DIE INTERNATIONALEN BRIGADEN : POLITISCHE ...Ebre 38. -N´um. 2, pp. 11-34 Revista Internacional de...

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Ebre 38. - N´ um. 2, pp. 11-34 Revista Internacional de la Guerra Civil (1936-1939) DESEMBRE 2004 11 EBRE 38 DIE INTERNATIONALEN BRIGADEN : POLITISCHE ¨ UBERWACHUNG UND REPRESSION NACH SICHTUNG DER RUSSICHEN UND WESTLICHEN ARCHIVATKEN Peter Huber. Universitat de Mag´ uncia Michael Uhl. Universitat de T¨ ubingen Resumen En este art´ ıculo se presenta un estudio sobre las Brigadas Internacionales a partir de registros y documentos procedentes de Mosc ´ u y Berl´ ın. Los autores valoran si hubo o no una vigilancia y represi´ on pol´ ıticas en la Guerra Civil sobre los voluntarios brigadistas por parte de la Polic´ ıa Secreta del Partido Comunista sovi ´ etico (NKVD) y cu ´ al fue el papel del Servicio de Informaci ´ on Militar republicano (SIM). Palabras clave: Brigadas Internacionales, Archivos, Polic´ ıa Pol´ ıtica, NKVD, SIM. Abstract This article presents a study on the International Brigades from records and documents proceeding from Moscow and Berlin. The authors value if there was or not a surveillance and political repression in the Spanish Civil War on the brigadiers and volunteers on the part of the Secret Police of the Soviet Communist Party (NKVD) and which was the role of the Republican Military Information Service (SIM). Keywords: International Brigades, Archives, Political Police, NKVD, SIM.

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  • Ebre 38. - Núm. 2, pp. 11-34

    Revista Internacional de la Guerra Civil (1936-1939)

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    DIE INTERNATIONALEN BRIGADEN : POLITISCHEÜBERWACHUNG UND REPRESSION NACH SICHTUNG DER

    RUSSICHEN UND WESTLICHEN ARCHIVATKEN

    Peter Huber. Universitat de MagúnciaMichael Uhl. Universitat de Tübingen

    Resumen

    En este artı́culo se presenta un estudio sobre las Brigadas Internacionales a partir de registros y documentos procedentes deMoscú y Berlı́n. Los autores valoran si hubo o no una vigilancia y represión polı́ticas en la Guerra Civil sobre los voluntariosbrigadistas por parte de la Policı́a Secreta del Partido Comunista soviético (NKVD) y cuál fue el papel del Servicio de InformaciónMilitar republicano (SIM).

    Palabras clave: Brigadas Internacionales, Archivos, Policı́a Polı́tica, NKVD, SIM.

    Abstract

    This article presents a study on the International Brigades from records and documents proceeding from Moscow and Berlin. Theauthors value if there was or not a surveillance and political repression in the Spanish Civil War on the brigadiers and volunteers onthe part of the Secret Police of the Soviet Communist Party (NKVD) and which was the role of the Republican Military InformationService (SIM).

    Keywords: International Brigades, Archives, Political Police, NKVD, SIM.

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    Unser Forschungsgegenstand hat bereits zurZeit des Bürgerkrieges im republikanischen La-ger zu heftiger Polemik Anlass gegeben. In derHitze des Gefechts wurde von den einen (Kom-munisten, aber auch Teilen der Sozialdemokra-tie) jeder Hinweis auf einen wie immer gear-teten Überwachungs- oder Repressionsapparatabgestritten und als Rückenschuss für die Re-publik gewertet; gleichzeitig neigten viele vonder Repression Betroffene dazu, ihr erlittenesUnrecht zu verallgemeinern und witterten einenübermächtigen Repressionsapparat auch dort,wo nicht “Moskau”, sondern faschistische KugelnSpanienfreiwillige niedergemäht hatten.1

    Forschungen bezüglich der politischenÜberwachung und der Repression im republi-kanischen Lager mussten sich noch Jahrzehntenach Ende des Bürgerkrieges mit der Memoiren-literatur und Teilbeständen begnügen, die denFrancotruppen bei der Einnahme Kataloniensin die Hände gefallen waren.2 Nun könnte manannehmen, dass die unerwartete und uneinge-schränkte Öffnung des im Sommer 1939 überFrankreich nach Moskau verschifften “Archivsder Interbrigaden” Klarheit schaffen würde. Weitgefehlt! Während in bezug auf die nationalenFreiwilligenkontingente, den Auf- und Umbauder Brigaden oder die Anzahl der Verletzten (umnur einige Beispiele zu nennen) nun genaueAngaben vorliegen,3 bringen die in Moskauund Berlin hinterlegten Akten nur ungenügendeAufschlüsse über das Ausmass der Repressionin den Brigaden selbst.4 Der Grund für diesenach wie vor unbefriedigende Quellenlage isteinfach, aber auch bezeichnend: Die Archivedes mit Überwachung und Repression in denBrigaden beauftragten SIM (Servicio de Inve-stigación Militar) wurden beim Zusammenbruchder Republik nicht dem Archiv der Brigadeneinverleibt und nach dem sicheren Moskauverschoben, sondern blieben in Spanien, wo siezum grossen Teil —so eine Vermutung— beimRückzug vernichtet wurden.5

    Wesentlich besser gestaltet sich die Archivla-ge bezüglich Überwachung und Repression derPOUM und weiterer linkssozialistischer Kräfte inBarcelona. Hier hat die Öffnung der MoskauerArchive neue Erkenntnisse erlaubt —so etwa imFalle der Ermordung von Andreu Nin.6

    Das seit 1992 in Moskau frei einsehbare “Archivder Interbrigaden” hat mancherorts die Illusiongenährt, wir würden nun bald wissen, “wie eswirklich war”. Dieser überrissene Optimismuszeugt bei näherem Hinsehen eher von histo-rischer Naivität. Die enorme Materialfülle undder Charakter der Dokumente selbst schaffeneine neue Unübersichtlichkeit und verlangenvom Historiker quellenkritische Ansätze, umhinter die Buchstaben zu sehen. Die Binsen-wahrheit, dass Archive nicht sprechen, trifftvor allem auf das Archiv der Interbrigaden zu.Das allgegenwärtige Klima der Verdächtigungen

    1. So etwa —um nur ein Beispiel zu nennen— Julián Gor-kin (1901–1986), internationaler Sekretär der POUM, der imJuni 1937 verhaftet und im Prozess gegen die POUM im Ok-tober 1938 verurteilt wurde. Teile seines Privatarchivs, die beider Hausdurchsuchung bei seiner Frau Luisa Hensinger be-schlagnahmt wurden, sind heute in Moskau frei einsehbar.Vgl. “Russian State Archive of Social and Political History”(von nun an: RGASPI), 495-183-2.

    2. Zu erwähnen sind hier das “Archivo General Militar” (Avi-la), wohin die Bestände des “Servicio Histórico Militar” (Ma-drid) transferiert worden sind, und das “Archivo General dela Guerra Civil Española” (Salamanca).

    3. Siehe Forschungsbilanz und Literaturübersicht von Mi-chael Uhl, “Die internationalen Brigaden im Spiegel neu-er Dokumente”, in: Internationale Wissenschaftliche Korre-spondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung,4 (1999), S. 486-518.

    4. In Berlin handelt es sich um die “Stiftung Archiv der Par-teien und Massenorganisationen der DDR” (SAPMO), Teildes Bundesarchivs (BArch). Zum französischen Kontingentvgl. Rémy Skoutelsky, L’espoir guidait leurs pas. Les volon-taires français dans les Brigades internationales, 1936-1939,Grasset, Paris 1998. Zum Schweizer Kontingent vgl. Nico-la Ulmi, Peter Huber, Les combattants suisses en Espa-gne républicaine (1936-1939), Editions Antipodes, Lausanne2001.

    5. Vgl. die Memoiren der ehemaligen Sekretärin des SIM,Lise London. Laut L. London-Ricol (1916-) wurde ihr MannArthur London (1915-1986), der ebenfalls für den SIM ar-beitete, beauftragt, die Archive des Brigaden-SIM den spa-nischen Behörden zu übergeben. Die in Salamanca hinter-legten Akten sind jedoch nur Bruchstücke.

    6. Vgl. die Fernsehreportage “Opération Nikolai” von Lli-bert Ferri und Dolorès Genovès, die Dokumente aus derKGB-Akte “Orlov” einsehen konnten. Ebenso Oleg Za-rew/John Costello, Der Superagent. Der Mann, der Stalin er-preßte, Wien 1993. Vgl. auch Reiner Tosstorff, “Ein Moskau-er Prozess in Barcelona. Die Verfolgung der POUM und ihreinternationale Bedeutung”, in: Hermann Weber/Dietrich Sta-ritz (ed.), Kommunisten verfolgen Kommunisten, Mannheim1993, S. 193-216.

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    und Repression (Stichwort Moskauer Prozesse)förderte auch in Spanien einen Typus von Doku-menten, bei denen Worte oft mehr verschleiernals manifestieren. Vor allem bei Dokumentene-ditionen scheint die Versuchung gross zu sein,mittles ausgewählter Dokumente eine vorgfassteThese zu untermauern.7

    Unsere Übersicht beschränkt sich auf die politi-sche Überwachung und Repression der Brigadi-sten, sei es bei der Anreise in Barcelona, in denBrigaden oder im Urlaub. Wir rücken dabei nichteinzelne Schicksale ins Zentrum, sondern ver-suchen, die Nachrichtennetze, deren Mitarbeiterund die Konsequenzen der Überwachung auf diebetroffenen Brigadisten freizulegen.8

    1. Das “Ausländerbüro der PSUC” in Barce-lona: Schaltstelle der Repression in den Bri-gaden

    Der “Servicio extranjero del PSUC” im Ho-tel Colón war im Sommer und Herbst 1936für die meisten Freiwilligen aus dem Umkreisder Kommunistischen Parteien die erste Anlauf-stelle nach der Ankunft. Hier hinterlegten siedie Pässe, liessen sich einteilen und brachenzur Front auf. Das idyllische Bild einer Rekru-tierungsstelle —wie sie übrigens auch ande-re Parteien und Gewerkschaften hatten— gingspätestens im Mai-Juni 1937 in Brüche. In Bar-celona verhaftete und später freigekommeneAnhänger oder Sympathisanten der POUM be-zeichneten den “Servicio extranjero del PSUC”als einen Vorposten, der oppositionell eingestuf-te Kommunisten bespitzelte und von katalani-schen Sicherheitskräften verhaften liess.9

    Gründer und Leiter dieses Büros waren der Po-le Szaja Kindermann und der deutsche AlfredHerz. Ende 1936, mit dem Aufbau des Appara-tes der Brigaden in Albacete, wurde KindermannVerhörbeamter im Gefängnis “Santa Ursula” inValencia, einem zu Beginn des Bürgerkriegsbeschlagnahmten Nonnenkloster. Die faktischeKontrolle über dieses inoffizielle Gefängnis übtenicht das spanische Innenministerium aus son-dern Kräfte aus dem Umkreis der PCE und desNKVD. Sie konnten —mindestens bis Septem-ber 1937— auf eigene Faust und mit stillschwei-

    gender Duldung der lokalen Behörden verhafte-te Brigadisten verhören.10 Erst im Herbst 1937nahm das spanische Innenministerium auf Druck

    7. Paradebeispiel dafür scheint uns das Buch von R. Ra-dosh (et al.), wo z. Bsp. ausgehend von der Anwesenheitmehrerer Dutzend sowjetischer Militärberater die folgendeThese neu aufgelegt wird: “Through these men, and other‘advisers’ sent by the Comintern (among them Luigi Longoand Palmiro Togliatti), the International Brigades became, ineffect, a Soviet army within Spain.”. Vgl. Ronald Radosh, Ma-ry Habeck, Grigory Sevostianov (ed.), Spain Betrayed. TheSoviet Union in the Spanish Civil War. YUP, New Haven,2001, S. 104; R. Dan Richardson, Comintern Army. The In-ternational Brigades and the Spanish Civil War. UPK, Lexing-ton, 1982.

    8. Dies in Abgrenzung zum “Schwarzbuch des Kommu-nismus”, dessen Kapitel zum spanischen Bürgerkrieg wohlzum schwächsten zählt, besteht es doch in der Aneinander-reihung längst bekannter Einzelschicksale und der Reduk-tion des Kommunismus auf eine verbrecherische Idee undBewegung. Vgl. “L’ombre portée du NKVD en Espagne”, in:Stéphane Courtois (et.al.), Le livre noir du communisme. Cri-mes, terreur, répréssion. Paris 1997, S. 365-386. Vgl. hin-gegen die Analyse und Interpretation von André Martys Be-richte nach Moskau in: Pelai Pagès i Blanch, “Marty, Vidal,Kléber et le Komintern. Ce que nous apprennent les archivesde Moscou”, unpublizierter Beitrag, vorgetragen an der in-ternationalen Konferenz “Les Brigades internationales. Entresolidarité révolutionnaire et politique du Komintern”, Univer-sität Lausanne, 18.-20. Dezember 1997.

