Die magischen Kanäle, ihre Magie und ihr Magier. Mcluhan...

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Die magischen Kanäle, ihre Magie und ihr Magier. Mcluhan zwischen lnnis und Teilhard de Chardin HARTMUT WINKLER 1. Intro, Mcluhan Ich werde im Folgenden, um dies gleich zu sagen, keine eigentliche Re-Lektü- re und keine Neudeutung McLuhans leisten. McLuhan interessiert mich viel mehr vor allem als eine Weichenstellung, aus der Perspektive von Richtungs- entscheidungen, die den Diskurs um die Medien bis in die Gegenwart hinein bestimmen. Mein Text wird mit McLuhan beginnen, eigentlich aber läuft die Bewegung umgekehrt, aus der Gegenwart zu McLuhan zurück. Ich möchte ansetzen bei einer Auffälligkeit, die vielen, die McLuhan etwas ausführlicher gelesen haben, ins Auge gefallen ist und die in der Rezeptions- geschichte immer wieder mit Verwunderung kommentiert wurde: Während Understanding Media (1964) entspannt, locker, ironisch, diesseitig-medien- freundlich auftritt und auf moralische Erwägungen weitgehend verzichtet, hatte McLuhans erstes Buch zu den Medien, The Mechanical Bride (1951), noch explizit wertend, moralisch und medienkritisch argumentiert. Mit seinem zwei- ten Buch wurde McLuhan berühmter, als er es mit der Mechanical Bride jemals hätte werden können. Und das sicher zu Recht; die neue, medienfreundliche Haltung war sicherlich eine Errungenschaft, und der Verzicht auf Moral hat eine neutrale Deskription vielleicht erst ermöglicht. Was aber war zwischen beiden Büchern geschehen? Wie kam es zu die- sem Umbruch, diesem einschneidenden Wechsel der Haltung, die McLuhan zu seinem Gegenstand hat? Marehand beschreibt in seiner Biografie, dass der Wechsel1953 geschieht (Marchand 1989: 136ff.); also deutlich vor der Studie, die McLuhan 1959 für die National Association of Educational Broadcasters (NAEB) macht, und deren Ergebnisse die Basis von Understanding Media bilden. 1 Und Marchands Erklärung wäre biografisch: McLuhan war den Büchern von Innis 1 .. »That article [>Culture Without Literacy<, Dec. 1953] [ ... ] did mark a turning

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Die magischen Kanäle,

ihre Magie und ihr Magier.

Mcluhan zwischen

lnnis und Teilhard de Chardin

HARTMUT WINKLER

1. Intro, Mcluhan

Ich werde im Folgenden, um dies gleich zu sagen, keine eigentliche Re-Lektü­re und keine Neudeutung McLuhans leisten. McLuhan interessiert mich viel mehr vor allem als eine Weichenstellung, aus der Perspektive von Richtungs­entscheidungen, die den Diskurs um die Medien bis in die Gegenwart hinein bestimmen. Mein Text wird mit McLuhan beginnen, eigentlich aber läuft die Bewegung umgekehrt, aus der Gegenwart zu McLuhan zurück.

Ich möchte ansetzen bei einer Auffälligkeit, die vielen, die McLuhan etwas ausführlicher gelesen haben, ins Auge gefallen ist und die in der Rezeptions­geschichte immer wieder mit Verwunderung kommentiert wurde: Während Understanding Media (1964) entspannt, locker, ironisch, diesseitig-medien­freundlich auftritt und auf moralische Erwägungen weitgehend verzichtet, hatte McLuhans erstes Buch zu den Medien, The Mechanical Bride (1951), noch explizit wertend, moralisch und medienkritisch argumentiert. Mit seinem zwei­ten Buch wurde McLuhan berühmter, als er es mit der Mechanical Bride jemals hätte werden können. Und das sicher zu Recht; die neue, medienfreundliche Haltung war sicherlich eine Errungenschaft, und der Verzicht auf Moral hat eine neutrale Deskription vielleicht erst ermöglicht.

Was aber war zwischen beiden Büchern geschehen? Wie kam es zu die­sem Umbruch, diesem einschneidenden Wechsel der Haltung, die McLuhan zu seinem Gegenstand hat? Marehand beschreibt in seiner Biografie, dass der Wechsel1953 geschieht (Marchand 1989: 136ff.); also deutlich vor der Studie, die McLuhan 1959 für die National Association of Educational Broadcasters (NAEB) macht, und deren Ergebnisse die Basis von Understanding Media bilden.1 Und Marchands Erklärung wäre biografisch: McLuhan war den Büchern von Innis

1 .. »That article [>Culture Without Literacy<, Dec. 1953] [ ... ] did mark a turning

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In: de Kerckhove, Derrick; Leeker, Martina; Schmidt, Kerstin (Hg.): McLuhan neu lesen. Kritische Analysen zu Medien und Kultur im 21. Jahrhundert. Bielefeld: Transkript 2008, S. 158-169.
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begegnet, der auf dem diesseitigen Weg der Nationalökonomie zu den Medien gekommen war; McLuhan war fasziniert und hat die Ebene der Technik sowie lnnis' eher strukturellen Zugriff auf die Medien für sich übernommen (ebd.: mff.). Es ist Innis. so könnte man sagen, der bis heute für den materialistischen Pol in McLuhans Denk-Universum steht. Daneben sieht Marehand solide und fast ebenso materielle Karriere-Gründe. McLuhan erkennt die Chance, die die Medien- vielleicht eher als sein ursprüngliches Fach, die Literatur- bieten, die Chance von der Literaturkritik zu einer allgemeineren Gesellschafts- und Kul­turanalyse überzugehen, und zweitens der akademischen Marginalisierung, von der McLuhan sich lebensgeschichtlich bedroht sah, zu entkommen (ebd.: no).

