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THEMEN & POSITIONEN 7

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THEMEN & POSITIONEN 7

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Die (große) Pfl egereform durch die Pfl egestärkungsgesetze

Aufgaben und Perspektiven für KWA

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Themen & Positionen 7

Herausgegeben von:

KWA Kuratorium Wohnen im Alter gAG

Beitrag von:

Dr. Stefan ArendProf. Dr. Roland Schmidt

Stand:Extract aus: MAufsatz Titel

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Auszüge ausManagement Handbuch Pflege Online

© 2016 medhochzwei Verlag GmbH, Heidelberg

www.medhochzwei-verlag.de

Satz: Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld

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Die (große) Pflegereform durchdie PflegestärkungsgesetzeKonsequenzen für KWA KuratoriumWohnen im Alter

Gut 20 Jahre nach Inkrafttreten der Sozialen Pflegeversicherung inDeutschland (SGB XI), nach vielen Konkretisierungen und Nachjustie-rungen über die Jahre hinweg steht nun die (große) Pflegereform durchdie Pflegestärkungsgesetze (PSG) I und II an. Ab 2017 – so hat es derGesetzgeber in aller Deutlichkeit unterstrichen – soll damit die Ver-sorgung derMenschen, die bei uns dauerhaft auf Pflege undUnterstüt-zung angewiesen sind, auf ein neues Fundament gestellt werden.Kernpunkte der Pflegereform sind zum einen ein neuer Pflegebedürf-tigkeitsbegriff, ein damit notwendiges neues Verfahren zur Ermittlungdes Hilfebedarfs (NBA) und eine Stärkung der ambulanten Pflegedurch eine weitgehende Individualisierung bei der Gestaltung derLeistungen.

Aufgrund der enormen Kraftanstrengungen in dieser Legislaturpe-riode, die schon lange geforderte Pflegereform Wirklichkeit werdenzu lassen, und die nun nachfolgend nötigen Umsetzungen auf Landes-ebene durch die jeweiligen Vertragspartner, die einige Zeit in An-spruch nehmen werden, ist davon auszugehen, dass in den nächstenJahren keine weiteren weitreichenden und tiefgreifenden Änderungenam Pflegeversicherungsgesetz in Angriff genommen werden. Wirgehen davon aus, dass die jetzt durch die Pflegestärkungsgesetzegetroffenen Regelungen für das kommende Jahrzehnt die gesetzlichenRahmensetzungen der Pflegepolitik und damit auch der Leistungs-erbringung darstellen.

In einem weiteren Gesetzesvorhaben unter der Überschrift Pflegestär-kungsgesetz III, das derzeit kommuniziert wird, soll es vornehmlichum die vom Deutschen Bundesrat geforderte stärkere Einbeziehungder Kommunen in die Pflegeverantwortung gehen. Dies wird allerWahrscheinlichkeit nach im Rahmen von Modellvorhaben in aus-gewählten Regionen und Kommunen geschehen. Zudem sind Anpas-sungen anderer Sozialgesetzbücher an den neuen Pflegebedürftigkeits-

Stand:

: MHPflege

16-03-01

Extract aus: MVorwort 7Version: 2016

III

Vorwort

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begriff zwingend (vor allem beim Sozialhilferecht und bei der Gesetz-lichen Unfallversicherung) erforderlich.

KWA hat daher zum einen die bisherige Unternehmensstrategie aufdieser Folie zu betrachten und ggf. Korrekturen und/oder Schwer-punktverlagerungen durchzuführen. Zum anderen muss sich die Or-ganisation auf die Veränderungen durch PSG I und II einstellen undsich für neue Aufgaben (insbesondere in Sachen Beratung der Kundenund Interessenten) weiter ertüchtigen.

Das Produkt Wohnstift, das leistungsrechtlich auf ambulanten Sorge-strukturen basiert, wird durch die Regelungen von PSG I und PSG IIgestärkt. Der Gesetzgeber setzt gemäß der Leitlinie „ambulant vorstationär“ zahlreiche finanzielle Impulse für eine häusliche, ambulanteVersorgung. Dienstleistungselemente, die ein KWA Wohnstift bereitsseit vielen Jahren vorhält und die bisher leistungsrechtlich gar nicht odernur gering gewürdigt und oftmals von den Bewohnern „privat“ getra-gen wurden, können jetzt auch über die Pflegeversicherung finanziertbzw. bezuschusst werden. Durch die weitreichende Individualisierungder Leistungen geht aber auch ein umfassender, in dieser Komplexitätneuer Beratungsaufwand in den Einrichtungen damit einher.

Die vollstationären Bereiche der KWAWohnstifte bzw. die Pflegestiftesehen sich – wie die gesamte vollstationäre Pflege in Deutschland –

weitreichenden Einschränkungen und Eingriffen durch den Gesetz-geber ausgesetzt. Die Regelungen von PSG I und PSG II werden – sodie Prognosen – zu sich verändernden Bewohnerstrukturen führen.Finanziell wird vollstationäre Pflege für Bewohner mit niedrigen Pfle-gegraden eher unattraktiv, höhere Pflegegrade werden finanziell ent-lastet. Nicht wenige Branchenexperten warnen daher vor einer Ent-wicklung der vollstationären Pflege hin zu Pflegeformen allein fürSchwerstpflegebedürftige (insbesondere für Menschen, die von fort-schreitender Demenz betroffen sind) oder Orte für den letzten Lebens-abschnitt vor dem Tod („Sterbeort Pflegeheim“).

Nachfolgend berichten wir in umfassender Form über die Entwick-lungen durch PSG I und II und analysieren die wichtigsten Verände-rungen zum SGB XI in bisheriger Form. Dabei sind wir uns bewusst,dass es noch vieler Konkretisierungen bedarf und die endgültigeSubstanz des Gesetzes sich heute eher erahnen lässt.

München, im Februar 2016 Horst SchmiederDr. Stefan Arend

IV

Vorwort

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III

Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege: Die Pflege-stärkungsgesetze I und II sowie ergänzende rechtliche Impulsezur Neuausrichtung der LangzeitpflegeStefan Arend, Roland Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Stand:

: MHPflegeeichnis

Extract aus: MInhaltsverzei

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Die neuen Rahmenbedingungen derPflege: Die Pflegestärkungsgesetze Iund II sowie ergänzende rechtlicheImpulse zur Neuausrichtung derLangzeitpflege

Stefan Arend/Roland Schmidt

InhaltsübersichtRn.

1 Erneuerung der Sozialen Pflege-versicherung (SGB XI) in zweiStufen 1 – 6

2 Das Pflegestärkungsgesetz I(PSG I) 7 – 18

2.1 Klarstellungen bzw. Nach-steuerungen 8

2.2 Leistungsdynamisierung 9 – 112.3 Leistungsausweitung und

Leistungsflexibilisierung 12 – 152.3.1 Impulse zur Stärkung der

Häuslichen Pflege 132.3.2 Leistungsausweitung in der

vollstationären Pflege 142.3.3 Leistungskumulationen 152.4 Einführung des Pflegefonds 16, 172.5 Beitragssatzerhöhung 183 Das Pflegestärkungsgesetz II

(PSG II) 19 – 763.1 Pflegebedürftigkeitsbegriff und

Begutachtungsassessment 20 – 263.2 Überleitung, Bestandsschutz

und Begutachtung imJahr 2017 27 – 30

3.3 Über das PSG I hinausgehendeleistungsrechtliche Flexibilisie-rungen in der häuslichen Pflegeals Folge des neuen Pflegebe-dürftigkeitsbegriffs 31 – 37

Rn.3.4 Profilierung der Pflege-

beratung 38 – 423.5 Veränderungen für die

stationäre Pflege 43 – 503.6 Personalbemessung 513.7 Weitere leistungsrechtliche

Neuregelungen 52 – 563.8 Dynamisierung der Ver-

sicherungsleistung 573.9 Neuausrichtung der

Qualitätssicherung 58 – 693.10 Leistungen für private

Pflegepersonen 70, 713.11 Reaktionen und Würdi-

gungen 72 – 764 Impulse für die Langzeit-

pflege durch weitereNovellierungen 77 – 89

4.1 Hospiz- und Palliativ-gesetz 78 – 83

4.2 Präventionsgesetz 844.3 GKV-Versorgungs-

stärkungsgesetz 854.4 Krankenhausstruktur-

gesetz 86 – 895 Fazit 90

Literatur

Stand:Autor_Nachname: ArendAutor_Vorname: Stefan

: MHPflegeWA716-05-01

Extract aus: MAufsatz KWAVersion: 2016

St: WertverPflegelegen

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SchlagwortübersichtRn.

Begutachtungsassessment,Modul des 20 ff., 74

Begutachtungsrichtlinie 23Betreuung in vollstationärer Pflege 43Betreuung und Aktivierung 45 f.Bundesmantelvertrag 79Definition der Krankenbehandlung 78Eigenanteil, einrichtungseinheitlicher 44Evaluation der Pflegeberatung 42Evaluation der Umstellung auf

Pflegegrade 25Häusliche Pflegehilfe 31 ff.Kooperationsverträge mit Vertrags-

ärzten 80Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V 88Leistungen bei Pflegegrad 1 24Leistungsrecht des PSG I 13Maßstäbe und Grundsätze zur

Qualität 58 f.Neufassung § 37 SGB V 86 f.Pflegebedürftigkeitsbegriff, alt 2 ff.Pflegeberatung in der häuslichen

Umgebung 40Pflegerische Betreuungsmaßnahmen 33

Rn.Pflegestärkungsgesetz III 6Pflegetransparenzvereinbarung 50Prävention in vollstationärer

Pflege 84Qualitätsausschuss 62 ff.Qualitätsberichterstattung 59 ff.Quali-

tätsdarstellungsvereinbarung 68 f.Richtlinie nach § 114 SGB XI 67Sterbebegleitung als Inhalt von

Pflegeleistungen 82Tariflohn 8Überleitung der Pflegesätze 48 f.Unterstützung im Alltag 36 f.Verhütung von Zahn-

erkrankungen 85Versorgungsplan– gesundheitlicher 83– Mindestanforderungen an 41Versorgungssteuerung durch

Leistungskumulation 15Wertverlust der Pflege-

leistungen 10 f., 57Wiederholungsbegutachtung 30

Abstract: Der Beitrag stellt zentrale Änderungen der jüngsten No-vellierungen des SGB XI durch die Pflegestärkungsgesetze I und IIdar. Einbezogen sind ferner weitere, für die Entwicklung der Lang-zeitpflege relevante Bestimmungen anderer im Jahr 2015 diskutierterund verabschiedeter Gesetzesnovellen (Hospiz- und Palliativgesetz,Präventionsgesetz, GKV-Versorgungsstärkungsgesetz und Kran-kenhausstrukturgesetz). Intendiert ist die Individualisierung derDienstleistungen durch neue Formen der Leistungskombination,die nochmals die häusliche Pflege stärken, und die Öffnung der vonPflegebedürftigen beanspruchbaren Hilfearten. Letzteres ist zwin-gend, um dem neu gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriff und denweiter gefassten Bedarfslagen entsprechen zu können.

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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1 Erneuerung der Sozialen Pflegeversicherung(SGB XI) in zwei Stufen

1Zum 1. Januar 2015 trat das Pflegestärkungsgesetz I (PSG I)1) in Kraft.Ein Jahr später folgt das Pflegestärkungsgesetz II (PSG II)2), das inTeilen zum 1. Januar 2016, in Teilen zum 1. Januar 2017 greift. DieseZweistufigkeit bedarf der Erläuterung. Will man die „Diskriminie-rung“ von Menschen, die z. B. insbesondere an einer Demenz erkranktsind, in der Pflegeversicherung beenden, muss man grundsätzlichzweierlei tun:

� Zum einen gilt es, einen Pflegebedürftigkeitsbegriff (und ein auf ihmfußendes Begutachtungsassessment) einzuführen, der geeignet ist,ebenso den besonderen Bedarf von Menschen abzubilden, derenPflegebedürftigkeit nicht primär somatisch begründet ist.

� Zum anderen müssen die Hilfen, auf die im SBG XI ein Anspruchbesteht, geeignet sein, um diesem besonderen Bedarf von Menschenmit eingeschränkter Alltagskompetenz tatsächlich entsprechen zukönnen.

� Das Eine tun und das Andere lassen, würde nicht zum Ziel einerrunderneuerten Sozialen Pflegeversicherung führen. Dies bedeutet,dass neben dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff (und dem NeuenBegutachtungsassessment, NBA) zudem Betreuungs- und Entlas-tungsleistungen in der häuslichen Pflege eingeführt werdenmüssen,die bis dato seitens der Leistungsträger nicht gewährt werdendurften und die in der zuletzt gültigen Leistungskomplexsystematikfolglich nicht enthalten waren. Die in den letzten Jahren bereits inkleinen Schritten erfolgte „Öffnung des Leistungskatalogs“ in Rich-tung „Betreuungsleistungen“ (z. B. im Kontext des Poolens vonLeistungen oder in ambulant betreuten Wohngemeinschaften unterbestimmten Bedingungen) und „Angehörigenentlastung“ (z. B.niedrigschwellige Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI) ist so-mit systematisch auszubauen. Letztgenanntes leistete das PSG Igewissermaßen im „Vorgriff“ auf die angekündigte Implementie-rung eines neugefassten Pflegebedürftigkeitsbegriffs, dessen Imple-

Kapitel-Hierachie: 1

1 Erstes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderungweiterer Vorschriften (Erstes Pflegestärkungsgesetz – PSG I). Bundesgesetzblatt2014 Teil I Nr. 61, 23.12.2014, S. 2222–2230.

2 Zweites Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderungweiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II). Bundesgesetz-blatt 2015 Teil I Nr. 54, 28.12.2015, S. 2424–2463.

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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mentierung zur Zeit der parlamentarischen Beratungen von PSG Inoch vertiefender Analysen bedarf.

