte einer solchenMaßnahme zustimmt.

Gegenstände, die vor allem persön-lichen oder gefühlsmäßigen Wert besit-zen, dürfen ihnen nicht abgenommenwerden.

Eine internierte Frau darf nur von einerFrau durchsucht werden.

Bei ihrer Freilassung oder Heimschaf-fung erhalten die Internierten denGuthabensaldo ihres gemäß Artikel 98geführten Kontos in Geld sowie alleGegenstände, Geldbeträge, Schecks,Wertpapiere usw., die ihnen etwa wäh-rend ihrer Internierung abgenommenwurden, mit Ausnahme derjenigenGegenstände oder Werte, die derGewahrsamsstaat nach Maßgabe seinerin Kraft befindlichen Rechtsvorschriftenzurückbehalten darf. Wird Eigentumeines Internierten auf Grund solcherRechtsvorschriften zurückbehalten, so

152 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 152

erhält der Betreffende eine ins einzelnegehende Bescheinigung.

Familien- und Ausweispapiere imBesitze der Internierten können ihnennur gegen Quittung abgenommen wer-den. Zu keinem Zeitpunkt dürfen dieInternierten ohne Personalausweis be-lassen werden. Besitzen sie einen sol-chen nicht, so erhalten sie besondereAusweise, die von den Gewahrsams-behörden ausgestellt werden und ihnenbis zum Abschluß der Internierung diePersonalausweise ersetzen.

Die Internierten dürfen einen gewissenBetrag in bar oder in Form von Gut-scheinen bei sich tragen, um Einkäufezu tätigen.

Artikel 98Allen Internierten werden regelmäßig

Beträge zur Verfügung gestellt, die sie indie Lage versetzen, Lebensmittel,Tabakwaren, Toilettenartikel usw. zukaufen. Diese Beträge können in Formvon Krediten oder Einkaufsgutscheinenzur Verfügung gestellt werden.

Überdies können die Internierten Bei-hilfen der Macht, deren Staatsange-hörige sie sind, der Schutzmächte, allersonstigen Hilfsorganisationen oder ihrerFamilien sowie, entsprechend denRechtsvorschriften des Gewahrsams-staates, die Erträgnisse ihres Eigentumsausbezahlt erhalten. Die Höhe der vomHerkunftsstaat gewährten Beihilfen mußinnerhalb jeder Interniertenkategorie(Gebrechliche, Kranke, schwangereFrauen usw.) die gleiche sein; dieFestsetzung dieser Beihilfen durch denHerkunftsstaat und die Auszahlungdurch den Gewahrsamsstaat dürfennicht auf in Artikel 27 des vorliegendenAbkommens untersagten Benachteili-gungen beruhen.

Für jeden Internierten unterhält derGewahrsamsstaat ein ordentlichesKonto, welchem die in diesem Artikelerwähnten Beträge, die durch denInternierten verdienten Entlohnungensowie die ihm zugehenden Geldsendun-gen gutgeschrieben werden. Die ihmabgenommenen Beträge, über die er aufGrund der in diesem Gebiete in Kraftbefindlichen Rechtsvorschriften verfü-gen kann, werden ebenfalls auf seinGuthaben überwiesen. Dem Interniertenwird jede Erleichterung gewährt, die mitden im betreffenden Gebiet in Kraftbefindlichen Rechtsvorschriften verein-bar ist, um seine Familie und von ihmwirtschaftlich abhängigen PersonenUnterstützungsgelder zuzusenden. Erkann von diesem Konto die für seinepersönlichen Ausgaben notwendigenBeträge innerhalb der vom Gewahr-samsstaat festgelegten Grenzen abhe-ben. Ferner werden ihm jederzeit ange-messene Erleichterungen gewährt,damit er Einblick in sein Konto nehmenoder sich Auszüge davon beschaffenkann. Über dieses Konto wird derSchutzmacht auf Ersuchen Auskunfterteilt; es begleitet den Internierten imFalle seiner Verlegung.

Kapitel VII Verwaltung und Disziplin

Artikel 99Jeder Internierungsort wird der Leitung

eines verantwortlichen Offiziers oderBeamten unterstellt, der den ordent-lichen Militärstreitkräften oder demordentlichen Verwaltungskörper desGewahrsamsstaates entnommen wird.Der den Internierungsort befehligendeOffizier oder Beamte muß den Wortlautdes vorliegenden Abkommens in der

153IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 153

Amtssprache oder einer der Amts-sprachen seines Landes besitzen und istfür dessen Anwendung verantwortlich.Das Überwachungspersonal wird vonden Bestimmungen des vorliegendenAbkommens sowie den zu seinerAnwendung erlassenen Vorschriften inKenntnis gesetzt.

Der Wortlaut des vorliegenden Abkom-mens sowie der in Übereinstimmung mitdem vorliegenden Abkommen getroffe-nen Sondervereinbarungen wird inner-halb des Internierungsortes in einer denInternierten verständlichen Spracheangeschlagen oder aber muß sich imBesitze des Interniertenausschussesbefinden.

Vorschriften, Anordnungen, Ankündi-gungen und Bekanntmachungen jederArt werden den Internierten mitgeteiltund innerhalb der Internierungsorte ineiner ihnen verständlichen Spracheangeschlagen.

Auch alle an einzelne Internierte gerich-teten Befehle und Anordnungen werdenin einer ihnen verständlichen Spracheerteilt.

Artikel 100Die Disziplin in den Internierungsorten

muß mit den Grundsätzen der Mensch-lichkeit vereinbar sein und darf auf kei-nen Fall Vorschriften enthalten, die denInternierten ihrer Gesundheit abträglichekörperliche Ermüdung oder Schikanenkörperlicher oder seelischer Art auferle-gen. Tätowierungen oder Anbringungvon Erkennungsmerkmalen oder Kenn-zeichen auf dem Körper sind untersagt.

Insbesondere untersagt sind andau-erndes Stehenlassen oder verlängerteAppelle, körperliche Strafübungen, mili-tärischer Drill und militärische Übungensowie Nahrungsbeschränkungen.

Artikel 101Die Internierten haben das Recht, den

Behörden, in deren Händen sie sichbefinden, ihre Anliegen betreffend dieInternierungsbedingungen, denen sieunterstellt sind, vorzubringen.

Sie haben ferner das Recht, sich unbe-schränkt, entweder durch Vermittlungdes Interniertenausschusses oder, wennsie es für notwendig erachten, unmittel-bar, an die Vertreter der Schutzmacht zuwenden, um ihnen die Punkte zurKenntnis zu bringen, über welche sieBeschwerden hinsichtlich der Internie-rungsbedingungen vorzubringen haben.

Diese Anliegen und Beschwerden wer-den unverändert und beschleunigtweitergeleitet. Selbst wenn sie sich alsunbegründet erweisen, dürfen sie nichtAnlaß zu irgendeiner Bestrafung geben.

Die Interniertenausschüsse könnenden Vertretern der Schutzmacht regel-mäßig Berichte über die Lage in denInternierungsorten und über die Be-dürfnisse der Internierten zustellen.

Artikel 102In jedem Internierungsort wählen die

Internierten alle sechs Monate in freierund geheimer Wahl die Mitglieder einesAusschusses, der mit ihrer Vertretungbei den Behörden des Gewahrsams-staates, den Schutzmächten, dem Inter-nationalen Komitee vom Roten Kreuzund bei jeder sonstigen Hilfsorganisationbeauftragt ist. Die Mitglieder diesesAusschusses sind wieder wählbar.

Die gewählten Internierten überneh-men ihre Funktionen sobald ihre Wahldie Zustimmung der Gewahrsamsbe-hörden erhalten hat. Die Gründe für eineetwaige Weigerung oder Absetzungwerden den in Betracht kommendenSchutzmächten mitgeteilt.

154 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 154

Artikel 103Die Interniertenausschüsse haben das

körperliche, sittliche und geistige Wohlder Internierten zu fördern.

Sollten insbesondere die Interniertenbeschließen, untereinander ein Unter-stützungssystem auf Gegenseitigkeit zuorganisieren, so sind die Ausschüsse fürdiese Organisation zuständig, unbe-schadet der besonderen Aufgaben, dieihnen durch andere Bestimmungen desvorliegenden Abkommens übertragensind.

Artikel 104Die Mitglieder des Interniertenaus-

schusses werden zu keiner anderenArbeit gezwungen, wenn dies dieErfüllung ihrer Aufgaben erschwerenkönnte.

Die Ausschußmitglieder können unterden Internierten die von ihnen benötig-ten Hilfskräfte bezeichnen. Alle materiel-len Erleichterungen, vor allem einegewisse für die Erfüllung ihrer Aufgaben(Besuche der Arbeitsgruppen, Inem-pfangnahme von Versorgungsgüternusw.) notwendige Freizügigkeit, werdenihnen gewährt.

Für ihren postalischen und telegraphi-schen Schriftwechsel mit den Gewahr-samsbehörden, den Schutzmächten,dem Internationalen Komitee vom RotenKreuz und deren Delegierten sowie mitden Hilfsorganisationen für Internierte,wird den Ausschußmitgliedern gleicher-weise jede Erleichterung gewährt.Ausschußmitglieder in Arbeitsgruppengenießen die gleichen Erleichterungenfür ihren Schriftwechsel mit ihremAusschuß am Hauptinterniertenort.Dieser Schriftwechsel darf wederbeschränkt noch als Teil des in Artikel

107 erwähnten Kontingents betrachtetwerden.

Ein Ausschußmitglied darf nicht ver-setzt werden, ohne daß ihm die billiger-weise notwendige Zeit eingeräumt wird,um seinen Nachfolger mit den laufendenGeschäften vertraut zu machen.

Kapitel VIII Beziehungen zur Außenwelt

Artikel 105Unmittelbar nach der Internierung von

geschützten Personen bringen dieGewahrsamsstaaten diesen Personen,der Macht, deren Staatsangehörige siesind, und der Schutzmacht die zurAusführung der Bestimmungen diesesKapitels getroffenen Maßnahmen zurKenntnis. Überdies machen sie denErwähnten von jeder Änderung dieserMaßnahmen Mitteilung.

Artikel 106Jedem Internierten wird unmittelbar

nach seiner Internierung, spätestensaber eine Woche nach seiner Ankunftam Internierungsort, sowie bei Krankheitoder Verlegung an einen anderenInternierungsort oder in ein Kranken-haus, Gelegenheit gegeben, unmittelbaran seine Familie und an die in Artikel 140vorgesehene Zentralstelle je eine Kartezu senden, die möglichst dem diesemAbkommen beigefügten Muster ent-spricht und die Empfänger von seinerInternierung, seiner Anschrift und sei-nem Gesundheitszustand in Kenntnissetzt. Die Beförderung dieser Kartenerfolgt so schnell wie möglich und darf inkeiner Weise verzögert werden.

155IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 155

Artikel 107Die Internierten sind ermächtigt, Briefe

und Postkarten abzuschicken und zuempfangen. Erachtet es der Gewahr-samsstaat für notwendig, die Zahl dervon jedem Internierten abgesandtenBriefe und Postkarten zu beschränken,so darf die zugelassene monatlicheAnzahl nicht geringer sein als zwei Briefeund vier Postkarten, die soweit wiemöglich den dem vorliegenden Abkom-men beigefügten Mustern entsprechen.Müssen die an die Internierten gerichte-ten Briefschaften eingeschränkt werden,so darf dies nur durch Entscheid derHerkunftsmacht, gegebenenfalls aufErsuchen des Gewahrsamsstaates, an-geordnet werden. Diese Briefe undPostkarten sind in angemessener Fristzu befördern; sie dürfen aus disziplinari-schen Gründen weder auf- nochzurückgehalten werden.

Denjenigen Internierten, die seit länge-rer Zeit ohne Nachrichten von ihrerFamilie sind oder denen es nicht möglichist, von ihr solche zu erhalten oder ihr aufnormalem Wege zugehen zu lassen,sowie denjenigen, die durch beträchtli-che Entfernungen von den Ihren ge-trennt sind, muß gestattet werden,gegen Entrichtung der entsprechendenGebühren in dem Geld, über das sie ver-fügen, Telegramme zu senden. Auch inanerkannten Dringlichkeitsfällen gelan-gen sie in den Genuß einer solchenMaßnahme.

In der Regel ist der Schriftwechsel derInternierten in ihrer Muttersprache abzu-fassen. Die am Konflikt beteiligten Par-teien können jedoch Schriftwechselauch in anderen Sprachen zulassen.

Artikel 108Den Internierten wird gestattet, auf

dem Postweg oder auf jede andereWeise Einzel- und Sammelsendungenzu empfangen, die namentlich Lebens-mittel, Kleidung, Arzneimittel sowie fürihre religiösen Bedürfnisse, ihre Studienund ihre Zerstreuung bestimmte Bücherund Gegenstände enthalten. DieseSendungen befreien den Gewahrsams-staat in keiner Weise von den Ver-pflichtungen, die ihm das vorliegendeAbkommen auferlegt.

Sollten militärische Gründe eine Be-grenzung der Anzahl dieser Sendungenerforderlich machen, so werden dieSchutzmacht das Internationale Komi-tee vom Roten Kreuz oder jede sonstigeHilfsorganisation für Internierte, diegegebenenfalls mit der Weiterleitungdieser Sendungen beauftragt sind, ge-bührend davon verständigt.

Wenn nötig, sind die Modalitäten derBeförderung von Einzel- und Sammel-sendungen Gegenstand von Sonderver-einbarungen zwischen den betreffendenMächten, die jedoch den Empfang sol-cher Hilfssendungen durch die Inter-nierten auf keinen Fall verzögern dürfen.Lebensmittel- und Kleidersendungendürfen keine Bücher enthalten; ärztlicheHilfslieferungen sind in der Regel inSammelpaketen zu senden.

Artikel 109In Ermangelung von Sonderverein-

barungen zwischen den am Konfliktbeteiligten Parteien über das beimEmpfang und bei der Verteilung vonSammel-Hilfssendungen zu befolgendeVerfahren findet die dem vorliegendenAbkommen beigefügte Regelung überSammel-Hilfssendungen Anwendung.

156 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

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Die oben erwähnten Sonderverein-barungen dürfen auf keinen Fall dasRecht der Interniertenausschüsse be-schränken, die für die Interniertenbestimmten Sammel-Hilfssendungen inEmpfang zu nehmen, zu verteilen unddarüber im Interesse der Empfänger zuverfügen.

Ebensowenig dürfen sie das Recht derVertreter der Schutzmacht, des Inter-nationalen Komitees vom Roten Kreuzund jeder sonstigen mit der Weiter-leitung dieser Sammelsendungen beauf-tragten Hilfsorganisation für Interniertebeschränken, ihre Verteilung unter dieEmpfänger zu überwachen.

Artikel 110Alle für die Internierten bestimmten

Hilfssendungen werden von sämtlichenEinfuhr-, Zoll- und anderen Gebührenbefreit.

Einschließlich der Hilfspakete undGeldsendungen aus anderen Ländernsind alle Sendungen, die an die Inter-nierten gerichtet oder von ihnen auf demPostweg entweder unmittelbar oderdurch Vermittlung der in Artikel 136 vor-gesehenen Auskunftsbüros und der inArtikel 140 vorgesehenen zentralenAuskunftsstelle abgeschickt werden,sowohl in den Ursprungs- und Be-stimmungs- wie auch in den Durch-fuhrländern von allen Postgebührenbefreit. Zu diesem Zwecke werden ins-besondere die im Weltpostvertrag von1947 und in den Vereinbarungen desWeltpostvereins zugunsten der inLagern oder Zivilgefängnissen zurück-gehaltenen Zivilpersonen feindlicherNationalität vorgesehenen Ausnahmenauf die anderen unter dem Regime desvorliegenden Abkommens interniertengeschützten Personen erstreckt. Län-

der, die an diesen Abmachungen nichtteilnehmen, sind gehalten, die vorgese-henen Gebührenerlasse unter den glei-chen Bedingungen zu gewähren.

Die Kosten für die Beförderung der fürdie Internierten bestimmten Hilfssendun-gen, die ihres Gewichtes oder irgendei-nes anderen Grundes wegen nicht aufdem Postweg befördert werden können,gehen in allen im Herrschaftsbereich desGewahrsamsstaates liegenden Gebie-ten zu dessen Lasten. Die anderenVertragsparteien des vorliegenden Ab-kommens tragen die Beförderungs-kosten auf ihren Gebieten.

Die aus der Beförderung dieserSendungen erwachsenden Kosten, dienach den Bestimmungen des vorste-henden Absatzes nicht gedeckt sind,gehen zu Lasten des Absenders.

Die Hohen Vertragsparteien werdensich bemühen, die Gebühren für vonden Internierten auf gegebene oder ansie gerichtete Telegramme im Rahmendes Möglichen zu ermäßigen.

Artikel 111Sollten Kampfhandlungen die in Frage

kommenden Mächte daran hindern, dieihnen zufallende Verpflichtung zur Ge-währleistung der Beförderung der inArtikel 106, 107, 108 und 113 vorgese-henen Sendungen zu erfüllen, so kön-nen die betreffenden Schutzmächte,das Internationale Komitee vom RotenKreuz oder jede sonstige von den amKonflikt beteiligten Parteien anerkannteOrganisation es übernehmen, die Be-förderung dieser Sendungen mit pas-senden Mitteln (Eisenbahnen, Last-wagen, Schiffen oder Flugzeugen usw.)zu gewährleisten. Zu diesem Zweckewerden sich die Hohen Vertragsparteienbemühen, ihnen diese Beförderungs-

157IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 157

mittel zu verschaffen und sie zumVerkehr zuzulassen, insbesondere durchAusstellung der notwendigen Geleit-briefe.

Diese Beförderungsmittel könnenebenfalls verwendet werden zur Be-förderung vona) Briefschaften, Listen und Berichten,

die zwischen der im Artikel 140 vor-gesehenen zentralen Auskunftsstelle und den in Artikel 136 vorgesehenennationalen Büros ausgetauscht wer-den;

b) Briefschaften und Berichten betref-fend die Internierten, die von den Schutzmächten, dem InternationalenKomitee vom Roten Kreuz und jeder sonstigen Hilfsorganisation für Inter-nierte entweder mit ihren eigenen Delegierten oder mit den am Konflikt beteiligten Parteien ausgetauscht werden.

Diese Bestimmungen beschränkenkeinesfalls das Recht jeder am Konfliktbeteiligten Partei, wenn sie es vorzieht,andere Transporte zu organisieren undGeleitbriefe zu gegenseitig vereinbartenBedingungen auszustellen.

Die aus der Verwendung dieser Be-förderungsmittel erwachsenden Kostenwerden im Verhältnis der Wichtigkeit derSendungen von den am Konflikt beteilig-ten Parteien, deren Angehörigen dieseDienste zugute kommen, getragen.

Artikel 112Die Zensur des an die Internierten ge-

richteten und von ihnen abgeschicktenSchriftwechsels wird so schnell wiemöglich vorgenommen.

Die Durchsicht der für die Interniertenbestimmten Sendungen darf nicht unterBedingungen erfolgen, welche die darinenthaltenen Lebensmittel dem Verderb

aussetzen, und wird in Gegenwart desEmpfängers oder eines von diesembeauftragten Kameraden vorgenom-men. Die Abgabe der Einzel- oderSammelsendungen an die Interniertendarf nicht unter dem Vorwand vonZensurschwierigkeiten verzögert wer-den.

Ein von einer am Konflikt beteiligtenPartei aus militärischen oder politischenGründen erlassenes Schriftwechselver-bot darf nur vorübergehender Art seinund wird so kurz wie möglich befristet.

Artikel 113Die Gewahrsamsstaaten gewähren

jede angemessene Erleichterung zurWeiterleitung – sei es durch Vermittlungder Schutzmacht oder der in Artikel 140vorgesehenen Zentralstelle, sei es durchandere erforderliche Mittel – von Tes-tamenten, Vollmachten oder allen ande-ren für die Internierten bestimmten odervon ihnen ausgehenden Urkunden.

In allen Fällen erleichtern die Gewahr-samsmächte den Internierten die form-gerechte Erstellung und die amtlicheBeglaubigung dieser Urkunden; insbe-sondere wird den Internierten der Ver-kehr mit einem Rechtsanwalt gestattet.

Artikel 114Der Gewahrsamsstaat gewährt den

Internierten alle mit den Internierungs-bedingungen und den in Kraft befind-lichen Rechtsvorschriften zu vereinba-renden Erleichterungen zur Verwaltungihres Eigentums. Er kann ihnen zu die-sem Zwecke gestatten, den Inter-nierungsort in dringenden Fällen, undwenn es die Umstände erlauben, zu ver-lassen.

158 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 158

Artikel 115In allen Fällen, in denen ein Internierter

Partei in einem Prozeß vor irgendeinemGericht ist, setzt der Gewahrsamsstaatauf Ersuchen des Betreffenden dasGericht von seiner Internierung inKenntnis und wacht innerhalb der recht-lichen Grenzen darüber, daß alle not-wendigen Maßnahmen ergriffen werden,damit er seiner Internierung wegen kei-nerlei Nachteile in bezug auf dieVorbereitung und Durchführung seinesProzesses oder die Vollziehung jedesvom Gericht gefällten Urteils erleidet.

Artikel 116Jeder Internierte wird ermächtigt, in

regelmäßigen Abständen und so oft wiemöglich Besuche, vor allem seiner näch-sten Angehörigen, zu empfangen.

In dringlichen Fällen und soweit mög-lich, zumal in Todesfällen und bei ernst-lichen Erkrankungen von Verwandten,wird dem Internierten gestattet, sich zuseiner Familie zu begeben.

Kapitel IX Straf- und Disziplinar-

maßnahmen

Artikel 117Unter Vorbehalt der Bestimmungen

dieses Kapitels gelten für Internierte, diewährend der Internierung eine strafbareHandlung begehen, die in dem Gebiet indem sie sich befinden, in Kraft befind-lichen Rechtsvorschriften weiter.

Erklären allgemeine Gesetze, Verord-nungen oder Anordnungen von Inter-nierten begangene Handlungen alsstrafbar, während die gleichen Hand-lungen nicht strafbar, sind, sofern siedurch nicht internierte Personen began-gen wurden, so dürfen diese Hand-

lungen lediglich eine disziplinarischeBestrafung nach sich ziehen.

Ein Internierter darf nicht mehr als ein-mal für dieselbe Handlung oder aufGrund derselben Anklage bestraft wer-den.

Artikel 118Bei der Strafzumessung haben die

Gerichte oder Behörden soweit wiemöglich die Tatsache zu berücksichti-gen, daß der Angeklagte kein Ange-höriger der Gewahrsamsmacht ist. Esbleibt ihnen anheimgestellt, das Straf-maß nach freiem Ermessen zu verrin-gern, das für die dem Internierten zurLast gelegte strafbare Handlung vorge-sehen ist; sie sind zu diesem Zweckenicht an die vorgeschriebene Mindest-strafe gebunden.

Einkerkerungen in Räumen ohne Ta-geslicht und ganz allgemein alle Formenvon Grausamkeit sind untersagt.

Internierte, die eine Disziplinar- oderGerichtsstrafe verbüßt haben, werdennicht anders behandelt als die übrigenInternierten.

Die von einem Internierten erlitteneUntersuchungshaft wird von jeder Frei-heitsstrafe abgezogen, zu der er diszi-plinarisch oder gerichtlich verurteilt wird.

Die Interniertenausschüsse werdenvon allen gerichtlichen Verfahren undderen Ergebnis in Kenntnis gesetzt, diegegen durch sie vertretene Interniertedurchgeführt werden.

Artikel 119Die auf Internierte anwendbaren Diszi-

plinarstrafen sind die folgenden:1. Buße bis zu 50 v.H. der in Artikel 95

vorgesehenen Entlohnung, und zwar nur während einer Zeitspanne von höchstens dreißig Tagen;

159IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 159

2. Entzug von Vorteilen, welche über die im vorliegenden Abkommen vor-gesehene Behandlung hinausgehendgewährt wurden;

3. Arbeitsdienst von höchstens zwei Stunden täglich, der im Interesse der Instandhaltung des Internierungs-ortes zu leisten ist;

4. Arrest.Keinesfalls dürfen Disziplinarstrafen

unmenschlich, grausam oder der Ge-sundheit der Internierten abträglich sein;Alter, Geschlecht und Gesundheits-zustand sind zu berücksichtigen.

Die Dauer einer einzigen Strafe darf einHöchstmaß von dreißig aufeinanderfol-genden Tagen nicht überschreiten, auchdann nicht, wenn ein Internierter imZeitpunkt der Behandlung seines Fallessich wegen verschiedener Disziplinar-vergehen zu verantworten hat, gleich-gültig, ob diese Handlungen miteinanderin Zusammenhang stehen oder nicht.

Artikel 120Auf der Flucht oder bei Fluchtver-

suchen wieder ergriffene Internierte dür-fen für diese Handlung, selbst imWiederholungsfalle, lediglich disziplina-risch bestraft werden.

Ungeachtet von Artikel 118 Absatz 3können wegen Flucht oder Fluchtver-suches bestrafte Internierte einer beson-deren Aufsicht unterstellt werden, je-doch nur unter der Bedingung, daßdiese Überwachung ihren Gesundheits-zustand nicht beeinträchtigt, an einemInternierungsort durchgeführt wird undkeinen Entzug irgendwelcher ihnendurch das vorliegende Abkommen ver-bürgten Rechte umfaßt.

Internierte, die an einer Flucht oder aneinem Fluchtversuch mitgewirkt haben,

dürfen deswegen nur disziplinarischbestraft werden.

Artikel 121Flucht oder Fluchtversuch, auch im

Wiederholungsfall, dürfen nicht als er-schwerende Umstände in Fällen be-trachtet werden, in denen ein Internierterwegen einer während seiner Fluchtbegangenen strafbaren Handlung ge-richtlich verfolgt wird.

Die am Konflikt beteiligten Parteienwachen darüber, daß die zuständigenBehörden bei der Prüfung der Frage, obeine durch einen Internierten begangeneVerfehlung disziplinarisch oder gericht-lich zu bestrafen ist, Nachsicht waltenlassen, zumal in bezug auf Handlungen,die mit einer Flucht oder einem Flucht-versuch im Zusammenhang stehen.

Artikel 122Handlungen, die einen Verstoß gegen

die Disziplin darstellen, werden unver-züglich untersucht. Dies gilt namentlichin Fällen von Flucht oder Fluchtversuch;wiederergriffene Internierte werden soschnell wie möglich den zuständigenBehörden übergeben.

Für alle Internierten wird die Unter-suchungshaft in Disziplinarfällen auf dasunbedingt notwendige Mindestmaßbeschränkt, sie darf vierzehn Tage nichtüberschreiten; in allen Fällen wird ihreDauer von der unter Umständen ver-hängten Freiheitsstrafe abgezogen.

Die Bestimmungen der Artikel 124 und125 finden auf Internierte Anwendung,die sich wegen eines Disziplinarver-gehens in Untersuchungshaft befinden.

Artikel 123Unbeschadet der Zuständigkeit der

Gerichte und höheren Behörden können

160 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 160

Disziplinarstrafen nur vom Kommandan-ten des Internierungsortes oder voneinem verantwortlichen Offizier oderBeamten, dem er seine Disziplinarstraf-gewalt übertragen hat, verhängt wer-den.

Bevor eine Disziplinarstrafe verhängtwird, wird der angeklagte Interniertegenau über die Tatsachen ins Bildgesetzt, die ihm vorgeworfen werden.Es wird ihm gestattet, sein Verhalten zurechtfertigen, sich zu verteidigen, Zeu-gen vernehmen zu lassen und, falls not-wendig, die Hilfe eines befähigten Dol-metschers in Anspruch zu nehmen. DerEntscheid wird in Gegenwart des An-geklagten und eines Mitglieds desInterniertenausschusses gefällt.

Zwischen dem Disziplinarentscheidund seinem Vollzug darf nicht mehr alsein Monat verstreichen.

Erhält ein Internierter eine weitereDisziplinarstrafe, so muß zwischen demVollzug jeder der Strafen ein Zeitraumvon mindestens drei Tagen liegen,sobald eine von ihnen neun Tage über-schreitet.

Der Kommandant des Internierungs-ortes hat ein Disziplinarstrafregister zuführen, das von Vertretern der Schutz-macht eingesehen werden kann.

Artikel 124Auf keinen Fall dürfen Internierte in

Strafanstalten (Kerker, Zuchthäuser,Gefängnisse) überführt werden, um dortDisziplinarstrafen zu verbüßen.

Die Örtlichkeiten, in denen Disziplinar-strafen zu verbüßen sind, müssen denhygienischen Anforderungen genügenund namentlich mit einer ausreichendenSchlafgelegenheit versehen sein; denbestraften Internierten muß ermöglichtwerden, sich sauber zu halten.

Internierte Frauen, die eine Disziplinar-strafe verbüßen, werden in von denMännerabteilungen getrennten Räumenin Haft gehalten und unter die unmittel-bare Überwachung durch Frauen ge-stellt.

Artikel 125Disziplinarisch bestrafte Internierte

können sich täglich mindestens zweiStunden im Freien bewegen und aufhal-ten.

Es wird ihnen gestattet, sich aufVerlangen bei der täglichen Arztvisite zumelden; sie erhalten die Pflege, die ihrGesundheitszustand erfordert, und wer-den gegebenenfalls in die Kranken-station des Internierungsortes oder einKrankenhaus überführt.

Sie erhalten die Erlaubnis zu lesen undzu schreiben, Briefe abzusenden und zuempfangen. Pakete und Geldsendun-gen dagegen können ihnen bis nachVerbüßung der Strafe vorenthalten wer-den; in der Zwischenzeit werden diesedem Interniertenausschuß anvertraut,der die in den Paketen befindlichen ver-derblichen Lebensmittel der Kranken-station übergibt.

Kein disziplinarisch bestrafter Inter-nierter darf des Genusses der Be-stimmungen von Artikel 107 und 143beraubt werden.

Artikel 126Die Artikel 71 bis 76 (einschließlich) fin-

den entsprechend auf Verfahren An-wendung, welche gegen Interniertedurchgeführt werden, die sich auf demeigenen Gebiete des Gewahrsams-staates befinden.

161IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 161

Kapitel X Verlegung von Internierten

Artikel 127Verlegungen von Internierten werden

stets mit Menschlichkeit durchgeführt. Inder Regel erfolgen sie mit der Eisenbahnoder anderen Beförderungsmitteln undmindestens unter den gleichen Bedin-gungen, deren die Truppen der Gewahr-samsmacht bei ihren Verlegungen teilhaftig werden. Müssen derartigeVerlegungen ausnahmsweise zu Fußdurchgeführt werden, so dürfen sie nurstattfinden, wenn der Gesundheits-zustand der Internierten es erlaubt; aufkeinen Fall dürfen diese dadurch über-mäßigen Anstrengungen ausgesetztsein.

Der Gewahrsamsstaat versorgt dieInternierten während der Verlegung mitTrinkwasser und Nahrungsmitteln ingenügender Menge, Güte und Ab-wechslung, um sie bei guter Gesundheitzu erhalten; er sorgt ebenfalls für dienotwendige Bekleidung, angemesseneUnterkunft und die erforderliche ärztlichePflege. Ferner trifft er alle zweckdien-lichen Vorsichtsmaßnahmen, um dieSicherheit der Internierten während derVerlegung zu gewährleisten; vor derAbreise stellt er eine vollständige Listeder zu verlegenden Internierten auf.

Kranke, verwundete oder gebrechlicheInternierte sowie Wöchnerinnen werdennicht verlegt, wenn die Reise ihreGesundheit beeinträchtigen könnte, essei denn, daß ihre Sicherheit es unbe-dingt erfordert.

Nähert sich die Front dem Inter-nierungsort, so dürfen die dort befind-lichen Internierten nur verlegt werden,wenn dies unter ausreichenden Sicher-heitsbedingungen geschehen kann oder

wenn sie durch Verbleib an Ort undStelle größeren Gefahren ausgesetztsind, als dies bei einer Verlegung der Fallwäre.

Beim Entscheid über die etwaigeVerlegung von Internierten berücksich-tigt der Gewahrsamsstaat die Interessenderselben; insbesondere unternimmt ernichts, was die Schwierigkeiten bei ihrerHeimschaffung oder ihrer Heimkehr inihren Wohnort vergrößern könnte.

Artikel 128In Verlegungsfällen werden die Inter-

nierten amtlich von ihrer Abreise undihrer neuen Postanschrift in Kenntnisgesetzt; diese Mitteilung wird ihnen sofrühzeitig gemacht, daß sie ihr Gepäckvorbereiten und ihre Familien benach-richtigen können.

Es wird ihnen gestattet, ihre persön-lichen Sachen, ihre Briefschaften unddie für sie eingetroffenen Pakete mitzu-nehmen; das Gewicht dieses Gepäckskann, falls die Umstände der Verlegunges erfordern, beschränkt werden, je-doch keinesfalls auf weniger als 25 kgfür jeden Internierten.

Die Briefschaften und Pakete, die anihren ehemaligen Internierungsort ge-richtet werden, werden ihnen ohneVerzug nachgeschickt.

Der Kommandant des Internierungs-ortes ergreift gemeinsam mit demInterniertenausschuß die notwendigenMaßnahmen, um die Überführung desGemeinschaftseigentums der Internier-ten und des Gepäcks sicherzustellen,daß die Internierten infolge einer aufGrund von Absatz 2 dieses Artikels ver-ordneten Beschränkung nicht mit sichnehmen können.

162 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 162

Kapitel XI Todesfälle

Artikel 129Die Internierten können ihre Testa-

mente den verantwortlichen Behördenübergeben; diese gewährleisten derensichere Aufbewahrung. Im Falle desAblebens eines Internierten wird seinTestament ohne Verzug den durch ihnbezeichneten Personen zugestellt.

Der Tod eines Internierten muß durcheinen Arzt festgestellt werden; über dieTodesursachen und die Umstände,unter welchen der Tod eintrat, wird eineBescheinigung ausgestellt.

Gemäß den im Staatsgebiet desbetreffenden Internierungsortes gelten-den Vorschriften wird eine ordnungsmä-ßig registrierte amtliche Todesurkundeausgefertigt; eine beglaubigte Abschriftdavon wird ohne Verzug der Schutz-macht sowie der in Artikel 140 vorgese-henen Zentralstelle übermittelt.

Artikel 130Die Gewahrsamsbehörden sorgen

dafür, daß in der Gefangenschaft ver-storbene Internierte mit allen Ehren,wenn möglich gemäß den Riten derReligion, der sie angehörten, bestattetwerden, daß ihre Gräber geachtet, an-gemessen instandgehalten und so ge-kennzeichnet werden, daß sie jederzeitwieder aufgefunden werden können.

Die verstorbenen Internierten werdeneinzeln bestattet, sofern nicht dieBeisetzung in einem Gemeinschaftsgrabinfolge höherer Gewalt unumgänglichist. Leichen dürfen nur aus zwingendenhygienischen Gründen oder gemäß derReligion des Verstorbenen oder auf sei-nen eigenen Wunsch eingeäschert wer-den. Im Falle einer Einäscherung wird

diese Tatsache unter Angabe derGründe auf der Todesurkunde desVerstorbenen vermerkt. Die Asche wirdvon den Gewahrsamsbehörden sorgfäl-tig aufbewahrt und den nahen Ver-wandten auf Verlangen so schnell wiemöglich ausgehändigt.

Sobald die Umstände es gestatten,spätestens aber bei Beendigung derFeindseligkeiten, übersendet der Ge-wahrsamsstaat durch Vermittlung des inArtikel 136 vorgesehenen Auskunfts-büros den Mächten, denen die verstor-benen Internierten angehörten, derenGräberlisten. Diese Listen enthalten alleEinzelheiten, die zur Identifizierung derverstorbenen Internierten und zur Fest-stellung ihrer Gräber notwendig sind.

Artikel 131Nach jedem Todesfall oder jeder

schweren Verletzung eines Internierten,die durch einen Posten, einen anderenInternierten oder irgendeine anderePerson verursacht wurden oder verur-sacht sein könnten, sowie nach jedemTodesfall, dessen Ursache unbekanntist, wird von dem Gewahrsamsstaatunverzüglich eine amtliche Untersu-chung eingeleitet.

Der Schutzmacht wird darüber sofortMitteilung gemacht. Die Aussagen allerZeugen werden aufgenommen; eindiese Aussagen enthaltender Berichtwird abgefaßt und der genannten Machtübersandt.

Erweist die Untersuchung die Schuldeiner oder mehrerer Personen, so er-greift der Gewahrsamsstaat alle Maß-nahmen zur gerichtlichen Verfolgung derverantwortlichen Person oder Personen.

163IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 163

Kapitel XII Freilassung, Heimschaffung

und Hospitalisierung in neutralen Ländern

Artikel 132Jede internierte Person wird vom

Gewahrsamsstaat freigelassen, sobalddie Gründe, welche ihre Internierungverursacht haben, nicht mehr bestehen.

Außerdem werden sich die am Konfliktbeteiligten Parteien bemühen, währendder Dauer der Feindseligkeiten Verein-barungen über die Freilassung, dieHeimschaffung, die Rückkehr an denWohnort oder die Hospitalisierung ge-wisser Interniertenkategorien in neutra-len Ländern, insbesondere von Kindern,schwangeren Frauen und Müttern mitSäuglingen und kleinen Kindern, Ver-wundeten und Kranken oder seit länge-rer Zeit festgehaltenen Internierten, zutreffen.

Artikel 133Die Internierung wird nach Beendigung

der Feindseligkeiten so schnell wie mög-lich aufgehoben.

Jedoch können auf dem Gebiete eineram Konflikt beteiligten Partei befindlicheInternierte, gegen die wegen einer straf-baren Handlung, nicht ausschließlichdisziplinarische Maßregelung nach sichzieht, eine Strafverfolgung eingeleitet ist,bis zum Abschluß des Gerichtsver-fahrens und gegebenenfalls bis zur völligen Verbüßung der Strafe zurückge-halten werden. Das gleiche gilt für Inter-nierte, die vorher zu einer Freiheitsstrafeverurteilt wurden.

Nach Beendigung der Feindseligkeitenoder der Besetzung eines Gebietes wer-den durch Vereinbarung zwischen dem

Gewahrsamsstaat und den betroffenenMächten Ausschüsse zur Suche nachverstreuten Internierten eingesetzt.

Artikel 134Die Hohen Vertragsparteien werden

sich bemühen, bei Abschluß der Feind-seligkeiten oder der Besetzung dieRückkehr aller Internierten an ihren letz-ten Aufenthaltsort zu gewährleisten oderihre Heimschaffung zu erleichtern.

Artikel 135Der Gewahrsamsstaat übernimmt die

Kosten für die Rückkehr der freigelasse-nen Internierten an die Orte, wo sie sichim Augenblick ihrer Internierung aufhiel-ten, oder, falls sie im Verlaufe einer Reiseoder auf hoher See festgenommen wur-den, für die Beendigung der Reise oderdie Rückkehr an den Ausgangsort.