    9. Vgl. Pavel et Clara Thalmann, Combats pour la liberté.Moscou-Madrid-Paris. Paris 1983; Julian Gorkı́n, Les com-munistes contre la révolution espagnole. Paris 1978. Vgl.auch die parteiinterne Kritik am unkoordinierten Vorgehen in:Rapport von “Gelbert”, Barcelona 14.6.1937, RGASPI, 545-6-3.10. Als Beispiel sei der Rumäne Bernard Rosner (1909-

    ?) erwähnt. Wegen Zugehörigkeit zur Versöhnlerfraktion ausder KPD ausgeschlossen. Im April 1935 nach Spanien ge-kommen, arbeitete er im Januar 1937 auf der Kulturab-teilung der Brigaden in Albacete. Von den InternationalenBrigaden ausgeschlossen am 16.2.1937. Am 4.3.1937 als“Trotzkist” verhaftet, im Gefängnis “Santa Ursula” verhörtund auf dem Gefängnisschiff “Uruguay” im Hafen vonBarcelona, zuletzt im Gefängnis von Castelldefels inhaf-tiert. Anfangs 1939 freigelassen und in die Schweiz ge-flüchtet. Vgl. ”Übersicht über Spionage- und Agentenar-beit in Spanien”Valencia 7.10.1937, S. 42, RGASPI, 545-2-147; ,,Die Tätigkeit der feindlichen Elemente in Spanien“16.11.1940, S. 25, RGASPI, 545-6-28; Charakteristik (Mos-kau 25.2.1940) und handschriftliche Erklärung Rosners (Ca-stelldefels 19.1.1939), SAPMO-BArch, RY1/I2/3/89, Bl. 69 f;Lebenslauf”, Burgdorf 1.10.1940, Dossier B. Rosner, in: Ar-chives Lucien Tronchet, Collège du Travail, Genève. Zu denpersönlichen Hintergründen der Verhaftung siehe Patrik vonzur Mühlen, Spanien war ihre Hoffnung. Die deutsche Linkeim Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939. Berlin 1985, S. 181.

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    der “Sozialistischen Arbeiter-Internationale” dieZügel in die Hand und wies die Selbstjustizder Komintern- und NKVD-Organe in Schran-ken. Im Juli hatte der Generalsekretär der In-dependant Labor Party (ILP), Fenner Brock-way, Innenminister J. Zugazagoitia (PSOE) auf-gesucht und im Namen einiger bekannter Intel-lektueller Aufklärung über mehrere verscholle-ne Oppositionelle verlangt; im August folgte ei-ne Untersuchungsdelegation, die auch bei Ju-stizminister M. Irujo (PSOE) vorsprach und vonihm zu hören bekam, dass die Polizei gewisser-massen unabhängig handle und ausländischeElemente die wirkliche Kontrolle ausübten.11 Indiesem Kontext darf nicht überraschen, dassdie Handlungsfreiheit des “Servicio extranjerodel PSUC” und der mit ihm verbundenen irre-gulären Polizeikräfte in einigen Regionen einge-schränkt wurde. Auf Anweisung des Innenmini-steriums ließ der Chef der spanischen Staats-sicherheitsbehörde (“Dirección General de Se-guridad”) in Valencia, G. Morón,12 im Herbst1937 die von der KP eingesetzten ausländischenMitarbeiter aus den Verhörgruppen der Abtei-lung “Sección Orden Público”, die mit den Er-mittlungen gegen die POUM beauftragt wor-den war, bzw. dem ihr unterstellten Nachrich-tendienst “Departamento Especial de Informa-ción del Estado (DEDIDE)” entfernen.13 Der für“Abwehr” zuständige Karl Mewis (“Fritz Arndt”),zeitweilig Leiter der Militärabteilung des “Servicioextranjero del PSUC”, stellte im Oktober 1937einen Bericht zu 160 verdächtigen Brigadistenund Politaktivisten zusammen und klagte,

    “dass in den Departementen, die für dieBearbeitung der Spionage bestimmt sind,ein politischer Kampf gegen die Kommuni-sten geführt wird. In Valencia werden un-sere Genossen aus dem Dienst entfernt.Die Führung der Arbeit in Valencia liegtzur Zeit in den Händen der Sozialisten, diesich bemühen den Nachweis zu erbringen,dass die Kommunisten parteilich in demDienst tätig waren. Die Lage ist zeitlich nochschwierig.”14

    Die zweite Stütze im “Servicio extranjero delPSUC” war das KPD-Mitglied Alfred Herz, derseit 1935 als Flüchtling in Barcelona lebte unddem Nachrichtendienst der KPD in Paris über

    die politische Emigration in Barcelona Berich-te sandte. Bis zur Ankunft von Hans Beim-ler in Barcelona (August 1936) galt Herz alsinoffizieller Vertreter der KPD bei der PSUC.Er arbeitete 1936-1937 im “Servicio extranjerodel PSUC”, dem er seine Privatkartei zu deut-schen Geschäftsleuten, sowjetkritischen Antifa-schisten und über Figueras eintreffende Freiwil-lige zur Verfügung stellte.15 Im November 1936

    11. “Résultats d’une deuxième enquête”, in: La Révolutionprolétarienne 10.9.1937; Fenner Brockway, Spanish Diary.London 1937.12. Die Kompetenzverteilung zwischen der republikani-schen Regierung und der autonomen katalanischen “Gene-ralitat” in Fragen von Staatssicherheit, Nachrichtendienst undPolizei wurde in einer “Junta de Seguridad”, der Vertreter vonbeiden Seiten angehörten, koordiniert. Für Katalonien wur-de von der republikanischen Zentralregierung ein sogenann-ter “Comisario General” (Eusebio Rodrı́guez Salas, PSUC)eingesetzt. Die “Comisarı́a General de Orden Público de laGeneralitat de Catalunya” wurde im Mai 1937 nach den Stra-ßenkämpfen in Barcelona durch eine “Delegación Especialde Orden Público en Catalunya” ersetzt, die bis Septem-ber 1937 bestand. Gleichzeitig erhielt Katalonien im März1937 eine eigene “Dirección General De Seguridad de Cata-lunya”. Diesen, dem Innenministerium unterstellten zentral-spanischen und katalanischen Behörden unterstanden biszum Ende des Bürgerkrieges offiziell sämtliche staatlichenSicherheits-, Nachrichtendienst- und Polizeiabteilungen, de-ren Namen häufig wechselten. Im Frühjar 1938 kam es zu ei-ner Militarisierung der geheimen Nachrichtendienste. Der bisdahin bestehende DEDIDE wurde aufgelöst und in den SIMintegriert, für den das Verteidigungsministerium zuständigwar.13. Darunter anscheinend auch S. Kindermann, der zu ei-ner unbedeutenden DEDIDE-Dienstelle in einen kleinen Ortin der Nähe von Murcia versetzt wurde. Nach 1939 gelangihm aus einem Internierungslager in Frankreich die Einrei-se in die Sowjetunion. Dort soll er den Säuberungen zumOpfer gefallen sein. Diese Angaben machte Werner Meister,ein sozialdemokratischen Emigrant aus Berlin, der 1936 bis1939 in Valencia und Barcelona für den spanischen DEDIDEund SIM gearbeitet hatte, nach seiner Verhaftung und Aus-lieferung 1942 gegenüber der Gestapo. “Strafsache gegenWerner Meister”, BArch-Zwarch, Dahlwitz-Hoppegarten, ZC12033. W. Meister wurde in Plötzensee enthauptet.14. “Übersicht über Spionage- und Agentenarbeit in Spani-en” (49 Seiten), Valencia 7.10. 1937, 1, RGASPI, 545-2-147;Rapport von “Gelbert” 14.6. 1937, RGASPI, 545-6-3. K. Me-wis (1907-1987) studierte an der Leninschule (1932-1934)und bekleidete später höhere Posten in der DDR. Im April1938 wurde er aus Spanien, da ihm A. Marty “fraktionelleTätigkeit” vorgeworfen hatte. Vgl. “Charakteristik” von Me-wis, geschrieben von A. Marty (31.12.1940), SAPMO-BArch,RY1/I2/3/86, 7-17.15. Zur Rolle von A. Herz vgl. P. von zur Mühlen, Spanien,

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    verschaffte ihm die PSUC eine Zweitstelle imstaatlichen, vom PSUC und NKVD unterwander-ten “Cuerpo de Investigación y Vigilancia” —beider PSUC arbeitete er nur noch als Dolmetscherin der “Abteilung für Abwehr- und Gegnerarbeit”.Diese Verknüpfung von parteipolitischer “Ab-wehrarbeit” und staatlicher Funktion wurde vonder PSUC (und dem NKVD) damals auf breiterBasis angewandt und war Teil der erfolgreichenStrategie der Eroberung des Staatsapparates.16

    Bei all dem Unheil, das A. Herz unter vielen Emi-granten und Freiwilligen angerichtet hat, scheinter bei der Ausübung seiner Tätigkeit durch-aus zwischen Parteiauftrag und persönlicher Pri-vatsphäre unterschieden zu haben, wie aus sei-ner offiziellen Charakteristik”hervorgeht, wo sei-ne Verbindungen zu “verdächtigen Elementen”und “Trotzkisten” —die er teilweise sogar pro-tegiert haben soll— heftige Kritik finden.17 An-scheinend misstraute man in der Leitungen derKPs generell ein wenig denjenigen Mitarbeiterndes Überwachungsapparates, die bereits vorAusbruch des Spanischen Bürgerkriegs als Emi-granten in Katalonien, der Hochburg des spani-schen Anarchosyndikalismus und Linkssozialis-mus, gelebt hatten, wo sie der Kontrolle durch

    die kommunistischen (Exil)Parteien weitgehendentzogen waren.18 In der Regel qualifiziertensich diese Personen für die “Abwehrarbeit” inSpanien in erster Linie durch ihre während derEmigration in Spanien erworbenen Sprach- undLandeskenntnisse. Im Laufe der Zeit wurden siezunehmend durch bewährte KP-Funktionäre er-setzt.Die Verhörbeamten der irregulären, proviso-risch eingerichteten Untersuchungs-gefängnisse(“Checas”) griffen bei Verhören verhafteter Spa-nienfreiwilliger systematisch auf die Kartothek im“Servicio extranjero del PSUC” zurück. Das da-bei konstruierte Amalgam stützte sich auf Be-richte von Informanten aus den Brigaden oderauch auf belastende Informationen, die Kommu-nistische Parteien aus dem Ausland geliefert hat-ten —so etwa im Fall des verhafteten Paul Thal-mann oder auch des verschollenen RaymondKamerzin.19 Noch wäre es zu früh, ein politi-sches Profil dieser Verhörbeamten zu entwer-

    op. cit., S. 168-174; Rapport von “Gelbert” 14.6. 1937, RGA-SPI, 545-6-3.16. Vgl. Pierre Broué, Emile Témime, La Révolution et la

    Guerre d’Espagne, Paris. Editions de Minuit, 1961, S. 259-294, 324-390; Burnett Bolloten, The Spanish Civil War. Re-volution and Counterrevolution. New York 1991, S. 138-144,600-610; “Personalübersicht”, Februar 1937, RGASPI, 545-2-145.17. “Charakteristik” Herz (10.2.1940), SAPMO-BArch, RY1/

    I2/3/87, S. 73. Diese Charakteristiken zu den deutschen Frei-willigen wurden Anfang 1940 in Moskau von Gustav Szindaerstellt. Als Grundlage diente ihm das in Spanien entstande-ne Kadermaterial der deutschen Freiwilligen. Gustav Szinda(1897-1988) war 1935-1936 Mitarbeiter des geheimen Nach-richtendienstes der KPD in Holland. Januar-März Leitung der“Abwehr” der KPD in Barcelona. April 1938 Kommandeur derXI. Brigade. Nach 1945 langjähriger Leiter der Bezirksverwal-tung Neubrandenburg des Ministeriums für Staatssicherheitder DDR. Vgl. M. Uhl, Die Internationalen Brigaden, op. cit.,S. 501-510.18. Vgl. den Fall des deutschen Emigranten W. Herme-

    lin, der zeitweilig mit Herz und Kindermann zusammen-gearbeitet hatte und später als Soldat der XI. Brigadevom SIM aufgrund verdächtiger “trotzkistischer” Neigungenüberwacht wurde. Vgl. die undatierte Liste “Trotzkisten undVerdächtige”, RGASPI, 545-2-143; “Personalübersicht”, Fe-bruar 1937, RGASPI, 545-2-145; “Charakteristik Hermelin”(10.2.1940), SAPMO-BArch, RY1/I/2/3/87, 70.19. Vgl. Verhörprotokolle von P. Thalmann (28.7.1937,

    4.8.1937, 8.8.1937) in: RGASPI, 495-183-3. Mehr zu P.Thalmann (1901-1980) in: “Der Überwachungsapparat derKomintern im Spanischen Bürgerkrieg”, in: P. Huber, StalinsSchatten in die Schweiz. Schweizer Kommunisten in Mos-