2 Am 12. August 2015 verabschiedete das Bundeskabinett das PSG II,mit dem der Gesetzgeber den alten, primär somatisch ausgerichtetenund vielfach kritisierten Pflegebedürftigkeitsbegriff durch einen neuenersetzt. In ihrer Begründung unterstrich die Bundesregierung, dass„der bisherige Pflegebedürftigkeitsbegriff defizit-orientiert“ sei und „die rele-vanten Aspekte von Pflegebedürftigkeit nicht umfassend“ erfasse. Zudemsei der Begriff „nach dem aktuellen Stand medizinisch-pflegerischer Er-kenntnisse nicht ausreichend pflegefachlich fundiert“3). Der Deutsche Bun-desrat stimmte dem PSG II nach Beschlussfassung durch den Deut-schen Bundestag am 18. Dezember 2015 zu4).

3 Dem voraus gingen in den vergangenen zwei Legislaturperioden desDeutschen Bundestags Vorarbeiten von Expertengruppen, die nun-mehr aufgegriffen wurden und in Bälde zu einem lange erwartetenAbschluss gebracht werden.5) In der zweiten Septemberhälfte befasstesich der Bundestag in erster Lesung mit der Novelle. Mitte Dezember2015 war das Gesetzgebungsverfahren mit Beschlussfassung des Bun-desrats abgeschlossen, so dass ein (g)runderneuertes SGB XI in Teilenin Kraft treten kann. Das Jahr 2016 wird zunächst geprägt sein durchdie Vorbereitungen zur Einführung des veränderten Pflegebedürftig-keitsbegriffs. Zu schulen sind die Gutachter desMDK und der privatenPflegekassen6). Neu zu fassen sind die Richtlinien für das Begutach-tungsverfahren, so dass ab 1. Januar 2017 der neue Pflegebedürftig-keitsbegriff – so die politische Vorgabe – flächendeckend in der Repu-blik angewandt werden kann. 2016 markiert also das Jahr der

3 BT Drucksache 18/5926, S. 58.4 BR Drucksache 567/15.5 Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hatte im Oktober 2006 einen

Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs einberufen. Dieser unter-breitete im Frühjahr 2009 einen ersten Vorschlag für einen neuen Pflegebedürftig-keitsbegriff und ein damit verbundenes Begutachtungsinstrument zur Feststel-lung der Pflegebedürftigkeit (Neues Begutachtungsassessment – NBA). Nachpolitischen Auseinandersetzungen, aber auch zur Klärung der noch offenenFragen hat das BMG 2012 einen neuen, so genannten Expertenbeirat zur kon-kreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs eingerichtet, der imJahr 2013 seinen Abschlussbericht vorgelegt hat. Der Expertenbeirat hat diegrundsätzliche „Einführungsreife“ des neuen Begutachtungs-Instruments bestä-tigt und Hinweise für die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffsgegeben.

6 Ärzte Zeitung online vom 5.1.2016.

St: Pflegebedürfbegriff, alt , 2

St: Pflegebedürfbegriff, alt , 3

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Umstellung: Ein Interregnum, das für alle Beteiligten durchaus ambi-tionierte Aufgaben bereithält, die bewältigt sein wollen.

4Bei der Schaffung der Pflegeversicherung war bekannt, dass der Pfle-gebedürftigkeitsbegriff in der deutschen Rechtsordnung nicht einheit-lich definiert ist und daher von der Pflegeversicherung neu definierthätte werden müssen. Im Ersten Altenbericht der Bundesregierung ausdem Jahr 1993 wurde dargelegt, dass nur eine „interdisziplinäre Sicht“mit Blick auf „somatische, psychische und soziale Einflussfaktoren“ dieDefinition des Begriffes der Pflegebedürftigkeit erlaubt.7) Diese Forde-rung wurde mit der Verabschiedung der Pflegeversicherung jedochnicht umgesetzt. Norbert Blüm als damals federführender Ministererklärte später, dass man „bei der Definition von Pflegebedürftigkeit sehrzurückhaltend“ agiert habe. „Auf das Feld der nicht-körperlichen Defizitehaben wir uns nicht vorgewagt“8). Dies sei vor allem „aus Rücksicht auf dieFinanzen“ geschehen9). Dies hatte Auswirkungen auf den Kreis derLeistungsempfänger. Denn bereits 1984 schätzte man nur für die alteBundesrepublik, dass 2 Millionen Menschen als pflegebedürftig geltenkönnen.10) In der ersten Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes1999 – also rund 15 Jahre später und dann für Gesamtdeutschland inkl.der neuen Bundesländer –wurde ersichtlich, dass tatsächlich (nur) 2,02Millionen Menschen Leistungen der Pflegeversicherung erhielten.11)

5Aufgrund der enormen Kraftanstrengungen in dieser Legislaturpe-riode, die lang geforderte „große Pflegereform“ Wirklichkeit werdenzu lassen, und den nachfolgend nötigen Umsetzungen u. a. im Pflege-vertragsrecht, die einige Zeit in Anspruch nehmen, ist davon auszuge-hen, dass in den nächsten Jahren – sieht man von Nachjustierungenund Klarstellungen ab – keine weiteren weitreichenden und tiefgrei-fenden Änderungen am Pflegeversicherungsgesetz in Angriff genom-men werden. Es ist davon auszugehen, dass die jetzt durch das PSG Iund PSG II getroffenen Regelungen, wenn finanzielle Schieflagen inder Sozialen Pflegeversicherung nicht eintreten, in mittelfristiger Sicht

7 Erster Altenbericht der Bundesregierung. Bundestags-Drucksache 12/5897 vom28.9.1993. Bonn, S. 49.

8 Interview im Tagesspiegel vom 11.9.2011.9 Ärzte Zeitung online 13.1.2015.

10 Altenhilfepolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Antwort der Bundesregie-rung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN. Deutscher BundestagDrucksache 10/4103 vom 30.10.1985, S. 3.

11 Statistisches Bundesamt: Kurzbericht. Pflegestatistik 1999. Deutschlandergeb-nisse. Bonn 2001.

St: Pflegetigkeigriff,

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die gesetzlichen Rahmensetzungen der Pflegepolitik und damit auchder Leistungserbringung darstellen.

6 In einem Gesetzesvorhaben unter der Überschrift PSG III, das derzeitkommuniziert wird und das für Frühjahr 2016 als Referentenentwurfangekündigt wurde, soll es vornehmlich um die vom DeutschenBundesrat geforderte stärkere Einbeziehung der Kommunen in diePflegeverantwortung gehen. Dies soll zunächst im Rahmen von Mo-dellvorhaben in 60 Kommunen geschehen.

„Im Kern geht es dabei um den Ausbau wohnortnaher Beratungs- und Fall-management-Strukturen, um Schaffung eines breiten Spektrums altersgerech-ter Wohnformen, eine aufeinander abgestimmte ambulante und stationärepflegerische Versorgung und die Ergänzung der staatlichen Leistungen umGeld- und Sachleistungen der Kommunen oder auch freiwillige Helfer undSpender.”12)

Zudem sind Schnittstellen zu anderen Sozialgesetzbüchern durch denneuen Pflegebedürftigkeitsbegriff zwingend; tangiert sind v. a. das So-zialhilferecht (Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe) und die Un-fallversicherung.

2 Das Pflegestärkungsgesetz I (PSG I)7 Das PSG I trat zum 1. Januar 2015 in Kraft. Vier zentrale Impulse, die

der Gesetzgeber mit dieser (Teil-)Reform gesetzt hat, lassen sich unter-scheiden: Klarstellungen bzw. Nachsteuerungen, Leistungsdynamisie-rung, Leistungsverbesserungen und Leistungsflexibilisierungen sowieEinführung eines Pflegefonds13). Hinzu kommt eine in zwei Stufennormierte Beitragssatzerhöhung. Weitere (kleinere) Änderungen be-treffen – neben redaktionellen Anpassungen – u. a. die Bestimmungenzur Experimentierklausel des SGB XI und zu Qualitätsprüfungen (hier:wie zu verfahren ist, wenn Hinweise auf nicht fachgerechte Pflege beiPflegebedürftigen, auf die sich die Qualitätsprüfung nicht bezieht,bestehen). Sie werden nachfolgend ausgeklammert.

12 Ärzte Zeitung online vom 2.1.2016.

Kapitel-Hierachie: 1

13 Hinzu kommt die Neufassung von § 44a SGB XI (Zusätzliche Leistungen beiPflegezeit und kurzzeitiger Arbeitsverhinderung), der durch das in der Ressort-zuständigkeit des BMFSFJ stehende „Gesetz zur besseren Vereinbarkeit vonFamilie, Pflege und Beruf“ kürzlich novelliert wurde. Hierauf geht dieser Beitragnicht ein.

St: Pflegestägesetz III

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2.1 Klarstellungen bzw. Nachsteuerungen8Der Gesetzgeber stellt in den §§ 84 (Bemessungsgrundsätze) und 89

Abs. 1 (Grundsätze für Vergütungsregelungen) jeweils klar, dass dieBezahlung tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen nicht als unwirt-schaftlich abzulehnen ist. Mit dieser Explikation folgt der Gesetzgeberder ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. In § 89 Abs. 3und in § 120 (Pflegevertrag bei häuslicher Pflege) entfällt die erstzuletzt mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) eingeführteVerpflichtung für Pflegedienste, einen vergleichenden Kostenvor-anschlag zu unterbreiten. Vergütungen können nunmehr nach Zeit-aufwand oder nach Leistungsinhalten (Komplexleistungen, in Aus-nahme auch nach Einzelleistungen) bemessen sein.

2.2 Leistungsdynamisierung9Im Pflege-Weiterentwicklungsgesetz von 2008 hat der Gesetzgeber

festgelegt, dass ab 2014 alle drei Jahre die Leistungen der SozialenPflegeversicherung zu überprüfen und in Höhe ggf. anzupassen sind.Dies wird im Pflegestärkungsgesetz I umgesetzt. (a) Die Leistungenwerden um 4 % erhöht. Leistungen, die mit dem Pflege-Neuausrich-tungs-Gesetz (PNG) erst 2013 eingeführt worden sind, um 2,67 %. (b)Im Jahr 2017 erfolgt die nächste Prüfung zur Notwendigkeit und Höheeiner Anpassung. Als Orientierungswert hierfür dient die kumuliertePreisentwicklung in den letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahren.Es ist jedoch sicherzustellen, dass der Anstieg der Pflegeleistungennicht höher ausfällt als die Bruttolohnentwicklung im betrachtetenZeitraum (vgl. Rz. 57 mit der PSG II-Regelung).

10Die Pflegeleistungen erfuhren nach Rothgang/Müller u. a. im Zeit-raum von 1995 bis 2008 gemessen am Verbraucherpreisindex einenWertverlust in Höhe von 19 %.14) Nimmt man stattdessen die Entwick-lung der durchschnittlichen Heimkosten (Pflege sowie Unterkunft undVerpflegung) zum Maßstab, so erfolgten im genannten Zeitraumdurchschnittliche Preissteigerungen in Höhe von 28,7 % (Pflegestufe I),29,8 % (Pflegestufe II) bzw. 25,0 % (Pflegestufe III), was einen Wert-verlust der Pflegeleistungen gegenüber dem Ausgangswert 1995 inHöhe von 22,3 % (Pflegestufe I), 23,0 % (Pflegestufe II) und 20,0 %(Pflegestufe III) nach sich zieht. Bis 2008 sank die Pflegeversicherungs-

Kapitel-Hierachie: 2

Kapitel-Hierachie: 2

14 Rothgang/Müller u. a.: BARMER GEK Pflegereport. Schwerpunkt: Zahnärzt-liche Versorgung Pflegebedürftiger. Berlin 2014, S. 38 ff.

St: Tarifloh

St: WertverPflegelegen , 10

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leistung somit um – je nach Pflegestufe – ein Fünftel bis ein Viertel. Fürden Zeitraum 2008 bis 2015 ergibt sich eine Gesamtanpassung in Höhevon 11,4 %, was einer durchschnittlichen jährlichen Anpassung von1,6 % entspricht. Berücksichtigt man aber, dass gemäß § 30 SGB XI(Dynamisierung, Verordnungsermächtigung) erst im Jahr 2017 dienächste Anpassung zu prüfen ist, die dann erst 2018 zu neuen Leis-tungssätzen führen kann – also in den kommenden drei Jahren keineAnpassung erfolgt –, reduziert sich die jährliche Anpassung de facto aufnur mehr 1,1 %. Stellt man diesem durchschnittlichen Anpassungssatzdie durchschnittlichen jährlichen Steigerungsraten der Heimkosten ge-genüber, die in der Pflegestufe I 1,34 %, in der Pflegstufe II 1,38 % und inder Pflegestufe III 1,18 % betragen, wird zudem ersichtlich, dass auchdie im PSG I vorgenommene Anpassung in der Modellrechnung nichtzum Werterhalt der Versicherungsleistung beitragen kann und wird.

11 Die im PSG I vorgenommene Anpassung kann gemäß Modellrech-nung nicht zum Werterhalt der Versicherungsleistung beitragen.Wollte man vor diesem Hintergrund das Vertrauen in die Versiche-rungsleistung stärken, würde sich eine regelgebundene Leistungs-dynamisierung anbieten, die nicht den Eindruck einer „Anpassungnach Kassenlage“ entstehen lässt.

2.3 Leistungsausweitung und Leistungsflexibilisierung12 Der Gesetzgeber bleibt seiner Leitintension, die häusliche Pflege zu

stärken und den vormals „Sog ins Heim“ zu dämpfen, treu. Ein Mehran Individualisierung für die Ausgestaltung der häuslichen Pflege istintendiert. Dies wird dadurch erreicht, dass mittels bestimmter Leis-tungskombinationen (a) Leistungsbeträge addiert und (b) Verrechnun-gen vorgenommen werden können. Man kann Letzteres als Formenvon Sachleistungsbudgets bezeichnen, die in vorgegebenen Grenzenflexibel eingesetzt werden können. Konsequenz ist einmal mehr, dassdie Anforderungen an die Qualität der Pflegeberatung fachlich undleistungserschließend steigen.

