ZInsO 46/2016 ZInsO-Aktuell III - perspektiv Monitor/ZInsO-Monitor … · ZInsO 46/2016...
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ZInsO 46/2016 ZInsO-Aktuell III
ZInsO-Aktuell
Kurznachrichten
Das Bundeskabinett hat am 2.11.2016 den Gesetzentwurf zur
Entschärfung der Strafbarkeit bei formal unzureichender Insol-
venzantragstellung und zur Einpassung der neuen Europäischen
Insolvenzverordnung (EuInsVO) in das deutsche Insolvenzrecht
beschlossen. Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sa-
nierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) und ihre Arbeits-
gruppe Europa begrüßen, dass damit die neue EuInsVO mit Be-
ginn ihrer Anwendbarkeit im Juli 2017 auf ein sicheres
Fundament gestellt wird. Das ist darum von besonderer Bedeu-
tung, weil immer mehr Unternehmensinsolvenzen einen euro-
päischen, grenzüberschreitenden Bezug aufweisen.
Die neue Verordnung (EU) 2015/848 gilt für die ab dem 26.6.2017
eröffneten Insolvenzverfahren. Als Rechtsakt der Europäischen
Union gilt sie in den jeweiligen Mitgliedsstaaten unmittelbar
und direkt, sodass weitere Umsetzungsakte nicht erforderlich
sind. Allerdings haben die bisherigen Regelungen in der Praxis
gezeigt, dass sich die Vorgaben der EuInsVO immer dann be-
sonders kon� iktarm und praxisgerecht anwenden lassen, wenn
sie mit dem nationalen Verfahrensrecht, der Insolvenzordnung
(InsO), verzahnt werden.
„Insgesamt bewerten wir den Gesetzentwurf als sehr gelungen“,
resümiert Rechtsanwalt Dr. Martin Prager, Vorsitzender der
Arbeitsgemeinschaft. Rechtsanwalt Daniel F. Fritz, Sprecher
der Europagruppe und als Private Expert der Europäischen
Kommission bei der Formulierung der neuen EuInsVO maßgeb-
lich involviert, ergänzt: „Die neue EuInsVO nimmt eine Vorrei-
terrolle ein. Sie führt über zahlreiche neue Instrumente wie etwa
das virtuelle Sekundärverfahren ein Konzerninsolvenzrecht
ein.“ Dies mache vor allem verfahrensrechtliche Regelungen
notwendig. Dass hier klare und weitgehend effektive Regelun-
gen vorgesehen seien, sei auch im Hinblick auf die Diskussion
um den „Insolvenzstandort Deutschland“ zu begrüßen.
Darüber hinaus hat das Bundesjustizministerium diese Einpas-
sung europarechtlicher Vorgaben dazu genutzt, um ein drängen-
des Problem der Praxis zu lösen und überbordende Strafverfol-
gung einzudämmen. In der Vergangenheit wurden etliche
Geschäftsführer belangt, die zwar rechtzeitig Insolvenzantrag
gestellt hatten, deren Antrag aber nicht allen Formerfordnissen
entsprach. Diese Anträge wurden dann zunächst nicht als zuläs-
sig geführt. Hat ein Antragsteller nicht alle Formalien erfüllt,
soll es ihm zukünftig möglich sein, das Fehlende noch innerhalb
von 3 Wochen ab gerichtlicher Anforderung nachreichen zu
können. Er kann dann nicht strafrechtlich belangt werden. „Da
die Insolvenzgerichte bundesweit unterschiedliche formale An-
forderungen an einen Antrag stellen, kommt diese Neufassung
der Wirklichkeit entgegen und befreit in fairer Weise ansonsten
rechtstreu Handelnde von strafrechtlichen Risiken“, erklärt
Prager.
Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung begrüßt beschlossenen Regierungsentwurf zur
Einpassung der Europäischen Insolvenzverordnung
Lob für Eindämmung der Strafbarkeit bei nur formal unrichtigem Insolvenzantrag
Pressemeldung der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein v. 3. 11. 2016
Anzahl Großverfahren auf dem Niveau von 2015
Die Anzahl an Verfahren von Unternehmen mit über 20 Mio. €
Umsatz und über 100 Mitarbeitern liegt im III. Quartal des Jahres
mit monatlich 6,3 Verfahren auf dem Niveau des Jahres 2015. So-
mit scheint mit Blick auf die Anzahl an Großverfahren eine „Bo-
denbildung“ erreicht, ohne dass die Anzahl merklich ansteigt.