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    fen. Bei Hubert von Ranke (“Moritz”) finden wirtypische wie untypische Merkmale: Mitglied derKP, an der Front verwundet, sprachgewandt undmit Erfahrung in illegaler Arbeit, wird er ab No-vember 1936 Mitarbeiter des “Servicio extran-jero del PSUC” und Leiter der Unterabteilung“Abwehr- und Gegnerarbeit”. Im Frühjahr 1937lernt er durch A. Herz den Leiter des NKVDin Spanien, Alexander Orlov, kennen. Wochenspäter verlässt er den “Servicio extranjero delPSUC” und arbeitet in der verwandten “Grupode Información del Estado”, einer katalanischenDienststelle unter dem Polizeioffizier Victorio Sa-la, die von Komintern- und NKVD-Kadern auf-gebaut und geleitet wird, sowie im staatlichenDEDIDE. Er verhört bis Oktober 1937 verhaf-tete Freiwillige, bricht jedoch —was untypischist— mit der Partei und setzt sich im Novem-ber 1937 ohne Genehmigung der KPD-Leitungnach Paris ab.20 Der nach Rechtfertigung stre-benden Selbstdarstellung von Rankes steht je-doch die offizielle Version seiner “Charakteristik”durch KP-Kader gegenüber, deren Angaben zu-folge “Moritz” von seiner Partei, die mit desseneigenwilligen Arbeitsmethoden nicht einverstan-den war, von seiner Funktion entfernt und re-patriiert wurde.21 Die Wahrheit wird hier wohl ir-gendwo in der Mitte liegen.Eine Genossin “Gelbert” war Leiterin der “Inve-stigationsabteilung” im “Servicio extranjero delPSUC” und zugleich Verbindungsglied zur Ka-derabteilung des PSUC, insbesondere zu derenChef Joaquı́n Olaso Piera, Mitarbeiter des SIMund Intimus von Ernö Gerö (“Pedro”). In einemRapport zuhanden des ZK der PSUC vom Ju-ni 1937 unterzog “Gelbert” die Arbeit des “Ser-vicio extranjero del PSUC” und dessen “Secciónespecial” einer harten Kritik:

    “Die Mitarbeiter dieses Dienstes neigtenbisher dazu, einerseits Sherlock Holmes zuspielen, und andererseits deutsche Kader-politik zu machen, und das alles ohne Kon-trolle durch die Partei.” 22

    Gelbert kritisierte —wie übrigens auch A.Marty—, dass die deutsche KP einen eigenenSicherheitsdienst unterhalte sowie den “Servicioextranjero del PSUC” beherrsche und sich nicht

    der Kaderabteilung der PSUC unterordnen wol-le. Es ging “Gelbert” und Marty nicht um ein En-de der Überwachung und der Repression, son-dern um eine Kompetenzverschiebung in Rich-tung der Kaderabteilung der PSUC und desim Aufbau begriffenen SIM. Im Januar 1938konnte die spanische KP durchsetzen, dass dieKontroll- und Abwehrarbeit bei einer “Kommis-sion für ausländische Kader” beim ZK der PCEzentralisiert werde.23

    2. Die “Parteikomitees” der InternationalenBrigaden

    Eine der Hauptaufgaben der neugebildeten“Kommission für ausländische Kader” beim ZKder PCE bestand zunächst in der “Überführung”sämtlicher ausländischer Kommunisten in denInternationalen Brigaden in die spanische Bru-derpartei. Für eine Aufnahme eines Freiwilligenin die PCE war zunächst die Zustimmung sei-ner Parteigruppe, welcher er in den Brigadenangehörte, erforderlich. Die Bestätigungen holtesich die Kommission bei den sogenannten Par-teikomitees der Brigaden ein, auf deren Bedeu-tung an dieser Stelle näher eingegangen werdensoll.Ministerpräsident F. Largo Caballero (PSOE)verfolgte im Oktober 1936 die Bildung der Bri-gaden mit skeptischen Blicken. Zögerlich gab erseine Zustimmung, nachdem die Führung der

    kau: Verteidiger und Gefangene der Komintern. Zürich 1994,S. 321-342.20. Hubert von Ranke (1902-1978), Erinnerungen, 1973[Manuskript, Institut für Zeitgeschichte, München]. Vgl. Sei-nen Bericht (“Arbeitsbericht”), Barcelona 26.7.1937, RGA-SPI, 545-2-148.21. Kurze Parteibiographie (“Charakteristik”) von “Moritz”16.2.1940, SAPMO-BArch, RY1/I2/3/88, S.120.22. Rapport von “Gelbert” 14.6. 1937, RGASPI, 545-6-3.23. “Acta de reunión de la comisión de extranjeros”31.1.1938, RGASPI, 545-6-8. Diese Kommission unter demVorsitz A. Martys ersetzte das bis dahin bestehende unko-ordinierte System der nationalen Parteivertretungen. Unge-achtet dieser Zentralisierung betrieben deutsche KP-Kaderweiterhin eigene Kaderpolitik in Spanien, was zu ständigenFriktionen mit Marty und dem ZK der PCE führte. Darauf-hin wurden im April 1938 der ehemalige KPD-Vertreter (K.Mewis) sowie der deutsche Mitarbeiter der Kommission (H.Müller) aus Spanien ausgewiesen (vgl. Fussnote 14).

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    Brigaden ihm versichert hatte, dass in den Rei-hen der internationalen Freiwilligen nicht für ei-ne bestimmte politische Strömung Partei ergrif-fen werden würde.24 Um schon rein äusserlichjeglichen Verdacht in diese Richtung abzuwen-den, verkündete die Kommandantur in Alba-cete im Dezember 1936 eine Verordnung, dieden Freiwilligen das Tragen von Parteiabzei-chen und Symbolen der kommunistischen Be-wegung (Hammer und Sichel, Rote Fahne) ver-bot und stattdessen, in Anlehnung an die da-malige Volksfrontstrategie der Komintern, nebender Trikolore der spanischen Republik den drei-zackigen Stern der Volksfront für verbindlich er-klärte.25 Im September 1937 erliess Verteidi-gungsminister I. Prieto (PSOE) für die Brigadenein Statutendekret, das die internationale Frei-willigentruppe dem Militärgesetzbuch (“Códigode Justicia Militar”) der spanischen Volksarmee(“Ejército Popular”) unterwarf und die Leitungder Interbrigaden gegenüber dem spanischenVerteidigungsministerium rechenschaftspflichtigmachte.26 Offenkundig fürchtete man zu die-ser Zeit in der Leitung in Albacete eine uner-wartete Inspektion durch spanische Regierungs-behörden. So ordnete Franz Dahlem, in Perso-nalunion Kominternvertreter und Mitglied der po-litischen Leitung der Brigaden, im Oktober 1937an, dass man aus Albacete sämtliche Unterla-gen, die ein ungünstiges Licht auf die Unpartei-lichkeit der Brigaden werfen könnten, vorläufignach Valencia (wo sich Dahlem als Leiter des“Deutschen Büros” bei der Zentrale der PCE be-fand) transferieren solle:

    “Dort [in Albacete. Anm. der Verf.] kannnur das offizielle Material bleiben. Alle par-teimässigen Unterlagen, Korrespondenzen,Charakteristiken etc. sind sofort herauszu-ziehen und auf ganz sicherem Wege nachhier zu schaffen.” 27

    Offiziell war in der gesamten Volksarmee dieEntfaltung jeglicher parteipolitischen Tätigkeitverboten. Auf Grund einer Verfügung Prietosvom Oktober 1937 war den Offizieren auchdie Teilnahme an ausserhalb der Truppe statt-findenden öffentlichen Politkundgebungen aus-drücklich untersagt.28 Die Bestrebungen und Be-

    stimmungen der spanischen Regierung erwie-sen sich freilich schon bald als relativ wirkungs-los. In den Brigaden wurde eine verdeckt ar-beitende kommunistische Parteiorganisation ge-schaffen, deren Zellennetz sämtliche Einheitenerfasste und eine “restlose Durchorganisierungund Kontrolle der Parteigenossen” garantierte.29

    Unterhalb der Ebene des regulären Politunter-richts, der von den Politkommissaren der Briga-den mehr oder weniger auf der Programmba-sis der spanischen Volksfrontregierung geführtwurde (Politkommissare gab es in der gesamtenVolksarmee), fanden interne Zusammenkünftevon Parteikollektiven statt, deren “Parteiarbeit”über reine Truppenbetreuung (wie sie beispiels-weise vom Politkommissariat betrieben wurde)weit hinausgingen. Am Beispiel der XI. Brigadesollen hier die Strukturen und Funktionsweisender Parteiorganisation aufgezeigt werden.In den ersten Monaten existierten in den Inter-brigaden getrennt nach Nationalitäten lose kom-munistische Parteigruppen, die sich mehr oderweniger spontan gebildet hatten. Später wurdein allen Brigaden und Bataillonen eine zentraleParteiorganisation geschaffen, die internationa-le und spanische Freiwillige vereinte. In der Bri-gadenpresse wurden die Freiwilligen dazu auf-gefordert, sich zu Gruppen von Parteien zusam-

    24. Vgl. Die Erinnerungen von Luigi Longo, Die Internatio-nalen Brigaden in Spanien. Berlin 1958, S. 48.25. “Décisions No 10”, 27.12.1936, SAPMO-BArch, SgY11/

    V237/4/22.26. “Orden circular del Ministerio de Defensa Nacional

    de fecha 23 de septiembre de 1937”, SAPMO-Barch,SgY11/V237/4/25. Das Dekret wurde am 27.9 im “Diario Ofi-cial” (num. 232) publiziert. Vgl. Jacques Delperrié de Bayac,Las Brigadas Internacionales. Madrid 1980, S. 337-341.27. Brief von Franz Dahlem an “lieber Freund”, 22.10.1937,

    SAPMO-BArch, NY 4072/206, 179.28. “Ordre de Service. A toutes les unitates et forces inter-

    nationales”, 4.10.1937, publiziert im Rundbrief des Brigaden-kommandos, 21.10.1937, SAPMO-Barch, SgY11/V237/4/24.29. “Bericht des Gen. Herbert M.”, 1.6.1938, SAPMO-BArch,

    RY1/I2/3/292. H. Müller war seit März 1937 Kaderoffizier derXI. Brigade und wurde mit der Reorganisation der Parteiorga-nisation in der Brigade beauftragt. Später war er beim “Ser-vicio extranjero del PSUC” tätig und dann bis April 1938 inder ausländischen Kaderkommission beim ZK der PCE fürdie Belange der Freiwilligen der XI. Brigade zuständig. ImApril 1938 wurde er zusammen mit K. Mewis (vgl. Fußn. 14)wegen Missachtung der Anweisungen des ZKs der PCE ausdieser Funktion entfernt und aus Spanien ausgewiesen.

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    menschliessen, denen sie vorher angehört hat-ten. Gleichzeitig wurde ein Organisationsmustervorgeschlagen, das (allein) von den Kommuni-sten sofort aufgegriffen und in die Tat umgesetztwurde.30 In der XI. Brigade wurde Anfang 1937mit dem Aufbau einer straffen Parteiorganisati-on begonnen. Im Februar 1937 wurden in denKompanien bereits Parteiversammlugen durch-geführt und Parteileitungen gewählt.31 Als 1938der Aufbau abgeschlossen war, gliederte sich dieParteiorganisation der XI. Brigade in ein Briga-dekomitee, 4 Bataillonskomitees und 14 Komi-tees der Kompanien und Einheiten.32 Im Novem-ber 1937 umfasste die Parteiorganisation der XI.Brigade bereits 532 Mitglieder, davon 101 Offi-ziere, 86 Unteroffiziere und 345 Soldaten.33 Inder XI. Brigade dominierten zahlenmäßig die An-gehörigen der deutschen Sprachgruppe, in derwiederum die deutschen Freiwilligen die Mehr-heit bildeten. Da im Laufe des Krieges zuneh-mend spanische Soldaten die durch Verluste inden Brigaden entstandenen Lücken schliessenmussten, wurde bei der Postenbesetzung in denKompaniezellen darauf geachtet, daß auch Spa-nier entsprechend stark vertreten waren. Die Lei-tung der Parteikomitees der vier Kompanien des1. Bataillons “Edgar André” der 11. Brigade (ein-schließlich seiner MG-Kompanie) und des Batail-lonsaktivs setzte sich im Dezember 1937 aus 10Spaniern, 7 Deutschen sowie je einem Tsche-chen und Polen zusammen.34

    Kernelement der Parteiorganisation einer Briga-de war die “Parteizelle” in der Kompanie.35 Ihrwaren alle KP-Mitglieder einer Kompanie an-geschlossen. Die Spitze der Zelle bildete eindrei- oder viergliedriges “Parteikomitee”. Der Lei-ter war ein politischer Sekretär (auch “Parteise-kretär” genannt), der manchmal von einem fürorganisatorische Fragen zuständigen Sekretärassistiert wurde. An seiner Seite standen ein fürAgit-Prop-Arbeit verantwortlicher Brigadist sowieein Kassierer.Bei grossen Kompanien bzw. Parteizellen mitgrosser Mitgliederzahl erfolgte die Zusammen-fassung innerhalb eines Zuges, dessen Par-teigruppe von einem Mitglied des Parteiakomi-tees der Kompanie in Personalunion geleitetwurde. Die einzelnen Parteikomitees der Kompa-nien wurden in dem Parteikomitee oder “Partei-

    aktiv” des Bataillons koordiniert, das sich eben-falls aus einem Sekretär und Kassierer sowieVertretern aus den Komitees der Kompanien zu-sammensetzte. Oberste Instanz war das Partei-komitee der Brigade, dessen Mitglieder, im Ge-gensatz zu den Parteikomitees der Kompani-en, nicht gewählt, sondern in Vereinbarung mitführenden KP-Repräsentanten (Im Fall der XI.Brigade: Franz Dahlem, Karl Mewis) von obenbestimmt wurden. Der Parteisekretär der XI. Bri-gade war ab Oktober 1937 der Deutsche Rein-hold Hentschke (“Herbert Wolter”), der im März1937 von der Sowjetunion nach Spanien gekom-men war, wo er zunächst in der internationalenPartisanenabteilung hinter den feindlichen Linieneingesetzt worden war.36 Sein Nachfolger wur-de im März 1938 für kurze Zeit der Vertreter derkommunistischen Jugendinternationale in Spani-en, Artur Becker, der ein Monat später in Franco-Gefangenschaft geriet und dort umkam.37 DemParteikomitee der Brigade gehörten automatischauch der Kommandeur sowie der Politkommis-sar der Brigade an. Seine Anweisungen erhieltdas Brigadekomitee vom “Servicio extranjero delPSUC” bzw in späterer Zeit von der “Kommis-