2.3.1 Impulse zur Stärkung der Häuslichen Pflege13 Folgende leistungsrechtlichen Bestimmungen des SGB XI sind durch

das PSG I verändert bzw. verbessert worden:

� Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreutenWohngruppen: Der Zuschlag für Pflegebedürftige in solchen Set-

Kapitel-Hierachie: 2

Kapitel-Hierachie: 3

St: Wertverlust dgeleistungen

St: LeistungsrePSG I , 13

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tings beläuft sich –werden definierte Merkmale des Settings erfüllt –nun auf 205.- EUR. Die Pflegekassen können zur Feststellung derAnspruchsberechtigung Daten erheben und verarbeiten. Der An-spruch ist gebunden an die in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 definierten Merk-male für ambulant betreute Wohngruppen (vgl. auch Abs. 1 Nr. 4mit den Ausschlussgründen); Bestimmungen der Landesheimge-setze hingegen sind nicht von Belang (§ 38a SGB XI in der Fassungdes PSG I).15)

� Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson: Die Über-nahme für nachgewiesene Kosten für Ersatzpflege ist für sechsWochen pro Jahr und in Höhe von max. 1.612.- EUR erweitert. Biszu 806.- EUR können durch nicht in Anspruch genommene Finanz-mittel für Kurzzeitpflege zusätzlich eingesetzt werden (max. Bud-gethöhe: 2.418.- EUR) (§ 39 SGB XI in der Fassung des PSG I).

� Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen: Die Zuschüsse dürfen ei-nen Betrag von 4.000.- EUR je Maßnahme nicht übersteigen. Im Falledes Zusammenlebens mehrerer pflegebedürftiger Menschen ist derGesamtbetrag je Maßnahme auf 16.000.- EUR limitiert (§ 40 SGB XIin der Fassung des PSG I).

� Tages- und Nachtpflege: Die Leistung kann zusätzlich zur ambu-lanten Sachleistung oder zu Pflegegeld oder zur Kombinationsleis-tung in Anspruch genommen werden (§ 41 SGB XI in der Fassungdes PSG I).

� Kurzzeitpflege: Der Leistungsanspruch besteht für max. acht Wo-chen pro Jahr und kann aus nicht in Anspruch genommenen Mittelnfür Verhinderungspflege von 1.612.- EUR auf dann 3.224.- EURverdoppelt werden (§ 42 SGB XI in der Fassung des PSG I).

� Zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen: (a) Im Rahmenvon Betreuungs- und Entlastungsleistungen können auch hauswirt-schaftliche Leistungen bezogen werden. Die Erstattung von Auf-wendungen für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungenerfolgt auch dann, wenn Mittel der Verhinderungspflege eingesetztwerden. (b) Auch Personen, die die Voraussetzungen nach § 45a(eingeschränkte Alltagskompetenz) nicht erfüllen, können für Be-

St: WertverPflegelegen

15 GKV-Spitzenverband, Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene: Gesetz zursozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungs-gesetz – PflegeVG). Gemeinsames Rundschreiben zu den leistungsrechtlichenVorschriften vom 17.4.2013 (Stand: 19.12.2014). o. O., § 38a SGB XI in derFassung des PSG I.

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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treuungs- und Entlastungsleistungen den Grundbetrag in Höhe von104.- EUR in Anspruch nehmen und sich nachgewiesene Kostenerstatten lassen. (c) Bis zu 40 % des Betrages für ambulante Pflege-sachleistungen können im Kalendermonat für niedrigschwelligeBetreuungs- und Entlastungsangebote zusätzlich in Anspruch ge-nommen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass Grundpflege undHauswirtschaft sichergestellt sind. Hierzu sind entsprechende Kos-tennachweise vorzulegen, die nach Abrechnung der Pflegesachleis-tungen aus dem verbliebenen Anspruch erstattet werden. Hierzu istnach vier Jahren seitens des BMG eine Evaluation vorzulegen. (d)Die Bundesländer sind ermächtigt, durch Rechtsverordnung Nähe-res zu Betreuungs- und Entlastungsangeboten (inkl. Vorgaben zurregelmäßigen Qualitätssicherung) zu bestimmen. Es ist nach § 7SGB XI Pflicht der Pflegekassen, Pflegebedürftige und Personen miteingeschränkter Alltagskompetenz nun auch über anerkannte nied-rigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote zu informieren.Betreuungs- und Entlastungsangebote können als zusätzliches Leis-tungsspektrum ambulanter Dienste realisiert werden. Im diesemFalle obliegt die Anerkennung den Pflegekassen (Variante 1). Siekönnen aber auch als Betreuungs- und Entlastungsdienste organi-siert werden, deren Anerkennung dann mittels Rechtsverordnungdurch das Bundesland geregelt wird. Da der Gesetzgeber die Qua-litätssicherungsanforderungen („regelmäßige Qualitätssicherung“)erhöht, ist zu vermuten, dass die derzeit gültigen Rechtsverordnun-gen der Länder weiterentwickelt werden. Ob ggf. Variante 1 oderVariante 2 bei der Ausprägung solcher Angebote vorzuziehen ist,muss daher derzeit offen bleiben.16)

� Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen: Gefördert werdenkönnen nun auch Modellvorhaben zur niedrigschwelligen Entlas-tung (§ 45c SGB XI in der Fassung PSG I).

� Verbesserte Pflegeleistung für Personen mit erheblich eingeschränk-ter Alltagskompetenz (Übergangsregelung): Neben der Anhebungder Leistungssätze haben Menschen ohne Pflegestufe, die aber inihrer Alltagskompetenz eingeschränkt sind, nun nach Abs. 2 auchAnspruch auf Leistungen nach §§ 38a, 41, 42 und 45e SGB XI (zuvor

16 GKV-Spitzenverband, Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene: Gesetz zursozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungs-gesetz – PflegeVG). Gemeinsames Rundschreiben zu den leistungsrechtlichenVorschriften vom 17.4.2015 (Stand: 19.12.2014). o. O., § 45b SGB XI, S. 5 ff. in derFassung des PSG I.

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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nur §§ 39 und 40 SGB XI). Mit Einführung des neuen Pflegebedürf-tigkeitsbegriffs läuft die Übergangsregelung aus (§ 123 SGB XI inder Fassung des PSG I).

2.3.2 Leistungsausweitung in der vollstationären Pflege14Vergütungszuschläge für zusätzliche Betreuung und Aktivierung in

Pflegeeinrichtungen: Der Kreis der Anspruchsberechtigten sind (alle)pflegebedürftige(n) Heimbewohner und Bewohner mit Pflegestufe 0(§ 87b SGB XI in der Fassung des PSG I).

2.3.3 Leistungskumulationen15Mögliche Leistungskumulationen in der häuslichen Pflege bewirken,

dass ein Optimum an Versicherungsleistung seit Jahresbeginn 2015nicht mehr in der vollstationären Pflege erzielt werden kann. Dies wirddeutlich, wenn man die max. zu erzielenden Leistungshöhen in denPflegestufen einem Vergleich ambulant – stationär unterzieht. Damitwird zugleich auch die neuerliche Versorgungssteuerung zugunstender ambulanten (und teilstationären) Pflege deutlich17):

� In Pflegestufe I addieren sich beispielsweise die Leistung für voll-stationäre Pflege (1.064.- EUR) und für 87b-Leistungen (geschätzt:104.- EUR) monatlich zu einem Gesamtbudget in Höhe von 1.168.-EUR. Kombiniert man vergleichsweise ambulante Pflege (689.-EUR) mit Tagespflege (468.- EUR), besteht zudem ein Anspruchauf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Höhe derGrundstufe mit 104.- EUR (ggf. erhöhter Betrag von 208.- EUR)sowie Verhinderungspflege mit 134.- EUR anteilig pro Monat. ImFalle des Lebens in einer ambulant betreuten Wohngruppe könnten205.- EUR hinzukommen. Ohne Berücksichtigung des erhöhtenBetrags (eingeschränkte Alltagskompetenz) und desWohngruppen-zuschlags belaufen sich die genannten Leistungen auf 1.395.- EUR(plus Leistungen der Behandlungspflege nach SGB V).

� Stellt man analog eine Rechnung für Pflegestufe III auf, belaufensich die Leistungen bei vollstationärer Pflege auf 1.716.- EUR. Eineambulante Versorgung ohne Tagespflege aber mit zusätzlichenBetreuungs- und Entlastungsleistungen (Grundbetrag) und antei-liger Verhinderungspflege summiert sich (ohne Wohngruppen-

Kapitel-Hierachie: 3

Kapitel-Hierachie: 3

17 Vgl. Mauel: Pflegeheime am Scheideweg. In: bpa Magazin 3-4/2014.

St: Versosteuerdurchtungslation

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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zuschlag) auf 1.850.- EUR. Im Falle einer Kombination von ambu-lanter und teilstationärer Pflege kann sich die max. Leistungshöhe(ohne Wohngruppenzuschlag und ohne erhöhten Betrag bei einge-schränkter Alltagskompetenz) auf 3.471.- EUR summieren (plusLeistungen der Behandlungspflege nach SGB V).

Insbesondere die Kombination häuslicher Pflege mit Tagespflege wird– stehen beide Settings zur Verfügung und sind die Anspruchsvoraus-setzungen gegeben – angesichts der zu erzielenden max. Leistungs-höhe perspektivisch an Bedeutung gewinnen: für Pflegehaushalte, fürLeistungserbringer, für den Sozialhilfeträger.

2.4 Einführung des Pflegefonds16 Angesichts der demografischen Entwicklung wird ein Pflegevorsor-

gefonds eingerichtet, in den zukünftig jährlich rund 1,2 Mrd. EURfließen. Dies war in den Koalitionsverhandlungen zwischen den Re-gierungsparteien hoch strittig. Ab 2035 rücken vermehrt die geburten-starken Jahrgänge in die so genannten pflegenahen Jahrgänge vor. MitHilfe des Fonds sollen die dann erwarteten Belastungen der SozialenPflegeversicherung gedämpft werden. Die diesbezügliche Verein-barung im Koalitionsvertrag stellt eine Kompromisslösung dar. Dasim SGB XI nun eingefügte Kapitel „Bildung eines Pflegefonds“ (§§ 131bis 139 SGB XI in der Fassung des PSG I) kann – will man es positivformulieren – als ein Einstieg in einen Pflegevorsorgefonds bewertetwerden.

17 Die mit dem PSG I getroffene „Einstiegslösung“ stößt allenthalben aufKritik. Diese Kritik – ohne auf hier auf Regelungsdetails eingehen zuwollen – macht sich fest (a) am nicht sicheren Schutz vor Zweckent-fremdung der Finanzmittel, die als Sondervermögen bei der DeutschenBundesbank verwaltet werden. Eine Zweckentfremdung könnte be-reits durch ein einfaches Gesetz realisiert werden, wie auch die Bun-desbank konstatierte.18) Bemängelt wird weiterhin (b) der geringeEffekt hinsichtlich der durch „Entsparen“ des Fonds erzielten späterenBeitragssatzdämpfung und (c) die begrenzte Nachhaltigkeit. Letzt-genanntes zielt auf den Umstand ab, dass die Fondsmittel bereitsaufgebraucht sein werden, wenn die demografiebedingten Belastun-gen am höchsten sind.

Kapitel-Hierachie: 2

18 Rothgang/Müller u. a.: BARMER GEK Pflegereport. Schwerpunkt: Zahnärzt-liche Versorgung Pflegebedürftiger. Berlin 2014, S. 48.

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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2.5 Beitragssatzerhöhung18Bis 2017 fallenMehrausgaben in Höhe von insgesamt 4,8 Mrd. EUR an,

ab dem Folgejahr jährlich 2,4 Mrd. EUR. Die Mehrausgaben werdendurch Anpassung der Beitragssätze finanziert. Der Beitragssatz steigtab 1.1.2015 um 0,2 % für die genannten Leistungsverbesserungen undum 0,1 % für den Vorsorgefonds (PSG I) sowie nochmals um 0,2 % mitEinführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs (PSG II). Der Bei-tragssatz beträgt zum 1. Januar 2017 dann 2,55 % (bzw. 2,8 % fürKinderlose). Ob die moderate Anhebung des Beitragssatzes allerdingsausreichen wird, um die Mehrausgaben zu finanzieren, bleibt abzu-warten.

3 Das Pflegestärkungsgesetz II (PSG II)19Mit dem PSG II wird der § 14 SGB XI n. F.19) neu gefasst. Pflegebedürf-

tigkeit hat nun zur Voraussetzung, dass gesundheitlich bedingte Be-einträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten vorliegen,die der Hilfe von anderen bedürfen. Bei Pflegebedürftigkeit muss essich künftig um Personen handeln, die

� körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder

� gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen

nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Der Hilfebe-darf muss zudem – wie bereits heute – mindestens sechs Monate be-stehen.

3.1 Pflegebedürftigkeitsbegriff und Begutachtungs-assessment

20Maßgeblich für das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit sind Beeinträch-tigungen der Selbständigkeit oder Fähigkeitsstörungen in folgendensechs (Modul-)Bereichen, denen der Gesetzgeber jeweils definierteKriterien zuordnet:

(1) „Mobilität“mit 5 Kriterien (Gewichtung: 10 %),

(2) „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“mit 11 Kriterien,

Kapitel-Hierachie: 2

Kapitel-Hierachie: 1

19 Im Folgenden wird das SGB XI in der Fassung des PSG II als „neue Fassung“(n. F.) bezeichnet.

Kapitel-Hierachie: 2

St: BegutacassessmModul

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(3) „Verhaltensweisen und psychische Probleme“mit 13 Kriterien (diein Bereich 2 oder 3 erreichte höhere Punktzahl wird zu Grundegelegt, Gewichtung: 15 %),

(4) „Selbstversorgung“ mit 12 Kriterien (Gewichtung: 40 %),

(5) „Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits-oder therapiebedingten Anforderungen“mit 16 Kriterien (Gewich-tung: 20 %) und

(6) „Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte“ mit sechsKriterien (Gewichtung: 15 %).