Verweigert der Gewahrsamsstaat dieGenehmigung, sich auf seinem Gebietaufzuhalten, einem freigelassenen Inter-nierten, der vorher dort seinen gewöhn-lichen Wohnsitz hatte, so muß dieserStaat die Kosten für seine Heimschaf-fung übernehmen. Zieht es hingegen derInternierte vor, auf eigene Verantwortungoder um der Regierung, welcher erGehorsam schuldet, Folge zu leisten, insein Land zurückzukehren, so ist derGewahrsamsstaat nicht verpflichtet, dieAusgaben außerhalb seines Gebietes zuübernehmen. Er ist auch nicht verpflich-tet, die Kosten für die Heimschaffungeines Internierten, der auf eigenenWunsch interniert wurde, zu tragen.

Werden Internierte gemäß Artikel 45einer anderen Macht übergeben, so eini-gen sich die übergebende und die auf-nehmende Macht über den Anteil derKosten, welche jede von ihnen über-nimmt.

164 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 164

Diese Bestimmungen beeinträchtigennicht irgendwelche Sondervereinbarun-gen, die etwa zwischen den am Konfliktbeteiligten Parteien in bezug auf denAustausch und die Heimschaffung ihrerin feindlicher Hand befindlichen Ange-hörigen getroffen werden.

ABSCHNITT V AUSKUNFTSBÜROS UND

ZENTRALAUSKUNFTSSTELLE

Artikel 136Bei Ausbruch eines Konflikts und in

allen Fällen einer Besetzung richtet jededer am Konflikt beteiligten Parteien einamtliches Auskunftsbüro ein, das beauf-tragt ist, Auskunft über die in ihremHerrschaftsbereich befindlichen ge-schützten Personen zu empfangen undweiterzugeben.

Jede der am Konflikt beteiligtenParteien läßt ihrem Büro in kürzestmög-licher Frist Mitteilungen über dieMaßnahmen zugehen, die sie gegenirgendeine seit über zwei Wochen fest-genommene, einem Zwangsaufenthaltunterworfene oder internierte geschütz-te Person ergriffen hat. Außerdembeauftragt sie ihre verschiedenenzuständigen Dienststellen, dem genann-ten Büro umgehend Angaben überetwaige Änderungen in den Verhält-nissen dieser geschützten Personen zumachen, wie Verlegungen, Freilassun-gen, Heimschaffungen, Entweichungen,Hospitalisierungen, Geburten und To-desfälle.

Artikel 137Das nationale Auskunftsbüro läßt

unverzüglich und durch Vermittlung derSchutzmächte einerseits und der inArtikel 140 vorgesehenen Zentralstelle

andererseits der Macht, deren Ange-hörige die erwähnten Personen sind,oder der Macht, auf deren Gebiet siesich aufhielten, Auskünfte über diegeschützte Person zugehen. Die Bürosbeantworten ihrerseits alle Anfragen, dieihnen in bezug auf geschützte Personenzugehen.

Die Auskunftsbüros leiten die einegeschützte Person betreffenden Aus-künfte weiter, außer wenn diese Weiter-leitung der betreffenden Person oderihrer Familie nachteilig sein könnte. DerZentralstelle dürfen selbst in einem sol-chen Falle Auskünfte nicht verweigertwerden; sie wird, von den Umständenverständigt, die in Artikel 140 bezeichne-ten notwendigen Vorsichtsmaßregelntreffen.

Alle von einem Büro gemachtenschriftlichen Mitteilungen werden durchUnterschrift oder Siegel beglaubigt.

Artikel 138Die von dem nationalen Auskunftsbüro

eingeholten und weitergegebenen Aus-künfte müssen so beschaffen sein, daßsie die genaue Feststellung der ge-schützten Person und eine umgehendeBenachrichtigung ihrer Familie gestat-ten. Für jede Person enthalten sie min-destens den Familiennamen, die Vor-namen, Geburtsort und vollständigesGeburtsdatum, Nationalität, letzten Auf-enthaltsort, besondere Kennzeichen,den Vornamen des Vaters, den Namender Mutter, Zeitpunkt und Art der inbezug auf die geschützte Person getrof-fenen Maßnahmen sowie den Ort, wodiese getroffen wurden, die Anschrift,unter welcher Briefschaften an siegerichtet werden können, sowie denNamen und die Anschrift der Person,welche zu benachrichtigen ist.

165IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 165

Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Art, die sie auf amtlichem oder privatemWege beschaffen kann, zu sammeln; sieleitet sie so schnell wie möglich an dasHerkunfts- oder Niederlassungsland derbetreffenden Person weiter, ausgenom-men in Fällen, in denen diese Weiter-leitung den von diesen Auskünftenbetroffenen Personen oder ihrer Familienachteilig sein könnte. Seitens der amKonflikt beteiligten Parteien erhält dieseZentralstelle alle angemessenen Erleich-terungen zur Durchführung dieserWeiterleitungen.

Die Hohen Vertragsparteien und insbe-sondere diejenigen, deren Angehörigendie Dienste der Zentralstelle zugutekommen, werden aufgefordert, ihr diefinanzielle Hilfe angedeihen zu lassen,deren sie bedarf.

Die vorstehenden Bestimmungen dür-fen nicht als eine Beschränkung derhumanitären Tätigkeit des Internatio-nalen Komitees vom Roten Kreuz undder in Artikel 142 erwähnten Hilfsgesell-schaften ausgelegt werden.

Artikel 141Die nationalen Auskunftsbüros und die

Zentralauskunftsstelle genießen für allePostsendungen Gebührenfreiheit; auchwerden ihnen die in Artikel 110 vorgese-henen Befreiungen sowie im Rahmendes Möglichen Gebührenfreiheit oderzumindest bedeutende Gebührener-mäßigungen für telegraphische Mittei-lungen gewährt.

Gleicherweise werden regelmäßig, undzwar wenn möglich wöchentlich, Aus-künfte über den Gesundheitszustandschwerkranker oder schwerverletzterInternierter weitergeleitet.

Artikel 139Das internationale Auskunftsbüro wird

ferner beauftragt, alle von den in Artikel136 erwähnten geschützten Personen,namentlich anläßlich ihrer Heimschaf-fung, Freilassung, Entweichung oderihres Todes, zurückgelassenen persön-lichen Wertgegenstände zu sammelnund sie den in Frage kommendenPersonen unmittelbar oder, wenn nötig,durch Vermittlung der Zentralstelle zuübermitteln. Diese Gegenstände werdenvom Büro in versiegelten Paketen ver-sandt; es wird ihnen eine Erklärung, wel-che die Identität der Person, der dieGegenstände gehören, genau feststellt,sowie ein vollständiges Verzeichnis desPaketinhalts beigefügt. Empfang undVersand aller Wertgegenstände dieserArt werden im einzelnen in ein Registereingetragen.

Artikel 140Eine Zentralauskunftsstelle für ge-

schützte Personen, insbesondere Inter-nierte, wird in einem neutralen Landgeschaffen. Das Internationale Komiteevom Roten Kreuz wird den in Fragekommenden Mächten, sofern es ihmnotwendig erscheint, die Organisationdieser Zentralstelle vorschlagen; siekann mit der in Artikel 123 des GenferAbkommens vom 12. August 1949 überdie Behandlung der Kriegsgefangenenvorgesehenen Zentralstelle identischsein.

Diese Zentralstelle wird beauftragt, alleAuskünfte der Artikel 136 vorgesehenen

166

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 166

Teil IV Durchführung des

Abkommens

ABSCHNITT I ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 142Unter Vorbehalt der Maßnahmen, die

die Gewahrsamsstaaten für unerläßlicherachten, um ihre Sicherheit zu gewähr-leisten oder jedem anderen vernünftigenErfordernis zu entsprechen, lassen siereligiösen Organisationen, Hilfsgesell-schaften oder jeder anderen den ge-schützten Personen Hilfe bringendenOrganisation gute Aufnahme zuteil wer-den. Sie gewähren ihnen, sowie ihrengebührend beglaubigten Delegierten,alle notwendigen Erleichterungen, damitdiese die geschützten Personen besu-chen, Hilfssendungen und für Er-ziehungs-, Erholungs- oder Religions-zwecke bestimmte Gegenstände gleichwelcher Herkunft an sie verteilen undihnen bei der Gestaltung ihrer Freizeitinnerhalb der Internierungsorte helfenkönnen. Die genannten Gesellschaftenoder Organisationen können auf demGebiet des Gewahrsamsstaates oder ineinem andern Land gegründet werdenoder aber internationalen Charakterhaben.

Der Gewahrsamsstaat kann die Anzahlder Gesellschaften und Organisationenbegrenzen, deren Delegierte ermächtigtsind, ihre Tätigkeit auf seinem Gebietund unter seiner Aufsicht auszuüben,vorausgesetzt, daß eine solche Be-grenzung die wirksame und ausreichen-de Hilfeleistung an alle geschütztenPersonen nicht hindert.

167

Die besondere Stellung des Inter-nationalen Komitees vom Roten Kreuzauf diesem Gebiete ist jederzeit anzuer-kennen und zu beachten.

Artikel 143Die Vertreter oder Delegierten der

Schutzmächte sind ermächtigt, sich analle Orte zu begeben, wo sich geschütz-te Personen aufhalten, namentlich analle Internierungs-, Gefangenhaltungs-und Arbeitsorte.

Sie haben zu allen von geschütztenPersonen benutzten RäumlichkeitenZutritt und können sich mit ihnen ohneZeugen, wenn nötig durch Vermittlungeines Dolmetschers, unterhalten.

Solche Besuche dürfen nur aus zwin-genden militärischen Gründen und nurausnahmsweise und vorübergehenduntersagt werden. Häufigkeit und Dauerdürfen nicht begrenzt werden.

Den Vertretern oder Delegierten derSchutzmächte wird in der Wahl der Orte,die sie zu besuchen wünschen, jedeFreiheit gelassen. Der Gewahrsams-oder Besatzungsstaat, die Schutzmachtund gegebenenfalls der Herkunftsstaatder zu besuchenden Personen könnenübereinkommen, Mitbürger von Inter-nierten zur Teilnahme an diesen Be-suchen zuzulassen.

Die Delegierten des InternationalenKomitees vom Roten Kreuz genießendie gleichen Vorrechte. Die Ernennungdieser Delegierten bedarf der Genehmi-gung der Macht, in deren Herrschafts-bereich die Gebiete liegen, wo sie ihreTätigkeit auszuüben haben.

Artikel 144Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, in Friedens- und Kriegszeitenden Wortlaut des vorliegenden Abkom-

IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 167

Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

sind; sie stellt sie ungeachtet ihrerNationalität vor ihre eigenen Gerichte.Wenn sie es vorzieht, kann sie sie auchgemäß den in ihrem eigenen Recht vor-gesehenen Bedingungen einer anderenan der gerichtlichen Verfolgung interes-sierten Vertragspartei zur Aburteilungübergeben, sofern diese gegen dieerwähnten Personen ein ausreichendesBelastungsmaterial vorbringt.

Jede Vertragspartei ergreift die not-wendigen Maßnahmen, um auch dieje-nigen Zuwiderhandlungen gegen dieBestimmungen des vorliegenden Ab-kommens zu unterbinden, die nicht zuden im folgenden Artikel umschriebenenschweren Verletzungen zählen.

Unter allen Umständen genießen dieAngeklagten nicht geringere Sicher-heiten in bezug auf Gerichtsverfahrenund freie Verteidigung, als in Artikel 105und den folgenden Artikeln des GenferAbkommens vom 12. August 1949 überdie Behandlung der Kriegsgefangenenvorgesehen sind.

Artikel 147Als schwere Verletzung im Sinne des

vorstehenden Artikels gilt jede der fol-genden Handlungen, sofern sie gegendurch das Abkommen geschützte Per-sonen oder Güter begangen wird, vor-sätzliche Tötung, Folterung oder un-menschliche Behandlung einschließlichbiologischer Versuche, vorsätzliche Ver-ursachung großer Leiden oder schwereBeeinträchtigung der körperlichen Un-versehrtheit oder der Gesundheit,rechtswidrige Verschleppung oderrechtswidrige Verschickung, rechtswidri-ge Gefangenhaltung, Nötigung einergeschützten Person zur Dienstleistungin den Streitkräften der feindlichenMacht oder Entzug ihres Anrechts auf

mens in ihren Ländern im weitestmög-lichen Ausmaß zu verbreiten und insbe-sondere sein Studium in die militäri-schen und, wenn möglich, zivilenAusbildungsprogramme aufzunehmen,so daß die Gesamtheit der Bevölkerungseine Grundsätze kennenlernen kann.

Die zivilen, militärischen, polizeilichenoder anderen Behörden, die in Kriegs-zeiten Verantwortlichkeiten in bezug aufgeschützte Personen zu übernehmenhaben, müssen den Wortlaut des Ab-kommens besitzen und über dessenBestimmungen besonders unterrichtetwerden.

Artikel 145Die Hohen Vertragsparteien stellen

sich gegenseitig durch Vermittlung desSchweizerischen Bundesrates und wäh-rend der Feindseligkeiten durch Ver-mittlung der Schutzmächte die amt-lichen Übersetzungen des vorliegendenAbkommens sowie die Gesetze undVerordnungen zu, die sie gegebenenfallszur Gewährleistung seiner Anwendungerlassen.

Artikel 146Die Hohen Vertragsparteien verpflich-

ten sich, alle notwendigen gesetzgeberi-schen Maßnahmen zur Festsetzung vonangemessenen Strafbestimmungen fürsolche Personen zu treffen, die irgendei-ne der im folgenden Artikel umschriebe-nen schweren Verletzungen des vorlie-genden Abkommens begehen oder zueiner solchen Verletzung den Befehlerteilen.

Jede Vertragspartei ist zur Ermittlungder Personen verpflichtet, die derBegehung oder der Erteilung einesBefehls zur Begehung einer dieserschweren Verletzungen beschuldigt

168

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 168

ein ordentliches und unparteiisches, denVorschriften des vorliegenden Abkom-mens entsprechendes Gerichtsverfah-ren das Festnehmen von Geiseln sowieZerstörung und Aneignung von Eigen-tum, die durch militärische Erfordernissenicht gerechtfertigt sind und in großemAusmaß rechtswidrig und willkürlich vor-genommen werden.

Artikel 148Eine Hohe Vertragspartei kann weder

sich selbst noch eine andere Vertrags-partei von den Verantwortlichkeitenbefreien, die ihr selbst oder einer ande-ren Vertragspartei auf Grund von Ver-letzungen im Sinne des vorstehendenArtikels zufallen.

Artikel 149Auf Begehren einer am Konflikt betei-

ligten Partei wird gemäß einem zwischenden beteiligten Parteien festzusetzendenVerfahren über jede behauptete Ver-letzung des Abkommens eine Unter-suchung eingeleitet.

Kann über das Untersuchungsver-fahren keine Übereinstimmung erzieltwerden, so kommen die Parteien über-ein, einen Schiedsrichter zu wählen, derüber das zu befolgende Verfahren ent-scheidet.

Sobald die Verletzung festgestellt ist,setzen ihr die am Konflikt beteiligtenParteien ein Ende und ahnden sie soschnell wie möglich.

ABSCHNITT II SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 150Das vorliegende Abkommen ist in fran-

zösischer und englischer Sprache abge-

169

faßt. Beide Texte sind gleicherweisemaßgeblich.

Der Schweizerische Bundesrat läßtamtliche Übersetzungen des Abkom-mens in die russische und die spanischeSprache herstellen.

Artikel 151Das vorliegende Abkommen, welches

das Datum des heutigen Tages trägt,kann bis zum 12. Februar 1950 imNamen der Mächte unterzeichnet wer-den, die auf der am 21. April 1949 inGenf eröffneten Konferenz vertretenwaren.

Artikel 152Das vorliegende Abkommen soll so

bald wie möglich ratifiziert werden. DieRatifikationsurkunden werden in Bernhinterlegt.

Über die Hinterlegung jeder Ratifika-tionsurkunde wird ein Protokoll auf-genommen. Von diesem wird einebeglaubigte Abschrift durch denSchweizerischen Bundesrat allen Mäch-ten übersandt, in deren Namen dasAbkommen unterzeichnet oder derBeitritt erklärt worden ist.

Artikel 153Das vorliegende Abkommen tritt sechs

Monate nach Hinterlegung von minde-stens zwei Ratifikationsurkunden inKraft.

Späterhin tritt es für jede Hohe Ver-tragspartei sechs Monate nach Hinter-legung ihrer Ratifikationsurkunde inKraft.

Artikel 154In den Beziehungen zwischen Mäch-

ten, die durch das Haager Abkommenbetreffend die Gesetze und Gebräuche

IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 169

Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Die Kündigung wird dem Schweizeri-schen Bundesrat schriftlich notifiziert.Dieser bringt sie den Regierungen allerHohen Vertragsparteien zur Kenntnis.

Die Kündigung wird ein Jahr nach ihrerNotifizierung an den SchweizerischenBundesrat wirksam. Jedoch bleibt eineKündigung, die notifiziert wird, währenddie kündigende Macht in einen Konfliktverwickelt ist, unwirksam, solange nichtFriede geschlossen ist, und auf alleFälle, solange die mit der Freilassung,Heimschaffung und Wiederansiedlungder durch das vorliegende Abkommengeschützten Personen im Zusammen-hang stehenden Handlungen nichtabgeschlossen sind.

Die Kündigung gilt nur in bezug auf diekündigende Macht. Sie hat keinerleiWirkung auf die Verpflichtungen, welchedie am Konflikt beteiligten Parteiengemäß den Grundsätzen des Völker-rechts zu erfüllen gehalten sind, wie siesich aus den unter zivilisierten Völkernfeststehenden Gebräuchen, aus denGesetzen der Menschlichkeit und ausden Forderungen des öffentlichen Ge-wissens ergeben.

Artikel 159Der Schweizerische Bundesrat läßt

das vorliegende Abkommen beim Se-kretariat der Vereinten Nationen eintra-gen. Er setzt das Sekretariat derVereinten Nationen ebenfalls von allenRatifikationen, Beitritten und Kündigun-gen in Kenntnis, die er in bezug auf dasvorliegende Abkommen erhält.

ZU URKUND DESSEN haben dieUnterzeichneten nach Hinterlegung ihrerentsprechenden Vollmachten das vorlie-gende Abkommen unterschrieben.

GESCHEHEN zu Genf am 12. August1949 in französischer und englischer

des Landkrieges gebunden sind, sei esdas vom 29. Juli 1899 oder das vom 18.Oktober 1907, und die Vertragsparteiendes vorliegenden Abkommens werden,ergänzt dieses letztere den Zweiten undden Dritten Abschnitt der dem erwähn-ten Haager Abkommen anliegendenKriegsordnung.

Artikel 155Vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an

steht das vorliegende Abkommen jederMacht zum Beitritt offen, in deren Na-men es nicht unterzeichnet worden ist.

Artikel 156Der Beitritt wird dem Schweizerischen

Bundesrat schriftlich notifiziert und wirdsechs Monate nach dem Zeitpunkt, andem diesem die Notifikation zugegan-gen ist, wirksam.

Der Schweizerische Bundesrat bringtdie Beitritte allen Mächten zur Kenntnis,in deren Namen das Abkommen unter-zeichnet oder der Beitritt notifiziert wor-den ist.

Artikel 157Der Eintritt der in Artikel 2 und 3 vorge-

sehenen Lage verleiht den vor oder nachBeginn der Feindseligkeiten oder derBesetzung hinterlegten Ratifikations-urkunden und notifizierten Beitritten vonam Konflikt beteiligten Parteien sofortigeWirkung. Der Schweizerische Bundesratgibt die eingegangenen Ratifikationenoder Beitrittserklärungen von Parteien,die am Konflikt beteiligt sind, auf demschnellsten Wege bekannt.

Artikel 158Jeder Hohen Vertragspartei steht es

frei, das vorliegende Abkommen zu kün-digen.

170

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 170

Sprache. Das Original wird im Archiv derschweizerischen Eidgenossenschafthinterlegt. Der Schweizerische Bundes-rat übermittelt jedem unterzeichnendenund beitretenden Staat eine beglaubigteAusfertigung des vorliegenden Abkom-mens.

ANHANG IEntwurf einer Vereinbarung

über Sanitäts- undSicherheitszonen und -orte

Artikel 1Die Sanitäts-und Sicherheitszonen

sind ausschließlich dem Personenkreisvorbehalten, der in Artikel 23 des GenferAbkommens vom 12. August 1949 zurVerbesserung des Loses der Verwunde-ten und Kranken der Streitkräfte imFelde und in Artikel 14 des GenferAbkommens vom 12. August 1949 überden Schutz von Zivilpersonen in Kriegs-zeiten bezeichnet ist sowie dem mit derOrganisation und der Verwaltung dieserZonen und Orte und mit der Pflege derdort zusammengezogenen Personenbeauftragten Personal.

Die Personen, die ihren gewöhnlichenAufenthalt innerhalb dieser Zonenhaben, sind jedoch berechtigt, dortwohnen zu bleiben.

Artikel 2Die Personen, die sich, in welcher

Eigenschaft es auch sei, in einerSanitäts- und Sicherheitszone befinden,dürfen weder innerhalb noch außerhalbdieser Zone eine Tätigkeit ausüben, diemit den Kampfhandlungen oder derHerstellung von Kriegsmaterial in un-mittelbarem Zusammenhang steht.

171

Artikel 3 Die Macht, die eine Sanitäts- und

Sicherheitszone errichtet, trifft alle geeig-neten Maßnahmen, um allen Unbefug-ten den Zugang zu untersagen.

Artikel 4Die Sanitäts- und Sicherheitszonen

müssen folgende Voraussetzungen er-füllen:a) Sie dürfen nur einen geringen Teil

des Gebietes umfassen, das der Macht untersteht, die sie errichtet hat;

b) sie müssen im Verhältnis zu ihrer Aufnahmefähigkeit dünn bevölkert sein;

c) sie müssen von jedem militärischen Ziel und jeder wichtigen Industriean-lage oder Verwaltungseinrichtung entfernt und entblößt sein;

d) sie dürfen nicht in Gebieten liegen, die aller Wahrscheinlichkeit nach für die Kriegführung von Bedeutung sein können.

Artikel 5Die Sanitäts- und Sicherheitszonen

unterliegen folgenden Verpflichtungen:a) Die dort befindlichen Verbindungs-

wege und Beförderungsmittel dürfen zur Beförderung von Militärpersonal und -material, auch zur einfachen Durchfahrt, nicht benutzt werden;

b) sie dürfen unter keinen Umständen militärisch verteidigt werden.

Artikel 6Die Sanitäts- und Sicherheitszonen

werden durch rote Schrägstreifen aufweißem Grund gekennzeichnet, die anihren Grenzen und auf den Gebäudenanzubringen sind.

IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 171

Zonen, die ausschließlich Verwundetenund Kranken vorbehalten sind, könnendurch rote Kreuze (rote Halbmonde, roteLöwen mit roten Sonnen) auf weißemGrund gekennzeichnet werden.

Nachts können sie auch durch geeig-nete Beleuchtung gekennzeichnet wer-den.

Artikel 7Bereits in Friedenszeiten oder bei

Ausbruch der Feindseligkeiten läßt jedeMacht allen Hohen Vertragsparteien eineListe der Sanitäts- und Sicherheitszonenauf ihrem Hoheitsgebiet zugehen. Siebenachrichtigt sie auch über jede imVerlauf des Konflikts neu errichteteZone.

Sobald die Gegenpartei die vorge-nannte Notifizierung erhalten hat, gilt dieZone als ordnungsgemäß errichtet.

Glaubt jedoch die Gegenpartei, daßeine der Bedingungen dieser Verein-barung offensichtlich nicht erfüllt ist, sokann sie die Anerkennung der Zone ver-weigern, indem sie der Partei, der dieseZone untersteht, ihre Ablehnung umge-hend mitteilt, oder ihre Anerkennung vonder Einsetzung der in Artikel 8 vorgese-henen Überwachung abhängig machen.

Artikel 8Jede Macht, die eine oder mehrere

Sanitäts- und Sicherheitszonen der Ge-genpartei anerkannt hat, kann verlan-gen, daß ein oder mehrere Sonder-ausschüsse nachprüfen, ob bezüglichdieser Zonen die in dieser Vereinbarungfestgesetzten Bedingungen und Ver-pflichtungen erfüllt sind.

Zu diesem Zweck haben die Mitgliederder Sonderausschüsse jederzeit freienZutritt zu den einzelnen Zonen und kön-nen sich dort sogar ständig aufhalten.

Zur Erfüllung ihrer Überwachungsaufga-be wird ihnen jede Erleichterung ge-währt.

Artikel 9Stellen die Sonderausschüsse Tat-

sachen fest, die nach ihrer Meinung denBestimmungen dieser Vereinbarungzuwiderlaufen, so verständigen sie un-verzüglich die Macht, der diese Zoneuntersteht, und setzen ihr eine Frist vonhöchstens fünf Tagen zur Abstellungdieser Verletzungen; sie benachrichtigenhiervon die Macht, welche die Zoneanerkannt hat.

Ist nach Ablauf dieser Frist die Macht,der diese Zone untersteht, der an siegerichteten Aufforderung nicht nachge-kommen, so kann die Gegenpartei er-klären, daß sie in bezug auf diese Zonenicht mehr durch diese Vereinbarunggebunden ist.

Artikel 10Die Macht, die eine oder mehrere

Sanitäts- oder Sicherheitszonen errich-tet hat, und die Gegenparteien, denenderen Errichtung notifiziert worden ist,ernennen oder lassen durch die Schutz-mächte oder andere neutrale Mächte diePersonen bestimmen, die als Mitgliederder in Artikel 8 und 9 erwähnten Son-derausschüsse in Betracht kommen.

Artikel 11Die Sanitäts- und Sicherheitszonen

dürfen unter keinen Umständen ange-griffen werden; sie werden vielmehrjederzeit durch die am Konflikt beteilig-ten Parteien geschützt und geschont.

Artikel 12Bei Besetzung eines Gebietes werden

die dort befindlichen Sanitäts- und

172 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 172

Sicherheitszonen weiterhin als solchegeschont und benutzt.

Die Besatzungsmacht kann jedoch ihreZweckbestimmung ändern, nachdemsie für das Schicksal der dort aufgenom-menen Personen gesorgt hat.

Artikel 13Diese Vereinbarung findet auch auf die

Orte Anwendung, die von den Mächtenfür denselben Zweck wie die Sanitäts-und Sicherheitszonen bestimmt werden.

ANHANG IIEntwurf einer Regelung über

Sammel-Hilfssendungen

Artikel 1Die Interniertenausschüsse werden

ermächtigt, die ihnen anvertrautenSammel-Hilfssendungen an alle verwal-tungsmäßig ihrem Internierungsort zu-geteilten Internierten einschließlich der inKrankenhäusern oder Gefängnissenoder anderen Strafanstalten befindlichenzu verteilen.

Artikel 2Die Verteilung der Sammel-Hilfs-

sendungen geschieht nach denWeisungen der Spender und in Überein-stimmung mit einem von den Inter-niertenausschüssen aufgestellten Plan;jedoch erfolgt die Verteilung von medizi-nischen Hilfssendungen vorzugsweiseim Einvernehmen mit den leitenden Ärz-ten, und diese können in den Kran-kenhäusern und Lazaretten von denoben erwähnten Weisungen abweichen,soweit es die Bedürfnisse ihrer Patientenerfordern. Innerhalb des so umrissenenRahmens erfolgt die Verteilung stetsgleichmäßig.

Artikel 3Um Güte und Menge der empfange-

nen Waren überprüfen und hierüber aus-führliche Berichte für die Spender abfas-sen zu können, sind die Mitglieder derInterniertenausschüsse berechtigt, sichzu den Bahnhöfen oder anderen An-kunftsstellen von Sammel-Hilfssendun-gen in der Nähe ihres Internierungsorteszu begeben.

Artikel 4Den Interniertenausschüssen wird Ge-

legenheit gegeben, nachzuprüfen, obdie Verteilung der Sammel-Hilfssendun-gen in allen Unterabteilungen undAußenstellen ihres Internierungsortesentsprechend ihren Weisungen durch-geführt wird.

Artikel 5Die Interniertenausschüsse sind be-

fugt, für die Spender bestimmteFormblätter oder Fragebogen auszufül-len und durch Mitglieder der Inter-niertenausschüsse in den Arbeitsgrup-pen oder durch die Chefärzte derLazarette und Krankenhäuser ausfüllenzu lassen, in denen Angaben über dieSammel-Hilfssendungen (Verteilung,Bedarf, Mengen usw.) gemacht werden.Diese ordnungsmäßig ausgefülltenFormblätter und Fragebogen werdenden Spendern unverzüglich zugestellt.

Artikel 6Um eine geordnete Verteilung der

Sammel-Hilfssendungen an die Inter-nierten ihres Internierungsortes zugewährleisten und gegebenenfalls dendurch die Ankunft neuer Gruppen vonInternierten hervorgerufenen Bedarf zudecken, werden die Interniertenaus-schüsse ermächtigt, ausreichende Vor-

173IV. Genfer Abkommen

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 173

räte aus den Sammel-Hilfssendungenanzulegen und zu unterhalten. Zu die-sem Zweck werden ihnen geeigneteLagerräume zur Verfügung gestellt; jederLagerraum wird mit zwei Schlössern ge-sichert; der Interniertenausschuß erhältdie Schlüssel zu dem einen, der Kom-mandant des Internierungsortes dieSchlüssel zu dem anderen Schloß.

Artikel 7Die Hohen Vertragsparteien, insbeson-

dere die Gewahrsamsmächte, gestattenim Rahmen des Möglichen und unterVorbehalt der Bestimmungen über dieVersorgung der Bevölkerung mit Nah-rungsmitteln alle Einkäufe auf ihremHoheitsgebiet zur Verteilung von Sam-mel-Hilfsspenden an die Internierten; sieerleichtern ferner die Überweisung vonGeldmitteln und andere finanzielle, tech-nische oder Verwaltungsmaßnahmen imHinblick auf solche Einkäufe.

Artikel 8Die vorstehenden Bestimmungen be-

einträchtigen weder das Recht derInternierten, vor ihrem Eintreffen ineinem Internierungsort oder währendihrer Verlegung Sammel-Hilfssendungenzu empfangen, noch die Möglichkeit fürdie Vertreter der Schutzmacht, desInternationalen Komitees vom RotenKreuz oder jeder anderen mit der Be-förderung dieser Hilfssendungen beauf-tragten Hilfsorganisation für Internierte,deren Verteilung an die Empfänger mitallen sonstigen ihnen geeignet erschei-nenden Mitteln sicherzustellen.

174 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

ANHANG III

I. Internierungskarte

Vorderseite

Rückseite

(Format der Internierungskarte: 10 x 15 cm)

II. Brief

(Briefformat: 29 x 15 cm)

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 174

175IV. Genfer Abkommen

III. Mitteilungskarte

Vorderseite

Rückseite

(Format der Mitteilungsskarte: 10 x 15 cm)

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 175

176 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 176

Präambel

Teil I Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1 Allgemeine Grundsätze und Anwendungsbereich

Artikel 2 BegriffsbestimmungenArtikel 3 Beginn und Ende der

AnwendungArtikel 4 Rechtsstellung der am

Konflikt beteiligten ParteienArtikel 5 Benennung von Schutz-

mächten und von Ersatz-schutzmächten

Artikel 6 FachpersonalArtikel 7 TagungenTeil II Verwundete, Kranke

und SchiffbrüchigeABSCHNITT I ALGEMEINER SCHUTZ

Artikel 8 TerminologieArtikel 9 Anwendungsbereich

Artikel 10 Schutz und PflegeArtikel 11 Schutz von PersonenArtikel 12 Schutz von Sanitätsein-

heitenArtikel 13 Ende des Schutzes ziviler

SanitätseinheitenArtikel 14 Beschränkung der In-

anspruchnahme ziviler Sanitätseinheiten

Artikel 15 Schutz des zivilen Sanitäts- und Seelsorge-personals

Artikel 16 Allgemeiner Schutz der ärztlichen Aufgabe

Artikel 17 Rolle der Zivilbevölkerung und der Hilfsgesellschaften

Artikel 18 KennzeichnungArtikel 19 Neutrale und andere nicht

am Konflikt beteiligte Staaten

Artikel 20 Verbot von Repressalien

177

Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu denGenfer Abkommen vom 12. August 1949über den Schutz der Opfer internationalerbewaffneter Konflike (Protokoll I)[I. Zusatzprotokoll von 1977]1

1 (1) BGBl. 1990 II S. 1550, BGBl. 1990 II S. 1637. – Am 7. Dezember 1978 – für die BundesrepublikDeutschland am 14. August 1991 – in Kraft getreten.

(2) Änderung vom 30. November 1993 des Anhangs I: BGBl. 1997 II S. 1366. – Am 1. März 1994 – auch für die Bundesrepublik Deutschland – in Kraft getreten.

(3) Die amtliche deutsche Übersetzung ist mit den Außenministerien Österreichs und der Schweiz abge-stimmt. – Während Einzelfallabweichungen in Fußnoten nachgewiesen werden, enthält dei nachfol-gende Übersicht – ausgehend von der für Deutschland amtlichen Übersetzung – die regelmäßigen Begriffsunterschiede:

In der für Deutschland amtlichen deutsch- In den amtlichen Übersetzungen anderer deutsch-sprachigen Übersetzung verwendete Begriffe sprachiger Staaten verwendete BegriffeBesatzungsmacht [ebenso Österreich] Schweiz: BesetzungsmachtCharta (der Vereinten Nationen) [ebenso Schweiz] Österreich: Satzung (der Vereinten Nationen)Inanspruchnahme Österreich, Schweiz: Requisitionin Anspruch nehmen/genommen Österreich, Schweiz: requirieren/requiriertmilitärische Führer Österreich, Schweiz: KommandantenPolizeikräfte [ebenso Schweiz] Österreich: Kräfte der SicherheitsexekutiveVerwahrer [ebenso Österreich] Schweiz: Depositar

I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 177

ABSCHNITT II SANITÄTSTRANSPORTE

Artikel 21 SanitätsfahrzeugeArtikel 22 Lazarettschiffe und

KüstenrettungsfahrzeugeArtikel 23 Andere Sanitätsschiffe

und sonstige Sanitäts-wasserfahrzeuge

Artikel 24 Schutz von Sanitätsluft-fahrzeugen

Artikel 25 Sanitätsluftfahrzeuge in Gebieten, die nicht von einer gegnerischen Partei beherrscht werden

Artikel 26 Sanitätsluftfahrzeuge in Kontakt- oder ähnlichen Zonen

Artikel 27 Sanitätsluftfahrzeuge in Gebieten, die von einer gegnerischen Partei be-herrscht werden

Artikel 28 Beschränkungen für den Einsatz von Sanitätsluft-fahrzeugen

Artikel 29 Mitteilungen und Verein-barungen betreffend Sanitätsluftfahrzeuge

Artikel 30 Landung und Unter-suchung von Sanitätsluft-fahrzeugen

Artikel 31 Neutrale oder andere nicht am Konflikt beteilig-te Staaten

ABSCHNITT III VERMISSTE UND TOTE

Artikel 32 Allgemeiner GrundsatzArtikel 33 VermißteArtikel 34 Sterbliche ÜberresteTeil III Methoden und Mittel

der Kriegführung; Kombattanten- und Kriegsgefangenen-status

ABSCHNITT I METHOGDEN UND MITTEL

DER KRIEGFÜHRUNG

Artikel 35 Grundregeln

Artikel 36 Neue WaffenArtikel 37 Verbot der HeimtückeArtikel 38 Anerkannte KennzeichenArtikel 39 NationalitätszeichenArtikel 40 PardonArtikel 41 Schutz eines außer Ge-

fecht befindlichen GegnersArtikel 42 Insassen von Luftfahr-

zeugenABSCHNITT II KOMBATTANTEN- UND

KRIEGSGEFANGENENSTATUS

Artikel 43 StreitkräfteArtikel 44 Kombattanten und

KriegsgefangeneArtikel 45 Schutz von Personen, die

an Feindseligkeiten teilge-nommen haben

Artikel 46 SpioneArtikel 47 SöldnerTeil IV ZivilbevölkerungABSCHNITT I ALLGEMEINER SCHUTZ VOR

DEN AUSWIRKUNGEN VON

FEINDSELIGKEITEN

Kapitel I Grundregel und Anwendungsbereich

Artikel 48 GrundregelArtikel 49 Bestimmung des Begriffs

„Angriffe“ und Anwen-dungsbereich

Kapitel II Zivilpersonen und Zivil-bevölkerung

Artikel 50 Bestimmung der Begriffe Zivilpersonen und Zivil-bevölkerung

Artikel 51 Schutz der Zivilbevölke-rung

Kapitel III Zivile ObjekteArtikel 52 Allgemeiner Schutz ziviler

ObjekteArtikel 53 Schutz von Kulturgut und

KultstättenArtikel 54 Schutz der für die Zivil-

bevölkerung lebensnot-wendigen Objekte

178 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 178

Artikel 55 Schutz der natürlichen Umwelt

Artikel 56 Schutz von Anlagen und Einrichtungen, die gefähr-liche Kräfte enthalten

Kapitel IV Vorsorgliche MaßnahmenArtikel 57 Vorsichtsmaßnahmen

beim AngriffArtikel 58 Vorsichtsmaßnahmen

gegen die Wirkungen von Angriffen

Kapitel V Orte und Zonen unter besonderem Schutz

Artikel 59 Unverteidigte OrteArtikel 60 Entmilitarisierte ZonenKapitel VI ZivilschutzArtikel 61 Begriffsbestimmungen

und AnwendungsbereichArtikel 62 Allgemeiner SchutzArtikel 63 Zivilschutz in besetzten

GebietenArtikel 64 Zivile Zivilschutzorganisa-

tionen neutraler oder anderer nicht am Konflikt beteiligter Staaten und internationale Koordinie-rungsorganisationen

Artikel 65 Ende des SchutzesArtikel 66 KennzeichnungArtikel 67 Den Zivilschutzorganisa-

tionen zugeteilte Ange-hörige der Streitkräfte und militärische Einheiten

ABSCHNITT II HILFSMASSNAHMEN ZUGUN-STEN DER ZIVILBEVÖLKERUNG

Artikel 68 AnwendungsbereichArtikel 69 Wesentliche Bedürfnisse

in besetzten GebietenArtikel 70 HilfsaktionenArtikel 71 An Hilfsaktionen beteilig-

tes PersonalABSCHNITT III BEHANDLUNG VON PER-

SONEN, DIE SICH IN DER

GEWALT EINER AM KONFLIKT

BETEILIGTEN PARTEI BEFINDEN

Kapitel I Anwendungsbereich und Schutz von Personen undObjekten

Artikel 72 AnwendungsbereichArtikel 73 Flüchtlinge und Staaten-

loseArtikel 74 Familienzusammen-

führungArtikel 75 Grundlegende GarantienKapitel II Maßnahmen zugunsten

von Frauen und KindernArtikel 76 Schutz von FrauenArtikel 77 Schutz von KindernArtikel 78 Evakuierung von KindernKapitel III JournalistenArtikel 79 Maßnahmen zum Schutz

von JournalistenTeil V Durchführung der

Abkommen und dieses Protokolls

ABSCHNITT I ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 80 Durchführungsmaß-nahmen

Artikel 81 Tätigkeit des Roten Kreuzes und anderer humanitärer Organisa-tionen

Artikel 82 Rechtsberater in den Streitkräften

Artikel 83 VerbreitungArtikel 84 AnwendungsvorschriftenABSCHNITT II AHNDUNG VON VERLETZUN-

GEN DER ABKOMMEN UND

DIESES PROTOKOLLS

Artikel 85 Ahndung von Verletzun-gen dieses Protokolls

Artikel 86 UnterlassungenArtikel 87 Pflichten der militärischen

FührerArtikel 88 Rechtshilfe in StrafsachenArtikel 89 Zusammenarbeit

179I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 179

Artikel 90 Internationale Ermittlungs-kommission

Artikel 91 HaftungTeil VI SchlussbestimmungenArtikel 92 UnterzeichnungArtikel 93 RatifikationArtikel 94 BeitrittArtikel 95 InkrafttretenArtikel 96 Vertragsbeziehungen

beim Inkrafttreten dieses Protokolls

Artikel 97 ÄnderungArtikel 98 Revision des Anhangs IArtikel 99 KündigungArtikel 100 NotifikationenArtikel 101 RegistrierungArtikel 102 Authentische Texte

Anhang I Vorschriften über die Kennzeichnung

Kapitel I AusweiseArtikel 1 Allgemeine BestimmungenArtikel 2 Ausweis für das ständige

zivile Sanitäts- und Seel-sorgepersonal

Artikel 3 Ausweis für das nicht-ständige zivile Sanitäts- und Seelsorgepersonal

Kapitel II Das SchutzzeichenArtikel 4 FormArtikel 5 VerwendungKapitel III ErkennungssignaleArtikel 6 VerwendungArtikel 7 LichtsignalArtikel 8 FunksignalArtikel 9 Elektronische Kenn-

zeichnungKapitel IV NachrichtenverkehrArtikel 10 FunkverkehrArtikel 11 Benutzung internationaler

CodesArtikel 12 Andere NachrichtenmittelArtikel 13 Flugpläne

Artikel 14 Signale und Verfahren zur Ansteuerung von Sani-tätsluftfahrzeugen

Kapitel V ZivilschutzArtikel 15 AusweisArtikel 16 Internationales Schutz-

zeichenKapitel VI Anlagen und Einrichtun-

gen, die gefährliche Kräfte enthalten

Artikel 17 Internationales besonde-res Kennzeichen

Anhang II Ausweis für Journalis-ten in gefährlichem Auftrag

180 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 180

Präambel

Die Hohen Vertragsparteien – den ernsthaften Wunsch bekundend,

daß unter den Völkern Friede herrschenmöge,

eingedenk dessen, daß jeder Staat imEinklang mit der Charta der VereintenNationen die Pflicht hat, in seinen inter-nationalen Beziehungen jede gegen dieSouveränität, die territoriale Unversehrt-heit oder die politische Unabhängigkeiteines Staates gerichtete oder sonst mitden Zielen der Vereinten Nationen un-vereinbare Androhung oder Anwendungvon Gewalt zu unterlassen

jedoch im Bewußtsein der Notwendig-keit, die Bestimmungen zum Schutz derOpfer bewaffneter Konflikte neu zubestätigen und weiterzuentwickeln unddie Maßnahmen zu ergänzen, die ihreAnwendung stärken sollen,

ihrer Überzeugung Ausdruck verlei-hend, daß weder dieses Protokoll nochdie Genfer Abkommen vom 12. August1949 so auszulegen sind, als rechtfertig-ten oder erlaubten sie eine Angriffshand-lung oder sonstige mit der Charta derVereinten Nationen unvereinbare An-wendung von Gewalt,

und erneut bekräftigend, daß die Be-stimmungen der Genfer Abkommen vom12. August 1949 und dieses Protokollsunter allen Umständen uneingeschränktauf alle durch diese Übereinkünfte ge-schützten Personen anzuwenden sind,und zwar ohne jede nachteilige Unter-scheidung, die auf Art oder Ursprungdes bewaffneten Konflikts oder aufBeweggründen beruht, die von den amKonflikt beteiligten Parteien vertretenoder ihnen zugeschrieben werden –

sind wie folgt übereingekommen:

Teil IAllgemeine

Bestimmungen

Artikel 1Allgemeine Grundsätze und

Anwendungsbereich1. Die Hohen Vertragsparteien ver-

pflichten sich, dieses Protokoll unter allen Umständen einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen.