    30. “Direktiven über die Organisation und die Arbeit der po-litischen Parteien in den Internationalen Brigaden”, in: Ba-taillonspressedienst Nr. 20 des 1. Bataillons der 11. Brigade(Ohne Datum). SAPMO-BArch, SgY11/V237/11/168.31. Brief von ”Paul” und ”Richard” an Franz Dahlem,5.2.1937, SAPMO-BArch, NY 4072/206, S. 104.32. Vgl. ”Bericht des Gen. Herbert M.” 1.6.1938, SAPMO-Barch, RY1/I2/3/292.33. Bericht über die Arbeit der Parteiorganisation der 11.Brigade” 3.1.1938, SAPMO-BArch, NY 4072/206, S. 258.34. “1. Bataillon. Charakteristik des Funktionärkörpers,Stand vom 28. Dezember 1937”, SAPMO-BArch, NY4072/206, S. 264.35. Auf die Existenz der geheimen Parteizellen in den Bri-gaden wurde bereits von Patrik von zur Mühlen, Spanien warihre Hoffnung, op.cit., S. 154 hingewiesen.36. “Charakteristik” Hentschke (7.3.1940), SAPMO-BArch,RY1/I2/3/91, S. 73. Hentschke beanspruchte für sich ein Mit-spracherecht in militärischen Fragen und geriet dadurch inKonflikt mit dem Kommandeur der Brigade (Richard Stai-mer). Hentschke wurde daraufhin von seiner Funktion ent-fernt.37. “Charakteristik” Becker (2.2.1940), SAPMO-BArch,RY1/I2/3/86, S. 28. Seine Funktion als Parteisekretärübernahm ab Mai 1938 wahrscheinlich Max Spangen-berg (”Philipp Brloh; ”Beule”). Vgl. ”Charakteristik” MaxSpangenberg (3.2.1940), ibid. RY1/I2/3/86, S. 87.

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    sion für ausländische Kader” vom ZK der PCE.Sie wurden zur Umsetzung an die Bataillonsko-mitees weitergegeben.Sinn und Zweck der Parteizellen war es,während der Ruhepausen in der Etappe aufregelmässig stattfindenden Treffen den Partei-mitgliedern die gegenwärtigen Standpunkte derPCE und der Komintern zu vermitteln, allge-mein die Moral und Disziplin der Soldaten zustärken sowie den Kampf gegen die “Fein-de in den eigenen Reihen” zu führen.38 DieParteikomitees konnten keine politischen Be-schlüsse fassen. Ihre Sekretäre waren jedochbefugt, bei “parteifeindlichen” Äusserungen ge-gen Freiwillige Parteiverfahren bis hin zu An-trag auf Parteiauschluss einzuleiten, die aberwegen der Räumung Kataloniens meist nichtabgeschlossen werden konnten.39 In harmlose-ren Fällen konnten die Parteisekretäre auch Ver-warnungen aussprechen.40 Als die Überführungder nichtspanischen KP-Mitglieder in die PCEbevorstand, wurden sämtliche Zellenmitgliederauf ihr Verhalten als “Parteigenossen” in Spa-nien überprüft. Die Anträge, welche die Lei-ter der Kompaniezellen einreichten, wurden vonden Parteiaktivs der Bataillone einzeln disku-tiert. Bei Brigadisten, die in Spanien bei par-teipolitischen Diskussionen von der Generalli-nie abgewichen waren, wurden die Anträge ab-gelehnt bzw. zurückgestellt.41 Da auch die Le-bensläufe der Zellenmitglieder genau geprüftwurden, genügten als Grund für eine Ablehnungmitunter auch “Fehler” aus der politischen Ver-gangenheit, wie zum Beispiel eine ehemaligeZugehörigkeit zu einer innerparteilichen opposi-tionellen Gruppe.42 In der Regel handelte es sichhierbei um KPD-spezifische Erscheinungen derdeutschen Freiwilligen, von denen die übrigenBrigadisten nicht betroffen waren.Neben diesen Kontrollfunktionen übernahmendie Parteiaktivs der Bataillone übergreifend auchkaderpolitische Funktionen außerhalb der Par-teiorganisation. Sie kooperierten eng mit der mi-litärischen Führung und mit den “Kadermännern”der Bataillone und besaßen somit unmittelbarEinfluss bei der Affektierung und Beförderungbzw. Degradierung der Zellenmitglieder undübrigen Soldaten.Über die Politarbeit der kommunistischen Partei-

    zellen wurde in der Brigadepresse zuweilen be-richtet. Nach aussen hin war man zumindest inder Anfangszeit bemüht, die Dinge gegenüberder spanischen Regierung weitgehend geheimzu halten. Unter der Regierung von J. Negrı́n(PSOE), der im Gegensatz zu seinem VorgängerLargo Caballero zur Zusammenarbeit mit denKommunisten grundsätzlich bereit war, ändertesich die Lage. Anscheinend fühlten sich die Par-teikomitees durch den stetigen Machtzuwachsder PCE innerhalb des republikanischen Lagersbei der Ausübung ihrer Tätigkeit ermuntert, sodass bei der Geheimhaltung allmählich die Si-cherheitsvorkehrungen nachliessen. Im Januar1938 riet ein Vertreter des ZK der PCE, der demParteikomitee der XI. Brigade neue Anweisun-gen überbrachte, dazu, die Parteiarbeit in denBrigaden weniger offen zu betreiben.43

    38. “Bericht über die Arbeit der Parteiorganisation der 11.Brigade”, SAPMO-BArch, NY 4072/206, 258.39. Vgl. den Fall eines Arztes des Sanitätsdienstes der Bri-

    gaden (“Servicio Sanitario Internacional”), der in Diskussio-nen der Sowjetunion u.a. vorwarf, sie würde die spanischeRepublik in ihrem Kampf nicht genügend unterstützen. “Cha-rakteristik” Hans Serlemann (29.2.1940), SAPMO-BArch,RY1/I2/3/90, 79.40. Eine Rüge und Verwarnung erhielt z. B. ein deut-

    scher Freiwilliger einer Panzerbatterie, der in Diskussio-nen den Mangel an Objektivität in der Berichterstattung derBrigadenpresse über die Sowjetunion kritisiert hatte. Vgl.“Charakteristik” Walter Krenzke (13.2.1940), SAPMO-BArch,RY1/I2/3/88/p. 43.41. Abgelehnt wurde u.a. ein Freiwilliger, der in den Diskus-

    sionen Kameraden, die als “parteifeindliche Elemente” dis-kreditiert waren, in Schutz nahm. Vgl. “Charakteristik” Jo-seph Fett (7.2.1940), SAPMO-BArch, RY1/I2/3/86, 170.42. So zum Beispiel eine Freiwillige, die im Sa-

    nitätsdienst beschäftigt war. Sie wurde verdächtigt, der“Versöhnlerfraktion” der KPD angehört zu haben. Vgl. ”Cha-rakteristik” Olla Ewert (7.2.40), SAPMO-BArch, RY1/I2/3/86,S. 161.43. Vgl. ”Bericht an das ZK der KPD” von Heinrich Rau,

    10.6.1938. RGASPI, 545/2/39. H. Rau (1899-1961) wurdevon André Marty vom Kommando der XI. Brigade abgesetztund (zeitgleich mit K. Mewis und H. Müller) im April 1938auf Anordnung des ZK der PCE als unerwünscht aus Spani-en ausgewiesen und nach Frankreich repatriiert, nachdem ersich am 11. März 1938 an der Aragón-Front in einer äusserstkritischen Gefechtssituation unangekündigt von der Truppeentfernt und in einem Divisionserholungsheim in Valls in Si-cherheit gebracht hatte. Zu seiner Rechtfertigung verwiesRau in diesem Bericht auf eine am Bein erlittene Verletzung.Nach spanischer Darstellung handelte es sich jedoch ledig-lich um eine ”blessure très légère”. Vgl. den Beschwerde-

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    Wer es wagte, den dominanten Einfluss derKP zu kritisieren, musste mit negativen Konse-quenzen rechnen. Als krasses Beispiel sei hierdas Schicksal des deutschen Emigranten undFreiwilligen Heinz Weil hervorgehoben, der als“Trotzkist” und “Provokateur” in den Brigadenverhaftet und standrechtlich erschossen wurde.Er hatte es gewagt - unter Berufung auf die Di-rektiven Prietos - zu insistieren, dass die kom-munistische Parteiarbeit in den Brigaden gegendie Verordnungen der spanischen Republik ver-stosse und daher zu unterlassen sei.44 Wennes sich bei diesem Beispiel auch um einen ex-tremen Einzelfall (mit sicherlich abschreckenderWirkung) handelte, so wird an ihm deutlich, wiegefährlich politische Kritikäusserung in den Bri-gaden unter Umständen sein konnte.

    3. Die Kaderabteilung in Albacete

    Kaderpolitik hatte in der russischen Partei undin der Komintern einen hohen Stellenwert. In derrussischen Partei gab es seit 1922, in der Komin-tern seit 1932 eine Kaderabteilung, welche überdie politische Zuverlässigkeit der Parteimitglie-der Angaben sammelte und bei der Zuteilungvon Kadern auf diese Akten zurückgriff. Dass da-her auch in Albacete seit dem massiven Zustromvon Freiwilligen eine Kaderabteilung eingerichtetwurde, darf somit nicht überraschen. Laut einemBericht von A. Marty zuhanden der Kominternhatte sie folgende Aufgabe:

    “Cette commission des cadres avait com-me tâche de choisir les cadres dès leur ar-rivée, de les classer suivant leurs aptitudeset ensuite de les pousser de l’avant. Parson travail de choix des cadres, elle étaitégalement chargée de décéler les élémentsprovocateurs qui pouvaient se glisser ausein des Brigades”.45

    Bevor wir diese Überwachungsarbeit in der Pra-xis untersuchen, erscheint es uns angebracht,einen Blick auf die politische Herkunft der leiten-den Mitarbeiter der Kaderabteilung zu werfen:

    • Carnet (auch Carnez geschrieben): Erster Ka-derleiter von November bis Dezember 1936.

    Pole, aber langjähriges Kader der KPF. Sprichtfliessend polnisch, russisch, französisch,deutsch und englisch. War bisher verant-wortlich für die Kaderschulung in Alsass-Lothringen, wurde Marty durch die Kaderab-teilung der KPF empfohlen. Aus undurchsich-tigen Gründen im Dezember entlassen undnach Frankreich zurückgeschickt.46

    • Tuure Léhen (“Marcus”, 1883-1976): Zwei-ter Kaderleiter von Dezember 1936 bis Ja-nuar 1937. Finne, im Kominternapparat seit1920, dort Leiter der militärpolitischen Schuleund Mitarbeiter der Kaderabteilung. Im Herbst1936 nach Albacete gesandt und Leiter ei-ner Guerillatruppe, dann Leiter der Kaderab-teilung. Im Januar 1937 bereits abgelöst undneu Militärberater der XI. Brigade.47

    • Kazimierz Cichowski (“Winkler”, 1887-1937):Dritter Kaderleiter von Februar bis Juli 1937.Pole, seit 1932 in der Kaderabteilung derKomintern, von März bis Juli 1937 Kaderleiter

    brief von Pedro Checa an das ZK der KPD vom 31.3.1938,SAPMO-BArch, RY1/I2/3/292, S. 67.44. H. Weil, seit 1929 Mitglied der KPD, war 1933 nachSpanien emigriert. Er kam in Oktober 1936 zur CenturiaThälmann, ein Monat später zu den Brigaden, wo er im Po-litkommissariat in Albacete und als Transportchef der XI. Bri-gade sowie im Range eines Leutnants im Bataillon “HansBeimler” eingesetzt wurde. H. Weil war ein enger Freund vonB. Rosner, der ebenfalls verhaftet wurde (siehe Anmerkung10) ”Charakteristik” von Weil ( 5.3.1940), SAPMO-BArch,RY1/I2/3/91, S. 41; ”Die Tätigkeit der feindlichen Elemente inSpanien” 16.11.1940, S. 25-, RGASPI, 545-6-28. Ramón Sa-las Larrazábal: Historia del Ejército Popular de la República,Vol. IV, Madrid 1973, S. 3489; S. 3506. Das Datum der in derCharakteristik festgehaltenen Exektuion liess sich nicht er-mitteln. Vermutlich fand die Erschiessung Anfang 1938 statt.Ende 1937 erschien Weils Name noch in einer Liste der Ka-derabteilung. Vgl. ”Liste der spanischsprechenden Offiziere,die als Ausbildungsoffiziere in Frage kommen”, 9.12.1937,RGASPI, 545-2-105.45. Rapport von Marty, 4.3.1937, S. 94, in: RGASPI, 545-3-11.46. Ebenda, sowie: Rapport von Marty, 9.10.1937, in: RGA-SPI, 517-3-25. Muss ein Pseudonym sein. In keinem derbeiden Standardwerke zur französischen und polnischen Ar-beiterbewegung findet sich eine passende Biographie. Vgl.Jean Maitron/Claude Pennetier, Dictionnaire biographique dumouvement ouvrier français; F. Tych, Slownik BiograficzynDzialaczy Polskiego Ruchu Robotniczego.47. Rapport von Marty, 9.10.1937, in: RGASPI, 517-3-25.Bericht [ohne Überschrift, undatiert], S.5, in: RGASPI, 545-2-101.

