Die Insolvenzanfechtung als notwendiges Korrektiv des ... · 1242 ZInsO-Aufsätze ZInsO 26/2015 *....

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ZInsO-Aufsätze 1242 ZInsO 26/2015 * Dr. Olaf Hiebert ist Rechtsanwalt der auf Eigenverwaltung und Insolvenz- planverfahren spezialisierten Sozietät Buchalik Brömmekamp Rechtsan- wälte | Steuerberater in Düsseldorf und auf das Recht der Insolvenzanfech- tung spezialisiert. 1 Vgl. z.B. Huber, ZInsO 2015, 713 ff.; Fawzy/Köchling, ZInsO 2014, 1073 ff.; Foerste, ZInsO 2013, 897; Ganter, WM 2014, 49, 51; Kayser, NJW 2014, 422 ff.; Strandmann, ZInsO 2014, 538 ff. 2 Zuletzt wieder BGH, Beschl. v. 16.4.2015 – IX ZR 6/14, ZInsO 2015, 898; BGH, Beschl. v. 26.3.2015 – IX ZR 134/13, ZInsO 2015, 1056; BGH, Beschl. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZInsO 2015, 628 ff. 3 Vorschlag des Gravenbrucher Kreises zur Reform des Anfechtungsrechts, Stand Juli 2014, ZInsO 2014, 1704 ff.; vgl. hierzu Positionspapiere und Stellungnahmen diverser Wirtschafts- und Inkassoverbände (z.B. BDI, ZDH, BDIU), abgdr. in ZInsO 2013, 2312, abrufbar im Internet und kürz- lich die Pressemitteilung des Bundesverbands Deutscher Inkassounterneh- men e.V. BDIU v. 14.1.2015 in ZInsO 5/2015, IV: „69 % aller Inkasso- unternehmen melden Anfechtungen nach § 133 Abs. 1 InsO innerhalb der letzten zwei Jahre. In 82 % der Fälle müssen die Unternehmen das Geld an den Insolvenzverwalter zurückzahlen.“ 4 Entwurf „eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfech- tungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ des BMJV v. 16.3.2015, abgdr. z.B. in ZInsO 2015, 624 ff. 5 Frind, ZInsO 2015, 1001 ff.; Jungclaus/Keller, NZI 2015, 297 ff.; Hölzle, ZIP 2015, 662 ff. 6 So ausdrücklich Frind, ZInsO 2014, 1985, 1990, der zudem sehr anschau- lich die wirtschaftlichen Interessen und damit einhergehenden Reformbe- strebungen untersucht. 7 Eine rechtsvergleichende Darstellung des insolvenzrechtlichen Gleichbe- handlungsgrundsatzes findet sich bei Kodek, KTS 2014, 215 ff. 8 Nach Ansicht von Knospe, ZInsO 2014, 861 ff. handelt es sich bei dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz nicht um einen allgemeinen Grund- satz des Insolvenzverfahrens (863) und ein solcher Grundsatz findet auch keine Anwendung im Rahmen der Insolvenzanfechtung. 9 Eine Diskussion dieser Frage muss an anderer Stelle geführt werden. Bork stellt in ZIP 2014, 797, 798 f. sehr anschaulich dar, dass eine ganze Reihe von Vorschriften der InsO auf dem Prinzip der Gläubigergleichbehandlung beruhen, der BGH hierauf immer wieder Bezug nimmt und der Gesetzge- ber von KO und InsO „fest auf dem Boden dieses Prinzips steht“. 10 Dass auch eine völlige Gleichstellung aller Gläubiger denkbar ist und dahin gehende Überlegungen Gegenstand der Beratungen zur Einführung der KO waren, zeigt u.a. Kodek in KTS 2014, 215 ff., der auch rechtsvergleichend andere Rechtsordnungen unter diesem Gesichtspunkt beleuchtet. 11 Vgl. Darstellung bei Frind, ZInsO 2014, 1985 ff. 12 Gesetz zur Anpassung der Insolvenzanfechtung, BT-Drucks. 16/886. 13 RegE BT-Drucks. 17/3030, S. 43. 14 BGH, Urt. v. 7.4.2011 – IX ZR 118/10, ZInsO 2011, 916 ff.; BGH, Urt. v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, ZInsO 2009, 2293 ff. 15 Z.B. BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZInsO 2011, 822 ff.; BFH, Urt. v. 29.1.2009 – V R 64/07, ZInsO 2009, 920 ff. I. Einleitung – Gläubigergleichbehandlung vs. Privilegien Zwar ist mittlerweile nicht mehr völlig unumstritten, dass die Gläubigergleichbehandlung ein elementarer Grundsatz und Ziel des Insolvenzverfahrens in Deutschland 7 ist und, dass die Insolvenzanfechtung ein Instrument zur Durch- setzung eben dieses Ziels darstellt. 8 Gleichwohl dürfte dies immer noch die zutreffende und überwiegende Meinung sein. 9 Richtig ist auch, dass die InsO nicht sämtliche Gläu- biger eines Schuldners gleich behandelt, sondern bspw. zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern, was den Grad und den Zeitpunkt der Befriedigung anbelangt, sehr wohl unterscheidet. Sicherungsrechte bleiben auch in der Insolvenz des Schuldners bestehen und werden – soweit ihre Bestellung nicht anfechtbar ist – im Insolvenzverfah- ren als Aus- bzw. Absonderungsrechte besonders bevorzugt behandelt. 10 Diese Erwägungen können dahinstehen, denn jedenfalls gilt es als gesicherte Erkenntnis, dass der Gesetzgeber mit Ein- führung der InsO zum 1.1.1999 das Konkursvorrecht des Fiskus abschaffen wollte und sicherlich nicht die Schaffung eines Konkursvorrechts für Sozialversicherungsträger im Sinn hatte. Durchaus trickreiche 11 Versuche, Privilegien für Fiskus und Sozialversicherungsträger „durch die Hintertür“ einzuführen, blieben bislang weitestgehend insofern erfolg- los, als dass entsprechende Gesetzesvorhaben 12 überwie- gend scheiterten. Erfolgreich war hingegen die schwerwie- gende und rechtspolitisch fragwürdige Privilegierung des Fiskus durch Einführung des § 55 Abs. 4 InsO, die u.a. mit dessen vermeintlicher Zwangsgläubigerschaft 13 begründet wurde. Das Wirken der Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Während der BGH 14 die Regelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV in Bezug auf die Insolvenzmasse durch seine Rechtsprechung neutralisierte, ließ der BFH 15 wenig unversucht, um mit ambitionierten rechtlichen Be- gründungen USt-Verbindlichkeiten des Schuldners zu Mas- severbindlichkeiten hochzustufen, was im Ergebnis zu einer partiellen Bevorzugung des Fiskus als Insolvenzgläubiger führte. Die Insolvenzanfechtung als notwendiges Korrektiv des faktischen Fiskus- und Krankenkassenprivilegs im Rahmen der Eigenverwaltung Zugleich Erwiderung auf Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173 ff. von Rechtsanwalt Dr. Olaf Hiebert, Düsseldorf * Das Recht der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) ist seit jeher zentrales Thema in Wissenschaft 1 und Praxis. Die Flut höchstrichterlicher Entscheidungen 2 vor allem zu § 133 InsO scheint nicht enden zu wollen und wird durch eine anhalten- de Diskussion in Verbänden 3 ergänzt. Mittlerweile liegt auch ein RefE 4 zur Reform des Insolvenzrechts vor, der ebenfalls Gegenstand einer breiten Diskussion 5 ist. Die Kritik an den Regelungen der Insolvenzanfechtung ist mal mehr und mal weniger gut begründet; sie wird teilweise 6 ihrerseits als weitgehend interessengeleitete Kampagne verstanden. Jenseits der Diskussion um § 133 InsO muss dem Insolvenzanfechtungsrecht jedenfalls zugutegehalten werden, dass es im Rahmen der Sanierung durch ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung in derzeit unverzichtbarer Weise dazu beiträgt, den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu verwirklichen und faktische Privilegien von Fiskus und Sozialversicherungsträgern zu beseitigen. Dies gilt insbesondere, soweit Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ein vorläufiges Insolvenzverfahren nach § 270a InsO oder § 270b InsO (Schutzschirmverfahren) vorausgeht.

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ZInsO-Aufsätze1242 ZInsO 26/2015

* Dr. Olaf Hiebert ist Rechtsanwalt der auf Eigenverwaltung und Insolvenz-planverfahren spezialisierten Sozietät Buchalik Brömmekamp Rechtsan-wälte | Steuerberater in Düsseldorf und auf das Recht der Insolvenzanfech-tung spezialisiert.