2. In Fällen, die von diesem Protokoll oder anderen internationalen Über-einkünften nicht erfaßt sind, verblei-ben Zivilpersonen und Kombattan-ten unter dem Schutz und der Herrschaft der Grundsätze des Völ-kerrechts, wie sie sich aus festste-henden Gebräuchen, aus den Grundsätzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens ergeben.

3. Dieses Protokoll, das die Genfer Ab-kommen vom 12. August 1949 zum Schutz der Kriegsopfer ergänzt, fin-det in den Situationen Anwendung, die in dem diesen Abkommen ge-meinsamen Artikel 2 bezeichnet sind.

4. Zu den in Absatz 3 genannten Si-tuationen gehören auch bewaffnete Konflikte, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Be-setzung sowie gegen rassistische Regimes in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen und in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betref-fend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist.

181I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 181

Artikel 2Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Protokollsa) bedeutet „I. Abkommen“, „II. Ab-

kommen“, „III. Abkommen“ und „IV. Abkommen“ jeweils das Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streit-kräfte im Felde, das Genfer Abkom-men vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Ver-wundeten, Kranken und Schiffbrü-chigen der Streitkräfte zur See, das Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen und das Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten; „die Abkommen“ be-deutet die vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutz der Kriegsopfer;

b) bedeutet „Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts“die in bewaffneten Konflikten an-wendbaren Regeln, die in internatio-nalen Übereinkünften verankert sind, denen die am Konflikt beteiligten Parteien als Vertragsparteien ange-hören, sowie die allgemein aner-kannten Grundsätze und Regeln des Völkerrechts, die auf bewaffnete Konflikte anwendbar sind;

c) bedeutet „Schutzmacht“ einen neu-tralen oder anderen nicht am Konflikt beteiligten Staat, der von einer am Konflikt beteiligten Partei benannt, von der gegnerischen Partei aner-kannt und bereit ist, die in den Ab-kommen und diesem Protokoll einer Schutzmacht übertragenen Aufga-ben wahrzunehmen;

d) bedeutet „Ersatzschutzmacht“ eine Organisation, die anstelle einer Schutzmacht nach Artikel 5 tätig wird.

Artikel 3Beginn und Ende der Anwendung

Unbeschadet der Bestimmungen, diejederzeit anwendbar sind,a) werden die Abkommen und dieses

Protokoll angewendet, sobald eine in Artikel 1 dieses Protokolls genannte Situation eintritt;

b) endet die Anwendung der Abkom-men und dieses Protokolls im Ho-heitsgebiet der am Konflikt beteilig-ten Parteien mit der allgemeinen Beendigung der Kriegshandlungen und im Fall besetzter Gebiete mit derBeendigung der Besetzung; in bei-den Fällen gilt dies jedoch nicht für Personen, deren endgültige Freilas-sung, deren Heimschaffung oder Niederlassung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Diese Personen genießen bis zu ihrer endgültigen Freilassung, ihrer Heimschaffung oder Niederlassung weiterhin den Schutz der einschlägigen Bestim-mungen der Abkommen und dieses Protokolls.

Artikel 4Rechtsstellung der

am Konflikt beteiligten ParteienDie Anwendung der Abkommen und

dieses Protokolls sowie der Abschlußder darin vorgesehenen Übereinkünfteberühren nicht die Rechtsstellung deram Konflikt beteiligten Parteien. DieBesetzung eines Gebiets und die An-wendung der Abkommen und diesesProtokolls berühren nicht die Rechts-stellung des betreffenden Gebiets.

182 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 182

Artikel 5Benennung von Schutzmächten und

von Ersatzschutzmächten1. Die an einem Konflikt beteiligten

Parteien sind verpflichtet, vom Be-ginn des Konflikts an die Einhaltung der Abkommen und dieses Proto-kolls und deren Überwachung durch Anwendung des Schutzmächtesys-tems sicherzustellen; dazu gehören insbesondere die Benennung und Anerkennung dieser Mächte nach Maßgabe der folgenden Absätze. Die Schutzmächte haben die Auf-gabe, die Interessen der am Konflikt beteiligten Parteien wahrzunehmen.

2. Tritt eine in Artikel 1 genannte Situa-tion ein, so benennt jede am Konflikt beteiligte Partei unverzüglich eine Schutzmacht zu dem Zweck, die Abkommen und dieses Protokoll anzuwenden; sie läßt ebenfalls un-verzüglich und zu demselben Zweck die Tätigkeit einer Schutzmacht zu, die sie selbst nach Benennung durchdie gegnerische Partei als solche anerkannt hat.

3. Ist beim Eintritt einer Situation nach Artikel 1 keine Schutzmacht benannt oder anerkannt worden, so bietet das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, unbeschadet des Rechts jeder anderen unparteiischen humanitären Organisation, das glei-che zu tun, den am Konflikt beteilig-ten Parteien seine guten Dienste mit dem Ziel an, unverzüglich eine Schutzmacht zu benennen, mit der die am Konflikt beteiligten Parteien einverstanden sind. Zu diesem Zweckkann das Komitee insbesondere jede Partei auffordern, ihm eine Liste von mindestens fünf Staaten vorzu-legen, die sie für annehmbar hält,

um für sie als Schutzmacht gegen-über einer gegnerischen Partei tätig zu werden, und jede gegnerische Partei auffordern, eine Liste von min-destens fünf Staaten vorzulegen, die sie als Schutzmacht der anderen Partei anerkennen würde; diese Listen sind dem Komitee binnen zwei Wochen nach Eingang der Aufforderung zu übermitteln; das Komitee vergleicht sie und ersucht einen auf beiden Listen aufgeführten Staat um Zustimmung.

4. Ist trotz der vorstehenden Bestim-mungen keine Schutzmacht vorhan-den, so nehmen die am Konflikt beteiligten Parteien unverzüglich ein gegebenenfalls vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz oder von einer anderen alle Garantien für Un-parteilichkeit und Wirksamkeit bie-tenden Organisation nach angemes-sener Konsultierung der betroffenen Parteien und unter Berücksichtigung der Konsultationsergebnisse unter-breitetes Angebot an, als Ersatz-schutzmacht tätig zu werden. Zur Durchführung ihrer Aufgaben bedarf die Ersatzschutzmacht der Zustim-mung der am Konflikt beteiligten Parteien; diese sind in jeder Weise bemüht, der Ersatzschutzmacht die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen der Abkommen und dieses Protokolls zu erleichtern.

5. In Übereinstimmung mit Artikel 4 berühren die Benennung und die Anerkennung von Schutzmächten zum Zweck der Anwendung der Abkommen und dieses Protokolls nicht die Rechtsstellung der am Konflikt beteiligten Parteien oder irgendeines Hoheitsgebiets, ein-schließlich eines besetzten Gebiets.

183I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 183

6. Die Aufrechterhaltung diplomatischerBeziehungen zwischen den am Kon-flikt beteiligten Parteien oder die Übertragung des Schutzes der Inte-ressen einer Partei oder ihrer Staats-angehörigen auf einen dritten Staat im Einklang mit den Regeln des Völ-kerrechts über diplomatische Be-ziehungen steht der Benennung von Schutzmächten zum Zweck der An-wendung der Abkommen und die-ses Protokolls nicht entgegen.

7. Jede spätere Erwähnung einer Schutzmacht in diesem Protokoll bezieht sich auch auf eine Ersatz-schutzmacht.

Artikel 6 Fachpersonal

1. Die Hohen Vertragsparteien bemü-hen sich bereits in Friedenszeiten mit Unterstützung der nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes (Roten Halbmonds, Roten Löwen mit Roter Sonne), Fachpersonal auszubilden, um die Anwendung der Abkommen und dieses Protokolls und insbesondere die Tätigkeit der Schutzmächte zu erleichtern.

2. Für die Einstellung und Ausbildung dieses Personals sind die einzelnen Staaten zuständig.

3. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hält für die Hohen Ver-tragsparteien Listen der so ausge-bildeten Personen bereit, soweit sie von den Hohen Vertragsparteien aufgestellt und ihm zu diesem Zweckübermittelt worden sind.

4. Die Bedingungen für den Einsatz dieses Personals außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets sind in je-dem Fall Gegenstand besonderer

Vereinbarungen zwischen den be-troffenen Parteien.

Artikel 7Tagungen

Der Verwahrer dieses Protokolls berufteine Tagung der Hohen Vertragsparteienzur Erörterung allgemeiner die Anwen-dung der Abkommen und des Protokollsbetreffenden Fragen ein, wenn eine odermehrere Hohe Vertragsparteien darumersuchen und die Mehrheit dieserParteien damit einverstanden ist.

Teil IIVerwundete, Kranke und Schiffbrüchige

ABSCHNITT IALLGEMEINER SCHUTZ

Artikel 8Terminologie

Im Sinne dieses Protokollsa) bedeutet „Verwundete“ und „Kranke“

Militär-oder Zivilpersonen, die wegenVerwundung, Erkrankung oder ande-rer körperlicher oder geistiger Stö-rungen oder Gebrechen medizini-scher Hilfe oder Pflege bedürfen unddie jede feindselige Handlung unter-lassen. Als solche gelten auch Wöch-nerinnen, Neugeborene und andere Personen, die sofortiger medizini-scher Hilfe oder Pflege bedürfen, wiebeispielsweise Gebrechliche und Schwangere, und die jede feindseli-ge Handlung unterlassen;

b) bedeutet „Schiffbrüchige“ Militär- oder Zivilpersonen, die sich auf See oder in einem anderen Gewässer infolge eines Unglücks, das sie selbstoder das sie befördernde Wasser-

184 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 184

oder Luftfahrzeug betroffen hat, in Gefahr befinden und die jede feind-selige Handlung unterlassen. Diese Personen gelten während ihrer Ret-tung, falls sie auch weiterhin jede feindselige Handlung unterlassen, solange als Schiffbrüchige, bis sie auf Grund der Abkommen oder dieses Protokolls einen anderen Status er-langen;

c) bedeutet „Sanitätspersonal“ Per-sonen, die von einer am Konflikt be-teiligten Partei ausschließlich den unter Buchstabe e genannten sani-tätsdienstlichen Zwecken, der Ver-waltung von Sanitätseinheiten oder dem Betrieb oder der Verwaltung von Sanitätstransportmitteln zuge-wiesen sind. Ihre Zuweisung kann ständig oder nichtständig sein. Der Begriff umfaßti) das militärische oder zivile Sani-

tätspersonal einer am Konflikt beteiligten Partei, darunter das imI. und II. Abkommen erwähnte sowie das den Zivilschutzorgani-sationen zugewiesene Sanitäts-personal;

ii) das Sanitätspersonal der nationa-len Gesellschaften des Roten Kreuzes (Roten Halbmonds, Roten Löwen mit Roter Sonne) und anderer freiwilliger nationaler Hilfsgesellschaften, die von einer am Konflikt beteiligten Partei ord-nungsgemäß anerkannt und er-mächtigt sind;

iii) das Sanitätspersonal der in Ar-tikel 9 Absatz 2 genannten Sani-tätseinheiten oder Sanitätstrans-portmittel;

d) bedeutet „Seelsorgepersonal“ Mili-tär- oder Zivilpersonen, wie beispiels-

weise Feldgeistliche, die ausschließ-lich ihr geistliches Amt ausüben undi) den Streitkräften einer am Kon-

flikt beteiligten Partei,ii) Sanitätseinheiten oder Sanitäts-

transportmitteln einer am Konflikt beteiligten Partei,

iii) Sanitätseinheiten oder Sanitäts-transportmittel nach Artikel 9 Absatz 2 oder

iv) Zivilschutzorganisationen einer am Konflikt beteiligten Partei zu-geteilt sind. Die Zuweisung des Seelsorgepersonals kann ständig oder nichtständig sein; die ein-schlägigen Bestimmungen des Buchstaben k finden auf dieses Personal Anwendung;

e) bedeutet „Sanitätseinheiten“ militäri-sche oder zivile Einrichtungen und sonstige Einheiten, die zu sanitäts-dienstlichen Zwecken gebildet wor-den sind, nämlich zum Aufsuchen zur Bergung, Beförderung, Untersu-chung oder Behandlung – einschließ-lich erster Hilfe – der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen sowie zur Verhütung von Krankheiten. Der Begriff umfaßt unter anderem Laza-rette und ähnliche Einheiten, Blut-spendedienste, medizinische Vorsor-gezentren und -institute, medizinischeDepots sowie medizinische und pharmazeutische Vorratslager dieser Einheiten. Die Sanitätseinheiten kön-nen ortsfest oder beweglich, ständig oder nichtständig sein;

f) bedeutet „Sanitätstransport“ die Beförderung zu Land, zu Wasser oder in der Luft von Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen, von Sanitäts- und Seelsorgepersonal sowie von Sanitätsmaterial, welche

185I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 185

durch die Abkommen und dieses Protokoll geschützt sind;

g) bedeutet „Sanitätstransportmittel“ jedes militärische oder zivile, ständi-ge oder nichtständige Transport-mittel, das ausschließlich dem Sani-tätstransport zugewiesen ist und einer zuständigen Dienststelle einer am Konflikt beteiligten Partei unter-steht;

h) bedeutet „Sanitätsfahrzeuge“ ein Sanitätstransportmittel zu Land;

i) bedeutet „Sanitätsschiffe und sonsti-ge Sanitätswasserfahrzeuge“ Sani-tätstransportmittel zu Wasser;

j) bedeutet „Sanitätsluftfahrzeug“ ein Sanitätstransportmittel in der Luft;

k) gelten Sanitätspersonal, Sanitätsein-heiten und Sanitätstransportmittel als „ständig“, wenn sie auf unbe-stimmte Zeit ausschließlich sanitäts-dienstlichen Zwecken zugewiesen sind. Sanitätspersonal, Sanitätsein-heiten und Sanitätstransportmittel gelten als „nichtständig“, wenn sie für begrenzte Zeit während der ge-samten Dauer derselben ausschließ-lich zu sanitätsdienstlichen Zwecken eingesetzt werden. Sofern nichts anderes bestimmt ist, umfassen die Begriffe „Sanitätspersonal“, „Sani-tätseinheiten“ und „Sanitätstrans-portmittel“ sowohl die ständigen als auch die nichtständigen;

l) bedeutet „Schutzzeichen“ das Schutzzeichen des roten Kreuzes, des roten Halbmonds oder des ro-ten Löwen mit roter Sonne auf wei-ßem Grund, das zum Schutz von Sanitätseinheiten und -transportmit-teln oder von Sanitäts- oder Seel-sorgepersonal oder Sanitätsmaterial verwendet wird;

m) bedeutet „Erkennungssignal“ jedes Mittel, das in Kapitel III des Anhangs Idieses Protokolls ausschließlich zur Kennzeichnung von Sanitätseinheitenoder -transportmitteln bestimmt ist.

Artikel 9Anwendungsbereich

1. Dieser Teil, dessen Bestimmungen das Los der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen verbessern sol-len, findet auf alle von einer in Arti-kel 1 genannten Situation Betroffe-nen Anwendung, ohne jede auf Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion oder Glauben, politischen oder sonstigen Anschau-ungen, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstiger Stellung oder auf irgend-einem anderen ähnlichen Unter-scheidungsmerkmal beruhende nachteilige Unterscheidung.

2. Die einschlägigen Bestimmungen der Artikel 27 und 32 des I. Abkom-mens finden auf ständige Sanitäts-einheiten und -transportmittel (aus-genommen Lazarettschiffe, für die Artikel 25 des II. Abkommens gilt) und ihr Personal Anwendung, die einer am Konflikt beteiligten Partei zu humanitären Zweckena) von einem neutralen oder einem

anderen nicht am Konflikt betei-ligten Staat,

b) von einer anerkannten und er-mächtigten Hilfsgesellschaft einessolchen Staates,

c) von einer unparteiischen interna-tionalen humanitären Organisa-tion zur Verfügung gestellt wurden.

186 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 186

Artikel 10Schutz und Pflege

1. Alle Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen, gleichviel welcher Partei sie angehören, werden ge-schont und geschützt.

2. Sie werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt und erhalten so umfassend und so schnell wie möglich die für ihren Zu-stand erforderliche medizinische Pflege und Betreuung. Aus anderen als medizinischen Gründen darf kein Unterschied zwischen ihnen ge-macht werden.

Artikel 11Schutz von Personen

1. Die körperliche oder geistige Ge-sundheit und Unversehrtheit von Personen, die sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden, die infolge einer in Artikel 1 genannten Situation interniert oder in Haft ge-halten sind oder denen anderweitig die Freiheit entzogen ist, dürfen nichtdurch ungerechtfertigte Handlungen oder Unterlassungen gefährdet wer-den. Es ist daher verboten, die in diesem Artikel genannten Personen einem medizinischen Verfahren zu unterziehen, das nicht durch ihren Gesundheitszustand geboten ist und das nicht mit den allgemein anerkannten medizinischen Grund-sätzen im Einklang steht, die unter entsprechenden medizinischen Um-ständen auf Staatsangehörige der das Verfahren durchführenden Partei angewandt würden, denen die Frei-heit nicht entzogen ist.

2. Es ist insbesondere verboten, an diesen Personen, selbst mit ihrer Zustimmung,

a) körperliche Verstümmelungen vorzunehmen,

b) medizinische oder wissenschaft-liche Versuche vorzunehmen,

c) Gewebe oder Organe für Über-tragungen zu entfernen, soweit diese Maßnahmen nicht gemäß den Voraussetzungen nach Ab-satz 1 gerechtfertigt sind.

3. Ausnahmen von dem in Absatz 2 Buchstabe c bezeichneten Verbot sind nur bei der Entnahme von Blut oder Haut für Übertragungen zuläs-sig, sofern die Einwilligung freiwillig und ohne Zwang oder Überredung und der Eingriff nur zu therapeuti-schen Zwecken und unter Bedingun-gen erfolgt, die mit den allgemein anerkannten medizinischen Grund-sätzen im Einklang stehen und Kon-trollen unterliegen, die dem Wohl sowohl des Spenders als auch des Empfängers dienen.

4. Eine vorsätzliche Handlung oder Unterlassung, welche die körperli-che oder geistige Gesundheit oder Unversehrtheit einer Person erheb-lich gefährdet, die sich in der Gewalt einer anderen Partei als derjenigen befindet, zu der sie gehört und die entweder gegen eines der Verbote der Absätze 1 und 2 verstößt oder nicht den Bedingungen des Absatz 3 entspricht, stellt eine schwere Ver-letzung dieses Protokolls dar.

5. Die in Absatz 1 bezeichneten Per-sonen haben das Recht, jeden chi-rurgischen Eingriff abzulehnen. Im Fall einer Ablehnung hat sich das Sanitätspersonal um eine entspre-chende schriftliche, vom Patienten unterzeichnete oder anerkannte Er-klärung zu bemühen.

187I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 187

6. Jede am Konflikt beteiligte Partei führt medizinische Unterlagen über die einzelnen Entnahmen von Blut und Haut für Übertragungen, die von den in Absatz 1 genannten Per-sonen stammen, sofern die Entnah-men unter der Verantwortung dieser Partei erfolgen. Ferner ist jede am Konflikt beteiligte Partei bemüht, Unterlagen über alle medizinischen Verfahren betreffend Personen zu führen, die infolge einer in Artikel 1 genannten Situation interniert oder in Haft gehalten sind oder denen anderweitig die Freiheit entzogen ist. Diese Unterlagen müssen der Schutzmacht jederzeit zur Einsicht zur Verfügung stehen.

Artikel 12Schutz von Sanitätseinheiten

1. Sanitätseinheiten werden jederzeit geschont und geschützt und dürfen nicht angegriffen werden.

2. Absatz 1 findet auf zivile Sanitätsein-heiten Anwendung, sofern siea) zu einer am Konflikt beteiligten

Partei gehören,b) von der zuständigen Behörde

einer am Konflikt beteiligten Partei anerkannt und ermächtigt sind oder

c) nach Maßgabe des Artikel 9 Ab-satz 2 dieses Protokolls oder des Artikel 27 des I. Abkommens ermächtigt sind.

3. Die am Konflikt beteiligten Parteien sind aufgefordert, einander mitzutei-len, wo sich ihre ortsfesten Sanitäts-einheiten befinden. Unterbleibt eine solche Mitteilung, so enthebt dies keine der Parteien der Verpflichtung, die Bestimmungen des Absatz 1 zu beachten.

4. Sanitätseinheiten dürfen unter kei-nen Umständen für den Versuch benutzt werden, militärische Ziele vor Angriffen abzuschirmen. Die am Konflikt beteiligten Parteien sorgen wann immer möglich dafür, daß die Sanitätseinheiten so gelegt werden, daß sie durch Angriffe auf militäri-sche Ziele nicht gefährdet werden können.

Artikel 13Ende des Schutzes ziviler

Sanitätseinheiten1. Der den zivilen Sanitätseinheiten

gebührende Schutz darf nur dann enden, wenn diese außerhalb ihrer humanitären Bestimmung zu Hand-lungen verwendet werden, die den Feind schädigen. Jedoch endet der Schutz erst, nachdem eine War-nung, die möglichst eine angemes-sene Frist setzt, unbeachtet geblie-ben ist.

2. Als Handlung, die den Feind schä-digt, gilt nichta) die Tatsache, daß das Personal

der Einheit zu seiner eigenen Verteidigung oder zur Verteidi-gung der ihm anvertrauten Ver-wundeten und Kranken mit leich-ten Handfeuerwaffen ausgerüstet ist;

b) die Tatsache, daß die Einheit von einer Wache, durch Posten oder von einem Geleittrupp geschützt wird;

c) die Tatsache, daß in der Einheit Handwaffen und Munition vorge-funden werden, die den Verwun-deten und Kranken abgenom-men, der zuständigen Dienststelle aber noch nicht abgeliefert wor-den sind;

188 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 188

d) die Tatsache, daß sich Mitglieder der Streitkräfte oder andere Kom-battanten aus medizinischen Gründen bei der Einheit befinden.

Artikel 14Beschränkung der Inanspruchnahme

ziviler Sanitätseinheiten1. Die Besatzungsmacht hat dafür zu

sorgen, daß die medizinische Ver-sorgung der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten gesichert bleibt.

2. Die Besatzungsmacht darf deshalb zivile Sanitätseinheiten, ihre Ausrüs-tung, ihr Material oder ihr Personal solange nicht in Anspruch nehmen, wie diese Mittel zur angemessenen medizinischen Versorgung der Zivil-bevölkerung und zur weiteren Pflegeder bereits betreuten Verwundeten und Kranken benötigt werden.

3. Sofern die allgemeine Vorschrift des Absatz 2 weiterhin beachtet wird, kann die Besatzungsmacht die ge-nannten Mittel unter den folgenden besonderen Bedingungen in An-spruch nehmen:a) daß die Mittel zur sofortigen an-

gemessenen medizinischen Be-handlung der verwundeten und kranken Angehörigen der Streit-kräfte der Besatzungsmacht odervon Kriegsgefangenen benötigt werden;

b) daß die Mittel nur so lange in An-spruch genommen werden, wie dies notwendig ist;

c) daß sofortige Vorkehrungen ge-troffen werden, um die medizini-sche Versorgung der Zivilbevölke-rung sowie der bereits betreuten Verwundeten und Kranken, die von der Inanspruchnahme betrof-fen sind, weiterhin gesichert bleibt.

Artikel 15Schutz des zivilen Sanitäts- und

Seelsorgepersonals1. Das zivile Sanitätspersonal wird ge-

schont und geschützt.2. Soweit erforderlich, wird dem zivilen

Sanitätspersonal in einem Gebiet, in dem die zivilen Sanitätsdienste infol-ge der Kampftätigkeit erheblich ein-geschränkt sind, jede mögliche Hilfe gewährt.

3. Die Besatzungsmacht gewährt dem zivilen Sanitätspersonal in besetzten Gebieten jede Hilfe, um es ihm zu ermöglichen, seine humanitären Auf-gaben nach besten Kräften wahrzu-nehmen. Die Besatzungsmacht darf nicht verlangen, daß das Personal in Wahrnehmung seiner Aufgaben be-stimmte Personen bevorzugt behan-delt, es sei denn aus medizinischen Gründen. Das Personal darf nicht gezwungen werden, Aufgaben zu übernehmen, die mit seinem huma-nitären Auftrag unvereinbar sind.

4. Das zivile Sanitätspersonal hat Zu-gang zu allen Orten, an denen seine Dienste unerläßlich sind, vorbehalt-lich der Kontroll- und Sicherheits-maßnahmen, welche die betreffendeam Konflikt beteiligte Partei für not-wendig hält.

5. Das zivile Seelsorgepersonal wird geschont und geschützt. Die Be-stimmungen der Abkommen und dieses Protokolls über den Schutz und die Kennzeichnung des Sani-tätspersonals finden auch auf diese Personen Anwendung.

Artikel 16Allgemeiner Schutz der ärztlichen Aufgabe1. Niemand darf bestraft werden, weil

er eine ärztliche Tätigkeit ausgeübt

189I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 189

hat, die mit dem ärztlichen Ehren-kodex im Einklang steht, gleichviel unter welchen Umständen und zu wessen Nutzen sie ausgeübt wordenist.

2. Wer eine ärztliche Tätigkeit ausübt, darf nicht gezwungen werden, Hand-lungen vorzunehmen oder Arbeiten zu verrichten, die mit den Regeln des ärztlichen Ehrenkodexes mit sonstigen dem Wohl der Verwunde-ten und Kranken dienenden medizi-nischen Regeln oder mit den Be-stimmungen der Abkommen oder dieses Protokolls unvereinbar sind, oder Handlungen oder Arbeiten zu unterlassen, die auf Grund dieser Regeln und Bestimmungen geboten sind.

3. Wer eine ärztliche Tätigkeit ausübt, darf nicht gezwungen werden, An-gehörigen einer gegnerischen Partei oder der eigenen Partei – es sei denn in den nach dem Recht der letztgenannten Partei vorgesehenen Fällen – Auskünfte über die jetzt oder früher von ihm betreuten Ver-wundeten und Kranken zu erteilen, sofern diese Auskünfte nach seiner Auffassung den betreffenden Patien-ten oder ihren Familien schaden würden. Die Vorschriften über die Meldepflicht bei ansteckenden Krankheiten sind jedoch einzuhalten.

Artikel 17Rolle der Zivilbevölkerung und

der Hilfsgesellschaften1. Die Zivilbevölkerung hat die Verwun-

deten, Kranken und Schiffbrüchigen, auch wenn sie der gegnerischen Partei angehören, zu schonen und darf keine Gewalttaten gegen sie verüben. Der Zivilbevölkerung und

den Hilfsgesellschaften, wie bei-spielsweise den nationalen Gesell-schaften des Roten Kreuzes (Roten Halbmonds, Roten Löwen mit Roter Sonne) ist es gestattet, auch von sich aus und auch in Invasions- oderbesetzten Gebieten die Verwunde-ten, Kranken und Schiffbrüchigen zu bergen und zu pflegen. Niemand darf wegen solcher humanitärer Handlungen behelligt, verfolgt, ver-urteilt oder bestraft werden.

2. Die am Konflikt beteiligten Parteien können die Zivilbevölkerung und die in Absatz 1 bezeichneten Hilfsgesell-schaften auffordern, die Verwunde-ten, Kranken und Schiffbrüchigen zu bergen und zu pflegen sowie nach Toten zu suchen und den Ort zu melden, an dem sie gefunden wur-den; sie gewähren denjenigen, die diesem Aufruf Folge leisten, sowohl Schutz als auch die erforderlichen Erleichterungen. Bringt die gegneri-sche Partei das Gebiet erstmalig oder erneut unter ihre Kontrolle, so gewährt sie den gleichen Schutz und die gleichen Erleichterungen, solange dies erforderlich ist.

Artikel 18Kennzeichnung

1. Jede am Konflikt beteiligte Partei ist bemüht sicherzustellen, daß das Sanitäts- und Seelsorgepersonal sowie die Sanitätseinheiten und -transportmittel als solche erkenn-bar sind.

2. Jede am Konflikt beteiligte Partei ist ferner bemüht, Methoden und Ver-fahren einzuführen und anzuwenden, die es ermöglichen, Sanitätseinhei-ten und -transportmittel zu erken-nen, welche das Schutzzeichen füh-

190 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 190

ren und die Erkennungssignale ver-wenden.

3. In besetzten Gebieten und in Ge-bieten, in denen tatsächlich oder voraussichtlich Kampfhandlungen stattfinden, sollen das zivile Sanitäts-personal und das zivile Seelsorge-personal durch das Schutzzeichen und einen Ausweis, der ihren Status bescheinigt, erkennbar sein.

4. Mit Zustimmung der zuständigen Dienststelle werden Sanitätseinheitenund -transportmittel mit dem Schutz-zeichen gekennzeichnet. Die in Arti-kel 22 dieses Protokolls bezeichnetenSchiffe und sonstige Wasserfahr-zeuge werden nach Maßgabe des II. Abkommens gekennzeichnet.

5. Eine am Konflikt beteiligte Partei kann im Einklang mit Kapitel III des Anhangs I dieses Protokolls gestat-ten, daß neben dem Schutzzeichen auch Erkennungssignale zur Kenn-zeichnung von Sanitätseinheiten und -transportmitteln verwendet werden. In den in jenem Kapitel vorgesehe-nen besonderen Fällen können Sani-tätstransportmittel ausnahmsweise Erkennungssignale verwenden, ohne das Schutzzeichen zu führen.

6 Die Anwendung der Absätze 1 bis 5 wird durch die Kapitel I bis III des Anhangs I dieses Protokolls geregelt.Soweit in Kapitel III dieses Anhangs nichts anderes bestimmt ist, dürfen die dort zur ausschließlichen Ver-wendung durch Sanitätseinheiten und -transportmittel bestimmten Signale nur zur Kennzeichnung der in jenem Kapitel genannten Sani-tätseinheiten und -transportmittel verwendet werden.

7. Dieser Artikel ermächtigt nicht zu einer weiteren Verwendung des

Schutzzeichens in Friedenszeiten als in Artikel 44 des I. Abkommens vor-gesehen.

8. Die Bestimmungen der Abkommen und dieses Protokolls betreffend die Überwachung der Verwendung des Schutzzeichens sowie die Verhin-derung und Ahndung seines Miß-brauchs finden auch auf die Erken-nungssignale Anwendung.

Artikel 19Neutrale und andere nicht am Konflikt

beteiligte StaatenNeutrale und andere nicht am Konflikt

beteiligte Staaten wenden die einschlä-gigen Bestimmungen dieses Protokollsauf die durch diesen Teil geschützten Per-sonen an, die in ihr Hoheitsgebiet aufge-nommen oder dort interniert werden so-wie auf die von ihnen geborgenen Totender am Konflikt beteiligten Parteien.

Artikel 20Verbot von Repressalien

Repressalien gegen die durch diesenTeil geschützten Personen und Objektesind verboten.

ABSCHNITT IISANITÄTSTRANSPORTE

Artikel 21Sanitätsfahrzeuge

Sanitätsfahrzeuge werden in gleicherWeise wie bewegliche Sanitätseinheitennach Maßgabe der Abkommen und die-ses Protokolls geschont und geschützt.

Artikel 22Lazarettschiffe und

Küstenrettungsfahrzeuge1. Die Bestimmungen der Abkommen

über

191I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 191

a) die in den Artikeln 22, 24, 25 und 27 des II. Abkommens beschrie-benen Schiffe,

b) ihre Rettungsboote und kleinen Wasserfahrzeuge,

c) ihr Personal und ihre Besatzung sowie

d) die an Bord befindlichen Verwun-deten, Kranken und Schiffbrüchi-gen

finden auch dann Anwendung, wenndiese Wasserfahrzeuge verwundete, kranke und schiffbrüchige Zivilper-sonen befördern, die zu keiner der inArtikel 13 des II. Abkommens ge-nannten Kategorien gehören. Diese Zivilpersonen dürfen jedoch nicht dem Gewahrsam einer anderen Par-tei als ihrer eigenen übergeben oder auf See gefangen genommen wer-den. Befinden sie sich in der Gewalt einer am Konflikt beteiligten Partei, die nicht ihre eigene ist, so finden das IV. Abkommen und dieses Pro-tokoll auf sie Anwendung.

2. Der Schutz, der den Artikel 25 des II. Abkommens beschriebenen Schif-fen gewährt wird, erstreckt sich auch auf Lazarettschiffe, die einer am Konflikt beteiligten Partei zu humani-tären Zweckena) von einem neutralen oder einem

anderen nicht am Konflikt betei-ligten Staat oder

b) von einer unparteiischen interna-tionalen humanitären Organisa-tion

zur Verfügung gestellt werden, so-fern in beiden Fällen die in jenem Artikel genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

3. Die in Artikel 27 des II. Abkommens beschriebenen kleinen Wasserfahr-zeuge werden auch dann geschützt,

wenn die in jenem Artikel vorgesehe-ne Mitteilung nicht erfolgt ist. Die am Konflikt beteiligten Parteien sind je-doch aufgefordert, einander Einzel-heiten über diese Fahrzeuge mitzu-teilen, die deren Kennzeichnung und Erkennung erleichtern.

Artikel 23Andere Sanitätsschiffe und sonstige

Sanitätswasserfahrzeuge1 Andere als die in Artikel 22 dieses

Protokolls und in Artikel 38 des II. Ab-kommens genannten Sanitätsschiffe und sonstigen Sanitätswasserfahr-zeuge werden auf See oder in ande-ren Gewässern ebenso geschont und geschützt wie bewegliche Sani-tätseinheiten nach den Abkommen und diesem Protokoll. Da dieser Schutz nur wirksam sein kann, wenndie Sanitätsschiffe oder sonstigen Sanitätswasserfahrzeuge als solche gekennzeichnet und erkennbar sind, sollen sie mit dem Schutzzeichen kenntlich gemacht werden und nach Möglichkeit die Bestimmungen des Artikel 43 Absatz 2 des II. Abkom-mens befolgen.