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    in Albacete, im August nach Moskau berufen,im Oktober erschossen.48

    • Wilhelm Bahnik (“Fernando Sommer”, “HansErbe”1900-1938): Vierter Kaderleiter von Au-gust bis Oktober 1937. Deutscher, 1930-1931 Besuch der militärpolitischen Schule inMoskau, 1935-1936 an einer Militärakademiein der UdSSR. Von hier nach Albacete,Chef der Deutschen Kadersektion ( “Grupogermánico” oder “Deutsche Sprachgruppe”,d.h. die Deutschen, Österreicher, Deutsch-schweizer, Holländer und Skandinavier). ImSeptember 1937 an die Front versetzt, schwerverwundet und Freitod vor Gefangennahme(März 1938).49

    • Georgi Michailov (“Zelesov”, 1893-1966):Fünfter und letzter Kaderleiter von November1937 bis Dezember 1938. Im Sommer 1937von Moskau nach Albacete, anfangs 1939zurück nach Moskau, nach dem WeltkriegParlamentsabgeordneter in Bulgarien.50

    Zwei Feststellungen drängen sich auf:

    a) Ins Auge springt die anfängliche Improvisati-on und die vielen Wechsel an der Spitze, dienichts mit dem Bild eines gutgeölten und per-fekt funktionierenden Apparates gemein hat,das dem vereinfachten Schema einer allesordnenden Hand aus Moskau entspricht.

    b) Mit Ausnahme des ersten Leiters, dessengenaue Identität noch nicht feststeht, sindalle erfahrene Kominternkader, die in Mos-kau in der Kaderabteilung gearbeitet oder Mi-litärschulen besucht haben. Diese Dominanzvon russisch geschultem Personal lässt sichauch auf mittlerer Stufe der Kaderabteilung inAlbacete feststellen.

    Seit Frühjahr besassen alle grösseren Sprach-gruppen einen eigenen Kaderleiter, der die Bri-gadisten seines Landes oder seiner Sprach-gruppe ”betreute”, d.h. in seine Kartei auf-nahm, Führungsberichte schrieb oder solchevom ”Kadermannı̈n den Bridaden anforderte.51

    Analog zu den 1937 geschaffenen fünf “bri-gadas lingüı́sticas” existierten in der Kaderab-teilung fünf grosse internationale Sprachsek-

    tionen: 1. Deutsche Sprachgruppe, 2. Italieni-sche Sprachgruppe, 3. Slawische Sprachgrup-pe, 4. Franco-belgische Sprachgruppe, 5. Engli-sche Sprachgruppe (sowie zusätzlich eine eige-ne Sektion für die spanischen Brigadisten).52 ImLaufe der Zeit erhielten die einzelnen Nationa-litäten innerhalb der Sprachgruppen, sofern siezahlenmässig stark vertreten waren, ihre eige-nen Kaderbüros oder Kaderservices. Diese na-tionalen Verantwortlichen bei der Kaderabteilung(und deren Mitarbeiter) gehörten ausnahmsloseiner KP an, waren oft Mitglieder des ZK undhatten einen Schulungskurs in Moskau besucht.Hier einige Beispiele:

    • Für die Deutschen: Wilhelm Bahnik (Okto-ber 1936-August 1937 Chef der deutschspra-chigen Sektion), Willi Kreikenmeyer (Nach-folger von W. Bahnik als Chef der deut-schen Sektion), Kurt Bürger (“Karl Eiche”,Oktober 1936-Sommer 1937), Erhard König(“Paul Richter”, “Rudolf Stark”, Mai 1937-März1938, anschliessend Leiter der Personalab-teilung des Sanitätsdienstes), Ernst Krüger(Mai-Juli 1937 in Albacete, dann in Delega-tion Barcelona), Fritz Schiller (“Alfred Krum-me”, November 1936-April 1937), Gustav Har-tog (“Günther”, April-September 1937 techni-sche Kraft), Hans Weyers (1937, geriet unterSpionageverdacht, zeitweilig inhaftiert), An-ton Haas (“Hermann Teichmann”) (November1936-Februar 1937).53

    48. Memorial (Hg.), Rasstrelnye spiski. Moskau 1993, S.169; L. London, La madeja, op.cit., S. 375-376.49. “Charakteristik” Bahnik von A. Marty (21.1.1941),

    RY1/12/3/90, S. 87. Brief von Fernando”15.9.1937, in: RGA-SPI, 545-2-101; W. Röder/ H. A. Strauss (Hg.), Biographi-sches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach1933. München 1980, S. 3350. “A tous les collaborateurs du service du personnel”,

    [Jan. 1938], in: RGASPI, 545-2-101; Z. Dragojtschewa, Ge-bot der Pflicht. Erinnerungen. Berlin 1977, S. 789-790.51. Vgl. “Deutsche Kaderabteilung an den Kadermann der

    XI. Brigade”, Albacete 11.10.1937, RGASPI, 545-2-105. Ka-dermänner der XI. Brigade waren zeitweilig die Deutschen A.Denz, M. Faber, H. Müller, G. Szinda. ”Charakteristiken” in:SAPMO-BArch, RY1/I2/3/86, S. 124 (Denz); S. 162 (Faber);RY1/I2/3/88, S. 152 (Müller); RY1/I2/3/90, S. 121 (Szinda).52. “An den Comandanten der Base”, Albacete 5.10.1937,

    RGASPI, 545-2-10153. “Charakteristiken”, SAPMO-BArch, RY1/I2/3/90, S. 87-

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    • Für die Frankophonen: André Antoon, LouisBaudin, Albert Delahousse, Albert Delcroix,Paul Dumet, Jacques Grégoire, Juste Héras,Henri Janin, Charles Lutz, Georges Marouzé,Gaston Scherer.54

    • Für die Italiener: Edoardo D’Onofrio, U. Lo-renzzini (“Mario Lenzi”), José Oghen, PietroPavanini, Luigi Roggero, Pascal Timone.55

    • Für die Schweizer: Walter Wagner, ErnstBickel, Hans Thoma.56

    • Für die Österreicher: Adolf Drescher, JosefDycka, Max Stern, Julius Adler, Karl Sommer,Rudolf Schober.57

    • Für die Anglophonen: Hercules Avgherinos,Alex Cummings, Ben Gardner, Conrad Caye,Bob Kerr, Jerry Klein, Eric Parker, Arnold Reis-ky, Mayer Saul Shapiro, Alfred Tanz.

    • Für die Tschechoslowaken: Honsa Cerny, La-dislav Holdos.58

    • Für die Polen: Mordko Abramczuk, Gers-zon Dua-Bogen, Hermann Skorzynsky, SzabaKirszenbaum, Melchior Abrascha, Jerca Mlec-zynsky.59

    • Für die Jugoslawen: Frantz Roman, Veljko Vla-hovic.60

    • Für die Ungaren: Ladislav Haasz, ElisabethHaasz.61

    • Für die Holländer: Piet Jansen.62• Für die Brasilianer: Lopez Nieto.63• Für die Spanier: Ortega.64

    Die Kaderabteilung besass anfangs 1938 83 Mit-arbeiter und war seit Sommer 1938 als einzi-ges Gremium befugt, Vorschläge über Einteilun-gen, Versetzungen und Ernennungen zu tätigen.Bis Sommer 1937 bestand —wie sich der Chefder Kaderabteilung ausdrückte— ëine Paralel-lität in der Behandlung von Personalfragen”, weilsich ebenfalls das Sekretariat des Etat-Majorund das “Effektiv-Büro” darum kümmerten. Das“Effektiv-Büro” wurde von nun an mit rein tech-nischen Aufgaben betraut: Eintragungen im Mi-litärbüchlein, Erstellung der Verlustlisten, Sold-kontrolle usw. Absolute politische Zuverlässigkeitim Sinne von KP-Zugehörigkeit war hier weniger

    gefragt. Die Mitarbeiter sind zumeist ehemaligeBrigadisten von der Front, die nach Verwundungund Spitalaufenthalt als Nichtkriegstaugliche die-sem Büro zugeteilt werden. Unter seinen 43 Mit-arbeiter (September 1937) finden sich auch eini-ge, die Sozialistischen Parteien angehören. DieLeitung war jedoch auch hier fest in der Hand derKP: bis September 1937 stand ihr der DeutscheErnst Joske, dann der Deutsche Kurt Schwotzer(“Hess”) und schliesslich ab Februar 1938 derFranzose Maurice Monnet vor.65

    Beim Thema politische Kontolle in den Bri-gadenmuss gezwungenermassen auch dieMilitärzensur zur Sprache kommen. Jedekriegführende Formation muss sich gegenßersetzende Elementeı̈n ihren Reihen zur Wehrsetzen —und die Brigaden bilden da keine Aus-nahme. Die Militärzensur in Albacete bestandanfangs 1938 aus 25 Mitarbeitern und hatteAussenstellen in Valencia und Barcelona. Der

    (Bahnik); RY1/I2/3/88, S. 43 (Kreikenmeyer); RY1/I2/3/86, S.155 (Bürger); RY1/I2/3/88, S. 36; S. 47- (Erhard; Krüger);RY1/I2/3/91, S. 53- (Weyers). Zu Haas siehe sein Lebens-lauf, Staatsarchiv Leipzig, BPA, IV 4/11/V/460. Zu Kreiken-meyer, der auf ungeklärte Weise in einem DDR-Gefängnisstarb, siehe Wolfgang Kießling, Willi Kreikenmeyer, der ver-schwundene Reichsbahnchef. Berlin 1997.54. Vgl. deren Biographien in: J. Maitron/Cl. Pennetier, Dic-tionnaire biographique, op.cit.55. Vgl. deren Biographien in: Franco Andreucci/TommasoDetti:Il Movimento operaio italiano. Dizionario biografico.1853-1943. 6 vols., Roma, Editiri Riuniti, 1975-1979.56. Dossier Wagner, RGASPI, 545-6-1502; Bickel, 545-6-1479; Thoma 545-6-1501.57. Liste, RGASPI, 545-2-101; 545-2-115; 545-102; FürSpaniens Freiheit. Österreicher an der Seite der SpanischenRepublik 1936-1939, hrsg. vom Dokumentationsarchiv desÖsterreichischen Widerstandes (DÖW), Wien 1986, S. 123.58. “Charakteristiken der Kameraden” 18.3.1938, RGASPI,545-2-115.59. Vgl. deren Biographien in: F. Tych, Slownik Biograficzyn,op.cit.60. “Charakteristiken der Kameraden” 18.3.1938, RGASPI,545-2-115; RGASPI, 545-2-101.61. RGASPI, 545-2-108.62. RGASPI, 545-2-115.63. Ebenda.64. RGASPI, 545-2-102.65. Rapport Schwotzer 19.11.1937, RGASPI, 545-2-101;”Situación de effectivos”, RGASPI, 545-2-115; ”An den Co-mandanten der Base” 5.10.1937, RGASPI, 545-2-101. ”Cha-rakteristik” Schwotzer (10.2.1940) und Joske (11.2.1940),SAPMO-BArch, RY1/I2/3/87, S. 74; S. 109.