Gleichzeitig weiß man - und auch dies ist innerhalb der Rezeptionsge­schichte fast schon Klischee- dass McLuhan Kathole war. Er war dies engagiert und tief überzeugt; konvertiert im Jahre 1937 und von da an sein ganzes Leben lang (ebd.: 44ff., 155). Marehand berichtet, dass er seine Kinder zum täglichen Rosenkranz verpflichtete, was denen durchaus auf die Nerven ging. Kollegen und Gäste zeigten sich durch das Tischgebet in ähnlicher Weise befremdet. Was seine private Haltung angeht, war McLuhan ein Wertkonservativer; homo­phob (ebd.: 39f., 66, 109), ein Anhänger traditioneller Geschlechterrollen und ein >Held der Familie< (ebd.: 62f., 65f., 78). Und politisch war er konservativ­bis hin zu Einzeläußerungen, die, wie Marehand zeigt, den Faschisten durch­aus Verdienste zubilligen. • Das Allgemeinverständnis sieht in McLuhan den Modernisten. Sein Image als Neuerer, als Liebling der Medien, als Popstar und Dandy, der er eben auch war, steht zu den biografischen Fakten in einer deutlichen Spannung. Und wenn wir heute sagen würden, dass mit McLuhan die Geschichte der >modernen< Medientheorie beginnt, dann hat es sich ein­gebürgert die Mechanical Bride und den Katholizismus als eher randständige Kuriositäten zu verbuchen.

point, in which McLuhan positively exulted in the Lack of moral >tone< now manifest in his work« (Marchand 1989: 121).

2. »In one of his 1934 articles, entitled >Tomorrow and Tomorrow?< McLuhan charcterized the modern world as hopelessly sunk in corruption [ ... ]. The contem­porary political movement he mentioned with some guarded approval was fascism; aware of their numerous errors, he nonetheless approved of the Fascists' diagnosis of the ills of the modern world. The Fascists, in urging a return to heroic enterprises, in rejecting the dull, >emasculating< utopias of socialism as well as the rapacious ap­petites of capitalism, seemed to him tobe on the right track« (ebd.: 27). Marehand bezieht sich auf einen Artikel, den McLuhan, etwa 21-jährig, für den >Manitoban< (Studentenzeitung der University of Manitoba) schrieb; aus dem Jahr 1951 berichtet Marchand: »lnnis [ ... ] had, in some measure, also been influenced by McLuhan, de­spite his initial abhorrence of McLuhan's conservatism. (Innis was a classicalliberal who could hardly abide McLuhan's support of such figures as General Franco.)« (ebd.: 114; vgl. 144f.). Antisemitische Tendenzen allerdings teilte McLuhan nicht (ebd.: 74).

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2. Teilhard

Mein Eindruck ist, dass sie vielleicht kurios, keineswegs aber randständig sind. Es ist richtig, dass sich Understanding Media, was seine Oberfläche angeht, strikt ans Diesseits hält und von den metaphysischen Leidenschaften McLu­hans wenig zeigt. Im Werk selbst aber ist der katholische Pol durchaus reprä­sentiert; und zwar am deutlichsten im Bezug aufTeilhard de Chardin. Teilhard, ein französischer Jesuitenpater und innerhalb des Kirchenapparates ein Paria, hatte 1940 eine christlich-teleologische Apotheose entworfen (Teilhard de Char­din 1994). Er beobachtet, dass sich rund um den Globus eine immer dichtere Vernetzung herausbildet: Auf der materiellen Ebene in der Zunahme des Ver­kehrs und einer immer umfassenden Technisierung; vor allem aber, und hier­aufkommt es Teilhard wesentlich an, auf geistig/geistlicher Ebene. Das Stich­wort, das er hierfür prägt, ist das der »Noosphäre« (ebd.: 163ff., 181ff., 193ff., 243ff.); der Globus wird von einem zunehmend dichten Netz von Bezugnahmen umschlossen; dies ist die Grundlage dafür, dass sein Buch in eine finale und universelle Vereinigung - eine Schlussapotheose, den Punkt Omega- mündet (ebd.: 249ff., 264ff., 194).