2. Die in Absatz 1 bezeichneten Schiffe und sonstigen Wasserfahrzeuge unterliegen weiterhin dem Kriegs-recht. Ein über Wasser fahrendes Kriegsschiff, das in der Lage ist, seine Weisungen sofort durchzuset-zen, kann sie anweisen, anzuhalten, abzudrehen oder einen bestimmten Kurs einzuhalten; einer solchen Wei-sung muß Folge geleistet werden. Im übrigen dürfen sie ihrem sanitäts-dienstlichen Auftrag nicht entzogen werden, solange sie für die an Bord befindlichen Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen benötigt werden.

192 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 192

3. Der in Absatz 1 vorgesehene Schutz endet nur unter den in den Artikeln 34 und 35 des II. Abkommens ge-nannten Voraussetzungen. Eine ein-deutige Weigerung, einer Weisung nach Absatz 2 Folge zu leisten, stellt eine den Feind schädigende Haltung im Sinne des Artikel 34 des II. Ab-kommens dar.

4. Eine am Konflikt beteiligte Partei kann einer gegnerischen Partei so früh wie möglich vor dem Auslaufen den Namen, die Merkmale, die vor-aussichtliche Abfahrtszeit, den Kurs und die geschätzte Geschwindigkeit der Sanitätsschiffe oder sonstigen Sanitätswasserfahrzeuge mitteilen, insbesondere bei Schiffen mit einem Bruttoraumgehalt von mehr als 2000 Registertonnen; sie kann auch wei-tere Angaben machen, welche die Kennzeichnung und Erkennung er-leichtern würden. Die gegnerische Partei bestätigt den Empfang dieser Angaben.

5 Artikel 37 des II. Abkommens findet auf das Sanitäts- und Seelsorgeper-sonal an Bord solcher Schiffe und sonstigen Wasserfahrzeuge Anwen-dung.

6. Das II. Abkommen findet auf die Verwundeten, Kranken und Schiff-brüchigen Anwendung, die zu den inArtikel 13 des II. Abkommens und in Artikel 44 dieses Protokolls genann-ten Kategorien gehören und sich an Bord solcher Sanitätsschiffe und sonstigen Sanitätswasserfahrzeuge befinden. Verwundete, kranke und schiffbrüchige Zivilpersonen, die nicht zu einer der in Artikel 13 des II. Abkommens genannten Katego-rien gehören, dürfen auf See weder einer Partei, der sie nicht angehören,

übergeben noch zum Verlassen des Schiffes oder sonstigen Wasserfahr-zeugs gezwungen werden; befinden sie sich jedoch in der Gewalt einer anderen am Konflikt beteiligten Par-tei als ihrer eigenen, so finden das IV. Abkommen und dieses Protokoll auf sie Anwendung.

Artikel 24Schutz von Sanitätsluftfahrzeugen

Sanitätsluftfahrzeuge werden nachMaßgabe dieses Teiles geschont undgeschützt.

Artikel 25Sanitätsluftfahrzeuge in Gebieten, die nicht von einer gegnerischen

Partei beherrscht werden In oder über Landgebieten, die von

eigenen oder befreundeten Streitkräftentatsächlich beherrscht werden, oder inoder über Seegebieten, die nicht tat-sächlich von einer gegnerischen Parteibeherrscht werden, bedarf es zurSchonung und zum Schutz von Sani-tätsluftfahrzeugen einer am Konfliktbeteiligten Partei keiner Vereinbarungmit einer gegnerischen Partei. Eine amKonflikt beteiligte Partei, die ihre Sani-tätsluftfahrzeuge in diesen Gebieten ein-setzt, kann jedoch zwecks größererSicherheit der gegnerischen Partei ent-sprechend Artikel 29 Mitteilung machen,insbesondere, wenn diese LuftfahrzeugeFlüge durchführen, die sie in die Reich-weite von Boden-Luft-Waffensystemender gegnerischen Partei bringen.

Artikel 26Sanitätsluftfahrzeuge in Kontakt- oder

ähnlichen Zonen1. In oder über den tatsächlich von

eigenen oder befreundeten Streit-

193I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 193

kräften beherrschten Teilen der Kon-taktzone und in oder über Gebieten, bei denen nicht eindeutig feststeht, wer sie tatsächlich beherrscht, kann der Schutz der Sanitätsluftfahrzeuge nur dann voll wirksam sein, wenn vorher zwischen den zuständigen militärischen Dienststellen der am Konflikt beteiligten Parteien eine Ver-einbarung entsprechend Artikel 29 getroffen worden ist. In Ermangelungeiner solchen Vereinbarung operieren die Sanitätsluftfahrzeuge auf eigene Gefahr; sie werden aber dennoch geschont, sobald sie als solche er-kannt worden sind.

2. Der Ausdruck „Kontaktzone“ be-zeichnet jedes Landgebiet, in dem die vorderen Teile gegnerischer Kräfte miteinander in Berührung kommen; dies ist insbesondere dort der Fall, wo sie einem direkten Be-schuß vom Boden aus ausgesetzt sind.

Artikel 27Sanitätsluftfahrzeuge in Gebieten, die von einer gegnerischen Partei

beherrscht werden1. Die Sanitätsluftfahrzeuge einer am

Konflikt beteiligten Partei bleiben auch dann geschützt, wenn sie von einer gegnerischen Partei tatsächlich beherrschte Landoder Seegebiete überfliegen, sofern die zuständige Dienststelle der gegnerischen Partei zuvor ihr Einverständnis zu diesen Flügen erteilt hat.

2. Überfliegt ein Sanitätsluftfahrzeug infolge eines Navigationsfehlers oder infolge einer Notlage, welche die Sicherheit des Fluges beeinträchtigt, ohne das in Absatz 1 vorgesehene Einverständnis oder in Abweichung

von den dabei festgelegten Bedin-gungen ein von einer gegnerischen Partei tatsächlich beherrschtes Ge-biet, so unternimmt es alle Anstren-gungen, um sich zu erkennen zu geben und die gegnerische Partei von den Umständen in Kenntnis zu setzen. Sobald die gegnerische Par-tei das Sanitätsluftfahrzeug erkannt hat, unternimmt sie alle zumutbaren Anstrengungen, um die Weisung zum Landen oder Wassern nach Artikel 30 Absatz 1 zu erteilen oder um andere Maßnahmen zur Wahrungihrer eigenen Interessen zu treffen und um in beiden Fällen dem Luft-fahrzeug Zeit zur Befolgung der Wei-sung zu lassen, bevor es angegriffenwerden kann.

Artikel 28Beschränkungen für den Einsatz

von Sanitätsluftfahrzeugen1. Den am Konflikt beteiligten Parteien

ist es verboten, ihre Sanitätsluftfahr-zeuge zu dem Versuch zu benutzen militärische Vorteile gegenüber der gegnerischen Partei zu erlangen. Die Anwesenheit von Sanitätsluftfahr-zeugen darf nicht zu dem Versuch benutzt werden, Angriffe von militäri-schen Zielen fernzuhalten.

2. Sanitätsluftfahrzeuge dürfen nicht zur Gewinnung oder Übermittlung nachrichtendienstlicher militärischer Erkenntnisse benutzt werden, und sie dürfen keine Ausrüstung mitfüh-ren, die solchen Zwecken dient. Es ist ihnen verboten, Personen oder Ladung zu befördern, die nicht unter die Begriffsbestimmung des Artikel 8 Buchstabe f fallen. Das Mitführen persönlicher Habe der Insassen odervon Ausrüstung, die allein dazu dient,

194 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 194

die Navigation, den Nachrichtenver-kehr oder die Kennzeichnung zu er-leichtern, gilt nicht als verboten.

3. Sanitätsluftfahrzeuge dürfen keine Waffen befördern mit Ausnahme von Handwaffen und Munition, die den an Bord befindlichen Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen abge-nommen und der zuständigen Stelle noch nicht abgeliefert worden sind, sowie von leichten Handfeuerwaffen, die das an Bord befindliche Sanitäts-personal zur eigenen Verteidigung oder zur Verteidigung der ihm anver-trauten Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen benötigt.

4. Auf den in den Artikel 26 und 27 be-zeichneten Flügen dürfen Sanitäts-luftfahrzeuge nur nach vorherigem Einverständnis der gegnerischen Partei zur Suche nach Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen ver-wendet werden.

Artikel 29Mitteilungen und Vereinbarungenbetreffend Sanitätsluftfahrzeuge

1. Mitteilungen nach Artikel 25 oder Er-suchen um vorheriges Einverständ-nis nach den Artikeln 26, 27, 28 Ab-satz 4 oder Artikel 31 müssen die voraussichtliche Anzahl der Sanitäts-luftfahrzeuge, ihre Flugpläne und ihre Kennzeichnung angeben; sie sind dahin zu verstehen, daß jeder Flug im Einklang mit Artikel 28 durchge-führt wird.

2. Die Partei, die eine Mitteilung nach Artikel 25 erhält, bestätigt sofort de-ren Eingang.

3. Die Partei, die ein Ersuchen um vor-heriges Einverständnis nach den Ar-tikeln 26, 27, 28 Absatz 4 oder Ar-

tikel 31 erhält, wird der ersuchenden Partei sobald wie möglicha) mitteilen, daß dem Ersuchen zu-

gestimmt wird,b) mitteilen, daß das Ersuchen ab-

gelehnt wird, oderc) angemessene Gegenvorschläge

übermitteln. Sie kann auch vor-schlagen, während der betreffen-den Zeit andere Flüge in dem Gebiet zu verbieten oder einzu-schränken. Nimmt die Partei, die das Ersuchen gestellt hat, die Gegenvorschläge an, so teilt sie dies der anderen Partei mit.

4. Die Parteien treffen die notwendigen Maßnahmen, damit die Mitteilungen schnell erfolgen und die Vereinbarun-gen schnell getroffen werden kön-nen.

5. Die Parteien treffen ferner die not-wendigen Maßnahmen, damit der Inhalt der Mitteilungen und Verein-barungen den betreffenden militäri-schen Einheiten schnell bekanntge-geben wird und damit diesen Einhei-ten schnell mitgeteilt wird, welche Mittel der Kenntlichmachung von den in Betracht kommenden Sani-tätsluftfahrzeugen verwendet werden.

Artikel 30Landung und Untersuchung von

Sanitätsluftfahrzeugen1. Beim Überfliegen von Gebieten, die

von der gegnerischen Partei tatsäch-lich beherrscht werden, oder von Gebieten bei denen nicht eindeutig feststeht, wer sie tatsächlich be-herrscht, können Sanitätsfahrzeuge angewiesen werden, zu landen be-ziehungsweise zu wassern, damit sie nach Maßgabe der folgenden Ab-sätze untersucht werden können.

195I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 195

Die Sanitätsluftfahrzeuge haben eine solche Anweisung zu befolgen.

2. Landet oder wassert ein solches Luftfahrzeug auf Grund einer derarti-gen Anweisung oder aus anderen Gründen, so darf es nur zur Klärung der in den Absatz 3 und 4 aufge-führten Fragen untersucht werden. Die Untersuchung hat unverzüglich zu beginnen und ist zügig durchzu-führen. Die untersuchende Partei darf nicht verlangen, daß die Ver-wundeten und Kranken von Bord gebracht werden, sofern dies nicht für die Untersuchung unerläßlich ist. Die Partei trägt auf jeden Fall dafür Sorge, daß sich der Zustand der Verwundeten und Kranken durch die Untersuchung oder dadurch, daß sie von Bord gebracht werden, nicht verschlechtert.

3. Ergibt die Untersuchung, daß das Luftfahrzeuga) ein Sanitätsluftfahrzeug im Sinne

des Artikel 8 Buchstabe j ist,b) nicht gegen die in Artikel 28 vor-

geschriebenen Bedingungen ver-stößt und

c) den Flug nicht ohne eine etwa erforderliche vorherige Vereinba-rung oder unter Verletzung einer solchen Vereinbarung durchge-führt hat,

so wird dem Luftfahrzeug und den-jenigen seiner Insassen, die einer gegnerischen Partei, einem neutralenoder einem anderen nicht am Kon-flikt beteiligten Staat angehören, ge-stattet, den Flug unverzüglich fortzu-setzen.

4. Ergibt die Untersuchung, daß das Luftfahrzeug a) kein Sanitätsluftfahrzeug im Sinne

des Artikel 8 Buchstabe j ist,

b) gegen die in Artikel 28 vorge-schriebenen Bedingungen ver-stößt oder

c) den Flug ohne eine etwa erfor-derliche vorherige Vereinbarung oder unter Verletzung einer sol-chen Vereinbarung durchgeführt hat,

so kann das Luftfahrzeug beschlag-nahmt werden. Seine Insassen wer-den nach einschlägigen Bestimmun-gen der Abkommen und dieses Protokolls behandelt. Ein Luftfahr-zeug, das zum ständigen Sanitäts-luftfahrzeug bestimmt war, darf nach seiner Beschlagnahme nur als Sani-tätsluftfahrzeug verwendet werden.

Artikel 31Neutrale oder andere nicht

am Konflikt beteiligte Staaten1. Sanitätsluftfahrzeuge dürfen das

Hoheitsgebiet eines neutralen oder eines anderen nicht am Konflikt be-teiligten Staates nur auf Grund einer vorherigen Vereinbarung überfliegen oder dort landen oder wassern. Be-steht eine solche Vereinbarung, so werden sie während des gesamten Fluges sowie für die Dauer einer etwaigen Zwischenlandung oder -wasserung geschont. Sie haben indessen jeder Weisung, zu landen beziehungsweise zu wassern, Folge zu leisten.

2. Überfliegt ein Sanitätsluftfahrzeug infolge eines Navigationsfehlers oder infolge einer Notlage, welche die Sicherheit des Fluges beeinträchtigt, ohne Einverständnis oder in Abwei-chung von den dabei festgelegten Bedingungen das Hoheitsgebiet eines neutralen oder eines anderen nicht am Konflikt beteiligten Staates,

196 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 196

so unternimmt es alle Anstrengun-gen, um seinen Flug bekanntzuge-ben und um sich zu erkennen zu geben. Sobald dieser Staat das Sanitätsluftfahrzeug erkannt hat, unternimmt er alle zumutbaren An-strengungen, um die Weisung zum Landen oder Wassern nach Artikel 30 Absatz 1 zu erteilen oder um andere Maßnahmen zur Wahrung seiner eigenen Interessen zu treffen und um in beiden Fällen dem Luft-fahrzeug Zeit zur Befolgung der Wei-sung zu lassen, bevor es angegriffenwerden kann.

3. Landet oder wassert ein Sanitäts-luftfahrzeug nach Vereinbarung oder unter den in Absatz 2 genannten Umständen auf Grund einer Weisungoder aus anderen Gründen im Ho-heitsgebiet eines neutralen oder eines anderen nicht am Konflikt be-teiligten Staates, so darf es unter-sucht werden, damit festgestellt wird, ob es sich tatsächlich um ein Sanitätsluftfahrzeug handelt. Die Untersuchung hat unverzüglich zu beginnen und ist zügig durchzufüh-ren. Die untersuchende Partei darf nicht verlangen, daß die Verwunde-ten und Kranken der das Luftfahr-zeug betreibenden Partei von Bord gebracht werden, sofern dies nicht für die Untersuchung unerläßlich ist. Die untersuchende Partei trägt auf jeden Fall dafür Sorge, daß sich der Zustand der Verwundeten und Kran-ken durch die Untersuchung oder dadurch, daß sie von Bord gebracht werden, nicht verschlechtert. Ergibt die Untersuchung, daß es sich tat-sächlich um ein Sanitätsluftfahrzeug handelt, so wird dem Luftfahrzeug und seinen Insassen mit Ausnahme

derjenigen, die nach den Regeln des in bewaffneten Konflikten anwend-baren Völkerrechts in Gewahrsam gehalten werden müssen, gestattet, seinen Flug fortzusetzen, wobei ihm angemessene Erleichterungen ge-währt werden. Ergibt die Untersu-chung, daß es sich nicht um ein Sanitätsluftfahrzeug handelt, so wird es beschlagnahmt, und seine Insas-sen werden entsprechend Absatz 4 behandelt.

4. Die mit Zustimmung der örtlichen Behörden im Hoheitsgebiet eines neutralen oder eines anderen nicht am Konflikt beteiligten Staates nicht nur vorübergehend von einem Sani-tätsluftfahrzeug abgesetzten Ver-wundeten, Kranken und Schiffbrü-chigen werden in Ermangelung eineranders lautenden Abmachung zwi-schen diesem Staat und den am Konflikt beteiligten Parteien, wenn die Regeln des in bewaffneten Kon-flikten anwendbaren Völkerrechts es erfordern, so in Gewahrsam gehal-ten, daß sie nicht mehr an Feind-seligkeiten teilnehmen können. Die Krankenhaus- und Internierungs-kosten gehen zu Lasten des Staa-tes, dem diese Personen angehören.

5. Neutrale oder andere nicht am Kon-flikt beteiligte Staaten wenden et-waige Bedingungen und Beschrän-kungen für das Überfliegen ihres Hoheitsgebiets durch Sanitätsluft-fahrzeuge oder für deren Landung oder Wasserung in ihrem Hoheits-gebiet auf alle am Konflikt beteiligten Parteien in gleicher Weise an.

197I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 197

ABSCHNITT III VERMISSTE UND TOTE

Artikel 32Allgemeiner Grundsatz

Bei der Anwendung dieses Abschnittswird die Tätigkeit der Hohen Vertrags-parteien, der am Konflikt beteiligten Par-teien und der in den Abkommen und indiesem Protokoll erwähnten internatio-nalen humanitären Organisationen inerster Linie durch das Recht der Fami-lien bestimmt, das Schicksal ihrer Ange-hörigen zu erfahren.

Artikel 33Vermißte

1. Sobald die Umstände es zulassen, spätestens jedoch nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten, forscht jede am Konflikt beteiligte Partei nach dem Verbleib der Personen, die von einer gegnerischen Partei alsvermißt gemeldet worden sind. Die gegnerische Partei erteilt alle zweck-dienlichen Auskünfte über diese Per-sonen, um die Suche zu erleichtern.

2. Um die Beschaffung der Auskünfte nach Absatz 1 zu erleichtern, hat jede am Konflikt beteiligte Partei für Personen, die nicht auf Grund der Abkommen und dieses Protokolls eine günstigere Behandlung erfahren würden,a) die in Artikel 138 des IV. Abkom-

mens genannten Auskünfte über Personen zu registrieren, die in-folge von Feindseligkeiten oder Besetzung festgenommen, in Haft gehalten oder anderweitig mehr als zwei Wochen gefangen-gehalten worden sind oder die während eines Freiheitsentzugs verstorben sind;

b) soweit irgend möglich die Be-schaffung und Registrierung von Auskünften über solche Perso-nen zu erleichtern und erforderli-chenfalls selbst durchzuführen, wenn sie unter anderen Umstän-den infolge von Feindseligkeiten oder Besetzung verstorben sind.

3. Auskünfte über die nach Absatz 1 als vermißt gemeldeten Personen sowie Ersuchen um Erteilung solcherAuskünfte werden entweder unmit-telbar oder über die Schutzmacht oder den Zentralen Suchdienst des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz oder die nationalen Gesell-schaften des Roten Kreuzes (Roten Halbmonds, Roten Löwen mit Roter Sonne) geleitet. Werden die Aus-künfte nicht über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und sei-nen Zentralen Suchdienst geleitet, so trägt jede am Konflikt beteiligte Partei dafür Sorge, daß die Auskünf-te auch dem Zentralen Suchdienst übermittelt werden.

4. Die am Konflikt beteiligten Parteien bemühen sich, Regelungen zu ver-einbaren, die es Gruppen ermög-lichen, im Kampfgebiet nach Toten zu suchen, sie zu identifizieren und zu bergen; diese Regelungen kön-nen vorsehen, daß diese Gruppen von Personal der gegnerischen Par-tei begleitet werden, wenn sie ihren Auftrag in den von dieser Partei kon-trollierten Gebieten ausführen, solan-ge sie sich ausschließlich diesem Auftrag widmen.

Artikel 34Sterbliche Überreste

1. Sterbliche Überreste von Personen, die im Zusammenhang mit einer Be-

198 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 198

setzung oder während eines durch Besetzung oder Feindseligkeiten ver-ursachten Freiheitsentzugs verstor-ben sind, und von Personen, die keine Angehörigen des Staates wa-ren, in dem sie infolge von Feind-seligkeiten verstorben sind, werden geachtet; auch die Grabstätten aller dieser Personen werden nach Artikel130 des IV. Abkommens geachtet, instandgehalten und gekennzeich-net, soweit die Überreste oder Grab-stätten nicht auf Grund der Abkom-men und dieses Protokolls eine günstigere Behandlung erfahren wür-den.

2. Sobald die Umstände und die Be-ziehungen zwischen den gegneri-schen Parteien es gestatten, treffen die Hohen Vertragsparteien, in derenHoheitsgebiet Gräber beziehungs-weise andere Stätten gelegen sind, in denen sich die sterblichen Über-reste der infolge von Feindseligkeiten oder während einer Besetzung oder eines Freiheitsentzugs Verstorbenen befinden, Vereinbarungen,a) um den Hinterbliebenen und den

Vertretern amtlicher Gräberre-gistrierungsdienste den Zugang zu den Grabstätten zu erleichtern und Vorschriften über die prakti-sche Durchführung betreffend diesen Zugang zu erlassen;

b) um die dauernde Achtung und Instandhaltung der Grabstätten sicherzustellen;

c) um die Überführung der sterb-lichen Überreste und der persön-lichen Habe des Verstorbenen in sein Heimatland auf dessen An-trag oder, sofern dieses Land keinen Einwand erhebt, auf An-

trag der Hinterbliebenen zu er-leichtern.

3. Sind keine Vereinbarungen nach Ab-satz 2 Buchstabe b oder c getroffen und ist das Heimatland des Verstor-benen nicht bereit, auf eigene Kost-en für die Instandhaltung der Grab-stätten zu sorgen, so kann die Hohe Vertragspartei, in deren Hoheitsge-biet die Grabstätten gelegen sind, anbieten, die Überführung der sterb-lichen Überreste in das Heimatland zu erleichtern. Wird ein solches An-gebot innerhalb von fünf Jahren nicht angenommen, so kann die Hohe Vertragspartei nach gebühren-der Unterrichtung des Heimatlandes ihre eigenen Rechtsvorschriften be-treffend Friedhöfe und Grabstätten anwenden.

4. Die Hohe Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet die in diesem Artikelbezeichneten Grabstätten gelegen

sind, ist zur Exhumierung der sterb-lichen Überreste nur berechtigt,a) wenn die Exhumierung nach

Maßgabe der Absätze 2 Buch-stabe c und 3 erfolgt oder

b) wenn die Exhumierung im zwin-genden öffentlichen Interesse ge-boten ist, unter anderem aus Gründen der Gesundheitsvorsor-ge und zum Zweck der Nachfor-schung; in diesem Fall behandelt die Hohe Vertragspartei die Über-reste jederzeit mit Achtung; sie setzt das Heimatland von der beabsichtigten Exhumierung in Kenntnis und teilt ihm Einzelhei-ten über den für die Wiederbe-stattung vorgesehenen Ort mit.

199I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 199

Teil III Methoden und Mittel

der Kriegführung.Kombattanten- und

Kriegsgefangenenstatus

ABSCHNITT I METHODEN UND MITTEL

DER KRIEGFÜHRUNG

Artikel 35Grundregeln

1. In einem bewaffneten Konflikt haben die am Konflikt beteiligten Parteien kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Methoden und Mittel der Kriegführung.

2. Es ist verboten, Waffen, Geschosse und Material sowie Methoden der Kriegführung zu verwenden, die ge-eignet sind, überflüssige Verletzun-gen oder unnötige Leiden zu verur-sachen.

3. Es ist verboten, Methoden oder Mit-tel der Kriegführung zu verwenden, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, daß sie ausgedehnte, langanhaltende und schwere Schäden der natür-lichen Umwelt verursachen.

Artikel 36Neue Waffen

Jede Hohe Vertragspartei ist verpflich-tet, bei der Prüfung, Entwicklung, Be-schaffung oder Einführung neuer Waffenoder neuer Mittel oder Methoden derKriegführung festzustellen, ob ihre Ver-wendung stets oder unter bestimmtenUmständen durch dieses Protokoll oderdurch eine andere auf die Hohe Ver-tragspartei anwendbare Regel desVölkerrechts verboten wäre.

Artikel 37Verbot der Heimtücke

1. Es ist verboten, einen Gegner unter Anwendung von Heimtücke zu tö-ten, zu verwunden oder gefangen-zunehmen. Als Heimtücke gelten Handlungen, durch die ein Gegner in der Absicht, sein Vertrauen zu miß-brauchen, verleitet wird, darauf zu vertrauen, daß er nach den Regeln des in bewaffneten Konflikten an-wendbaren Völkerrechts Anspruch auf Schutz hat oder verpflichtet ist Schutz zu gewähren. Folgende Hand-lungen sind Beispiele für Heimtücke:a) das Vortäuschen der Absicht,

unter einer Parlamentärflagge zu verhandeln oder sich zu ergeben;

b) das Vortäuschen von Kampfun-fähigkeit infolge Verwundung oder Krankheit;

c) das Vortäuschen eines zivilen oder Nichtkombattantenstatus;

d) das Vortäuschen eines geschütz-ten Status durch Benutzung von Abzeichen, Emblemen oder Uni-formen der Vereinten Nationen oder neutralen oder anderer nicht am Konflikt beteiligter Staaten.

2. Kriegslisten sind nicht verboten. Kriegslisten sind Handlungen, die einen Gegner irreführen oder ihn zu unvorsichtigem Handeln veranlassen sollen, die aber keine Regel des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts verletzen und nicht heimtückisch sind, weil sie den Geg-ner nicht verleiten sollen, auf den sich aus diesem Recht ergebenden Schutz zu vertrauen. Folgende Handlungen sind Beispiele für Kriegs-listen: Tarnung, Scheinstellungen, Scheinoperationen und irreführende Informationen.

Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle200

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 200

Artikel 38Anerkannte Kennzeichen

1. Es ist verboten, das Schutzzeichen des roten Kreuzes, des roten Halb-monds oder des roten Löwen mit roter Sonne oder andere in den Ab-kommen oder in diesem Protokoll vorgesehene Zeichen, Kennzeichen oder Signale zu mißbrauchen. Es ist ferner verboten, in einem bewaffne-ten Konflikt andere Schutz verleihen-de international anerkannte Kenn-zeichen, Abzeichen oder Signale, einschließlich der Parlamentärflagge und des Schutzzeichens für Kultur-gut, vorsätzlich zu mißbrauchen.

2. Es ist verboten, das Emblem der Vereinten Nationen zu verwenden, sofern die Organisation dies nicht gestattet hat.

Artikel 39Nationalitätszeichen

1. Es ist verboten, in einem bewaffne-ten Konflikt Flaggen oder militärische Kennzeichen, Abzeichen oder Uni-formen neutraler oder anderer nicht am Konflikt beteiliger Staaten zu ver-wenden.

2. Es ist verboten, Flaggen oder militä-rische Kennzeichen, Abzeichen oder Uniformen gegnerischer Parteien während eines Angriffs oder zu dem Zweck zu verwenden, Kriegshand-lungen zu decken, zu erleichtern, zu schützen oder zu behindern.

3. Dieser Artikel oder Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe d berührt nicht die be-stehenden allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts, die auf Spionage oder auf den Gebrauch von Flaggen in der Seekriegführung anzuwenden sind.

Artikel 40Pardon

Es ist verboten, den Befehl zu erteilen,niemanden am Leben zu lassen, diesdem Gegner anzudrohen oder die Feind-seligkeiten in diesem Sinne zu führen.

Artikel 41Schutz eines außer Gefecht

befindlichen Gegners1. Wer als außer Gefecht befindlich er-

kannt wird oder unter den gegebe-nen Umständen als solcher erkannt werden sollte, darf nicht angegriffen werden.

2 Außer Gefecht befindlich ist,a) wer sich in der Gewalt einer geg-

nerischen Partei befindet,b) wer unmißverständlich seine Ab-

sicht bekundet, sich zu ergeben, oder

c) wer bewußtlos oder anderweitig durch Verwundung oder Krank-heit kampfunfähig und daher nicht in der Lage ist, sich zu ver-teidigen,

sofern er in allen diesen Fällen jede feindselige Handlung unterläßt und nicht zu entkommen versucht.

3. Sind Personen, die Anspruch auf Schutz als Kriegsgefangene haben, unter ungewöhnlichen Kampfbedin-gungen, die ihre Wegschaffung nach Teil III Abschnitt I des III. Abkommensnicht zulassen, in die Gewalt einer gegnerischen Partei geraten, so wer-den sie freigelassen, und es werden alle praktisch möglichen Vorkehrun-gen für ihre Sicherheit getroffen.

Artikel 42Insassen von Luftfahrzeugen

1. Wer mit dem Fallschirm aus einem Luftfahrzeug abspringt, das sich in

201I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 201

Not befindet, darf während des Absprungs nicht angegriffen werden.

2. Wer mit dem Fallschirm aus einem Luftfahrzeug abgesprungen ist, das sich in Not befand, erhält, sobald er den Boden eines von einer gegne-rischen Partei kontrollierten Gebiets berührt, Gelegenheit, sich zu erge-ben, bevor er angegriffen wird, es sei denn, er begeht offensichtlich eine feindselige Handlung.

3. Luftlandetruppen werden durch die-sen Artikel nicht geschützt.

ABSCHNITT II KOMBATTANTEN- UND

KRIEGSGEFANGENENSTATUS

Artikel 43Streitkräfte

1. Die Streitkräfte einer am Konflikt be-teiligten Partei bestehen aus der Ge-samtheit der organisierten bewaffne-ten Verbände, Gruppen und Einheiten,die einer Führung unterstehen, wel-che dieser Partei für das Verhalten ihrer Untergebenen verantwortlich ist; dies gilt auch dann, wenn diese Partei durch eine Regierung oder ein Organ vertreten ist, die von einer gegnerischen Partei nicht anerkannt werden. Diese Streitkräfte unterlie-gen einem internen Disziplinarsys-tem, das unter anderem die Einhal-tung der Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechtsgewährleistet.

2. Die Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei (mit Ausnahme des in Artikel 33 des III. Abkommens bezeichneten Sani-täts- und Seelsorgepersonals) sind Kombattanten, das heißt, sie sind

berechtigt, unmittelbar an Feindselig-keiten teilzunehmen.

3. Nimmt eine am Konflikt beteiligte Partei paramilitärische oder bewaff-nete Vollzugsorgane in ihre Streit-kräfte auf, so teilt sie dies den ande-ren am Konflikt beteiligten Parteien mit.

Artikel 44Kombattanten und Kriegsgefangene

1. Ein Kombattant im Sinne des Ar-tikels 43, der in die Gewalt einer gegnerischen Partei gerät, ist Kriegs-gefangener.

2. Obwohl alle Kombattanten verpflichtetsind, die Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völker-rechts einzuhalten, verwirkt ein Kom-battant bei Verletzung dieser Regeln nicht das Recht, als Kombattant oder, wenn er in die Gewalt einer gegnerischen Partei gerät, als Kriegs-gefangener zu gelten, ausgenom-men in den in den Absätzen 3 und 4bezeichneten Fällen.

3. Um den Schutz der Zivilbevölkerung vor den Auswirkungen von Feind-seligkeit zu verstärken, sind die Kombattanten verpflichtet, sich von der Zivilbevölkerung zu unterschei-den, solange sie an einem Angriff oder an einer Kriegshandlung zur Vorbereitung eines Angriffs beteiligt sind. Da es jedoch in bewaffneten Konflikten Situationen gibt, in denen sich ein bewaffneter Kombattant wegen der Art der Feindseligkeiten nicht von der Zivilbevölkerung unter-scheiden kann, behält er den Kom-battantenstatus, vorausgesetzt, daß er in solchen Fällena) während jedes militärischen Ein-

satzes seine Waffe offen trägt und

202 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 202

b) während eines militärischen Auf-marsches vor Beginn eines An-griffs, an dem er teilnehmen soll, seine Waffe so lange offen trägt, wie er für den Gegner sichtbar ist.

Handlungen, die den in diesem Ab-satz genannten Voraussetzungen entsprechen, gelten nicht als heim-tückisch im Sinne des Artikels 37 Absatz 1 Buchstabe c.

4. Ein Kombattant, der in die Gewalt einer gegnerischen Partei gerät und die in Absatz 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, ver-wirkt sein Recht, als Kriegsgefange-ner zu gelten; er genießt jedoch in jeder Hinsicht den Schutz, der dem den Kriegsgefangenen durch dasIII. Abkommen und dieses Protokoll gewährten Schutz entspricht. Hierzu gehört auch der Schutz, der dem den Kriegsgefangenen durch das III. Abkommen gewährten Schutz entspricht, wenn eine solche Person wegen einer von ihr begangenen Straftat vor Gericht gestellt und be-straft wird.

5. Ein Kombattant, der in die Gewalt einer gegnerischen Partei gerät, während er nicht an einem Angriff oder an einer Kriegshandlung zur Vorbereitung eines Angriffs beteiligt ist, verwirkt wegen seiner früheren Tätigkeit nicht sein Recht, als Kom-battant und Kriegsgefangener zu gelten.

6. Dieser Artikel berührt nicht das Recht einer Person, nach Artikel 4 des III. Abkommens als Kriegsgefan-gener zu gelten.

7. Dieser Artikel bezweckt nicht, die all-gemein anerkannte Staatenpraxis in bezug auf das Tragen von Uniformen

durch Kombattanten zu ändern, die den regulären uniformierten bewaff-neten Einheiten einer am Konflikt beteiligten Partei angehören.

8. Außer den in Artikel 13 des I. und II. Abkommens genannten Kategorien von Personen haben alle in Artikel 43 dieses Protokolls bezeichneten Mitglieder der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei Anspruch auf Schutz nach den genannten Ab-kommen, wenn sie verwundet oder krank oder – im Fall des II. Abkom-mens – auf See oder in anderen Ge-wässern schiffbrüchig sind.

Artikel 45Schutz von Personen, die an

Feindseligkeiten teilgenommen haben1. Es wird vermutet, daß derjenige, der

an Feindseligkeiten teilnimmt und in die Gewalt einer gegnerischen Partei gerät, Kriegsgefangener und daher durch das III. Abkommen geschützt ist, wenn er den Kriegsgefangenen-status beansprucht, wenn er An-spruch darauf zu haben scheint oderwenn die Partei, der er angehört in einer Mitteilung an die Gewahrsams-macht oder die Schutzmacht diesen Status für ihn beansprucht. Beste-hen Zweifel, ob eine solche Person Anspruch auf den Kriegsgefange-nenstatus hat, so genießt sie weiter-hin so lange diesen Status und da-mit den Schutz des III. Abkommens und dieses Protokolls, bis ein zu-ständiges Gericht über ihren Status entschieden hat.

2. Wer in die Gewalt einer gegnerischenPartei geraten ist, nicht als Kriegsge-fangener in Gewahrsam gehalten wird und von dieser Partei wegen einer im Zusammenhang mit den

203I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 203

Feindseligkeiten begangenen Straftatgerichtlich verfolgt werden soll, ist berechtigt, sich vor einem Gericht auf seinen Status als Kriegsgefange-ner zu berufen und eine diesbezügli-che Entscheidung des Gerichts her-beizuführen. Sofern das anwendbare Verfahren es zuläßt, ist diese Ent-scheidung zu fällen, bevor über die Straftat verhandelt wird. Die Vertreter der Schutzmacht sind berechtigt, den Verhandlungen über die Entschei-dung dieser Frage beizuwohnen, sofern nicht im Interesse der Staats-sicherheit ausnahmsweise unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhan-delt wird. In diesem Fall hat die Ge-wahrsamsmacht die Schutzmacht entsprechend zu benachrichtigen.

3. Wer an Feindseligkeiten teilgenom-men hat, keinen Anspruch auf den Status eines Kriegsgefangenen hat und keine günstigere Behandlung nach dem IV. Abkommen genießt, hat jederzeit Anspruch auf den Schutznach Artikel 75 dieses Protokolls. In besetztem Gebiet hat eine solche Person, sofern sie nicht als Spion in Gewahrsam gehalten wird, ungeach-tet des Artikel 5 des IV. Abkommens außerdem die in dem Abkommen vorgesehenen Rechte auf Verbin-dung mit der Außenwelt.

Artikel 46Spione

1 Ungeachtet anderslautender Be-stimmungen der Abkommen oder dieses Protokolls hat ein Angehöri-ger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, der bei Ausübung von Spionage in die Gewalt einer gegnerischen Partei gerät, keinen Anspruch auf den Status eines

Kriegsgefangenen und kann als Spion behandelt werden.

2. Wenn sich ein Angehöriger der Streit-kräfte einer am Konflikt beteiligten Partei für diese Partei in einem von einer gegnerischen Partei kontrollier-ten Gebiet Informationen beschafft oder zu beschaffen versucht, so gilt dies nicht als Spionage, wenn er dabei die Uniform seiner Streitkräfte trägt.

3. Wenn sich ein Angehöriger der Streit-kräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, der in einem von einer gegne-rischen Partei besetzten Gebiet an-sässig ist und für die Partei, der er angehört, in diesem Gebiet Infor-mationen von militärischem Wert beschafft oder zu beschaffen ver-sucht, so gilt dies nicht als Spio-nage, sofern er nicht unter Vorspie-gelung falscher Tatsachen oder bewußt heimlich tätig wird. Ferner verliert eine solche Person nur dann ihren Anspruch auf den Status eines Kriegsgefangenen und darf nur dann als Spion behandelt werden, wenn sie bei einer Spionagetätigkeit gefan-gengenommen wird.

4. Ein Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, der in einem von einer gegnerischen Partei besetzten Gebiet nicht ansässig ist und dort Spionage betrieben hat, verliert nur dann seinen Anspruch auf den Status eines Kriegsgefan-genen und darf nur dann als Spion behandelt werden, wenn er gefan-gengenommen wird, bevor er zu den Streitkräften, zu denen er gehört, zurückgekehrt ist.

204 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 204

Artikel 47Söldner

1. Ein Söldner hat keinen Anspruch auf den Status eines Kombattanten odereines Kriegsgefangenen.

2 Als Söldner gilt,a) wer im Inland oder Ausland zu

dem besonderen Zweck ange-worben ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen,

b) wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt,

c) wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergü-tung erhalten hat, die wesentlich höher ist als die den Kombattan-ten der Streitkräfte dieser Partei in vergleichbarem Rang und mit ähnlichen Aufgaben zugesagte oder gezahlte Vergütung,

d) wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Par-tei ist noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrol-lierten Gebiet ansässig ist,

e) wer nicht Angehöriger der Streit-kräfte einer am Konflikt beteilig-ten Partei ist und

f) wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtli-chem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt wor-den ist.