21 Im Zuge der Begutachtung werden diese Kriterien anhand von Kate-gorien (sie lauten z. B. selbständig = 0 Punkte, überwiegend selbst-ändig = 1 Punkt, überwiegend unselbständig = 2 Punkte und unselbst-ändig = 3 Punkte oder beziehen sich auf definierte Häufigkeiten)ermittelt. Mit den erreichten Punkten und mittels der genannten Ge-wichtungen der sechs (Modul-)Bereiche wird der Pflegegrad errechnet.Fünf Pflegegrade lösen ab 1. Januar 2017 die bisherigen drei Pfle-gestufen ab (§ 15 SGB XI n. F.).

22 Ergänzend werden im Neuen Begutachtungsassessment (NBA) dieBereiche „Außerhäusliche Aktivitäten“ mit sieben Kriterien und„Haushaltsführung“ mit acht Kriterien erfasst. Ziel ist hier, Anhalts-punkte für einen Versorgungsplan nach § 7a SGB XI (Pflegeberatung)und für das Versorgungsmanagement nach § 11 Abs. 4 SGB V (Ent-lassung aus Krankenhaus und Reha-Klinik) – unabhängig von demPflegegrad – zu erlangen. Eine Bewertung im Hinblick auf die Zutei-lung eines Pflegegrades wird nicht vorgenommen, da die qualitativenAusprägungen in anderen Bereichen bereits berücksichtigt sind.

23 Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen (SpiBu Pflege) erlässt, umdie einheitliche Rechtsanwendung zu fördern, bis zum 31. Juli 2018Richtlinien zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des NBAund Richtlinien zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Begutach-tungsrichtlinien) (§ 17 SGB XI n. F.).

24 Vor dem Hintergrund der nunmehr fünf Pflegegrade werden dieLeistungsarten (= Hilfen), die das SGB XI bis dato gewährt, hinsichtlichdes Ergänzungs- bzw. Entlastungsbeitrags in Geld- und Sachleistungs-höhe neu justiert. Dies gilt für die Pflegegrade 2 bis 5 durchgängig. ImFalle des Pflegegrads 1 werden die in § 28a SGB XI (n. F.) aufgelistetenSGB XI-Leistungen gewährt. Das sind i. S. einer abschließenden Auf-zählung: Pflegeberatung gemäß §§ 7 und 7a, Beratung in der eigenen

St: BegutacassessmModul

St: BegutacassessmModul

St: Begutachtunlinie , 23

St: Leistungen bgegrad 1 , 24

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Häuslichkeit gemäß § 37 Abs. 3, zusätzliche Leistungen in ambulantenWohngruppen gemäß § 38a, Versorgung mit Hilfsmitteln gemäß § 40Abs. 4, zusätzliche Betreuung und Aktivierung in stationären Pfle-geeinrichtungen gemäß § 43b, Pflegekurse für Angehörige und ehren-amtliche Pflegepersonen gemäß § 45 sowie der Entlastungsbetrag inHöhe von 125 EUR gemäß § 45b im Wege der Erstattung von Kosten.Wählen Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 stationäre Pflege, wird einZuschuss in Höhe von 125 EUR monatlich gewährt.

25Ein Begleitgremium steht mit seiner Expertise der Umstellung vonPflegestufen auf Pflegegrade beratend zur Seite. Der Umstellungspro-zess wird begleitend wissenschaftlich evaluiert (§ 18c SGB XI n. F.).Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs entfällt derTerminus „eingeschränkte Alltagskompetenz“ (e. A.) und wird imSGB XI durchgängig gestrichen. Er diente bis dato zur Beschreibungvon spezifischen Beeinträchtigungen, die – nicht nur, aber besonders –Menschen mit Demenz ausbilden. Da die Pflegeversicherung hilfe-orientiert ist, verbot es sich im SGB XI, begrifflich auf eine Diagnose(hier: Demenz) zurückzugreifen.

26Nach Berechnungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)könnten nach Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs rund500.000 Personen zusätzlich anspruchsberechtigt werden20). Dies istsehr positiv zu werten, wird aber auch den Fachkräftebedarf weitererhöhen.

3.2 Überleitung, Bestandsschutz und Begutachtungim Jahr 2017

27Derzeit leben in Deutschland nach den Zahlen der Pflegestatistik desStatistischen Bundesamts rund 2,6 Millionen Personen, die als pflege-bedürftig nach dem alten Verfahren eingestuft worden sind.21) Für siefindet keine Neubegutachtung statt. Angewandt wird eine Überlei-tung mit folgenden Zuordnungen zum Stichtag: 31. Dezember 2016(vgl. zusammenfassend Abb. 1):

� Pflegestufe 1 ► Pflegegrad 2,

� Pflegestufe 2 ► Pflegegrad 3,

20 Ärzte Zeitung online vom 5.1.2016.

Kapitel-Hierachie: 2

21 Statistisches Bundesamt: Pflegestatistik 2013. Deutschlandergebnisse. Wiesba-den 2015.

St: EvaluatUmstelaufgegrade

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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� Pflegestufe 3 ► Pflegegrad 4,

� Härtefall ► Pflegegrad 5.

28 Liegt „eingeschränkte Alltagskompetenz (e. A.)“ gemäß § 45a SGB XIvor, gilt folgende Überleitungssystematik:

� keine Pflegestufe, aber e. A. ► Pflegegrad 2,

� Pflegestufe 1 plus e. A. ► Pflegegrad 3,

� Pflegestufe 2 plus e. A. ► Pflegegrad 4,

� Pflegestufe 3 plus e. A. ► Pflegegrad 5.

29 Personen, die am 31. Dezember 2016 Anspruch auf Leistungen derPflegeversicherung erhalten, wird Bestandsschutz (§ 141 SGB XI n. F.)auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen gewährt. Auch im Falleeiner Begutachtung nach dem 1.1.2017 bleibt der mit der Überleitungfestgelegte Pflegegrad erhalten, es sei denn, ein höherer Pflegegradwurde festgestellt (§ 140 Abs. 3 SGB XI n. F.).

Abb. 1: Überleitung der Pflegestufen zu PflegegradenQuelle: Eigene Darstellung.

Abb. 1

bb. 1Datei: Abb. 1:

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30Bei Versicherten, die nach § 140 SGB XI (n. F.) von der Pflegestufe ineinen Pflegegrad übergeleitet wurden, werden bis zum 1. Januar 2019keine Wiederholungsbegutachtungen nach § 18 Abs. 2 Satz 5 SGB XIn. F. durchgeführt (= Überprüfung des Pflegegrades in angemessenenAbständen), es sei denn, eine Reduktion des Pflegegrades steht aufGrund einer Operation oder Reha-Maßnahme zu erwarten. Die 25-Arbeitstage-Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI bleibt vom 1.1.2017 bis31.1.2017 unbeachtet. Liegt ein dringlicher Entscheidungsbedarf vor,so ist die Pflegekasse hiervon abweichend verpflichtet, spätestens fünfWochen nach Eingang des Antrags bei der Pflegekasse die Entschei-dung schriftlich mitzuteilen. Der SpiBu Pflege entwickelt bundesein-heitliche Kriterien für das Vorliegen und die Feststellung eines beson-ders dringlichen Entscheidungsbedarfs (§ 18 Abs. 2b SGB XI n. F.). Esist zu erwarten, dass sich im Jahr 2017 – wenn kein besonders dring-licher Entscheidungsbedarf vorliegt – Begutachtungsverfahren überlängere Zeitspannen als zuletzt hinziehen werden.

3.3 Über das PSG I hinausgehende leistungsrechtlicheFlexibilisierungen in der häuslichen Pflege alsFolge des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs

31Mit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs werden gemäߧ 4 Abs. 1 in Verbindung mit den Bestimmungen zur häuslichen Pflegegemäß § 36 SGB XI die Leistungsarten, die als Sachleistung in An-spruch genommen werden können, neu definiert. Das Leistungsspek-trum wird im PSG II wie folgt bestimmt: Häusliche Pflegehilfe (§ 36SGB XI n. F.) umfasst (1) körperbezogene Pflegemaßnahmen, (2) pfle-gerische Betreuungsmaßnahmen und (3) Hilfen bei der Haushaltsfüh-rung. Bestandteil der häuslichen Pflegehilfe – so die Nomenklatur – istweiterhin die pflegefachliche Anleitung von Pflegebedürftigen undPflegepersonen.

32In der Amtlichen Begründung, in der der Gesetzgeber seine Intentio-nen darlegt, wird ausgeführt, dass alle drei o. g. Leistungstypen gleich-wertig sind und der Versicherte aus ihnen seine Hilfe frei auswählenkann. Pflegerische Betreuungsmaßnahmen umfassen ein breites Spek-trum möglicher Hilfen (inkl. z. B. Spaziergänge außer Haus zumFriedhof oder Hilfen zur Bewältigung finanzieller und administrativerErledigungen).

Kapitel-Hierachie: 2

St: Wiederhbegutach30

St: Häuslicgehilfe

St: Häuslicgehilfe

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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33 DieseWahlmöglichkeiten fördern nochmals die Individualisierung derPflege, die der Gesetzgeber bereits mit dem PSG I in § 45a SGB XIangestoßen hat. Auch bleiben die o. g. Kombinationsmöglichkeiten(z. B. Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege), die zum 1. Januar2015 im SGB XI eingeführt wurden, bestehen. In den Beschlüssen desGesundheitsausschusses wurde kurz vor der letzten Lesung des PSG IIim Deutschen Bundestag zudem eine Definition pflegerischer Betreu-ungsmaßnahmen ins Gesetz aufgenommen (§ 36 Abs. 2 SGB XI n. F.).Danach umfassen pflegerische Betreuungsmaßnahmen „Unterstüt-zungsleistungen zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichenLebens im häuslichen Umfeld“. Verwiesen wird insbesondere aufUnterstützungsleistungen bei

� der Bewältigung psychosozialer Problemlagen oder von Gefähr-dungen,

� bei der Orientierung, bei der Tagesstrukturierung, bei der Kom-munikation, bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und beibedürfnisgerechten Beschäftigungen im Alltag sowie

� durch Maßnahmen der kognitiven Aktivierung.

34 Die Einbeziehung neuer Leistungsinhalte impliziert, dass die Empfeh-lungen zu Rahmenverträgen nach § 75 SGB XI (inkl. der sich anschlie-ßenden Vertragsverhandlungen auf Länderebene) entsprechend ange-passt und die Rahmenverträge auf Landesebene neu verhandelt werdenmüssen. Dies gilt neben der häuslichen Pflegehilfe gleichermaßen fürTages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege und vollstationäre Pflege.

35 Der Terminus „niedrigschwellige Betreuung und Entlastung“ als Leis-tungsart wird mit dem PSG II durchgängig gestrichen und durchAngebote „zur Unterstützung im Alltag“ – so die neue Nomenklatur– ersetzt. Angebote zur Unterstützung im Alltag (§ 45a SGB XI n. F.)umfassen drei Typen:

� „Betreuungsangebote“ (in Gruppen und im häuslichen Bereich),

� „Angebote zur Entlastung von Pflegenden“ (als gezielte Entlastungoder beratende Unterstützung) und

� „Angebote zur Entlastung im Alltag“ (zur Bewältigung von all-gemeinen oder pflegebedingten Anforderungen oder im Haushaltoder bei der Organisation von eigenverantwortlichen Hilfeleistun-gen).

St: Pflegerischeungsmaßnah33

St: Häusliche Pfl, 33

St: Häusliche Pfl, 34

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36Die Anerkennung solcher Angebote unterliegt dem Landesrecht (Rechts-verordnung). Voraussetzung ist auch weiterhin ein Konzept mit Anga-ben zur Qualitätssicherung sowie eine Leistungsübersicht inkl. Angabenzu den Kosten. Pflegebedürftige mit mindestens Pflegegrad 2 erhalteneine Kostenerstattung zum Ersatz der Aufwendungen. Aufwendungenfür Angebote zur Unterstützung im Alltag können bei häuslicher Pflegebis zu einer Höhe von 40 % aus dem Sachleistungsbudget, sofern keineambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden, erstattet werden.Diese Regelung wurde bereits mit dem PSG I getroffen. Der Entlastungs-betrag beläuft sich nun einheitlich auf monatlich 125.- EUR; der erhöhteBetrag nach § 45b SGB XI (Fassung PSG II) entfällt.

37Häusliche Pflege gemäß § 36 SGB XI und Angebote zur Unterstützungim Alltag gemäß § 45a SGB XI in der Fassung des PSG II eröffnen nuneinen breiten Gestaltungsspielraum für Versicherte, sich passförmigeHilfen zusammenzustellen.

3.4 Profilierung der Pflegeberatung38Im Rahmen der Informationspflichten nach § 7 SGB XI n. F. sind die

Leistungs- und Preisvergleichslisten, die der antragsstellenden Personübermittelt werden, einmal im Quartal zu aktualisieren. Definiert sindnun Mindestangaben, die diese Listen enthalten müssen. Normiert istdas Erfordernis der Internetpräsenz.

39Durch mehr Optionalität in der Ausgestaltung häuslicher Pflege(Wahlmöglichkeiten in § 36 SGB XI und § 45a SGB XI in der FassungPSG II) und mehr Kombinationsfähigkeit bestimmter Sachleistungs-budgets (z. B. Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege) erhöht sichdie Komplexität, das ambulante Setting den individuellen Erforder-nissen und Präferenzen anzupassen. Soll die (pflege-)politisch gewollteIndividualisierung der Pflege eingeleitet werden, ist es unabdingbar,die Pflegeberatung nach § 7a SGB XI weiter zu profilieren.