Vor allem aber gab es im zurückliegenden Quartal wieder mehrere
öffentlichkeitsträchtige Großverfahren von Unternehmen mit über
1.000 Mitarbeitern – so vor allem die Antragsverfahren der Unister-
Touristikgruppe, des Landwirtschaftskonzerns KTG Agrar sowie
die Bekleidungs-Einzelhändler SinnLeffers und Wöhrl.
Bekleidungs-Einzelhandel weiter unter Druck
Branchenseitig kommt vor allem der Bekleidungs-Einzelhandel
„unter die Räder“. Die Großinsolvenzen in dieser Branche meh-
ren sich weiter. So sind neben SinnLeffers, Wöhrl vor allem MS
Mode und die „Wiederholungstäter“ Strauss Innovation und
TOPAZ Textilhandel zu nennen. Obwohl Unternehmen im sta-
tionären Einzelhandel durch insolvenzrechtliche Maßnahmen
sehr gut nachhaltig sanierbar sind, zeigt sich in der zweiten An-
schlussinsolvenz der genannten Unternehmen binnen kürzester
Zeit, dass die Geschäftsmodelle oftmals grundsätzlich nicht
mehr sanierbar zu sein scheinen. Die Krisen in Einzelhandels-
Insolvenzmonitor III. Quartal 2016 – Top-Antragsverfahren in der Kurzanalyse1
von Dr. Andreas Fröhlich, perspektiv GmbH, München2
1 Das Ziel des Insolvenzmonitors ist eine quartalsweise aggregierte Darstel-
lung der aktuellen Antragsverfahren mit überregionaler Bedeutung. Im
Fokus steht dabei eine Analyse des Insolvenzgeschehens aus einer markt-
strategischen Sichtweise. Trends, Branchenentwicklungen und – soweit aus
externer Perspektive erkennbar – Insolvenzursachen werden identi� ziert
und erläutert. Da die Anordnungen der vorläu� gen Eigenverwaltung (mit
oder ohne Schutzschirm) durch die Insolvenzgerichte im Antragsverfahren
nicht veröffentlichungsp� ichtig sind, können unter Umständen nicht alle
Antragsverfahren vollständig identi� ziert werden.
2 Der Verfasser ist Managing Partner der perspektiv GmbH, München, www.
perspektiv.de.
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IV ZInsO-Aktuell ZInsO 46/2016
unternehmen haben oftmals einen existenziellen Charakter mit
einem hohen Liquidationsrisiko.
Eigenverwaltung weiter auf dem Vormarsch
Die Mehrheit der „größeren Verfahren“ startet – wie schon in
den Vorquartalen – mit einer Eigenverwaltung in das Antrags-
verfahren (52 %) – damit scheint sich der Trend zu verfestigen,
dass nunmehr mindestens die Hälfte aller Großverfahren mit
einer Eigenverwaltung beginnt. Der Anteil der Schutzschirm-
verfahren an allen Eigenverwaltungsverfahren bleibt – zum
Zeitpunkt der Antragsstellung – mit 20 % dabei weiterhin ge-
ring.