Teil IV Zivilbevölkerung

ABSCHNITT I ALLGEMEINER SCHUTZ

VOR DEN AUSWIRKUNGEN

VON FEINDSELIGKEITEN

Kapitel I Grundregel und

Anwendungsbereich

Artikel 48Grundregel

Um Schonung und Schutz der Zivil-bevölkerung und ziviler Objekte zugewährleisten, unterscheiden die amKonflikt beteiligten Parteien jederzeitzwischen der Zivilbevölkerung und Kom-battanten sowie zwischen zivilen Objek-ten und militärischen Zielen; sie dürfendaher ihre Kriegshandlungen nur gegenmilitärische Ziele richten.

Artikel 49Bestimmung des Begriffs „Angriffe“

und Anwendungsbereich1. Der Begriff „Angriffe“ bezeichnet so-

wohl eine offensive als auch eine defensive Gewaltanwendung gegen den Gegner.

2. Die Bestimmungen dieses Proto-kolls, die Angriffe betreffen, finden auf jeden Angriff Anwendung, gleich-viel in welchem Gebiet er stattfindet,einschließlich des Hoheitsgebiets, einer am Konflikt beteiligten Partei, das der Kontrolle einer gegnerischenPartei unterliegt.

3. Dieser Abschnitt findet auf jede Kriegführung zu Land, in der Luft oder auf See Anwendung, welche die Zivilbevölkerung, Zivilpersonen

205I. Zusatzprotokoll

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oder zivile Objekte auf dem Land in Mitleidenschaft ziehen kann. Er fin-det ferner auf jeden von See oder aus der Luft gegen Ziele auf dem Land geführten Angriff Anwendung, läßt aber im übrigen die Regeln des in bewaffneten Konflikten auf See oder in der Luft anwendbaren Völ-kerrechts unberührt.

4. Dieser Abschnitt ergänzt die im IV. Abkommen, insbesondere in dessen Teil II, und in anderen die Hohen Vertragsparteien bindenden interna-tionalen Übereinkünften enthaltenen Vorschriften über humanitären Schutz sowie sonstige Regeln des Völkerrechts, die den Schutz von Zivilpersonen und zivilen Objekten zu Land, auf See oder in der Luft vor den Auswirkungen von Feindselig-keiten betreffen.

Kapitel II Zivilpersonen undZivilbevölkerung

Artikel 50Bestimmung der Begriffe Zivilpersonen

und Zivilbevölkerung1. Zivilperson ist jede Person, die keiner

der in Artikel 4 Buchstabe A Absatz 1, 2, 3 und 6 des III. Abkommens und in Artikel 43 dieses Protokolls bezeichneten Kategorien angehört. Im Zweifelsfall gilt die betreffende Person als Zivilperson.

2. Die Zivilbevölkerung umfaßt alle Zivil-personen.

3. Die Zivilbevölkerung bleibt auch dannZivilbevölkerung, wenn sich unter ihr einzelne Personen befinden, die nicht Zivilpersonen im Sinne dieser Begriffsbestimmung sind.

Artikel 51Schutz der Zivilbevölkerung

1. Die Zivilbevölkerung und einzelne Zivilpersonen genießen allgemeinen Schutz vor den von Kriegshandlun-gen ausgehenden Gefahren. Um diesem Schutz Wirksamkeit zu ver-leihen, sind neben den sonstigen Regeln des anwendbaren Völker-rechts folgende Vorschriften unter allen Umständen zu beachten.

2 Weder die Zivilbevölkerung als sol-che noch einzelne Zivilpersonen dürfen das Ziel von Angriffen sein. Die Anwendung oder Androhung von Gewalt mit dem hauptsäch-lichen Ziel, Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten, ist verboten.

3. Zivilpersonen genießen den durch diesen Abschnitt gewährten Schutz, sofern und solange sie nicht un-mittelbar an Feindseligkeiten teil-nehmen.

4. Unterschiedslose Angriffe sind ver-boten. Unterschiedlose Angriffe sind a) Angriffe, die nicht gegen ein be-

stimmtes militärisches Ziel gerich-tet werden,

b) Angriffe, bei denen Kampfmetho-den oder -mittel angewendet werden, die nicht gegen ein bestimmtes militärisches Ziel gerichtet werden können, oder

c) Angriffe, bei denen Kampfmetho-den oder -mittel angewendet werden, deren Wirkungen nicht entsprechend den Vorschriften dieses Protokolls begrenzt wer-den können

und die daher in jedem dieser Fälle militärische Ziele und Zivilpersonen oder zivile Objekte unterschiedslos treffen können.

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5. Unter anderem sind folgende An-griffsarten als unterschiedslos anzu-sehen:a) ein Angriff durch Bombardierung –

gleichviel mit welchen Methoden oder Mitteln – bei dem mehrere deutlich voneinander getrennte militärische Einzelziele in einer Stadt, einem Dorf oder einem sonstigen Gebiet, in dem Zivilper-sonen oder zivile Objekte ähnlich stark konzentriert sind, wie ein einziges militärisches Ziel behan-delt werden, und

b) ein Angriff, bei dem damit zu rechnen ist, daß er auch Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädi-gung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen ver-ursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen.

6. Angriffe gegen die Zivilbevölkerung oder gegen Zivilpersonen als Re-pressalie sind verboten.

7. Die Anwesenheit oder Bewegungen der Zivilbevölkerung oder einzelner Zivilpersonen dürfen nicht dazu be-nutzt werden, Kriegshandlungen von bestimmten Punkten oder Gebieten fernzuhalten, insbesondere durch Versuche militärische Ziele vor An-griffen abzuschirmen oder Kriegs-handlungen zu decken, zu begüns-tigen oder zu behindern. Die am Konflikt beteiligten Parteien dürfen Bewegungen der Zivilbevölkerung oder einzelner Zivilpersonen nicht zu dem Zweck lenken, militärische Zielevor Angriffen abzuschirmen oder Kriegshandlungen zu decken.

8. Eine Verletzung dieser Verbote ent-hebt die am Konflikt beteiligten Partei-en nicht ihrer rechtlichen Verpflichtun-gen gegenüber der Zivilbevölkerung und Zivilpersonen, einschließlich der Verpflichtung gegenüber der Zivilbe-völkerung und Zivilpersonen, ein-schließlich der Verpflichtung, die in Artikel 57 vorgesehenen vorsorgli-chen Maßnahmen zu treffen.

Kapitel IIIZivile Objekte

Artikel 52Allgemeiner Schutz ziviler Objekte

1. Zivile Objekte dürfen weder angegrif-fen noch zum Gegenstand von Re-pressalien gemacht werden. Zivile Objekte sind alle Objekte, die nicht militärische Ziele im Sinne des Ab-satz 2 sind.

2. Angriffe sind streng auf militärische Ziele zu beschränken. Soweit es sich um Objekte handelt, gelten als mili-tärische Ziele nur solche Objekte, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihres Standorts, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung wirksam zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung, deren Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebe-nen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt.

3. Im Zweifelsfall wird vermutet, daß ein in der Regel für zivile Zwecke be-stimmtes Objekt, wie beispielsweise eine Kultstätte, ein Haus, eine son-stige Wohnstätte oder eine Schule, nicht dazu verwendet wird, wirksam zu militärischen Handlungen beizu-tragen.

207I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 207

Artikel 53Schutz von Kulturgut und KultstättenUnbeschadet der Bestimmungen der

Haager Konvention vom 14. Mai 1954zum Schutz von Kulturgut bei bewaffne-ten Konflikten und anderer einschlägigerinternationaler Übereinkünfte ist es ver-boten,a) feindselige Handlungen gegen ge-

schichtliche Denkmäler, Kunstwerke oder Kultstätten zu begehen, die zum kulturellen oder geistigen Erbe der Völker gehören,

b) solche Objekte zur Unterstützung des militärischen Einsatzes zu ver-wenden oder

c) solche Objekte zum Gegenstand von Repressalien zu machen.

Artikel 54Schutz der für die Zivilbevölkerung

lebensnotwendigen Objekte1. Das Aushungern von Zivilpersonen

als Mittel der Kriegführung ist verbo-ten.

2. Es ist verboten, für die Zivilbevölke-rung lebensnotwendige Objekte wie Nahrungsmittel, zur Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzte landwirt-schaftliche Gebiete, Ernte- und Vieh-bestände, Trinkwasserversorgungs-anlagen und -vorräte sowie Bewäs-serungsanlagen anzugreifen, zu zerstören, zu entfernen oder un-brauchbar zu machen, um sie wegenihrer Bedeutung für den Lebens-unterhalt der Zivilbevölkerung oder der gegnerischen Partei vorzuent-halten, gleichviel ob Zivilpersonen ausgehungert oder zum Fortziehen veranlaßt werden sollen oder ob andere Gründe maßgebend sind.

3. Die in Absatz 2 vorgesehenen Ver-bote finden keine Anwendung, wenn

die aufgeführten Objekte von einer gegnerischen Parteia) ausschließlich zur Versorgung der

Angehörigen ihrer Streitkräfte be-nutzt werden,

b) zwar nicht zur Versorgung, aber zur unmittelbaren Unterstützung einer militärischen Handlung be-nutzt werden; jedoch darf gegen diese Objekte keinesfalls so vor-gegangen werden, daß eine un-zureichende Versorgung der Zivil-bevölkerung mit Lebensmitteln oder Wasser zu erwarten wäre, durch die sie einer Hungersnot ausgesetzt oder zum Weggang gezwungen würde.

4. Diese Objekte dürfen nicht zum Gegenstand von Repressalien ge-macht werden.

5. In Anbetracht der lebenswichtigen Erfordernisse jeder am Konflikt betei-ligten Partei bei der Verteidigung ihres Hoheitsgebiets gegen eine Invasion sind einer am Konflikt betei-ligten Partei in diesem Gebiet, soweit es ihrer Kontrolle unterliegt, Abwei-chungen von den Verboten des Ab-satz 2 gestattet, wenn eine zwingen-de militärische Notwendigkeit dies erfordert.

Artikel 55Schutz der natürlichen Umwelt

1. Bei der Kriegführung ist darauf zu achten, daß die natürliche Umwelt vor ausgedehnten, lang anhaltenden und schweren Schäden geschützt wird. Dieser Schutz schließt das Ver-bot der Anwendung von Methoden oder Mitteln der Kriegführung ein, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, daß sie derartige Schäden der natürli-

208 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 208

chen Umwelt verursachen und da-durch Gesundheit oder Überleben der Bevölkerung gefährden.

2. Angriffe gegen die natürliche Umwelt als Repressalie sind verboten.

Artikel 56Schutz von Anlagen und Einrichtungen,

die gefährliche Kräfte enthalten1. Anlagen oder Einrichtungen, die ge-

fährliche Kräfte enthalten, nämlich Staudämme, Deiche und Kernkraft-werke, dürfen auch dann nicht ange-griffen werden, wenn sie militärische Ziele darstellen, sofern ein solcher Angriff gefährliche Kräfte freisetzen und dadurch schwere Verluste unter der Zivilbevölkerung verursachen kann. Andere militärische Ziele, die sich an diesen Anlagen oder Einrich-tungen oder in deren Nähe befinden, dürfen nicht angegriffen werden, wenn ein solcher Angriff gefährliche Kräfte freisetzen und dadurch schwe-re Verluste unter der Zivilbevölkerungverursachen kann.

2. Der in Absatz 1 vorgesehene beson-dere Schutz vor Angriffen endeta) bei Staudämmen oder Deichen

nur dann, wenn sie zu anderen als ihren gewöhnlichen Zwecken und zur regelmäßigen, bedeuten-den und unmittelbaren Unterstüt-zung von Kriegshandlungen be-nutzt werden, und wenn ein solcher Angriff das einzige prak-tisch mögliche Mittel ist, um die-se Unterstützung zu beenden;

b) bei Kernkraftwerken nur dann, wenn sie elektrischen Strom zur regelmäßigen, bedeutenden und unmittelbaren Unterstützung von Kriegshandlungen liefern, und wenn ein solcher Angriff das ein-

zige praktisch mögliche Mittel ist, um diese Unterstützung zu been-den;

c) bei anderen militärischen Zielen, die sich an Anlagen oder Einrich-tungen oder in deren Nähe be-finden, nur dann, wenn sie zur regelmäßigen, bedeutenden und unmittelbaren Unterstützung von Kriegshandlungen benutzt wer-den und wenn ein solcher Angriff das einzige praktisch mögliche Mittel ist, um diese Unterstützung zu beenden.

3. In allen Fällen haben die Zivilbevöl-kerung und die einzelnen Zivilperso-nen weiterhin Anspruch auf jeden ihnen durch das Völkerrecht gewähr-ten Schutz, einschließlich der im Artikel 57 vorgesehenen vorsorgli-chen Maßnahmen. Endet der Schutzund werden Anlagen, Einrichtungen oder militärische Ziele der in Absatz 1 genannten Art angegriffen, so sind alle praktisch möglichen Vorsichts-maßnahmen zu treffen, um das Frei-setzen gefährlicher Kräfte zu verhin-dern.

4. Es ist verboten, Anlagen, Einrich-tungen oder militärische Ziele der in Absatz 1 genannten Art zum Gegen-stand von Repressalien zu machen.

5. Die am Konflikt beteiligten Parteien bemühen sich, in der Nähe der in Absatz 1 genannten Anlagen oder Einrichtungen keine militärischen Ziele anzulegen. Einrichtungen, die nur zu dem Zweck erstellt wurden, geschützte Anlagen oder Einrichtun-gen gegen Angriffe zu verteidigen, sind jedoch erlaubt und dürfen selbst nicht angegriffen werden, sofern sie bei Feindseligkeiten nur für Verteidigungsmaßnahmen be-

209I. Zusatzprotokoll

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nutzt werden, die zur Erwiderung von Angriffen auf die geschützten Anlagen und Einrichtungen erforder-lich sind, und sofern die Waffen, mit denen sie ausgerüstet sind, lediglich zur Abwehr einer feindlichen Hand-lung gegen die geschützten Anlagen oder Einrichtungen dienen können.

6. Die Hohen Vertragsparteien und die am Konflikt beteiligten Parteien wer-den dringend aufgefordert, unterein-ander weitere Übereinkünfte für den zusätzlichen Schutz von Objekten zuschließen, die gefährliche Kräfte ent-halten.

7. Um das Erkennen der durch diesen Artikel geschützten Objekte zu er-leichtern, können die am Konflikt beteiligten Parteien sie mit einem besonderen Kennzeichen versehen, das entsprechend Artikel 16 des An-hangs I dieses Protokolls aus einer Gruppe von drei in einer Linie ange-ordneten, leuchtend orangefarbenen Kreisen besteht. Das Fehlen einer solchen Kennzeichnung enthebt die am Konflikt beteiligten Parteien in keiner Weise ihrer Verpflichtungen aus dem vorliegenden Artikel.

Kapitel IVVorsorgliche Maßnahmen

Artikel 57Vorsichtsmaßnahmen beim Angriff

1. Bei Kriegshandlungen ist stets dar-auf zu achten, daß die Zivilbevölke-rung, Zivilpersonen und zivile Objek-te verschont bleiben.

2. Im Zusammenhang mit Angriffen sind folgende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen: a) Wer einen Angriff plant oder be-

schließt,

i) hat alles praktisch Mögliche zutun, um sicherzugehen, daßdie Angriffsziele weder Zivil-personen noch zivile Objektesind und nicht unter besonde-rem Schutz stehen, sondernmilitärische Ziele im Sinne desArtikel 52 Absatz 2 sind unddaß der Angriff nicht nach die-sem Protokoll verboten ist;

ii) hat bei der Wahl der Angriffs-mittel und -methoden alle prak-tisch möglichen Vorsichtsmaß-nahmen zu treffen, um Verlusteunter der Zivilbevölkerung, dieVerwundung von Zivilpersonenund die Beschädigung zivilerObjekte, die dadurch mit verur-sacht werden könnten, zu ver-meiden und in jedem Fall aufein Mindestmaß zu beschrän-ken;

iii) hat von jedem Angriff Abstandzunehmen, bei dem damit zurechnen ist, daß er auch Ver-luste unter der Zivilbevölke-rung, die Verwundung vonZivilpersonen, die Beschädi-gung ziviler Objekte oder meh-rere derartige Folgen zusam-men verursacht, die in keinemVerhältnis zum erwarteten kon-kreten und unmittelbaren mili-tärischen Vorteil stehen;

b) ein Angriff ist endgültig oder vor-läufig einzustellen, wenn sich er-weist, daß sein Ziel nicht militäri-scher Art ist, daß es unter beson-derem Schutz steht oder daß damit zu rechnen ist, daß der An-griff auch Verluste unter der Zivil-bevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädi-gung ziviler Objekte oder mehrere

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derartige Folgen zusammen ver-ursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen;

c) Angriffen, durch welche die Zivil-bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, muß eine wirksame Warnung vorausgehen, es sei denn, die gegebenen Um-stände erlaubten dies nicht.

3. Ist eine Wahl zwischen mehreren militärischen Zielen möglich, um einen vergleichbaren militärischen Vorteil zu erringen, so ist dasjenige Ziel zu wählen, dessen Bekämpfung Zivilpersonen und zivile Objekte vor-aussichtlich am wenigsten gefährdenwird.

4. Bei Kriegshandlungen auf See oder in der Luft hat jede am Konflikt be-teiligte Partei im Einklang mit den Rechten und Pflichten, die sich aus den Regeln des in bewaffneten Kon-flikten anwendbaren Völkerrechts für sie ergeben, alle angemessenen Vor-sichtsmaßnahmen zu treffen, um Verluste unter der Zivilbevölkerung und die Beschädigung ziviler Objektezu vermeiden.

5. Die Bestimmungen dieses Artikels sind nicht so auszulegen, als erlaub-ten sie Angriffe auf die Zivilbevölker-ung, Zivilpersonen oder zivile Objekte.

Artikel 58Vorsichtsmaßnahmen gegen die

Wirkungen von AngriffenSoweit dies praktisch irgend möglich

ist, werden die am Konflikt beteiligtenParteiena) sich unbeschadet des Artikel 49 des

IV. Abkommens bemühen, die Zivil-

bevölkerung, einzelne Zivilpersonen und zivile Objekte, die ihrer Herr-schaft unterstehen, aus der Umge-bung militärischer Ziele zu entfernen;

b) es vermeiden, innerhalb oder in der Nähe dicht bevölkerter Gebiete mili-tärische Ziele anzulegen;

c) weitere notwendige Vorsichtsmaß-nahmen treffen, um die Zivilbevöl-kerung, einzelne Zivilpersonen und zivile Objekte, die ihrer Herrschaft unterstehen, vor den mit Kriegs-handlungen verbundenen Gefahren zu schützen.

Kapitel V Orte und Zonen unter besonderem Schutz

Artikel 59Unverteidigte Orte

1. Unverteidigte Orte dürfen – gleichvielmit welchen Mitteln – von den am Konflikt beteiligten Parteien nicht angegriffen werden.

2. Die zuständigen Behörden einer am Konflikt beteiligten Partei können jeden der gegnerischen Partei zur Besetzung offenstehenden bewohn-ten Ort in der Nähe oder innerhalb einer Zone in der Streitkräfte mitein-ander in Berührung gekommen sind,zum unverteidigten Ort erklären. Ein solcher Ort muß folgende Voraus-setzungen erfüllen:a) Alle Kombattanten sowie die be-

weglichen Waffen und die beweg-liche militärische Ausrüstung müssen verlegt worden sein,

b) ortsfeste militärische Anlagen oder Einrichtungen dürfen nicht zu feindseligen Handlungen be-nutzt werden,

211I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 211

c) Behörden und Bevölkerung dür-fen keine feindseligen Handlun-gen begehen und

d) es darf nichts zur Unterstützung von Kriegshandlungen unternom-men werden.

3 Die Voraussetzungen des Absatzes 2 sind auch dann erfüllt, wenn sich an diesem Ort Personen befinden, die durch die Abkommen und diesesProtokoll besonders geschützt sind, oder wenn dort Polizeikräfte zu dem alleinigen Zweck verblieben sind, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhal-ten.

4. Die Erklärung nach Absatz 2 wird an die gegnerische Partei gerichtet; darin sind die Grenzen des unvertei-digten Ortes so genau wie möglich festzulegen und zu beschreiben. Die am Konflikt beteiligte Partei, an wel-che die Erklärung gerichtet ist, be-stätigt den Empfang und behandelt den Ort als unverteidigten Ort, es seidenn, daß die Voraussetzungen des Absatzes 2 nicht tatsächlich erfüllt sind; in diesem Fall hat sie die Partei,welche die Erklärung abgegeben hat, unverzüglich davon zu unterrich-ten. Selbst wenn die Voraussetzun-gen des Absatz 2 nicht erfüllt sind, steht der Ort weiterhin unter dem Schutz der anderen Bestimmungen dieses Protokolls und der sonstigen Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts.

5. Die am Konflikt beteiligten Parteien können die Schaffung unverteidigter Orte vereinbaren, selbst wenn diese Orte nicht die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllen. In der Vereinba-rung sollen die Grenzen des unver-teidigten Ortes so genau wie mög-lich festgelegt und beschrieben

werden; falls erforderlich, können darin Überwachungsmethoden vor-gesehen werden.

6. Die Partei, in deren Gewalt sich ein von einer solchen Vereinbarung er-faßter Ort befindet, macht diesen nach Möglichkeit durch mit der anderen Partei zu vereinbarende Zeichen kenntlich; sie sind an Stellen anzubringen, wo sie deutlich sicht-bar sind, insbesondere an den Orts-enden und Außengrenzen und an den Hauptstraßen.

7. Ein Ort verliert seinen Status als un-verteidigter Ort, wenn er die Voraus-setzungen des Absatzes 2 oder der Vereinbarung nach Absatz 5 nicht mehr erfüllt. In einem solchen Fall steht der Ort weiterhin unter dem Schutz der anderen Bestimmungen dieses Protokolls und der sonstigen Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts.

Artikel 60Entmilitarisierte Zonen

1 Den am Konflikt beteiligten Parteien ist es verboten, ihre Kriegshandlun-gen auf Zonen auszudehnen, denen sie durch eine Vereinbarung den Status einer entmilitarisierten Zone zuerkannt haben, wenn diese Aus-dehnung den Bestimmungen der betreffenden Vereinbarung zuwider-läuft.

2. Es bedarf einer ausdrücklichen Ver-einbarung; sie kann mündlich oder schriftlich, unmittelbar oder durch Vermittlung einer Schutzmacht oder einer unparteiischen humanitären Organisation getroffen werden und aus gegenseitigen übereinstimmen-den Erklärungen bestehen. Die Ver-einbarung kann sowohl in Friedens-

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zeiten als auch nach Beginn der Feindseligkeiten getroffen werden; darin sollen die Grenzen der entmili-tarisierten Zone so genau wie mög-lich festgelegt und beschrieben wer-den; falls erforderlich, werden darin Überwachungsmethoden vorgesehen.

3. Gegenstand einer solchen Verein-barung ist in der Regel eine Zone, die folgende Voraussetzungen erfüllt:a) alle Kombattanten sowie die be-

weglichen Waffen und die beweg-liche militärische Ausrüstung müssen verlegt worden sein,

b) ortsfeste militärische Anlagen oder Einrichtungen dürfen nicht zu feindseligen Handlungen be-nutzt werden,

c) Behörden und Bevölkerung dür-fen keine feindseligen Handlun-gen begehen und

d) jede mit militärischen Anstren-gungen im Zusammenhang ste-hende Tätigkeit muß eingestellt worden sein.

Die am Konflikt beteiligten Parteien verständigen sich darüber, wie Buch-stabe d auszulegen ist, und welche Personen sich außer den in Absatz 4 genannten in der entmilitarisierten Zone aufhalten dürfen.

4. Die Voraussetzungen des Absatzes 3 sind auch dann erfüllt, wenn sich in dieser Zone Personen befinden, die durch die Abkommen und dieses Protokoll besonders geschützt sind, oder wenn dort Polizeikräfte zu dem alleinigen Zweck verblieben sind, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhal-ten.

5. Die Partei, in deren Gewalt sich eine solche Zone befindet, macht diese nach Möglichkeit durch mit der an-deren Partei zu vereinbarende Zei-

chen kenntlich; sie sind an Stellen anzubringen, wo sie deutlich sicht-bar sind, insbesondere an den Orts-enden, den Grenzen der Zone und an den Hauptstraßen.

6. Nähern sich die Kämpfe einer entmi-litarisierten Zone und haben die am Konflikt beteiligten Parteien eine ent-sprechende Vereinbarung getroffen, so darf keine von ihnen diese Zone für Zwecke benutzen, die mit Kriegs-handlungen im Zusammenhang ste-hen oder den Status der Zone ein-seitig aufheben.

7. Verletzt eine am Konflikt beteiligte Partei erheblich die Bestimmung desAbsatzes 3 oder 6, so ist die andere Partei ihrer Verpflichtungen aus der Vereinbarung enthoben, die der Zone den Status einer entmilitarisier-ten Zone zuerkennt. In einem sol-chen Fall verliert die Zone zwar ihren Status, steht aber weiterhin unter dem Schutz der anderen Bestim-mungen dieses Protokolls und der sonstigen Regeln des in bewaffnetenKonflikten anwendbaren Völkerrechts.

Kapitel VI Zivilschutz

Artikel 61Begriffsbestimmungen und

Anwendungsbereich Im Sinne dieses Protokolls

a) bedeutet „Zivilschutz“ die Erfüllung aller oder einzelner der nachstehend genannten humanitären Aufgaben zum Schutz der Zivilbevölkerung vor den Gefahren und zur Überwindung der unmittelbaren Auswirkungen von Feindseligkeiten oder Katastrophen sowie zur Schaffung der für ihr Über-leben notwendigen Voraussetzungen.

213I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 213

Diese Aufgaben sindi) Warndienst;ii) Evakuierung;iii) Bereitstellung und Verwaltung

von Schutzräumen;iv) Durchführung von Verdunkelungs-

maßnahmen;v) Bergung;vi) medizinische Versorgung ein-

schließlich erster Hilfe und geist-lichen Beistands;

vii) Brandbekämpfung;viii) Aufspüren und Kennzeichnung

von Gefahrenzonen;ix) Dekontaminierung und ähnliche

Schutzmaßnahmen;x) Bereitstellung von Notunterkünf-

ten und -verpflegungsgütern;xi) Notdienst zur Wiederherstellung

und Aufrechterhaltung der Ord-nung in notleidenden Gebieten;

xii) Notinstandsetzung unentbehr-licher öffentlicher Versorgungs-einrichtungen;

xiii) Bestattungsnotdienst;xiv)Hilfsdienste bei der Erhaltung

lebensnotwendiger Objekte;xv) zur Wahrnehmung jeder dieser

Aufgaben erforderliche zusätzli-che Tätigkeiten, zu denen auchPlanung und Organisation gehö-ren;

b) bedeutet „Zivilschutzorganisationen“ die von den zuständigen Behörden einer am Konflikt beteiligten Partei zur Wahrnehmung einer der unter Buchstabe a genannten Aufgaben geschaffenen oder zugelassenen Einrichtungen und anderen Einhei-ten, die ausschließlich diesen Aufga-ben zugewiesen und ausschließlich dafür eingesetzt werden;

c) bedeutet „Personal“ der Zivilschutz-organisationen die Personen, die

eine am Konflikt beteiligte Partei ausschließlich der Wahrnehmung der unter Buchstabe a genannten Aufgaben zuweist, darunter das Per-sonal, das von der zuständigen Be-hörde dieser Partei ausschließlich der Verwaltung dieser Organisatio-nen zugewiesen wird;

d) bedeutet „Material“ der Zivilschutz-organisationen die Ausrüstung, Vorräte und Transportmittel, welche diese Organisationen zur Wahrneh-mung der unter Buchstabe a ge-nannten Aufgaben verwenden.

Artikel 62Allgemeiner Schutz

1. Die zivilen Zivilschutzorganisationen und ihr Personal werden nach Maß-gabe der Bestimmungen dieses Protokolls und insbesondere dieses Abschnitts geschont und geschützt. Außer im Fall zwingender militäri-scher Notwendigkeit sind sie berech-tigt, ihre Zivilschutzaufgaben wahrzu-nehmen.

2. Absatz 1 findet auch auf Zivilper-sonen Anwendung, die den zivilen Zivilschutzorganisationen nicht ange-hören, aber einem Aufruf der zustän-digen Behörden Folge leisten und unter deren Leitung Zivilschutzaufga-ben wahrnehmen.

3. Gebäude und Material, die zu Zivil-schutzzwecken benutzt werden, sowie Schutzbauten für die Zivil-bevölkerung fallen unter Artikel 52. Zu Zivilschutzzwecken benutzte Ob-jekte dürfen nur von der Partei, der sie gehören, zerstört oder zweckent-fremdet werden.

214 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 214

Artikel 63Zivilschutz in besetzten Gebieten

1. In besetzten Gebieten werden den zivilen Zivilschutzorganisationen von den Behörden die zur Wahrnehmungihrer Aufgaben erforderlichen Erleich-terungen gewährt. Ihr Personal darf unter keinen Umständen zu Tätig-keiten gezwungen werden, welche die ordnungsgemäße Wahrnehmung dieser Aufgaben behindern würden. Die Besatzungsmacht darf die Struk-tur oder die personelle Besetzung dieser Organisationen nicht in einer Weise ändern, welche die wirksame Erfüllung ihres Auftrags beeinträchti-gen könnte. Von diesen Organisatio-nen darf nicht verlangt werden, den Staatsangehörigen oder Interessen dieser Macht Vorrang einzuräumen.

2. Die Besatzungsmacht darf die zivilen Zivilschutzorganisationen nicht ver-pflichten, zwingen oder anhalten, ihre Aufgaben in irgendeiner für die Zivilbevölkerung abträglichen Weise wahrzunehmen.

3. Die Besatzungsmacht kann aus Sicherheitsgründen das Zivilschutz-personal entwaffnen.

4. Die Besatzungsmacht darf Gebäude oder Material, die Zivilschutzorgani-sationen gehören oder von diesen benutzt werden, nicht zweckent-fremden oder in Anspruch nehmen, wenn diese Zweckentfremdung oder Inanspruchnahme der Zivilbevölke-rung zum Nachteil gereicht.

5. Sofern die allgemeine Vorschrift des Absatz 4 weiterhin beachtet wird, kann die Besatzungsmacht diese Mittel unter folgenden besonderen Bedingungen in Anspruch nehmen oder zweckentfremden:

a) die Gebäude oder das Material werden für andere Bedürfnisse der Zivilbevölkerung benötigt und

b) die Inanspruchnahme oder Zweckentfremdung dauert nur so lange, wie diese Notwendig-keit besteht.

6. Die Besatzungsmacht darf Schutz-bauten, die der Zivilbevölkerung zur Verfügung stehen oder von ihr benö-tigt werden, nicht zweckentfremden oder in Anspruch nehmen.

Artikel 64Zivile Zivilschutzorganisationen

neutraler oder anderer nicht am Konfliktbeteiligter Staaten und internationale

Koordinierungsorganisationen1. Die Artikel 62, 63, 65 und 66 finden

auch auf Personal und Material zivi-ler Zivilschutzorganisationen neutra-ler oder anderer nicht am Konflikt beteiligter Staaten Anwendung, die im Hoheitsgebiet einer am Konflikt beteiligten Partei mit Zustimmung und unter der Leitung dieser Partei Zivilschutzaufgaben nach Artikel 61 wahrnehmen. Einer betroffenen geg-nerischen Partei wird sobald wie möglich von dieser Hilfe Mitteilung gemacht. Diese Tätigkeit darf unter keinen Umständen als Einmischung in den Konflikt angesehen werden. Sie soll jedoch unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheits-interessen der betroffenen am Kon-flikt beteiligten Parteien ausgeübt werden.

2. Am Konflikt beteiligte Parteien, wel-che die in Absatz 1 genannte Hilfe erhalten, und die Hohen Vertragspar-teien, die sie gewähren, sollen gege-benenfalls die internationale Koordi-nierung dieser Zivilschutzmaßnahmen

215I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 215

erleichtern. In diesem Fall findet die-ses Kapitel auf die zuständigen inter-nationalen Organisationen Anwen-dung.

3. In besetzten Gebieten darf die Be-satzungsmacht die Tätigkeit ziviler Zivilschutzorganisationen neutraler oder anderer nicht am Konflikt be-teiligter Staaten sowie internationaler Koordinierungsorganisationen nur dann ausschließen oder einschrän-ken, wenn sie die angemessene Wahrnehmung der Zivilschutzauf-gaben mit eigenen Mitteln oder den Mitteln des besetzten Gebiets sicher-stellen kann.

Artikel 65Ende des Schutzes

1. Der Schutz, auf den zivile Zivilschutz-organisationen, ihr Personal, ihre Gebäude, ihre Schutzbauten und ihr Material Anspruch haben, darf nur dann enden, wenn sie außer ihren eigentlichen Aufgaben den Feind schädigende Handlungen begehen oder dazu verwendet werden. Je-doch endet der Schutz erst, nach-dem eine Warnung, die möglichst eine angemessene Frist setzt, unbe-achtet geblieben ist.

2. Es gilt nicht als eine den Feind schä-digende Handlung,a) wenn Zivilschutzaufgaben unter

der Weisung oder Aufsicht militä-rischer Dienststellen durchgeführt werden;

b) wenn ziviles Zivilschutzpersonal mit Militärpersonal bei der Wahr-nehmung von Zivilschutzaufga-ben zusammenarbeitet oder wenn einige Militärpersonen zivi-len Zivilschutzorganisationen zu-geteilt sind;

c) wenn die Wahrnehmung von Zivilschutzaufgaben auch militäri-schen Konfliktsopfern, insbeson-dere den außer Gefecht befind-lichen, zugute kommt.

3 Es gilt auch nicht als eine den Feind schädigende Handlung, wenn das zivile Zivilschutzpersonal leichte Hand-feuerwaffen trägt, um die Ordnung aufrechtzuerhalten oder sich selbst zu verteidigen. In Gebieten, in denen Kämpfe zu Land stattfinden oder wahrscheinlich stattfinden werden, treffen die am Konflikt beteiligten Parteien jedoch geeignete Vorkehrun-gen, um diese Waffen auf Handfeu-erwaffen wie Pistolen oder Revolver zu beschränken, damit zwischen Zivilschutzpersonal und Kombattan-ten leichter unterschieden werden kann. Auch wenn das Zivilschutzper-sonal in diesen Gebieten andere leichte Handfeuerwaffen trägt, wird es geschont und geschützt, sobald es als solches erkannt ist.

4. Sind zivile Zivilschutzorganisationen in militärischer Weise organisiert oder ist ihr Personal dienstverpflich-tet, so verlieren sie auch dadurch nicht den in diesem Kapitel gewähr-ten Schutz.

Artikel 66Kennzeichnung

1. Jede am Konflikt beteiligte Partei ist bemüht, sicherzustellen daß ihre Zivilschutzorganisationen, deren Personal, Gebäude und Material er-kennbar sind, solange sie ausschließ-lich zur Wahrnehmung von Zivil-schutzaufgaben eingesetzt sind. Schutzbauten, die der Zivilbevöl-kerung zur Verfügung stehen, sollen in ähnlicher Weise erkennbar sein.

216 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 216

2. Jede am Konflikt beteiligte Partei ist ferner bemüht, Methoden und Ver-fahren einzuführen und anzuwenden, die das Erkennen ziviler Schutzbau-ten sowie des Personals, der Ge-bäude und des Materials des Zivil-schutzes ermöglichen, welche das internationale Schutzzeichen des Zivilschutzes tragen.

3. In besetzten Gebieten und in Ge-bieten, in denen tatsächlich oder voraussichtlich Kampfhandlungen stattfinden, soll das Zivilpersonal des Zivilschutzes durch das internationa-le Schutzzeichen des Zivilschutzes und durch einen Ausweis, der seinen Status bescheinigt, erkennbar sein.

4. Das internationale Schutzzeichen des Zivilschutzes besteht aus einem gleichseitigen blauen Dreieck auf orangefarbenem Grund, das zum Schutz von Zivilschutzorganisatio-nen, ihres Personals, ihrer Gebäude und ihres Materials oder zum Schutz ziviler Schutzbauten verwendet wird.

5. Neben dem Schutzzeichen können die am Konflikt beteiligten Parteien Erkennungssignale zur Kennzeich-nung der Zivilschutzdienste verein-baren.

6. Die Anwendung der Absätze 1 bis 4 wird in Kapitel V des Anhangs I die-ses Protokolls geregelt.

7. In Friedenszeiten kann das in Absatz 4 beschriebene Zeichen mit Zustim-mung der zuständigen nationalen Behörden zur Kennzeichnung der Zivilschutzdienste verwendet werden.

8. Die Hohen Vertragsparteien und die am Konflikt beteiligten Parteien tref-fen die erforderlichen Maßnahmen, um die Verwendung des internatio-nalen Schutzzeichens des Zivilschut-zes zu überwachen und um seinen

Mißbrauch zu verhüten und zu ahn-den.

9. Für die Kennzeichnung des Sanitäts-und Seelsorgepersonals sowie der Sanitätseinheiten und -transportmit-tel des Zivilschutzes gilt Artikel 18 ebenfalls.

Artikel 67Den Zivilschutzorganisationen

zugeteilte Angehörige der Streitkräfteund militärische Einheiten

1. Angehörige der Streitkräfte und mili-tärische Einheiten, die den Zivilschutz-organisationen zugeteilt sind, wer-den geschont und geschützt,a) wenn dieses Personal und diese

Einheiten ständig für die Wahr-nehmung einer der in Artikel 61 bezeichneten Aufgaben zugewie-sen und ausschließlich dafür ein-gesetzt sind;

b) wenn das diesen Aufgaben zuge-wiesene Personal für die Dauer des Konflikts keine anderen mili-tärischen Aufgaben wahrnimmt;

c) wenn dieses Personal sich deut-lich von anderen Angehörigen der Streitkräfte durch auffälliges Tra-gen des ausreichend großen internationalen Schutzzeichens des Zivilschutzes unterscheidet und wenn es den in Kapitel V des Anhangs I dieses Protokolls be-zeichneten Ausweis besitzt, der seinen Status bescheinigt;

d) wenn dieses Personal und diese Einheiten nur mit leichten Hand-feuerwaffen ausgerüstet sind, um die Ordnung aufrechtzuerhalten oder sich selbst zu verteidigen. Artikel 65 Absatz 3 findet auch auf diesen Fall Anwendung;

217I. Zusatzprotokoll

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e) wenn dieses Personal nicht un-mittelbar an den Feindseligkeiten teilnimmt und neben seinen Zivil-schutzaufgaben keine die gegne-rische Partei schädigenden Hand-lungen begeht oder nicht für solche eingesetzt wird;

f) wenn dieses Personal und diese Einheiten ihre Zivilschutzaufgabennur im Hoheitsgebiet ihrer Partei wahrnehmen.

Die Nichtbeachtung der Vorschriften des Buchstabens e durch einen Angehörigen der Streitkräfte, der durch die Vorschriften der Buchsta-ben a und b gebunden ist, ist ver-boten.