40Mit dem PSG II werden zum einen die Aufgabenprofile von Pflege-kasse (Aufklärung und Information in § 7 SGB XI) und Pflegeberatung(im Kern wie bislang bereits in § 7a SGB XI genannt) präziser unter-schieden. Zudem wird der Gesamtkomplex „Aufklärung – Informa-tion – Beratung“ durch Verschiebung der geltenden Bestimmungen zuPflegestützpunkten im Inhaltsverzeichnis des SGB XI n. F. (nun als § 7cSGB XI n. F.) formal systematisiert. Zum anderen soll Personen, dieAnspruch auf Leistungen nach SGB XI haben, unverzüglich ein zu-

Kapitel-Hierachie: 2

St: Untersim Allt

St: Untersim Allt

St: Pflegebin derchenbung ,

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ständiger Pflegeberater/eine zuständige Pflegeberaterin oder einesonstige Beratungsstelle benannt werden (§ 7a SGB XI n. F.). Diebisherige Kann-Leistung – auf Wunsch einer anspruchsberechtigtenPerson kann die Beratung in der häuslichen Umgebung oder in einerEinrichtung, in der diese Person lebt, stattfinden – wird zur Pflicht-Leistung (§ 7a Abs. 2 SGB XI in der Fassung PSG II); die Pflegebera-tung erfolgt nunmehr auf Wunsch einer anspruchsberechtigten Personin der häuslichen Umgebung oder in der Einrichtung, in der diesePerson lebt. Folge ist, dass Pflegekassen ohne Filialen in den Regionenentweder eine dezentrale Beratungsstruktur ausbilden oder sich ananderen Beratungsorganisationen beteiligen müssen (§ 7a Abs. 8SGB XI n. F.).22)

41 Zur Erstellung eines Versorgungsplans werden gemäß § 17a SGB XIRichtlinien erarbeitet, für die der Gesetzgeber Mindestanforderungenbenennt. Bis zum 31. Juli 2018 wird der SpiBu Pflege zudem dieEmpfehlungen zur erforderlichen Anzahl, Qualifikation und Fortbil-dung von Pflegeberater(inne)n neu fassen.

42 Die Evaluation der Pflegeberatung (inkl. der Wirkung von Pflegebera-tung) findet im dreijährigen Turnus statt, erstmals zum 30. Juni 2020.Der SpiBu Pflege wird unter Beteiligung des MDS und des SpiBu derKrankenkassen (sowie anderer im Gesetz genannter Akteure) bis zum31. Juli 2018 Richtlinien zur einheitlichen Durchführung der Pflegebe-ratung nach § 7a SGB XI (so genannte Beratungs-Richtlinien) erlassen.Diese sind für Pflegeberater(innen), Beratungsstellen und Pflegestütz-punkte unmittelbar bindend. Sie werden wirksam nach Genehmigungdurch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).

3.5 Veränderungen für die stationäre Pflege43 Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 haben Anspruch auf voll-

stationäre Pflege (wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht mög-lich ist oder fallbezogen nicht in Betracht kommt). Die pauschalenLeistungsbeträge beziehen sich auf „pflegebedingte Aufwendungeneinschließlich Aufwendungen der Betreuung und Aufwendungen fürLeistungen der medizinischen Behandlungspflege“. § 82 SGB XI n. F.

22 So wird z. B. die BKK Bahn zukünftig die Beratung ihrer pflegebedürftigenVersicherten durch Compass (Pflegeberatung der privaten Pflegeversicherung)realisieren.

Kapitel-Hierachie: 2

St: Versorgungsp– Mindesta

rungen a

St: Evaluation dgeberatung ,

St: Betreuung intionärer Pfleg

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regelt, dass die Pflegevergütung auch die Betreuung und die medizi-nische Behandlungspflege – sofern kein Anspruch auf Krankenpflegenach § 37 SGB V besteht – umfasst. Der Begriff der „sozialen Betreu-ung“ ist durchgängig durch „Betreuung“ ersetzt. Welche Auswir-kungen diese Änderung auf die Rahmenempfehlungen nach § 75SGB XI ggf. haben wird, bleibt abzuwarten. Streng genommen müss-ten auch in der stationären Pflege die in Betracht kommenden Leis-tungsinhalte in der Empfehlung zu den Rahmenverträgen nach § 75SGB XI neu umrissen bzw. definiert werden und auf Landesebene neuverhandelt werden. Wählen Pflegebedürftige des Pflegegrads 1 voll-stationäre Pflege, erhalten sie zu diesen Aufwendungen lediglich 125.-EUR monatlich (§ 43 Abs. 3 n. F.).23)

44Mit Blick auf die Bemessungsgrundsätze (§ 85 SGB XI n. F.) ist nor-miert, dass die Pflegesätze sich nach dem Versorgungsaufwand, denPflegebedürftige nach Art und Schwere benötigen, richten. Neu ist dieBestimmung, dass für die Pflegegrade 2 bis 5 einrichtungseinheitlicheEigenanteile zu ermitteln sind. Das heißt, der Eigenanteil steigt nichtmehr mit einer höheren Pflegebedürftigkeit, gemessen am Pflegegrad.Dies wird dazu führen, dass geringere Pflegegrade bei einheitlichenEigenanteilen höhere Beträge zu entrichten haben, während höherePflegegrade entlastet werden. Für Personen, die vor am 31.12.2016pflegebedürftig sind, erhalten die Einrichtungen im Rahmen der Be-sitzstandswahrung einen Zuschlag, der die Differenz zum (geringeren)Eigenanteil monatlich ausgleicht (§ 141 Abs. 2 SGB XI n. F.). Es steht zuvermuten, dass

� höhere Eigenleistungen bei unteren Pflegegraden die Nachfragenach stationärer Versorgung zunächst einmal dämpfen, ehe sichangesichts steigender Zahlen Pflegebedürftiger dieser Effekt wiederverlieren wird und

� höhere Kosten für Pflegebedürftige mit geringerem Pflegegrad denTrend, dass Pflegeheime vermehrt schwere und finale Pflege zuleisten haben, forcieren.

23 Gestrichen wurde im Zuge der Lesungen des PSG II im Deutschen Bundestagdie Bestimmung, dass Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 die vollstationärePflege wählen, obgleich diese nach Feststellung der Pflegekassen nicht erforder-lich ist, erhalten 80 % des für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen pauscha-len Leistungsbetrags (§ 43 Abs. 4 n. F.).

St: Eigenanrichtungheitliche

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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Der einrichtungseinheitliche Eigenanteil ist bei veränderten Pflegesät-zen jeweils neu zu ermitteln.24)

45 Die so genannten zusätzlichen Leistungen der Betreuung und Aktivie-rung (§ 87b SGB XI) werden mit Vergütungszuschlägen abgegolten.Pflegebedürftige dürfen mit diesen Vergütungszuschlägen weder ganznoch teilweise belastet werden. Im Hinblick auf das Pflegesatzverfah-ren erfolgt in § 85 Abs. 8 SGB XI n. F. nochmals eine Klarstellung, aufwelchen Grundlagen eine Vereinbarung des Vergütungszuschlagsbasiert.

46 Der SpiBu Pflege hat für Leistungen nach § 43b SGB XI gemäß § 53cSGB XI n. F. eine Richtlinie zur Qualifikation und zu den Aufgabenzusätzlicher Betreuungskräfte zu beschließen. Ergänzend wird be-stimmt, welche Instanzen oder Organisationen hierzu anzuhören sind.Die Richtlinie hat zudem den „State of the Art“ zu beachten.

47 Im Falle eines Reha-Erfolgs mit Rückstufung des Pflegegrades, diesechs Monate Bestand haben muss, wird gemäß § 87a Abs. 4 SGB XIn. F. von der Pflegekasse eine Prämie in Höhe von 2.952 EUR (bisher:1.597 EUR) an die Pflegeeinrichtung bezahlt.

48 Die ab dem 1. Januar 2016 geltenden Pflegesätze bleiben bis zum31.12.2016 unverändert, ebenso die Pflegesatzvereinbarungen, die neuauf der Grundlage des § 84 Abs. 2 in der am 1.1.2016 geltendenFassung angeschlossen werden. Ab dem 1. Januar 2017 sind mit Blickauf dann fünf Pflegegrade neue Pflegesätze zu vereinbaren (§ 92cSGB XI n. F.). Ist bis drei Monate vor dem 1. Januar 2017 keine neueVereinbarung nach § 92c SGB XI n. F. abgeschlossen, findet gemäß

24 Auf den Internetseiten des BMG sind dazu folgende Ausführungen zu finden:„In der vollstationären Pflege kommt es für die Betroffenen nicht auf die Höheder Leistungsbeträge an sondern auf die Höhe des Eigenanteils, der aus eigenerTasche bezahlt werden muss. Dieser Eigenanteil steigt bisher mit der Einstufungin eine höhere Pflegestufe. Künftig wird der pflegebedingte Eigenanteil mitzunehmender Pflegebedürftigkeit nicht mehr ansteigen. Dadurch werden vielePflegebedürftige entlastet. Alle Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 bezah-len in einem Pflegeheim den gleichen pflegebedingten Eigenanteil. Dieser unter-scheidet sich zwischen den Pflegeheimen. Im Bundesdurchschnitt wird derpflegebedingte Eigenanteil im Jahr 2017 voraussichtlich bei rund 580 EURliegen. Hinzu kommen für die Pflegebedürftigen Kosten für Verpflegung, Un-terkunft und Investitionen. Auch diese unterscheiden sich von Pflegeheim zuPflegeheim.“ Quelle:

http://www.bmg.bund.de/ministerium/meldungen/2015/pflegestaerkungs-gesetz-ii.html [abgerufen am 5.10.2015].

St: Betreuung unvierung , 45

St: Betreuung unvierung , 46

St: Überleitung dgesätze , 48

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§ 92d SGB XI n. F. ein Umrechnungsverfahren statt, um (1) die Pflege-sätze für die fünf Pflegegrade und (2) den einrichtungseinheitlichenEigenanteil zu ermitteln. Dabei kann die Pflegesatzkommission dasNähere für ein vereinfachtes Verfahren unter Einbeziehung der alter-nativen Überleitung nach § 92d SGB XI n. F. sowie für einen ange-messenen Zuschlag für die voraussichtlichen Kostensteigerungsratenbestimmen. Grundlage für die alternative Überleitung ist der Gesamt-betrag der Pflegesätze, die dem Pflegeheim am 30. September 2016zustehen, hochgerechnet auf einen Kalendermonat (Bewohner mitPflegestufe I bis III und Bewohner ohne Pflegestufe, aber mit einge-schränkter Alltagskompetenz). Der so ermittelte Gesamtbetrag ist indie Pflegegrade 2 bis 5 umzurechnen. Die übergeleiteten Pflegesätzeergeben sich danach als Summe aus dem Leistungsbetrag nach § 43SGB XI n. F. und dem in allen Pflegegraden gleich hohen Zuzahlungs-betrag. Dies wird in § 92e in eine Überleitungsformel (stationäre PflegeAbs. 2, teilstationäre Pflege Abs. 3) transformiert. Der Pflegesatz fürPflegegrad 1 beträgt bis zur Ablösung durch eine neue Pflegesatzver-einbarung 78 % des Pflegesatzes für Pflegegrad 2.

49Das Pflegeheim teilt den Kostenträgern bis zum 31. Oktober 2016 diebisherigen Pflegesätze, die Aufteilung der Bewohner entsprechendihrer bisherigen Einstufung und der Angabe zum Vorliegen einereingeschränkten Alltagskompetenz sowie den Stichtagsbetrag nach§ 92e SGB XI n. F. mit. Die Angaben sind durch geeignete Unterlagenzu belegen. Es genügt die Mitteilung an eine Pflegekasse. Erhalten diePflegekassen keine entsprechende Mitteilung, sind sie zu einer Schät-zung berechtigt und informieren das Pflegeheim darüber unverzüglich(§ 92e Abs. 2 SGB XI n. F.). Abweichend von den Bestimmungen des§ 9 Abs. 2 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes sind die Heimbe-wohner des Pflegeheims bis spätestens 30. November 2016 über diedanach geltenden Pflegesätze (inkl. einrichtungseinheitlicher Eigen-anteil) schriftlich zu informieren.

50Eingefügt wurde § 115a SGB XI n. F., der eine Übergangsregelung fürdie Pflege-Transparenzvereinbarung und Qualitätsprüfungs-Richtlinieenthält. Die Vertragsparteien nach § 113 SGB XI passen die Pflege-Transparenzvereinbarung an das Gesetz in der am 1. Januar 2017geltenden Fassung an. Kommt bis zum 30. Juni 2016 keine einver-nehmliche Einigung zustande, entscheidet der erweiterte Qualitäts-ausschuss nach § 113b Abs. 3 SGB XI n. F. Der SpiBu Pflege passt dieQualitätsprüfungs-Richtlinie unverzüglich an das Gesetz mit Stand

St: ÜberleitPflegesä

St: Pflepareeinb50

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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vom 1. Januar 2016 und bis zum 30. September 2016 an die geändertePflege-Transparenzvereinbarung an.

