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Die Must-Carry-Regelungen des deutschen Medienrechts im Hinblick auf Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rechtsgutachten im Auftrag der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten erstellt von Universitätsprofessor Dr. Karl-E. Hain Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln sowie des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln unter Mitarbeit von Christine Steffen, Maîtrise en droit, LL.M. Geschäftsführerin des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln und Thomas Wierny Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln

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Die Must-Carry-Regelungen des deutschen

Medienrechts im Hinblick auf Angebote des

öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Rechtsgutachten

im Auftrag der in der ARD zusammengeschlossenen

Landesrundfunkanstalten

erstellt von

Universitätsprofessor Dr. Karl-E. Hain

Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht der

Universität zu Köln sowie des Instituts für Rundfunkrecht

an der Universität zu Köln

unter Mitarbeit von

Christine Steffen, Maîtrise en droit, LL.M.

Geschäftsführerin des Instituts für Rundfunkrecht

an der Universität zu Köln

und

Thomas Wierny

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienrecht

und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln

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II

Inhaltsverzeichnis

A. Vorbemerkung ........................................................................................................ 1

B. Der unionsrechtliche Rahmen ................................................................................ 4

I. Die Vereinbarkeit von Must-Carry-Verpflichtungen mit der Dienst-

leistungsfreiheit – die Entscheidung UPC ......................................................... 5

II. Art. 31 UDRL als zentrale Vorgabe für von den Mitgliedstaaten auferlegte

Must-Carry-Verpflichtungen .............................................................................. 7

1. Der Regelungsgehalt des Art. 31 UDRL ...................................................... 7

2. Der Zusammenhang zwischen der Zumutbarkeit von Übertragungs-

pflichten und der Festlegung von Entgelten .............................................. 10

3. (Un-)Entgeltlichkeit der Erfüllung von Übertragungspflichten bei

fehlender Entgeltfestlegung durch die Mitgliedstaaten der Union? ............ 13

4. Zwischenfazit ............................................................................................. 15

C. Must-Carry-Verpflichtungen im deutschen Recht ................................................. 18

I. Einführung ...................................................................................................... 18

II. Must-Carry-Verpflichtungen nach dem RStV .................................................. 18

1. § 52b RStV ................................................................................................ 18

2. § 52d RStV ................................................................................................ 20

3. Must-Carry, nicht Must-Provide ................................................................. 21

4. Must-Offer? ................................................................................................ 28

5. Must-Pay? .................................................................................................. 31

a. Festlegung einer Entgeltpflicht durch die §§ 52b, 52d RStV? .............. 32

b. Hoheitliche Entgeltregulierung (durch die Exekutive)? ......................... 35

aa. Rundfunkrechtliche Entgeltregulierung auf der Basis des

§ 52d RStV? ................................................................................... 35

bb. Telekommunikationsrechtliche Entgeltregulierung gemäß den

§§ 27 ff TKG? ................................................................................. 36

cc. Analoge Anwendung des § 5 Abs. 7 RStV? ................................... 37

dd. Entgeltfestlegung durch einseitiges Leistungsbestimmungs-

recht der Kabelnetzbetreiber gemäß § 315 BGB? .......................... 39

ee. Zwischenfazit .................................................................................. 39

III. Must-Carry-Verpflichtungen nach den deutschen Landesmedien-/-rund-

funkgesetzen .................................................................................................. 40

1. Must-Carry ................................................................................................. 40

2. Must-Offer? ................................................................................................ 41

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III

3. Must-Pay? .................................................................................................. 42

4. Rundfunkrechtliche Regulierung der Einspeiseentgelte ............................ 44

IV. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ......................................... 44

V. Möglichkeit der unionsrechts-/verfassungskonformen Interpretation der

einfach-rechtlichen Regelungen im Sinne einer Entgelt-/Entschädigungs-

pflicht? ............................................................................................................ 46

VI. Zwischenfazit .................................................................................................. 49

D. Die Vereinbarkeit der deutschen Regelungen zur Begründung von unentgelt-

lich zu erfüllenden Must-Carry-Pflichten mit höherrangigem Recht ...................... 52

I. Vorbemerkung ................................................................................................ 52

II. Vereinbarkeit der deutschen Regelungen zur Begründung von unentgelt-

lich zu erfüllenden Must-Carry-Pflichten mit dem Unionsrecht ........................ 55

1. Die Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 UDRL ........................................ 55

2. Insbesondere: Die Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit im Sinne

des Art. 31 Abs. 1 UDRL ........................................................................... 57

a. Geeignetheit ........................................................................................ 57

b. Erforderlichkeit ..................................................................................... 57

c. Angemessenheit .................................................................................. 58

aa. Die Konkretisierung des Kriteriums der Angemessenheit unter

Berücksichtigung der Dienstleistungsfreiheit und der einschlä-

gigen Grundrechte .......................................................................... 59

bb. Überprüfung der Angemessenheit der deutschen Must-Carry-

Regelungen .................................................................................... 66

3. Wahrung des Art. 20 GRCh bei der Umsetzung des Art. 31 UDRL ........... 71

4. Zwischenfazit ............................................................................................. 76

III. Vereinbarkeit der deutschen Regelungen zur Begründung von unentgelt-

lich zu erfüllenden Must-Carry-Pflichten mit dem deutschen Verfassungs-

recht ................................................................................................................ 81

1. Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) der

Kabelnetzbetreiber? .................................................................................. 82

a. Sachlicher Schutzbereich und Eingriff ................................................. 82

b. Rechtfertigung...................................................................................... 83

aa. Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber ......... 83

bb. Legitimer Zweck ............................................................................. 83

cc. Verhältnismäßigkeit ........................................................................ 83

(1) Geeignetheit.............................................................................. 83

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IV

(2) Erforderlichkeit .......................................................................... 83

(3) Angemessenheit ....................................................................... 84

(a) Hoher Sozialbezug der Kabelnetze ..................................... 85

(b) Zur Frage einer Ausgleichspflicht zur Herstellung der

Angemessenheit der Must-Carry-Pflichten .......................... 85

(aa) Ausnahme für die Kleinstnetze ..................................... 86

(bb) Das Kriterium für die Annahme einer Ausgleich-

pflicht im Einzelfall ........................................................ 86

(cc) Unangemessenheit der Must-Carry-Regelungen

ohne generelle Statuierung einer Ausgleichspflicht? .... 88

(dd) Atyische Härten für bestimmte Kabelnetzbetreiber? .... 91

dd. Wahrung des Gleichheitssatzes ..................................................... 92

2. Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) der Kabel-

netzbetreiber? ........................................................................................... 92

a. Sachlicher Schutzbereich und Eingriff ................................................. 92

b. Rechtfertigung...................................................................................... 93

3. Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) der

Kabelnetzbetreiber? .................................................................................. 95

4. Verstoß gegen den Grundsatz der Privatwirtschaftlichkeit der Erbrin-

gung von Telekommunikationsdienstleistungen (Art. 87f Abs. 2

Satz 1 GG) zulasten der Kabelnetzbetreiber? ........................................... 97

5. Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)

zulasten der Kabelnetzbetreiber? .............................................................. 98

6. Zwischenfazit ............................................................................................. 98

E. Zusammenfassung in Thesen ............................................................................ 101

Anhang ................................................................................................................... 112

Literaturverzeichnis ................................................................................................ 178

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1

A. Vorbemerkung

Die Verbreitung der Angebote1 der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten2 erfolgt

in Deutschland über die Übertragungswegen Satellit, Terrestrik und IP-Netze sowie

in großem Umfang über die Breitbandkabelnetze, die in der Bundesrepublik Deutsch-

land einen derzeit unverzichtbaren Verbreitungsweg3 für die Rezeption audiovisueller

Angebote darstellen. Für die Kabelweiterverbreitung des Sendesignals öffentlich-

rechtlicher Rundfunkprogramme zahlten die öffentlich-rechtlichen Anstalten begin-

nend mit der Phase des Aufbaus einer flächendeckenden Breitbandkabelinfrastruktur

in Deutschland4 auf der Grundlage sog. Einspeiseverträge Entgelte an die Deutsche

Bundespost und nach deren Privatisierung im Zuge der zweiten Postreform5 an ihre

Nachfolgeunternehmen, die Deutsche Bundespost Telekom und später die Deutsche

Telekom AG (DTAG). Auch nach der Ausgliederung des Bereichs Breitbandkabel in

neun unter dem Dach der Kabel Deutschland GmbH6 gegründete Regionalgesell-

schaften7 und deren anschließender Veräußerung8 haben die öffentlich-rechtlichen

Anstalten Einspeiseentgelte an die jeweiligen Betreiber der in Rede stehenden Netze

gezahlt. Diese werden nach verschiedenen Eigentümerwechseln und Umfirmierun-

1 Die ARD-Anstalten stellen ihre Rundfunksignale seit dem 30.04.2012 nur noch digital zur Verfü-

gung; vgl. zu den Gründen und den Konsequenzen des „analogen switch-off“ bereits Janik, in: Dörr u.a., Handbuch Medienrecht, Kap. D, Rdnr. 8, 22. Soweit im Kabel eine Verbreitung analoger Signale erfolgt, werden die den Kabelnetzbetreibern von den öffentlich-rechtlichen Anstalten in di-gitaler Form zugelieferten Angebote durch die jeweiligen Kabelnetzbetreiber „reanalogisiert“, vgl. Janik, in: Dörr u.a., Handbuch Medienrecht, Kap. D, Rdnr. 22; vgl. ferner Meinungsbarometer 11/2012, S. 1, abrufbar unter: http://www.barthelmarquardt.de/fileadmin/Bilder/Meinungsbarometer/ Meinungsbarometer_Digitaler_Rundfunk_November_2012__2_.pdf; alle Online-Quellen zuletzt abgerufen am 19.04.2013.

2 Nachfolgend wird vereinfachend von den öffentlich-rechtlichen „(Rundfunk-)Anstalten“ gesprochen,

auch wenn es sich beim DR um eine Körperschaft handelt (§ 1 Abs. 1 Staatsvertrag über die Kör-perschaft des öffentlichen Rechts "Deutschlandradio") und ARTE in Form einer Europäischen wirt-schaftlichen Interessenvereinigung (G.E.I.E.) gegründet wurde (vgl. Gründungsvertrag v. 30.04.1991 i.d.F. v. 21.06.2006, abrufbar unter: http://www.arte.tv/static/c5/pdf/ gruendungsvertrag.pdf).

3 Dazu näher u. C. II. 3., 4.

4 Hahne, Kabelbelegung, S. 10.

5 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 30. August 1994 (BGBl. I S. 2245), Gesetz zur Neu-

ordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz – PTNeuOG) vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325).

6 Für Entwicklung und Vermarktung von Programmangeboten und neuen Diensten war die Media

Services GmbH zuständig. Daneben erbrachte die DeTeKabelService GmbH Serviceleistungen für Wohnungswirtschaft, Wohnungseigentümer und Mieter. Die beiden vorgenannten Gesellschaften waren wie die Kabel Deutschland GmbH 100 %ige Töchter der DTAG. Zum Vorstehenden vgl. Woldt, MP 2002, S. 34 (36).

7 Sharma, Der chancengleiche Zugang, S. 56 ff.

8 Näher dazu Woldt, MP 2002, S. 34 (36 ff).

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gen mittlerweile von der Kabel Deutschland Vertrieb und Service GmbH (KDG) sowie

von Unitymedia KabelBW (UKBW) betrieben9.

Auch an diese Gesellschaften haben die öffentlich-rechtlichen Anstalten Einspeise-

entgelte gezahlt. Zuletzt wurden im Jahr 2008 Einspeiseverträge für den Zeitraum

von 2009 bis 2012 zwischen den Rundfunkanstalten und KDG bzw. den zwischen-

zeitlich zu UKBW fusionierten Kabelnetzbetreibern10 geschlossen. In deren Präam-

beln wurde ein Dissens der Vertragspartner hinsichtlich der Einspeiseentgelte zum

Ausdruck gebracht; die öffentlich-rechtlichen Anstalten gingen danach bereits beim

Abschluss dieser Verträge davon aus, zukünftig keine Entgelte mehr zu zahlen11.

Nachdem die öffentlich-rechtlichen Anstalten gegenüber der KEF für die Gebühren-

periode 2013 bis 2016 keinen Finanzbedarf (mehr) für die Einspeisung der Pro-

gramme in das Kabelnetz angemeldet hatten12, erklärten sie schließlich im Juni des

vergangenen Jahres gegenüber den Kabelnetzbetreibern zum 31.12.2012 die Kün-

digung der Einspeiseverträge. In der Folge haben die Kabelnetzbetreiber zahlreiche

zivilrechtliche Klagen gegen verschiedene öffentlich-rechtliche Anstalten erhoben13.

Letztlich verfolgen die Kabelnetzbetreiber das Ziel, weiterhin Zahlungen der öffent-

lich-rechtlichen Anstalten für die Kabelverbreitung öffentlich-rechtlicher Angebote mit

Must-Carry-Status zu erhalten14.

Vor diesem Hintergrund haben die in der ARD zusammengeschlossenen Landes-

rundfunkanstalten den Auftrag zur Erstattung eines Rechtsgutachtens erteilt. Im

Rahmen dieses Gutachtens soll geklärt werden, ob (1) die Must-Carry-Verpflich-

tungen des deutschen Medien-/Rundfunkrechts unabhängig von der Zahlung von

Einspeiseentgelten zu erfüllen sind und ob (2) – falls die einschlägigen Bestimmun-

gen keine Entgeltpflicht vorsehen oder gar die Zahlung eines Entgelts verbieten – die

9 Zu den Einzelheiten vgl. Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 7 f.

10 Es handelt sich dabei um Kabel BW, Unitymedia Hessen und Unitymedia Nordrhein-Westfalen; vgl.

dazu Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 9 f. 11

Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 4. 12

Vgl. 18. KEF-Bericht, S. 68, 69 (Tz. 115), 70, 71 (Tz. 121), 72, 73 (Tz. 125), 74, 75 (Tz. 130). 13

Vgl. epd medien 7/2013, S. 13; FuKo 36/2012, S. 18. 14

Vgl. etwa die Verlautbarung der KDG, die aufgrund der Must-Carry-Regelungen des deutschen Medien-/Rundfunkrechts verpflichtend zu erbringende Transportdienstleistung sei auch entspre-chend zu vergüten, vgl. Süddeutsche Zeitung v. 21.12.2012, S. 21; FAZ v. 31.07.2012, S. 15.