2. Angehörige des in Zivilschutzorgani-sationen Dienst tuenden Militärper-sonals, die in die Gewalt einer geg-nerischen Partei geraten, werden Kriegsgefangene. In besetztem Ge-biet können sie jedoch nur im Inte-resse der Zivilbevölkerung dieses Gebiets, zu Zivilschutzaufgaben her-angezogen werden, soweit dies er-forderlich ist; wenn diese Arbeit ge-fährlich ist, müssen sie sich jedoch freiwillig gemeldet haben.

3. Die Gebäude und größeren Ausrüs-tungsgegenstände und Transport-mittel der militärischen Einheiten, die Zivilschutzorganisationen zugeteilt sind, müssen mit dem internationa-len Schutzzeichen des Zivilschutzes gekennzeichnet sein.

4. Die Gebäude und das Material der militärischen Einheiten, die Zivilschutz-organisationen ständig zugeteilt sind und ausschließlich für die Wahrneh-mung von Zivilschutzaufgaben ein-gesetzt werden, unterliegen, wenn sie in die Gewalt einer gegnerischen Partei geraten, weiterhin dem Kriegs-

recht. Außer im Fall zwingender mili-tärischer Notwendigkeit dürfen sie jedoch ihrer Bestimmung nicht ent-zogen werden, solange sie zur Wahr-nehmung von Zivilschutzaufgaben benötigt werden, sofern nicht vorher Maßnahmen getroffen wurden, um den Bedürfnissen der Zivilbevölke-rung in angemessener Weise zu genügen.

ABSCHNITT II HILFSMASSNAHMEN ZUGUNSTEN

DER ZIVILBEVÖLKERUNG

Artikel 68Anwendungsbereich

Dieser Abschnitt findet auf die Zivil-bevölkerung im Sinne dieses ProtokollsAnwendung und ergänzt die Artikel 23,55, 59, 60, 61 und 62 sowie die andereneinschlägigen Bestimmungen des IV.Abkommens.

Artikel 69Wesentliche Bedürfnisse in

besetzten Gebieten1. Über die in Artikel 55 des IV. Abkom-

mens bezeichneten Verpflichtungen betreffend die Versorgung mit Le-bens- und Arzneimitteln hinaus sorgtdie Besatzungsmacht im Rahmen aller ihr zur Verfügung stehenden Mittel und ohne jede nachteilige Un-terscheidung auch für die Bereitstel-lung von Kleidung, Material für die Übernachtung, Notunterkünften, anderen für das Überleben der Zivil-bevölkerung des besetzten Gebiets wesentlichen Versorgungsgütern und Kultgegenständen.

2. Hilfsaktionen zugunsten der Zivil-bevölkerung besetzter Gebiete wer-den durch die Artikel 59, 60, 61, 62,

218 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 218

108, 109, 110 und 111 des IV. Ab-kommens sowie durch Artikel 71 dieses Protokolls geregelt; sie wer-den unverzüglich durchgeführt.

Artikel 70Hilfsaktionen

1. Ist die Zivilbevölkerung eines der Kontrolle einer am Konflikt beteiligten Partei unterliegenden Gebiets, das kein besetztes Gebiet ist, nicht aus-reichend mit den in Artikel 69 genann-ten Versorgungsgütern versehen, so sind ohne jede nachteilige Unter-scheidung unparteiische humanitäre Hilfsaktionen durchzuführen, sofern die davon betroffenen Parteien zu-stimmen. Hilfsangebote, welche die genannten Bedingungen erfüllen, gelten weder als Einmischung in denbewaffneten Konflikt noch als un-freundlicher Akt. Bei der Verteilung der Hilfssendungen werden zuerst Personen berücksichtigt, denen nach dem IV. Abkommen oder nach diesem Protokoll Vorzugsbehand-lung oder besonderer Schutz zu gewähren ist, wie beispielsweise Kinder, schwangere Frauen, Wöch-nerinnen und stillende Mütter.

2. Die am Konflikt beteiligten Parteien und jede Hohe Vertragspartei geneh-migen und erleichtern den schnellen und ungehinderten Durchlaß von Hilfssendungen, -ausrüstungen und -personal, die nach diesem Abschnittbereitgestellt werden, auch wenn dieHilfe für die Zivilbevölkerung der geg-nerischen Partei bestimmt ist.

3. Die am Konflikt beteiligten Parteien und jede Hohe Vertragspartei, die den Durchlaß von Hilfssendungen, -ausrüstungen und -personal nach Absatz 2 genehmigen,

a) haben das Recht, die technischenEinzelheiten für einen solchen Durchlaß, einschließlich einer Durchsuchung, festzulegen;

b) können ihre Genehmigung davonabhängig machen, daß die Ver-teilung der Hilfsgüter unter der örtlichen Aufsicht einer Schutz-macht erfolgt;

c) dürfen Hilfssendungen keiner anderen als ihrer ursprünglichen Bestimmung zuführen noch ihre Beförderung verzögern, ausge-nommen in Fällen dringender Notwendigkeit im Interesse der betroffenen Zivilbevölkerung.

4. Die am Konflikt beteiligten Parteien gewährleisten den Schutz der Hilfs-sendungen und erleichtern ihre schnelle Verteilung.

5. Die am Konflikt beteiligten Parteien und jede betroffene Hohe Vertrags-partei fördern und erleichtern eine wirksame internationale Koordinie-rung der in Absatz 1 genannten Hilfsaktionen.

Artikel 71An Hilfsaktionen beteiligtes Personal

1. Im Bedarfsfall kann die bei einer Hilfsaktion geleistete Hilfe auch Hilfs-personal umfassen, namentlich für die Beförderung und Verteilung von Hilfssendungen; die Beteiligung die-ses Personals bedarf der Zustim-mung der Partei, in deren Hoheits-gebiet es seine Tätigkeit ausüben soll.

2. Dieses Personal wird geschont und geschützt.

3. Jede Partei, die Hilfssendungen empfängt, unterstützt soweit irgend möglich das in Absatz 1 genannte Personal bei der Erfüllung seines

219I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 219

Hilfsauftrags. Nur im Fall zwingender militärischer Notwendigkeit darf die Tätigkeit des Hilfspersonals begrenzt oder seine Bewegungsfreiheit vor-übergehend eingeschränkt werden.

4. Das Hilfspersonal darf seinen Auftrag im Sinne dieses Protokolls unter kei-nen Umständen überschreiten. Es hat insbesondere die Sicherheitsbe-dürfnisse der Partei zu berücksichti-gen, in deren Hoheitsgebiet es seine Aufgaben durchführt. Der Auftrag jedes Mitglieds des Hilfspersonals, das diese Bedingungen nicht beach-tet, kann beendet werden.

ABSCHNITT III BEHANDLUNG VON PERSONEN,DIE SICH IN DER GEWALT EINER

AM KONFLIKT BETEILIGTEN

PARTEI BEFINDEN

Kapitel I Anwendungsbereich

und Schutz von Personen und Objekten

Artikel 72Anwendungsbereich

Die Bestimmungen dieses Abschnittsergänzen die im IV. Abkommen, insbe-sondere in dessen Teilen I und III, enthal-tenen Vorschriften über den humanitä-ren Schutz von Zivilpersonen und zivilenObjekten, die sich in der Gewalt eineram Konflikt beteiligten Partei befinden,sowie die sonstigen anwendbaren Re-geln des Völkerrechts über den Schutzgrundlegender Menschenrechte ineinem internationalen bewaffneten Kon-flikt.

Artikel 73Flüchtlinge und Staatenlose

Personen, die vor Beginn der Feind-seligkeiten als Staatenlose oder Flücht-linge im Sinne der einschlägigen, vonden beteiligten Parteien angenommeneninternationalen Übereinkünfte oder derinnerstaatlichen Rechtsvorschriften desAufnahme- oder Aufenthaltsstaats an-gesehen werden, sind unter allen Um-ständen und ohne jede nachteiligeUnterscheidung geschützte Personenim Sinne der Teile I und III des IV. Ab-kommens.

Artikel 74Familienzusammenführung

Die Hohen Vertragsparteien und dieam Konflikt beteiligten Parteien erleich-tern in jeder möglichen Weise die Zu-sammenführung von Familien, die infol-ge bewaffneter Konflikte getrennt wor-den sind, sie fördern insbesondere imEinklang mit den Abkommen und die-sem Protokoll und in Übereinstimmungmit ihren jeweiligen Sicherheitsbestim-mungen die Tätigkeit humanitärer Orga-nisationen, die sich dieser Aufgabe wid-men.

Artikel 75Grundlegende Garantien

1. Soweit Personen von einer in Artikel 1 genannten Situation betroffen sind,werden sie, wenn sie sich in der Ge-walt einer am Konflikt beteiligten Partei befinden und nicht auf Grund der Abkommen oder dieses Proto-kolls eine günstigere Behandlung genießen, unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt und genie-ßen zumindest den in diesem Artikel vorgesehenen Schutz, ohne jede nachteilige Unterscheidung auf

220 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 220

Grund von Rasse, Hautfarbe, Ge-schlecht, Sprache, Religion oder Glauben, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialerHerkunft, Vermögen, Geburt oder einer sonstigen Stellung oder ande-rer ähnlicher Unterscheidungsmerk-male. Jede Partei achtet die Person, die Ehre, die Überzeugungen und die religiösen Gepflogenheiten aller dieser Personen.

2. Folgende Handlungen sind und blei-ben jederzeit und überall verboten, gleichviel ob sie durch zivile Be-dienstete oder durch Militärper-sonen begangen werden:a) Angriffe auf das Leben, die Ge-

sundheit oder das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, insbesonderei) vorsätzliche Tötung,ii) Folter jeder Art, gleichviel ob

körperlich oder seelisch,iii) körperliche Züchtigung undiv) Verstümmelung,

b) Beeinträchtigung der persön-lichen Würde, insbesondere ent-würdigende und erniedrigende Behandlung, Nötigung zur Prosti-tution und unzüchtige Handlun-gen jeder Art,

c) Geiselnahme, d) Kollektivstrafen unde) die Androhung einer dieser

Handlungen.3. Jede wegen Handlungen im Zu-

sammenhang mit dem bewaffneten Konflikt festgenommene, in Haft ge-haltene oder internierte Person wird unverzüglich in einer ihr verständ-lichen Sprache über die Gründe die-ser Maßnahmen unterrichtet. Außer bei Festnahme oder Haft wegen einer Straftat wird eine solche Per-

son so schnell wie irgend möglich, auf jeden Fall aber dann freigelas-sen, sobald die Umstände, welche die Festnahme, Haft oder Internie-rung rechtfertigen, nicht mehr gege-ben sind.

4. Gegen eine Person, die für schuldig befunden wurde, im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt eine Straftat begangen zu haben, darf eine Verurteilung nur in einem Urteil ausgesprochen und nur auf Grund eines Urteils eine Strafe vollstreckt werden; dieses Urteil muß von einem unparteiischen, ordnungsgemäß zusammengesetzten Gericht gefällt werden, welches die allgemein aner-kannten Grundsätze eines ordent-lichen Gerichtsverfahrens beachtet; dazu gehören folgende Garantien:a) Das Verfahren sieht vor, daß der

Beschuldigte unverzüglich über die Einzelheiten der ihm zur Last gelegten Straftat unterrichtet wer-den muß, und gewährt ihm wäh-rend der Hauptverhandlung und davor alle zu seiner Verteidigung erforderlichen Rechte und Mittel;

b) niemand darf wegen einer Straf-tat verurteilt werden, für die er nicht selbst strafrechtlich verant-wortlich ist;

c) niemand darf wegen einer Hand-lung oder Unterlassung angeklagt oder verurteilt werden, die nach dem zur Zeit ihrer Begehung für ihn geltenden innerstaatlichen oder internationalen Recht nicht strafbar war; ebenso darf keine schwerere Strafe als die im Zeit-punkt der Begehung der Straftat angedrohte verhängt werden; wird nach Begehung der Straftat durch Gesetz eine mildere Strafe

221I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 221

eingeführt, so kommt dies dem Täter zugute;

d) bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer Straftat Ange-klagte unschuldig ist;

e) jeder wegen einer Straftat Ange-klagte hat das Recht, bei der Hauptverhandlung anwesend zu sein;

f) niemand darf gezwungen wer-den, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen;

g) jeder wegen einer Straftat Ange-klagte hat das Recht, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und das Erscheinen und die Vernehmung von Entlastungszeugen unter denfür die Belastungszeugen gelten-den Bedingungen zu erwirken;

h) niemand darf wegen einer Straf-tat, derentwegen er bereits nach demselben Recht und demselbenVerfahren rechtskräftig freigespro-chen oder verurteilt worden ist, erneut von derselben Partei ver-folgt oder bestraft werden;

i) jeder wegen einer Straftat Ange-klagte hat das Recht auf öffentli-che Urteilsverkündung;

j) jeder Verurteilte wird bei seiner Verurteilung über sein Recht, gerichtliche und andere Rechts-mittel oder Rechtsbehelfe einzu-legen, sowie über die hierfür fest-gesetzten Fristen unterrichtet.

5. Frauen, denen aus Gründen im Zusammenhang mit dem bewaffne-ten Konflikt die Freiheit entzogen ist, werden in Räumlichkeiten unterge-bracht, die von denen der Männer getrennt sind. Sie unterstehen der

unmittelbaren Überwachung durch Frauen. Werden jedoch Familien festgenommen, in Haft gehalten oder interniert, so bleibt die Einheit der Familien bei ihrer Unterbringung nach Möglichkeit erhalten.

6. Personen, die aus Gründen im Zu-sammenhang mit dem bewaffneten Konflikt festgenommen, in Haft ge-halten oder interniert werden, wird auch nach Beendigung des Konflikts bis zu ihrer endgültigen Freilassung, ihrer Heimschaffung oder Nieder-lassung der in diesem Artikel vorge-sehene Schutz gewährt.

7. Zur Ausschaltung jedes Zweifels hin-sichtlich der Verfolgung und des Gerichtsverfahrens in bezug auf Per-sonen, die der Begehung von Kriegs-verbrechen oder von Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschul-digt werden, sind folgende Grund-sätze anzuwenden:a) Personen, die solcher Verbrechen

beschuldigt werden, sollen in Übereinstimmung mit den an-wendbaren Regeln des Völker-rechts verfolgt und vor Gericht gestellt werden, und

b) allen Personen, die nicht auf Grund der Abkommen oder die-ses Protokolls eine günstigere Behandlung genießen, wird die in diesem Artikel vorgesehene Be-handlung zuteil, gleichviel ob die Verbrechen, deren sie beschul-digt werden, schwere Verletzun-gen der Abkommen oder dieses Protokolls darstellen oder nicht.

8. Die Bestimmungen dieses Artikels sind nicht so auszulegen, als be-schränkten oder beeinträchtigten sie eine andere günstigere Bestimmung, die auf Grund der Regeln des an-

222 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 222

wendbaren Völkerrechts den unter Absatz 1 fallenden Personen größe-ren Schutz gewährt.

Kapitel II Maßnahmen zugunsten von Frauen und Kindern

Artikel 76Schutz von Frauen

1. Frauen werden besonders geschont; sie werden namentlich vor Vergewal-tigung, Nötigung zur Prostitution und jeder anderen unzüchtigen Handlung geschützt.

2. Fälle von schwangeren Frauen und Müttern kleiner von ihnen abhängi-ger Kinder, die aus Gründen im Zu-sammenhang mit dem bewaffneten Konflikt festgenommen, in Haft ge-halten oder interniert sind, werden vor allen anderen Fällen behandelt.

3. Die am Konflikt beteiligten Parteien bemühen sich soweit irgend möglich,zu vermeiden, daß gegen schwan-gere Frauen oder Mütter kleiner von ihnen abhängiger Kinder für eine im Zusammenhang mit dem bewaffne-ten Konflikt begangene Straftat die Todesstrafe verhängt wird. Ein we-gen einer solchen Straftat gegen diese Frauen verhängtes Todesurteil darf nicht vollstreckt werden.

Artikel 77Schutz von Kindern

1. Kinder werden besonders geschont; sie werden vor jeder unzüchtigen Handlung geschützt. Die am Konflikt beteiligten Parteien lassen ihnen jede Pflege und Hilfe zuteil werden, deren sie wegen ihres Alters oder aus einem anderen Grund bedürfen.

2. Die am Konflikt beteiligten Parteien treffen alle praktisch durchführbaren Maßnahmen, damit Kinder unter fünfzehn Jahren nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen; sie sehen insbesondere davon ab, sie inihre Streitkräfte einzugliedern. Wenn die am Konflikt beteiligten Parteien Personen einziehen, die bereits das fünfzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, bemühen sie sich, zuerst die Ältesten heranzuziehen.

3. Wenn in Ausnahmenfällen trotz der Bestimmung des Absatzes 2 Kinder, die noch nicht das fünfzehnte Le-bensjahr vollendet haben, unmittel-bar an Feindseligkeiten teilnehmen und in die Gewalt einer gegnerischenPartei geraten, wird ihnen weiterhin der besondere in diesem Artikel vor-gesehene Schutz gewährt, gleichviel ob sie Kriegsgefangene sind oder nicht.

4. Werden Kinder aus Gründen im Zu-sammenhang mit dem bewaffneten Konflikt festgenommen, in Haft ge-halten oder interniert, so werden sie in Räumlichkeiten untergebracht, die von denen der Erwachsenen ge-trennt sind, ausgenommen Fälle, in denen nach Artikel 75 Absatz 5 Fa-milien so untergebracht werden, daß ihre Einheit erhalten bleibt.

5. Ein Todesurteil, das wegen einer im Zusammenhang mit dem bewaffne-ten Konflikt begangenen Straftat ver-hängt wurde, darf an Personen, die zum Zeitpunkt der Straftat noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatten, nicht vollstreckt werden.

223I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 223

Artikel 78Evakuierung von Kindern

1. Eine am Konflikt beteiligte Partei darf Kinder, die nicht ihre eigenen Staats-angehörigen sind, nicht in ein frem-des Land evakuieren, es sei denn, es handle sich um eine vorüberge-hende Evakuierung, die durch zwin-gende Gründe der Gesundheit, der medizinischen Behandlung oder – außer in besetztem Gebiet – der Sicherheit der Kinder erforderlich wird. Sind Eltern oder andere Sorge-berechtigte erreichbar, so ist deren schriftliches Einverständnis mit der Evakuierung erforderlich. Sind sie nicht erreichbar, so darf die Evakuie-rung nur mit schriftlicher Zustim-mung der Personen vorgenommen werden, die nach Gesetz oder Brauchin erster Linie für die Kinder zu sor-

gen haben. Die Schutzmacht über-wacht jede derartige Evakuierung im Einvernehmen mit den betreffenden Parteien, das heißt der die Evakuie-rung vornehmenden Partei, der die Kinder aufnehmenden Partei und je-der Partei, deren Staatsangehörige evakuiert werden. In jedem Fall tref-fen alle am Konflikt beteiligten Par-teien alle praktisch durchführbaren Vorsichtsmaßnahmen, um eine Ge-fährdung der Evakuierung zu ver-meiden.

2. Wird eine Evakuierung nach Absatz 1 vorgenommen, so wird für die Er-ziehung jedes evakuierten Kindes, einschließlich seiner dem Wunsch der Eltern entsprechenden religiösenund sittlichen Erziehung unter Wah-rung größtmöglicher Kontinuität ge-sorgt.

3. Um die Rückkehr der nach diesem Artikel evakuierten Kinder zu ihren

Familien und in ihr Land zu erleich-tern, stellen die Behörden der Partei, welche die Evakuierung vornimmt, und gegebenenfalls die Behörden des Aufnahmelands für jedes Kind eine mit Lichtbildern versehene Karte aus und übermitteln sie dem Zen-tralen Suchdienst des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Jede Karte enthält, soweit möglich und soweit dem Kind dadurch kein Schaden entstehen kann, folgende Angaben.a) Name(n) des Kindes;b) Vorname(n) des Kindes;c) Geschlecht des Kindes;d) Geburtsort und -datum (oder

ungefähres Alter, wenn das Datum nicht bekannt ist);

e) Name und Vorname des Vaters;f) Name, Vorname und gegebenen-

falls Mädchenname der Mutter; g) nächste Angehörige des Kindes;h) Staatsangehörigkeit des Kindes; i) Muttersprache des Kindes sowie

alle weiteren Sprachen, die es spricht;

j) Anschrift der Familie des Kindes;k) eine etwaige Kennummer des

Kindes;l) Gesundheitszustand des Kindes;m) Blutgruppe des Kindes;n) etwaige besondere Kennzeichen;o) Datum und Ort der Auffindung

des Kindes;p) das Datum, an dem, und der Ort,

von dem aus das Kind sein Land verlassen hat;

q) gegebenenfalls Religion des Kindes;

r) gegenwärtige Anschrift des Kindes im Aufnahmeland;

s) falls das Kind vor seiner Rück-kehr stirbt, Datum, Ort und

224 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 224

Umstände des Todes sowie Be-stattungsort.

Kapitel IIIJournalisten

Artikel 79Maßnahmen zum Schutz von

Journalisten1. Journalisten, die in Gebieten eines

bewaffneten Konflikts gefährliche berufliche Aufträge ausführen, gelten als Zivilpersonen im Sinne des Ar-tikels 50 Absatz 1.

2. Sie sind als solche nach den Ab-kommen und diesem Protokoll geschützt, sofern sie nichts unter-nehmen, was ihren Status als Zivil-personen beeinträchtigt; sind sie aber bei den Streitkräften als Kriegs-berichterstatter akkreditiert, so bleibt der Anspruch auf den nach Artikel 4 Buchstabe A Absatz 4 des III. Ab-kommens vorgesehenen Status unberührt.

3. Sie können einen dem Muster in Anhang II dieses Protokolls entspre-chenden Ausweis erhalten. Dieser Ausweis, der von der Regierung desStaates ausgestellt wird, dessen An-gehörige sie sind, in dem sie ansäs-sig sind oder in dem sich das Nach-richtenorgan befindet, bei dem sie beschäftigt sind, bestätigt den Status des Inhabers als Journalist.

Teil V Durchführung der

Abkommen und diesesProtokolls

ABSCHNITT I ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 80Durchführungsmaßnahmen

1. Die Hohen Vertragsparteien und die am Konflikt beteiligten Parteien tref-fen unverzüglich alle notwendigen Maßnahmen, um ihre Verpflichtung aus den Abkommen und diesem Protokoll zu erfüllen.

2. Die Hohen Vertragsparteien und die am Konflikt beteiligten Parteien ertei-len Weisungen und Anordnungen, um die Einhaltung der Abkommen und dieses Protokolls zu gewährlei-sten, und überwachen deren Durch-führung.

Artikel 81Tätigkeit des Roten Kreuzes und

anderer humanitärer Organisationen1. Die am Konflikt beteiligten Parteien

gewähren dem Internationalen Komi-tee vom Roten Kreuz alle ihnen zu Gebote stehenden Erleichterungen, damit es die humanitären Aufgaben wahrnehmen kann, die ihm durch die Abkommen und dieses Protokoll übertragen sind, um für den Schutz und die Unterstützung der Opfer vonKonflikten zu sorgen; das Internatio-nale Komitee vom Roten Kreuz kann auch vorbehaltlich der Zustimmung der betroffenen am Konflikt beteilig-ten Parteien alle anderen humanitä-ren Tätigkeiten zugunsten dieser Opfer ausüben.

225I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 225

2. Die am Konflikt beteiligten Parteien gewähren ihren jeweiligen Organisa-tionen des Roten Kreuzes (Roten Halbmondes, Roten Löwen mit Roter Sonne) die Erleichterungen, die sie benötigen, um ihre humanitä-re Tätigkeit zugunsten der Opfer desKonflikts im Einklang mit den Ab-kommen und diesem Protokoll und mit den von den Internationalen Rotkreuzkonferenzen formulierten Grundprinzipien des Roten Kreuzes auszuüben.

3. Die Hohen Vertragsparteien und die am Konflikt beteiligten Parteien er-leichtern in jeder möglichen Weise die Hilfe, die Organisationen des Roten Kreuzes (Roten Halbmonds, Roten Löwen mit Roter Sonne) und die Liga der Rotkreuzgesellschaften den Opfern von Konflikten im Ein-klang mit den Abkommen und die-sem Protokoll und den von den Internationalen Rotkreuzkonferenzen formulierten Grundprinzipien des Roten Kreuzes zuteil werden lassen.

4. Die Hohen Vertragsparteien und die am Konflikt beteiligten Parteien räu-men soweit möglich ähnliche Erleich-terungen wie die in den Absätzen 2 und 3 genannten auch den anderen in den Abkommen und diesem Pro-tokoll bezeichneten humanitären Organisationen ein, die von den je-weiligen am Konflikt beteiligten Par-teien ordnungsgemäß ermächtigt sind und ihre humanitäre Tätigkeit im Einklang mit den Abkommen und diesem Protokoll ausüben.

Artikel 82Rechtsberater in den Streitkräften

Die Hohen Vertragsparteien werdenjederzeit und die am Konflikt beteiligten

Parteien werden in Zeiten eines bewaff-neten Konflikts dafür Sorge tragen, daßRechtsberater bei Bedarf verfügbarsind, um die militärischen Führer derzuständigen Befehlsebenen hinsichtlichder Anwendung der Abkommen unddieses Protokolls sowie der geeignetenUnterweisungen zu beraten, die denStreitkräften auf diesem Gebiet zu ertei-len sind.

Artikel 83Verbreitung

1. Die Hohen Vertragsparteien ver-pflichten sich, in Friedenszeiten wie in Zeiten eines bewaffneten Konflikts die Abkommen und dieses Protokoll in ihren Ländern so weit wie möglichzu verbreiten, insbesondere ihr Stu-dium in die militärischen Ausbil-dungsprogramme aufzunehmen und die Zivilbevölkerung zu ihrem Stu-dium anzuregen, so daß diese Über-einkünfte den Streitkräften und der Zivilbevölkerung bekannt werden.

2. Die militärischen oder zivilen Dienst-stellen, die in Zeiten eines bewaffne-ten Konflikts Verantwortlichkeiten bei der Anwendung der Abkommen und dieses Protokolls zu übernehmen haben, müssen mit ihrem Wortlaut voll und ganz vertraut sein.

Artikel 84Anwendungsvorschriften

Die Hohen Vertragsparteien übermit-teln einander so bald wie möglich durchden Verwahrer und gegebenenfallsdurch die Schutzmächte ihre amtlichenÜbersetzungen dieses Protokolls sowiedie Gesetze und sonstigen Vorschriften,die sie erlassen, um seine Anwendungzu gewährleisten.

226 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 226

ABSCHNITT II AHNDUNG VON VERLETZUNGEN

DER ABKOMMEN UND DIESES

PROTOKOLLS

Artikel 85Ahndung und Verletzungen

dieses Protokolls1. Die Bestimmungen der Abkommen

über die Ahndung von Verletzungen und schweren Verletzungen, ergänztdurch die Bestimmungen dieses Ab-schnitts, finden auch auf die Ahndungvon Verletzungen und schweren Ver-letzungen dieses Protokolls Anwen-dung.

2. Die in den Abkommen als schwere Verletzungen bezeichneten Handlun-gen stellen schwere Verletzungen dieses Protokolls dar, wenn sie ge-gen Personen, die sich in der Gewalteiner gegnerischen Partei befinden und durch die Artikel 44, 45 und 73 des Protokolls geschützt sind, oder gegen Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige der gegnerischen Partei, die durch dieses Protokoll geschützt sind, oder gegen dasjeni-ge Sanitäts- oder Seelsorgepersonaloder die Sanitätseinheiten oder Sani-tätstransportmittel begangen wer-den, die der gegnerischen Partei unterstehen und durch dieses Pro-tokoll geschützt sind.

3. Als schwere Verletzungen dieses Protokolls gelten außer den in Artikel 11 bezeichneten schweren Verlet-zungen folgende Handlungen, wenn sie vorsätzlich unter Verletzung der einschlägigen Bestimmungen des Protokolls begangen werden und den Tod oder eine schwere Beein-trächtigung der körperlichen Unver-

sehrtheit oder der Gesundheit zur Folge haben:a) gegen die Zivilbevölkerung oder

einzelne Zivilpersonen gerichtete Angriffe;

b) Führen eines unterschiedslos wir-kenden, die Zivilbevölkerung oder zivile Objekte in Mitleidenschaft ziehenden Angriffs in Kenntnis davon, daß der Angriff Verluste an Menschenleben die Verwun-dung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte zur Folge haben wird, die im Sinne des Artikels 57 Absatz 2 Buch-stabe a Ziffer iii unverhältnismäßig sind;

c) Führen eines Angriffs gegen ge-fährliche Kräfte enthaltende An-lagen oder Einrichtungen in Kenntnis davon, daß der Angriff Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte zur Folge haben wird, dieim Sinne des Artikels 57 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer iii unverhältnis-mäßig sind;

d) gegen unverteidigte Orte und entmilitarisierte Zonen gerichtete Angriffe;

e) gegen eine Person gerichtete Angriffe in Kenntnis davon, daß die Person außer Gefecht befind-lich ist;

f) heimtückische gegen Artikel 37 verstoßende Benutzung des Schutzzeichens des roten Kreu-zes, des roten Halbmonds oder des roten Löwen mit roter Sonne oder anderer durch die Abkom-men oder dieses Protokoll aner-kannter Schutzzeichen.

227I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 227

4. Als schwere Verletzungen dieses Protokolls gelten außer den in den vorstehenden Absätzen und in den Abkommen bezeichneten schweren Verletzungen folgende Handlungen, wenn sie vorsätzlich und unter Ver-letzung der Abkommen oder des Protokolls begangen werden:a) die von der Besatzungsmacht

durchgeführte Überführung eines Teiles ihrer eigenen Zivilbevölke-rung in das von ihr besetzte Ge-biet oder die Verschleppung oder Überführung der Gesamtheit oder eines Teiles der Bevölkerung des besetzten Gebiets innerhalb desselben oder aus demselben unter Verletzung des Artikels 49 des IV. Abkommens;

b) ungerechtfertigte Verzögerung bei der Heimschaffung von Kriegs-gefangenen oder Zivilpersonen;

c) Praktiken der Apartheid und andere auf Rassendiskriminierungberuhende unmenschliche und

erniedrigende Praktiken die eine grobe Verletzung der persönli-chen Würde einschließen;

d) weitgehende Zerstörungen verur-sachende Angriffe, die gegen ein-deutig erkannte geschichtliche Denkmäler, Kunstwerke oder Kultstätten gerichtet sind, welche zum kulturellen oder geistigen Erbe der Völker gehören und denen auf Grund einer besonde-ren Vereinbarung, zum Beispiel im Rahmen einer zuständigen internationalen Organisation, be-sonderer Schutz gewährt wurde, wenn keine Anzeichen dafür vor-liegen, daß die gegnerische Par-tei Artikel 53 Buchstabe b verletzthat und wenn die betreffenden

geschichtlichen Denkmäler, Kunst-werke und Kultstätten nicht in unmittelbarer Nähe militärischer Ziele gelegen sind;

e) Maßnahmen, durch die einer durch die Abkommen geschütz-ten oder in Absatz 2 genannten Person ihr Recht auf ein unpartei-isches ordentliches Gerichtsver-fahren entzogen wird.

5. Unbeschadet der Anwendung der Abkommen und dieses Protokolls gelten schwere Verletzungen dieser Übereinkünfte als Kriegsverbrechen.

Artikel 86Unterlassungen

1. Die Hohen Vertragsparteien und die am Konflikt beteiligten Parteien ahn-den schwere Verletzungen und tref-fen die erforderlichen Maßnahmen, um alle sonstigen Verletzungen der Abkommen oder dieses Protokolls zu unterbinden, die sich aus einer Unterlassung ergeben, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht.

2. Wurde eine Verletzung der Abkom-men oder dieses Protokolls von einem Untergebenen begangen, so enthebt dies seine Vorgesetzten nicht ihrer strafrechtlichen bezie-hungsweise disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit, wenn sie wußten oder unter den gegebenen Umstän-den auf Grund der ihnen vorliegen-den Informationen darauf schließen konnten, daß der Untergebene eine solche Verletzung beging oder bege-hen würde, und wenn sie nicht alle in ihrer Macht stehenden praktisch möglichen Maßnahmen getroffen haben, um die Verletzung zu verhin-dern oder zu ahnden.

228 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

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Artikel 87Pflichten der militärischen Führer

1. Die Hohen Vertragsparteien und dieam Konflikt beteiligten Parteien ver-langen von den militärischen Führern im Hinblick auf die ihrem Befehl unterstellten Angehörigen der Streit-kräfte und die übrigen Personen in ihrem Befehlsbereich, Verletzungen der Abkommen und dieses Proto-kolls zu verhindern, sie erforderli-chenfalls zu unterbinden und den zuständigen Behörden anzuzeigen.

2. Um Verletzungen zu verhindern und zu unterbinden, verlangen die Hohen Vertragsparteien und die am Konflikt beteiligten Parteien von den militäri-schen Führern, in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich sicherzustel-len, daß die ihrem Befehl unterstell-ten Angehörigen der Streitkräfte ihre Verpflichtungen aus den Abkommen und diesem Protokoll kennen.

3. Die Hohen Vertragsparteien und die am Konflikt beteiligten Parteien ver-langen von jedem militärischen Führer, der erfahren hat, daß Unter-gebene oder andere ihm unterstellte Personen eine Verletzung der Ab-kommen oder dieses Protokolls be-gehen werden oder begangen haben,daß er die erforderlichen Maßnah-men zur Verhinderung derartiger Verletzungen anordnet und gegebe-nenfalls ein Disziplinar- oder Straf-verfahren gegen die Täter einleitet.

Artikel 88Rechtshilfe in Strafsachen

1. Die Hohen Vertragsparteien gewäh-ren einander die weitestgehende Hilfe im Zusammenhang mit Verfah-ren, die in bezug auf schwere Ver-

letzungen der Abkommen oder die-ses Protokolls eingeleitet werden.

2. Vorbehaltlich der durch die Abkom-men und durch Artikel 85 Absatz 1 dieses Protokolls festgelegten Rech-te und Pflichten arbeiten die Hohen Vertragsparteien, sofern die Umstän-de dies erlauben, auf dem Gebiet der Auslieferung zusammen. Das Ersuchen des Staates, in dessen Hoheitsgebiet die behauptete Ver-letzung stattgefunden hat, wird von ihnen gebührend geprüft.

3. In allen Fällen findet das Recht der ersuchten Hohen Vertragsparteien Anwendung. Die vorstehenden Ab-sätze berühren jedoch nicht die Ver-pflichtungen aus anderen zwei- oder mehrseitigen Verträgen, die das Ge-biet der Rechtshilfe in Strafsachen ganz oder teilweise regeln oder re-geln werden.

Artikel 89Zusammenarbeit

Bei erheblichen Verstößen gegen dieAbkommen oder dieses Protokoll ver-pflichten sich die Hohen Vertrags-parteien, sowohl gemeinsam als aucheinzeln in Zusammenarbeit mit denVereinten Nationen und im Einklang mitder Charta der Vereinten Nationen tätigzu werden.

Artikel 90Internationale Ermittlungskommission

1. a) Es wird eine internationale Er-mittlungskommission (im folgen-den als „Kommission“ bezeich-net) gebildet; sie besteht aus fünfzehn Mitgliedern von hohem sittlichem Ansehen und aner-kannter Unparteilichkeit.

229I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 229

b) Sind mindestens zwanzig Hohe Vertragsparteien übereingekom-men, die Zuständigkeit der Kom-mission nach Absatz 2 anzuer-kennen, so beruft der Verwahrer zu diesem Zeitpunkt und danach in Abständen von fünf Jahren eine Sitzung von Vertretern dieserHohen Vertragsparteien ein, um die Mitglieder der Kommission zu wählen. Auf der Sitzung werden die Mitglieder der Kommission in geheimer Wahl aus einer Liste von Personen gewählt, für die jede Hohe Vertragspartei einen Namen vorschlagen kann.

c) Die Mitglieder der Kommission sind in persönlicher Eigenschaft tätig und üben ihr Amt bis zur Wahl der neuen Mitglieder auf der darauffolgenden Sitzung aus.

d) Bei der Wahl vergewissern sich die Hohen Vertragsparteien, daß jede der in die Kommission zu wählenden Personen die erfor-derliche Eignung besitzt, und tragen dafür Sorge, daß eine gerechte geographische Vertre-tung in der Kommission insge-samt sichergestellt ist.

e) Wird ein Sitz vorzeitig frei, so wirder von der Kommission unter ge-bührender Berücksichtigung der Buchstaben a bis d besetzt.

f) Der Verwahrer stellt der Kom-mission die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ver-waltungsdienste zur Verfügung.

2. a) Die Hohen Vertragsparteien kön-nen bei der Unterzeichnung oder der Ratifikation des Protokolls oder bei ihrem Beitritt oder jeder-zeit danach erklären, daß sie ge-genüber jeder anderen Hohen

Vertragspartei, welche dieselbe Verpflichtung übernimmt, die Zuständigkeit der Kommission zur Untersuchung der Behaup-tungen einer solchen anderen Partei wie in diesem Artikel vor-gesehen, von Rechts wegen und ohne besondere Übereinkunft anerkennen.

b) Die obengenannten Erklärungen werden beim Verwahrer hinter-legt; dieser leitet Abschriften an die Hohen Vertragsparteien weiter.

c) Die Kommission ist zuständig,i) alle Tatsachen zu untersuchen,

von denen behauptet wird, daßsie eine schwere Verletzung imSinne der Abkommen und die-ses Protokolls oder einen an-deren erheblichen Verstoß ge-gen die Abkommen oder dasProtokoll darstellen;

ii) dazu beizutragen, daß die Ab-kommen und dieses Protokollwieder eingehalten werden,indem sie ihre guten Dienstezur Verfügung stellt.

d) In anderen Fällen nimmt die Kommission Ermittlungen auf Antrag einer am Konflikt beteilig-ten Partei nur mit Zustimmung der anderen beteiligten Partei oder Parteien auf.

e) Vorbehaltlich der obigen Bestim-mungen werden Artikel 52 des I. Abkommens, Artikel 53 des II. Abkommens, Artikel 132 des III. Abkommens und Artikel 149 des IV. Abkommens weiterhin auf jeden behaupteten Verstoß ge-gen die Abkommen angewandt und finden auch auf jeden be-haupteten Verstoß gegen dieses Protokoll Anwendung.