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    französischen Sprachgruppe stand AntoineDesbois, der italienischen Libertario Rubini,der deutschen Paul Storck und der englischenThomas Richardson vor— alles Mitgliedereiner KP. Leiter der Zensur war der Sloweneund KP-Mitglied Dragotin Gustincic. In seinenRapporten zur “Truppenmoral” zuhanden desKommandanten der Base beklagte er immerwieder den Personalmangel, der ihn dazuzwinge, “de faire passer une bonne partie de lacorrespondance sans censure”.66 Ein undatier-ter Tätigkeitsbericht zeigt in aller Deutlichkeit,daß es der Leitung der Brigaden bei den zubewältigenden Problemen der Postzensur nichtallein um die Behütung von Militärgeheimnissenging:

    “Il faut lutter vigoureusement

    a) contre les socialistes, surtout Italiens (Azzi,Nenni) qui dès Novembre 1936 exigeaientdes representants au Bureau de Censure.

    b) contre les social-démocrates de divers pays(allemands, autrichiens et italiens surtout) quitentèrent d’organiser à Paris un service po-stal afin de contrôler la correspondance.

    c) contre les tentatives de communistes alle-mands (Dahlem) qui mirent en pratique l’idéeprécédente et menèrent campagne à plu-sieurs reprises pour l’imposer.”67

    Die nachfolgende Episode erscheint uns auf-schlussreich in Hinsicht auf die Frage, inwieferndie politische Überwachung schlussendlich auchzu personellen Konsequenzen, d.h. Absetzung,geführt hat. Zwei ”übereifrige”KP-Mitglieder undMitarbeiter der Militärzensur —Paul Storck undWilli Engels— beschwerten sich beim Politkom-missar, dass Gustincic mit nicht-KP-Mitgliedernzu nachlässig sei und zulasse, dass wichtige Po-sten sogar mit CNT-Mitgliedern besetzt würden;der Chef der Aussenstelle in Godella (Valencia),das KP-Mitglied Antonio Lirón, habe gar (Sep-tember 1937) in seinem Dienstraum ein Plakatder POUM hängen, das er nur nach mehrmali-gen Protesten halbwegs zugedeckt habe. Fallsman nicht schnell einschreite, “haben wir dieganze Kontrolle über die Angehörigen der Inter-Brigaden verloren.”68 Der Politkommissar der

    Zensur leitete die Klagen an den Kommandan-ten der Base, Wilhelm Zaisser, weiter, der seiner-seits vom Chef des SIM, “José Moreno”, einenBericht anforderte. “Moreno” behandelte das An-liegen in einem Sammelbericht zu Beschwer-den im Postdienst und schob den Schwarzpe-ter dem Etat-Major und insbesondere der Kader-abteilung zu. Er versprach zwar Üeberprüfungsämtlicher im Postdienst beschäftigter Kamera-den durch den SIM”, verlangte aber gleichzeitig,dass inskünftig ”bei Affektierungen in den Post-und Zensurdienst dem SIM in jedem Falle Mittei-lung gemacht wird”, so dass unkontrollierte Ele-mente keinen Eingang fänden.69 Gustincic bliebtrotz der belastenden Aussagen bis zum Endedes Bürgerkriegs Leiter der Militärzensur. Ist derSIM den Beschwerden nachgegangen? Hat Gu-stincic unter dem Druck des SIM eingelenkt, dieZügel in der Zensur an die Hand genommen undsomit seinen Posten gerettet? Fragen über Fra-gen, die wir vorläufig trotz der Öffnung der Mos-kauer Archive nicht beantworten können.Informatoren in den Interbrigaden aus den Rei-hen der KP wie P. Storck und W. Engels,im Politjargon auch ”Kadermänner”genannt,übten mit ihren Berichten sicher auf ihrUmfeld in den Brigaden einen Anpassungs-druck auf. Die Kaderabteilung in Albacete, dasAusländersekretariat der PSUC in Barcelonaund die Ausländerkommission beim ZK der KPEin Valencia (ab Januar 1938) liessen jedenfallsnichts unversucht, um der politischen Linie derRegierung von J. Negrı́n in den Brigaden zumDurchbruch zu verhelfen. So sprach im Septe-mebr 1937 Fritz V.ı̈n Valencia —mit richtigemNamen Wilhelm Tebarth, KPD-Kader und “Ab-wehrmann” beim ZK der KPE in Valencia— ineinem Zwischenbericht von verbesserten Bezie-hungen zu ünseren Informatoren”, stellte aberfest:

    66. Rapport 21.4.1937, RGASPI, 545-2-156; ”Circulaire di-rective” 29.5.1937, ibid.67. “Le service de la censure et du courrier. Extrait du rap-

    port du Commandant de la base”, S. 3, RGASPI, 545-2-33.68. “Bericht über die Zustände bei der Post- und Mi-

    litärzensur”, P. Storck, 3.10. 1937; Charakterisierung des Ka-pitaen Liron, Chef der Post”, RGASPI, 545-2-160.69. “Bericht an General Gomez”, Albacete 3.3.1938, RGA-

    SPI, 545-2-159.

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    “Für die Zensoren sind noch keine Direkti-ven erteilt worden betreffs des neuen Ge-setzes, nach dem Verleumdungen der So-wjetunion strafbar sind. Dasselbe gilt inbe-zug auf die Korrespondenz trotzkistischerElemente. Nach wie vor bleibt die Be-handlung einschlägiger Post den Zensorenselbst überlassen.” 70

    4. Die Justizkommission in Albacete

    Jede Armee wappnet sich mit Justizorganen,die dem Funktionieren der Hierarchie und derDisziplin im allgemeinen Nachdruck verschaf-fen soll —die Brigaden bildeten da keine Aus-nahme. Die Brigadisten hinterlegten bei der mi-litärischen Einteilung ihre Pässe und schworenzu kämpfen, bis die aufständischen Generäleund deren ausländische Helfer geschlagen sei-en. Nur die wenigsten dürften zu diesem Zeit-punkt geahnt haben, dass sich ein eigentlicherKrieg anbahnte, der sich in die Länge ziehenwürde. Die Berichte desertierender, aber auchlegal heimkehrender Brigadisten zeugen von deranfänglichen Auffassung, ein schneller Sieg undoft gar eine neue Existenz in einem befreitenSpanien stünden in Reichweite.71

    Spätestens ab Sommer 1937 nahmen die De-sertionen zu. Die Politkommissare berichtetenin ihren Rapporten von sinkender Truppenmoralund umsichgreifenden Versuchen, der Front zuentkommen und im Hinterland für Hilfsarbeiteneingeteilt zu werden. Viele Brigadisten meldetensich krank oder griffen zu Selbstverstümmelung.Trotz des von oben verkündeten Optimismusnahm das Gefühl überhand, dass der Kriegnicht zu gewinnen sei. Die Berichte verschie-denster Dienste zuhanden übergeordneter Or-gane verwandten für das Malaise Begriffe, dieoft mehr versteckten als dem Übel naheka-men: mieses Element, Kapitulant, Trunkenbold,Trotzkist usw.72 Die allgemeine Unzufriedenheitartikulierte sich manchmal auch in politischerKritik, was die Hierarchie in Alarm versetz-te. So machten Brigadisten Stimmung gegendie Kaderabteilung in Albacete, weil diese ih-nen einen Urlaub untersagt hatte. Bei abendli-chen Ausgängen entlud sich der Zorn an KP-Mitgliedern, die untere Posten in der Kaderab-

    teilung bekleideten und —so die Überlegung—ihr Leben nicht täglich aufs Spiel setzten. Man-che wurden wegen “Zersetzungsarbeit” verhaf-tet und vor Gericht gebracht, wo sie ihrerseits zuden Worthülsen stalinistischer Prägung zufluchtnahmen und ein rasches Vorgehen gegen die“eigentlichen Trotzkisten” forderten.73

    Die Entzifferung dieser Anwürfe stellt den Hi-storiker vor eine schwierige Aufgabe. Sind dievon der Kaderabteilung produzierten langen Li-sten angeblicher Verräter lediglich Ausfluss ei-ner Wahnvorstellung, wie sie in den Jahren desGrossen Terrors im stalinistischen Milieu gang

    70. “Information”, Valencia 11.9.1937, unterzeichnet ”FritzV.”, RGASPI, 545-2-159; Wilhelm Tebarth (”Schimmel”;”Humboldt”, 1902-?) war vor dem Spanischen Bürgerkriegzeitweilig Leiter der ”Abschnittsabteilung West” des gehei-men Nachrichtendienstes der KPD gewesen. Ab Januar1937 leitete er unter dem Deckname ”Fritz V.” (= ”Fritz, Va-lencia”) die ”Abwehr” der KPD in Valencia. Im Juli 1938 ver-liess er Spanien (Anschliessend geheime Tätigkeit für dieKPD in Frankreich, Belgien der Schweiz und Deutschland.Anfang der 40er Jahre angeblich Freitod in Konstanz, umnicht der Gestapo in die Hände zu fallen). Karl Mewis (”FritzA.” bzw. ”Fritz, Barcelona”), war bis Ende 1937 für die ”Ab-wehr” in Barcelona zuständig. Von Januar bis März 1938 wur-de die Arbeit in Barcelona vorübergehend von Gustav Szinda(”Gustav”) übernommen. Als im April 1938 die Francotrup-pen zum Mittelmeer durchbrachen, fusionierte die ”Abwehr”von Valencia mit der von Barcelona. Für die ”Abwehr” in Ma-drid war ein gewisser ”Willi M.” zuständig, dessen Identitätnicht aufgeklärt werden konnte. Die drei Zentren Barcelona-Valencia-Madrid unterhielten mehrere Mitarbeiter und stan-den über Kurierwege in ständigem Informationsaustausch.Enge Zusammenarbeit bestand mit dem SIM, der Kaderab-teilung und dem Grenzdienst der Brigaden. NachweisbareVerbindungen zum NKVD liefen über Walter Vesper (”PeterNerz”), der dem Abwehrapparat in Barcelona angehörte. Vgl.Michael Uhl, Die Internationalen Brigaden, op.cit., S. 512-.Zu W. Tebarth vgl.: Rapport Dahlem 25.8.37, RGASPI, 545-2-145 sowie “Charakteristik” Tebarth (2.3.1940), SAPMO-BArch, RY1/I2/3/91, S. 2. Bernd Kaufmann, Der Nachrich-tendienst der KPD 1919-1937. Berlin 1993, S. 436. WeitereMitarbeiter waren: Alfred Bartel (”Benno”) in Madrid; Hein-rich Gerhard, Ernst Zimmermann (”Viggo Andersen”; ”Pie-pel”), Fritz Fränken und Fritz Lange in Barcelona.71. Dies trifft zumindest für die Schweizer Brigadisten zu.Vgl. N. Ulmi, P. Huber, Les combattants suisses, op.cit, S.173-226.72. “Tätigkeitsbericht über die Zeit von Anfang November1937 bis Anfang Januar 1938”, Albacete, 6.1.1938, RGASPI,545-2-105.73. Vgl. den Brief “An den Etat Mayor der Base” (2.11.1937),unterzeichnet “K. Maurer”, ein verhafteter Schweizer Briga-dist, RGASPI, 545-2-105.

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    Document PC André Marty

    und gäbe war? Oder wiederspiegeln sie einetatsächlich vorhandene Opposition in den Bri-gaden gegen den vorherrschenden Einfluss derKomintern, die die sozialistische Revolution aufspäter vertagt habe? Im Moskauer Archiv derInterbrigaden finden sich Dokumente, die bei-den Interpretationen gerecht werden. Unzufrie-denheit konnte in gewissen Fällen in politischeOpposition umschlagen —so etwa im Septem-ber 1937, als eine Gruppe von Brigadisten ver-haftet wurde, nachdem sie unverfroren vor denversammelten Kameraden die neu eingeführteGrusspflicht gegenüber den Vorgesetzten sowiedie unterschiedliche Verpflegung und Besoldungfür Soldaten und Offiziere kritisiert hatte.74

    Disziplinfälle dieser Art wurden der Justizkom-mission der Brigaden und speziellen Unter-suchungskommissionen in Albacete über-tragen, die Vorschläge zuhanden des alleinkompetenten Kommandanten ausarbeiteten.In späterer Zeit wurde die “Comisión Judicial”durch die “Tercera Sección” der neuorganisier-ten, in verschiedene Sektionen unterteilten Baseersetzt.75

    Entschieden diese Justiz-organe derart blutdürstigwie einige entkommeneBrigadisten und die fran-zösische Rechtspresseberichteten?76 Eine er-ste, noch lückenhafteAuswertung des Bestan-des “Justizkommission”ergibt den Eindruck, alsob die Kommission undauch der Kommandantin Albacete eher Mildewalten liessen. DerenStrafmass war meistdem Angeklagten entge-genkommender als diean der Front geforderteStrafe. Auch protestiertedie Justizkommission un-ter dem belgischen Ju-risten Jean Bastien imJanuar 1937 mehrmalsgegen die Einmischung

    politischer Kader und Sicherheitsorgane, eigent-liche Vorläufer des SIM:

    “La Commission Judiciaire attire l’attentionde l’Etat-Major sur le fait que depuis quel-ques temps, certains responsables politi-ques, notamment les Cdes. Kerrigan et Ri-chard, ainsi que le Cde. Fejn, présidentde la Commission de Contrôle et Sureté,interviennent d’une manière inopportunedans son activité. (...) La Commission Ju-diciaire étant responsable des décisionsqu’elle prend, insiste que pour dans l’avenir,les Cdes Kerrigan, Richard et surtout Fejn,soient priés de se cantonner dans leurs pro-pre travail.” 77

    74. Vgl. die Unterlagen im “Rapport über das bestehen unddie Arbeit der in Madrigueras festgestellten und festgesetz-ten Zersetzungsgruppe”, Albacete 2.10.1937, RGASPI, 545-2-105.75. “Orden general de la base orgánica de las Briga-

    das Internacionales”, Albacete 3.3.1938, SAPMO-BArch,SgY11/V237/4/25.76. Eine erste, verneinende Antwort gibt R. Skoutelsky,

    L’Espoir, op.cit., S. 251-253.77. Brief von Marty an Vidal, 30.1.1937, RGASPI, 545-2-