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Must-Carry-Pflichten mit Art. 31 der Universaldienstrichtlinie (UDRL) und dem deut-

schen Verfassungsrecht vereinbar sind15.

15

Die für dieses Gutachten relevanten Bestimmungen finden sich im Anhang zu dieser Untersu-chung.

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B. Der unionsrechtliche Rahmen

Must-Carry-Verpflichtungen sind, was den Raum der Europäischen Union betrifft,

zunächst auf national-rechtlicher Ebene in verschiedenen Mitgliedstaaten zu einer

Zeit etabliert worden, in der Kapazitätsengpässe in den analogen Kabelnetzen ab-

sehbar oder offenbar wurden16. Diese Verpflichtungen unterliegen in bestimmter Hin-

sicht dem europäischen Recht. Von einiger Bedeutung ist in diesem Kontext nicht

zuletzt die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV; vormalig Art. 49 EGV) der Kabel-

netzbetreiber, die durch Must-Carry-Verpflichtungen beschränkt wird. Zur Frage der

Vereinbarkeit derartiger Verpflichtungen mit der Dienstleistungsfreiheit hat der Euro-

päische Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren bereits im Jahr

2007 Stellung genommen, wobei die im Ausgangsverfahren relevanten belgischen

Normen noch nicht an der UDRL als Bestandteil des neuen Rechtsrahmens für die

Telekommunikation zu messen waren17, und dabei bereits Kriterien für die Verein-

barkeit der Auferlegung von Übertragungspflichten mit der Dienstleistungsfreiheit

formuliert (dazu nachfolgend I.). In dem neuen Rechtsrahmen für die Telekommuni-

kation18 sind nunmehr mit Art. 31 UDRL die zentralen unionsrechtlichen Vorgaben für

16

Vgl. nur van Eijk/van der Sloot, IRIS plus 2012-5, S. 7. 17

Dazu EuGH, Urteil v. 13.12.2007, Rs. C-250/06 – United Pan-Europe Communications Bel-gium SA –, Rdnr. 25.

18 Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den

Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zu-sammenschaltung (Zugangsrichtlinie), ABl. (EG) L 108 v. 24.04.2002, S. 7, geändert durch Richtli-nie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Ände-rung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommu-nikationsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kom-munikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. (EU) L 337 v. 17.12.2009, S. 37; Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie), ABl. (EG) L 108 v. 24.04.2002, S. 21, geändert durch Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunika-tionsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommuni-kationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. (EU) L 337 v. 18.12.2009, S. 37; Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommuni-kationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), ABl. (EG) L 108 v. 24.04.2002, S. 33, zuletzt geän-dert durch Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechts-rahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zu-sammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommuni-kationsnetze und -dienste, ABl. (EU) L 337 v. 18.12.2009, S. 37; Richtlinie 2002/22/EG des Euro-päischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte

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die Auferlegung von Must-Carry-Verpflichtungen gegenüber Netzbetreibern durch die

Mitgliedstaaten der Union enthalten (dazu nachfolgend II.).

I. Die Vereinbarkeit von Must-Carry-Verpflichtungen mit der Dienstleistungs-

freiheit – die Entscheidung UPC

Die Ausstrahlung von Fernsehsendungen inklusive ihrer Kabelübertragung ist nach

der ständigen Rechtsprechung des EuGH eine Dienstleistung im Sinne des

Art. 56 AEUV (vormalig Art. 49 EGV)19. Die Vereinbarkeit von Must-Carry-Verpflich-

tungen mit der Dienstleistungsfreiheit war Gegenstand der Entscheidung United Pan-

Europe Communications Belgium SA. Gegen durch ministerielle Verordnungen aus

den Jahren 2001 und 2002 ausgesprochene Must-Carry-Verpflichtungen auf der Ba-

sis des belgischen Rundfunkgesetzes von 1995 hatten betroffene Kabelnetzbetreiber

vor dem belgischen Conseil d’État u.a. mit der Begründung Klage erhoben, die aufer-

legten Verpflichtungen verstießen gegen Art. 49 EGV. Das vorlegende Gericht be-

gehrte eine Entscheidung hinsichtlich der Problematik, ob die Dienstleistungsfreiheit

so auszulegen sei, dass sie einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegenstehe, nach

der die im betroffenen Gebiet dieses Staates tätigen Kabelnetzbetreiber auf Grund

einer Übertragungspflicht die Fernsehprogramme verbreiten müssten, die von priva-

ten Rundfunkveranstaltern gesendet würden, die den Behörden dieses Staates un-

terständen und von diesen bezeichnet worden seien20.

Der EuGH, der die im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen belgischen Rege-

lungen mit eingehender Begründung als Beschränkung des freien Dienstleistungs-

bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie), ABl. (EG) L 108 v. 24.04.2002, S. 51, geändert durch Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, ABl. (EU) L 337 v. 18.12.2009, S. 11. Die kompeten-zielle Grundlage für das Richtlinienpaket des Jahres 2002 bildete Art. 95 EGV a.F., nunmehr Art. 114 AEUV.

19 Vgl. nur EuGH, Urteil v. 13.12.2007, Rs. C-250/06 – United Pan-Europe Communications Bel-

gium SA –, Rdnr. 28 m. w. N. 20

EuGH, Urteil v. 13.12.2007, Rs. C-250/06 – United Pan-Europe Communications Belgium SA –, Rdnr. 24. S.a. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 15, der ausführt, Must-Carry-Übertragungspflichten beschränkten die Dienstleistungsfreiheit der nicht verbreiteten Sender und der beschwerten Plattformbetreiber.

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verkehrs qualifiziert21, resümiert seine Ausführungen zur Rechtfertigung derartiger

Übertragungspflichten dahingehend, dass Art. 49 EGV mitgliedstaatlichen Rege-

lungen des soeben bezeichneten Inhalts nicht entgegenstehe, wenn diese Rege-

lungen (1) ein Ziel des Allgemeininteresses wie die Aufrechterhaltung des pluralisti-

schen Charakters des Fernsehprogrammangebots in diesem Gebiet im Rahmen der

Kulturpolitik dieses Mitgliedstaats verfolgten und (2) nicht außer Verhältnis zu diesem

Ziel ständen, was bedeute, dass die Durchführung der Regelung einem transparen-

ten Verfahren unterliegen müsse, welches auf objektiven, nicht diskriminierenden

und im Voraus bekannten Kriterien beruhe22. Hervorzuheben ist i.Ü., dass der EuGH

im Einklang mit seiner bis dato ergangenen Rechtsprechung die im Rahmen der Kul-

turpolitik der Mitgliedstaaten verfolgte Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rund-

funkwesens als zwingenden Grund des Allgemeinwohls im Sinne der Cassis-

Formel23 versteht, der eine Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen

kann24. Zudem ist von Bedeutung, dass das weite Ermessen der Mitgliedstaaten im

Hinblick auf die Erforderlichkeit einer solchen Beschränkung zur Erreichung eines

legitimen Zieles in der Entscheidung betont wird25.

Es ist mit einiger Plausibilität vermutet worden, der EuGH habe sich bezüglich der

Formulierung dieser Vorgaben für die Vereinbarkeit von Must-Carry-Verpflichtungen

mit der Dienstleistungsfreiheit von dem zum Entscheidungszeitpunkt bereits verab-

schiedeten und vom Schlussantrag des Generalanwalts ausdrücklich in Bezug ge-

nommenen26 Art. 31 UDRL inspirieren lassen27. Die vom EuGH formulierten Vorga-

ben entsprechen in der Tat weitgehend den in Art. 31 UDRL statuierten28.

21

EuGH, Urteil v. 13.12.2007, Rs. C-250/06 – United Pan-Europe Communications Belgium SA –, Rdnr. 32-38.

22 EuGH, Urteil v. 13.12.2007, Rs. C-250/06 – United Pan-Europe Communications Belgium SA –,

Rdnr. 51. 23

EuGH, Urteil v. 20.02.1979, Rs. 120/78 – Cassis de Dijon –, Rdnr. 8. 24

EuGH, Urteil v. 13.12.2007, Rs. C-250/06 – United Pan-Europe Communications Belgium SA –, Rdnr. 41; s.a. EuGH, Urteil v. 25.07.1991, Rs. C-288/89 – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda –, Rdnr. 23.

25 EuGH, Urteil v. 13.12.2007, Rs. C-250/06 – United Pan-Europe Communications Belgium SA –,

Rdnr. 44. 26

Schlussanträge des Generalanwalts M. Poiares Maduro v. 25.10.2007, in: Rs. C-250/06 – United Pan-Europe Communications Belgium SA –, Rdnr. 19.

27 Van Eijk/van der Sloot, IRIS plus 2012-5, S. 7 (12).

28 Vgl. auch bereits die Schlussanträge des Generalanwalts M. Poiares Maduro v. 25.10.2007, in:

Rs. C-250/06 – United Pan-Europe Communications Belgium SA –, Rdnr. 16 ff. – Wenn Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 16, darlegt, dass Must-Carry-

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II. Art. 31 UDRL als zentrale Vorgabe für von den Mitgliedstaaten auferlegte

Must-Carry-Verpflichtungen

1. Der Regelungsgehalt des Art. 31 UDRL

Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Rahmen-Richtlinie (RRL), der den Anwendungsbereich

für den durch das Telekommunikations-Richtlinien-Paket gebildeten sekundär-

rechtlichen Rechtsrahmen für die Telekommunikation festlegt, gilt dieser Rahmen

„für die Regulierung elektronischer Kommunikationsdienste, elektronischer Kommu-

nikationsnetze, zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste sowie bestimm-

ter Aspekte der Endeinrichtungen zur Erleichterung des Zugangs behinderter Nut-

zer“. Elektronische Kommunikationsdienste sind „gewöhnlich gegen Entgelt erbrach-

te Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektro-

nische Kommunikationsnetze bestehen, einschließlich Telekommunikations- und

Übertragungsdienste in Rundfunknetzen“ (Art. 2 lit. c) RRL). Die Einspeisung und

Übertragung von Rundfunksignalen in analogen und digitalen Kabelnetze(n) unterfällt

damit als elektronischer Kommunikationsdienst dem Telekommunikationsrechtsrah-

men29.

Die zentrale unionsrechtliche Vorgabe für die Auferlegung von Must-Carry-Ver-

pflichtungen gegenüber Netzbetreibern durch die Mitgliedstaaten der Union bildet

Art. 31 UDRL. Die Bestimmung lautet:

„(Abs. 1) Die Mitgliedstaaten können zur Übertragung bestimmter Hör-

und Fernsehrundfunkkanäle und ergänzender, insbesondere zugangser-

leichternder Dienste, die behinderten Endnutzern einen angemessenen

Zugang ermöglichen, den ihrer Rechtshoheit unterliegenden Unterneh-

men, die für die öffentliche Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehrund-

funkkanälen genutzte elektronische Kommunikationsnetze betreiben, zu-

mutbare Übertragungspflichten auferlegen, wenn eine erhebliche Zahl von

Übertragungspflichten in Charta-Grundrechte betroffener Unternehmen eingreifen, es aber nicht ersichtlich sei, dass diese Grundrechte die das grundrechtliche Wertesystem berücksichtigende Rechtsprechung des EuGH modifizieren müssten, gilt dies sicherlich auch hinsichtlich des Gehalts des Art. 31 UDRL, soweit diese Norm ihrerseits mit der Rechtsprechung des EuGH konvergiert.

29 Vgl. bereits Dörr/Volkmann, Kabelbelegungsregelungen HPRG, S. 49 f – Demgegenüber unterfällt

die Regulierung der Inhalte nicht der sekundärrechtlichen Telekommunikationsregulierung (vgl. die entsprechende Ausnahme in Art. 2 lit. c) der Richtlinie 2002/21/EG (Fn. 18)).

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Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum Empfang von Hörfunk- und

Fernsehrundfunkkanälen nutzt. Solche Pflichten dürfen nur auferlegt wer-

den, soweit sie zur Erreichung der von den einzelnen Mitgliedstaaten aus-

drücklich festgelegten Ziele von allgemeinem Interesse erforderlich sind,

und sie müssen verhältnismäßig und transparent sein.

Die Mitgliedstaaten überprüfen die Pflichten nach Unterabsatz 1 spätes-

tens ein Jahr nach dem 25. Mai 2011, es sei denn, der betreffende Mit-

gliedstaat hat eine solche Überprüfung innerhalb der beiden voran-

gegangenen Jahre vorgenommen.

Die Mitgliedstaaten überprüfen die Übertragungspflichten regelmäßig.

(Abs. 2) Weder Absatz 1 dieses Artikels noch Artikel 3 Absatz 2 der Richt-

linie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) beeinträchtigt die Möglichkeit der Mit-

gliedstaaten, in Bezug auf die nach diesem Artikel auferlegten Verpflich-

tungen gegebenenfalls ein angemessenes Entgelt festzulegen; dabei ist

zu gewährleisten, dass bei vergleichbaren Gegebenheiten keine Diskrimi-

nierung hinsichtlich der Behandlung der Unternehmen erfolgt, die elektro-

nische Kommunikationsnetze betreiben. Sofern ein Entgelt vorgesehen ist,

stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Erhebung nach dem Grundsatz

der Verhältnismäßigkeit und in transparenter Weise erfolgt.“

Diese Bestimmung versteht die Auferlegung der in Rede stehenden Pflichten als eine

in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten der Union fallende Angelegenheit30.

Die Pflichten werden durch die Mitgliedstaaten hoheitlich nach öffentlichem Recht

auferlegt. Sie treffen (auch) die Betreiber von Kabelnetzen als elektronischen Kom-

munikationsdiensten, die für die öffentliche Verbreitung von Hörfunk- und Fernseh-

rundfunkkanälen genutzt werden, sofern eine erhebliche Zahl von Endnutzern diese

Netze als Hauptmittel zum Empfang solcher Kanäle nutzt31.