1 Vgl. z.B. Huber, ZInsO 2015, 713  ff.; Fawzy/Köchling, ZInsO 2014, 1073  ff.; Foerste, ZInsO 2013, 897; Ganter, WM 2014, 49, 51; Kayser, NJW 2014, 422 ff.; Strandmann, ZInsO 2014, 538 ff.

2 Zuletzt wieder BGH, Beschl. v. 16.4.2015 – IX ZR 6/14, ZInsO 2015, 898; BGH, Beschl. v. 26.3.2015  – IX  ZR 134/13, ZInsO 2015, 1056; BGH, Beschl. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZInsO 2015, 628 ff.

3 Vorschlag des Gravenbrucher Kreises zur Reform des Anfechtungsrechts, Stand Juli 2014, ZInsO 2014, 1704  ff.; vgl. hierzu Positionspapiere und Stellungnahmen diverser Wirtschafts- und Inkassoverbände (z.B. BDI, ZDH, BDIU), abgdr. in ZInsO 2013, 2312, abrufbar im Internet und kürz-lich die Pressemitteilung des Bundesverbands Deutscher Inkassounterneh-men e.V. BDIU v. 14.1.2015 in ZInsO 5/2015, IV: „69 % aller Inkasso-unternehmen melden Anfechtungen nach § 133 Abs. 1 InsO innerhalb der letzten zwei Jahre. In 82 % der Fälle müssen die Unternehmen das Geld an den Insolvenzverwalter zurückzahlen.“

4 Entwurf „eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfech-tungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ des BMJV v. 16.3.2015, abgdr. z.B. in ZInsO 2015, 624 ff.

5 Frind, ZInsO 2015, 1001 ff.; Jungclaus/Keller, NZI 2015, 297 ff.; Hölzle, ZIP 2015, 662 ff.

6 So ausdrücklich Frind, ZInsO 2014, 1985, 1990, der zudem sehr anschau-lich die wirtschaftlichen Interessen und damit einhergehenden Reformbe-strebungen untersucht.

7 Eine rechtsvergleichende Darstellung des insolvenzrechtlichen Gleichbe-handlungsgrundsatzes findet sich bei Kodek, KTS 2014, 215 ff.

8 Nach Ansicht von Knospe, ZInsO 2014, 861  ff. handelt es sich bei dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz nicht um einen allgemeinen Grund-satz des Insolvenzverfahrens (863) und ein solcher Grundsatz findet auch keine Anwendung im Rahmen der Insolvenzanfechtung.

9 Eine Diskussion dieser Frage muss an anderer Stelle geführt werden. Bork stellt in ZIP 2014, 797, 798 f. sehr anschaulich dar, dass eine ganze Reihe von Vorschriften der InsO auf dem Prinzip der Gläubigergleichbehandlung beruhen, der BGH hierauf immer wieder Bezug nimmt und der Gesetzge-ber von KO und InsO „fest auf dem Boden dieses Prinzips steht“.

10 Dass auch eine völlige Gleichstellung aller Gläubiger denkbar ist und dahin gehende Überlegungen Gegenstand der Beratungen zur Einführung der KO waren, zeigt u.a. Kodek in KTS 2014, 215 ff., der auch rechtsvergleichend andere Rechtsordnungen unter diesem Gesichtspunkt beleuchtet.

11 Vgl. Darstellung bei Frind, ZInsO 2014, 1985 ff.

12 Gesetz zur Anpassung der Insolvenzanfechtung, BT-Drucks. 16/886.

13 RegE BT-Drucks. 17/3030, S. 43.

14 BGH, Urt. v. 7.4.2011 – IX ZR 118/10, ZInsO 2011, 916 ff.; BGH, Urt. v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, ZInsO 2009, 2293 ff.

15 Z.B. BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZInsO 2011, 822 ff.; BFH, Urt. v. 29.1.2009 – V R 64/07, ZInsO 2009, 920 ff.

I. Einleitung – Gläubigergleichbehandlung vs. Privilegien

Zwar ist mittlerweile nicht mehr völlig unumstritten, dass die Gläubigergleichbehandlung ein elementarer Grundsatz und Ziel des Insolvenzverfahrens in Deutschland7 ist und, dass die Insolvenzanfechtung ein Instrument zur Durch-setzung eben dieses Ziels darstellt.8 Gleichwohl dürfte dies immer noch die zutreffende und überwiegende Meinung sein.9 Richtig ist auch, dass die InsO nicht sämtliche Gläu-biger eines Schuldners gleich behandelt, sondern bspw. zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern, was den Grad und den Zeitpunkt der Befriedigung anbelangt, sehr wohl unterscheidet. Sicherungsrechte bleiben auch in der Insolvenz des Schuldners bestehen und werden – soweit ihre Bestellung nicht anfechtbar ist – im Insolvenzverfah-ren als Aus- bzw. Absonderungsrechte besonders bevorzugt behandelt.10

Diese Erwägungen können dahinstehen, denn jedenfalls gilt es als gesicherte Erkenntnis, dass der Gesetzgeber mit Ein-führung der InsO zum 1.1.1999 das Konkursvorrecht des Fiskus abschaffen wollte und sicherlich nicht die Schaffung eines Konkursvorrechts für Sozialversicherungsträger im Sinn hatte. Durchaus trickreiche11 Versuche, Privilegien für Fiskus und Sozialversicherungsträger „durch die Hintertür“ einzuführen, blieben bislang weitestgehend insofern erfolg-los, als dass entsprechende Gesetzesvorhaben12 überwie-gend scheiterten. Erfolgreich war hingegen die schwerwie-gende und rechtspolitisch fragwürdige Privilegierung des Fiskus durch Einführung des § 55 Abs. 4 InsO, die u.a. mit dessen vermeintlicher Zwangsgläubigerschaft13 begründet wurde. Das Wirken der Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Während der BGH14 die Regelung des §  28e Abs.  1 Satz  2 SGB  IV in Bezug auf die Insolvenzmasse durch seine Rechtsprechung neutralisierte, ließ der BFH15 wenig unversucht, um mit ambitionierten rechtlichen Be-gründungen USt-Verbindlichkeiten des Schuldners zu Mas-severbindlichkeiten hochzustufen, was im Ergebnis zu einer partiellen Bevorzugung des Fiskus als Insolvenzgläubiger führte.

Die Insolvenzanfechtung als notwendiges Korrektiv des faktischen Fiskus- und Krankenkassenprivilegs im Rahmen der Eigenverwaltung

Zugleich Erwiderung auf Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173 ff.

von Rechtsanwalt Dr. Olaf Hiebert, Düsseldorf*

Das Recht der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) ist seit jeher zentrales Thema in Wissenschaft1 und Praxis. Die Flut höchstrichterlicher Entscheidungen2 vor allem zu § 133 InsO scheint nicht enden zu wollen und wird durch eine anhalten-de Diskussion in Verbänden3 ergänzt. Mittlerweile liegt auch ein RefE4 zur Reform des Insolvenzrechts vor, der ebenfalls Gegenstand einer breiten Diskussion5 ist. Die Kritik an den Regelungen der Insolvenzanfechtung ist mal mehr und mal weniger gut begründet; sie wird teilweise6 ihrerseits als weitgehend interessengeleitete Kampagne verstanden. Jenseits der Diskussion um § 133 InsO muss dem Insolvenzanfechtungsrecht jedenfalls zugutegehalten werden, dass es im Rahmen der Sanierung durch ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung in derzeit unverzichtbarer Weise dazu beiträgt, den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu verwirklichen und faktische Privilegien von Fiskus und Sozialversicherungsträgern zu beseitigen. Dies gilt insbesondere, soweit Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ein vorläufiges Insolvenzverfahren nach § 270a InsO oder § 270b InsO (Schutzschirmverfahren) vorausgeht.

ZInsO-AufsätzeZInsO 26/2015 1243

16 Im allgemeinen Sprachgebrauch als persönliche Haftung bezeichnet.

17 BGH, Urt. v. 18.4.2005 – II ZR 61/03, ZInsO 2005, 650 ff.; OLG Düssel-dorf – I-21 U 38/14, ZInsO 2015, 861  ff.: „Der Arbeitgeber ist in einer Krisensituation gehalten, durch geeignete Maßnahmen, etwa durch die Aufstellung eines Liquiditätsplanes und die Bildung ausreichender Rück-lagen unter Zurückstellung anderer Zahlungsverpflichtungen, notfalls auch durch Kürzung der auszuzahlenden Löhne, sicher zu stellen, dass er die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung auch wird fristgerecht abfüh-ren können.“

18 § 26b Abs. 2 UStG: Geldbuße bis zu 50.000 €.

19 Hierzu mit dem Hinweis, dass eine persönliche Haftung nicht deshalb aus-scheide, weil Zahlungen an den Fiskus möglicherweise anfechtbar sind FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.12.2013 – 3 K 1632/12, GmbHR 2014, 442 ff. Rn. 57; ermöglicht der Geschäftsleiter durch eine verspätete Zahlung von Steuern erst die spätere Insolvenzanfechtung, so soll er ebenfalls persönlich haften, FG Köln, Urt. v. 6.11.2014 – 13 K 1065/13, ZInsO 2015, 866 ff., Revision anhängig unter BFH – VII R 3/15.