McLuhan bezieht sich aufTeilhardeher distanziert und ironisch.J Gleichzei­tig aber hinterlässt die »Noos}iläre« in Understanding Media deutliche Spuren; denn ohne Zweifel ist auch das »Global Village« eine Unifizierungsfantasie; die Fantasie einer Nähe, die die Geografie überwindet. Und, bis in die gewählte Me­tapher hinein, das Versprechen einer Wiederherstellung. Bei McLuhan ist die Last ganz auf die >electronic media< übergegangen. Er feiert sie als die Kraft einer Vereinigung, die er- dies ist wichtig- explizit gegen die Spaltungen und die Zer­fallenheit der Moderne setzt;4 gegen die Arbeitsteilung und das Fachidiotentum, das er ganz besonders hasste, gegen die Geografie, aber eben auch gegen die zer­gliedernde Kraft von Analyse und Ratio, die er an das Medium der Schrift und den Aufschub zwischen Schreiben und Lesen bindet. Im Motiv dieser Vereini-

3. »Leute mit literarischen und künstlerischen Neigungen finden das verbissene Ungestüm Teilhards ebenso befremdend wie seine unkritische Begeisterung für die kosmische Membran, die sich durch die elektrische Erweiterung unserer verschiedenen Sinne rund um den Globus gelegt hat. Diese Hinausstellung unserer Sinne schuf das, was Teilhard de Chardin die >Noosphäre< nennt: ein technisches Gehirn für die Welt. Statt sich auf eine riesige alexandrinische Bibliothek hinzubewegen, ist die Welt ein Computer geworden, ein elektronisches Gehirn, wie wir das in einem kindischen Zu­kunftsroman lesen können« (Mcluhan 1968b: 48; zu Teilhard de Chardin und Mcluhan, vgl. auch Winkler 1997: 64ff.).

4. »Nach dreitausendjähriger, durch Techniken des Zerlegens [!] und der Mecha­nisierung bedingter Explosion erlebt die westliche Welt eine Implosion« (erster Satz in: Mcluhan 1968a: 9). »In einer Kultur wie der unseren, die es schon lange gewohnt ist, alle Dinge, um sie unter Kontrolle zu bekommen, aufzusplittern [!] und zu teilen« (ebd., S. 13). In der Gutenberg-Galaxis zitiert Mcluhan Shakespeare: >»Tis all in pieces, all coherence gone«< (Mcluhan 1968b: 21).

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gung schließt McLuhan an Teilhard unmittelbar an.l Der Unterschied liegt im Ton und in der Art und Weise der Argumentation. Was bei Teilhard unabweisbar eine Version des P.fingstwunders ist, findet sich bei McLuhan - fast könnte man sagen: hygienisch-säkularisiert. Womit sich die Frage auftut, ob Pfingstwunder dafür geeignet sind, sich erfolgversprechend und glaubhaft säkularisieren zu las­sen.

3. Metaphysik der Kommunikation

Dass die mediale >Kommunikation< übertriebene Hoffnungen auf sich zieht und der Kommunikationsbegriff, wie viele Medientheorien ihn fassen, durch­aus metaphysische Züge trägt, wurde von Briankle Chang glänzend analysiert (Chang 1996). Dies wird gerade auch mit Blick auf die deutsche Theorieland­schaft deutlich: Dieselben Gegenwartstheorien, die an McLuhans aufgeklärt­amoralischen Gestus anschließen, die Habermas' kontrafaktisches Beharren auf dem Konsens höhnisch zurückweisen würden und unter den Techniktheo­rien die >posthumanistischen< favorisieren, entwerfen Theorielandschaften, in denen nun >das Medium< in den hellleuchtenden Mittelpunkt der Aufmerk­samkeit tritt. Wenn von einem >medialen Apriori< die Rede ist, von dem alles abhängt, was als gesellschaftliche Realität vorzufinden ist, so wird, auch wenn es sich hierbei um ein >historisches Apriori< handelt, der Stier bei seinen meta­physischen Hörnern gepackt. 6 Medientheorie hat den archimedischen Punkt gefunden, von dem aus zumindest >das Wissen< re- und dekonstruiert werden kann (vgl. Ebeling in EngellfSiegertfVogl 2006: 18ff.); und dies gerade dann, wenn die Argumentation, was die Oberfläche angeht, ganz und vollständig im Materiellen verbleibt. In seinem umfassenden Anspruch muss das Apriori an die Teilhard'sche »Noosphäre« erinnern. Solan~ allerdings nicht geklärt ist, wie die Medien sich zu anderen gesellschaftlichen Systemen verhalten, zur au­ßermedialen Technik, zur Ökonomie und zu außermedialen Praxen, solange halte ich dies für eine Überschätzung. Innis hatte - auf dem materialistischen Pol - exakt solche Relationen zu klären versucht.

5. Die entsprechenden Stellen sind bekannt: »Heute [dagegen] erfolgen Aktion und Reaktion fast gleichzeitig. Wir leben jetzt gewissermaßen mythisch .. und ganzheit­lich [ ... ] Im elektrischen Zeitalter, das [ ... ] uns mit der ganzen Menschheit verflicht und die ganze Menschheit in uns vereinigt«. »Hat man dann nicht fast den Eindruck, daß [ ... ] [die] Übertragung unseres ganzen Lebens in die geistige Form der Informa­tion den ganzen Erdball und die Familie der Menschheit zu einem einzigen Bewußtsein macht?« (Mcluhan 1968a: 10, 72).

6. Der Begriff des technischen Apriori hat, wie Ebeling gezeigt hat, nur aufgrund vielfältiger Verschiebungen seine scheinbare Evidenz erlangt; sein epistemologischer Status ist auch 20 Jahre nach Entstehen immer noch nachhaltig ungeklärt (Ebeling 2006; vgl. Winthrop-Young 2005: 76ff.).