Des Weiteren wird der Terminus „Übertragungspflichten“ verwendet. Daraus ist zu

schließen, dass es bei diesen Pflichten nicht etwa nur um solche der Vorhaltung von

30

S.a. Erwägungsgrund 43 zur Richtlinie 2002/22/EG (Fn. 18). Deutlich dazu Bartosch, EuZW 2002, S. 389 (391).

31 S. dazu Erwägungsgrund 44 zur Richtlinie 2002/22/EG (Fn. 18).

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9

Kabelkapazitäten für die pflichtgegenständlichen Programme, sondern um die Ge-

währung von Zugang und die Weiterleitung32 der begünstigten Programme durch den

pflichtigen Betreiber elektronischer Kommunikationsnetze geht. Ein mit der Statu-

ierung von Pflichten gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 1 UDRL im Interesse der Endnutzer33

verfolgter Pluralismussicherungszweck kann auch nur durch die Übertragung der

dazu bestimmten Programme, nicht bereits durch die Vorhaltung von dazu benötig-

ten Übertragungskapazitäten erreicht werden. Nur die Übertragung sichert die Emp-

fangbarkeit von Angeboten mit Must-Carry-Status durch die Rezipienten, deren freie

Meinungsbildung durch die Versorgung mit einem vielfältigen Angebot ermöglicht

werden soll.

Für die Auferlegung von – regelmäßig zu überprüfenden – Übertragungspflichten

statuiert Art. 31 UDRL verschiedene Bedingungen: Übertragungspflichten müssen

zumutbar sein. Sie dürfen nur auferlegt werden, wenn ein Mitgliedstaat damit aus-

drücklich festgelegte Ziele im Allgemeininteresse verfolgt und die Pflichten zur

Zweckerreichung erforderlich, verhältnismäßig und transparent sind34. Was die Legi-

timität des verfolgten Ziels angeht, hat der EuGH im Einklang mit seiner bisherigen

Rechtsprechung auch im Hinblick auf Art. 31 Abs. 1 UDRL judiziert, dass der Schutz

von Pluralismus und kultureller Vielfalt bzw. die Aufrechterhaltung eines pluralisti-

schen Rundfunkwesens als Bestandteil einer mitgliedstaatlichen, die Meinungsfrei-

heit im jeweiligen Land schützenden Kulturpolitik legitime Ziele im Allgemeininteresse

darstellen35.

Schließlich stellt Art. 31 Abs. 2 UDRL klar, dass die Mitgliedstaaten über die – von

Art. 31 Abs. 1 UDRL und Art. 3 Abs. 2 der Zugangs-Richtlinie (ZRL) nicht beein-

trächtigte – Möglichkeit verfügen, angemessene Entgelte in Bezug auf von Ihnen

auferlegte Übertragungspflichten festzulegen. Für den Fall der Festlegung von Ent-

gelten dürfen diese Netzbetreiber nicht diskriminieren und müssen verhältnismäßig

und transparent erhoben werden.

32

Deutlich wird dies auch anhand des Textes in der französischen Fassung „obligations (…) de diffu-ser“, ABl. (EG) L 108 v. 24.04.2002 (FR), S. 51 (66), und in der englischen Fassung „‘must carry‘ obligations, for the transmission (…)“, ABl. (EG) L 108 v. 24.04.2002 (EN), S. 51 (66).

33 Art. 31 UDRL ist Bestandteil des Kapitels IV der Regelungen der UDRL über „Interessen und

Rechte der Endnutzer“; dies heben auch Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (9) hervor. 34

S.a. Erwägungsgrund 43 zur Richtlinie 2002/22/EG (Fn. 18). 35

EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 36 ff m. zahlr. w. N.; EuGH, Urteil v. 03.03.2011, Rs. C-134/10 – Kommission./.Belgien –, Rdnr. 44.

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10

2. Der Zusammenhang zwischen der Zumutbarkeit von Übertragungspflich-

ten und der Festlegung von Entgelten

Von besonderem Interesse ist im vorliegenden Kontext die Frage, ob ein Zusam-

menhang zwischen der Zumutbarkeit bzw. Verhältnismäßigkeit36 der Auferlegung

einer Übertragungspflicht einerseits und der (Möglichkeit der) Festlegung eines Ent-

gelts andererseits besteht.

Der von der Europäischen Kommission am 28.08.2000 vorgelegte Richtlinienentwurf

sah noch eine Pflicht der Mitgliedstaaten vor zu gewährleisten, dass die Unterneh-

men, denen Übertragungspflichten auferlegt werden, unter Berücksichtigung der er-

forderlichen Netzkapazität in geeigneter Weise nach angemessenen, transparenten

und nichtdiskriminierenden Kriterien entschädigt werden (Art. 26 Abs. 2 UDRL-E)37.

Diese Gewährleistungspflicht ist im endgültigen Text der UDRL nicht mehr enthalten.

Vielmehr wird – wie ausgeführt – lediglich noch die Möglichkeit der Mitgliedstaaten

zur Entgeltfestsetzung nach bestimmten Kriterien anerkannt38.

Demnach sind die Mitgliedstaaten nach Art. 31 Abs. 2 UDRL nicht per se verpflichtet,

im Gegenzug zur Auferlegung von Übertragungspflichten ein Entgelt festzusetzen.

Allerdings wird innerhalb eines Satzes des einschlägigen Erwägungsgrundes das

Kriterium der Zumutbarkeit expliziert und in unmittelbarem Zusammenhang damit

ausgeführt, hierfür könne ggf. ein angemessenes Entgelt vorgesehen werden39. Auf

diese Weise wird ein Zusammenhang zwischen der Auferlegung von Übertragungs-

pflichten einerseits und der Entgeltfestsetzung andererseits hergestellt. Dies leuchtet

unmittelbar ein: Eine zur Zielerreichung erforderliche Anordnung von Übertragungs-

36

Wenn es im Erwägungsgrund 43 zur Richtlinie 2002/22/EG (Fn. 18) heißt, die auferlegten Übertra-gungspflichten müssten zumutbar, d.h., „unter Berücksichtigung klar umrissener Ziele von allge-meinem Interesse dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und transparent sein“, zeigt dies, dass der Terminus „Zumutbarkeit“ den Oberbegriff für die zuletzt genannten Voraus-setzungen bildet. Unter Zugrundelegung dieser Systematik sind Fragen des Ausmaßes der Belas-tung der Kabelnetzbetreiber (auch in wirtschaftlicher Hinsicht) spezifisch dem Aspekt der Verhält-nismäßigkeit zuzuordnen und werden auch im Folgenden als solche bezeichnet und behandelt. Der Begriff der Zumutbarkeit wird diesbezüglich nur verwendet, soweit er in diesem Zusammen-hang von anderen benutzt wird.

37 Vorschlag der Europäischen Kommission v. 12.07.2000 für eine Richtlinie des Europäischen Par-

laments und des Rates über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunika-tionsnetzen und -diensten, KOM(2000) 392 endg., ABl. (EG) C 365 E v. 19.12.2000, S. 238.

38 Die englischen Sprachfassungen des Entwurfs einer Universaldienstrichtlinie (Fn. 37) formulieren

ebenfalls „Member States shall ensure that (…) receive appropriate compensation (…)”, in der endg. Fassung jedoch nur noch “Neither paragraph 1 (…) shall prejudice the ability (…) to deter-mine appropriate remuneration (…)”, vgl. ABl. (EG) L 108 v. 24.04.2002 (EN), S. 51, 66 f.

39 Erwägungsgrund 43, S. 3, zur Richtlinie 2002/22/EG (Fn. 18). Auf diesen Zusammenhang weisen

auch Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (8), hin.

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pflichten kann trotz u.U. hoher Eingriffsintensität ggf. unter Berücksichtigung der

Festsetzung eines vom Inhalte-Anbieter an den betroffenen Netzbetreiber zu zahlen-

den Entgelts und der damit verbundenen Reduzierung der Kosten der Must-Carry-

Verpflichtungen40 als verhältnismäßig i.e.S. gerechtfertigt werden. In diesem Sinne

hat die Europäische Kommission, die i.Ü. betont, es existiere (an sich) keine Ver-

pflichtung der Mitgliedstaaten, im Gegenzug zur Auferlegung von Übertragungspflich-

ten die Zahlung eines Entgelts an die Kabelnetzbetreiber sicherzustellen41, in einem

Arbeitspapier zu den Must-Carry-Verpflichtungen ausgeführt, Mittel zur Erreichung

eines legitimen Ziel müssten sowohl erforderlich als auch möglichst wenig belastend

sein. Am wenigsten belastend seien die ökonomisch effizientesten Mittel. Ein Entgelt

könne ein Mittel der Sicherung ökonomischer Effizienz sein42. Möglicherweise impli-

ziere Art. 31 Abs. 1 UDRL, dass unter bestimmten Umständen eine Art von Entgelt

vorgesehen werden solle, um die Must-Carry-Verpflichtung als angemessen betrach-

ten zu können43. Eben diesen Zusammenhang hat auch der EuGH in seiner Ent-

scheidung zur Kabelbelegung in Niedersachsen hergestellt44. Der Gerichtshof führt

dort aus, die im Ausgangsverfahren streitige Must-Carry-Verpflichtung könne sich

mangels anderer gleichermaßen zielführender Mittel als verhältnismäßig erweisen.

Um zu vermeiden, dass der Kabelnetzbetreiber unzumutbaren und willkürlichen Ver-

pflichtungen ausgesetzt werden würde, seien auch die wirtschaftlichen Folgen für

den Kabelnetzbetreiber zu prüfen. Als unzumutbar qualifiziert der EuGH Verpflich-

tungen, die der Netzbetreiber – ggf. im Hinblick auf die Gesamtheit seiner Tätigkei-

ten – nicht unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen erfüllen könne. Bei der Zu-

mutbarkeitsprüfung sei (auch) zu berücksichtigen, dass Art. 31 Abs. 2 UDRL den

Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräume, ein angemessenes Entgelt festzulegen. Es

40

Arbeitspapier der Europäischen Kommission v. 22.07.2002, 'Must-carry' obligations under the 2013 regulatory framework for electronic communication networks and services (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/doc/current/broadcasting/onp_dbeg_doc_re_must_carry.pdf), S. 3, 1.1.2.

41 Arbeitspapier der Europäischen Kommission v. 22.07.2002 (Fn. 40), S. 8, 1.2.2.4.

42 Arbeitspapier der Europäischen Kommission v. 22.07.2002 (Fn. 40), S. 8, 1.2.2.2.

43 Arbeitspapier der Europäischen Kommission v. 22.07.2002 (Fn. 40), S. 8, 1.2.2.4.

44 Im Ausgangsverfahren ging es um einen Bescheid der Niedersächsischen Landesmedienanstalt

(NLM), der zur Vollbelegung des analogen Kabelnetzes von Kabel Deutschland führte; vgl. EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 14 f.

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12

sei Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob die auferlegten Pflichten die Ge-

währung eines solchen Entgelts erforderlich machten45.

Nach alledem besteht bereits im Rahmen des Art. 31 UDRL ein Zusammenhang

zwischen der Verhältnismäßigkeit der Must-Carry-Verpflichtung und der Festsetzung

eines Entgelts im Hinblick auf diese Verpflichtung. Eine erforderliche Must-Carry-

Verpflichtung ist unter bestimmten Umständen nur verhältnismäßig, wenn der be-

treffende Mitgliedstaat zur Vermeidung wirtschaftlich nicht mehr vertretbarer Bedin-

gungen des Kabelnetzbetriebs ein Entgelt zugunsten des Netzbetreibers festsetzt46.

Eine Statuierung von Übertragungspflichten und eine korrespondierende Fest-

setzung der Entgelte im Sinne des Art. 31 Abs. 2 UDRL stellen hoheitliche Akte der

Einwirkung auf horizontale Rechtsverhältnisse zwischen den ihre Signale zur Verfü-

gung stellenden Rundfunkdiensten und den in liberalisierten Märkten für elektro-

nische Kommunikationsdienste47 ihre Leistungen grundsätzlich nach Maßgabe des

Zivilrechts vereinbarenden und erbringenden Netzbetreibern (oder gar die Ersetzung

zivilrechtlicher Einspeiseverträge durch ein öffentlich-rechtliches „Must-Carry“-

Regime) dar. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit und u.U. auch die Pflicht, zur

Wahrung der Zumutbarkeit bzw. Verhältnismäßigkeit der Auferlegung von Must-

Carry-Verpflichtungen Entgelte festzusetzen.

Deutlich zu weit geht allerdings die Behauptung, aus dem Tatbestandsmerkmal der

Zumutbarkeit folge grundsätzlich ein Vergütungsgebot48. Eine Verpflichtung der Mit-

gliedstaaten zur Festlegung von Einspeiseentgelten besteht weder nach Art. 31 45

EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 41, 46, 48. Die These, wenn sowohl die analoge als auch die digitale Nutzung des Kabels mit Übertragungspflichten ein-hergehe, verdichte sich die Frage nach einem angemessenen Entgelt zu dem entscheidenden As-pekt der Zumutbarkeit – so Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (15) –, ist jedenfalls der in Rede stehenden, eher vorsichtig formulierten Passage dieses Urteils des EuGH nicht zu entnehmen.

46 Dass sich auch auf der national-rechtlichen Ebene unter dem Einfluss des Verfassungsrechts eine

entsprechende Pflicht zur Kompensation der mit der Erfüllung von Must-Carry-Verpflichtungen ver-bundenen Lasten ergeben kann, sei hier nur erwähnt. Näher dazu unten D. III.