20 Statt vieler OLG Düsseldorf – I-21 U 38/14, ZInsO 2015, 861  ff.; OLG Köln, Urt. v. 14.3.2013 – I-7 U 138/12, ZInsO 2013, 1031 ff. Rn. 9.

21 Für Steuern gilt dies nur im Fall einer entsprechenden Verurteilung, vgl. § 302 Nr. 1 InsO.

22 BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZInsO 2011, 440 ff. Rn. 11, 17 ff.

23 Unerheblich ob stark oder schwach.

24 Thole, DB 2015, 662  ff.; Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405  ff.; Klinck, DB 2014, 938 ff.; Haas, ZHR 178 (2014), 603 ff.; Schmidt/Poertz-gen, NZI 2013, 369 ff.; Smid, ZInsO 2014, 1127 ff.; Klein/Thiele, ZInsO 2013, 2233 ff.

auch nach § 378 AO geahndet werden kann. Vielleicht noch mehr als eine mögliche Strafbarkeit bzw. Ordnungswidrig-keit fällt ins Gewicht, dass Fiskus und Krankenkassen den Geschäftsleiter nach § 69 AO19 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB20 persönlich in die Haftung nehmen können und derartige Forderungen im Fall des worst case einer späteren Privatinsolvenz gem. §  302 Nr.  1 InsO sogar von der Restschuldbefreiung ausgenom-men sind.21

b) Lösung des Interessenkonflikts im Fall der Regelinsolvenz

Die Rechtsprechung trägt dieser offensichtlichen Inte-ressenkollision Rechnung, indem sie eine zivilrechtliche Ersatzpflicht des Geschäftsleiters für die Zahlung von Umsatz- und Lohnsteuer sowie Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung verneint.22 Die Problematik ist damit für den rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellenden Ge-schäftsleiter gelöst. Mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters23 verliert der Geschäftsleiter die Mög-lichkeit, ohne dessen Zustimmung die entsprechenden Zahlungen vorzunehmen, was Strafbarkeit und persönliche Haftung entfallen lässt. Dem Geschäftsleiter fehlt mangels alleiniger Verfügungsbefugnis die tatsächliche Möglich-keit, entsprechende Zahlungen auszulösen.

c) Ungelöster Konflikt im Fall der Eigenverwal-tung, §§ 270, 270a, 270b InsO „Schutzschirm“

Bislang nicht gelöst und Gegenstand einer intensiven Dis-kussion24 ist die Frage, wie es sich mit einer Strafbarkeit des Geschäftsleiters und gegen diesen persönlich gerichteten Ansprüchen des Fiskus und der Sozialversicherungsträger

II. Faktisches Krankenkassen- und Fiskusprivileg

Wenngleich das deutsche Insolvenzrecht formal  – mit Ausnahme der beschriebenen Regelungen – keine Privile-gien für Fiskus und Sozialversicherung vorsieht, die nicht auch private Gläubiger  – z.B. im Wege der Zwangsvoll-streckung – erlangen können, bestehen diese faktisch und können bislang nur mithilfe des Insolvenzanfechtungsrechts dahin gehend beseitigt werden, dass die vom Gesetzgeber gewollte Gleichbehandlung aller ungesicherten Insolvenz-gläubiger verwirklicht wird.

1. Persönliche Haftung des Geschäftsleiters für nicht abgeführte Steuern und Sozialversiche-rungsbeiträge – faktisches Krankenkassen- und Fiskusprivileg

Ursächlich für das faktische Krankenkassen- und Fiskus-privileg sind die Regelungen zur persönlichen Haftung der Organe von Insolvenzschuldnern für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge und Steuern sowie eine diese begleitende Verantwortung nach Maßgabe des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts in Verbindung mit bestimmten Zahlungsverboten bei Insolvenzreife, die zu einem Interes-senkonflikt für eben diese Organe führen.

a) Interessenkonflikt

Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder über-schuldet, sind die Mitglieder des Vertretungsorgans und weitere vom Gesetz in § 15a InsO genannte Personen ver-pflichtet, ohne schuldhaftes Zögern einen Insolvenzantrag zu stellen. Zudem sehen § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 130a Abs. 1 HGB, §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG für die Ge-schäftsleiter aller maßgeblichen Gesellschaftsformen eine persönliche Ersatzpflicht16 für Zahlungen vor, die nach Ein-tritt von Zahlungsunfähigkeit und oder Überschuldung ge-leistet werden. Zur Vermeidung einer persönlichen Haftung ist dem Geschäftsleiter zu raten, nach Eintritt von Zahlungs-unfähigkeit oder rechtlicher Überschuldung keine Zahlun-gen mehr zu leisten.

Problematisch ist insofern, dass die Schuldnerin als Arbeit-geberin, vertreten durch ihre Geschäftsleiter, verpflichtet ist, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV, also die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV spätestens am drittletzten Bankarbeitstag eines jeden Mo-nats an die Krankenkassen als Einzugsstellen zu zahlen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ist nach § 266a Abs.  1 StGB i.V.m. § 14 StGB strafbar, soweit die Arbeitnehmeran-teile betroffen sind. Dabei gilt vereinfacht gesagt der Grund-satz: „Wer Lohn zahlt, muss auch Lohnsteuer und Sozial-abgaben zahlen.“17 Der Geschäftsleiter hat also die Wahl, sich entweder persönlich schadensersatzpflichtig oder straf-bar zu machen. Der Geschäftsleiter, der Umsatzsteuer bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig abführt, handelt nach §  26b UStG ordnungswidrig.18 Gleiches gilt gem. §  380 Abs. 1 AO für die Nichtabführung der Lohnsteuer, die u.U.

ZInsO-Aufsätze1244 ZInsO 26/2015

25 Hierfür mit ausführlicher Begründung Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354 ff.

26 Hierzu BGH, Urt. v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, ZInsO 2005, 88 ff.; BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 161/11, ZInsO 2013, 551 ff. Rn. 16, 18; Kesseler, ZInsO 2006, 530 ff.

27 OLG Köln, Beschl. v. 3.11.2014 – I-2 U 82/14, ZInsO 2015, 204 ff. Rn. 10, 14; OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2014 – 13 U 106/14, DB 2014, 2162 ff.; LG Hamburg, Urt. v. 19.11.2014 – 303 O 335/13, ZInsO 2015, 451 ff. Rn. 39; LG Hamburg, Urt. v. 19.9.2014 – 303 O 29/14, ZInsO 2015, 516; LG Köln, Urt. v. 4.7.2014 – 16 O 575/13, ZInsO 2014, 1503 ff. Rn. 15, 19; a.A. LG Dresden, Urt. v. 9.5.2014 – 10 O 2237/13, ZInsO 2014, 1061 ff. Bedenken AG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2014 – 67b IN 196/14, ZInsO 2014, 2390 Rn. 6 f.

28 AG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2014 – 67b IN 196/14, ZInsO 2014, 2390; Frind, ZInsO 2015, 22 ff.; abl. AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15, ZInsO 2014, 2390.

29 Frind, ZInsO 2015, 22.

30 Z.B. AG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2014  – 67b IN 196/14, ZInsO 2014, 2390 Rn. 8; FG Hessen, Beschl. v. 6.11.2013 – 6 V 2469/12, ZInsO 2014, 681  ff. Rn. 38, 58; FK-InsO/Foltis, 8. Aufl. 2015, § 275 Rn. 19; Hamb-Komm-InsO/Fiebig, 5.  Aufl. 2015, §  275 Rn.  12; MünchKomm-InsO/Tetzlaff/Kern, 3.  Aufl. 2014, §  275 Rn.  17; K. Schmidt/Undritz, InsO, 18. Aufl. 2013, § 275 Rn. 6.

31 AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015  – 909 IN 264/15, ZInsO 2015, 1111 Nr.  2; HambKomm-InsO/Fiebig (Fn.  30), §  275 Rn.  14; MünchKomm- InsO/Tetzlaff/Kern (Fn. 30), § 275 Rn. 17 m.w.N.; Frind, ZInsO 2015, 22, 24 „Beschluss deklaratorisch sinnvoll“; unklar AG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2014 – 67b IN 196/14, ZInsO 2014, 2390 Rn. 5.

