Die mächtigen lassen sich wohltäter nennen

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„Die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen“ Der Nächstenliebe auf den Grund gehen Ich möchte nicht eingelullt vor mich hin leben. Ich möchte mich einsetzen, mein Leben schmecken und Spuren hinterlassen. Ich möchte aufstehen und meinen Weg gehen. Ich möchte aufschreien, wenn ich etwas für falsch und ungerecht halte. Ich möchte die Welt besser zurücklassen. Ich möchte andere Menschen berühren und mich berühren lassen. Ich möchte echtes Leben. Du kennst dieses Gefühl, oder? Du hättest es einfach betäuben können. Du hast dich jedoch dazu entschlossen: Aufzustehen und auf Menschen zuzugehen. Du siehst dem Leben in die Augen und merkst, wie echt es ist - wunderbare Erlebnisse. So toll diese Erlebnisse auch sein mögen, sie fordern uns heraus und konfrontieren uns mit anderen und mit uns selbst: Warum sind die so undankbar? Helfe ich nicht nur, um mich gut zu fühlen? Macht das, was ich tue, wirklich Sinn? Kann ich was verändern? Der folgende Text möchte diesen Fragen auf den Grund gehen. Ich teile dabei meine Erfahrungen, die ich bei der Organisation von Projekten im In- und Ausland gesammelt habe. Recht praktische Tipps steuert Jesus bei. Du wirst circa 13 Minuten brauchen, um den Text zu lesen. Warnung vor dem Treten in den (arroganten) Hundekot Wir sitzen bei einem gemütlichen Kaffee in der Wohnung einer Freundin und planen die nächsten Schritte für unser Theaterprojekt. Ich lasse meiner Begeisterung freien Lauf: „Wir können den jungen Flüchtlingen durch dieses Projekt helfen ganz neue Zugänge zu unserer Gesellschaft zu bekommen und ihnen geniale Erfahrungen ermöglichen.“ Eine gute Freundin von mir teilt diesen Enthusiasmus, ergänzt jedoch: „Wir dürfen uns nicht als Menschen sehn, die anderen helfen. Ich sehe mich mit den Flüchtlingen auf gleicher Höhe.“ Das brachte mich zum Nachdenken. Ähnliche Einwürfe hörte ich immer wieder bei Planungstreffen für Sozialprojekte. Wir waren besorgt, nicht der Arroganz auf den Leim zu gehen. Wir wollten nicht die Bessermenschen sein, uns besser als andere fühlen, weil wir uns engagieren. Denn es ist klar: Menschen die sich „als etwas Besseres“ fühlen, weil sie sich mit stolzer Brust für „die Armen“ engagieren, sind einfach unsympathisch.

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„Die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen“

Der Nächstenliebe auf den Grund gehen

Ich möchte nicht eingelullt vor mich hin leben. Ich möchte mich einsetzen, mein Leben schmecken und Spuren hinterlassen. Ich möchte aufstehen und meinen Weg gehen. Ich möchte aufschreien, wenn ich etwas für falsch und ungerecht halte. Ich möchte die Welt besser zurücklassen. Ich möchte andere Menschen berühren und mich berühren lassen. Ich möchte echtes Leben.

Du kennst dieses Gefühl, oder? Du hättest es einfach betäuben können. Du hast dich jedoch dazu entschlossen: Aufzustehen und auf Menschen zuzugehen. Du siehst dem Leben in die Augen und merkst, wie echt es ist - wunderbare Erlebnisse.

So toll diese Erlebnisse auch sein mögen, sie fordern uns heraus und konfrontieren uns mit anderen und mit uns selbst:

Warum sind die so undankbar? Helfe ich nicht nur, um mich gut zu fühlen? Macht das, was ich tue, wirklich Sinn? Kann ich was verändern?

Der folgende Text möchte diesen Fragen auf den Grund gehen. Ich teile dabei meine Erfahrungen, die ich bei der Organisation von Projekten im In- und Ausland gesammelt habe. Recht praktische Tipps steuert Jesus bei. Du wirst circa 13 Minuten brauchen, um den Text zu lesen.