Top Antragsverfahren 17.2016 – 30.9.20161
Unternehmen/
UnternehmensgruppeBranche Amtsgericht
Vorläu� ger Sachwalter
(Eigenverwalter)2
Vorläu� ger Insolvenzverwalter
Umsatz
Mio. €
Anzahl
Mitarbeiter
Vorläu� ge Eigenverwaltung3
Dunlopillo GmbH Möbel-Industrie Aschaffenburg Marcus Winkler (Detlef Specovius)
40 120
E.V.G. Ein- und Verkaufsge-nossenschaft eG Erkheim
Großhandel Memmingen Dr. Thomas Karg (Martina Hengartner)
49 244
FZ Foods AG Lebensmittel-Industrie Mühlhausen Frank-Rüdiger Schef� er (Stefan Ettelt)
29 140
Gebr. Sanders GmbH & Co. KG (S)
Textil-Industrie Bersenbrück Michael Mönig (Dr. Jörg Nerlich)
54 700
KTG Agrar SE Landwirtschaft Hamburg-Mitte Stefan Ulrich Denkhaus (Jan Ockelmann)
234 1,008
NARVA Lichtquellen GmbH + Co. KG (S)
Konsumgüter-Industrie Chemnitz Martin Mucha (Dr. Stefan Weniger)
37 370
Röhrs AG Stahlbau-Industrie Celle Dr. Rainer Eckert 23 150
Schnell Motoren AG Erneuerbare Energie Ravensburg Martin Mucha (Andreas Elsäßer)
100 390
SinnLeffers GmbH Bekleidungs-Einzelhandel Hagen Rolf Weidmann (Thomas Kluth)
219 1.400
Wöhrl-Gruppe Bekleidungs-Einzelhandel Nürnberg Volker Böhm (Christian Gerloff)
254 2.229
Vorläu� ge Insolvenzverwaltung
Brüggershemke & Reinke-meier KG
Großhandel Bielefeld Dr. Stephan Thiemann 50 186
BVT Bremen GmbH & Co. KG
Stahlbau-Industrie Bremerhaven Prof. Dr. Klaus Pannen 21 200
DWH Drahtwerk Horath GmbH
Bauzuliefer-Industrie Trier Prof. Dr. Thomas Schmidt 129 150
MAPLAN Maschinenfabrik und Anlagen für Kunststoff-technik Schwerin GmbH
Maschinen- und Anlagen-bau
Schwerin Reinhold Schmid-Sperber 204 230
MS Mode GmbH Bekleidungs-Einzelhandel Essen Frank Kebekus 22 175
Strauss Innovation GmbH Einzelhandel Düsseldorf Dr. Dirk Andres n/a 670
TOPAZ Textilhandels GmbH Bekleidungs-Einzelhandel Düsseldorf Dr. Marc d’Avoine n/a 247
Unister Gruppe Touristik Leipzig Prof. Dr. Lucas Flöther 200 1.100
Wollschläger GmbH & Co. KG
Großhandel Bochum Dr. Dirk Andres 150 580
(S) Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO.
1 In alphabetischer Reihenfolge. Berücksichtigt werden Unternehmen mit einem Umsatz von über 20 Mio. € und einer Mitarbeiteranzahl von über 100. Im Falle
der Insolvenz einer Unternehmensgruppe, d.h. die insolvente Gesellschaft verfügt über in- und/oder ausländische Tochtergesellschaften, beziehen sich die An-
gaben über den Umsatz auf die konsolidierten Werte und die Angaben zu den Mitarbeiterzahlen inkludieren die Mitarbeiter in den Tochtergesellschaften. Die
Einordnung von Unternehmensgruppen in die Rubriken „Vorläu� ge Eigenverwaltung“ und „Vorläu� ge Insolvenzverwaltung“ erfolgt auf Basis einer wirtschaft-
lichen Betrachtungsweise. Eine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit wird nicht übernommen.
2 Als „Eigenverwalter im Organ“ werden in dieser Darstellung Sanierungsexperten benannt, die ausdrücklich zur Umsetzung eines Insolvenzverfahrens in Eigen-
verwaltung als Organ in die Geschäftsführung/den Vorstand berufen wurden. Sanierungsexperten, die in anderer Funktion, so beratend, in Generalvollmacht
oder auch in anderen Funktionen, die Geschäftsführung/den Vorstand bei der Umsetzung einer Eigenverwaltung begleiten, werden nicht namentlich erwähnt –
dies vor allem weil diese Tätigkeit nicht eineindeutig recherchierbar ist.
3 Dem Antrag auf Eigenverwaltung wurde zur Antragstellung stattgegeben. Etwaige Aufhebungen einer Eigenverwaltung im Antragsverfahren oder mit Eröffnung
des Verfahrens sind unberücksichtigt. Antragsverfahren in Eigenverwaltung (mit/ohne Schutzschirm) sind nicht veröffentlichungsp� ichtig, eine entsprechende
Darstellung erfolgt daher nur soweit als eine entsprechende Veröffentlichung durch das Unternehmen bzw. in den Medien erfolgt ist.
4 Schätzung.