32 MünchKomm-InsO/Tetzlaff/Kern (Fn. 30), § 275 Rn. 18 m.w.N.

33 K. Schmidt/Undritz (Fn.  30), §  275 Rn.  6; MünchKomm-InsO/Tetzlaff/Kern (Fn. 30), § 275 Rn. 18 f. m.w.N.

liebe, da die Verfügung über die liquiden Mittel eines Unternehmens doch als wesentlicher Baustein einer Eigen-verwaltung gesehen werden kann. Die Kassenführung durch einen Dritten kommt als Verwaltung des eigenen Vermögens durch einen Dritten daher. Der Unterschied zur vorläufigen Insolvenzverwaltung, dem Schreckgespenst des Unterneh-mers, ist nicht mehr allzu groß, wenn der Zahlungsverkehr über eine vom Gericht bestellte Person abgewickelt werden muss. Zumal entsprechende Bankverbindungen und verzö-gerte Zahlungen den Stakeholdern kommuniziert werden müssen. Rechtstechnisch verweist §  270a Abs.  1 Satz  2 InsO auch auf §  275 Abs.  2 InsO. Nach dieser Vorschrift „kann“ der Sachwalter vom Schuldner verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur vom Sachwalter entgegengenom-men und Zahlungen nur vom Sachwalter geleistet werden. Dieses Verlangen des Sachwalters wird gemeinhin30 als Übernahme der Kassenführung vom Insolvenzschuldner verstanden. Nach wohl überwiegender Meinung31 erfolgt die Übernahme der Kassenführung durch den Sachwalter, ohne dass es hierfür einer Mitwirkung des Insolvenzgerichts bedarf. Ob der Sachwalter die Kassenführung übernimmt, hat er nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.32 Wann die Übernahme der Kassenführung zu erfolgen hat oder welche Tatsachen Grundlage für die Ermessensent-scheidung sein sollen, regelt das Gesetz nicht. In der Li-teratur33 wird die Ansicht vertreten, dass eine Übernahme der Kassenführung erfolgen soll, wenn zu befürchten steht, dass die Kassenführung durch den Schuldner zu einer Ver-letzung der Belange der Gläubiger oder einer ungleichmäßi-gen Befriedigung von Verbindlichkeiten führt. Als Beispiele werden der übermäßige Verbrauch der Masse für die private

verhält, wenn nach einem Insolvenzantrag kein vorläufiger Insolvenzverwalter, sondern nur ein vorläufiger Sachwalter (§§ 270a, 270b InsO) bestellt wird. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bleibt in den Insolvenzantragsverfah-ren nach § 270a und § 270b InsO bei der eigenverwaltenden Schuldnerin mit der Folge, dass deren Organ rein rechtlich und tatsächlich über die Vermögenswerte der Schuldnerin verfügen, also auch Zahlungen an Fiskus und Sozialversi-cherung vornehmen kann. Das Insolvenzantragsverfahren dauert i.d.R. – in Übereinstimmung mit dem Insolvenzgeld-zeitraum – 3 Monate, kann aber auch darüber hinausgehen, sodass – je nach Lohnsumme – ein nicht unerhebliches Haf-tungs- und Strafbarkeitsrisiko für das Organ besteht.

aa) Lösung durch das Anfechtungsrecht

Da unklar ist, wie mit dieser Situation umzugehen ist, wird vorgeschlagen,25 die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversi-cherung und die Lohnsteuer abzuführen, nachdem die Zah-lungsempfänger in Kenntnis gesetzt („Bösgläubigmachen“) wurden. Auf diese Weise soll dem späteren Sachwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit ver-schafft werden, die Zahlungen im Wege der Insolvenzan-fechtung zurück zu verlangen, also neutralisieren zu kön-nen. So hofft man, der Abführungspflicht zu genügen und zeitgleich eine spätere Inanspruchnahme des Organs durch den Sachwalter zu vermeiden. Denn der Sachwalter kann die Zahlung der Beträge im Wege der Insolvenzanfechtung nach Maßgabe der §§ 129 ff., 280 InsO anfechten und von den Zahlungsempfängern für die Masse zurückverlangen. Die Zahlung im Eröffnungsverfahren ist damit im Ergebnis masseneutral, soweit die Anfechtung gelingt. In der Praxis sind Fiskus und Sozialversicherungsträger zudem häufig finanziell besser aufgestellt als Gesellschafter-Geschäfts-führer, die während der Krise des Unternehmens bereits ihr gesamtes Privatvermögen zur Finanzierung des Unterneh-mens verwendet haben.

Bei dieser Vorgehensweise stellt sich die Frage, ob die spä-tere Anfechtung ausgeschlossen ist. Zu denken ist hier an die Schaffung eines Vertrauenstatbestands; die Diskussion ähnelt derjenigen von Zahlungen, die mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgen.26 Nach der bis-lang zu dieser Thematik ergangenen Rechtsprechung27 wird die spätere Anfechtung im Fall der (vorläufigen) Eigenver-waltung überwiegend für problemlos möglich gehalten.

bb) Übertragung des Kassenführungsrechts – kein originäres Kassenführungsrecht des vorläufi-gen Sachwalters

Andere28 meinen, der als Dilemma29 beschriebene Interes-senkonflikt sei dahin gehend zu lösen, dass dem eigenver-waltenden Schuldner das Kassenführungsrecht entzogen und auf den vorläufigen Sachwalter übertragen wird. Rechts-grundlage hierfür sollen die §§ 270a, 274, 275 InsO sein.

In der Praxis stößt die Übertragung des Kassenführungs-rechts bei den Organen der Schuldnerin auf wenig Gegen-

ZInsO-AufsätzeZInsO 26/2015 1245

34 K. Schmidt/Undritz (Fn. 30), § 275 Rn. 6 a.E.

35 Frind, ZInsO 2015, 22, 24.

36 So auch Rattunde/Stark, Der Sachwalter, S. 155 Rn. 388.

37 Nicht überzeugend daher Ringstmeier, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl. 2014, § 275 Rn. 7; Braun/Riggert, InsO, 6. Aufl. 2014, § 275 Rn. 15 weist zutreffend darauf hin, dass bei größeren und großen Unterneh-men wohl kaum Vertrauen dadurch gewonnen werden kann, dass Tausende von Zahlungsvorfällen über Anderkonten gezogen werden. Ebenfalls auf die praktischen Umsetzungsprobleme hinweisend Flöther, ZInsO 2014, 465, 468.

38 AG Düsseldorf, Beschl. v. 10.7.2014 – 504 IN 124/14, ZInsO 2014, 2014, 2389; Details bei Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2356.

39 Buchalik/Kraus, ZInsO 2014, 2354, 2357.

40 Frind, ZInsO 2015, 22, 24.

41 Zulässig AG Düsseldorf, Beschl. v. 10.7.2014  – 504 IN 124/14, ZInsO 2014, 2389; AG Wuppertal, Beschl. v. 24.9.2014  – 145 IN 726/14; AG Leipzig, Beschl. v. 8.10.2014  – 401 IN 2112/14; AG Charlottenburg, Beschl. v. 31.10.2014 – 36g IN 4706/14; unzulässig AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015 – 909 IN 1654/15, ZInsO 2015, 1111.

42 Frind, ZInsO 2015, 22, 24; AG Hannover, Beschl. v. 8.5.2015 – 909 IN 1654/15, ZInsO 2015, 1111.

walters geleistet werden dürfen. Der vorläufige Sachwalter untersagt die Zahlungen mit der Folge, dass das Organ des Schuldners wie im Fall der Bestellung eines vorläufigen In-solvenzverwalters rechtlich die Zahlungen an Fiskus und Sozialversicherungsträger nicht auslösen kann, womit eine persönliche Haftung entfallen dürfte.39 Die Beträge werden also gar nicht erst gezahlt, was die Liquidität der Schuld-nerin stärkt und einen nicht unerheblichen Verwaltungsauf-wand – vor allem auch bei den Zahlungsempfängern – ver-meidet. Es ist im Ergebnis auch diejenige Lösung, die am einfachsten und zügigsten umzusetzen ist, weil nicht viel mehr erforderlich ist, als wenige Telefonate, ein kurzer Be-schluss des Gerichts und eine ebenso kurze Stellungnahme des vorläufigen Sachwalters. Diese Lösung sieht sich aller-dings mit dem Problem konfrontiert, dass sie teilweise40 für unzulässig gehalten wird und in Ermangelung entsprechen-der Rechtsprechung zur Vermeidung von Haftung und Straf-barkeit des Geschäftsleiters noch keine sichere Aussage ge-troffen werden kann.