Warnung vor dem Treten in den (arroganten) Hundekot

Wir sitzen bei einem gemütlichen Kaffee in der Wohnung einer Freundin und planen die nächsten Schritte für unser Theaterprojekt. Ich lasse meiner Begeisterung freien Lauf: „Wir können den jungen Flüchtlingen durch dieses Projekt helfen ganz neue Zugänge zu unserer Gesellschaft zu bekommen und ihnen geniale Erfahrungen ermöglichen.“ Eine gute Freundin von mir teilt diesen Enthusiasmus, ergänzt jedoch: „Wir dürfen uns nicht als Menschen sehn, die anderen helfen. Ich sehe mich mit den Flüchtlingen auf gleicher Höhe.“ Das brachte mich zum Nachdenken.

Ähnliche Einwürfe hörte ich immer wieder bei Planungstreffen für Sozialprojekte. Wir waren besorgt, nicht der Arroganz auf den Leim zu gehen. Wir wollten nicht die Bessermenschen sein, uns besser als andere fühlen, weil wir uns engagieren. Denn es ist klar: Menschen die sich „als etwas Besseres“ fühlen, weil sie sich mit stolzer Brust für „die Armen“ engagieren, sind einfach unsympathisch.

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Als unsympathisch empfand das auch Jesus, als er durch Judäa zog. Deshalb warnte er die Menschen davor, in diese Falle zu tappen. Jesus warnte sie, nicht vor sich her zu posaunen, wie viel sie spenden. Und er ermunterte sie, sich zu versichern, dass es ihnen, wenn sie fasten und beten, im Inneren nicht darum geht, dabei gesehen zu werden und das eigene Image aufzupolieren. „Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.“ Zu wirklich liebevolleren Menschen mit mehr inneren Frieden würde sie das nämlich nicht machen. (Mat. 6.1ff)

Die Sorge, gut vor anderen dazustehen und das heimliche und tückische Bedürfnis, sich über diejenigen zu stellen, denen man hilft, macht unfrei. Es bringt Zahnräder in unserem Kopf zu laufen, die vergleichen, bewerten und schließlich richten. Das Jesus auch davon nicht sehr viel hält, ist kein Geheimnis. Er ist ein vehementer Gegner dieses Vergleichens, Bewertens und Richtens. (Mat. 7.1-6 „Wider den Richtgeist“) So nehmen wir uns selbst die wahre Freude am Erlebnis etwas für andere zu tun.

Wer sich „als etwas Besseres“ fühlt, sperrt sich in eine „bessere Box“. Echtes Leben spielt sich auf keinem Fall in Schachteln ab, sondern unter freiem Himmel. (Mat. 6.19-34) Es bedeutet sein Leben in die Hand zu nehmen, frei und offen auf andere zuzugehen, um aufrichtig einander zu helfen und wertzuschätzen. Meinte Jesus diese innere Freiheit, (man kann auch Unschuld sagen) als er seine Jünger fragte:

Matthäus Kapitel 18 1 […] Wer ist im Himmelreich der Größte? 2 Da rief er ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte 3 und sagte: Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. 4 Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte. 5 Und wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf. Ich kann doch nichts dafür

Jetzt hat uns unser Gewissen und die Worte Jesu eindrücklich vor den unsympathischen arroganten Häufchen gewarnt, die auf uns immer wieder am Gehsteig lauern. Ist es überhaupt möglich dem gerecht zu werden?

Ist es überhaupt möglich so frei zu sein? Haben wir nicht immer Hintergedanken? Engagiere ich mich nicht einfach nur deshalb, weil ich mich dadurch gut fühle? Bin ich überhaupt fähig selbstlos zu handeln? Wenn, ja. Wie kann ich das schaffen?

Mhm. Ich glaube diese Frage hätte sich einen prominenten Platz im Guinessbuch der schwierigen Fragen verdient. Zum Verzweifeln. Auf meiner Suche nach einer lebensnahen Antwort bin ich auf ein geflügeltes Wort gestoßen, dem Jesus seine Flügel verlieh: „Du erntest was du säst.“

Es ist nicht unsere Schuld, wenn wir Freude empfinden und glücklich sind, wenn wir etwas für andere tun. Wir können nichts dafür. Alles was ich aufgrund meines Einsatzes an interkultureller Kompetenz, Managementfähigkeiten, guten Erfahrungen und glückskeksartigen Erinnerungen gewinne, ist nicht egoistisch. Es sind die Früchte, die wir vom Baum des Lebens ernten. Wir sollten sie wertschätzen.