47 Die Liberalisierung des Telekommunikationssektors erfolgte schrittweise. Speziell ist die ex-post-

Entgeltregulierung nach der Herausnahme des Marktes Nr. 18 für Rundfunkübertragungsdienste aus der Märkteempfehlung der Kommission (Empfehlung 2007/879/EG v. 17.12.2007 über rele-vante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, K(2007) 5406, ABl. (EG) L 344 v. 28.12.2007, S. 65) entfallen, s.a. BNetzA, Festlegung der Präsidentenkammer v. 07.10.2010, Az.: BK 1-09/005 (abrufbar unter: http://www.bundesnetzagentur.de/DE/DieBundesnetzagentur/Beschlusskammern/1BK-Geschaeftszeichen-Datenbank/BK3-GZ/2010/2010_001bis100/BK3-10-083_bis_085_BKV/ Festlegung_der%20Praes_kammer.pdf?_blob=publicationFile).

48 So aber Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (16).

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Abs. 1 UDRL noch – wie sogleich gezeigt werden wird – nach Art. 31 Abs. 2 UDRL49.

Die Frage nach der Notwendigkeit der Festlegung eines Entgelts für die Erfüllung

von Übertragungspflichten ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit, also der Abwä-

gung, die anhand der jeweils maßgeblichen Faktenlage vorzunehmen ist. Das jewei-

lige Abwägungsergebnis hinsichtlich der Frage, ob zur „Herstellung“ der Verhältnis-

mäßigkeit der Auferlegung von Übertragungspflichten eine Entgeltfestlegung not-

wendig ist, ist von der offenen Norm des Art. 31 Abs. 1 UDRL nicht einmal „grund-

sätzlich“ in Richtung auf ein Vergütungsgebot beantwortet. Und zur Unan-

gemessenheit als Abwägungsergebnis führt nach der bereits thematisierten Recht-

sprechung des EuGH nur der Fall, dass der Netzbetreiber ihm auferlegte Übertra-

gungspflichten – ggf. im Hinblick auf die Gesamtheit seiner Tätigkeiten – nicht unter

wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen erfüllen kann.

3. (Un-)Entgeltlichkeit der Erfüllung von Übertragungspflichten bei fehlender

Entgeltfestlegung durch die Mitgliedstaaten der Union?

Zu klären ist nunmehr, ob aus Art. 31 Abs. 2 UDRL folgt, dass die einem Netzbetrei-

ber auferlegte Übertragungspflicht unentgeltlich zu erbringen ist, wenn ein Mitglied-

staat von seiner Möglichkeit zur Entgeltfestlegung keinen Gebrauch gemacht hat50.

Ausdrücklich enthält die Bestimmung keine solche Festlegung. Die Vorschrift könnte

allenfalls wie beschrieben auszulegen sein, falls der Verweis auf die Möglichkeit der

Mitgliedstaaten zur Entgeltfestlegung den Schluss auf die Unentgeltlichkeit der Er-

füllung von Übertragungspflichten im Falle fehlender Entgeltfestsetzung durch die

Mitgliedstaaten zuließe.

Dagegen spricht indes zunächst der normative Status des Gehalts der Vorschrift.

Art. 31 Abs. 2 UDRL enthält lediglich die Klarstellung, dass weder Art. 31

Abs. 1 UDRL noch Art. 3 Abs. 2 ZRL die Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Entgelt-

festsetzung beeinträchtigen, geht also davon aus, dass die Mitgliedstaaten über die-

49

Vergütungsansprüche der Kabelnetzbetreiber lassen sich aus dem Tatbestandsmerkmal der Zu-mutbarkeit im Rahmen des Art. 31 Abs. 1 Satz 1 UDRL ohnehin nicht ableiten: Richtlinien begrün-den regelmäßig nur Verpflichtungen der Mitgliedstaaten der EU (vgl. Art. 288 Satz 3 AEUV); die Voraussetzungen der ausnahmsweisen unmittelbaren Wirkung – vgl. dazu nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV, Rdnr. 51 ff – liegen hinsichtlich des hochgradig unbe-stimmten Tatbestandsmerkmals der Zumutbarkeit nicht vor.

50 So könnte die Formulierung von Dörr, ZUM 2013, S. 81 (86), tendenziell verstanden werden.

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se Möglichkeit kraft eigener Hoheitsbefugnis verfügen. Danach kommt Art. 31

Abs. 2 UDRL insoweit51 nicht der Status einer konstitutiven Bestimmung zu. An die

nicht konstitutive Klarstellung der Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Entgeltfest-

setzung kann aber nicht eine Folgerung geknüpft werden, die zur Annahme der kon-

stitutiven Anordnung bestimmter Rechtsfolgen als Gehalt der auszulegenden Be-

stimmung führt.

Dies einmal außen vor gelassen, ist der Schluss von der Klarstellung des Bestehens

der Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Entgeltfestsetzung auf die Unentgeltlichkeit

bei fehlender Festsetzung ein Fehlschluss. Denn die Mitgliedstaaten sind nicht die

einzigen Akteure, die im Hinblick auf die Begründung von Rechtspflichten der Rund-

funkdienste zur Zahlung von Entgelten für die Erbringung von Must-Carry-Dienst-

leistungen in Betracht zu ziehen sind. Telekommunikations- und Übertragungs-

dienste in Rundfunknetzen zählen zu den regelmäßig gegen Entgelt erbrachten

elektronischen Kommunikationsdiensten (vgl. Art. 2 lit. c) RRL) und diese Entgelte

werden grundsätzlich auf horizontaler Ebene zwischen den Nachfragern und den

Anbietern dieser Dienste ausgehandelt. Zutreffend jedenfalls im Hinblick auf das

„Ob“ einer Entgeltpflicht wird diesbezüglich darauf hingewiesen, für das Verhältnis

zwischen dem von den Übertragungspflichten Begünstigten und dem verpflichteten

Infrastrukturbetreiber sei Art. 31 Abs. 2 UDRL ohne Aussage52. Dementsprechend

verbietet diese Vorschrift auch nicht die vertragliche Vereinbarung von Entgelten.

Wenn Art. 31 Abs. 2 UDRL keine normativen Festlegungen hinsichtlich des Be-

stehens einer Entgeltpflicht im horizontalen Verhältnis zwischen Must-Carry-Begüns-

tigtem und -Verpflichtetem enthält, trifft die vage Behauptung, grundsätzlich gehe die

dort angesprochene Entgeltregulierung von einer Vergütung für die Erfüllung von

Übertragungspflichten in eben diesem Horizontalverhältnis aus53, i.Ü. jedenfalls nicht

in dem Sinne zu, Art. 31 Abs. 2 UDRL statuiere derartige Vergütungspflichten.

Daher ist Art. 31 Abs. 2 UDRL nicht zu entnehmen, dass bei fehlender mitglied-

staatlicher Festlegung von Entgelten in Bezug auf Übertragungspflichten von Must-

Carry-Verpflichtungen begünstigte Fernsehkanäle unentgeltlich zu übertragen wären.

51

Eine konstitutive Regelung enthält Art. 31 Abs. 2 UDRL nur hinsichtlich der Konditionen der Ent-geltfestlegung und -erhebung. Dieser normative Gehalt beinhaltet allerdings keine Bestimmung der Rechtsfolgen fehlender Entgeltfestsetzung.

52 Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (16).

53 So Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (16).

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Die Vorschrift statuiert allerdings auch keine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Festle-

gung von Entgelten.

4. Zwischenfazit

Im Hinblick auf die Analyse der UPC-Entscheidung des EuGH unter dem Gesichts-

punkt der Dienstleistungsfreiheit sowie der Interpretation des Art. 31 UDRL sind nach

alldem folgende Ergebnisse festzuhalten:

Die Ausstrahlung von Fernsehsendungen inklusive ihrer Kabelübertragung ist

nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH eine Dienstleistung im Sinne

des Art. 56 AEUV (vormalig Art. 49 EGV).

Nach der UPC-Entscheidung des EuGH stellen Must-Carry-Verpflichtungen

Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs dar, denen die Dienst-

leistungsfreiheit nicht entgegensteht, wenn diese Regelungen (1) ein Ziel des

Allgemeininteresses wie die Aufrechterhaltung des pluralistischen Charakters

des Fernsehprogrammangebots in diesem Gebiet im Rahmen der Kulturpolitik

dieses Mitgliedstaats verfolgen und (2) nicht außer Verhältnis zu diesem Ziel

stehen. Das bedeutet, dass die Durchführung der Regelung einem trans-

parenten Verfahren unterliegen muss, welches auf objektiven, nicht diskrimi-

nierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht.

Diese vom EuGH sub specie der Dienstleistungsfreiheit formulierten Vorgaben

entsprechen weitgehend den in Art. 31 UDRL statuierten.

Diese Bestimmung versteht die Auferlegung der in Rede stehenden Pflichten

als eine in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten der Union fallende An-

gelegenheit. Die Pflichten werden durch die Mitgliedstaaten hoheitlich nach öf-

fentlichem Recht auferlegt. Sie treffen (auch) die Betreiber von Kabelnetzen

als elektronischen Kommunikationsdiensten, die für die öffentliche Verbreitung

von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen genutzt werden, sofern eine er-

hebliche Zahl von Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum Empfang sol-

cher Kanäle nutzt.

„Übertragungspflichten“ im Sinne des Art. 31 Abs. 1 UDRL werden nicht etwa

bereits durch die Vorhaltung von Kabelkapazitäten für die pflichtgegenständ-

lichen Programme, sondern nur durch die Gewährung von Zugang und die

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Weiterleitung der begünstigten Programme durch den pflichtigen Betreiber

elektronischer Kommunikationsnetze erfüllt.

Für die Auferlegung von – regelmäßig zu überprüfenden – Übertragungspflich-

ten statuiert Art. 31 UDRL verschiedene Bedingungen: Übertragungspflichten

müssen zumutbar sein. Sie dürfen nur auferlegt werden, wenn ein Mitglied-

staat damit ausdrücklich festgelegte Ziele im Allgemeininteresse verfolgt und

die Pflichten zur Zweckerreichung erforderlich, verhältnismäßig und trans-

parent sind.

Was die Legitimität des verfolgten Ziels angeht, hat der EuGH im Einklang mit

seiner bisherigen Rechtsprechung auch im Hinblick auf Art. 31 Abs. 1 UDRL

judiziert, dass der Schutz von Pluralismus und kultureller Vielfalt bzw. die Auf-

rechterhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens als Bestandteil einer

mitgliedstaatlichen, die Meinungsfreiheit im jeweiligen Land schützenden Kul-

turpolitik legitime Ziele im Allgemeininteresse darstellen.

Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 31 Abs. 2 UDRL nicht per se verpflichtet, im

Gegenzug zur Auferlegung von Übertragungspflichten ein Entgelt festzu-

setzen. Allerdings qualifiziert der EuGH Übertragungspflichten als unzumutbar

im Sinne des Art. 31 Abs. 1 UDRL, die der Netzbetreiber – ggf. im Hinblick auf

die Gesamtheit seiner Tätigkeiten – nicht unter wirtschaftlich vertretbaren Be-

dingungen erfüllen kann. Es ist daher jeweils zu prüfen, ob die auferlegten

Übertragungspflichten unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit bzw. Ver-

hältnismäßigkeit gemäß Art. 31 Abs. 1 UDRL die Entgeltung der Erfüllung von

Übertragungspflichten erforderlich machen.

Art. 31 Abs. 2 UDRL enthält lediglich die Klarstellung, dass weder Art. 31

Abs. 1 UDRL noch Art. 3 Abs. 2 ZRL die Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur

Entgeltfestsetzung beeinträchtigen, geht also davon aus, dass die Mitglied-

staaten über diese Möglichkeit kraft eigener Hoheitsbefugnis verfügen.

Art. 31 Abs. 2 UDRL ist nicht zu entnehmen, dass bei fehlender mitgliedstaat-

licher Festlegung von Entgelten in Bezug auf Übertragungspflichten von Must-

Carry-Verpflichtungen begünstigte Fernsehkanäle unentgeltlich zu übertragen

wären. Jedenfalls im Hinblick auf das „Ob“ einer Entgeltpflicht ist Art. 31

Abs. 2 UDRL hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem von den Übertra-

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gungspflichten Begünstigten und dem verpflichteten Infrastrukturbetreiber

ohne normative Aussage. D.h. allerdings auch, dass die Bestimmung keine

Pflicht der Mitgliedstaaten zur Festlegung von Entgelten begründet.

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18

C. Must-Carry-Verpflichtungen im deutschen Recht

I. Einführung

Im deutschen Recht sind nach dem derzeitigen Stand54 Must-Carry-Verpflichtungen

in Bezug auf digital verbreitete Programme (auch) des öffentlich-rechtlichen Rund-

funks in § 52b des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) statuiert55, § 52d RStV enthält

Vorgaben über die Gestaltung von Entgelten und Tarifen. Den interföderalen Rah-

men für die in den Landesmedien-/-rundfunkgesetzen befindlichen (Must-Carry-56)

Regelungen im Hinblick auf die analoge Kabelbelegung57 bildet der weithin unions-

rechtliche Vorgaben rezipierende58 § 51b Abs. 3 RStV. Was die Frage einer etwaigen

Entgeltfestlegung im Sinne des Art. 31 Abs. 2 UDRL betrifft, ist zusätzlich das tele-

kommunikationsrechtliche Entgeltregulierungsregime (§§ 27 ff TKG) in die Überle-

gungen einzubeziehen. Die nachfolgende Würdigung der in Rede stehenden Bestim-

mungen wird sich auf die im Rahmen dieser Untersuchung zu klärenden Fragen be-

schränken.

II. Must-Carry-Verpflichtungen nach dem RStV

1. § 52b RStV

§ 52b RStV ist Bestandteil der durch den 10. RÄndStV59 etablierten Plattformregulie-

rung. (Private) Betreiber digitaler Kabelnetze, die (auch) Fernseh- und/oder Hörfunk-

programme auch von Dritten verbreiten, sind Plattformanbieter im Sinne des § 2

Abs. 2 Nr. 13 RStV60.

§ 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RStV enthält die Belegungsvorgaben für den auf die tech-

nische Kapazität im Umfang von höchstens einem Drittel der für die digitale Verbrei-

tung von Rundfunk zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität limitierten Must-

54

Zur Entstehungsgeschichte vgl. nur Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 3 ff.