2. Ergebnis

Während die Übertragung des Kassenführungsrechts aus den genannten Gründen wenig überzeugt, setzt die Lösung des punktuellen Zustimmungsvorbehalts voraus, dass das Insolvenzgericht die Anordnung einer derartigen Siche-rungsmaßnahme als zulässig41 erachtet und, dass der vor-läufige Sachwalter entsprechend handelt; beides muss vor-her zwischen den Beteiligten abgestimmt werden. Diese Voraussetzungen sind in der Praxis nicht immer gegeben,42 sodass es im Ergebnis weiterhin des Insolvenzanfechtungs-rechts als notwendigem Korrektiv bedarf, um eine vom Ge-setzgeber nicht vorgesehene Privilegierung von Fiskus und Sozialversicherungsträger zu vermeiden. Selbst wer eine Sonderbehandlung der Sozialversicherungsträger mit dem Argument fordert, privatrechtlich agierende Vertragsgläubi-ger und öffentlich-rechtliche Sozialversicherungsträger sei-en ungleich und deshalb auch ungleich zu behandeln, muss anerkennen, dass sich der Gesetzgeber der InsO gegen eine

Lebensführung und der drohende Eintritt von Masseunzu-länglichkeit genannt. Zu Recht wird darauf hingewiesen,34 dass die Übernahme der Kassenführung die eigenverwal-tende Tätigkeit der Schuldnerin in erheblichem Maß be-schneidet, was im Rahmen der Ermessensentscheidung des Sachwalters berücksichtigt werden muss. Die Auffassung,35 wonach das Kassenführungsrecht nicht dem Schuldner ori-ginär zustehe, sondern gemäß gesetzlicher Anordnung vom vorläufigen Sachwalter nur belassen werde, überzeugt nicht. Hiergegen spricht schon der Wortlaut des § 275 Abs. 2 InsO, wonach der Sachwalter die ausschließliche Entgegennahme und Leistung von Zahlungen durch sich selbst vom Schuld-ner verlangen kann, aber nicht muss. Er kann es also auch beim „Normalzustand“ belassen, der i.Ü. auch in §  274 Abs.  2 Satz 1 InsO zum Ausdruck kommt. Dort wird der Pflichtenkreis des Sachwalters bestimmt, der sich auf die „Prüfung“ der wirtschaftlichen Lage und „Überwachung“ der Geschäftsführung des Schuldners sowie etwaiger Privat-ausgaben beschränkt. Die Durchführung des Zahlungsver-kehrs im Wege der Kassenführung ist aber keine Maßnahme der Prüfung oder Überwachung, sondern stellt eine „Ver-waltung“ des Schuldnervermögens dar.36 Diese Fremdver-waltung soll im Fall der (vorläufigen) Eigenverwaltung aber gerade nicht stattfinden. Weshalb nur die Übernahme der Kassenführung, nicht aber schon die tagesaktuelle Einsicht in den Zahlungsverkehr und die vorherige Abstimmung etwaiger Zahlungen von bestimmter Größenordnung eine effektive Kontrolle durch den Sachwalter ermöglichen soll, ist nicht ersichtlich. Auch ohne Kassenführung durch den Sachwalter ist die Umsetzung eines Vier-Augen-Prinzips37 zwangslos möglich, zumal in der Praxis der Eigenverwal-tung der Zahlungsverkehr zwischen eigenverwaltendem Schuldner und Sachwalter eng abgestimmt wird.

Die Lösung des Problems im Wege der Übernahme der Kas-senführung durch den Sachwalter ist für den Geschäftsleiter der Schuldnerin jedenfalls insoweit riskant, als dass er trotz Übernahme der Kassenführung im Außenverhältnis weiter verfügen können soll und unklar ist, wie Zivil-, Straf-, und Finanzgerichte dieses rechtliche Können bei der Beantwor-tung der Frage nach Strafbarkeit und persönlicher Ersatz-pflicht werten werden. Konsequenterweise müsste bei die-ser Lösung der Zahlungsverkehr über ein Anderkonto des Sachwalters abgewickelt oder sichergestellt werden, dass ohne dessen Zustimmung tatsächlich keine Zahlung aus-geführt wird. Damit aber hätte man den allgemeinen Zu-stimmungsvorbehalt der vorläufigen Insolvenzverwaltung in der vorläufigen Eigenverwaltung auf dem entscheidenden Gebiet des Zahlungsverkehrs eingeführt.

cc) Punktueller Zustimmungsvorbehalt

Als weiterer Lösungsweg wird ein punktueller Zustim-mungsvorbehalt seitens des Insolvenzgerichts genannt.38 Das Insolvenzgericht ordnet auf Grundlage des § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO an, dass Zahlungen auf Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.v. § 37 AO sowie Zahlungen auf die Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung i.S.v. §  266a StGB nur mit Zustimmung des vorläufigen Sach-

ZInsO-Aufsätze1246 ZInsO 26/2015

43 Die Diskussion wurde im Zusammenhang mit entsprechenden Gesetzes-entwürfen aus den Jahren 2005 und 2010 geführt; vgl. hierzu Marotzke, ZInsO 2010, 2163, 2170 ff.; Werres, ZInsO 2010, 2055, 2056 und Knospe/Gellrich, NZS 2006, 303 ff.

44 Zu dieser Kritik und gegen die Möglichkeit der Anfechtung Brückl/Bell-mann, ZInsO 2015, 1173.

45 Begr. RegE BT-Drucks. 17/5712, S. 46 zu Buchst. e.

46 RegE BT-Drucks. 17/5712, S. 2 unter B. Lösung; Begr. RegE BT-Drucks. 17/5712, S. 17 unter I. Überblick.

47 Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173.

48 AG Essen, Beschl. v. 3.2.2015 – 163 IN 14/15, ZInsO 2015, 700 ff.; AG Montabaur, Beschl. v. 27.12.2012 – 14 IN 282/12, ZInsO 2013, 397 f. Das Modell der Einzelermächtigung ist dem Autor aus über 20 Verfahren nach § 270a InsO bekannt und darf als Standard bezeichnet werden.

49 AG Essen, Beschl. v. 3.2.2015 – 163 IN 14/15, ZInsO 2015, 700 ff.

50 So aber offenbar Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173.

51 Begr. BeschlE RechtsA, BT-Drucks. 17/7511, S. 37 zu § 270b Abs. 3 (neu): „Der eigenverwaltende Schuldner hat … abzuwägen, ob es in der konkre-ten Situation sinnvoller ist, beim Gericht Einzelermächtigungen zur Be-gründung von Masseverbindlichkeiten anzuregen oder von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, sich mit einer globalen Ermächtigung ausstatten zu lassen“; MünchKomm-InsO/Kern (Fn. 30), § 270b Rn. 111 m.w.N.

gen, wie sie im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO zulässig sein sollen, sind demgegenüber ausgeschlossen.49 Ein Antrag des Schuldners, Gesamtsozialversicherungsbei-träge als Masseverbindlichkeiten begründen zu dürfen, ist offensichtlich insolvenzzweckwidrig und praxisfern. Kon-sequenterweise müsste man dann auch fordern, dass Löh-ne und Gehälter als Masseverbindlichkeiten zu begründen sind, um die Bundesagentur für Arbeit zu entlasten.50

b) Verfahren nach § 270b InsO – Schutzschirm-verfahren

Gem. § 270b InsO Abs. 3 Satz 1 InsO hat das Insolvenz-gericht auf Antrag des Schuldners anzuordnen, dass dieser Masseverbindlichkeiten begründet. Gem. Satz  2 gilt §  55 Abs. 2 InsO in entsprechender Anwendung. Inhaltliche oder formelle Antragsvoraussetzungen nennt das Gesetz nicht. Die generelle Ermächtigung zur Begründung von Massever-bindlichkeiten ist möglich, liegt aber weder im Interesse der Gläubigergemeinschaft noch des eigenverwaltenden Schuld-ners, da gerade durch bestehende Dauerschuldverhältnisse beträchtliche Verbindlichkeiten begründet werden können, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dann als Masseverbindlichkeiten bevorrechtigt befriedigt werden. Dementsprechend soll es nach verbreiteter Auffassung51 auch im Verfahren nach § 270b InsO möglich sein, die Be-gründung von Masseverbindlichkeiten auf einzelne, konkre-te Verbindlichkeiten zu beschränken. Der eigenverwaltende Schuldner hat insoweit einen Ermessensspielraum, der sich am Grundsatz der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung und der Sanierung des Unternehmens orientieren muss. Folglich kann und muss er möglichst sicher vermeiden, dass Verbindlichkeiten gegenüber Sozialversicherungsträgern zu Masseverbindlichkeiten hochgestuft werden. Es wäre auch widersinnig, wenn ein schwacher vorläufiger Insolvenzver-walter derartige Masseverbindlichkeiten vermeiden könnte, diese aber im Rahmen des auf eine Sanierung und bestmög-liche Gläubigerbefriedigung zielenden Schutzschirmverfah-

Ungleichbehandlung in Form einer Privilegierung zuguns-ten Letzterer entschieden hat.43

III. Korrektur des Privilegs durch die Insolvenz-anfechtung

Während der Verwaltungsaufwand der Anfechtungslösung durchaus zu Recht kritisiert wird, überzeugen die Argumen-te, die gegen das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzun-gen sprechen sollen, nicht.44