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4. Zwischensumme Mcluhan

Was aber hat McLuhan mit seiner Rezeptionsgeschichte zu tun? Kann man ihn dafür verantwortlich machen, dass Gegenwartsautoren eigentümliche Wege in der Analyse der Medien wählen? Sicherlich nicht. Meine These ist vielmehr ana­lytischer Art. Ich denke, dass McLuhan exakt den Ort bezeichnet, wo all das, was einem etwas vordergründig gefassten Medienmaterialismus nicht stand­hält, abgespalten wird. Wenn es bei McLuhan eine Trennung gibt in einen kühl­aufgeklärten Theoriegestus, der die Oberfläche der Texte bestimmt, und eine private Religiosität, die privat gerade darin ist, dass sie zumindest in direkter Form nicht mehr repräsentiert wird, so sind beide Pole in der Folge völlig ausei­nander getreten. Bei McLuhan, so könnte man sagen, ist der metaphysische Ge­halt unter die Barre, die Schwelle der Aufmerksamkeit und die kühl-aufgeklärte Oberfläche geraten. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Oberfläche als eine Deckstruktur fungiert, unterhalb derer die Metaphysik möglicherweise um­so ungeregelter in Tätigkeit ist.

5. Beispiel: Hagen

Wie nun geht Medientheorie mit dem metaphysischjirrationalistischen Erbe um? Als ein Beispiel - aus der deutschen Theorie und relativ willkürlich ge­wählt - möchte ich Wolfgang Hagen herausgreifen, der die der Ratio abge­wandte Seite der technischen Medien in verschiedenen Artikeln zu seinem Gegenstand macht (Hagen 1999a; 1999b; 2001). Im Mittelpunkt bei Hagen steht der Spiritismus. Der Begriff des >Mediums< hat im Spiritismus eine star­ke Wurzel (Hagen 2001: 99; vgl. Hoffmann 2002: w8ff.). Darüber hinaus kann Hagen zeigen, dass es Verbindungen auch in der Sache gibt; spiritisti­sche Seancen waren, selbstverständlich, immer mit Übertragungen befasst. Um Kontakt mit den Toten aufzunehmen, braucht es eine spezifische und sehr leistungsfähige Variante von Telekommunikation; eine Kommunikation, die sogar die Grenze des Todes und der Endlichkeit überschreitet.

Telepathie und Telekinese teilen Logik und Vorsilbe mit der Telegrafie, Au­ra- und Geisterfotografie bedienen sich unmittelbar medialer Techniken der Ve­rifikation (Hagen 1999a: 348). In alldiesem weist Hagen Motive des Diskurses um die Elektrizität und Überlappungen zur Reflexion auf die technischen Me­dien nach. Bis hierhin ist dies Konsens, durchaus auch im internationalen Maß­stab, wenn man z.B. Sconce als Zeugen hinzuziehen will (Sconce 2000). Sehr spezifisch allerdings erscheint mir, wie die Geschichte jeweils zu Ende erzählt wird. Für Hagen nämlich ist völlig klar, dass es sich beim Spiritismus jeweils um unverstandene Elektrizität handelt? Der >irrationale< Diskurs entsteht da, wo

1. »Der sogenannte Okkultismus des neunzehnten Jahrhunderts [ ... ] wurzelt in [seiner] diskursiven Genealogie ganz wesentlich in einer tief unaufgeklärten Frage, die über ein Jahrhundert lang unbeantwortet blieb. Nämlich in der für das späte achtzehn­te und fast das ganze neunzehnte Jahrhundert über unlösbaren und ungelösten Frage

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rationale - und das heißt: naturwissenschaftlich fundierte - Erklärungen noch nicht zur Verfügung stehen. 8 Quasi automatisch und immer handelt es sich um Vorgeschichte. Dies hat zur Folge, dass auf dem Hintergrund dieser Vorgeschich­te die Rationalität speziell der Technik sich um so strahlender abheben muss.

An diesem Punkt wird die Darstellung, ihrem objektivistischen Gestus zum Trotz, affirmativ. Sie kommt der Gegenwart und der Technik zu gute; und sehr viel weitergehend: ihrem möglicherweise zentralen Ideologem; dem etablierten Vertrauen, dass Technik und Ratio (als Bündel von Logik und Materie - ich karikiere) immer schon in eins fallen. Schockiert durch die >Irrationalität< des Spiritismus sucht die Kulturwissenschaft Schutz bei Technik und Naturwissen­schaften. Eine alternative, zumindest mögliche Hypothese wäre, das metaphy­sische Erbe könnte in die Technik auch eingegangen sein; wie in der ökologisch brutalen Chlorchemie die Allmachtbedürfnisse der Alchimisten ihre Fortset­zung finden, und in der Gentechnik die Männerphantasien der Menschenma­cherei. Diese Fragerichtung muss der skizzierte Erklärungsweg zielgerichtet verfehlen. Was verunmöglicht wird, ist eine Kritik der Technik selbst, und die Option, die machtvoll-machtgesättigte Allianz von Naturwissenschaften und Technik zu hinterschreiten.