55 Vgl. nur Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 118.

56 Vgl. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 27.

57 S.a. Wille/Schulz/Buch, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 51b RStV, Rdnr. 45.

58 Dazu Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 7.

59 Vgl. Amtl. Begr. zum 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄndStV), hier zit. nach Hartstein u.a.,

RStV, A 2.8, S. 24 ff. 60

Vgl. Hartstein u.a., RStV, § 2 RStV, Rdnr. 51.

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Carry-Bereich61 für Fernsehprogramme; dabei müssen die für diesen Bereich zur

Verfügung gestellten Kapazitäten im Verhältnis zu anderen digitalen Kapazitäten

technisch gleichwertig sein (§ 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. d) RStV).

Gemäß § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) RStV hat der Plattformanbieter sicherzustel-

len, „dass die erforderlichen Kapazitäten für die für die bundesweite Verbreitung ge-

setzlich bestimmten beitragsfinanzierten Programme sowie für die Dritten Pro-

gramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschließlich programmbegleitender

Dienste zur Verfügung stehen; die im Rahmen der Dritten Programme verbreiteten

Landesfenster sind nur innerhalb der Länder zu verbreiten, für die sie gesetzlich be-

stimmt sind“. Reicht die für den Must-Carry-Bereich vorgesehene technische Kapa-

zität nicht zur Belegung mit allen dem Must-Carry-Bereich zugeordneten Program-

men und Diensten aus, genießen „die für das jeweilige Verbreitungsgebiet gesetzlich

bestimmten beitragsfinanzierten Programme und programmbegleitende(n) Dienste

des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Vorrang unbeschadet der angemessenen Be-

rücksichtigung“ der übrigen Must-Carry-Programme (§ 52b Abs. 1 Satz 2 RStV).

Im Hinblick auf die Belegung von Hörfunkprogramm-Plattformen62 hat der Plattform-

anbieter sicherzustellen, dass „innerhalb einer technischen Kapazität im Umfang von

höchstens einem Drittel der für die digitale Verbreitung von Hörfunk zur Verfügung

stehenden Gesamtkapazität die technischen Kapazitäten für die in dem jeweiligen

Verbreitungsgebiet gesetzlich bestimmten beitragsfinanzierten Programme und pro-

grammbegleitenden Dienste des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Verfügung ste-

hen“ (§ 52b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV). Für den Must-Carry-Bereich in Bezug auf Hör-

funkprogramme gilt die Vorrangregelung des § 52b Abs. 1 Satz 2 RStV entsprechend

(§ 52b Abs. 2 Satz 3 RStV). Werden auf einer Plattform Hörfunk- und Fernsehpro-

gramme verbreitet, sind die öffentlich-rechtlichen Must-Carry-Hörfunkprogramme im

Rahmen der Kapazität gemäß § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) RStV zu berücksichtigen

(§ 52b Abs. 2 Satz 4 RStV). Wenn § 52b Abs. 3 Nr. 2 RStV bestimmt, dass der Platt-

formanbieter von den Vorgaben des § 52b Abs. 1, 2 RStV befreit ist, soweit das Ge-

bot der Meinungsvielfalt und Angebotsvielfalt bereits im Rahmen der (spezielleren63)

Zuordnungs- oder Zuweisungsentscheidung nach § 51 RStV oder nach § 51a RStV

61

Vgl. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 31 f. 62

Vgl. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 77. 63

Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 93.

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berücksichtigt wurde, ergibt sich i.Ü. aus dem RStV selbst, dass auch die Must-

Carry-Regelungen den Zweck der Sicherung publizistischer Vielfalt64 verfolgen. In-

soweit liegt eine ausdrückliche Festlegung eines legitimen Ziels von allgemeinem

Interesse im Sinne des Art. 31 Abs. 1 UDRL durch den Gesetzgeber vor65.

2. § 52d RStV

§ 52d RStV betrifft die Entgelte und Tarife für die Verbreitung von Rundfunk-

programmen66 und vergleichbaren Telemedien67. Die Vorschrift, die der Vielfaltssi-

cherung im Hinblick auf die Preisgestaltung dient68, verbietet zunächst mit prakti-

scher Relevanz vor allem für die Kabelnetzbetreiber69 den Plattformanbietern70 die

unbillige Behinderung und die gegenüber gleichartigen Anbietern ungerechtfertigte

Ungleichbehandlung der Anbieter von Rundfunk oder vergleichbaren Telemedien

durch die Ausgestaltung der Entgelte und Tarife71 für den Signaltransport (§ 52d

Satz 1 RStV). Diese allgemeinen Vorgaben werden durch § 52d Satz 2 RStV um ei-

ne besondere Angemessenheitsverpflichtung im Hinblick auf die Preisgestaltung für

den Transport von (bestimmten) Inhalte-Angeboten im Sinne des § 52b RStV er-

gänzt72; zu diesen Inhalte-Angeboten zählen die öffentlich-rechtlichen Must-Carry-

Fernseh- und Hörfunkprogramme73. Als angemessen sollen nach dem Willen des

Gesetzgebers Verbreitungskosten gelten, die nicht höher ausfallen als die Kosten

64

Zum Vielfaltssicherungszweck deutlich die amtl. Begr. zum 4. RÄndStV, hier zit. nach Hartstein u.a., RStV, A 2.2, S. 29 zu § 52 RStV a.F. als Vorgänger-Vorschrift zu § 52b RStV. – Die Angebotsvielfalt dient wiederum der Meinungsvielfalt; Hain, AfP 2012, S. 313 (319).

65 Vgl. o. B. II. 1.

66 Hartstein u.a., RStV, § 52d RStV, Rdnr. 5.

67 Zur Entstehungsgeschichte vgl. nur Hartstein u.a., RStV, § 52d RStV, Rdnr. 1 ff.

68 Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 2 unter Rekurs auf

S. 33 der amtl. Begr. zum 10. RÄndStV, hier zit. nach Hartstein u.a., RStV, A 2.8, S. 27. 69

Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 3. 70

Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 3; Hartstein u.a., RStV, § 52d RStV, Rdnr. 5.

71 „Entgelte“ sind individuell ausgehandelte Gegenleistungen für die Leistungen der Plattformanbieter,

„Tarife“ sind von den Plattformanbietern festgelegte, allgemein angewendete Preislisten für die Leistungen der Plattformanbieter; vgl. nur Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunk-recht, § 52d RStV, Rdnr. 8 m. w. N.

72 Hartstein u.a., RStV, § 52d RStV, Rdnr. 7.

73 Zu Unstimmigkeiten im Bereich der in § 52d Satz 2 RStV enthaltenen Verweisungen Wagner, in:

Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 15 m. w. N.

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einer effizienten Leistungserbringung oder die marktüblich erhoben werden74. Diese

materiellen Regelungen zur Entgelt- und Tarifgestaltung werden durch die Offenle-

gungspflicht gemäß § 52d Satz 3 RStV ergänzt.

3. Must-Carry, nicht Must-Provide

Unter Rekurs auf den Wortlaut des § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RStV, in dem es im

Hinblick auf die Angebote gemäß lit. a) – c) der Bestimmung heißt, die privaten Platt-

formanbieter hätten sicherzustellen, dass die (erforderlichen) Kapazitäten zur Verfü-

gung ständen, wird angenommen, § 52b Abs. 1 RStV regele auch nicht mehr als

eben dies: eine Pflicht, Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, nicht aber eine „unmit-

telbare gesetzliche Pflicht zur Verbreitung bestimmter Programme“ und demgemäß

„keine gesetzlichen Ansprüche auf Durchleitung“75. Entsprechendes ließe sich

– dieser Argumentationslogik folgend – i.Ü. auch in Bezug auf die auf die öffentlich-

rechtlichen Hörfunkprogramme bezogenen Pflichten gemäß § 52b Abs. 2 Satz 2

Nr. 1 RStV behaupten.

Allerdings greift diese Argumentation bereits auf der Wortlautebene der Interpretation

zu kurz. Auch wenn in der Tat in den soeben genannten Vorschriften von der Zurver-

fügungstellung von Kapazitäten die Rede ist, geht es in § 52b RStV – wie etwa der

Wortlaut des § 52b Abs. 4 Satz 1, 4 RStV deutlich zeigt, der sich generell auf die Er-

füllung der sich aus den vorangehenden Absätzen der Vorschrift ergebenden Anfor-

derungen bezieht – um die Belegung einer Plattform mit Inhalte-Angeboten, die zu

verbreiten sind. Dies wird von mehreren entsprechenden Formulierungen in den De-

tailregelungen des § 52b RStV bestätigt76. In Bezug auf die öffentlich-rechtlichen An-

gebote mit Must-Carry-Status formuliert § 52b Abs. 2 Satz 4 RStV, die Programme

nach § 52b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV seien im Rahmen der Kapazität nach § 52b 74

Amtl. Begr. zum 10. RÄndStV, hier zit. nach Hartstein u.a., RStV, A 2.8, S. 27; dazu Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 10. Zutreffend machen Hartstein u.a., RStV, § 52d RStV, Rdnr. 7 (mit Fn. 5), darauf aufmerksam, dass diese Kriterien in den §§ 4 Abs. 4 Nr. 3, 17 der Zugangs- und Plattformsatzung (abgedr. in dies., RStV, § 53 RStV, Rdnr. 8) nicht aufgegriffen werden, sondern auf die allgemeinen Kriterien nach § 52d Satz 1 RStV verwiesen wird.

75 Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (11). S.a. Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (32).

76 Vgl. etwa: § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) a.E. RStV: „(…) die (…) Landesfenster sind nur innerhalb

der Länder zu verbreiten (…)“; § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RStV: „(…) Entscheidung über die Bele-gung mit in digitaler Technik verbreiteten Fernsehprogrammen und Telemedien (…)“; § 52b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RStV: „(…) Entscheidung über die Belegung mit in digitaler Technik verbreiteten Hör-funkprogrammen und Telemedien (…)“.

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Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) RStV zu berücksichtigen, wenn Hörfunk- und Fernsehpro-

gramme auf einer Plattform verbreitet würden. Die Auslegung, es gehe nicht nur um

die Vorhaltung von technischen Kapazitäten, sondern um die Verbreitung der Ange-

bote nach § 52b Abs. 1, 2 RStV, erscheint auch sinnvoll vor dem Hintergrund, dass

diese Angebote auf einem Endgerät empfangbar sein müssen: Wenn § 52b Abs. 3

Nr. 1 RStV eine Befreiung des Plattformanbieters von den Anforderungen des § 52b

Abs. 1, 2 RStV vorsieht, soweit dieser nachweist, „dass er selbst oder ein Dritter den

Empfang der entsprechenden Angebote auf einem gleichartigen Übertragungsweg

und demselben Endgerät (…) ermöglicht“77, weil dann eine gleichwertige Empfangs-

möglichkeit78 besteht, die eine Vielfaltssicherung auf anderem Weg erreicht79, kann

daraus rückgeschlossen werden, dass auch die Pflichten gemäß § 52 Abs. 1, 2 RStV

die Empfangbarkeit der jeweiligen Inhalte-Angebote auf einem Endgerät sicherstellen

sollen und daher auf Einspeisung und Signaltransport gerichtet sind.

Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: Bereits die Vorgänger-Vorschrift

zu § 52b RStV, § 52 a.F. RStV, statuierte im Rahmen der Vorgaben zur Kabelbele-

gung (§ 52 Abs. 3 [Nr. 1, 2] a.F. RStV) dem Wortlaut nach Pflichten zur Zurver-

fügungstellung von Übertragungskapazitäten80. In der einschlägigen Passage der

amtlichen Begründung zum 4. RÄndStV stellen die Länder allerdings klar, dass das

Ziel dieser Regelungen darin bestehe, „die Weiterverbreitung bestimmter Programme

für verpflichtend zu erklären (must-carry-rule)“81. Auch in der im Hinblick auf

§ 52b RStV gegebenen amtlichen Begründung zum 10. RÄndStV heißt es, die Vor-

schrift gewährleiste primär die Verbreitung gebührenfinanzierter Angebote und sol-

cher, die für die Sicherung der Meinungsvielfalt als unverzichtbar angesehen wür-

77

Hervorhebungen von Verf. 78

Vgl. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 89. 79

Vgl. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 82. 80

§ 52 Abs. 3 RStV (i. d. F. des 4. RÄndStV): „Der Betreiber einer Kabelanlage hat sicherzustellen, dass

1. die erforderlichen Übertragungskapazitäten für die für das jeweilige Land gesetzlich bestimmten Fernsehprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschließlich seiner Programmbouquets zur Verfügung stehen,

2. die Übertragungskapazität eines analogen Fernsehkanals für die im jeweiligen Land zugelassen-en regionalen und lokalen Fernsehprogramme sowie die Offenen Kanäle zur Verfügung steht; so-weit diese Übertragungskapazität danach nicht ausgeschöpft ist, richtet sich die Belegung nach Landesrecht; die landesrechtlichen Sondervorschriften für Offene Kanäle und vergleichbare Ange-bote bleiben unberührt, (…)“, Berlin GVBl. 2000, S. 257.

81 Amtl. Begr. zum 4. RÄndStV, hier zit. nach Hartstein u.a., RStV, A 2.2, S. 29 zu § 52; Hervorhe-

bungen von Verf.

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23

den82. Wiederum ist vom „Must-Carry(-Bereich)“ die Rede83, wobei nach dem geläu-

figen Verständnis dieser Begriff die Pflicht zum Signaltransport und nicht bloß zur

Vorhaltung von technischen Kapazitäten zum Signaltransport bezeichnet.

Die hier favorisierte Auslegung wird auch gestützt durch den Rekurs auf das Telos

des Kabel- bzw. Plattformbelegungsregimes des RStV. Dessen Zweck liegt in der

Vielfaltssicherung84. Dieser Zweck, dessen Erfüllung der freien Meinungsbildung der

Individuen dient85, kann nicht durch die bloße Vorhaltung von technischen Kapazitä-

ten zur Signalweiterleitung im Kabel, sondern nur durch die Signaleinspeisung und

-durchleitung erreicht werden, die es dem Endnutzer letztlich ermöglichen, die viel-

faltsrelevanten Inhalte-Angebote zu rezipieren. Der kontinuierlich zu erfüllende Viel-

faltssicherungszweck erlaubt wiederum keine Unterbrechung der Übertragung der

vom Gesetzgeber wegen ihrer besonderen Vielfaltsrelevanz mit Must-Carry-Status

versehenen Angebote. Vielmehr sind diese Angebote ununterbrochen zu übertragen.