230 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 230

3. a) Sofern die beteiligten Parteien nichts anderes vereinbaren, wer-den alle Ermittlungen von einer Kammer durchgeführt, die aus sieben wie folgt ernannten Mit-gliedern besteht:i) fünf Mitglieder der Kommissi-

on, die nicht Staatsangehörigeeiner am Konflikt beteiligtenPartei sein dürfen, werdennach Konsultierung der amKonflikt beteiligten Parteienvom Vorsitzenden der Kommis-sion auf der Grundlage einergerechten Vertretung der geo-graphischen Gebiete ernannt;

ii) zwei Ad-hoc-Mitglieder, dienicht Staatsangehörige eineram Konflikt beteiligten Parteisein dürfen, werden jeweils voneiner von ihnen ernannt.

b) Bei Eingang eines Ermittlungs-antrags setzt der Vorsitzende der Kommission eine angemessene Frist zur Bildung einer Kammer fest. Wird ein Ad-hoc-Mitglied nicht innerhalb der festgesetzten Frist ernannt, so nimmt der Vor-sitzende alsbald jede weitere Er-nennung vor, die zur Vervollstän-digung der Mitgliederzahl der Kammer erforderlich ist.

4. a) Die nach Absatz 3 zur Durchfüh-rung von Ermittlungen gebildete Kammer fordert die am Konflikt beteiligten Parteien auf, sie zu unterstützen und Beweise vorzu-legen. Sie kann auch andere Be-weise einholen, die sie für zweck-dienlich hält, und eine Untersu-chung an Ort und Stelle durch-führen.

b) Alle Beweismittel werden den beteiligten Parteien vollständig

zur Kenntnis gebracht; diese sind berechtigt, sich gegenüber der Kommission dazu zu äußern.

c) Jede Partei ist berechtigt, diese Beweise in Zweifel zu ziehen.

5. a) Die Kommission legt den Partei-en einen Bericht über die Ergeb-nisse der Ermittlungen der Kam-mer mit den Empfehlungen vor, die sie für angebracht hält.

b) Ist es der Kammer nicht möglich, ausreichende Beweise für eine sachliche und unparteiische Tat-sachenfeststellung zu beschaffen, so gibt die Kommission die Grün-de für dieses Unvermögen be-kannt.

c) Die Kommission teilt ihre Tatsa-chenfeststellung nicht öffentlich mit, es sei denn, alle am Konflikt beteiligten Parteien hätten sie dazu aufgefordert.

6. Die Kommission gibt sich eine Ge-schäftsordnung einschließlich der Vorschriften über den Vorsitz der Kommission und der Kammer. Diese Geschäftsordnung sieht vor, daß das Amt des Vorsitzenden der Kommis-sion jederzeit ausgeübt wird und daß es im Fall von Ermittlungen von einer Person ausgeübt wird, die nicht Staatsangehörige einer am Konflikt beteiligten Partei ist.

7. Die Verwaltungsausgaben der Kom-mission werden durch Beiträge der Hohen Vertragsparteien, die Erklä-rungen nach Absatz 2 abgegeben haben, und durch freiwillige Beiträge gedeckt. Am Konflikt beteiligte Par-teien, die Ermittlungen beantragen, strecken die nötigen Mittel zur Deckung der einer Kammer entste-henden Kosten vor und erhalten von der Partei oder den Parteien, gegen

231I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 231

die sich die Behauptungen richten, einen Betrag in Höhe von 50 vom Hundert der Kosten der Kammer zurück. Werden der Kammer Ge-gendarstellungen vorgetragen, so streckt jede Partei 50 vom Hundert der erforderlichen Mittel vor.

Artikel 91Haftung

Eine am Konflikt beteiligte Partei, wel-che die Abkommen oder dieses Proto-koll verletzt, ist gegebenenfalls zumSchadenersatz verpflichtet. Sie ist füralle Handlungen verantwortlich, die vonden zu ihren Streitkräften gehörendenPersonen begangen werden.

Teil VI Schlussbestimmungen

Artikel 92Unterzeichnung

Dieses Protokoll wird für die Vertrags-parteien der Abkommen sechs Monatenach Unterzeichnung der Schlußaktezur Unterzeichnung aufgelegt; es liegtfür einen Zeitabschnitt von zwölf Mo-naten zur Unterzeichnung auf.

Artikel 93Ratifikation

Dieses Protokoll wird so bald wie mög-lich ratifiziert. Die Ratifikationsurkundenwerden beim Schweizerischen Bundes-rat, dem Verwahrer der Abkommen,hinterlegt.

Artikel 94Beitritt

Dieses Protokoll steht für jedeVertragspartei der Abkommen, die esnicht unterzeichnet hat, zum Beitritt

offen. Die Beitrittsurkunden werdenbeim Verwahrer hinterlegt.

Artikel 95Inkrafttreten

1. Dieses Protokoll tritt sechs Monate nach der Hinterlegung von zwei Ra-tifikations- oder Beitrittsurkunden in Kraft.

2. Für jede Vertragspartei der Abkom-men, die zu einem späteren Zeit-punkt dieses Protokoll ratifiziert oder ihm beitritt, tritt es sechs Monate nach Hinterlegung ihrer eigenen Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

Artikel 96Vertragsbeziehungen beim

Inkrafttreten dieses Protokolls1. Sind die Vertragsparteien der Ab-

kommen auch Vertragsparteien die-ses Protokolls, so finden die Abkom-men so Anwendung, wie sie durch das Protokoll ergänzt sind.

2. Ist eine der am Konflikt beteiligten Parteien nicht durch dieses Protokoll gebunden, so bleiben dessen Ver-tragsparteien in ihren gegenseitigen Beziehungen durch das Protokoll gebunden. Sie sind durch das Pro-tokoll auch gegenüber jeder nicht durch das Protokoll gebundenen Partei gebunden, wenn diese des-sen Bestimmungen annimmt und anwendet.

3. Das Organ, das ein Volk vertritt, wel-ches in einen gegen eine Hohe Ver-tragspartei gerichteten bewaffneten Konflikt der in Artikel 1 Absatz 4 er-wähnten Art verwickelt ist, kann sich verpflichten, die Abkommen und die-ses Protokoll in bezug auf diesen Konflikt anzuwenden, indem es eine

232 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 232

einseitige Erklärung an den Verwah-rer richtet. Nach Eingang beim Ver-wahrer hat diese Erklärung im Zu-sammenhang mit dem Konflikt fol-gende Wirkungen:a) Die Abkommen und dieses Pro-

tokoll werden für das genannte Organ in seiner Eigenschaft als am Konflikt beteiligte Partei un-mittelbar wirksam,

b) das genannte Organ übernimmt die gleichen Rechte und Pflichten wie eine Hohe Vertragspartei der Abkommen und dieses Protokollsund

c) die Abkommen und dieses Pro-tokoll binden alle am Konflikt beteiligten Parteien in gleicher Weise.

Artikel 97Änderung

1. Jede Hohe Vertragspartei kann Änderungen dieses Protokolls vor-schlagen. Der Wortlaut jedes Ände-rungsvorschlags wird dem Verwahrermitgeteilt; dieser beschließt nach Konsultierung aller Hohen Vertrags-parteien und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, ob eine Konferenz zur Prüfung des Ände-rungsvorschlags einberufen werden soll.

2. Der Verwahrer lädt zu dieser Konfe-renz alle Hohen Vertragsparteien sowie die Vertragsparteien der Ab-kommen ein, gleichviel ob sie dieses Protokoll unterzeichnet haben oder nicht.

Artikel 98Revision des Anhangs I

1. Spätestens vier Jahre nach Inkraft-treten dieses Protokolls und danach

in Abständen von mindestens vier Jahren konsultiert das Internationale Komitee vom Roten Kreuz die Hohen Vertragsparteien in bezug auf den Anhang I des Protokolls und kann, wenn es dies für erforderlich hält, eine Tagung von Sachverständi-gen zur Überprüfung des Anhangs I und zur Unterbreitung der wün-schenswert erscheinenden Ände-rungen vorschlagen. Sofern nicht innerhalb von sechs Monaten nach Übermittlung eines diesbezüglichen Vorschlags an die Hohen Vertrags-parteien ein Drittel derselben dage-gen Einspruch erhebt, beruft das Internationale Komitee vom Roten Kreuz die Tagung ein, zu der es auch Beobachter der in Betracht kommenden internationalen Orga-nisationen einlädt. Eine solche Ta-gung wird vom internationalen Komitee vom Roten Kreuz auch je-derzeit auf Antrag eines Drittels der Hohen Vertragsparteien einberufen.

2. Der Verwahrer beruft eine Konferenz der Hohen Vertragsparteien und der Vertragsparteien der Abkommen ein, um die von der Tagung der Sach-verständigen vorgeschlagenen Än-derungen zu prüfen, sofern nach dieser Tagung das Internationale Komitee vom Roten Kreuz oder ein Drittel der Hohen Vertragsparteien darum ersucht.

3. Änderungen des Anhangs I können von dieser Konferenz mit einer Mehr-heit von zwei Dritteln der anwesen-den und abstimmenden Hohen Ver-tragsparteien beschlossen werden.

4. Der Verwahrer teilt den Hohen Ver-tragsparteien und den Vertragspar-teien der Abkommen jede auf diese Weise beschlossene Änderung mit.

233I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 233

Die Änderung gilt nach Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Mit-teilung als angenommen, sofern nicht mindestens ein Drittel der Hohen Vertragsparteien dem Ver-wahrer innerhalb dieses Zeitabschnittseine Erklärung über die Nichtannah-me der Änderung übermittelt.

5. Eine nach Absatz 4 als angenom-men geltende Änderung tritt drei Monate nach ihrer Annahme für alle Hohen Vertragsparteien mit Ausnah-me derjenigen in Kraft, die nach jenem Absatz eine Erklärung über die Nichtannahme abgegeben ha-ben. Jede Vertragspartei, die eine solche Erklärung abgibt, kann sie jederzeit zurücknehmen; in diesem Fall tritt die Änderung für diese Ver-tragspartei drei Monate nach der Rücknahme in Kraft.

6. Der Verwahrer notifiziert den Hohen Vertragsparteien und den Vertrags-parteien der Abkommen das Inkraft-treten jeder Änderung sowie die durch die Änderung gebundenen Vertragsparteien, den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens für jede Vertragspartei und die nach Absatz 4 abgegebe-nen Erklärungen über die Nichtan-nahme und die Rücknahme solcher Erklärungen.

Artikel 99Kündigung

1. Kündigt eine Hohe Vertragspartei dieses Protokoll, so wird die Kündi-gung erst ein Jahr nach Eingang der Kündigungsurkunde wirksam. Ist jedoch bei Ablauf dieses Jahres für die kündigende Partei eine in Artikel 1genannte Situation eingetreten, so bleibt die Kündigung bis zum Ende des bewaffneten Konflikts oder der

Besetzung, in jedem Fall aber so lange unwirksam, bis die mit der endgültigen Freilassung, der Heim-schaffung oder der Niederlassung der durch die Abkommen oder die-ses Protokoll geschützten Personen im Zusammenhang stehenden Maß-nahmen abgeschlossen sind.

2. Die Kündigung wird dem Verwahrer schriftlich notifiziert; dieser übermitteltsie allen Hohen Vertragsparteien.

3. Die Kündigung wird nur in bezug auf die kündigende Vertragspartei wirk-sam.

4. Eine Kündigung nach Absatz 1 be-rührt nicht die wegen des bewaffne-ten Konflikts von der kündigenden Vertragspartei nach diesem Protokoll bereits eingegangenen Verpflichtun-gen in bezug auf eine vor dem Wirk-samwerden der Kündigung began-gene Handlung.

Artikel 100Notifikationen

Der Verwahrer unterrichtet die HohenVertragsparteien sowie die Vertragspar-teien der Abkommen, gleichviel ob siedieses Protokoll unterzeichnet habenoder nicht,a) von den Unterzeichnungen dieses

Protokolls und der Hinterlegung von Ratifikations- und Beitrittsurkunden nach den Artikeln 93 und 94,

b) vom Zeitpunkt des Inkrafttretens die-ses Protokolls nach Artikel 95,

c) von den nach den Artikeln 84, 90 und 97 eingegangenen Mitteilungen und Erklärungen,

d) von den nach Artikel 96 Absatz 3 eingegangenen Erklärungen, die auf schnellstem Weg übermittelt werden, und

e) von den Kündigungen nach Artikel 99.

234 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 234

Artikel 101Registrierung

1. Nach seinem Inkrafttreten wird die-ses Protokoll vom Verwahrer dem Sekretariat der Vereinten Nationen zur Registrierung und Veröffentlichunggemäß Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen übermittelt.

2. Der Verwahrer setzt das Sekretariat der Vereinten Nationen auch von allen Ratifikationen, Beitritten und Kündigungen in Kenntnis, die er in bezug auf dieses Protokoll erhält.

Artikel 102Authentische Texte

Die Urschrift dieses Protokolls, dessenarabischer, chinesischer, englischer,französischer, russischer und spani-scher Wortlaut gleichermaßen verbind-lich ist, wird beim Verwahrer hinterlegt,dieser übermittelt allen Vertragsparteiender Abkommen beglaubigte Abschriften.

ANHANG Iin der am 30. November 1993

geänderten FassungVorschriften über die Kennzeichnung

Artikel 1Allgemeine Bestimmungen

1. Die Vorschriften über die Kennzeich-nung in diesem Anhang führen die einschlägigen Bestimmungen der Genfer Abkommen und des Proto-kolls durch; sie sollen die Kennzeich-nung von Personal, Material, Einhei-ten, Transportmitteln und Einrichtun-gen erleichtern, die nach den Genfer Abkommen und dem Protokoll ge-schützt sind.

2. Diese Regeln begründen nicht schonan sich das Recht auf Schutz. Die-

ses Recht ist in den einschlägigen

Artikeln der Abkommen und des Protokolls geregelt.

3. Die zuständigen Behörden können vorbehaltlich der einschlägigen Be-stimmungen der Genfer Abkommen und des Protokolls jederzeit die Ver-wendung, das Anbringen, das An-strahlen und die Kenntlichmachung der Schutzzeichen und Erkennungs-signale regeln.

4. Die Hohen Vertragsparteien und ins-besondere die am Konflikt beteiligten Parteien werden aufgefordert, sich jederzeit auf zusätzliche oder weitere Signale, Mittel oder Systeme zu ver-ständigen, welche die Möglichkeit der Kennzeichnung verbessern, und sich technologische Entwicklungen auf diesem Gebiet in vollem Umfang zunutze zu machen.

Kapitel IAusweise

Artikel 2Ausweis für das ständige zivile

Sanitäts- und Seelsorgepersonal1. Der in Artikel 18 Absatz 3 des Pro-

tokolls vorgesehene Ausweis für das ständige zivile Sanitäts- und Seel-sorgepersonal solla) mit dem Schutzzeichen versehen

sein und Taschenformat haben;b) so haltbar wie möglich sein;c) in der Landes- oder Amtssprache

und zusätzlich, soweit angemes-sen, in der örtlichen Sprache der betroffenen Region abgefaßt sein;

d) Namen und Geburtsdatum des Inhabers (oder, falls dieses nicht bekannt ist, sein Alter im Zeit-punkt der Ausstellung) sowie gegebenenfalls seine Kennum-mer angeben;

235I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 235

e) angeben, in welcher Eigenschaft der Inhaber Anspruch auf den Schutz der Abkommen und des Protokolls hat;

f) mit dem Lichtbild des Inhabers sowie mit seiner Unterschrift oderseinem Daumenabdruck oder mit beidem versehen sein;

g) den Stempel und die Unterschrift der zuständigen Behörde tragen;

h) sein Ausstellungs- und Verfalls-datum angeben;

i) nach Möglichkeit die Blutgruppe des Inhabers auf der Rückseite vermerken.

2. Der Ausweis ist im gesamten Ho-heitsgebiet jeder Hohen Vertragspar-tei einheitlich und für alle am Konflikt beteiligten Parteien soweit wie mög-lich gleichartig. Die am Konflikt betei-ligten Parteien können sich an das einsprachige Muster in Abbildung 1 halten. Bei Beginn der Feindseligkei-ten übermitteln sie einander ein Exemplar des von ihnen verwende-ten Ausweises, wenn dieser von dem Muster in Abbildung 1 abweicht.Der Ausweis wird nach Möglichkeit in zwei Exemplaren ausgefertigt, vondenen eines von der ausstellenden Behörde aufbewahrt wird: diese soll für die Kontrolle der von ihr ausge-stellten Ausweise sorgen.

3. Die Ausweise dürfen dem ständigen zivilen Sanitäts- und Seelsorgeper-sonal in keinem Fall abgenommen werden. Bei Verlust eines Ausweises hat der Inhaber Anspruch auf die Ausfertigung eines neuen Ausweises.

Artikel 3Ausweis für das nichtständige zivile

Sanitäts- und Seelsorgepersonal1. Der Ausweis für das nichtständige

zivile Sanitäts- und Seelsorgeperso-nal soll dem in Artikel 2 dieser Vor-schriften vorgesehenen Ausweis nach Möglichkeit entsprechen. Die am Konflikt beteiligten Parteien kön-nen sich an das Muster in Abbildung 1 halten.

2. Verhindern die Umstände, daß dem nichtständigen zivilen Sanitäts- und Seelsorgepersonal Ausweise ausge-stellt werden, die dem in Artikel 2 dieser Vorschriften beschriebenen Ausweis entsprechen, so kann die-ses Personal eine von der zuständi-gen Behörde unterzeichnete Be-scheinigung erhalten, die bestätigt, daß der Inhaber dem nichtständigen Personal zugewiesen wurde; nach Möglichkeit ist die Dauer der Zutei-lung und die Berechtigung des In-habers zum Tragen des Schutzzei-chens anzugeben. Die Bescheinigungsoll Name und Geburtsdatum des Inhabers (oder, falls dieses nicht bekannt ist, sein Alter im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung), seine Dienststellung sowie gegebe-nenfalls seine Kennummer angeben. Sie muß mit seiner Unterschrift oder seinem Daumenabdruck oder mit beidem versehen sein.

236 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 236

Kapitel IIDas Schutzzeichen

Artikel 4 Form

Das Schutzzeichen (rot auf weißemGrund) muß eine den Umständen ange-messene Größe besitzen. Bezüglich derForm des Kreuzes, des Halbmonds oderdes Löwen mit Sonne2 können sich dieHohen Vertragsparteien an die Muster inAbbildung 2 halten.

Abbildung 2Schutzzeichen in Rot auf

weißem Grund

237

Rückseite

Abbildung 1Muster eines Ausweises

(Format: 74 mm x 105 mm)Vorderseite

Artikel 5Verwendung

1. Das Schutzzeichen wird nach Mög-lichkeit auf einer glatten Fläche, auf Fahnen oder in einer anderen der Geländebeschaffenheit angemesse-nen Weise angebracht, so daß es möglichst nach allen Seiten und möglichst weithin sichtbar ist, insbe-sondere aus der Luft.

2. Bei Nacht oder bei beschränkter Sicht kann das Schutzzeichen er-leuchtet sein oder angestrahlt werden.

3. Das Schutzzeichen kann aus Materi-al bestehen, das seine Erkennung durch technische Hilfsmittel ermög-licht. Der rote Teil soll auf eine schwarze Grundierung aufgetragen werden, um seine Erkennung insbe-sondere durch lnfrarotinstrumente zu erleichtern.

2 Seit 1980 hat kein Staat das Schutzzeichen des Löwen mit Sonne verwendet.

I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 237

Artikel 7Lichtsignal

1. Das Lichtsignal besteht aus einem blauen Blinklicht, wie es in dem technischen Handbuch über Luft-tüchtigkeit der Internationalen Zivil-luftfahrt-Organisation (ICAO), Doku-ment 9051, definiert ist, und dient zur Kenntlichmachung von Sanitäts-luftfahrzeugen. Dieses Signal darf von keinem anderen Luftfahrzeug verwendet werden. Sanitätsluft-fahrzeuge, die das blaue Blinklicht verwenden, sollen solche Lichter aufweisen, die das Lichtsignal mög-lichst nach allen Seiten hin sichtbar werden lassen.

2. Im Einklang mit Kapitel XIV Absatz 4 des Internationalen Signalbuchs der Internationalen Seeschiffahrts-Or-ganisation (IMO) sollen unter dem Schutz der Genfer Abkommen von 1949 und des Protokolls stehende Wasserfahrzeuge ein oder mehrere blaue Blinklichter aufweisen, die nach allen Seiten sichtbar sind.

3. Sanitätsfahrzeuge sollen ein oder mehrere blaue Blinklichter aufweisen,die möglichst weithin sichtbar sind. Die Hohen Vertragsparteien und ins-besondere die am Konflikt beteiligten Parteien, die andersfarbige Lichter verwenden, sollen dies notifizieren.

4. Die empfohlene blaue Farbe erhält man, wenn sich ihre Farbwerte in-nerhalb der Grenzen der Normfarb-tafel der internationalen Beleuch-tungskommission (IBK) bewegen, die durch folgende Gleichungen defi-niert werden:Grenze der grünen Farbe

y = 0,065 + 0,805 xGrenze der weißen Farbe

y = 0,400 – x

4. Das im Kampfgebiet tätige Sanitäts- und Seelsorgepersonal hat nach Möglichkeit eine mit dem Schutzzei-chen versehene Kopfbedeckung undKleidung zu tragen.

Kapitel IIIErkennungssignale

Artikel 6Verwendung

1. Alle in diesem Kapitel beschriebenen Erkennungssignale dürfen von Sani-tätseinheiten und -transportmitteln verwendet werden.

2. Diese ausschließlich Sanitätseinhei-ten und -transportmitteln zur Verfü-gung stehenden Signale dürfen nicht für andere Zwecke verwendet wer-den, wobei die Verwendung des Lichtsignals vorbehalten bleibt (siehe Absatz 3).

3. Wurde zwischen den am Konflikt be-teiligten Parteien keine besondere Vereinbarung getroffen, wonach blaue Blinklichter nur zur Kennzeich-nung von Sanitätsfahrzeugen, Sani-tätsschiffen und sonstigen Sanitäts-wasserfahrzeugen verwendet wer-den dürfen, so ist die Verwendung dieser Signale durch andere Fahr-zeuge, Schiffe und sonstige Wasser-fahrzeuge nicht verboten.

4. Nichtständige Sanitätsluftfahrzeuge, die aus Zeitmangel oder wegen ihrer Beschaffenheit nicht mit dem Schutz-zeichen versehen werden können, dürfen die in diesem Kapitel zugelas-senen Erkennungssignale verwenden.

238 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 238

Grenze der purpurroten Farbex = 0,133 + 0,600 y

Das blaue Blinklicht soll sechzig bis hundert Lichtblitze in der Minute ausstrahlen.

Artikel 8Funksignal

1. Das Funksignal besteht aus dem Dringlichkeitszeichen und dem Er-kennungssignal, wie sie in der Voll-zugsordnung für den Funkdienst der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) (Artikel 40 und N 40 der VO Funk) beschrieben werden.

2. Der Funkspruch, dem das Dringlich-keitszeichen und das Erkennungs-signal nach Absatz 1 vorangehen, ist in englischer Sprache in angemesse-nen Zeitabständen auf einer oder mehreren für diesen Zweck in der Vollzugsordnung für den Funkdienst festgelegten Frequenzen durchzuge-ben und umfaßt folgende Angaben in bezug auf die betroffenen Sani-tätstransportmittel:a) Rufzeichen oder eine andere

anerkannte Angabe zur Kenn-zeichnung;

b) Standort;c) Anzahl und Art der Fahrzeuge;d) vorgesehener Weg;e) voraussichtliche Fahr- oder Flug-

zeit bzw. Abfahrts- oder Abflugs- und Ankunftszeit;

f) sonstige Angaben wie Flughöhe, Funkwachfrequenz, verwendete Sprachen sowie Modus und Codes der Rundsicht-Sekundär-radarsysteme.

3. Um den Nachrichtenverkehr nach den Absätzen 1 und 2 sowie den in den Artikeln 22, 23 und 25 bis 31 des Protokolls erwähnten Nachrich-

239

tenverkehr zu erleichtern, können dieHohen Vertragsparteien oder einzel-ne oder alle an einem Konflikt betei-ligten Parteien gemeinsam oder ein-zeln die inländischen Frequenzen, die sie für diesen Nachrichtenverkehrwählen, nach dem Frequenzbereichs-plan, der in der Vollzugsordnung für den Funkdienst im Anhang zum In-ternationalen Fernmeldevertrag ent-halten ist, festlegen und veröffent-lichen. Diese Frequenzen werden der Internationalen Fernmeldeunion nach dem von einer weltweiten Funkverwaltungskonferenz gebillig-ten Verfahren notifiziert.

Artikel 9Elektronische Kennzeichnung

1. Das Rundsicht-Sekundärradarsystem(SSR), das im jeweils gültigen An-hang 10 des am 7. Dezember 1944 in Chicago geschlossenen Abkom-mens über die Internationale Zivil-luftfahrt im einzelnen angegeben ist, kann verwendet werden, um den Kurs eines Sanitätsluftfahrzeugs fest-zustellen und zu verfolgen. Modus und Code des zur alleinigen Benut-zung durch Sanitätsluftfahrzeuge bestimmten SSRSystems werden von den Hohen Vertragsparteien oder einzelnen oder allen an einem Konflikt beteiligten Parteien gemein-sam oder einzeln in Übereinstim-mung mit den von der Internationa-len Zivilluftfahrt-Organisation zu em-pfehlenden Verfahren festgelegt.

2. Geschützte Sanitransportmittel kön-nen zu Ihrer Kennzeichnung und Ortung genormte Radartransponder für die Luftfahrt und/oder Radartrans-ponder für die Suche und Rettung auf See verwenden. Geschützte

I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 239

Sanitätstransportmittel sollen von anderen Wasser- oder Luftfahrzeu-gen, die mit einem Rundsicht-Se-kundärradarsystem ausgerüstet sind, mit Hilfe eines Codes erkannt werden können, der von einem an den Sanitätstransportmitteln ange-brachten Radartransponder, zum Beispiel im Modus 3/A, gesendet wird. Der von dem an dem Sanitäts-transportmittel angebrachten Trans-ponder gesendete Code soll diesem Transportmittel von den zuständigen Behörden zugewiesen und allen am Konflikt beteiligten Parteien notifiziert werden.

3. Sanitätstransportmittel sollen von Unterseebooten an den geeigneten akustischen Unterwassersignalen erkannt werden können, die von den Sanitätstransportmitteln gesendet werden. Das akustische Unterwas-sersignal besteht aus dem Rufzei-chen (oder einer anderen anerkann-ten Angabe zur Kennzeichnung von Sanitätstransportmitteln) des Schiffes,dem die auf einer geeigneten akusti-schen Frequenz, zum Beispiel 5 kHz,mit Hilfe des Morsecodes einmal zu sendende Gruppe YYY vorangeht. Die an einem Konflikt beteiligten Parteien, die das oben beschriebene akustische Unterwassersignal zur Kennzeichnung zu verwenden wün-schen, teilen den betroffenen Par-teien das Signal so bald wie möglich mit und bestätigen die zu verwen-dende Frequenz, wenn sie den Ein-satz ihrer Lazarettschiffe ankündigen.

4. Die an einem Konflikt beteiligten Par-teien können durch besondere Ver-einbarung ein von ihnen anzuwen-dendes ähnliches elektronisches System zur Kennzeichnung von

Sanitätsfahrzeugen, Sanitätsschiffen und sonstigen Sanitätswasserfahr-zeugen festlegen.

Kapitel IV Nachrichtenverkehr

Artikel 10Funkverkehr

1. Das Dringlichkeitszeichen und das Erkennungssignal nach Artikel 8 können bei Anwendung der nach den Artikeln 22, 23 und 25 bis 31 des Protokolls durchgeführten Ver-fahren vor dem entsprechenden Funkverkehr der Sanitätseinheiten und -transportmittel gesendet wer-den.

2. Die in den Artikeln 40 (Abschnitt II Nr. 3209) und N 40 (Abschnitt II Nr. 3214) der Vollzugsordnung für den Funkdienst der ITU genannten Sani-tätstransportmittel können ihren Nachrichtenverkehr auch über Sa-tellitensysteme im Einklang mit den Artikeln 37, N 37 und 59 der Voll-zugsordnung für den Funkdienst der ITU betreffend die mobilen Funk-dienste über Satelliten abwickeln.

Artikel 11Benutzung internationaler Codes

Sanitätseinheiten und -transportmittelkönnen auch die von der InternationalenFernmeldeunion, der InternationalenZivilluftfahrt-Organisation und derInternationalen Seeschiffahrts-Organi-sation festgelegten Codes und Signalebenutzen. Diese Codes und Signale sindnach Maßgabe der von diesen Orga-nisationen festgelegten Normen, Prak-tiken und Verfahren zu benutzen.

240 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 240

Artikel 12Andere Nachrichtenmittel

Ist kein zweiseitiger Funkverkehr mög-lich, so können die Signale verwendetwerden, die in dem von der Inter-nationalen Seeschiffahrts-Organisationangenommenen Internationalen Signal-buch oder in dem jeweils gültigen ein-schlägigen Anhang des am 7. Dezem-ber 1944 in Chicago geschlossenenAbkommens über die InternationaleZivilluftfahrt vorgesehen sind.

Artikel 13Flugpläne

Die Vereinbarungen und Mitteilungenüber Flugpläne nach Artikel 29 desProtokolls sind soweit wie möglich inÜbereinstimmung mit den von derInternationalen Zivilluftfahrt-Organisationfestgelegten Verfahren abzufassen.

Artikel 14 Signale und Verfahren zur Ansteuerung

von SanitätsluftfahrzeugenWird ein Luftfahrzeug eingesetzt, um

ein im Flug befindliches Sanitätsluft-fahrzeug zu identifizieren oder inAnwendung der Artikel 30 und 31 desProtokolls zur Landung aufzufordern, sosollen die in dem jeweils gültigenAnhang 2 des am 7. Dezember 1944 inChicago geschlossenen Abkommensüber die Internationale Zivilluftfahrt vor-geschriebenen Standardverfahren fürdie Ansteuerung nach Sicht und Funk-anweisungen von dem ansteuerndenLuftfahrzeug und dem Sanitätsluft-fahrzeug benutzt werden.

241

Kapitel V Zivilschutz

Artikel 15Ausweis

1. Der Ausweis des in Artikel 66 Absatz3 des Protokolls bezeichneten Zivil-schutzpersonals richtet sich nach den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 2 dieser Vorschriften.

2. Der Ausweis des Zivilschutzperso-nals kann dem Muster in Abbildung 3 entsprechen.

3. Ist das Zivilschutzpersonal befugt, leichte Handfeuerwaffen zu tragen, so soll dies auf dem Ausweis ver-merkt werden.

Abbildung 3Muster eines Ausweises für das

Zivilschutzpersonal(Format: 74 mm x 105 mm)

Vorderseite

I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 241

Artikel 16Internationales Schutzzeichen

1. Das in Artikel 66 Absatz 4 des Pro-tokolls vorgesehene internationale Schutzzeichen des Zivilschutzes ist ein gleichseitiges blaues Dreieck auf orangefarbenem Grund. Es ent-spricht dem Muster in Abbildung 4:

b) daß eine Spitze des Dreiecks senkrecht nach oben zeigt,

c) daß keine Spitze des Dreiecks bis zum Rand des orangefarbe-nen Grundes reicht.

3. Das internationale Schutzzeichen muß eine den Umständen angemes-sene Größe besitzen. Das Zeichen wird nach Möglichkeit auf einer glat-ten Fläche oder auf Fahnen ange-bracht, die nach möglichst allen Seiten und möglichst weithin sicht-bar sind. Vorbehaltlich der Anwei-sungen der Zuständigen Behörde hat das Zivilschutzpersonal nach Möglichkeit eine mit dem internatio-nalen Schutzzeichen versehene Kopfbedeckung und Kleidung zu tra-gen. Bei Nacht oder bei beschränk-ter Sicht kann das Zeichen erleuch-tet sein oder angestrahlt werden; es kann auch aus Material bestehen, das seine Erkennung durch techni-sche Hilfsmittel ermöglicht.

Kapitel VI Anlagen und Einrichtungen,

die gefährliche Kräfte enthalten

Artikel 17Internationales besonderes

Kennzeichen1. Das in Artikel 56 Absatz 7 des Pro-

tokolls vorgesehene internationale besondere Kennzeichen für Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten, besteht aus einer Gruppe von drei gleich großen, in einer Linie angeordneten, leuchtend orangefarbenen Kreisen, wobei ge-mäß Abbildung 5 der Abstand zwi-schen den Kreisen dem Radius ent-spricht.

242 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Rückseite

Abbildung 4Internationales Schutzzeichen

des Zivilschutzes

2. Es wird empfohlen,a) daß, wenn sich das blaue Drei-

eck auf einer Fahne, einer Arm-binde oder einer Brust- bzw. Rückenmarkierung befindet, diese den orangefarbenen Grund bilden.

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 242

2. Das Kennzeichen muß eine den Umständen angemessene Größe besitzen. Wird das Kennzeichen auf einer großen Fläche angebracht, so kann es so oft wiederholt werden, wie es den Umständen angemes-sen ist. Es wird nach Möglichkeit auf einer glatten Fläche oder auf Fahnen angebracht, um nach möglichst allen Seiten und möglichst weithin sicht-bar zu sein.

3. Auf einer Fahne entspricht der Ab-stand zwischen dem äußeren Rand des Zeichens und den angrenzen-den Rändern der Fahne dem Radius eines Kreises. Die Fahne ist recht-eckig und hat einen weißen Grund.

4. Bei Nacht oder bei beschränkter Sicht kann das Kennzeichen erleuch-tet sein oder angestrahlt werden. Es kann auch aus Material bestehen, das seine Erkennung durch techni-sche Hilfsmittel ermöglicht.

243

Abbildung 5Internationales besonderes Kenn-

zeichen für Anlagen und Einrichtungen,die gefährliche Kräfte enthalten

ANHANG IIAusweis für Journalisten in gefähr-

lichem beruflichem AuftragAußenseite des Ausweises

Innenseite des Ausweises

I. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 243

244 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 244

Artikel 15 Schutz von Anlagen und Einrichtungen, die gefähr-liche Kräfte enthalten

Artikel 16 Schutz von Kulturgut und Kultstätten

Artikel 17 Verbot von Zwangs-verlegungen

Artikel 18 Hilfsgesellschaften und Hilfsaktionen

Teil V SchlussbestimmungenArtikel 19 VerbreitungArtikel 20 UnterzeichnungArtikel 21 RatifikationArtikel 22 BeitrittArtikel 23 InkrafttretenArtikel 24 ÄnderungArtikel 25 KündigungArtikel 26 NotifikationenArtikel 27 RegistrierungArtikel 28 Authentische Texte

245II. Zusatzprotokoll

Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu denGenfer Abkommen vom 12. August 1949über den Schutz der Opfer nicht internatio-naler bewaffneter Konflikte (Protokoll II)[II. Zusatzprotokoll von 1977]1

1 BGBl. 1990 II S. 1550, BGBl. 1990 II S. 1637. – Am 7. Dezember 1978 – für die Bundesrepublik Deutsch-land am 14. August 1991 – in Kraft getreten.

Präambel

Teil I Geltungsbereich dieses Protokolls

Artikel 1 Sachlicher Anwendungs-bereich

Artikel 2 Persönlicher Anwen-dungsbereich

Artikel 3 NichteinmischungTeil II Menschliche

BehandlungArtikel 4 Grundlegende GarantienArtikel 5 Personen, denen die

Freiheit entzogen istArtikel 6 StrafverfolgungTeil III Verwundete, Kranke

und SchiffbrüchigeArtikel 7 Schutz und PflegeArtikel 8 SucheArtikel 9 Schutz des Sanitäts- und

SeelsorgepersonalsArtikel 10 Allgemeiner Schutz der

ärztlichen AufgabeArtikel 11 Schutz von Sanitätsein-

heitenArtikel 12 SchutzzeichenTeil IV ZivilbevölkerungArtikel 13 Schutz der Zivilbevöl-

kerungArtikel 14 Schutz der für die Zivil-

bevölkerung lebensnot-wendigen Objekte

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 245

PräambelDie Hohen Vertragsparteien –

eingedenk dessen, daß die humanitä-ren Grundsätze, die in dem den GenferAbkommen vom 12. August 1949 ge-meinsamen Artikel 3 niedergelegt sind,die Grundlage für die Achtung dermenschlichen Person im Fall eines nichtinternationalen bewaffneten Konfliktsdarstellen,

sowie eingedenk dessen, daß die inter-nationalen Übereinkünfte über die Men-schenrechte der menschlichen Personeinen grundlegenden Schutz bieten,

unter Betonung der Notwendigkeit,den Opfern dieser bewaffneten Konflikteeinen besseren Schutz zu sichern,

eingedenk dessen, daß die menschli-che Person in den vom geltenden Rechtnicht erfaßten Fällen unter dem Schutzder Grundsätze der Menschlichkeit undder Forderungen des öffentlichen Ge-wissens verbleibt –

sind wie folgt übereingekommen:

Teil I Geltungsbereich dieses

Protokolls

Artikel 1Sachlicher Anwendungsbereich

1. Dieses Protokoll, das den den Gen-fer Abkommen vom 12. August 1949gemeinsamen Artikel 3 weiterent-wickelt und ergänzt, ohne die beste-henden Voraussetzungen für seine Anwendung zu ändern, findet auf alle bewaffneten Konflikte Anwen-dung, die von Artikel 1 des Zusatz-protokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler be-waffneter Konflikte (Protokoll I) nicht

erfaßt sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organi-sierten bewaffneten Gruppen statt-finden, die unter einer verantwort-lichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, daß sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden ver-mögen.

2. Dieses Protokoll findet nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen Anwendung, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten.

Artikel 2Persönlicher Anwendungsbereich

1. Dieses Protokoll findet ohne jede auf Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion oder Glauben, politischen oder sonstigen Anschau-ungen, nationaler oder sozialer Her-kunft, Vermögen, Geburt oder son-stiger Stellung oder auf irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungs-merkmal beruhende nachteilige Unterscheidung (im folgenden als „nachteilige Unterscheidung“ be-zeichnet) auf alle Personen Anwen-dung, die von einem bewaffneten Konflikt im Sinne des Artikels 1 be-troffen sind.

2. Mit Beendigung des bewaffneten Konflikts genießen alle Personen, die aus Gründen im Zusammenhang mit dem Konflikt einem Entzug oder einer Beschränkung ihrer Freiheit unterworfen waren, sowie alle Per-sonen, die nach dem Konflikt aus

246 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 246

den gleichen Gründen derartigen Maßnahmen unterworfen sind, bis zu deren Beendigung den Schutz nach den Artikeln 5 und 6.

Artikel 3Nichteinmischung

1. Dieses Protokoll darf nicht zur Be-einträchtigung der Souveränität eines Staates oder der Verantwor-tung der Regierung herangezogen werden, mit allen rechtmäßigen Mitteln die öffentliche Ordnung im Staat aufrechtzuerhalten oder wie-derherzustellen oder die nationale Einheit und territoriale Unversehrtheit des Staates zu verteidigen.