3.6 Personalbemessung51 Die Pflegevertragsparteien nach § 113 SGB XI stellen (im Einverneh-

men mit BMG und BMFSFJ und unter Beteiligung des MDS, desVerbandes der privaten Krankenversicherung e. V. und der Verbändeder Pflegeberufe auf Bundesebene) die Entwicklung und Erprobungeines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Per-sonalbemessung nach qualitativen und quantitativen Maßstäben si-cher (§ 113c SGB XI n. F.). Gefordert ist ein strukturiertes, empirischabgesichertes und valides Verfahren auf Basis des durchschnittlichenVersorgungsaufwands für direkte und indirekte pflegerische Maßnah-men sowie für Hilfen bei der Haushaltsführung unter Berücksichti-gung der fachlichen Ziele und Konzeption des neuen Pflegebedürftig-keitsbegriffs. Entwicklung und Erprobung sind bis zum 30. Juni 2020abzuschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) legt imEinvernehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren,Frauen und Jugend (BMFSFJ) unter Beteiligung der Vertragsparteienunverzüglich in einem Zeitplan konkrete Zeitziele für die Entwick-lung, Erprobung und Auftragsvergabe fest. Werden Zeitziele nichtfristgerecht erreicht oder die Auftragsvergabe gefährdet, kann dasBMG im Einvernehmen mit dem BMFSFJ im Wege der Ersatzvornah-me einzelne Verfahrensschritte selbst durchführen.

3.7 Weitere leistungsrechtliche Neuregelungen52 Der Medizinische Dienst wird zur Anwendung eines bundesweit

einheitlichen, strukturierten Verfahrens für die Rehabilitationsempfeh-lungen verpflichtet.

53 Im Rahmen der Pflegebegutachtung haben die Gutachter Empfehlun-gen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abzugeben. So-weit die Empfehlungen den Zielen von § 40 SGB XI dienen, geltendiese bei Zustimmung des Versicherten als Antrag auf Leistungs-gewährung. Eine Konkretisierung, welche Hilfsmittel und Pflegehilfs-mittel den Zielen von § 40 SGB XI dienen, erfolgt in Rahmen derBegutachtungs-Richtlinien.

Kapitel-Hierachie: 2

Kapitel-Hierachie: 2

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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54Für Beratungsbesuche, die Pflegegeldbezieher nach § 37 Abs. 3 SGB XIabrufen, werden von den Pflegevertragsparteien bis zum 1. Januar2018 „Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche“beschlossen.

55Leistungen der Tages- und Nachtpflege nach § 41 SGB XI können inambulant betreuten Wohngruppen nur dann bezogen werden, wenngegenüber der Pflegekasse durch eine Prüfung des MDK nachgewiesenist, dass die Pflege in der ambulant betreuten Wohngruppe ohne teil-stationäre Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt ist.25)

56Die Finanzmittel zur Verbesserung der Versorgung und Unterstüt-zung Pflegebedürftiger können auch für die Beteiligung von Pflege-kassen an regionalen Netzwerken verwandt werden (§ 45c Abs. 9SGB XI n. F.). Der maximale Förderbetrag beläuft sich je Kreis oderkreisfreier Stadt auf 20.000.- EUR.

3.8 Dynamisierung der Versicherungsleistung57In § 30 SGB XI n. F. wird bestimmt, dass eine Prüfung, ob die Notwen-

digkeit zu einer Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherungbesteht, im Jahre 2020 vorgenommen wird. Dies bedeutet, dass diezum 1. Januar 2017 geltenden Leistungsbeträge der fünf Pflegegradebis zum Prüfungsjahr unverändert gelten. Die zunächst für das Jahr2017 avisierte nächste Prüfung einer ggf. erforderlichen Anpassung(PSG I) entfällt.

3.9 Neuausrichtung der Qualitätssicherung58Der Gesetzgeber bestimmt in § 113 Abs. 1 SGB XI n. F., dass „Maßstäbe

und Grundsätze für die Qualität, Qualitätssicherung und Qualitäts-darstellung“ für stationäre Pflegeeinrichtungen bis zum 30. Juni 2017und für die ambulante Pflege bis zum 30. Juni 2018 (neu) zu verein-baren sind. Eingeschlossen sind Anforderungen an eine praxistaug-liche, den Pflegeprozess unterstützende und die Pflegequalitätfördernde Pflegedokumentation. Eine Überprüfung erfolgt in regelmä-ßigen Abständen, und die Überprüfung wird an den medizinisch-

25 In Ihrer Stellungnahme vom 29.9.2015 hatte die AOK auf einen möglichenLeistungsmissbrauch durch eine geschickte Verbindung von Wohngruppen-modellen und Tagespflege hingewiesen. http://www.aok-bv.de/politik/re-formaktuell/index_14341.html.

Kapitel-Hierachie: 2

Kapitel-Hierachie: 2

St: WertverPflegelegen , 57

St: MaßstäGrundszur Qu58

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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pflegefachlichen Fortschritt gebunden (Lex artis). Soweit sich durchPflegedokumentationsmodelle zeitliche Einsparungen ergeben, führendiese – so die Klarstellung des Gesetzgebers – nicht zu einer Absen-kung der Pflegevergütung, sondern wirken Arbeitsverdichtungen ent-gegen (§ 113 Abs. 1 SGB XI n. F.).

59 Eingefügt wird in § 113 SGB XI ein neuer Absatz 1a, der Mindest-inhalte für die neu zu vereinbarenden Maßstäbe und Grundsätze fest-legt. Bestimmt wird, dass insbesondere das indikatorengestützteVerfahren zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergeb-nisqualität im stationären Bereich zu beschreiben ist. Auf der Grund-lage einer strukturierten Datenerhebung im Rahmen des internenQualitätsmanagements sind eine Qualitätsberichterstattung und ex-terne Qualitätsprüfungen zu ermöglichen. Festzulegen sind ferner (1)die Indikatoren, das Datenerhebungsinstrument und die bundeswei-ten Verfahren für die Übermittlung, Auswertung und Bewertung derDaten sowie (2) die von Externen durchzuführende Prüfung der Datenunter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen, die eineWiederherstellung des Personenbezugs ausschließen.

60 Zur Sicherstellung der Wissenschaftlichkeit wird weiterhin festgelegt,dass die Vertragsparteien unverzüglich die Beauftragung wissen-schaftlicher Einrichtungen oder Sachverständiger gemäß § 113b Abs. 4SGB XI n. F. vorzunehmen haben.

61 Im Rahmen eines Vergabeverfahrens beauftragen die Pflegevertrags-parteien eine fachlich unabhängige Institution, die die o. g. erhobenenDaten zusammenführt sowie leistungserbringerbeziehbar und fall-beziehbar auswertet. Die beauftragte Institution leitet zum Zweck derPrüfung der von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und ihrerQualität sowie zum Zweck der Qualitätsdarstellung die ausgewertetenDaten an die Landesverbände der Pflegekassen und die von ihnenbeauftragten Prüfinstitutionen oder Sachverständige weiter. Die am1. Januar 2016 geltenden Maßstäbe und Grundsätze wirken bis zumAbschluss der neuen fort.

62 § 113b SGB XI galt bislang den rechtlichen Bestimmungen zur Schieds-stelle Qualitätssicherung. Mit dem PSG II wird die Schiedsstelle umge-wandelt in einen Qualitätsausschuss. Dieser besteht aus Vertretern desSpiBu Pflege (Leistungsträger) und der Träger der Pflegeeinrichtungenauf Bundesebene (Leistungserbringer) in gleicher Zahl (höchstens je-weils zehn Mitglieder). Andere vertretene Institutionen bzw. Organi-sationen (wie Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände

St: Qualitätserstattun

St: MaßstäbeGrundsätQualität ,

St: Qualitätserstattun

St: Qualitätserstattun

St: Qualitätsaus62

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oder Verbände der Pflegeberufe) werden jeweils als Mitglieder denLeistungsträgern oder Leistungserbringern zugeordnet. Jedes Mitgliederhält eine Stimme; der MDS wirkt beratend mit.

63Kommt im Qualitätsausschuss eine Vereinbarung oder ein Beschlussganz oder teilweise nicht einvernehmlich zustande, wird der Qualitäts-ausschuss auf Verlangen von mindestens einer Vertragspartei gemäߧ 113 SGB XI oder eines Mitglieds des Qualitätsausschusses oder desBMG um einen unparteiischen Vorsitzenden und zwei weitere unpar-teiische Mitglieder erweitert (= erweiterter Qualitätsausschuss). Benen-nen Organisationen, die Mitglieder in den Qualitätsausschuss entsen-den, diese nicht bis zum 31. März 2016, wird der Qualitätsausschussdurch die drei unparteiischen Mitglieder gebildet. Die unparteiischenMitglieder und ihre Stellvertreter führen ihr Amt als Ehrenamt. Derunparteiische Vorsitzende wird vom BMG, die beiden unparteiischenMitglieder werden von den Vertragsparteien gemeinsam benannt. Mit-glieder des Qualitätsausschusses können nicht in eine unparteiischePosition wechseln. Kommt eine Einigung über die Benennung derbeiden unparteiischen Mitglieder nicht innerhalb der vom BMG ge-setzten Frist zustande, erfolgt deren Benennung durch das BMG. DieFestsetzungen des erweiterten Qualitätsausschusses haben die Rechts-wirkung einer vertraglichen Vereinbarung oder Beschlussfassung(§ 113b Abs. 3 SGB XI n. F.).

64Die beauftragten wissenschaftlichen Einrichtungen oder Sachverstän-digen haben gemäß § 113b SGB XI n. F. insbesondere folgende Aufga-ben:

� Entwicklung der Instrumente für die Prüfung der Qualität der Leis-tungen, die von stationären Pflegeeinrichtungen erbracht werden,und für die Qualitätsberichterstattung in der stationären Pflege biszum 31. März 2017 unter (a) Einbeziehung der 2011 vorgelegtenErgebnisse des Projekts zur Entwicklung und Erprobung von In-strumenten zur Beurteilung der Ergebnisqualität und die Ergebnisseder Umsetzungsprojekte sowie (b) Berücksichtigung von Aspektender Struktur- und Prozessqualität.

� Entwicklung eines Datenerhebungsinstruments, eines bundeswei-ten Verfahrens für die Übermittlung und Auswertung der Dateninkl. Bewertungssystematik sowie für die Prüfung der Daten durchExterne bis zum 31. März 2017.

St: Qualischus

St: Qualischus

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� Entwicklung der Instrumente für die Prüfung der Qualität der am-bulanten Pflegeeinrichtungen bis zum 31. März 2017 und derenPilotierung mit Abschlussbericht bis zum 31. März 2018.

� Entwicklung von Instrumenten für die Ermittlung und Bewertungvon Lebensqualität.

� Evaluierung der Umsetzung der Positionen 1 bis 3 und Unterbrei-tung von Vorschlägen für die Pflegevertragsparteien zur Anpassungder Verfahren an den neuesten Stand wissenschaftlicher Erkennt-nisse.

� Entwicklung eines Konzepts für Qualitätssicherung in neuenWohn-formen.

� BMG und BMFSFJ können den Pflegevertragsparteien weitere The-men zur wissenschaftlichen Bearbeitung vorschlagen. Die Finanzie-rung erfolgt aus Mitteln des Ausgleichfonds der Pflegeversicherung.Die Auftragnehmer haben zu gewährleisten, dass die Ergebnisseumsetzbar sind, und darzulegen, welche finanziellen Auswirkun-gen die Umsetzung nach sich ziehen würde.

65 Die Pflegevertragsparteien richten gemeinsam bis zum 31. März 2016eine qualifizierte Geschäftsstelle des Qualitätsausschusses für dieDauer von fünf Jahren ein (§ 113b Abs. 6 SGB XI n. F.). Sie fungiert alswissenschaftliche Beratungs- und Koordinierungsstelle (wissenschaft-liche Beratung der Mitglieder, Koordination der Auftragsverfahren,Aufbereitung wissenschaftlicher Ergebnisse für die Entscheidung imQualitätsausschuss). Die Vertragsparteien legen Näheres zur Arbeits-weise des Qualitätsausschusses in einer Geschäftsordnung dar (§ 113bAbs. 7 SGB XI n. F.). Diese wird mit im Gesetz genannten Institutionenabgestimmt. Sie bedarf zudem der Zustimmung des BMG im Beneh-men mit dem BMFSFJ.

66 Die vom Qualitätsausschuss getroffenen Entscheidungen sind demBMG vorzulegen. In § 113b Abs. 8 SGB XI n. F. wird geregelt, wie mitBeanstandungen, Nichtbeanstandungen und Überschreiten von Fris-ten umzugehen ist.In § 114 Abs. 5 SGB XI n. F. (Qualitätsprüfungen) ist gestrichen, dassWiederholungsprüfungen auf Antrag der Pflegeeinrichtungen kosten-pflichtig sind.

67 Die Richtlinien über die Durchführung der Prüfung der in Pflegeein-richtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach § 114SGB XI sind im stationären Bereich bis zum 31. Oktober 2017 und im

St: Qualitätsaus65

St: Qualitätsaus66

St: Richtlinie naSGB XI , 67

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Die neuen Rahmenbedingungen der Pflege

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ambulanten Bereich bis 31. Oktober 2018 (neu) zu beschließen. Zubeteiligende Institutionen bzw. Organisationen werden im Gesetzbenannt. Sie treten gleichzeitig mit der entsprechenden Qualitätsdar-stellungsvereinbarung nach § 115 SGB XI n. F. in Kraft. Die Maßstäbeund Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflege-qualität sind in der Erstellung der Richtlinie zu berücksichtigen. DieRichtlinie ist in regelmäßigen Abständen an den medizinisch-pflege-fachlichen Fortschritt anzupassen (Lex artis). Das BMG kann Beanstan-dungen vornehmen. Die Richtlinie ist für MDK und Prüfdienste derprivaten Pflegekassen verbindlich.