Nach alledem führt bereits die Auslegung auf einfach-rechtlicher Ebene zu dem Er-

gebnis, dass § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV echte Must-Carry-

Pflichten und nicht nur Pflichten zur Kapazitätsvorhaltung statuiert. Diese Interpreta-

tion entspricht i.Ü. dem „Übertragungspflichten“ thematisierenden Art. 31

Abs. 1 UDRL86.

Sie stimmt, wie nun zu zeigen ist, auch mit von den Kommunikationsgrundrechten

des Grundgesetzes ausgehenden publizistischen Anforderungen überein87. Die

Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG sind insgesamt angelegt auf die Gewährleistung

eines Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung88. Die zentrale

Voraussetzung für die Aktualisierung privater wie politischer Autonomie im Rahmen

eines Prozesses freiheitlicher Meinungsbildung bildet die publizistische Vielfalt89. Da-

82

Amtl. Begr. zum 10. RÄndStV, hier zit. nach Hartstein u.a., RStV, A 2.8, S. 24 f; Hervorhebung von Verf.

83 Amtl. Begr. zum 10. RÄndStV, hier zit. nach Hartstein u.a., RStV, A 2.8, S. 24; Hervorhebung von

Verf. 84

Amtl. Begr. zum 4. RÄndStV, hier zit. nach Hartstein u.a., RStV, A 2.2, S. 29 zu § 52; Amtl. Begr. zum 10. RÄndStV, hier zit. nach Hartstein u.a., RStV, A 2.8, S. 24; s.a. o. C. II. 1.

85 BVerfGE 57, 295 (319 f); 97, 228 (258).

86 S.a. B. II. 1.

87 Vgl. zum Folgenden bereits Hain, AfP 2012, S. 313 (319 f) m. w. N.

88 Vgl. nur BVerfGE 57, 295 (319); 101, 361 (389); Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Abs. 1 und 2,

Rdnr. 2, 21 ff m. w. N. 89

Hain, in: FS Stern, S. 1387 (1394).

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bei hat das Bundesverfassungsgericht sowohl an die Presse als auch an den Rund-

funk je eigene weitreichende Vielfaltsanforderungen adressiert: So heißt es in Bezug

auf die Presse, ihre Aufgabe sei es, umfassende Information zu ermöglichen und die

Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben90. Die positive Rundfunkordnung

wiederum hat sicherzustellen, „dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im

Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet“91. Diese Viel-

faltsanforderung besteht im Hinblick auf das Gesamtangebot inländischer Rundfunk-

programme92. Im dualen Rundfunksystem hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk im

Rahmen seines Grundversorgungsauftrages gegenständlich umfassend und unver-

kürzt gleichgewichtige Vielfalt in der Darstellung der bestehenden Meinungsrichtun-

gen zu wahren93.

Mit der zunehmenden Bedeutung, Ausdifferenzierung und kommerziellen Nutzung

von Signaltransportinfrastrukturen und Diensten mit Plattformfunktion geraten auch

diese zunehmend in den Fokus des für die Gestaltung der Medienordnung im Gan-

zen fundamentalen Vielfaltsgebots94.

Aus der Sicht der einzelnen Kommunikatoren umfasst deren Schutz hinsichtlich der

Verbreitung ihrer Kommunikate prinzipiell den Aspekt des Empfangs derselben durch

den/die Rezipienten95. Damit schützen die Kommunikator-Freiheiten des Art. 5

Abs. 1 GG die verschiedenen Kommunikatoren hinsichtlich des Signaltransports von

Rundfunk und anderen Diensten über die dafür in Betracht kommenden technischen

Infrastrukturen, auch über Kabelnetze und das Internet96.

90

BVerfGE 52, 283 (296); daneben solle sie selbst Meinungen bilden und vertreten. 91

BVerfGE 57, 295 (320); 73, 118 (152 f); 74, 297 (324); 119, 181 (214); 121, 30 (50). 92

BVerfGE 73, 118 (153, 157); s.a. bereits BVerfGE 12, 205 (263); 31, 314 (326); 57, 295 (322). 93

BVerfGE 73, 118 (159); 74, 297 (326). 94

Hain, AfP 2012, S. 313 (320). 95

Vgl. etwa zur Meinungsfreiheit BVerfGE 35, 35 (39 f); treffend Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5, Rdnr. 39, der ausführt, in der Meinungsäußerungsfreiheit stecke der Schutz des Emp-fangs der Meinung um des Sich-Äußernden willen.

96 So zutreffend Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 742, unter Rekurs auf BVerfGE 73,

118 (196 ff); 83, 238 (322 ff), bezüglich der Rundfunkfreiheit. Zum Schutz der rundfunkspezifischen Verbreitung von Meinungen und Tatsachen s.a. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 5, Rdnr. 107 m. w. N.; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rdnr. 105 m. w. N. – Die Verbreitung von Kom-munikaten ist auch bezüglich der übrigen Kommunikatorgrundrechte geschützt; so ausdrücklich der Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. zur Presse- und Filmfreiheit nur Starck, in; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5, Rdnr. 62 f, 168 m. w. N. – Umfassend zur Bedeutung des hier in Rede stehenden Aspekts Hoffmann-Riem, in: AK GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 182 ff. Dazu bereits Hain, AfP 2012, S. 313 (319).

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Aus der Sicht der Rezipienten ergänzt die Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1

Satz 1 GG als das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu

unterrichten, die Kommunikatorgrundrechte97. Wie die übrigen Freiheiten des Art. 5

Abs. 1 GG bildet die Informationsfreiheit eine zentrale Bedingung der Meinungs-

bildung der Individuen und der Entfaltung individueller wie politischer Autonomie98. In

diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, es gehöre zu

den elementaren Bedürfnissen des Menschen, sich aus möglichst vielen Quellen zu

unterrichten99. Zu den allgemein zugänglichen Quellen, deren Rezeption die Informa-

tionsfreiheit schützt, gehören insbesondere auch die zur Unterrichtung der Allge-

meinheit geeigneten und bestimmten massenmedialen Angebote wie Fernseh- und

Hörfunkprogramme100. Über die Dimension als staatsgerichtetes Abwehrrecht hinaus

entfaltet die Informationsfreiheit anerkanntermaßen mittelbare Drittwirkung im Hin-

blick auf die Auslegung offener Normen des Zivilrechts101. Zunehmend bedeutsam

wird „angesichts der wachsenden Bedeutung von technologisch vermittelter Infor-

mation“102 die primär an den Gesetzgeber adressierte Schutzpflicht zur Sicherung

der Zugänglichkeit von vielfältigen Informationen für den Rezipienten103. Es besteht

demnach eine prinzipielle, aus den Kommunikator- wie Rezipientengrundrechten re-

sultierende Schutzpflicht des Gesetzgebers, im Hinblick auf Transportinfrastrukturen

und Plattformdienste dafür Sorge zu tragen, dass diese Einrichtungen dem verfas-

sungsrechtlichen Vielfaltsgebot Rechnung tragen und die Meinungsvielfalt nicht un-

angemessen einschränken.

Nun erfolgt die Rezeption audiovisueller Angebote in der Bundesrepublik Deutsch-

land zu 47,9 % über das Kabel als dem damit derzeit wichtigsten104 und damit unver-

97

BVerfGE 90, 27 (32); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rdnr. 52. 98

Vgl. dazu nur grundlegend BVerfGE 27, 71 (81 f). 99

BVerfGE 27, 71 (81); Hervorhebung von Verf. 100

Vgl. nur BVerfGE 90, 27 (32); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rdnr. 54; Hain, in: Schiwy u.a., Lexi-kon Medienrecht, Stichwort: Informationsfreiheit, S. 224.

101 BVerfGE 90, 27 (33); s.a. Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 322 f m. w. N.

102 Hoffmann-Riem, in: AK GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 112.

103 Vgl. Hoffmann-Riem, in: AK GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 112. S.a. Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 315, 329. Zur Relevanz von Schutzpflichten aus der Informationsfreiheit im vorliegenden Kontext bereits Hain, AfP 2012, S. 313 (319) m. w. N.

104 Vgl. Digitalisierungsbericht 2012 der Landesmedienanstalten (Quelle: http://www.die-medien-anstalten.de/service/publikationen/digitalisierungsbericht.html), S. 49: Kabel: 47,9 %, Satellit: 45,6 %,Terrestrik: 12,5 %, DSL-TV: 4,3 %.

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zichtbaren Verbreitungsweg105. Dabei sind im Bereich analoger Kabelübertragung

Kapazitätsengpässe zu verzeichnen106. Zudem besteht – auch bezüglich digitaler

Kabelnetze – das Risiko, dass durch private Kabelnetz-/Plattformbetreiber Bele-

gungsentscheidungen getroffen werden, die von im Hinblick auf die Meinungsvielfalt

dysfunktionalen Motiven getragen sind107. Vor diesem Hintergrund aktualisiert sich

die in Rede stehende Schutzpflicht dahingehend, dass der Gesetzgeber Regelungen

treffen muss, die eine dem verfassungsrechtlichen Vielfaltsgebot entsprechende

Belegung garantieren108. In diesem Rahmen muss sichergestellt werden, dass die

wesentlichen die Vielfalt der Meinungen repräsentierenden Fernseh- und Hörfunk-

programme über das Kabelnetz für die Rezipienten empfangbar sind109.

Dazu zählen die im Rahmen des Grundversorgungsauftrags110 durch den öffentlich-

rechtlichen Rundfunk veranstalteten Programme111. Da die Grundversorgung in Be-

zug auf die Angebotsinhalte die Verpflichtung zu gleichgewichtiger Vielfalt um-

fasst112, bilden dieser Kategorie zuzurechnende Angebote in besonderem Maße die

Gewähr für die Erfüllung des Vielfaltsgebots. Die technische Komponente der

Grundversorgung verlangt wiederum eine Übertragungstechnik, bei der ein Empfang

der Sendungen für alle sichergestellt ist113. Im Rahmen der Erwägungen zur Be-

stands- und Entwicklungsgarantie zur Sicherung der die Grundversorgung er-

möglichenden Voraussetzungen hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der

Übertragungstechnik ausgeführt, die Garantie könne sich nicht auf die herkömmliche

Technik der terrestrischen Übertragung beschränken. Wenn neben diese andere

Übertragungsformen träten oder sie verdrängten, werde auch die Nutzung der neuen

105

Zur Bedeutung des Rezeptionsverhaltens für die Auswahl des Übertragungswegs Binder, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 19 RStV, Rdnr. 7.

106 Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 118.

107 Vgl. Dörr, ZUM 2013, S. 81 (101).

108 Degenhart, in: BK GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 742a, 746, führt aus, angesichts der überragen-den Bedeutung der Kabelverbreitung sei Rundfunkfreiheit nunmehr maßgeblich eine Frage der Kabelbelegung und -einspeisung. Sicherzustellen sei, dass auch das über Kabel zugängliche Ge-samtangebot dem Vielfaltsgebot genüge.

109 Gegenüber dem Argument, die Rezipienten könnten ggf. auf den Satellitenempfang ausweichen – so Engel, Medienordnungsrecht, S. 92; s. aber ders., Kabelfernsehen, S. 27 f – hat bereits Dörr, ZUM 1997, S. 337 (357), darauf hingewiesen, diese Möglichkeit sei bei vorhandenem Kabelan-schluss schon aus tatsächlichen Gründen eher theoretischer Natur und meist auch aus Rechts-gründen ausgeschlossen.

110 Vgl. dazu nur BVerfGE 73, 118 (158).

111 Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (3) m. w. N.

112 BVerfGE 83, 238 (324); 114, 371 (387).

113 Vgl. nur BVerfGE 74, 297 (325 f).

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Übertragungsformen von der Grundversorgung umfasst114. Angesichts der (der-

zeitigen) Bedeutung der Kabelübertragung ist diese Übertragungstechnik Bestandteil

der Grundversorgung115. Auch nicht der Grundversorgung zuzurechnende, aber viel-

faltserweiternde zusätzliche und nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Vorkon-

turierung des Funktionsauftrages der Anstalten prinzipiell in den Bereich dieses Auf-

trages fallende Angebote116 können mit Must-Carry-Status versehen werden117, so-

fern ihnen nicht wegen bestehender Kanalknappheit kein Vorrang, sondern nur

gleichrangige Berücksichtigung118 bei der Kanalbelegung gebührt119.

Wenn aber bezüglich der mit Must-Carry-Status versehenen Angebote sichergestellt

werden muss, dass sie über das Kabelnetz für die Rezipienten empfangbar sind120,

werden dieser Pflicht Vorschriften, die die privaten Kabelnetzbetreiber lediglich zur

Vorhaltung technischer Kapazitäten anhalten und sie nicht zur ununterbrochenen

Übertragung verpflichten, nicht gerecht. Dazu bedarf es vielmehr der Statuierung von

Must-Carry-Pflichten zur Einspeisung und Durchleitung der betreffenden Angebote,

wie sie – was bereits dargelegt wurde – § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a), Abs. 2

Satz 2 Nr. 1 RStV bezüglich der öffentlich-rechtlichen Angebote enthält. Diese Vor-

schrift begründet die Must-Carry-Pflichten und bildet zugleich den Rechtsgrund für

ihre Erfüllung121. Die durch das öffentliche Rundfunkrecht hoheitlich auferlegten

Must-Carry-Pflichten zur ununterbrochenen Einspeisung und Durchleitung der Ange-

bote mit Must-Carry-Status stehen „nicht zur Disposition der Kabelnetzbetreiber“122,

die der gesetzlichen Anordnung dieser Pflichten vielmehr unterworfen und sie zu be-

114

BVerfGE 83, 238 (299). 115

Daraus resultiert für die öffentlich-rechtlichen Anstalten im Hinblick auf die Angebote mit Must-Carry-Status die Verpflichtung, den Kabelnetzbetreibern die betreffenden Angebote zur Einspei-sung tatsächlich zur Verfügung zu stellen; näher dazu nachfolgend C. II. 4.