    142. Vgl. auch den Briefverkehr in: RGASPII, 545-2-129.

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    Untersuchungskommissionen in Albacete bega-ben sich nach Klagen verhafteter Brigadistenins Militärgefängnis Albacete und in die FestungChichilla und erreichten die Freilassung mehre-rer Dutzend Freiwilliger:

    “Les raisons, qui nous font proposer lalibération de tous ces volontaires, sont que1) Ils se trouvent à la Forteresse mélangésavec les fascistes. 2) Ils se trouvent dansune dépression physique et morale as-sez grande. 3) La peine d’emprisonnementqu’ils ont subis correpond largement auxdélits commis. 4) Leurs conduites en prisonfut, en général, bonne.” 78

    Als letztes Beispiel sei eine Intervention vonAndré Marty erwähnt, der drei von fünfnach Albacetet gebrachte Brigadisten an dieFront zurückschickte und dem Kommandantenschrieb:

    “Les 5 hommes ont été examinés sur la ba-se du rapport du commandant de la briga-de et du responsable politique. On ne peutexiger de nos volontaires dans la périodeactuelle d’être tous des modèles absolus.C’est par une action constante, souple maisferme du commandement, par un travailsystématique politique que nous pourrontarriver à forger cette armée à discipline defer que nous nous sommes fixés comme ta-che.” 79

    Doch Fälle dieser Art dürfen nicht verallgemei-nert und als Richtschnur für die damalige Praxisgenommen werden. Das soeben herangezoge-ne Beispiel stammt aus dem Spätherbst 1936,noch Monate vor dem Dekret über die Desertio-nen vom Sommer 1937. Dieses Dekret schuf inden Brigaden Militärtribunale, die Strafen von 12Jahren bis zur Todesstarfe aussprechen konn-ten, und dies “pour manque de respect à unsupérieur par la parole ou par la voie de fait.”80

    Diese Verfügung erleichterte Inhaftierungen undErschiessungen von Brigadisten, deren Verge-hen auch politisch motiviert war. Auch hier mussjedoch festgehalten werden, dass der Komman-dant in Albacete mehrmals eingriff und Politkom-missare absetzte, die “zu schnell” Todesstrafenausgesprochen hatten.81

    Noch ist es nicht möglich, Zahlen über Verhaf-tungen und ausgesprochene Todesstrafen vor-zuweisen. Wir vermuten, dass ab Sommer 1937vermehrt auf Disziplin getrimmt wurde, insbe-sondere mit der Einführung der Arbeits- und Um-erziehungslager, mit welchen Tausende von Bri-gadisten für kürzere oder längerer Zeit Bekannt-schaft machten. Im Archiv der Interbrigaden fin-den sich für jeden Monat lange Listen mit Namenvon Brigadisten, die im Urlaub in Valencia undin Barcelona desertierten, schlussendlich abergefasst und nach Albacete zurückgebracht wur-den.82 Statt der möglichen Todesstrafe kamensie mit einigen Wochen Arbeitslager hinter derFront mit anschliessender Verschickung an dieFront davon. Verschärfend kam hinzu, dass al-len Arrestierten für die Zeit ihrer Inhaftierung ihrSold um 50% herabgesetzt wurde.83 Dieses Ver-fahren kam bei Desertionen während des Ur-laubs zur Anwendung; wer aber an der Frontdesertierte, musste mit Schlimmerem rechnen.Einmal gefasst, entschied vor Ort ein vom Ba-taillonskommandant einberufenes Kriegsgerichtüber sein weiteres Schicksal. Wenn nicht dieTodesstrafe verhängt wurde, kam er ins Mi-litärgefängnis Albacete, wo Gerüchten zufolgeebenfalls Erschiessungen stattgefunden habensollen. Der Chef dieses Gefängnisses, der Ju-goslawe Emil Copic, wird später, nämlich 1938,auch zwei Militärgefängnissen in Katalonien, inCastelldefels und in Horta, vorstehen.84 Die in

    78. Brief an Bielov [K.T. Lukanov] und an M. Lampe, Alba-cete 13.8.1937, RGASPI, 545-2-142.79. Brief vom 15.11.1936, RGASPI, 545-2-155.80. Dekret vom 18.6.1937, in: Bulletin des Commissairespolitiques. Juin 1937, RGASPI, 545-1-64. Die Verbindlichkeitder Bestimmungen dieses Dekrets sowie die des Statutende-krets vom 23.9.1937 wurde später noch einmal unterstrichen.“Orden general de la base”, Albacete 16.2.1938, SAPMO-BArch, SgY11/V.237/4/25.81. Vgl. R. Skoutelsky, L’Espoir, op.cit., S. 251-253.82. Vgl. Liste vom 20.10.1937, erstellt in Valencia und an dieJustizkommission gesandt, RGASPI, 545-2-142; Brief an dieBase der Brigaden, Barcelona, 13.3.1937, RGASPI, 545-2-143b.83. “Decreto Ministerial del 21 de octubre de 1937”, abge-druckt in Schreiben der Base, Albacete 20.11.1937, SAPMO-BArch, SgY11/V.237/4/25.84. Vgl. Rolf Reventlow, Spanien in diesem Jahrhundert.Bürgerkrieg, Vorgeschichte und Auswirkungen. Wien 1968,S. 323-326.

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    der Memoirenliteratur überlieferten schlimmenGerüchte über das in der Kirche einer alten Fe-stung untergebrachte Gefängnis von Castellde-fels werden durch die Akten auf erschrecken-de Weise erhärtet.85 Ende August 1938 wur-de die Gefängnisdirektion von Castelldefels ver-haftet und eine Überprüfung der lautgeworde-nen Beschwerden eingeleitet. Mit der Untersu-chung des Falls wurde der SIM-Mann Alfredo Vi-net beauftragt. Bei den durchgeführten Verhörenstellte sich heraus, daß der Kommandant desGefängnises, M. Lantez (auch “Lantés” ge-schrieben), der unmittelbare Nachfolger von Co-pic, zusammen mit Kumpanen, zu denen auchder Politkommissar Paul Dupont sowie der ver-antwortliche SIM-Mann von Castelldefels, LucienCourson, gehörten, von April bis August 1938 einSchreckensregime in Castelldefels geführt hatte.Dabei war es zu brutalen Misshandlungen vonGefangenen und auch Teilen der Wachmann-schaft gekommen. Ein Wärter, der zuvor vonder Clique Lantez eingeschüchtert worden war,sagte aus, dass ein chinesischer Brigadist na-mens Sen Sen Semfley in Castelldefels infolgeseiner Verletzungen gestorben war, was durchunabhängige Angaben eines zweiten Wärterszusätzlich bestätigt wird.86 Die Gewalttaten wa-ren indes nicht politisch motiviert, sondern ent-sprangen vielmehr der persönlichen Wilkür Lan-tez und seiner Leute, die Gelder von Gefan-genen einbehielten und ihre Dienstzeit bevor-zugt in alkoholisiertem Zustand und am Strandverbrachten. Als eine Abordnung der lokalenBehörden von Castelldefels bei Lantez vorstelligwurde, um sich über Diebstähle zu beschweren,die von seinen Männern in der Umgebung be-gangen worden waren, wurde sie von diesem miteiner Waffe bedroht und abgewiesen. Anderer-seits geht aus den Protokollen der Vernehmun-gen hervor, dass die meist ahnungslosen spani-schen Wärter zur Rechtfertigung der Gewaltan-wendung erklärt bekamen, dass es sich bei denOpfern um “Faschisten” und andere “Feinde derRepublik” handle. Noch heute findet man an denWänden der Kirche der alten Festung Graffiti, dieFreiwillige der Internationalen Brigaden währendder Zeit ihrer Inhaftierung angebracht hatten.87

    5. Der “Servicio de Investigación Militar”(SIM)

    Im Kapitel zum “Servicio extranjero der PSUC”haben wir gesehen, wie dieser Kaderdienstmit staatlichen katalanischen Polizeiorganen ver-zahnt war, an deren Spitze in Barcelona derPSUC-Mann und Polizeioffizier Victorio Salastand. Durch dieses Zusammenspiel wurden inder Frühphase des Bürgerkriegs (Herbst 1936bis Sommer 1937) —und vor allem nach denMaitagen in Barcelona— Dutzende von Milizi-onären und Brigadisten, die in Barcelona auf Ur-laub weilten, sowie ausländische politische De-legierte verhaftet und in sog. “Checas” verhört.88

    In den Brigaden selbst war seit Januar 1937 einSService de contrôle et de sûretéı̈m Aufbau mitdem jugoslawischen ZK-Mitglied Gustav Fejn ander Spitze. André Marty schrieb in einem Rap-port aus Spanien nach Moskau, dass seit Ja-nuar 1937 und unabhängig von der Kaderabtei-lung ein “Service de contrôle et de sûreté” be-stehe, und zwar “en collaboration avec deux ca-marades mexicains spécialistes, un à Valence etun à Albacète”.89 Im Sprachjargon der Komin-tern zur Zeit des Spanischen Bürgerkrieges warein Mexikaner ein russischer Berater. Zweifellos

    85. Vgl. die Verhörprotokolle in: ”Asunto del preventorio delas B.I. en el castillo de Castelldefels”, RGASPI, 545-2-150.86. Undatierter Bericht eines Politdelegierten des Wachper-

    sonals von Castelldefels, RGASPI, 545-2-102. Auf den Falldes chinesischen Freiwilligen (ein Angehöriger der XV. Briga-de), machte als erster Carlo Penchienati, zeitweilig Komman-deur der italienischen XII. Brigade, aufmerksam. Carlo Pen-chienati, Brigate Internazionali in Spagna. Delliti della ”ceka”communista. Milano 1950, S. 127, wo noch weitere derarti-ge Fälle geschildert werden. In dieselbe Richtung gehen dieVorwürfe, die in jüngster Zeit ein französischer Freiwilliger ineinem im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Dokumentar-film geäussert hat. ”Tatsachen und Legenden. InternationaleBrigaden”, Fernsehfilm von Ute Bönnen und Gerald Endres,1996.87. Vgl. Antoni González [et al.], Els grafits de les Brigades

    Internacionals de l’eglesia del castell de Castelldefels (1938-1939). Barcelona 1996.88. Die bisher augiebigste Analyse findet sich in: P. von zur

    Mühlen, Spanien, op.cit., S. 164-204. Vgl. auch P. Huber,“Schweizer Spanienkämpfer in den Fängen des NKWD” in:Revue Suisse d’Histoire, vol. 41 (1991), S. 335-353.89. Rapport 4.3.1937, S. 96, in: RGASPI, 545-3-11 (eben-

    falls: 517-3-25). Zur Rolle von A. Marty und der Kaderpoltikvgl. R. Skoutelsky, L’Espoir, op.cit., S. 235-244, 251-253.

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    handelt es sich bei dem von Marty erwähntenDienst um einen Vorläufer des SIM mit Able-gern in Valencia und Albacete. Einer der bei-den russischen Berater dürfte mit grosser Wahr-scheinlichkeit identisch sein mit Alexander Orlov,Chef der Auslandsabteilung des NKVD in Spa-nien.90 So geht aus einem Bericht Orlovs vonMai 1937, der sich unter den Beständen desKGB-Archivs befindet, hervor, dass er detailliertüber Verhaftungen von mutmasslichen “Agen-ten” durch den “Servicio de Control” der Bri-gaden informiert war.91 Ferner ist nun auch er-wiesen, dass Orlov in Spanien gezielt Freiwilli-ge der Internationalen Brigaden aussuchte, umsie für eine Agententätigkeit im NKVD anzuwer-ben. Einige von ihnen wurden noch in Spanienvon Orlov und dessen Stellvertreter und Nachfol-ger Kotov im Personenschutz oder als Kuriere imDienst des NKVD eingesetzt.92 Bei dem anderenrussischen Berater könnte es sich um jenen A.Wronski handeln, der im SIM der Brigaden einewichtige Rolle gespielt haben soll.93

    Wir wissen auch, dass der von Verteidigungsmi-nister I. Prieto im August 1937 gegründete SIMrasch der Kontrolle Prietos entglitt und zu ei-ner Domäne von KP-Kadern wurde, die mit demNKVD zusammenarbeiteten. Dieser spanischeSIM wurde rasch zu einem Annex des NKVD,hatte seine eigenen Geheimgefängnisse, folterteund brachte vermeintliche und tatsächliche TT-rotzkistenüm —das bekannteste Beispiel in je-nes von A. Nin.94

    Uns interessiert nun lediglich jener Zweig desSIM, der in den Brigaden aufgebaut wurde. Eswird keinen Historiker verwundern, dass im Ar-chiv der Interbrigaden in Moskau keine Dossiersmit der Aufschrift SSIM”vorhanden sind. Wertvol-le Hinweise zu SIM-Mitarbeitern in den Brigadenfinden wir in Personalplänen des Etat-Major undin dessen Korrespondenz. Hinweise geben unsauch die Memoiren von Lise London-Ricol, dieeinige Monate als Sekretärin des SIM-Chef “Mo-reno” gearbeitet hat.95

    “Moreno” —sein wirklicher Name lautete KarelHatc96— tritt in den Akten auch als ”José Mo-renoünd ”Joséäuf. Er trifft im Sommer 1937 ausMoskau kommend in Albacete ein und führt hieranfangs Juli Gespräche mit dem bisherigen Si-cherheitschef Gustav Fejn ”betreffs Aufbau eines