1. Insolvenz als Versicherungsfall

Insolvenzgeld ist bei Eintritt des Insolvenzereignisses zu zahlen. Beitragszahler dieser umlagefinanzierten Versiche-rung sind die Arbeitgeber (§ 358 SGB III). Wenn die Sozial-versicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III aus Mitteln der Insolvenz-geldumlage erfolgen, kann dies nicht als Argument gegen die Anfechtung von Zahlungen des Arbeitgebers herange-zogen werden. Der Gesetzgeber hat die mit dieser Regelung einhergehende Verlagerung innerhalb der Sozialversiche-rung ja gerade angeordnet. Auch der Sanierungseffekt des Insolvenzgeldes ist dem Gesetzgeber45 zumindest bekannt. Eine Sanierung unter Insolvenzschutz steht grds. auch je-dem Wettbewerber offen, sodass der Hinweis auf vermeint-lich wettbewerbsrechtliche Nachteile des Insolvenzgeldes nicht überzeugt. Der Gesetzgeber46 hat sich zudem offen-sichtlich dafür entschieden, Wettbewerbsverzerrungen inso-weit in Kauf zu nehmen, als dass insolvenzbedrohte, aber sanierungsfähige Unternehmen am Markt erhalten bleiben sollen. Insoweit hat sich der Gesetzgeber klar dazu bekannt, zur Vermeidung volkswirtschaftlicher Schäden durch Liqui-dation noch marktfähiger Unternehmen diese zeitlich be-grenzt „aus dem Wettbewerb“ zu nehmen und durch recht-liche wie tatsächliche Unterstützungsmöglichkeiten eine möglichst nachhaltige Sanierung zu fördern.

2. Anfechtung von Masseverbindlichkeiten

Zu Recht wird die Frage aufgeworfen, ob eine Anfechtung gezahlter Sozialversicherungsbeiträge auch dann möglich ist, wenn die Forderungen der Sozialversicherungsträger als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind.47

a) Verfahren nach § 270a InsO

In einem Insolvenzantragsverfahren nach § 270a InsO wird der Schuldner wohl kaum beantragen, Verbindlichkeiten gegenüber Sozialversicherungsträgern als Masseverbind-lichkeiten begründen zu dürfen und das Insolvenzgericht einen solchen, offensichtlich gläubigerbenachteiligenden Beschluss auch nicht erlassen. Ein Beschluss des Insolvenz-gerichts, der eine Ermächtigung des Schuldners vorsieht, einzelne, konkret bezeichnete Masseverbindlichkeiten zu begründen („Einzelermächtigung“) ist aber erforderlich und zulässig, damit im Rahmen des Verfahrens nach § 270a InsO überhaupt Masseverbindlichkeiten im Antragsverfah-ren begründet werden können.48 Sog. Globalermächtigun-

ZInsO-AufsätzeZInsO 26/2015 1247

52 Stahlschmidt, EWiR 2014, 597, 598.

53 OLG Köln, Beschl. v. 3.11.2014 – I-2 U 82/14, ZInsO 2015, 204 ff. Rn. 6; OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2014 – 13 U 106/14, ZIP 2014, 1294 ff. Rn. 18; Pape, ZIP 2013, 2285, 2292.

54 BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZInsO 2012, 1127 ff.

55 Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173.

56 OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2014 – 13 U 106/14, ZIP 2014, 1294 ff. Rn. 11; LG Köln, Urt. v. 4.7.2014 – 16 O 575/13, ZInsO 2014, 1503 ff. Rn. 15; LG Hamburg, Urt. v. 19.9.2014 – 303 O 29/14, ZInsO 2015, 516 ff. Rn. 52, 55.

57 Begr. RegE BT-Drucks. 17/5712, S. 40 zu Rn. 270b.

58 Statt vieler K. Schmidt/Undritz (Fn. 30), § 270b Rn. 1 „sanierungsvorbe-reitendes Eröffnungsverfahren“; Ringstmeier (Fn. 37), § 270b Rn. 2; FK-InsO/Foltis (Fn. 30), § 270b Rn. 5; Vallender, DB 2015, 231 ff.; Lürken, NZI 2015, 3, 5; zu den Zielen des Insolvenzverfahrens auch nach ESUG ausführlich Buchalik, ZInsO 2015, 484  ff. A.A. Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173.

59 HambKomm-InsO/Fiebig (Fn. 30), § 270b Rn. 2.

60 Hierfür Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173.

61 Konsequenterweise müsste dann auch § 133 Abs. 1 InsO entsprechend aus-gelegt werden, um eine Anfechtung vollständig zu vermeiden.

62 Z.B. BGH, Urt. v. 30.9.2014 – XI ZR 168/13, ZIP 2014, 2119 ff. Rn. 13.

63 Z.B. BGH, Urt. v. 30.9.2014 – XI ZR 168/13, ZIP 2014, 2119 ff. Rn. 13.

64 Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173.

Regelungsabsicht beurteilt werden. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollstän-dig sein.63 Schon diese Voraussetzung legen die Befürworter der Reduktion nicht hinreichend dar. Hätte der Gesetzge-ber – völlig systemfremd und schwerwiegend – in das Recht der Insolvenzanfechtung in der Form eingreifen wollen, dass dieses – in welcher Weise auch immer – im Fall eines Antrags nach § 270b InsO nur eingeschränkt gilt, wäre eine ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen. Es mag sein, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 270b InsO das Ziel einer frühzeitigen Antragstellung durch Schuldner weiter vorantreiben sowie das Vertrauen der Schuldner in das Eröffnungs- und damit sogleich in das Insolvenzverfah-ren im Allgemeinen stärken wollte, in dem er dem Schuld-ner ein Verfahren zur Verfügung stellt, bei dem dieser Herr über sein Unternehmen bleibt. Und selbst wenn man dies als „Schutzrichtung dieser Neuregelung“64 begreift, bleibt unklar, weshalb das Recht der Insolvenzanfechtung die-sem Ziel entgegenstehen soll. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Regelungen der Insolvenzanfechtung eine ver-meintliche Erleichterung der Betriebsfortführung behin-dern. Vielmehr liefert der Hinweis auf den Liquiditätsvorteil („Löhne und Gehälter zahlt der Staat“) des Sanierungsver-fahrens in der Praxis gerade ein weiteres Argument für die übrigen Gläubiger, dass diese zusätzlich zur Verfügung ste-henden liquiden Mittel zunächst für die Sanierung und da-mit die anschließende Befriedigung ihrer eigenen Forderun-gen verwendet werden können. Die Insolvenzanfechtung erhöht insofern aus Sicht der Insolvenzgläubiger geradezu die Sanierungschancen. Kein Gläubiger hat ein Interesse daran, dass andere, um die Befriedigung ihrer Forderungen konkurrierende Gläubiger bevorzugt werden. Im Gegenteil müsste ein Gläubiger das Schutzschirmverfahren als für sich nachteilig ablehnen, wenn bei diesem – im Unterschied zum Regelinsolvenzverfahren – Gläubigerungleichbehand-lungen geduldet und Vermögensverschiebungen im Vorfeld

rens als vorläufigem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung die Insolvenzmasse nicht unerheblich belasten würden. Es kann damit dahinstehen, ob „während des Schutzschirms“ entstandene Sozialversicherungsbeiträge als Masseverbind-lichkeiten i.S.d. §§ 270b Abs. 3 Satz 2, 55 Abs. 2 InsO zu qualifizieren wären. Der eigenverwaltende Schuldner ist gut beraten, von der Globalermächtigung insofern keinen Gebrauch zu machen.52 Ohne Einzel- oder Globalermächti-gung durch das Gericht kann der eigenverwaltende Schuld-ner jedenfalls keine Masseverbindlichkeiten begründen.53 Es spricht mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH54 zur Anfechtbarkeit der Aufwertung von Forderungen zu Mas-severbindlichkeiten i.Ü. einiges dafür, dass die Aufwertung der Sozialversicherungsbeiträge zu Masseverbindlichkeiten ihrerseits anfechtbar wäre.