68Die Landesverbände der Pflegekassen stellen sicher, dass die von Pfle-geinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität verständ-lich, übersichtlich und vergleichbar im Internet und in anderervergleichbarer Form kostenfrei veröffentlicht werden. Die Pflegever-tragsparteien vereinbaren, welche Ergebnisse bei der Darstellung derQualität für den ambulanten und stationären Bereich zugrunde zulegen sind und wieweit weitere Informationen ergänzend einbezogenwerden. Die in § 113b Abs. 4 SGB XI n. F. genannten Ergebnisse dervergebenen Aufträge sind zu berücksichtigen. Gegenstand dieser Qua-litätsdarstellungsvereinbarung sind auch die Form der Darstellungund die Bewertungssystematik. Bei Anlassprüfungen bilden die Prüf-ergebnisse aller in die Prüfung einbezogenen Pflegebedürftigen dieGrundlage für die Bewertung und Darstellung der Qualität. Ergebnis-se von Wiederholungsprüfungen sind zeitnah zu berücksichtigen. DieArt der Prüfung ist kenntlich zu machen.

69Die Qualitätsdarstellungsvereinbarung für den stationären Bereich istbis zum 31. Dezember 2017, für den ambulanten Bereich bis zum31. Dezember 2018 zu schließen (§ 115 Abs. 1a. Das Gesetz nennt diezu beteiligenden oder mitwirkenden Institutionen bzw. Organisatio-nen. Bestehende Vereinbarungen gelten bis zum Abschluss der neuenfort (Pflege-Transparenzvereinbarung).

3.10 Leistungen für private Pflegepersonen70Mit Inkrafttreten des PSG II zahlt die Pflegeversicherung künftig

Rentenbeiträge für alle Pflegepersonen, die Pflegebedürftige mit einemPflegegrad 2 bis 5 mindestens zehn Stunden wöchentlich zu Hausepflegen. Diese Mindestpflegezeit muss verteilt sein auf mindestenszwei Tage. Die Rentenbeiträge steigen mit zunehmender Pflegebedürf-tigkeit. Wer einen Angehörigen mit außerordentlich hohem Unter-

Kapitel-Hierachie: 2

St: Qualistellueinba68

St: Qualistellueinba69

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stützungsbedarf (= Pflegegrad 5) pflegt, erhält um 25 % höhere Ren-tenbeiträge als bisher. Auch Angehörige, die einen ausschließlichdemenzkranken Pflegebedürftigen betreuen, werden über die Renten-versicherung abgesichert.

71 Für Pflegepersonen, die sich um pflegebedürftige Angehörige küm-mern und deshalb aus dem Erwerbsleben ausscheiden, bezahlt diePflegeversicherung künftig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherungfür die gesamte Dauer der Pflegetätigkeit. Pflegepersonen haben damitAnspruch auf Arbeitslosengeld und Leistungen der aktiven Arbeits-förderung, falls ein nahtloser Einstieg in eine Beschäftigung nach Endeder Pflegetätigkeit nicht gelingen sollte. Gleiches gilt für Personen, diefür die Pflege den Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherungunterbrechen.

3.11 Reaktionen und Würdigungen72 Es wurde – insbesondere in der Fachpresse – darauf hingewiesen, dass

mit der durch PSG I und PSG II vollzogenen Pflegereform in derÖffentlichkeit sehr große Erwartungen verbunden werden. Dazu tru-gen und tragen vor allem die Verlautbarungen aus der Bundesregie-rung und dem BMG bei, die nicht müde werden zu betonen, dass „derneue Pflegebedürftigkeitsbegriff einen Paradigmenwechsel initiieren wird“26).So sprach Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bei der Ver-abschiedung des Gesetzes am 13.11.2015 im Bundestag von einem„Meilenstein für eine bessere Versorgung: […] Heute bringen wir eine großeReform auf den Weg“. Und Erich Irlstorfer, MdB der CSU, schloss seineRede im Parlament mit der Aussage: „Damit werden wir die Pflege inDeutschland auf ein neues Fundament stellen.“27) Diese Aussagen müssenBegehrlichkeiten wecken.

73 Insbesondere Betroffene erwarten durch die Pflegereform deutlichverbesserte Leistungen und Unterstützungen. Dies wird und kannnur teilweise in Erfüllung gehen. Dass die Pflegeversicherung seitihrem Inkrafttreten vor 20 Jahren eine Teilkaskoversicherung war undweiterhin bleibt, wird dabei oft und gerne vergessen.

Kapitel-Hierachie: 2

26 BT Drucksache 18/5926, S. 59.27 Deutscher Bundestag. Stenografischer Bericht, Plenarprotokoll 18/137, 137. Sit-

zung, Berlin 13.11.2015, S. 13418 A, 13429 B.

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74Zudem ändert die Pflegereform zunächst nichts an der Leistungserbrin-gung und der „Kultur der Pflege“. Eine solche Entwicklung könnte erstdann eingeleitet werden, wenn zum einen neue Rahmenvereinbarungenzur Erbringung von Pflegeleistungen auf Landesebene geschlossen sindund ebenso neue, einem modernen Pflegeverständnis angepasste Ver-sorgungs- und Vergütungsverträge zwischen Kostenträgern und Leis-tungserbringern. Heinz Rothgang u. a. mahnen zur Vorsicht:

„Nach mehr als zehnjährigen Vorarbeiten wird der neue Pflegebedürftigkeits-begriff 2017 eingeführt werden. Allerdings ist diese Reform inzwischen mitErwartungen überfrachtet, die nicht erfüllt werden können. Es ist daher wichtig,schon jetzt deutlich zu machen, was von der Einführung des neuen Pflegebe-dürftigkeitsbegriffs nicht erwartet werden kann. [] Das NBA ist lediglich einInstrument zur Feststellung von Leistungsansprüchen der Versicherten gegen-über ihrer Pflegekasse. Das Leistungserbringungsrecht ist hiervon nicht betrof-fen.”28)

Oder, wie es Kim Björn Becker ernüchternd in einem Kommentar inder Süddeutschen Zeitung auf den Punkt brachte, „allzu viel sollte manvom neuen Pflegegesetz nicht erwarten“29).

75Die Regelungen von PSG I und PSG II werden in Pflegeheimen allerWahrscheinlichkeit nach zu sich verändernden Bewohnerstrukturenführen. Finanziell wird vollstationäre Pflege für Bewohner mit nied-rigen Pflegegraden eher unattraktiv, höhere Pflegegrade werden finan-ziell entlastet. Nicht wenige Branchenexperten warnen daher vor einerEntwicklung der vollstationären Pflege hin zu Pflegeformen allein fürSchwerstpflegebedürftige (insbesondere für Menschen, die von fort-schreitender Demenz betroffen sind) oder Orte für den letzten Lebens-abschnitt vor dem Tod („Sterbeort Pflegeheim“).30)

76Doch bei allen richtigen Hinweisen auf Unzulänglichkeiten bleibt dieLeistung ungeschmälert, den neuen, lange debattierten Pflegebedürf-tigkeitsbegriff geschaffen zu haben mit einem Begutachtungsinstru-ment, das nunmehr auch die besonderen Bedarfslagen von Menschen,die von Demenz betroffen sind, angemessen abbildet und berücksich-tigt. Die Leistungsverbesserungen vor allem für Menschen, die von

28 Rothgang/Hasseler/Fünfstück: Das NBA funktioniert. In: Altenheim 08/2015,S. 24 f.

29 SZ vom 12.8.2015.30 Pflegereform richtet sich gegen die Pflegeheime. bpa-Pressemitteilung Nr. 117/

2015 vom 22.10.2015. Pflegereform: Gravierende Änderungen für Pflegebedürf-tige und Pflegeheime. Pressestelle Diakonie Deutschland vom 24.9.2015.

St: BegutacassessmModul

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Demenz betroffen sind, und eine weitgehende Individualisierung derLeistungen der Pflegeversicherung im ambulanten Setting sind rich-tige Schritte.

4 Impulse für die Langzeitpflege durch weitereNovellierungen

77 Neben der Erneuerung des SGB XI durch PSG I und II werden inweiteren Gesetzen die Rahmenbedingungen der Langzeitpflege zu-sätzlich zum PSG I und II verändert und ergänzt. Das sind das Gesetzzur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland(Hospiz- und Palliativgesetz – HPG)31), das Gesetz zur Stärkung derGesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz –

PrävG)32), das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichenKrankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG)33) und das Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhaus-versorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG)34). Die hier für dieLangzeitpflege relevanten Neuerungen sollen im Folgenden in ihrerSubstanz skizziert werden.

4.1 Hospiz- und Palliativgesetz78 Nach § 27 Absatz 2 Satz 2 SGB V wird eingefügt, dass zur Krankenbe-

handlung auch die palliative Versorgung der Versicherten gehört.Häusliche Krankenpflege umfasst danach auch die ambulante Pallia-tivversorgung (§ 37 Abs. 2a SGB V). Für Leistungen der ambulantenPalliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall, wiein Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. Der Gemeinsame Bundesausschuss(G-BA) erhält den Auftrag, in der Richtlinie über die Verordnung derhäuslichen Krankenpflege die behandlungspflegerischen Maßnahmenund Leistungen der Palliativpflege näher zu konkretisieren.

79 Im vertragsärztlichen Bereich werden im Bundesmantelvertrag dieVoraussetzungen für eine besonders qualifizierte und koordiniertepalliativmedizinische Versorgung von der Kassenärztlichen Bundes-vereinigung und dem Spitzenverband Bund (SpiBu) Krankenkassen

Kapitel-Hierachie: 1

31 Bundesgesetzblatt 2015 Teil I Nr. 48, 7.12.2015, S. 2114–2118.32 Bundesgesetzblatt 2015 Teil I Nr. 31, 24.7.2015, S. 1368–1379.33 Bundesgesetzblatt 2015 Teil I Nr. 30, 22.7.2015, S. 1211–1244.34 Bundesgesetzblatt 2015 Teil I Nr. 51, 17.12.2015, S. 2229–2253.

Kapitel-Hierachie: 2St: Definition de

kenbehandlu

St: Bundesmatrag , 79

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vereinbart (§ 87 Abs. 1b SGB V). Gegenstand dieser Vereinbarung sind(1) Inhalte und Ziele einer besonders qualifizierten und koordiniertenpalliativmedizinischen Versorgung und deren Abgrenzung zu ande-ren Leistungen, (2) Anforderungen an die Qualifikation der ärztlichenLeistungserbringer, (3) Anforderungen an die Koordination und inter-professionelle Strukturierung der Versorgungsabläufe sowie die aktiveKooperation mit weiteren an der Palliativversorgung beteiligten Leis-tungserbringern, Einrichtungen und betreuenden Angehörigen sowie(4) Maßnahmen zu Sicherung der Versorgungsqualität. Bis spätestens31. Dezember 2015 ist mit Wirkung zum 1. April 2016 eine Regelungzur Vergütung der ärztlichen Kooperation und Koordinationsleistun-gen in Kooperationsverträgen nach § 119b Satz 2 SGB V zu treffen (§ 87Abs. 2a SGB V).

80In Satz 1 von § 119b SGB V, der die ambulante Behandlung in stationä-ren Pflegeeinrichtungen regelt, wird die Kann- in eine Soll-Bestimmungüberführt. Stationäre Pflegeeinrichtungen sollen nunmehr einzeln odergemeinsam bei entsprechendem Bedarf Kooperationsverträge mit ver-tragsärztlichen Leistungserbringern abschließen. Damit wird, so derAnspruch des Gesetzgebers, die ärztliche Versorgung in vollstationärenPflegeeinrichtungen verbessert. Die Teilnahme von Vertragsärzten anKooperationsvereinbarungen wird, wie oben dargelegt, finanziell geför-dert.

81Krankenkassen können Verträge, die ambulante Palliativversorgungund spezialisierte ambulante Palliativversorgungen umfassen, auchauf der Grundlage der §§ 73b (hausarztzentrierte Versorgung) oder140a SGB V (besondere Versorgungsformen) – und damit im Rahmenvon Selektivverträgen – abschließen.

82In § 28 SGB XI wird ein Abs. 5 eingefügt, der besagt, dass PflegeSterbebegleitung mit einschließt. Leistungen anderer Sozialleistungs-träger bleiben unberührt. In § 75 Abs. 2 Nummer 1 folgt nach „Inhaltder Pflegeleistung“ die Einfügung „einschließlich der Sterbebeglei-tung“. Damit wird in Rahmenverträgen die Bedeutung von Sterbe-begleitung akzentuiert. Pflegeheime sollen mit ambulanten Hospiz-diensten zusammenarbeiten. Ab 1. Juli 2016 haben Pflegeheime nebenKooperationsverträgen mit Vertragsärzten oder Ärztenetzen sowieVereinbarungen mit Apotheken nun auch über die Zusammenarbeitmit Hospiz- und Palliativnetzen zu berichten (Mitteilungspflicht). DerGesetzgeber versteht und fasst Sterbebegleitung als Bestandteil desVersorgungsauftrags der Sozialen Pflegeversicherung. In Verträgen

St: KoopeverträVertraten , 8

St: SterbtunghaltPflegtung

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nach § 39 Abs. 1 Satz 4 ist zu regeln, in welchen Fällen Pflegeheimbe-wohner in ein stationäres Hospiz wechseln können (§ 39 Abs. 1 Satz 5SGB V).

83 Der neu eingefügte § 132g SGB V regelt die gesundheitliche Versor-gungsplanung für die letzte Lebensphase. Zugelassene Pflegeeinrich-tungen gemäß § 43 SGB XI können den Versicherten solche Versor-gungsplanung anbieten. Die Versicherten sollen über die medizinisch-pflegerische Versorgung und Betreuung in der letzten Lebensphaseberaten sowie Hilfen und Angebote der Sterbebegleitung aufgezeich-net werden. In einer Fallbesprechung soll nach den individuellenBedürfnissen des Versicherten insbesondere auf medizinische Abläufein der letzten Lebensphase und im Sterbeprozess (inkl. möglicher Not-fallsituationen) eingegangen und geeignete Maßnahmen der palliativ-medizinischen, palliativpflegerischen und psychosozialen Versorgungdargestellt werden. Der den Versicherten behandelnde Hausarzt ist indie Fallbesprechung einzubeziehen. Der SpiBu Krankenkasse verein-bart mit den Trägern zugelassener Pflegeeinrichtungen auf Bundes-ebene das Nähere zu den Anforderungen an eine Versorgungspla-nung. Die Krankenkasse des Versicherten trägt die notwendigenKosten für die erbrachten Leistungen der zugelassenen Pflegeeinrich-tung. Kosten sind für Leistungseinheiten unter Berücksichtigung derbenötigten qualifizierten Mitarbeiter und der Zahl der durchgeführtenBeratungen zu tragen. Das Nähere ist in der o. g. Vereinbarung zuregeln. Auch die ärztlichen Leistungen werden vergütet. Der SpiBuKrankenkasse berichtet dem BMG erstmals zum 31. Dezember 2017und danach alle drei Jahre über die Entwicklung der Versorgungs-planung.