6. Erbe der Spaltung

Der Umgang Hagens mit dem Spiritismus nun ist nicht mehr als ein Beispiel; und tatsächlich geht, was ich das Erbe der McLuhanschen Spaltung nennen möchte, sehr viel weiter. Lange Zeit verhielt sich der deutsche Mediendiskurs, als müsse er sich gegen einen universalisierten Metaphysikverdacht wehren. Zentralisiert auf die >Materialität der Kommunikation< wurden immer mehr Fragen, immer mehr Probleme abgespalten und der Gegenstandbereich - auch wenn die große Vielfalt der Ansätze das Gegenteil suggeriert - mit einem fein gesponnenen Netz von Tabus überzogen.

Abgespalten - und zwar bereits bei McLuhan selbst - wurde zunächst die

nach dem Sein, dem Was und dem Wesen des Galvanismus selbst; also in der Frage nach einer Ontologie der Elektrizität, der Gravitation und der Natur« {Hagen 1999a: 340}. »Es gibt keine Chronik des Okkultismus, die diesen Epochenwechsel nicht mit den >Fox-Raps< datiert; wir datieren sie, korrekter, mit dem dahinter- und etwas früher implementierten Medien-Apriori der Telegrafie« (ebd.: 346}.

8. »Was aber die Entwicklung der modernen Physik betrifft, (Stichwort: Croo­kes'sche Röhren), so gibt es nicht nur eine Stütze, die aus dem Okkultismus kommt. Wichtige Teile der Tiefenschicht moderner Wissenschaft, ich nenne: die nicht-euklidi­sche Geometrie, die Mathematisierung der Physik, die Relativitätstheorie, die Quan­tentheorie, die Theorie des Unbewußten, die Linguistik- alles dies hat sich im notwen­digen Gegenentwurf, im Durchgang durch irrational okkultistische Konzepte bilden oder ausdifferenzieren müssen. Die Relativitätstheorie ist beispielsweise im wesentlichen auch eine mathematische Erledigung aller vorhergehenden Äther-Existenzbehauptun­gen« (ebd., S. 354, Hervorh. Hartmut Winkler).

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Moral; sie wurde verselbständigt zu einer >Medienethik<, die man nachsichtig lächelnd den Pädagogen überließ. Oder sie wurde - ebenfalls schon bei McLu­han selbst zu beobachten - destilliert in die Form einer feinen Ironie, die es erlaubt, auf der Oberfläche 100 Prozent affirmativ, und in der Sache eben doch als kulturkritischer Warner zu sprechen. Zum zweiten abgespalten wurden das Subjekt und das Soziale. Hatte sich das Subjekt die Nachfolge des verabschiede­ten Schöpfergottes auf die Schultern geladen, so hatte die philosophische Sub­jektkritik diese Selbstüberforderung gnadenlos demontiert. Im Anschluss ver­bannte die Medienwissenschaft das Subjekt und >den Menschen< nun auch aus dem Mediendiskurs. Was die Sozialwissenschaften angeht, wurde allenfalls die Systemtheorie für satisfaktionsfähig gehalten, erwählt unter den Soziologien, weil sie selbst so herrlich medienkompatibel und abgekühlt-posthumanistisch argumentiert. Ein dritter Punkt war die Abspaltung der Semantik und der sym­bolischen Dimension der Medien. Die Tatsache, dass die Mediengeschichte die Sprache hinter sich lässt und vom Audiovisuellen bis zum Computer immer avanciertere Medientechniken in den Vordergrund treten, schien zu konvergie­ren mit der poststrukturalistischen Relativierung der Sprache; war doch etwa bei Derrida das Signifikat selbst unter Metaphysikverdacht geraten. McLuhan verstand man als Abstandnahme vom >Content<, die Formalsprachen als einen Raum, der gerade in der Entsemantisierung seine Pointe hat. In der Folge wur· de nicht die Spezifik des Medialen, mit Symbolen zu operieren, sondern die faktisch-technische Vernetzung und der Zwang zum Anschluss exponiert; der Begriff der >Strukturellen Kopplung< musste dem kruden Determinismus den Schlussstein setzen.

Immer weitere Aspekte also, dies ist meine These, wurde in den Strudel der Versicherung gezogen, vollständig und ausschließlich auf dem Terrain des diesseitig-materiell Beweisbaren zu argumentieren. Wo die Philologien und die Sozialwissenschaften noch wussten, dass sie es mit Deutungen zu tun haben, operierte die Medienwissenschaft mit der Behauptung hart-beweisbar-medien­archäologischer Faktizität.

7. Metaphysischer Charakter der Medienwissenschaft

Was als Kern dieser Abspaltungen übrig blieb, trug selbst magisch-metaphysi­sche Züge.

Dass es immer wieder zu rituellen Anrufungen kam- etwa des >>jungen In­genieurs Turing«9 -ist nicht mehr als ein kurioses Indiz. Im Zentrum des ma­gisch-metaphysischen Medienverständnisses stand das Konstrukt des Medien­apriori selbst. Durchaus mit McLuhan hatte man sich darauf festgelegt, >die Me­dien< einseitig und vor allem als Wirkursache zu betrachten, und ihre Folgen im sozialen Raum zu studieren. Die umgekehrte Fragerichtung, wie die Medien

9. Oder, als Variante: »Ein junger Offizier des französischen Ingenieur-Corps namens Auguste Fresnel [ ... ]«(Hagen 1999b: 134).