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„Wertschätzen“, darin sehe ich die einfache praktische Antwort auf unsere schwierige Frage. Wir sind echt und nicht lediglich auf einem Trip emotionaler Selbstbefriedigung, wenn es uns in erster Linie darum geht, andere „zu heben“, anstatt uns selbst hervorzutun. Es kann uns gelingen, aus einer tiefen Wertschätzung heraus zu handeln. Aus „helfen“ wird so „lieben“ und unser Gegenüber ein Partner auf einer spannenden Reise.

Jesus im Einsatz

Auch die Jünger Jesu gingen diesen Weg. Die Bibel berichtet uns in ausdrucksstarken Versen, wie der Zimmermann aus Nazareth auf diesen entscheidenden Punkt hinwies.

Lukas Kapitel 22 24 Es entstand unter ihnen ein Streit darüber, wer von ihnen wohl der Größte sei. 25 Da sagte Jesus: Die Könige herrschen über ihre Völker und die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen. 26 Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste und der Führende soll werden wie der Dienende. 27 Welcher von beiden ist größer: wer bei Tisch sitzt oder wer bedient? Natürlich der, der bei Tisch sitzt. Ich aber bin unter euch wie der, der bedient.

Petrus und Co. blieben wie wir vom neidvollen und beklemmenden Vergleichen nicht verschont. Jesus lehrte sie durch sein Leben, dass man echte Größe nicht zur Schau trägt („die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen“), sondern in jedem, noch so unbedeutend erscheinenden, Moment verkörpert.

Matthäus Kapitel 20 25 Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. 26 Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, 27 und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. 28 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.

In seinen letzten Stunden seines Lebens, als sich Jesus schweren Herzens von den Jüngern verabschiedete, kniete er sich vor ihnen in den Staub, um ihnen die Füße zu waschen.

Johannes Kapitel 13 12 Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? 13 Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. 14 Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. 15 Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.

Und gibt seinen Jüngern ein „neues Gebot“:

Johannes Kapitel 13 34 Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. 35 Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.

Die kleinen Schritte

Jesus hat uns viele gute Ratschläge für ein Leben für und mit unseren Mitmenschen gegeben. Und wenn man darüber nachdenkt, machen sie tatsächlich Sinn. Er ermuntert uns jeden Tag „einander die Füße zu waschen“ um das echte Leben zu schmecken. Er erinnert uns, dass wir, auch wenn wir „Gutes tun“, aufpassen sollen nicht in oberflächliches Angeben zu verfallen.

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Schnell beginnen Zahnräder in unserem Kopf zu laufen, die vergleichen, bewerten und schließlich richten. Und wenn wir andere richten, geht es uns nur mehr darum, uns „besser“ als sie zu fühlen, sie nach unten zu drücken. Wer sich „als etwas Besseres“ fühlt, sperrt sich in eine „bessere Box“. Echtes Leben spielt sich auf keinem Fall in Schachteln ab, sondern unter freiem Himmel. Es bedeutet, vom Charakter und Potential anderer begeistert zu sein, sie in die Sonne zu heben.

Wenn wir im Alltag anpacken und immer wieder versuchen, die Menschen durch die Augen zu sehen, mit denen Jesus in die Augen von Petrus sah, als er ihm die Füße wusch, dann können wir uns auf ein Leben, das fetzt, gefasst machen.

1. Korinther Kapitel 13 1 Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts. 3 Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts. 4 Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. 5 Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. 6 Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. 7 Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. 8 Die Liebe hört niemals auf. Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht. 9 Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; 10 wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk. 11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war. 12 Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin. 13 Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.

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Ein Text von Bogdan Pammer. Die zitierten Bibelstellen stammen aus der Einheitsübersetzung. Fotos: Gudmund Pammer