4.2 Präventionsgesetz84 Mit Artikel 6 des Präventionsgesetzes wird § 5 SGB XI (Prävention in

Pflegeeinrichtungen, Vorrang von Prävention und medizinischer Reha-bilitation) neu gefasst. Pflegekassen sollen Leistungen zur Prävention instationären Einrichtungen erbringen (§ 5 Abs. 1 SGB XI). Hierunter wirddie Entwicklung von Vorschlägen für Pflegebedürftige und Pflegeein-richtung zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation sowie zurStärkung der gesundheitlichen und Fähigkeiten verstanden. Der SpiBuPflege entwickelt Kriterien für Leistungen der Prävention (Inhalt, Me-thodik, Qualität, wissenschaftliche Evaluation und Messung der Zieler-reichung). Für Leistungen der Prävention werden 2016 0,30 EUR je

Kapitel-Hierachie: 2

St: Versorgungsp– gesundhei

83

St: Prävention intionärer Pfleg

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Versichertem eingesetzt. Von Pflegekassen nicht verausgabte Mittelfließen im Folgejahr an den SpiBu Pflege, der sie zur Wahrnehmungder Aufgaben nach Abs. 1 in einem zu entwickelnden Schlüssel an diePflegekassen verteilt (§ 5 Abs. 3 SGB XI).35)

4.3 GKV-Versorgungsstärkungsgesetz85Der eingefügte § 22a SGB V normiert für Versicherte, die einer Pfle-

gestufe nach § 15 SGB XI zugeordnet sind oder Eingliederungshilfenach § 53 SGB XII erhalten oder in ihrer Alltagskompetenz nach § 45aSGB XI eingeschränkt sind, den Anspruch auf Leistungen zur Ver-hütung von Zahnerkrankungen (hierunter fallen die Erhebung derMundgesundheit, Aufklärung über die Bedeutung von Mundhygieneund Maßnahmen zu deren Erhaltung, Erstellung eines Plans zur indi-viduellen Mund- und Prothesenpflege sowie Entfernung harter Zahn-beläge).

4.4 Krankenhausstrukturgesetz86Im Krankenhausstrukturgesetz wurde eine Regelungslücke für Ver-

sicherte geschlossen, die nicht mehr krankenhausbehandlungsbedürf-tig, auch (noch) nicht pflegebedürftig sind. Erforderliche Grundpflegeund hauswirtschaftliche Versorgung wurde bis dato nach § 37 Abs. 2SGB V nur in Verbindung mit verordneter Behandlungspflege ge-währt. Wenn Versicherte in solchen Fällen nicht auf Dauer i. S. desSGB XI pflegebedürftig sind, bestand leistungsrechtlich eine Rege-lungslücke. Diese Lücke wurde nunmehr geschlossen36).

87In § 37 SGB V wurde nun ergänzt, dass diese Versicherten – insbeson-dere nach einer stationären oder ambulanten Krankenhausbehandlungoder einer ambulanten OP – die erforderliche Grundpflege und haus-wirtschaftliche Versorgung erhalten. Der Anspruch besteht – analogzur Krankenhausvermeidungspflege – bis zu vier Wochen je Krank-heitsfall. Diese Frist kann von den Krankenkassen im begründetenEinzelfall nach Einschalten des Medizinischen Dienstes verlängertwerden. Nach § 38 SGB V in der neuen Fassung erhalten Versicherte

35 Weiterhin wurde mit dem Präventionsgesetz für die Vorbereitung der Einfüh-rung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs ein § 17a SGB XI eingeführt, derden Vorbereitungsarbeiten vor Verabschiedung des PSG II eine rechtlicheGrundlage gab.

Kapitel-Hierachie: 2

Kapitel-Hierachie: 2

36 Vgl. Eichhorn-Martens 2015 und Richter 2015.

St: VerhütuZahnerkkungen

St: Neu§ 37, 86

St: Neu§ 37, 87

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unter den eingangs genannten Bedingungen bis zu vier Wochen Haus-haltshilfe (bei bis zu zwölfjährigen Kindern bis zu 26Wochen). In Folgedieser Erweiterung wird die bisherige Soll-Regelung für Satzungsleis-tungen in eine Kann-Regelung überführt.

88 Ein neu eingeführter § 39c SGB V betrifft i. S. eines neuen Leistungs-anspruchs die Kurzzeitpflege unter den oben genannten Vorausset-zungen. Ist häusliche Krankenpflege nicht ausreichend, besteht einAnspruch auf Kurzzeitpflege für bis zu vier Wochen pro Kalenderjahrunter den Konditionen des SGB XI (Höchstbetrag: 1.612.- EUR).

89 Die Schließung dieser Regelungslücke ist versorgungsstrukturell inerster Linie von Interesse für das Entlass-Management im Kranken-haus. Die Einführung eines neuen Leistungsanspruchs nach Kurzzeit-pflege gemäß § 39c SGB V ist aber auch für Leistungserbringer in derLangzeitpflege von Interesse.

5 Fazit90 Mit den jüngsten Novellierungen des SGB XI und – ergänzend – des

SGB V hat der Gesetzgeber entscheidende Impulse gesetzt, um diePflege in Deutschland neu auszurichten. Neben dem Pflegebedürftig-keitsbegriff (inkl. NBA) und leistungsrechtlichen Öffnungen und Kom-binationsoptionen des bisherigen Leistungskatalogs, die ein erforderli-ches Mehr an Individualisierung der Pflege erlauben, bleiben kurz bismittelfristig zahlreiche Aufgaben zu bewältigen, deren ErledigungVoraussetzung für eine abschließende Würdigung – insbesondere desPSG II – darstellt; die To-Do-Liste ist opulent. So ist z. B. Anfang 2016noch nicht ersichtlich, wie die pflegebedingte Betreuung nach § 36SGB XI n. F. im Leistungserbringungsrecht später umgesetzt wird –

im Rahmen einer erweiterten Leistungskomplexsystematik oder überZeiteinheiten? Auch darf die großzügige Überleitung von Pflegestufenzu Pflegegraden nicht als „Versprechen“ mit Blick auf die Begutach-tungspraxis ab 1.1.2017 interpretiert und missverstanden werden.Schließlich sind für die Pflegelandschaft maßgeblich prägende Initiati-ven die entscheidenden Detaillierungen (Rahmenverträge nach § 75SGB XI) und Entwicklungsarbeiten (das indikatorengestützte Verfah-ren zur vergleichendenMessung von Qualität sowie das Verfahren zureinheitlichen Personalbemessung) erst noch zu leisten. Deren Umset-zung erstreckt sich bis zur Jahresmitte 2020. Erst dann wird es möglichsein, auf bereitetem Fundament zu erörtern, welche Form der Umset-

Kapitel-Hierachie: 1

St: Kurzzeitpfle§ 39c SGB V

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zung und welchen Stellenwert die dargelegten rechtlichen Impulse inder Realität erlangen können.

LiteraturGesetze

Erstes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Än-derung weiterer Vorschriften (Erstes Pflegestärkungsgesetz – PSG I).Bundesgesetzblatt 2014 Teil I Nr. 61, 23.12.2014, S. 2222–2230.

Zweites Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zurÄnderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz –

PSG II). Bundesgesetzblatt 2015 Teil I Nr. 54, 28.12.2015, S. 2424–2463.

Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung inDeutschland (Hospiz- und Palliativgesetz – HPG) Bundesgesetzblatt2015 Teil I Nr. 48, 7.12.2015, S. 2114–2118.

Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention(Präventionsgesetz – PrävG) Bundesgesetzblatt 2015 Teil I Nr. 31,24.7.2015, S. 1368–1379.

Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenver-sicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) Bundes-gesetzblatt 2015 Teil I Nr. 30, 22.7.2015, S. 1211–1244.

Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Kran-kenhausstrukturgesetz – KHSG) Bundesgesetzblatt 2015 Teil I Nr. 51,17.12.2015, S. 2229–2253.

Sekundärliteratur

Altenhilfepolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Antwort derBundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN.Deutscher Bundestag Drucksache 10/4108 vom 30.10.1985.

Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Pflegebedürftigkeit. Deut-scher Bundestag Drucksache 10/1943 vom 5.9.1984.

Eichhorn-Martens, W.: Gesetz schließt Versorgungslücke. In Care kon-kret vom 27.11.2015, S. 2.

Erster Altenbericht der Bundesregierung. Bundestags-Drucksache 12/5897 vom 28.09.1993. Bonn.

Kapitel-Hierachie: 1

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Gennrich, R.: Die Tagespflege im Fokus des 1. Pflegestärkungsgesetzes.In: BfS-Info 09/2015, S. 16–19 (Teil I) und BfS-Info 10/2015, S. 16–19(Teil II).

GKV-Spitzenverband, Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene: Gesetzzur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeVG). Gemeinsames Rundschreiben zu denleistungsrechtlichen Vorschriften vom 17.4.2015 (Stand: 19.12.2014).o. O.

Mauel, H.: Pflegeheime am Scheideweg. In: bpa Magazin 3-4/2014,S. 15–17.

Richter, R.: Ambulante Versorgung ist künftig Pflicht. In: Care konkretvom 11.12.2015, S. 12.

Rothgang, H./Müller, R. u. a.: BARMER GEK Pflegereport. Schwer-punkt: Zahnärztliche Versorgung Pflegebedürftiger. Berlin 2014.

Rothgang, H./Hasseler, M./Fünfstück, M.: Das NBA funktioniert. In:Altenheim 08/2015, S. 20–25.

Statistisches Bundesamt: Kurzbericht. Pflegestatistik 1999. Deutschland-ergebnisse. Bonn 2001.

Statistisches Bundesamt: Pflegestatistik 2013. Deutschlandergebnisse.Wiesbaden 2015.

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Anhang

§ 36 Pflegesachleistung(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 haben bei häuslicher PflegeAnspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerischeBetreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführungals Sachleistung (häusliche Pflegehilfe).

(3) Der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe umfasst je Kalendermonat

Pflegegrad 2 – 689 Euro

Pflegegrad 3 – 1.298 Euro

Pflegegrad 4 – 1.612 Euro

Pflegegrad 5 – 1.995 Euro

§ 37 PflegegeldPflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häusli-chen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Das Pflegegeld beträgt jeKalendermonat

316 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2

545 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3

728 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4

901 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5

§ 41 Tages- und NachtpflegeDie Pflegekasse übernimmt […] die pflegebedingten Aufwendungender teilstationären Pflege einschließlich der Aufwendungen für Betreu-ung und die Aufwendungen für die in der Einrichtung notwendigenLeistungen der medizinischen Behandlungspflege. Der Anspruch aufteilstationäre Pflege umfasst je Kalendermonat

Pflegegrad 2 – 689 Euro

Pflegegrad 3 – 1.298 Euro

Kapitel-Hierachie: 1

Kapitel-Hierachie: 1

Kapitel-Hierachie: 1

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Pflegegrad 4 – 1.612 Euro

Pflegegrad 5 – 1.995 Euro

§ 43 Vollstationäre PflegeFür Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen übernimmt diePflegekasse im Rahmen der pauschalen Leistungsbeträge […] diepflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Aufwendungenfür Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizi-nischen Behandlungspflege. Der Anspruch beträgt je Kalendermonat

770 Euro – Pflegegrad 2

1.262 Euro – Pflegegrad 3

1.775 Euro – Pflegegrad 4

2.005 Euro – Pflegegrad 5

Kapitel-Hierachie: 1

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Autorenverzeichnis

Dr. Stefan Arend M.A.

Jahrgang 1963, studierte Management von So-zial- und Gesundheitseinrichtungen in Kaisers-lautern und Witten/Herdecke sowie Ge-schichte, Sprachwissenschaft, Germanistik undPädagogik in Marburg/Lahn. Seit 2008 ist erzusammen mit Horst Schmieder Vorstand vonKWA Kuratorium Wohnen im Alter mit 18 Ein-richtungen, darunter 14 Altenwohnstifte, eineeigene Klinik für Neurologische und Geriatri-sche Rehabilitation und das KWA Bildungszen-trum mit diversen staatlich anerkannten Berufs-fach- und Fachschulen.

Prof. Dr. Roland Schmidt

Jahrgang 1951, Studium der Gesellschaftswis-senschaft in der Justus-Liebig-Universität Gie-ßen. Wiss. Angestellter am Deutschen Zentrumfür Altersfragen (DZA). Seit 2003 Professor ander Fakultät Sozialwesen der FH Erfurt (Lehr-gebiet: Gerontologie und Versorgungsstruktu-ren). Sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ desDeutschen Bundestags (14. Legislaturperiode),Aufsichtsrat der KWA gAG.

Stand:

: MHPflegerzeichnis16-02-01

Datei:

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Extract aus: MAutorenverzVersion: 2016

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THEMEN & POSITIONEN 7

THEMEN & POSITIONEN 7

KWA Kuratorium Wohnen im AlterBiberger Straße 50, 82008 UnterhachingTelefon 089 66 558-500, Fax 089 66 558-538E-Mail: [email protected], www.kwa.de

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Aufgaben und Perspektiven für KWA