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selbst in die Welt kommen, ob Medientechnik nicht auch ganz anders aussehen könnte, warum sich bestimmte Medien durchsetzen und andere nicht, auf wel­che Weise sie mit ihren Nutzungsprozessen interagieren, und welche Wunsch­strukturen in sie eingebacken sind, erschien systematisch verstellt.

Und keineswegs zufällig war es die Technik, die ins Zentrum des historisch­medialen Apriori rückte. Nichts schien im materiellen Sinne gewisser zu sein als die Hardware; auch wenn sie sich im konkreten, theoretischen Umgang als äußerst spröde erwies. Die Hardware war die Basis, die Geisteswissenschaften kritisch zu unterlaufen. Wo die Geisteswissenschaften schwebten, schien Me­dienwissenschaft immer schon sicher geerdet zu sein. Der zentralen Behaup­tung der Technik, dass in ihrem Funktionieren These und Beleg, Beschreibung und Beschriebenes, Modell und Verifikation quasi in eins fallen, allerdings musste diese Medienwissenschaft aufsitzen. Alternative wäre, den Zyklus wech­selseitiger Bestätigung aufzutrennen, in dem Naturwissenschaft und Technik sich verbinden, und die Verkürzungen herauszuarbeiten, die einer Logik des Funktionierens eingeschrieben sind. Spezifisch für den so umrissenen Stand des Mediendiskurses scheint mir eine Mischung aus MaterialismusjDiesseitig­keit und Medien-Metaphysik. Eine Medienmetaphysik, die sich camoufliert und ins Gewand der Diesseitigkeit kleidet.

Das Feld der Medienwissenschaften wurde hierdurch tiefgreifend struktu­riert; und zwar vor allem in der unseligen Spaltung in die technikzentrierten und die >anthropologischen< Ansätze. Schon in der Bezeichnung erschienen Zweitere abgedrängt auf das Feld >des Menschen<, das man erfolgreich doch gerade hinter sich gelassen hatte; verglichen mit den >harten< Ansätzen mussten diese als dispers, fragil und bestreitbar erscheinen. Meine Summierung wäre, dass es eine verkürzte Ratio war, die diese Version eines Medienmaterialismus steuert.

Fürall dies, wie gesagt, kann McLuhan nich'ls. Bei ihm kann man nur den Ort sehen, an dem die Abspaltung sich vollzieht; an dem zwischen diskursfahig und nicht-diskursfahig unterschieden wird, und die >irrationale< Seite der Me­dien unter der Barre verschwindet. Als verdrängte aber verhielt sie sich wie alles Verdrängte: Sie suchte den Mediendiskurs heim.'0

8. Schlussüberlegung

Glücklicherweise aber geht meine Narration gut aus. Denn der deutsche Me­diendiskurs hat inzwischen eine Bewegung der Selbstkorrektur vollzogen. Der Begriff der »Kulturtechniken«, der in Berlin entwickelt wurde und der sich schulenübergreifend als produktiv erweist (KrämerfBredekamp 2003; Siegert o.J.; Macho in KrämerjBredekamp 2003), stößt tatsächlich eine Tür auf. Und zwar vor allem deshalb, weil er - explizit und programmatisch ausformuliert -die Dimension der Praktiken wieder einbezieht." Die Erweiterung des Technik-

10 .... von den >haunted media< zum >haunted media discourse<? 11. »Kulturtechniken sind (1) operative Verfahren zum Umgang mit Dingen und

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begriffsüber die Hardware hinaus und die Berücksichtigung auch von Körper­techniken kehrt zum antiken Begriff der >techne< zurück. Es scheint mir vor allem der Begriff des Operativen zu sein, der diese Veränderung erzwungen hat; und sicherlich hat Sybille Krämer zum neu gefassten Technikkonzept viel beige­tragen (Krämer 1993; 1997; 2005a; 2005b). Von der Tatsache, dass Rechner pro­zessieren, geht ein entscheidender Denkanreiz aus. Die Aufmerksamkeit ist, wie Schüttpelz analysiert, vom Objekthaft-Reifizierten zum Operativen, und vom Substantiv zum Verb übergegangen (Schüttpelz in EngelljSiegertJVogl 2006: 87).'2 In der Folge, denke ich, waren zwangsläufig auch andere Typen von >Agen­cy< wieder zu akzeptieren.

Gleichzeitig tauchen viele Fragen wieder auf, die bis dahin erledigt schienen. Die Frage, wie sich mediale von außermedialen Techniken unterscheiden (und auf welche Weise die Mediensphäre von anderen gesellschaftlichen Sphären ab­gegrenzt werden kann);'J die Frage nach einer adäquaten Fassung des Symbolbe­griffs,'4 und schließlich- horribile dictu- die Frage nach den Menschen, die aus der Sicht der Praktiken zwar sicherlich nicht einfach als Subjekt, ebenso sicher