2. Dieses Protokoll darf nicht zur Recht-fertigung einer wie immer begründe-ten unmittelbaren oder mittelbaren Einmischung in den bewaffneten Konflikt oder in die inneren oder äußeren Angelegenheiten der Hohen Vertragspartei herangezogen wer-den, in deren Hoheitsgebiet dieser Konflikt stattfindet.

Teil II MenschlicheBehandlung

Artikel 4Grundlegende Garantien

1. Alle Personen, die nicht unmittelbar oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen, haben, gleichviel ob ihnen die Freiheit entzogen ist oder nicht, Anspruch auf Achtung ihrer Person, ihrer Ehre, ihrer Überzeu-gungen und ihrer religiösen Gepflo-genheiten. Sie werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit und ohne jede nachteilige Unterschei-

dung behandelt. Es ist verboten, denBefehl zu erteilen, niemanden am Leben zu lassen.

2. Unbeschadet der allgemeinen Gül-tigkeit der vorstehenden Bestimmun-gen sind und bleiben in bezug auf die in Absatz 1 genannten Personen jederzeit und überall verbotena) Angriffe auf das Leben, die Ge-

sundheit und das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, insbesondere vorsätz-liche Tötung und grausame Be-handlung wie Folter, Verstümme-lung oder jede Art von körper-licher Züchtigung;

b) Kollektivstrafen;c) Geiselnahme;d) terroristische Handlungen;e) Beeinträchtigung der persön-

lichen Würde, insbesondere ent-würdigende und erniedrigende Behandlung, Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und unzüchtige Handlungen jeder Art;

f) Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen;

g) Plünderung; h) die Androhung einer dieser

Handlungen.3. Kindern wird die Pflege und Hilfe

zuteil, deren sie bedürfen, insbeson-derea) erhalten sie die Erziehung, ein-

schließlich der religiösen und sitt-lichen Erziehung, die den Wün-schen ihrer Eltern oder – bei deren Fehlen – der Personen ent-spricht, die für sie zu sorgen haben;

b) werden alle geeigneten Maßnah-men getroffen, um die Zusam-menführung von vorübergehend getrennten Familien zu erleichtern;

247II. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 247

c) dürfen Kinder unter fünfzehn Jahren weder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingeglie-dert werden, noch darf ihnen die Teilnahme an Feindseligkeiten erlaubt werden;

d) gilt der in diesem Artikel für Kin-der unter fünfzehn Jahren vorge-sehene besondere Schutz auch dann für sie, wenn sie trotz der Bestimmungen des Buchstabens c unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen und gefangengenom-men werden;

e) werden bei Bedarf Maßnahmen getroffen – nach Möglichkeit mit Zustimmung der Eltern oder der Personen, die nach Gesetz oder Brauch in erster Linie für die Kin-der zu sorgen haben –‚ um diese vorübergehend aus dem Gebiet, in dem Feindseligkeiten stattfin-den in ein sichereres Gebiet des Landes zu evakuieren und ihnen die für ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen verantwortlichen Personen mitzugeben.

Artikel 5Personen, denen die Freiheit

entzogen ist1. Außer den Bestimmungen des Ar-

tikels 4 werden mindestens folgende Bestimmungen in bezug auf Per-sonen befolgt, denen aus Gründen im Zusammenhang mit dem bewaff-neten Konflikt die Freiheit entzogen ist, gleichviel ob sie interniert oder in Haft gehalten sind:a) Verwundete und Kranke werden nach Maßgabe des Artikels 7 behan-delt;b) die in diesem Absatz genannten

Personen werden im gleichen

Umfang wie die örtliche Zivilbe-völkerung mit Lebensmitteln und Trinkwasser versorgt; ihnen wer-den Gesundheitsfürsorge und Hygiene sowie Schutz vor den Unbilden der Witterung und den Gefahren des bewaffneten Kon-flikts gewährleistet;

c) sie sind befugt, Einzel- oder Sammelhilfe zu erhalten;

d) sie dürfen ihre Religion ausüben und auf Wunsch und soweit an-gemessen geistlichen Beistand von Personen empfangen, die seelsorgerisch tätig sind, wie zum Beispiel von Feldgeistlichen;

e) falls sie zur Arbeit herangezogen werden, haben sie Anspruch auf vergleichbare Arbeitsbedingun-gen und Sicherheitsvorkehrungen wie die örtliche Zivilbevölkerung.

2. Die für die Internierung oder Haft derin Absatz 1 genannten Personen Verantwortlichen befolgen im Rah-men ihrer Möglichkeiten nachstehen-de Bestimmungen in bezug auf diese Personen:a) außer in Fällen, in denen Männer

und Frauen derselben Familie zusammen untergebracht sind, werden Frauen in Räumlichkeiten untergebracht, die von denen der Männer getrennt sind, und unter-stehen der unmittelbaren Über-wachung durch Frauen;

b) sie sind befugt, Briefe und Post-karten abzuschicken und zu em-pfangen; deren Anzahl kann von der zuständigen Behörde be-schränkt werden, wenn sie es fürerforderlich hält;

c) die Orte der Internierung und Haft dürfen nicht in der Nähe der Kampfzone liegen. Werden sie

248 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 248

den aus dem bewaffneten Kon-flikt erwachsenden Gefahren besonders stark ausgesetzt, so werden die in Absatz 1 genann-ten Personen evakuiert, sofern ihre Sicherheit dabei ausreichend gewährleistet werden kann;

d) es ist ihnen Gelegenheit zu ge-ben, sich ärztlich untersuchen zu lassen;

e) ihre körperliche oder geistige Gesundheit und Unversehrtheit dürfen durch keine ungerechtfer-tigte Handlung oder Unterlassung gefährdet werden. Es ist daher verboten, die in diesem Artikel genannten Personen einem medizinischen Verfahren zu un-terziehen, das nicht durch ihren Gesundheitszustand geboten ist und das nicht mit den allgemein anerkannten und unter entspre-chenden medizinischen Umstän-den auf freie Personen ange-wandten medizinischen Grund-sätzen im Einklang steht.

3. Personen, die von Absatz 1 nicht erfaßt sind, deren Freiheit jedoch ausGründen im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in irgend-einer Weise eingeschränkt ist, wer-den nach Artikel 4 sowie nach Ab-satz 1 Buchstabe a, c und d und Absatz 2 Buchstabe b des vorlie-genden Artikels mit Menschlichkeit behandelt.

4. Wird beschlossen, Personen freizu-lassen, denen die Freiheit entzogen wurde, so treffen diejenigen, die den entsprechenden Beschluß fassen, die notwendigen Maßnahmen, um die Sicherheit dieser Personen zu gewährleisten.

Artikel 6Strafverfolgung

1. Dieser Artikel findet auf die Verfol-gung und Bestrafung solcher Straf-taten Anwendung, die mit dem bewaffneten Konflikt im Zusammen-hang stehen.

2. Gegen eine Person, die für schuldig befunden wurde, eine Straftat began-gen zu haben, darf eine Verurteilung nur in einem Urteil ausgesprochen und nur auf Grund eines Urteils eine Strafe vollstreckt werden; dieses Urteil muß von einem Gericht gefällt werden, das die wesentlichen Ga-rantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aufweist. Insbeson-dere gilt folgendes:a) Das Verfahren sieht vor, daß der

Beschuldigte unverzüglich über Einzelheiten der ihm zur Last gelegten Straftat unterrichtet wer-den muß, und gewährt ihm wäh-rend der Hauptverhandlung und davor alle zu seiner Verteidigung erforderlichen Rechte und Mittel;

b) niemand darf wegen einer Straf-tat verurteilt werden, für die er nicht selbst strafrechtlich verant-wortlich ist;

c) niemand darf wegen einer Hand-lung oder Unterlassung verurteilt werden, die nach dem zur Zeit ihrer Begehung geltenden Recht nicht strafbar war; ebenso darf keine schwerere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der Straftat angedrohte verhängt werden; wird nach Begehung der Straftat durch Gesetz eine milde-re Strafe eingeführt, so kommt dies dem Täter zugute;

d) bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß

249II. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 249

der wegen einer Straftat Ange-klagte unschuldig ist;

e) jeder wegen einer Straftat Ange-klagte hat das Recht, bei der Hauptverhandlung anwesend zu sein;

f) niemand darf gezwungen wer-den, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen.

3. Jeder Verurteilte wird bei seiner Verurteilung über sein Recht, ge-richtliche und andere Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe einzulegen, sowie über die hierfür festgesetzten Fristen unterrichtet.

4. Die Todesstrafe darf nicht gegen Personen ausgesprochen werden, die bei Begehung der Straftat noch nicht achtzehn Jahre alt waren; sie darf nicht an schwangeren Frauen und Müttern kleiner Kinder voll-streckt werden.

5. Bei Beendigung der Feindseligkeiten bemühen sich die an der Macht be-findlichen Stellen, denjenigen Perso-nen, eine möglichst weitgehende Amnestie zu gewähren, die am be-waffneten Konflikt teilgenommen haben oder denen aus Gründen im Zusammenhang mit dem Konflikt die Freiheit entzogen wurde, gleichviel ob sie interniert oder in Haft gehaltensind.

Teil III Verwundete, Kranke und

Schiffbrüchige

Artikel 7Schutz und Pflege

1. Alle Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen werden geschont

und geschützt, gleichviel ob sie am bewaffneten Konflikt teilgenommen haben oder nicht.

2. Sie werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt und erhalten so umfassend und so schnell wie möglich die für ihren Zu-stand erforderliche medizinische Pflege und Betreuung. Aus anderen als medizinischen Gründen darf kein Unterschied zwischen ihnen ge-macht werden.

Artikel 8Suche

Sobald die Umstände es zulassen, ins-besondere aber nach einem Gefecht,werden unverzüglich alle durchführbarenMaßnahmen getroffen, um die Verwun-deten, Kranken und Schiffbrüchigen zusuchen und zu bergen, sie vor Plün-derung und Mißhandlung zu schützenund für ihre angemessene Pflege zu sor-gen sowie um die Toten zu suchen, ihreBeraubung zu verhindern und sie würdigzu bestatten.

Artikel 9Schutz des Sanitäts- und

Seelsorgepersonals1. Das Sanitäts- und Seelsorgeperso-

nal wird geschont und geschützt und erhält alle verfügbare Hilfe zur Wahrnehmung seiner Aufgaben. Es darf nicht gezwungen werden, Auf-gaben zu übernehmen, die mit sei-nem humanitären Auftrag unverein-bar sind.

2. Vom Sanitätspersonal darf nicht ver-langt werden, bei der Wahrnehmungseiner Aufgaben bestimmte Perso-nen aus anderen als medizinischen Gründen zu bevorzugen.

250 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 250

Artikel 10Allgemeiner Schutz der ärztlichen

Aufgabe1. Niemand darf bestraft werden, weil

er eine ärztliche Tätigkeit ausgeübt hat, die mit dem ärztlichen Ehren-kodex im Einklang steht, gleichviel unter welchen Umständen und zu wessen Nutzen sie ausgeübt worden ist.

2. Wer eine ärztliche Tätigkeit ausübt, darf nicht gezwungen werden, Hand-lungen vorzunehmen oder Arbeiten zu verrichten, die mit den Regeln des ärztlichen Ehrenkodexes, mit sonstigen dem Wohl der Verwunde-ten und Kranken dienenden Regeln oder mit den Bestimmungen dieses Protokolls unvereinbar sind, oder Handlungen zu unterlassen, die auf Grund dieser Regeln oder Bestim-mungen geboten sind.

3. Die Standespflichten der ärztliche Tätigkeiten ausübenden Personen hinsichtlich der Auskünfte, die sie möglicherweise über von ihnen be-treute Verwundete und Kranke erhal-ten, müssen vorbehaltlich des inner-staatlichen Rechts beachtet werden.

4. Vorbehaltlich des innerstaatlichen Rechts darf niemand, der eine ärztli-che Tätigkeit ausübt, in irgendeiner Weise bestraft werden, weil er sich weigert oder es unterläßt, Auskunft über Verwundete und Kranke zu ge-ben, die er betreut oder betreut hat.

Artikel 11Schutz von Sanitätseinheiten

und -transportmitteln1. Sanitätseinheiten und -transportmit-

tel werden jederzeit geschont und geschützt und dürfen nicht angegrif-fen werden.

2. Der Sanitätseinheiten und -trans-portmitteln gebührende Schutz darf nur dann enden, wenn diese außer-halb ihrer humanitären Bestimmung zu feindlichen Handlungen verwen-det werden. Jedoch endet der Schutzerst, nachdem eine Warnung, die möglichst eine angemessene Frist setzt, unbeachtet geblieben ist.

Artikel 12Schutzzeichen

Unter Aufsicht der betreffenden zu-ständigen Behörde führen Sanitäts- undSeelsorgepersonal sowie Sanitätsein-heiten und -transportmittel das Schutz-zeichen des roten Kreuzes, des rotenHalbmonds oder des roten Löwen mitroter Sonne auf weißem Grund. Es istunter allen Umständen zu achten. Esdarf nicht mißbräuchlich verwendet wer-den.

Teil IV Zivilbevölkerung

Artikel 13Schutz der Zivilbevölkerung

1. Die Zivilbevölkerung und einzelne Zivilpersonen genießen allgemeinen Schutz vor den von Kampfhandlun-gen ausgehenden Gefahren. Um diesem Schutz Wirksamkeit zu ver-leihen, sind folgende Vorschriften unter allen Umständen zu beachten.

2. Weder die Zivilbevölkerung als sol-che noch einzelne Zivilpersonen dür-fen das Ziel von Angriffen sein. Die Anwendung oder Androhung von Gewalt mit dem hauptsächlichen Ziel, Schrecken unter der Zivilbevöl-kerung zu verbreiten, ist verboten.

3. Zivilpersonen genießen den durch diesen Teil gewährten Schutz, sofern

251II. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 251

und solange sie nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen.

Artikel 14Schutz der für die Zivilbevölkerung

lebensnotwendigen ObjekteDas Aushungern von Zivilpersonen als

Mittel der Kriegführung ist verboten. Esist daher verboten, für die Zivilbevöl-kerung lebensnotwendige Objekte wieNahrungsmittel, zur Erzeugung vonNahrungsmitteln genutzte landwirt-schaftliche Gebiete, Ernte- und Vieh-bestände, Trinkwasserversorgungsanla-gen und -vorräte sowie Bewässerungs-anlagen zu diesem Zweck anzugreifen,zu zerstören, zu entfernen oder un-brauchbar zu machen.

Artikel 15Schutz von Anlagen und Einrichtungen,

die gefährliche Kräfte enthaltenAnlagen oder Einrichtungen, die ge-

fährliche Kräfte enthalten, nämlich Stau-dämme, Deiche und Kernkraftwerke,dürfen auch dann nicht angegriffen wer-den, wenn sie militärische Ziele darstel-len, sofern ein solcher Angriff gefährlicheKräfte freisetzen und dadurch schwereVerluste unter der Zivilbevölkerung ver-ursachen kann.

Artikel 16Schutz von Kulturgut und KultstättenUnbeschadet der Bestimmungen der

Haager Konvention vom 14. Mai 1954zum Schutz von Kulturgut bei bewaffne-ten Konflikten ist es verboten, feindseli-ge Handlungen gegen geschichtlicheDenkmäler, Kunstwerke oder Kultstättenzu begehen, die zum kulturellen odergeistigen Erbe der Völker gehören, undsie zur Unterstützung des militärischenEinsatzes zu verwenden.

Artikel 17Verbot von Zwangsverlegungen

1. Die Verlegung der Zivilbevölkerung darf nicht aus Gründen im Zusam-menhang mit dem Konflikt angeord-net werden, sofern dies nicht im Hinblick auf die Sicherheit der betref-fenden Zivilpersonen oder aus zwin-genden militärischen Gründen gebo-ten ist. Muß eine solche Verlegung vorgenommen werden, so sind alle durchführbaren Maßnahmen zu tref-fen, damit die Zivilbevölkerung am Aufnahmeort befriedigende Bedin-gungen in bezug auf Unterbringung, Hygiene, Gesundheit, Sicherheit und Ernährung vorfindet.

2. Zivilpersonen dürfen nicht gezwun-gen werden, ihr eigenes Gebiet aus Gründen zu verlassen, die mit dem Konflikt im Zusammenhang stehen.

Artikel 18Hilfsgesellschaften und Hilfsaktionen

1. Die im Hoheitsgebiet der Hohen Vertragspartei gelegenen Hilfsgesell-schaften, wie die Organisationen des Roten Kreuzes (Roten Halbmonds, Roten Löwen mit Roter Sonne) kön-nen ihre Dienste anbieten, um ihre herkömmlichen Aufgaben gegenüber den Opfern des bewaffneten Kon-flikts zu erfüllen. Die Zivilbevölkerung kann auch von sich aus ihre Bereit-schaft erklären, Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige zu bergen und zu pflegen.

2. Erleidet die Zivilbevölkerung übermä-ßige Entbehrungen infolge eines Mangels an lebensnotwendigen Ver-sorgungsgütern wie Lebensmitteln und Sanitätsmaterial, so sind mit Zu-stimmung der betroffenen Hohen Vertragspartei Hilfsaktionen rein

252 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 252

humanitärer unparteiischer Art zu-gunsten der Zivilbevölkerung ohne jede nachteilige Unterscheidung durchzuführen.

Teil V Schlussbestimmungen

Artikel 19Verbreitung

Dieses Protokoll wird so weit wie mög-lich verbreitet.

Artikel 20Unterzeichnung

Dieses Protokoll wird für die Ver-tragsparteien der Abkommen sechsMonate nach Unterzeichnung derSchlußakte zur Unterzeichnung aufge-legt; es liegt für einen Zeitabschnitt vonzwölf Monaten zur Unterzeichnung auf.

Artikel 21Ratifikation

Dieses Protokoll wird so bald wie mög-lich ratifiziert. Die Ratifikationsurkundenwerden beim Schweizerischen Bundes-rat, dem Verwahrer der Abkommen,hinterlegt.

Artikel 22Beitritt

Dieses Protokoll steht für jede Ver-tragspartei der Abkommen, die es nichtunterzeichnet hat, zum Beitritt offen. DieBeitrittsurkunden werden beim Ver-wahrer hinterlegt.

Artikel 23Inkrafttreten

1. Dieses Protokoll tritt sechs Monate nach der Hinterlegung von zwei Ra-tifikations- und Beitrittsurkunden in Kraft.

2. Für jede Vertragspartei der Abkom-men, die zu einem späteren Zeit-punkt dieses Protokoll ratifiziert oder ihm beitritt, tritt es sechs Monate nach Hinterlegung ihrer eigenen Ra-tifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

Artikel 24Änderung

1. Jede Hohe Vertragspartei kann Änderungen dieses Protokolls vor-schlagen. Der Wortlaut jedes Ände-rungsvorschlags wird dem Verwahrermitgeteilt; dieser beschließt nach Konsultierung aller Hohen Vertrags-parteien und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, ob eine Konferenz zur Prüfung des Ände-rungsvorschlags einberufen werden soll.

2. Der Verwahrer lädt zu dieser Kon-ferenz alle Hohen Vertragsparteien sowie die Vertragsparteien der Ab-kommen ein, gleichviel ob sie dieses Protokoll unterzeichnet haben oder nicht.

Artikel 25Kündigung

1. Kündigt eine Hohe Vertragspartei dieses Protokoll, so wird die Kün-digung erst sechs Monate nach Eingang der Kündigungsurkunde wirksam. Ist jedoch bei Ablauf der sechs Monate für die kündigende Partei die in Artikel 1 genannte Si-tuation eingetreten, so wird die Kün-digung erst bei Beendigung des bewaffneten Konflikts wirksam. Per-sonen, die aus Gründen im Zusam-menhang mit dem Konflikt einem Freiheitsentzug oder einer Freiheits-beschränkung unterworfen waren,

253II. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 253

genießen jedoch bis zu ihrer endgül-tigen Freilassung weiterhin den Schutz dieses Protokolls.

2. Die Kündigung wird dem Verwahrer schriftlich notifiziert; dieser übermit-telt sie allen Hohen Vertragsparteien.

Artikel 26Notifikationen

Der Verwahrer unterrichtet die HohenVertragsparteien sowie die Vertragspar-teien der Abkommen, gleichviel ob siedieses Protokoll unterzeichnet habenoder nicht,a) von den Unterzeichnungen dieses

Protokolls und der Hinterlegung von Ratifikations- und Beitrittsurkunden nach den Artikeln 21 und 22,

b) vom Zeitpunkt des Inkrafttretens die-ses Protokolls nach Artikel 23 und c) von den nach Artikel 24 eingegange-nen Mitteilungen und Erklärungen.

Artikel 27Registrierung

1. Nach seinem Inkrafttreten wird die-ses Protokoll vom Verwahrer dem Sekretariat der Vereinten Nationen zur Registrierung und Veröffentli-chung gemäß Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen übermittelt.

2. Der Verwahrer setzt das Sekretariat der Vereinten Nationen auch von allen Ratifikationen und Beitritten in Kenntnis, die er in bezug auf dieses Protokoll erhält.

Artikel 28Authentische Texte

Die Urschrift dieses Protokolls, dessenarabischer, chinesischer, englischer,französischer, russischer und spani-scher Wortlaut gleichermaßen verbind-

lich ist, wird beim Verwahrer hinterlegt;dieser übermittelt allen Vertragsparteiender Abkommen beglaubigte Abschriften.

254 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 254

Präambel

Artikel 1 Einhaltung und Anwen-dungsbereich dieses Protokolls

Artikel 2 SchutzzeichenArtikel 3 Verwendung des

Zeichens des III. Proto-kolls zum Zweck der Bezeichnung

Artikel 4 Internationales Komitee vom Roten Kreuz und Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rot-halbmondgesellschaften

Artikel 5 Missionen unter dem Dach der Vereinten Nationen

Artikel 6 Verhinderung und Ahndung von Missbrauch

Artikel 7 V erbreitungArtikel 8 UnterzeichnungArtikel 9 RatifikationArtikel 10 Beitritt

Artikel 11 InkrafttretenArtikel 12 Vertragsbeziehungen

beim Inkrafttreten dieses Protokolls

Artikel 13 ÄnderungArtikel 14 KündigungArtikel 15 NotifikationenArtikel 16 RegistrierungArtikel 17 Verbindlicher Wortlaut

Anhang SchlussbestimmungenArtikel 1 SchutzzeichenArtikel 2 Verwendung des

Zeichens des III. Proto-kolls zum Zweck der Bezeichnung

255

Zusatzprotokoll vom 8. Dezember 2005 zuden Genfer Abkommen vom 12. August1949 über die Annahme eines zusätzlichenSchutzzeichens (Protokoll III)[III. Zusatzprotokoll von 2005]1

1 (1) Notifikation des Eidgenössischen Departments für auswärtige Angelegenheiten vom 4. Januar 2006 –P.242.512.0. – Am 14. Januar 2007 – nicht jedoch für die Bundesrepublik Deutschland – in Kraft getreten.

(2) Die amtliche deutsche Übersetzung ist mit den Außenministerien Österreichs und der Schweiz abge-stimmt. – Während Einzelfallabweichungen in Fußnoten gewiesen werden, enthält die nachfolgende Übersicht – ausgehend von der für Deutschland amtlichen Übersetzung – die regelmäßigen Begriffsunterschiede:

In der für Deutschland amtlichen deutsch- In den amtlichen Übersetzungen anderer deutsch-sprachigen Übersetzung verwendete Begriffe sprachiger Staaten verwendete BegriffeNur Artikel 1 Absatz 1:durchzusetzen [ebenso Schweiz] Österreich: sicherzustellenCharta (der Vereinten Nationen) [ebenso Schweiz] Österreich: Satzung (der Vereinten Nationen)Verwahrer [ebenso Österreich] Schweiz: Depositar

III. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 255

PräambelDie Hohen Vertragsparteien –

in Bekräftigung der Bestimmungen derGenfer Abkommen vom 12. August1949 (insbesondere der Artikel 26, 38,42 und 44 des I. Genfer Abkommens)und, soweit anwendbar, ihrer Zusatz-protokolle vom 8. Juni 1977 (insbeson-dere der Artikel 18 und 38 des Zu-satzprotokolls I und des Artikels 12 desZusatzprotokolls II), welche die Verwen-dung der Schutzzeichen betreffen,

in dem Wunsch, die genanntenBestimmungen zu ergänzen, um ihrenschützenden Wert und ihren universellenCharakter zu stärken,

in Anbetracht dessen, dass diesesProtokoll das anerkannte Recht derHohen Vertragsparteien nicht berührt,die Zeichen weiter zu verwenden, die siein Übereinstimmung mit ihren Verpflich-tungen aus den Genfer Abkommen und,soweit anwendbar, aus deren Zusatz-protokollen bereits verwenden,

eingedenk dessen, dass sich dieVerpflichtung zur Achtung der durch dieGenfer Abkommen und ihre Zusatz-protokolle geschützten Personen undObjekte aus dem Schutz ergibt, denihnen das Völkerrecht gewährt, undnicht von der Verwendung der Schutz-zeichen, Kennzeichen oder Erkennungs-signale abhängig ist,

unter Betonung der Tatsache, dassden Schutzzeichen keine religiöse, eth-nische, rassische, regionale oder politi-sche Bedeutung zukommen soll,

unter Hervorhebung der Notwendig-keit, die uneingeschränkte Einhaltungder Verpflichtungen zu gewährleisten,die mit den durch die Genfer Abkommenund, soweit anwendbar, ihre Zusatz-protokolle anerkannten Schutzzeichenverbunden sind,

eingedenk dessen, dass Artikel 44 desI. Genfer Abkommens zwischen derVerwendung der Schutzzeichen zumSchutz und ihrer Verwendung zurBezeichnung unterscheidet,

ferner eingedenk dessen, dass die na-tionalen Gesellschaften, die im Hoheits-gebiet eines anderen Staates tätig wer-den, sicherstellen müssen, dass dieZeichen, die sie im Rahmen dieserTätigkeit zu verwenden beabsichtigen,in dem Land, in dem die Tätigkeit statt-findet, und in dem Transitstaat oder denTransitstaaten verwendet werden dür-fen,

im Bewusstsein der Schwierigkeiten,welche die Verwendung der bestehen-den Schutzzeichen bestimmten Staatenund bestimmten nationalen Gesellschaf-ten bereiten kann,

in Anbetracht der Entschlossenheitdes Internationalen Komitees vomRoten Kreuz, der Internationalen Föde-ration der Rotkreuz- und Rothalbmond-gesellschaften sowie der InternationalenRotkreuz- und Rothalbmondbewegung,ihre gegenwärtigen Namen und Zeichenbeizubehalten –

sind wie folgt übereingekommen:

Artikel 1Einhaltung und Anwendungsbereich

dieses Protokolls1. Die Hohen Vertragsparteien ver-

pflichten sich, dieses Protokoll unter allen Umständen einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen.

2. Durch dieses Protokoll werden die Bestimmungen der vier Genfer Ab-kommen vom 12. August 1949 („Genfer Abkommen“) und, soweit anwendbar, ihrer beiden Zusatzpro-tokolle vom 8. Juni 1977 („Zusatz-protokolle von 1977“) über die

256 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 256

Schutzzeichen, nämlich das rote Kreuz, den roten Halbmond und denroten Löwen mit roter Sonne, be-kräftigt und ergänzt; es findet auf die in diesen Bestimmungen bezeichne-ten Situationen gleichermaßen An-wendung.

Artikel 2Schutzzeichen

1. Durch dieses Protokoll wird zusätz-lich zu den Schutzzeichen der Gen-fer Abkommen und zu denselben Zwecken ein zusätzliches Schutzzei-chen anerkannt. Die Schutzzeichen genießen alle denselben Status.

2. Dieses zusätzliche Schutzzeichen, das aus einem roten Rahmen in Form eines auf der Spitze stehenden Quadrats auf weißem Grund be-steht, entspricht der Abbildung im Anhang zu diesem Protokoll. In die-sem Protokoll wird dieses Schutz-zeichen als „Zeichen des III. Proto-kolls“ bezeichnet.

3. Die Bedingungen für die Verwen-dung und Achtung des Zeichens des III. Protokolls sind die gleichen wie die durch die Genfer Abkommenund, soweit anwendbar, die Zusatz-protokolle von 1977 für die Schutz-zeichen festgelegten Bedingungen.

4. Die Sanitätsdienste und das Seel-sorgepersonal der Streitkräfte der Hohen Vertragsparteien können alle in Absatz 1 bezeichneten Schutz-zeichen unbeschadet ihrer gegen-wärtigen Zeichen vorübergehend verwenden, sofern dadurch ihr Schutz erhöht werden kann.

Artikel 3Verwendung des Zeichens

des III. Protokolls zum Zweck der Bezeichnung

1. Die nationalen Gesellschaften der Hohen Vertragsparteien, die sich für die Verwendung des Zeichens des III. Protokolls entscheiden, können bei der Verwendung dieses Zeichensin Übereinstimmung mit den ein-schlägigen innerstaatlichen Rechts-vorschriften zum Zweck der Be-zeichnung Folgendes in das Zeichen einfügen:a) ein durch die Genfer Abkommen

anerkanntes Schutzzeichen oder eine Kombination dieser Zeichen oder

b) ein anderes Zeichen, das eine Hohe Vertragspartei tatsächlich verwendet hat und das vor der Annahme dieses Protokolls Ge-genstand einer über den Verwah-rer an die anderen Hohen Ver-tragsparteien und das Internatio-nale Komitee vom Roten Kreuz gerichteten Mitteilung war.

Die Einfügung muss der Abbildung im Anhang zu diesem Protokoll ent-sprechen.

2. Eine nationale Gesellschaft, die sich entscheidet, nach Absatz 1 in das Zeichen des III. Protokolls ein ande-res Zeichen einzufügen, kann in Übereinstimmung mit den inner-staatlichen Rechtsvorschriften in ihrem Hoheitsgebiet die Bezeich-nung dieses Zeichens verwenden und dieses Zeichen führen.

3. Nationale Gesellschaften dürfen in Übereinstimmung mit den inner-staatlichen Rechtsvorschriften unter außergewöhnlichen Umständen und zur Erleichterung ihrer Arbeit das in

257III. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 257

Artikel 2 dieses Protokolls genannte Schutzzeichen vorübergehend ver-wenden.

4. Dieser Artikel berührt weder die Rechtsstellung der in den Genfer Abkommen und in diesem Protokoll anerkannten Schutzzeichen noch diejenige der Zeichen, die zum Zweck der Bezeichnung in Überein-stimmung mit Absatz 1 eingefügt werden.

Artikel 4Internationales Komitee vom

Roten Kreuz und InternationaleFöderation der Rotkreuz- undRothalbmondgesellschaften

Das Internationale Komitee vom RotenKreuz und die Internationale Föderationder Rotkreuz- und Rothalbmondgesell-schaften sowie ihr gehörig ausgewiese-nes Personal können unter außerge-wöhnlichen Umständen und zur Er-leichterung ihrer Arbeit das in Artikel 2dieses Protokolls genannte Schutz-zeichen verwenden.

Artikel 5Missionen unter dem Dach der

Vereinten Nationen Die Sanitätsdienste und das Seelsor-

gepersonal, die an Einsätzen unter demDach der Vereinten Nationen beteiligtsind, können mit dem Einverständnisder teilnehmenden Staaten eines der inden Artikeln 1 und 2 genannten Schutz-zeichen verwenden.

Artikel 6Verhinderung und Ahndung

von Missbrauch1. Die Bestimmungen der Genfer Ab-

kommen und, soweit anwendbar, der Zusatzprotokolle von 1977, wel-

che die Verhinderung und Ahndung des Missbrauchs der Schutzzeichen regeln, finden gleichermaßen auf dasZeichen des III. Protokolls Anwen-dung. Insbesondere treffen die Hohen Vertragsparteien die erforder-lichen Maßnahmen, um jeden Miss-brauch der in den Artikeln 1 und 2 genannten Schutzzeichen und ihrer Bezeichnungen, einschließlich ihrer heimtückischen Verwendung und der Verwendung aller Zeichen oder Bezeichnungen, die eine Nachah-mung der Schutzzeichen darstellen, jederzeit zu verhindern und zu ahn-den.

2. Ungeachtet des Absatzes 1 können die Hohen Vertragsparteien es den bisherigen Benutzern des Zeichens des III. Protokolls oder eines Zei-chens, das eine Nachahmung davondarstellt, gestatten, dieses weiter zuverwenden, wobei diese Verwen-dung in Zeiten eines bewaffneten Konflikts nicht den Anschein er-wecken darf, als ob dadurch der Schutz der Genfer Abkommen und, soweit anwendbar, der Zusatzproto-kolle von 1977 gewährleistet werde, und sofern die Rechte zur Verwen-dung dieser Zeichen vor der Annah-me dieses Protokolls erworben wurden.

Artikel 7Verbreitung

Die Hohen Vertragsparteien verpflich-ten sich, in Friedenszeiten wie in Zeiteneines bewaffneten Konflikts dieses Pro-tokoll in ihren Ländern so weit wie mög-lich zu verbreiten, insbesondere seinStudium in ihre militärischen Ausbil-dungsprogramme aufzunehmen und dieZivilbevölkerung zu seinem Studium

258 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 258

anzuregen, so dass diese Übereinkunftden Streitkräften und der Zivilbevöl-kerung bekannt werden.

Artikel 8Unterzeichnung

Dieses Protokoll wird für die Ver-tragsparteien der Genfer Abkommen amTag seiner Annahme zur Unterzeichnungaufgelegt; es liegt für einen Zeitabschnittvon zwölf Monaten zur Unterzeichnungauf.

Artikel 9Ratifikation

Dieses Protokoll wird so bald wie mög-lich ratifiziert. Die Ratifikationsurkundenwerden beim Schweizerischen Bundes-rat, dem Verwahrer der Genfer Abkom-men und der Zusatzprotokolle von1977, hinterlegt.

Artikel 10Beitritt

Dieses Protokoll steht für jede Ver-tragspartei der Genfer Abkommen, diees nicht unterzeichnet hat, zum Beitrittoffen. Die Beitrittsurkunden werdenbeim Verwahrer hinterlegt.

Artikel 11Inkrafttreten

1. Dieses Protokoll tritt sechs Monate nach Hinterlegung von zwei Ratifi-kations- oder Beitrittsurkunden in Kraft.

2. Für jede Vertragspartei der Genfer Abkommen, die dieses Protokoll zu einem späteren Zeitpunkt ratifiziert oder ihm beitritt, tritt es sechs Mo-nate nach Hinterlegung ihrer eigenenRatifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

Artikel 12Vertragsbeziehungen beim

Inkrafttreten dieses Protokolls1. Sind die Vertragsparteien der Genfer

Abkommen auch Vertragsparteien dieses Protokolls, so finden die Ab-kommen so Anwendung, wie sie durch das Protokoll ergänzt sind.

2. Ist eine der am Konflikt beteiligten Parteien nicht durch dieses Protokoll gebunden, so bleiben dessen Ver-tragsparteien in ihren gegenseitigen Beziehungen durch das Protokoll gebunden. Sie sind durch das Pro-tokoll auch gegenüber jeder nicht durch das Protokoll gebundenen Partei gebunden, wenn diese des-sen Bestimmungen annimmt und anwendet.

Artikel 13Änderung

1. Jede Hohe Vertragspartei kann Än-derungen dieses Protokolls vorschla-gen. Der Wortlaut jedes Änderungs-vorschlags wird dem Verwahrer mitgeteilt; dieser beschließt nach Konsultierung aller Hohen Vertrags-parteien, des Internationalen Komi-tees vom Roten Kreuz und der In-ternationalen Föderation der Rot-kreuz und Rothalbmondgesellschaf-ten, ob eine Konferenz zur Prüfung des Änderungsvorschlags einberufen werden soll.

2. Der Verwahrer lädt zu dieser Kon-ferenz alle Hohen Vertragsparteien sowie die Vertragsparteien der Gen-fer Abkommen ein, gleichviel ob sie dieses Protokoll unterzeichnet habenoder nicht.

259III. Zusatzprotokoll

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 259

Artikel 14Kündigung

1. Kündigt eine Hohe Vertragspartei dieses Protokoll, so wird die Kündi-gung erst ein Jahr nach Eingang der Kündigungsurkunde wirksam. Ist jedoch bei Ablauf dieses Jahres für die kündigende Vertragspartei die Situation eines bewaffneten Konflikts oder einer Besetzung eingetreten, so bleibt die Kündigung bis zum Ende des bewaffneten Konflikts oder der Besetzung unwirksam.

2. Die Kündigung wird dem Verwahrer schriftlich notifiziert; dieser über-mittelt sie allen Hohen Vertragspar-teien.

3. Die Kündigung wird nur in Bezug auf die kündigende Vertragspartei wirk-sam.

4. Eine Kündigung nach Absatz 1 be-rührt nicht die wegen des bewaffne-ten Konflikts oder der Besetzung von der kündigenden Vertragspartei nach diesem Protokoll bereits einge-gangenen Verpflichtungen in Bezug auf eine vor dem Wirksamwerden der Kündigung begangene Hand-lung.

Artikel 15Notifikationen

Der Verwahrer unterrichtet die HohenVertragsparteien sowie die Vertragspar-teien der Genfer Abkommen, gleichvielob sie dieses Protokoll unterzeichnethaben oder nicht,a) von den Unterzeichnungen dieses

Protokolls und der Hinterlegung von Ratifikations- und Beitrittsurkunden nach den Artikeln 8, 9 und 10,

b) vom Zeitpunkt des Inkrafttretens die-ses Protokolls nach Artikel 11, und

zwar innerhalb von zehn Tagen nach diesem Inkrafttreten,

c) von den nach Artikel 13 eingegange-nen Mitteilungen,

d) von den Kündigungen nach Artikel 14.

Artikel 16Registrierung

1. Nach seinem Inkrafttreten wird die-ses Protokoll vom Verwahrer dem Sekretariat der Vereinten Nationen zur Registrierung und Veröffentli-chung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen übermittelt.

2. Der Verwahrer setzt das Sekretariat der Vereinten Nationen auch von allen Ratifikationen, Beitritten und Kündigungen in Kenntnis, die er in Bezug auf dieses Protokoll erhält.

Artikel 17Verbindlicher Wortlaut

Die Urschrift dieses Protokolls, dessenarabischer, chinesischer, englischer,französischer, russischer und spani-scher Wortlaut gleichermaßen verbind-lich ist, wird beim Verwahrer hinterlegt;dieser übermittelt allen Vertragsparteiender Genfer Abkommen beglaubigteAbschriften.

260 Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle

Buch 17.01.2008 12:56 Uhr Seite 260

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ANHANGZeichen des III. Protokolls

(Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 3 Absatz1 des Protokolls)

Artikel 1Schutzzeichen

Artikel 2Verwendung des Zeichens des III.

Protokolls zum Zweck der Bezeichnung

Einfügung in Überein-stimmung mit Artikel 3

III. Zusatzprotokoll

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