3. Kein Eröffnungsantrag i.S.d. § 130 Abs. 1 InsO?

Der Ansicht,55 wonach ein mit der Durchführung eines Schutzschirmverfahrens verbundener Insolvenzantrag kein Insolvenzantrag i.S.d. §  130 InsO sei, kann nicht gefolgt werden. Die geforderte – weithin abgelehnte56 – Unterschei-dung verkennt, dass es sich auch bei dem Verfahren nach § 270b InsO um nichts anderes als ein Insolvenzantragsver-fahren handelt. Dies zeigen der Wortlaut des § 270b InsO, die Systematik der InsO, die Gesetzgebungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des Verfahrens nach § 270b InsO. Zudem mündet das Schutzschirmverfahren immer dann in ein Insolvenzverfahren (idealerweise in Eigenverwaltung), wenn eine Einigung mit den Gläubigern während des In-solvenzantragsverfahrens nicht gelingt. Auch das Schutz-schirmverfahren ist auf die Umsetzung eines Insolvenzplan-konzepts gerichtet; das Verfahren hierzu setzt ein eröffnetes Insolvenzverfahren voraus. Es handelt sich der Sache nach gerade nicht um ein eigenständiges Sanierungsverfahren, auch wenn im Gesetzgebungsverfahren57 hiervon die Rede war.58 Vielmehr führt der Weg unter den Schutzschirm aus-schließlich über das normale Insolvenzeröffnungsverfah-ren.59 Es gibt keine überzeugenden Argumente, weshalb die Vorschriften der Insolvenzanfechtung bei der Verbindung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit einem Antrag nach § 270b InsO suspendiert werden sollten. Das Insolvenzanfechtungsrecht dient der Verwirklichung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes und damit al-len Gläubigern. Sicherlich wollte der Gesetzgeber durch das Schutzschirmverfahren im Fall der Eröffnung des Insol-venzverfahrens nicht einzelne Gläubiger zulasten anderer Gläubiger benachteiligen.

4. Teleologische Reduktion des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO/Sanierungsrechtsprechung

Die Forderung nach einer teleologischen Reduktion60 des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO61 ist nicht haltbar. Eine teleo-logische Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus.62 Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, muss vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden

ZInsO-Aufsätze1248 ZInsO 26/2015

65 Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173.

66 K. Schmidt/Undritz (Fn. 30), § 270b Rn. 3.

67 K. Schmidt/K. Schmidt (Fn. 30), § 19 Rn. 48.

68 Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173.

69 Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173.

70 BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZInsO 2013, 780 ff. Rn. 11; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZInsO 2012, 171 ff. Rn. 11, 13; BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276 ff.

71 BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZInsO 2013, 780 ff. Rn. 11 m.w.N.

72 Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 732.

verfahren stünde insoweit hinter einer außergerichtlichen Sanierung zurück und sei minderwertig.69

Diese Ansicht überzeugt schon deshalb nicht, weil sie ein Grundprinzip verkennt: Insolvenzanfechtung ist Gläubiger-schutz. Vermögensverschiebungen an einzelne Gläubiger werden zugunsten der Gläubigergemeinschaft und im Inte-resse einer gemeinschaftlichen Befriedigung rückgängig ge-macht. Auch ist zu berücksichtigen, dass die außergerichtli-che Sanierung mit den Gläubigern im Fall der Beantragung eines Insolvenzverfahrens nebst Antrag nach § 270b InsO bereits ebenso gescheitert ist, wie eine anderweitige Sicher-stellung der Finanzierung des Unternehmens. Es darf nicht verkannt werden, dass auch das durch ein Schutzschirm-verfahren eingeleitete Insolvenzverfahren insoweit zu einer Zwangssanierung führt, als dass diese gegen den Willen ganzer Gläubigergruppen durchgesetzt werden kann. Im Unterschied hierzu setzt die außergerichtliche Sanierung Einvernehmen voraus. Die Sanierung gegen den Willen der Gläubiger, die im Rahmen des Insolvenzplans entsprechen-de Verzichte zu leisten haben, ist aber nur gerechtfertigt, wenn im Gegenzug die Insolvenzmasse unter Nutzung des Insolvenzanfechtungsrechts so umfangreich wie möglich angereichert wird.

Der BGH70 hat überdies mehrfach entschieden, dass sowohl der Gesichtspunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit als auch derjenige der Inkongruenz ihre Bedeutung als Beweis-anzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO verlieren können, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernst-haften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist. In diesem Fall soll die Rechtshandlung des Schuldners von einem anderen, anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet sein, und das Bewusstsein der Benachteili-gung anderer Gläubiger infolgedessen in den Hintergrund treten. Voraussetzung ist aber, dass zu der Zeit der ange-fochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegt, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begrün-dete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt.71 Das Verfahren nach § 270b InsO setzt demgegenüber lediglich voraus, dass eine angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist und dies von einer entsprechend qualifizierten Person be-scheinigt wird. Selbst geringe Chancen für eine Sanierung genügen.72 Der Schuldner hat danach zwar seine Sanie-

des Insolvenzverfahrens nicht rückgängig gemacht würden. Die Sanierung unter Umsetzung eines Insolvenzplanver-fahrens ist bekanntermaßen auch im Wege einer Insolvenz in Eigenverwaltung möglich, der ein vorläufiges Eigenver-waltungsverfahren nach § 270a InsO vorausgeht; ja selbst im Regelinsolvenzverfahren kann ein Insolvenzplankon-zept umgesetzt werden. Die  – teilweise  – Suspendierung des Insolvenzanfechtungsrechts im Schutzschirmverfahren wäre gewissermaßen der Sargnagel für das Verfahren nach § 270b InsO.

Des Weiteren verkennen die Befürworter65 einer teleolo-gischen Reduktion, dass ein Antrag nach § 270b InsO zu-mindest den Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung voraussetzt. Durch die Anordnung des Schutzschirmverfahrens erhalten die Insolvenzgläubiger da-mit nicht nur Kenntnis von dem Insolvenzantrag – soweit der Schuldner dies mitteilt – sondern auch von der nicht zu be-streitenden Tatsache, dass der Schuldner drohend zahlungs-unfähig und/oder überschuldet ist. § 270b InsO nimmt indes nicht auf die handelsbilanzielle Überschuldung, sondern auf die rechtliche Überschuldung i.S.d. § 19 InsO Bezug.66 Diese setzt bekanntermaßen eine negative Fortführungs-prognose voraus. Maßstab für die Überlebensfähigkeit des Unternehmens – und damit die Fortführung – ist die Zah-lungsfähigkeit des Unternehmens.67 Wird der Insolvenzan-trag also aufgrund eingetretener Überschuldung nach § 19 InsO gestellt, bringt der Schuldner damit zum Ausdruck, alsbald nicht mehr zahlungsfähig zu sein bzw. eine etwaig eingetretene Zahlungsunfähigkeit nicht kurzfristig beseiti-gen zu können. Dies kann nach Maßgabe des Empfänger-horizonts auch als drohende Zahlungsunfähigkeit verstan-den werden. Soweit der Schuldner tatsächlich einmal einen Insolvenzantrag nebst Antrag nach § 270b InsO allein auf den Eintritt der Überschuldung stützt, ist folglich fraglich, ob eine Kenntnis des Zahlungsempfängers von drohender Zahlungsunfähigkeit tatsächlich verneint werden kann. Un-mittelbare Bedeutung kann diese Frage ohnehin nur für eine Anfechtung nach §  133 Abs.  1 InsO erlangen. Innerhalb des Dreimonatszeitraums der Anfechtung nach den §§ 130, 131 InsO hat der Gesetzgeber auf einen Gläubigerbenach-teiligungsvorsatz des Schuldners und eine entsprechende Kenntnis des Zahlungsempfängers hiervon als Tatbestands-merkmale verzichtet.

Auch die Begründung68 einer teleologischen Reduktion des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO mit der „Sanierungsrecht-sprechung“ des BGH im Rahmen der Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO überzeugt nicht. Die Reduktion sei geboten, weil nach § 270 Abs. 1 Satz 3 InsO dem Insolvenz-gericht die Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahre-nen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts vorzulegen ist, aus der sich ergibt, dass die angestrebte Sa-nierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Es sei wider-sprüchlich, wenn eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO bei der außergerichtlichen Umsetzung eines tragfähigen Sanierungskonzepts ausgeschlossen sei, während bei Um-setzung innerhalb des Schutzschirmverfahrens ein Anfech-tungsrisiko bestehe; der Gläubigerschutz im Schutzschirm-

ZInsO-AufsätzeZInsO 26/2015 1249

73 A.A. Brückl/Bellmann, ZInsO 2015, 1173.

74 FK-InsO/Dauernheim (Fn. 30), § 143 Rn. 3; Kupka, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 2. Aufl. 2013, § 143 Rn. 8; K. Schmidt/Büteröwe (Fn. 30), § 143 Rn. 2; K. Schmidt/Undritz (Fn. 30), § 280 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Kirchhof (Fn. 30), § 280 Rn. 4 f.

75 Hierzu ausführlich unter Hinweis auf § 1 InsO und die Gesetzgebungsge-schichte Buchalik, ZInsO 2015, 484 ff.

Der deutsche Gesetzgeber entbindet die spätere Insolvenz-schuldnerin gerade nicht von der Pflicht zur Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen oder setzt diese aus. Das Recht der Insolvenzanfechtung betrifft ohne An-sehung der Person jeden Gläubiger, der eine Zahlung erhält, die einen Anfechtungstatbestand erfüllt.