Symbolen, welche (2) auf einer Dissoziierung des impliziten >Wissens wie< vom expli­ziten >Wissen dass< beruhen, somit {3) als ein körperlich habitualisiertes und routini­siertes Können aufzufassen sind, das in alltäglichen, fluiden Praktiken wirksam wird, zugleich {4) aber auch die aisthetische, material-technische Basis wissenschaftlicher Innovationen und neuartiger theoretischer Gegenstände abgeben kann. Die {5) mit dem Wandel von Kulturtechniken verbundenen Medieninnovationen sind situiert in einem Wechselverhältnis von Schrift, Bild, Ton und Zahl, das {6) neue Spielräume für Wahrnehmung, Kommunikation und Kognition eröffnet. Spielräume, (7) die in Er­scheinung treten, wo die Ränder von Disziplinen durchlässig werden und den Blick freigeben auf Phänomene und Sachverhalte, deren Profil mit den Grenzen von Fachwis­senschaften gerade nicht zusammenfällt« (Krämer/Bredekamp 2003: 18). »Charakteri­siert werden kann der methodische Ansatz auf dem Gebiet der Kulturtechniken durch die Betonung des Praxis-Aspekts in der medienhistorischen Analyse: Medien werden dann als Kulturtechniken beschreibbar, wenn die Praktiken rekonstruiert werden, in die sie eingebunden sind, die sie konfigurieren oder die sie konstitutiv hervorbringen« (Siegert o.J., Hervorh. im Original).

12. Ob man den Begriff der Kulturtechniken tatsächlich auf den der Medienan­thropologie bringen kann und sollte, halte ich für strittig; ich selbst habe einen Vor­schlag gemacht, zwischen technikzentrierten und anthropologischen Medientheorien auf andere Weise zu moderieren (Winkler 2004: 110-130).

13. »Der Begriff der Kulturtechniken meint keineswegs alle Techniken, die in einer Kultur praktiziert werden. Doch wie unterscheidet man solche Techniken, die es einer Kultur erlauben, Begriffe von sich selbst zu entwickeln - also Kulturtechniken im engeren Sinne- von Techniken wie Ackerbau, Ernährung, Vorratshaltung, Ökonomie und Sport?« (Kassung/Macho zitiert nach: Schüttpelz 2006: 88).

14. »Kulturtechniken unterscheiden sich von allen anderen Techniken durch ihren potentiellen Selbstbezug. [ ... ] [Kulturtechniken] verrichten symbolische Arbeit« (Kassung/Macho zitiert nach: Schüttpelz 2006: 88).

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aber nicht einfach als Anhängsel gefasst werden können. Dem Medienapriori und der scheinhaft materialistischen Medienarchäologie ist damit das Toten­glöckchen geläutet. Anstatt vorschnell medienmaterialistisch aufzutrumpfen geht es nun darum, Materialismus/Ratio und das, was sich ihr widersetzt, bes­ser zu relationieren.

Methodisch kommt das Argument hier auf die Dialektik der Aufklärung zurück (HorkheimerfAdorno 1981) -und zwar nicht auf das Kulturindustrie­kapitel, sondern auf den philosophischen Rahmen; die Besinnung darauf, dass Aufklärung nicht per se das Gegenüber mythisch-metaphysischer Weltbilder ist. Aufklärung vielmehr, sagen uns Horkheimer und Adorno, ist immer in Ge­fahr, zu kurz zu greifen, und das zu Begreifende zu verfehlen. Die Kur ist, dass Aufklärung sich auf sich selbst zurückbeugt, um die metaphysischen Schla­cken - und sei es im eigenen Funktionieren und im Instrumentellen einer aufs Instrumentelle verkürzten Vernunft - zu entdecken. Das Projekt einer mate­rialistischen Erklärung der Welt, sagen Horkheimer und Adorno, bedarf der Selbstkontrolle; ansonsten ist sie in Gefahr, in ein ungewolltes Bündnis mit dem zu Beschreibenden zu geraten. Eine Nichts-Als-Aufklärung, wie sie oben skizziert wurde (»bei A handelt es sich um nichts als B«) scheidet damit aus.

Und auch um Medienkritik wird Medienwissenschaft dauerhaft nicht her­umkommen. Die Verpflichtung auf Affirmation, und die Gleichsetzung von Af­firmation und deskriptiver Haltung, ist so nicht zu halten. Medienwissenschaft muss nicht zwangsläufig im Bündnis mit den bestehenden Medienstrukturen verfahren. »Intelligent idealism«, hatte der Medienmaterialist Comolli geschrie­ben, »is moreintelligent than stupid materialism« (Comolli 1990: 236). Für die Medienwissenschaft, und zwar gerade dann, wenn sie wie Comolli um ein auf­geklärt materialistisches Vorgehen bemüht ist, scheint mir dies ein anspruchs­volles Programm.

Literatur

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Mcluhan neu Lesen: Diskurse

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seldorfjWien: Econ. McLuhan, Marshall (1968b): Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters,

DüsseldorfjWien: Econ. McLuhan, Marshall (1996): Die mechanische Braut. Volkskultur des industriellen

Menschen, Amsterdam: Verlag der Kunst. Schüttpelz, Erhard (2oo6): >>Die medienanthropologische Kehre der Kulturtech­

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Siegert, Bernhard (o.J.): Was sind Kulturtechniken? Beschreibung des Lehr- und Fachgebietes. URL: www.uni-weimar.dejmedienjkulturtechnikenjkultek. html (Zugriff: Februar 2007).

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Hartmut Winkler: Die magischen Kanäle, ihre Magie und ihr Magier

Teilhard de Chardin, Pierre (1994): Der Mensch im Kosmos, geschrieben 1940, München: Beck.