116 Vgl. BVerfGE 74, 297 (332, 354 f); 83, 238 (302 f). Dazu Hain, in: Becker u.a., Funktionsauftrag, S. 23 (32 f) m. w. N.

117 In diesem Fall müssen auch diese Angebote den Kabelnetzbetreibern tatsächlich zur Einspeisung zur Verfügung gestellt werden; näher dazu nachfolgend C. II. 4.

118 BVerfGE 74, 297 (332 f).

119 Vgl. Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (5), der jedenfalls für den Bereich des digitalen Breitband-kabelnetzes eine Knappheitssituation verneint und zu dem Schluss kommt, dass auch nicht zur Grundversorgung gehörende Programmangebote mit Must-Carry-Status versehen werden können und dann in die Kabelnetze einzuspeisen seien.

120 Vgl. bereits Dörr, ZUM 1997, S. 337 (354).

121 Dies nimmt auch Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (3), jedenfalls im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Angebote mit Must-Carry-Status an – mit der für diesen Fall von ihm zuvor formulierten Konsequenz, dass „einer vertraglichen Regelung im Hinblick auf das ‚Ob‘ der Kabelweiterverbre i-tung keine konstitutive, sondern lediglich eine deklaratorische Funktion“ zukomme.

122 So bereits zutreffend Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (13).

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folgen jederzeit verpflichtet sind. Die Erfüllung dieser im Vertikal-Verhältnis auferleg-

ten Pflichten darf daher nicht zur Durchsetzung vermeintlicher Entgeltansprüche der

Kabelnetzbetreiber gegen die Must-Carry-Begünstigten auf der horizontalen Ebene

verweigert oder (vorübergehend) „ausgesetzt“ werden123. Damit entbehrt die These,

gegen die Inanspruchnahme der Kabelnetzbetreiber hätten diese im Falle der Vor-

enthaltung eines Entgelts seitens der Inhalte-Anbieter ein Zurückbehaltungsrecht

hinsichtlich ihrer Übertragungsleistung124, einer tragfähigen Grundlage125. Wenn

denn eine „charakteristische Zweistufigkeit des Kabelbelegungsregimes“126 besteht,

so werden durch diese These jedoch für den Must-Carry-Bereich die zwei Stufen un-

zulässig kurzgeschlossen.

4. Must-Offer?

Der oben dargelegten Pflicht zur Einspeisung und zum Transport von Angeboten mit

Must-Carry-Status korrespondiert eine Pflicht der Veranstalter, diese Angebote auch

tatsächlich zur Einspeisung und Verbreitung zur Verfügung zu stellen („must-

offer“127). Die öffentlich-rechtlich begründete Pflicht der Kabelnetzbetreiber aus § 52b

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV128 ist nur erfüllbar, wenn diesen die

Angebote mit Must-Carry-Status von den Veranstaltern zur Einspeisung und Verbrei-

tung bereitgestellt werden. Insofern setzt § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2

Nr. 1 RStV eine dahingehende Verpflichtung der Inhalte-Anbieter zwingend voraus,

ohne sie indes selbst zu statuieren.

Die in Rede stehende Verpflichtung folgt vielmehr für die öffentlich-rechtlichen Rund-

funkanstalten bereits aus dem einfach-gesetzlich konkretisierten Funktionsauftrag,

wie er in § 11 RStV und in den Gesetzen bzw. Staatsverträgen bezüglich der einzel-

nen öffentlich-rechtlichen Anstalten niedergelegt ist. Danach haben diese wesentlich

123

Vgl. auch Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (13), der ausführt, die Bereitschaft zur Einspeisung dürfe prinzipiell nicht von einer Vereinbarung über die Höhe des Entgelts abhängig gemacht wer-den.

124 So Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (13).

125 Entsprechendes gilt hinsichtlich der These von Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (42), die Verpflichtung der Kabelnetzbetreiber entfalle, falls sich die öffentlich-rechtlichen Veranstalter aus dem bestehenden Einspeisevertrag vollständig lösen könnten (und würden).

126 Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (12).

127 Der Begriff „must-offer“ wird hier ausschließlich im Sinne der Verpflichtung zur tatsächlichen Zur-verfügungstellung gebraucht.

128 S.o. C. II. 3.

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29

den Auftrag, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medien und

Faktoren des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wir-

ken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Ge-

sellschaft zu erfüllen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 RStV).

Die den Funktionsauftrag einfach-gesetzlich konkretisierenden Vorschriften statuie-

ren die Pflicht der öffentlich-rechtlichen Anstalten, diesen Auftrag unter Aktuali-

sierung ihrer Rundfunkfreiheit129, deren Kern die Programmautonomie bildet130, zu

erfüllen131. Der den Auftrag des § 11 RStV konkretisierende132 § 19 RStV formuliert

einen „Versorgungsauftrag“ im Hinblick auf die Verbreitung der beauftragten öffent-

lich-rechtlichen Angebote. Auch bezüglich der Eignung von Übertragungswegen zur

Erfüllung des gesetzlichen Auftrags entscheiden die Anstalten prinzipiell im Rahmen

ihrer Rundfunkfreiheit133, der die Formulierung des § 19 Satz 1 RStV, die Anstalten

könnten ihrem gesetzlichen Auftrag durch Nutzung geeigneter Übertragungswege

nachkommen, Rechnung trägt.

Jedoch haben die Anstalten in jedem Fall sicherzustellen, dass ihr Auftrag, der im

Interesse der freien Meinungsbildung der Rezipienten die Herstellung und die Ver-

breitung der Angebote umfasst, auch im Hinblick auf den letztgenannten Aspekt er-

füllt wird. Die Aktualisierung der Rundfunkfreiheit hat eben der Auftragserfüllung zu

dienen und ist durch diese Bindung an den Auftrag limitiert. Insofern ergeben sich

auch bezüglich der Auswahl der Verbreitungswege Grenzen der aus der Rundfunk-

freiheit prinzipiell fließenden Gestaltungsfreiheit. Dementsprechend steht die Aus-

wahl „geeigneter Übertragungswege“ nicht vollständig im Belieben der Anstalten134.

129

BVerfGE 31, 314 (321 f); 59, 231 (254); 74, 297 (317 f); 78, 101 (102 f); 107, 299 (309 f); 119, 181 (211). Vgl. aus der Literatur nur Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 120; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5, Rdnr. 185; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rdnr. 107; Hoffmann-Riem, in: AK GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 36, 162.

130 Vgl. nur BVerfGE 87, 181 (201).

131 Vgl. nur Hartstein u.a., RStV, § 11 RStV, Rdnr. 7; zum verfassungsrechtlichen Hintergrund vgl. nur Hain, Telemedienauftrag, S. 45: Erfüllung des Funktionsauftrags = Pflichtauftrag der Anstalten. – Zur Notwendigkeit einer Verpflichtung als Gegenstand einer beihilferechtlichen Betrauung i. S. d. Art. 106 Abs. 2 AEUV vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission über die Anwen-dung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl. (EU) C 257 v. 27.10.2009, S. 1 (8), Rdnr. 53; s.a. Europäische Kommission, Entscheidung v. 24.04.2007, E 3/2005, K(2007) 1761 endg., Rdnr. 247 ff.

132 Binder, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 19 RStV, Rdnr. 18.

133 Binder, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 19 RStV, Rdnr. 5.

134 S.a. Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (34): „Allerdings ist dieser Spielraum rechtlich determi-niert.“

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30

Vielmehr muss die Empfangbarkeit der vom durch den Gesetzgeber konkretisierten

Funktionsauftrag umfassten öffentlich-rechtlichen Angebote gesichert sein, damit

diese Angebote den ihnen aufgegebenen Beitrag zur freien Meinungsbildung der

Rezipienten überhaupt erbringen können135. Auch insoweit sind die Entscheidungs-

prozesse der Anstalten demzufolge am Kriterium der Funktionserforderlichkeit zu

orientieren136.

Unter diesem Aspekt ist die Auswahl der Übertragungswege in der Tat in starkem

Maße vom tatsächlichen Rezeptionsverhalten der Rundfunkteilnehmer abhängig137.

Da die Rezeption audiovisueller Angebote in der Bundesrepublik Deutschland zu

47,9 % über das Kabel erfolgt, welches somit gegenwärtig den wichtigsten Verbrei-

tungsweg darstellt, ist die Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Angebote über das

Kabel unverzichtbar138. Folglich müssen die Anstalten die entsprechenden Angebote

den Kabelnetzbetreibern tatsächlich zur Einspeisung und Verbreitung zur Verfügung

stellen. In diesem Sinne besteht also eine „Must-Offer“-Verpflichtung der öffentlich-

rechtlichen Anstalten.

Auch Fink/Keber nehmen an, dem Plattformbetreiber müssten die einzuspeisenden

Programme zur Verfügung gestellt werden. Daraus schließen sie, die Rundfunkan-

stalten unterlägen bezogen auf die Nutzung des Breitbandkabels einem Kontrahie-

rungszwang139. Bereits Engel hat behauptet, in der Folge von abschließenden Bele-

gungsentscheidungen der Landesmedienanstalten entstehe ein Kontrahierungs-

zwang auch für die Programmveranstalter140. Nun ergeben sich aber – wie bereits

aufgezeigt wurde – sowohl die Pflicht der Kabelnetzbetreiber zur Einspeisung und

Durchleitung von Angeboten mit Must-Carry-Status als auch die Pflicht der öffentlich-

rechtlichen Anstalten, den Kabelnetzbetreibern die betreffenden Angebote tatsäch-

lich zur Verfügung zu stellen, bereits aus dem öffentlichen Rundfunkrecht. Demnach

besteht kein Anlass, zur Erfüllung der vorgenannten Pflichten einen zivilrechtlichen

Kontrahierungszwang und eine „Must-Offer“-Pflicht in diesem Sinne zu postulie-

135

Vgl. Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (4 ff). 136

Vgl. zum Vorstehenden Binder, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 19 RStV, Rdnr. 6 ff.

137 Binder, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 19 RStV, Rdnr. 7.

138 S.o. C. II. 3.

139 Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (34).

140 Engel, ZUM 1997, S. 497 (507).

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31

ren141. Der gemäß § 87 Abs. 5 Satz 1 UrhG bestehende Kontrahierungszwang betrifft

wiederum ausschließlich die Einräumung der Senderechte aus Urheber- oder Leis-

tungsschutzrechten, „die dem Sendeunternehmen an seinen Sendungen originär

oder abgeleitet zustehen“142.

5. Must-Pay?

Art. 31 Abs. 2 UDRL erkennt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten an, in Bezug auf

Übertragungspflichten gegebenenfalls ein angemessenes Entgelt festzulegen. Nach-

folgend soll untersucht werden, ob die Festlegung eines Entgelts durch den die Über-

tragungspflichten gemäß § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV aufer-

legenden Rundfunkgesetzgeber erfolgt ist. Eine Entgeltfestsetzung kann prinzipiell

auch (auf gesetzlicher Grundlage) hoheitlich durch die Exekutive erfolgen. Insofern

soll zusätzlich eruiert werden, ob eine solche Entgeltregulierung im Hinblick auf den

Must-Carry-Sektor vorgesehen und ggf. eine Festsetzung erfolgt ist143. Dabei bewe-

gen sich die nachfolgenden Prüfungen auf der einfach-rechtlichen Ebene; der Frage,

ob die Auferlegung von Übertragungsrechten ohne die Statuierung ihrer Entgeltlich-

keit mit höherrangigem Recht vereinbar ist, wird im Anschluss zu prüfen sein.

141

Dies zeigt bereits die Argumentation Engels, ZUM 1997, S. 497 (507), der annimmt, mit der Kabel-belegungsentscheidung liege bereits die spezifische Hauptleistung des vorgeblich abzuschließen-den zivilrechtlichen Vertrages – nämlich die Kabelbelegung nach Maßgabe der Kabelbelegungs-entscheidung – fest. – I.Ü. kann § 52d RStV jedenfalls auch kein rundfunkrechtlicher Kontrahie-rungszwang der Inhalte-Anbieter dahingehend entnommen werden, dass diese gezwungen wären, einen Einspeisevertrag mit den Kabelnetzbetreibern abzuschließen, in dem sie sich zur Zahlung von Einspeiseentgelten verpflichteten; dazu u. C. II. 5.

142 V. Ungern-Sternberg, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 87 UrhG, Rdnr. 52. Da die öffent-lich-rechtlichen Anstalten ihre Kabelweitersenderechte in die Verwertungsgesellschaft VFF einge-bracht haben, besteht ein Kontrahierungszwang dieser Verwertungsgesellschaft gemäß § 11 Abs. 1 UrhWG; vgl. dazu Dörr, ZUM 2013, S. 81 (107) – Nach alledem ist also auch die rechtliche Verfügbarkeit der Angebote für die Kabelnetzbetreiber gegeben, deren Notwendigkeit Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (34), neben dem Erfordernis tatsächlicher Verfügbarkeit betonen. Auch Dörr, ZUM 2013, S. 81 (107), hebt hervor, die urheberrechtlichen Kontrahierungszwänge stellten sicher, dass dem Kabelnetzbetreiber die notwendigen Rechte für die einzuspeisenden Programme zur Verfügung ständen. Es bestehe „die Möglichkeit der Einspeisung der Must-Carry-Programme ohne gesonderten Einspeisevertrag“.

143 Nachfolgend geht es ausschließlich um die Frage einer Entgeltfestsetzung i.S.d. Art. 31 UDRL. Sollte eine rundfunkrechtliche oder eine telekommunikationsrechtliche Sonderregulierung in dieser Hinsicht nicht gegeben sein, verbleibt es bei der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht auch im Hinblick auf Einspeiseentgelte. Diese bleibt hier außer Betracht, da sie kein Instrumentarium zur positiven Festsetzung von Entgelten i.S.d. Art. 31 UDRL darstellt.

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32

a. Festlegung einer Entgeltpflicht durch die §§ 52b, 52d RStV?