6. Wirtschaftliche Überlegungen

Ungeachtet der rechtlichen Überlegungen sprechen auch gute wirtschaftliche Gründe dafür, den Sanierungsversuch innerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht als Last für die Solidargemeinschaft zu begreifen, zumal ja schon der Re-formgesetzgeber des Jahres 1994 die InsO selbst als eine marktkonforme Regelung zum Austritt oder zur Sanierung von Unternehmen beschrieben hat. Das Gegenteil ist viel-mehr der Fall: Die Träger der gesetzlichen Sozialversiche-rung profitieren ebenso wie der Fiskus, die Kunden, und Lieferanten der Schuldnerin erheblich von einem Erhalt des sanierten Unternehmens. Die einen behalten den Beitrags-zahler, der andere einen Steuerzahler und die Gläubiger erhalten sich eine gewachsene Geschäftsbeziehung. Ange-sichts dessen ist es sachgerecht, wenn die institutionell Be-teiligten – wie alle anderen Gläubiger auch – einen Sanie-rungs(zwangs)beitrag leisten, so sie denn mehrheitlich die Sanierung des Unternehmens tragen und unterstützen. Die Sanierung unter Insolvenzschutz ist daher auch kein Selbst-zweck, sondern stets getragen und nur möglich mit der auto-nomen Entscheidung der Gesamtgläubigerschaft.

IV. Gesetzesänderung sinnvoll

Das aus – nicht zutreffender – Sicht der Beteiligten erfor-derliche „Hin- und Herzahlen“ begegnet aufgrund des damit zusammenhängenden Verwaltungsaufwandes und des zeit-lich begrenzten Liquiditätsabflusses berechtigten Bedenken. Bedauerlich ist, dass es erst des Anfechtungsrechts bedarf, um den Normalzustand, die Gleichbehandlung aller Gläubi-ger, herzustellen. Eine entsprechende Gesetzesänderung ist wünschenswert, soweit dies mit Beihilferecht vereinbar und praktisch umsetzbar ist.

V. Fazit

1. Die Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung nach §  270a InsO und §  270b InsO („Schutzschirmverfahren“) sind Insolvenzantragsverfahren. Bei diesen Verfahren füh-ren die Regelungen zur persönlichen Haftung der Organe von Insolvenzschuldnern für nicht abgeführte Sozialversi-cherungsbeiträge und Steuern sowie eine diese begleitende Verantwortung nach Maßgabe des Straf- und Ordnungswid-

rungspläne zu offenbaren und entsprechende Berechnungen anzustellen. Er muss aber weder ein Sanierungskonzept vorlegen noch bereits mit der Umsetzung der Maßnahmen begonnen haben. Die strengen Voraussetzungen der „Sa-nierungsrechtsprechung“ im Rahmen der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO müssen gerade nicht erfüllt werden, um ein Schutzschirmverfahren einzuleiten.

Sollte die Sanierung tatsächlich einmal ohne anschließendes Insolvenzverfahren innerhalb des maximal 3 Monate dau-ernden Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO gelingen, so besteht auch kein Anfechtungsrisiko: ohne Insolvenzver-fahren keine Insolvenzanfechtung.

5. Verstoß gegen Beihilferecht?

Das Recht der Insolvenzanfechtung im Allgemeinen und im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei vorgeschal-tetem Schutzschirmverfahren im Besonderen stellt keinen offensichtlichen Verstoß gegen das Beihilferecht dar.73

Dabei kann dahinstehen, ob Voraussetzungen des Beihilfe-begriffs nach Art. 108 AEU-Vertrag überhaupt erfüllt sind. Bedenken bestehen insofern schon deshalb, weil Fiskus und Sozialversicherungsträger als Zwangsgläubiger die erhalte-nen Zahlungen gerade nicht freiwillig an die Insolvenzmas-se zurückgewähren, sondern aufgrund eines gesetzlichen Normbefehls, der sie – wie jeden anderen Privatgläubiger auch – hierzu verpflichtet. Fiskus und Sozialversicherungs-träger gewähren auch nicht um der Sanierung Willen eine Unterstützung, sondern zahlen – anfechtungsrechtlich – zu Unrecht erhaltene Beträge zurück. Bei § 143 InsO handelt es sich um einen Rückgewähranspruch. Durch das An-fechtungsrecht wird die Vermögenslage der Schuldnerin lediglich nur so wieder hergestellt, wie sie sich ohne die anfechtbare Handlung darstellen würde. Empfänger des im Wege der Anfechtung zurückgewährten Betrags ist zudem gerade nicht die Schuldnerin, sondern die Gläubigerge-meinschaft. Der Sachwalter vereinnahmt diese Beträge für die Insolvenzmasse als Sondermasse; der Anfechtungsan-spruch ist ein Anspruch der Insolvenzmasse, der durch den Sachwalter geltend gemacht wird.74 Damit zahlen Fiskus und Sozialversicherungsträger rechtlich und tatsächlich in einen Topf, aus dem sie wie alle anderen Gläubiger befrie-digt werden. Allenfalls könnte man überlegen, ob die Zu-stimmung zu einem Insolvenzplan, der einen Verzicht von Fiskus oder Sozialversicherungsträger („Quotenzahlung“) vorsieht, mit Beihilferecht vereinbar ist. Die Rückgän-gigmachung von Vermögensverschiebungen zulasten der Gläubigergemeinschaft mit dem Ziel, die Haftungsmasse für sämtliche Insolvenzgläubiger wiederherzustellen – nur hierum geht es im Anfechtungsrecht – ist insoweit der fal-sche Anknüpfungspunkt.

Ziel des Insolvenzverfahrens ist – unabhängig von der ge-wählten Verfahrensart – auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) die bestmögliche Befriedigung der Insolvenzgläu-biger in Form einer möglichsten hohen Insolvenzquote.75

ZInsO-Aufsätze1250 ZInsO 26/2015

InsO) auch ohne Ausübung der Kassenführung problemlos erfüllen kann. Da auch ein punktueller Zustimmungsvorbe-halt teilweise als nicht zulässig erachtet wird, bleibt derzeit allein die Insolvenzanfechtung, um das faktische Kassen- und Fiskusprivileg zu korrigieren.

4. Die Forderung nach einer teleologischen Reduktion des§ 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Fall des dem Insolvenzverfahrenvorgeschalteten Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO ist nicht haltbar. Es fehlt schon an einer gesetzlichen Re-gelungslücke. Zudem ist die Insolvenzanfechtung nicht nur mit dem Sinn und Zweck des Schutzschirmverfahrens ver-einbar, sie ist geradezu unverzichtbar für seine Akzeptanz. Insolvenzanfechtung ist Gläubigerschutz.

5. Das Recht der Insolvenzanfechtung im Allgemeinen undim Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei vorge-schaltetem Schutzschirmverfahren im Besonderen stellt keinen offensichtlichen Verstoß gegen das Beihilferecht dar. Die Insolvenzanfechtung führt zu einem Rückgewähr-anspruch der Insolvenzmasse als Sondermasse, der von Insolvenz- bzw. Sachwalter im Interesse der Gläubigerge-meinschaft durchgesetzt wird; es handelt sich nicht um eine Zahlung an den Insolvenzschuldner, der im Vorfeld des In-solvenzverfahrens auch nicht von der Abführung von Steu-ern und Sozialversicherungsbeiträgen entbunden wird.

rigkeitenrechts in Verbindung mit bestimmten Zahlungs-verboten bei Insolvenzreife zu einem Interessenkonflikt für eben diese Organe, der seinerseits ein erhebliches, vom Ge-setzgeber nicht gewolltes, faktisches Krankenkassen- und Fiskusprivileg verursacht.

2. Das Recht der Insolvenzanfechtung ermöglicht die Rück-zahlung zunächst von der späteren Insolvenzschuldnerin gezahlter Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge an die Insolvenzmasse und stellt damit keinen Sanierungs-versuch zulasten der Solidargemeinschaft dar, sondern ist vielmehr ein notwendiges Korrektiv, um faktisch bestehen-de Privilegien für Fiskus und Sozialversicherungsträger zu beseitigen. Nach der bislang zu dieser Thematik ergangenen Rechtsprechung wird die spätere Anfechtung im Fall der (vorläufigen) Eigenverwaltung überwiegend für problemlos möglich gehalten.

3. Die InsO kennt kein originäres Kassenführungsrecht desSachwalters. Die Kassenführung durch den (vorläufigen) Sachwalter widerspricht der Idee der Eigenverwaltung, weil die liquiden Mittel des Schuldners jedenfalls im Ergebnis der Fremdverwaltung unterliegen. Ohne gewichtige Gründe muss die Kassenführung beim eigenverwaltenden Schuld-ner verbleiben, da der (vorläufige) Sachwalter die ihm zufal-lende Prüfungs- und Überwachungsfunktion (§ 274 Abs. 2