Winkler, Hartmut (1997): Docuverse. Zur Medientheorie der Computer, München: Boer.

Winkler, Hartmut (2004): Diskursökonomie. Versuch über die innere Ökonomie der Medien, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Winthrop-Young, Geoffrey (2005): Friedrich Kittler zur Einführung, Hamburg: Junius.

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DERRICK DE KERCKHOVE, MARTINA LEEKER, KERSTIN 5CHMIDT (HG.) Mcluhan neu lesen.

Kritische Analysen zu Medien und Kultur im 21. Jahrhundert

[ transcript]

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Die Publikation wird gefordert durch die Oberfrankenstiftung.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

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© zoo8 transcript Verlag, Dielefeld

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Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Katharina Karcher, Martina Leeker, Kerstin Schmidt

Übersetzungen: Sebastian Baumer, Michael Barchet, Wolfgang Kukulies Satz: Alexander Masch, Bielefeld

DVD: Martina Leeker und Kerstin Schmidt (Idee und Konzept), Alex Fuchs (Konzept; Kamera und Schnitt der Interviews), Domingo Stephan (Konzept

und Programmierung) Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar

ISBN 978-3-89942-762-2

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff.

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Inhalt

Vorwort. Alors, McLuhan? Toujours mort? DERRICK DE KERCKHOVE

9

Einleitung. McLuhan neu lesen. Zur Aktualität des kanadischen Medientheoretikers

MARTINA LEEKER, KERSTIN SCHMIDT

19

Genesen

Die »Closure« der Medien: Wyndham Lewis und Marshall McLuhan WoLFGANG HAGEN

51

McLuhans grammatisch~ Theologie JOHN DURHAM PETERS

61

1,5 Sex Model. Die Masculinity Studies von Marshall McLuhan ULRIKE HERGERMANN

76

Does Technology Drive History? McLuhan, Leo Marx und die materialistische Medientheorie

KLAUS BENESCH

95

Marshall McLuhan, Stewart Brand und die kybernetische Gegenkultur FRED TURNER

105

McLuhan im Labor. Medien, Wirkungen und Experimentalpsychologie

BERNHARD J. DoTZLER

117

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Diskurse

Mit und nach McLuhan. Bemerkungen zur Theorie der Medien jenseits des anthropologischen und instrumentellen Diskurses

GEORG CHRISTOPH THOLEN

127

Die Welt des Schmoo. >>Computer als Medium«­nach, mit und neben McLuhan

CLAUS PIAS

140

Die magischen Kanäle, ihre Magie und ihr Magier. McLuhan zwischen Innis und Teilhard de Chardin

HARTMUT WINKLER

158

Takt und Taktilität -Akustik als privilegierter Kanal zeitkritischer Medienprozesse

WoLFGANG ERNST

170

McLuhan und die Kulturtheorie der Medien MARK PosTER

181

Kritik des Medienteleologismus. McLuhan, Flusserund Hegel DIETER MERSCH

196

Lesarten

Die Inflation der Igel- Versuch über die Medien BERNHARD VIEF

213

Transfer zwischen McLuhan-Galaxis und Anderem Schauplatz? Ein Versuch zu einer Verbindung der Theorien von Marshall McLuhan

und J acques Lacan ÄNNETTE BITSCH

233

Organische Konstruktionen. Von der Künstlichkeit des Körpers zur Natürlichkeit der Medien

STEFAN RIEGER

252

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McLuhans Gespenster: Elf Anmerkungen für ein neues Lesen RICHARD CAVELL

270

Nicht heiß, nicht kalt. Formate der Beteiligung nach McLuhan STEFAN HEIDENREICH

285

McLuhan und die skopischen Ordnungen der zeitgenössischen Kultur JAY DAVID BoLTER

291

Von Heiß/Kalt zu Analog/Digital. Die Automation als Grenze von McLuhans Medienanthropologie

JENS SCHRÖTER

304

Seitenblicke

Cadillac und Gebetsmatte. McLuhans IV-Gemälde PETER BEXTE

323

Maschine- PAIK- Medium. Einige Resonanzen zwischen Nam June Paik und Marshall McLuhan

ANDREAS BROECKMANN

338

Camouflagen des Computers. McLuhan und die Neo-Avantgarden der 196oer Jahre

MARTINA LEEKER

345

»We Seem to Play the Platonic Tape Backwards«­McLuhan und der Zusammenbruch der Euklidischen Mentalität

ERICH HÖRL

376

Nullen dieser großen Summe ALEXANDER fiRYN

394

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Medien heute

Die Antiquiertheit der Prothese- McLuhan, das Spiel, die Avatare KLAUS BARTELS

409

Zehn Jahre Machinima DIRK FöRSTER

422

Kunst und GPS. Esther Polaks lokative Kunst ARIE ALTENA

430

MaxJMSP!Jitter. Eine Einführung JEREMY BERNSTEIN

444

Das Projekt mustermaschine

~OMINIK BuscH

453

Dekonstruktive >>Ani-mots« zur Biotechnologischen Kunst: Anthropozentrismus-Kritik zwischen Alterität und Verwandtschaft

JENS HAUSER

464

Autorinnen und Autoren 497