    Informationsdienstes in Albacete”. Laut Arbeits-bericht verspricht ihm die Kaderabteilung die not-wendigen Leute zu geben.97 Wochen später wirdMorenoßum Chef des SIM in den Brigaden er-nannt, einen Posten, den er bis zum Rückzug derBrigaden aus Spanien innehaben wird. Laut LiseRicol stammte er aus der Vojvodina, hatte dortder ungarischen Minderheit angehört und hatteFrau und Kind in Moskau; anfangs 1939 nachMoskau zurückberufen, sei er Monate später ver-haftet und erschossen worden.98

    Nachfolgend einige Namen von Mitarbeitern desSIM, wie sie aus der Korrespondenz und ande-ren Unterlagen hervorgehen:

    • Vinet, Alfredo: Spanier, Chef des SIM in Fi-gueras, dann ab November 1938 Chef desSIM in Barcelona, Nachfolger von “Moreno”.99

    • Durbecq, André Julien (1897-): Franzose, SIMin Madrid bis Oktober 1937, dann zurück nach

    90. Vgl. “Etat nominatif des membres des C.C. de P.C.présents dans les brigades internationales” 22.2.1937, RGA-SPI, 517-3-11. Rapport vom 4.3.1937, S. 96, in: RGASPI,545-3-11 (ebenfalls: 517-3-25). Die geheime Arbeit von A.Orlov (1895-1973) wird auch erwähnt von: H. von Ranke, Er-innerungen, op.cit., S. 20-22.91. Vgl. Zarew/Costello, Der Superagent, op.cit.,S.385.92. Vgl. M. Uhl, Die Internationalen Brigaden, op.cit., S. 511-516.93. Andreu Castells, Las Brigadas Internacionales de laguerra de España. Barcelona 1974, S. 255.94. P. Broué/E. Témime, La Révolution et la Guerre, op.cit.Vgl. auch Anm. 6.95. L. London, La Madeja, op.cit., S. 415-419.96. A. Castells, Las Brigadas, op.cit., S. 460. Vor Verwechs-lungen sei gewarnt. ”Moreno” war auch der Deckname desbulgarischen Kominternmitarbeiters Stojan Minew (”Stepa-nov”), der in Spanien hinter den Kulissen als Berater beim ZKder PCE fungierte. Hinter dem Pseudnym ”Pedro Moreno”schliesslich verbarg sich der Italiener Pietro Celli, der nachder Absetzung von Lantez Kommandant des Gefängnissesvon Castelldefels wurde. Vgl. Friedrich Firsov, ”Geheimtele-gramme der Komintern im Spanischen Bürgerkrieg”, in: Fo-rum für osteuropäische Ideeen- und Zeitgeschichte, 3. Jg.H 1(1999), S. 81-114, hier: 87-91; Castells, Las Brigadas,op.cit., S. 367.97. “Meine Reise nach Albacete am 4.-5. Juli”, RGASPI,545-2-145.98. Vgl. L. London, La Madeja, op.cit., S. 415-416. MorenosFrau in Moskau sei während seiner Mission in Spanien ver-haftet worden und erst 1956 freigekommen.99. Liste 16.9.1938, RGASPI, 545-2-287; 545-2-67; 545-2-142.

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    Paris, Anhänger von Doriot, 1938 aus der KPausgeschlossen.100

    • Sauger, André Fernand (1899-1949): Franzo-se, SIM in Madrid im Sommer 1937, Mitgliedder KPF, im April 1938 als Tuberkulosekrankerrapatriiert.101

    • Rodriguez, José: Spanier, angeblich Mitgliedder CNT, SIM in Madrid bis Oktober 1937.102

    • Martı́nez, José: Spanier, Mitglied der PCE.103• Lorenzzini, Urbano (“M. Lenzi”): Italiener, Mit-

    glied der PCI, Student an der Leninschule inMoskau (1931-1932), SIM in Albacete ab Ja-nuar 1938.104

    • Sánchez, Enrique: Spanier, SIM in Barcelonaim Herbst 1938.105

    • DeMayo, Anthony: US-Bürger, KP, SIM in Al-bacete, Barcelona und Figueras 1938.106

    • Frei, Rudolf (1904-1985): Schweizer, Besuchder Leninschule 1931-33, SIM in Barcelona1937-1938. 107

    • Bertolini, Giovanni (1911-): Italiener, PCI, SIMBarcelona 1938, verantwortlich für italieni-sche, französische und belgische Brigadi-sten.108

    • Kaye, Conrad (1905-): US-Bürger, KP, SIM inBarcelona 1938.109

    • Laube, Kurt (1905-): Deutscher, KPD, SIM inBarcelona 1938.110

    • Senez, Albert (1901-1968): Franzose, KPF,SIM in Albacete 1938.111

    • Vannier, Roger (1900-): Franzose, KPF, SIM inAlbacete 1938.112

    • Stern, Max (1903-): Oesterreicher, SIM in Bar-celona Januar 1938.113

    • Begovic, Vlajko (“Vladimir Stefanovic”): Jugo-slave, SIM in XV. Brigade.114

    • London, Arthur (1915-1986): Tscheche, KP,SIM in Valencia, Barcelona und Albacete1937-1938.115

    • London-Ricol, Lise (1916-): Französin, KP,SIM in Valencia, Barcelona und Albacete1937-1938.116

    • Courson, Lucien: Franzose, SIM in Castellde-fels 1938.117

    • Schubert, Hans: Deutscher, KPD, zeitweiligLeiter des Servicio de Control der XI. Brigade1937.118

    • Brandschädel, Oskar (“Ferdi”): Servicio deControl und SIM in Albacete 1937, verantwort-lich für deutsche Brigadisten.119

    • Hoffmann, Lothar (“Schumann, Willi”): Deut-scher, KPD, SIM in Albacete Februar 1937-März 1938.120

    100. “Information”, gez. “Willi M.”, 27.10.1937, RGASPI, 545-2-145. Kurzbiographie in: J. Maitron, op.cit.

    101. Ibid.102. “Information”, gez. “Willi M.”, 27.10.1937, RGASPI, 545-2-145.

    103. Ibid.104. Liste, 26.4.1938, RGASPI, 545-2-101.105. Liste, 16.9.1938, RGASPI, 545-2-287.106. Ibid.; Liste, 1.3.1938, RGASPI, 545-2-108.107. Liste, 21.3.1938, RGASPI, 545-2-301.108. Ibid.109. Ibid.110. Ibid.111. Ibid. Kurzbiographie in: J. Maitron, Dictionnaire, op.cit.;Weitere Mitarbeiter ohne Präzisierungen: Thomas Cachic,Chaim Roselbruck, Ernesto Birgyi, Paul Somogyi, GeorgesBeck.

    112. Kurzbiographie in J. Maitron, Dictionnaire, op.cit.; seineTätigkeit für den SIM wird erwähnt in: R. Skoutelsky, L’espoir,op.cit., S. 451.

    113. “Delegation Barcelona”, 22.1.1938, RGASPI, 545-2-301.

    114. Kaderliste, RGASPI, 545-3-453, zitiert von: Herbert Ro-merstein, Heroic Victims. Stalin’s Foreign Legion in the Spa-nish Civil War. Washington 1994, S. 46.

    115. Autobiographie, 7.6.1938, RGASPI, 495-272-3157-5.116. Für beide London haben wir in den Moskauer Archivenkeine Bestätigung für deren SIM-Arbeit gefunden; A. Londonhat auch für den spanischen SIM gearbeitet. Zu deren SIM-Arbeit vgl.: L. London, La Madeja, op.cit., S. 415-431; KarelBartosek, Les aveux des archives. Paris, Seuil, 1996; H. vonRanke, Erinnerungen, op.cit., S. 40-41.

    117. Undatierte Personalliste der Base, SAPMO-BArch,SgY11/V.237/4/29. Vgl. auch Fussn. 80.

    118. Liste 1.2.1937, SAPMO-BArch, SgY11/V237/4/79;”Charakteristik” Schubert (29.2.1940), ibid., RY1/I2/3/90, S.55; Erinnerungsbericht von Schubert, Sächs. StaatsarchivLeipzig, SED, V/5/256.

    119. “Charakteristik” Brandschädel (3.2.1940), SAPMO-BArch, RY1/I2/3/86, S. 78.; Siehe auch BranschädelsErinnerungsbericht, SgY11/V.237/206.

    120. Ibid.; “Charakteristik” (29.2.1940) Hoffmann,

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    • Baier, Adolf (1907-1982): Deutscher, KPD,SIM in Albacete und Barcelona November1937-Juli 1938.121

    • Schuldt, Hermann (“Schwarz, Willi”) (1896-1980): Deutscher, KPD, Chef des SIM der XI.Brigade bis August 1938.122

    • Winkelmann, Hans Hugo: Deutscher, KPD(1907-), SIM November 1937, ab Mai 1938SIM-Mitarbeiter im Stab der XI. Brigade, an-schließend bis zum zweiten Einsatz Anfang1939 Leiter des SIM der XI. Brigade.123

    • Schwarze, Werner (“Schwitzer”) (1907-?):Deutscher, KPD, als Spitzel in einem interna-tionalen Bataillon einer POUM-Division April-Mai1937,anschließend Verhörleiter im Dienstder “Sección Orden Público”/DEDIDE in Bar-celona.124

    • Weissmann, Paul, Deutscher, SIM 1937-1938.:125

    • Dietrichkeit, Wilhelm, Deutscher, Chauffeurbeim SIM Albacete 1937-1938.126

    • Schwetz, Karl, (“Roman Lenzki”): Deutscher,KPD, SIM beim Sanitätsdienst in Murcia.127

    Es versteht sich von selbst, dass sich der Auf-gabenbereich eines Mitarbeiters der Kaderab-teilung mit jenem eines Mitarbeiters des SIMüberlagerten. Dies war auch —um eine Par-allele heranzuziehen— im Kominternapparat inMoskau der Fall, wo die Grenzen zwischen derdortigen Kaderabteilung und dem NKVD flies-send waren.128 Im Apparat der Brigaden-d.h. aufdem Papier, in den Personalplänen —wurde inder Regel zwischen Verantwortlichen der Ka-derarbeit und jenen des SIM unterschieden, soetwa in einem Personalplan der Base von Al-bacete vom März 1938, der neun Verantwort-liche für den SIM und 24 für die Kaderabtei-lung auflistet.129 In der Delegation (Aussenstel-le) der Brigaden in Barcelona, geleitet vorerstvom Franzosen Charles Pouilles (1937), dannvom Spanier Jesús Prados und schliesslich vomSchweizer Otto Brunner (1938), waren die SIM-Verantwortlichen zugleich auch für die Kaderar-beit ihrer Ländergruppe zuständig. Der Anstosszu dieser Verschmelzung von Brigaden-SIM undBrigaden-Kaderarbeit kam aus Albacete und war

    mit dem spanischen SIM abgesprochen. Die-se Doppelfunktion führte zu einer chronischenÜberlastung der sechs SIM- und Kaderverant-

    RY1/I2/3/90, S. 63. In der Charakteristik werden Hoff-manns Verdientste bei der Entlarvung von ”verdächtigenPersonen” in Albacete hervorgehoben.

    121. Undatierte Personalliste der Base, SAPMO-BArch,Sgy11/V237/4/29; ”Charakteristik” Baier (1.2.1940), RY1/I2/3/86, S. 21; Lebenslauf vom 25.10.1953, ibid., DY30/IV2/11/v.4665. Sowohl Baier als auch Hoffmann gabenspäter offenbar zu, dass Freiwillige vom SIM exekutiert wur-den. Vgl. die Erinnerungen des ehemaligen Politkommissarsdes ”Hans-Beimler”-Bataillons, Heinz Priess, Spaniens Him-mel und keine Sterne. Ein deutsches Geschichtsbuch. Erin-nerungen an ein Leben und ein Jahrhundert. Berlin 1996, S.312-.

    122. Personalliste, 20.2.1938, SAPMO-BArch, SgY11/V237/4/81;”Charakteristik”(29.2.1940) Schuldt, SAPMO-BARch,RY1/I2/3/90, S. 59. Zu Unrecht wurde lange Zeit DDR-Stasichef Erich Mielke, der von 1936-1939 unter dem Deck-name ”Fritz Leissner” den Internationalen Brigaden angehörthatte, verdächtigt, beim SIM seine Hände mit im Spiel ge-habt zu haben. Wie die Akten beweisen, war Mielkes Rolle inSpanien jedoch völlig harmloser Art. Vgl. M. Uhl, Die Inter-nationalen Brigaden, op.cit., S. 492-. Jetzt auch umfassendWillfriede Otto, Erich Mielke-Biographie. Aufstieg und Fall ei-nes Tschekisten. Berlin 2000, S. 62-80.

    123. Liste, 24.11.1937, RGASPII 545-2-105; ”Charakteristik”Winkelmann, SAPMO-BArch, RY1/I2/3/91, S. 60. Vgl. auchden Erinnerungsbericht des SIM-Mannes Stefan Walke,SgY11/V237/13/209.

    124. Personalliste, SAPMO-BArch, SgY11/V.237/4/29; ”Cha-rakteristik” (29.2.1940), ibid., RY1/I2/3/90, S. 7; Schwarzewurde