Nachdem bereits aufgezeigt worden ist, dass § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , Abs. 2

Satz 2 Nr. 1 RStV Übertragungspflichten und nicht nur Pflichten zur Kapazitätsvor-

haltung statuiert und die öffentlich-rechtlichen Anstalten auch verpflichtet sind, den

Kabelnetzbetreibern die mit Must-Carry-Status versehenen Angebote zur Einspei-

sung zur Verfügung zu stellen, ist nun zu klären, ob die §§ 52b, 52d RStV Entgelte

für die Erfüllung der Must-Carry-Pflichten festlegen.

§ 52b RStV regelt ausschließlich materielle und prozedurale Vorgaben für die Platt-

formbelegung mit bestimmten inhaltlichen Angeboten. Die Frage ggf. zu leistender

Entgelte für die Transportdienstleistungen des Plattformanbieters wird – auch hin-

sichtlich des Must-Carry-Bereichs – in keiner Weise thematisiert.

Bestimmungen im Hinblick auf Entgelte trifft der im Kern – ebenso wie die Auferle-

gung von Übertragungspflichten144 – der Vielfaltssicherung dienende145 § 52d RStV.

Eine ausdrückliche Statuierung einer Entgeltpflicht in dem Sinne, dass hoheitlich eine

Zahlungspflicht der Inhalte-Anbieter statuiert wird, enthält indes auch diese Vorschrift

nicht146. Auf der Basis der Einschätzung der Länder, der Inhalt des Verbreitungs-

vertrages, insbesondere das zu zahlende Entgelt, sei die wesentliche Grundlage für

die tatsächliche Einspeisung eines Programms und daher entscheidender Faktor für

eine vielfältige Belegung der Plattform147, setzen die allgemeinen Verbote unbilliger

Behinderung sachlich ungerechtfertigter Ungleichbehandlung (§ 52d Satz 1 RStV)

zur Vielfaltssicherung an der Ausgestaltung von Entgelten an. Sie betreffen also nicht

das „Ob“, sondern statuieren ausschließlich Kriterien für das „Wie“ der Entgeltgestal-

tung. Entsprechendes gilt auch bezüglich der diese allgemeinen Vorgaben im Hin-

blick auf die Entgeltgestaltung für den Transport bestimmter Inhalte-Angebote, da-

runter die öffentlich-rechtlichen Angebote mit Must-Carry-Status, ergänzenden spe-

144

S.o. C. II. 3. 145

Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 2. 146

Die Vorschrift begründet auch nicht etwa eine Zahlungspflicht der Länder selbst, deren Begrün-dung Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1, als eine im Rahmen von Art. 31 Abs. 2 UDRL gege-bene Möglichkeit der Entgeltung der Erfüllung von Übertragungspflichten ansehen: Gerade die nachfolgend zitierte Passage der amtl. Begr. zum 10. RÄndStV sowie § 52d Satz 3 RStV – dazu sogleich – zeigen, dass es dem Gesetzgeber um die Regelung von Konditionen für auf der hori-zontalen Ebene zwischen Inhalte-Anbietern und Kabelnetzbetreibern vertraglich vereinbarte Ent-gelte ging.

147 Amtl. Begr. zum 10. RÄndStV, hier zit. nach Hartstein u.a., RStV, A 2.8, S. 27.

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ziellen Angemessenheitsverpflichtung148 gemäß § 52d Satz 2 RStV und der Ver-

pflichtung zur Wahrung angemessener und chancengleicher Bedingungen für die

Verbreitung regionaler und lokaler Angebote gemäß § 52d Satz 4 RStV. Wenn i.Ü.

§ 52d Satz 3 RStV die Plattformbetreiber149 verpflichtet, Entgelte und Tarife für An-

gebote gemäß § 52b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 2 RStV „offenzulegen“, wird

deutlich, dass die Vorschrift damit auf im horizontalen Verhältnis zwischen Inhalte-

Anbietern und Kabelnetzbetreibern ausgehandelte Gegenleistungen für den Trans-

port von Inhalte-Angeboten abhebt, die gegenüber den Landesmedienanstalten of-

fenzulegen sind, wobei dieser Pflicht bereits genügt wird, wenn auf Nachfrage einer

Landesmedienanstalt eine entsprechende Information über ausgehandelte Entgelte

und Tarife erfolgt150, und nicht hoheitlich selbst Entgelte festlegt151.

Zutreffend ist lediglich, dass § 52d RStV jedenfalls im Hinblick auf bestimmte Inhalte-

Angebote mit Must-Carry-Status – und solche Angebote sind nicht nur die durch die-

sen Status begünstigten öffentlich-rechtlichen Programme und Dienste – die gesetz-

geberische Annahme zugrunde liegt, zwischen Inhalte-Anbietern und Kabelnetzbe-

treibern könnten auf der horizontalen Ebene Entgelte ausgehandelt werden. Ansons-

ten wäre die Regelung, soweit sie Kriterien für die Entgeltgestaltung auch bezüglich

dieser Angebote statuiert, sinnlos152. Die Entgelterhebung sollte i.Ü. den Kabelnetz-

betreibern durch die §§ 52b, 52d RStV nicht verboten werden und ist ihnen auch

nicht verboten worden153.

Man mag nun formulieren, von der gesetzlichen Regelung werde die Befugnis des

Plattformbetreibers zur Gestaltung von Entgelten und Tarifen als selbstverständlich

„unterstellt“ und sei „im Grunde mit der Regelung des § 52d RStV vorausgesetzt“154,

aus dem RStV lasse sich „zumindest mittelbar“ die Zulässigkeit von Entgelten ablei-

ten155 oder die Offenlegungspflicht setze die Berechtigung der Kabelnetzbetreiber zur

148

Dazu bereits o. C. II. 2. 149

Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 12. 150

So die amtl. Begr. zum 10. RÄndStV, hier zit. nach Hartstein u.a., RStV, A 2.8, S. 27. 151

So auch Dörr, ZUM 2013, S. 81 (99). 152

Vgl. insoweit Engel/Lüdemann, ZUM 2008, S. 904 (910). 153

Vgl. insoweit Engel/Lüdemann, ZUM 2008, S. 904 (910); Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (13).

154 Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (12).

155 Engel/Lüdemann, ZUM 2008, S. 904 (910).

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Erhebung von Einspeiseentgelten voraus156 – eine dem Gesetzesvorbehalt und dem

diesen flankierenden Bestimmtheitsgebot genügende konstitutive Festlegung einer

Entgeltpflicht durch das öffentlich-rechtliche Rundfunkrecht – wie sie für die Übertra-

gungspflichten vorliegt157 – lässt sich auf diese Weise nicht begründen.

Nach alledem enthält § 52d RStV weder die konstitutive hoheitliche Statuierung einer

Entgeltpflicht der Inhalte-Anbieter, noch das konstitutive Verbot der Entgelterhebung.

Ein Junktim der Auferlegung von Übertragungspflichten mit einer hoheitlich begrün-

deten Entgeltverpflichtung158 besteht nach dem RStV nicht. Dieser Vertrag enthält

vielmehr keine Entscheidung hinsichtlich des „Ob“ einer Entgeltpflicht159. Soweit

§ 52d RStV zwar die Möglichkeit der zivilrechtlichen Vereinbarung von Entgelten für

die Erfüllung von Übertragungspflichten voraussetzt, aber selbst auf der Ebene des

öffentlichen Rundfunkrechts keine Entscheidung hinsichtlich des Bestehens einer

Entgeltpflicht trifft, kann dieser Bestimmung konsequent jedenfalls auch kein rund-

funkrechtlicher Kontrahierungszwang der Inhalte-Anbieter dahingehend entnommen

werden, dass diese gezwungen wären, einen Einspeisevertrag mit den Kabelnetzbe-

treibern abzuschließen, in dem sie sich zur Zahlung von Einspeiseentgelten ver-

pflichteten160. Wäre ein solcher Kontrahierungszwang anzunehmen, müssten die ei-

nem solchen Zwang unterliegenden Inhalte-Anbieter sich i.Ü. gegenüber allen Ka-

belnetzbetreibern sowie den Betreibern sonstiger Plattformen, soweit diese Betreiber

der Regulierung gemäß den §§ 52b, 52d RStV unterliegen, zur Zahlung verpflichten.

Tatsächlich sind Einspeiseentgelte indes durchaus nicht an alle Kabelnetzbetreiber

gezahlt worden161.

156

Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (11), zu § 52 Abs. 3 Nr. 5 a.F. RStV. 157

S.o. C. II. 3. 158

Vgl. die Formulierung von Ladeur, ZUM 2012, S. 939 (940). 159

Vgl. Ladeur, ZUM 2012, S. 939 (943). 160

Von einem Kontrahierungszwang mit Entgeltpflicht gehen offenbar Trute/Broemel, MMR-Bei-lage 11/2012, S. 1 (13 f), aus. S.a. Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (34, 38, 41). I.E. wie hier Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (12 f), der allerdings annimmt, das Landesrundfunkrecht ent-halte „implizit“ den hier in Rede stehenden Kontrahierungszwang, ders., K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (14). Ob eine solche Annahme mit den Anforderungen des auch für „Ausgestaltungen“ der Rundfunkfreiheit geltenden Gesetzesvorbehalts und des diesen flankierenden Bestimmtheitsge-bots vereinbar sein könnte, darf bezweifelt werden.

161 Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (5).

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b. Hoheitliche Entgeltregulierung (durch die Exekutive)?

Nun soll der Frage nachgegangen werden, ob eine hoheitliche Entgeltregulierung im

Hinblick auf den Must-Carry-Sektor vorgesehen und ggf. eine Entgelt-Festsetzung

erfolgt ist.

aa. Rundfunkrechtliche Entgeltregulierung auf der Basis des § 52d RStV?

§ 52d RStV gibt zwar Kriterien für die Ausgestaltung von Entgelten für den Transport

von Rundfunkprogrammen und vergleichbaren Telemedien vor. Allerdings geht damit

keine Eröffnung einer Kompetenz der Landesmedienanstalten zur Entgeltregulierung

einher162. Gegen eine solche Kompetenz bietet bereits der Wortlaut des § 52d

Satz 4 RStV („… im Rahmen des Telekommunikationsgesetzes …“) ein Indiz. Insbe-

sondere ergibt sich das Fehlen einer eigenständigen Regulierungskompetenz aus

der amtlichen Begründung zum 10. RÄndStV, in der es heißt, die Landesmedienan-

stalten selbst legten keine Entgelte und Tarife fest; hierfür sei die Regulierungsbe-

hörde für Telekommunikation zuständig163. Die Aufgabe der Landesmedienanstalten

besteht lediglich darin, die Einhaltung der Vorgaben des § 52d RStV zu überwachen

und festgestellte Mängel der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu melden164. Angesichts

des eindeutigen Willens des Gesetzgebers ist auch die Ermächtigung der jeweils zu-

ständigen Landesmedienanstalten gemäß den §§ 52f, 38 Abs. 2 analog RStV restrik-

tiv auszulegen; sie beinhaltet demnach keine Grundlage für eine eigenständige Ent-

geltregulierung der Plattformbetreiber durch die Landesmedienanstalten165.

Es ist erwogen worden, für den Fall eines – von den Ländern nicht vorhergesehe-

nen – Ausfalls der telekommunikationsrechtlichen Entgeltregulierung den Landes-

162

Vgl. nur Hartstein u.a., RStV, § 52d RStV, Rdnr. 3. 163

Vgl. nur Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 4. 164

Hartstein u.a., RStV, § 52d RStV, Rdnr. 3; Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunk-recht, § 52d RStV, Rdnr. 4.

165 Anders Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 7, 16, auf-grund einer – wie sogleich gezeigt wird – ausdrücklich gegen den erklärten Willen des Gesetz-gebers erfolgenden, nicht überzeugenden Argumentation. – Selbst wenn i.Ü. die soeben themati-sierten Vorschriften eine Ermächtigungsgrundlage der Landesmedienanstalten zur Entgeltregulie-rung bildeten – was, wie dargetan wurde, nicht der Fall ist –, wären die Landesmedienanstalten je-denfalls nicht befugt, zur Sicherung der ökonomischen Interessen der Kabelnetzbetreiber anzuord-nen, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten Einspeiseentgelte zu zahlen hätten: Für eine derarti-ge Anordnung bestände mangels der Verfolgung eines publizistischen Zwecks keine Länderkom-petenz.

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medienanstalten eine eigenständige Entgeltregulierung zuzubilligen166. Die Argumen-

tation, der in Rede stehende Fall könne nicht dazu führen, dass überhaupt keine

Entgeltregulierung mehr eingreifen könne167, folgt dem Muster: „Es kann nicht sein,

was nicht sein darf.“ und verfängt für sich gesehen nicht. Auch ersetzen vorgebliche

„Interesse(n) der Rundfunkanstalten“ und insbesondere vorgeblich grundrechtlich ge-

schützte Interessen der Kabelnetzbetreiber, „eine Rechtsgrundlage für die Einforde-

rung des Einspeiseentgelts zur Verfügung zu haben“168, keineswegs eine dem

Gesetzesvorbehalt entsprechende Ermächtigungsgrundlage für die Regulierung der

Einspeiseentgelte, sollte deren Schaffung wegen des publizistischen Zwecks – der

allerdings nicht besteht, soweit es nur darum geht, den Kabelnetzbetreibern die Rea-

lisierung von Einspeiseentgelten zu ermöglichen – auch im Rahmen der Länderkom-

petenzen liegen169. Schließlich ist es kaum überzeugend, ohne entsprechende An-

haltspunkte im Wortlaut der einschlägigen Regelungen und gegen den erklärten Wil-

len des Gesetzgebers nur unter Berufung auf den Zweck170 des § 52d RStV das Be-

stehen einer Ermächtigung der Landesmedienanstalten zur Regulierung der Einspei-

seentgelte anzunehmen. Demnach scheidet auch für den – wie sogleich gezeigt

wird: mittlerweile eingetretenen – Fall des Wegfalls der telekommunikationsrechtli-

chen Regulierung der Einspeiseentgelte eine „ersatzweise“ Regulierung derselben

durch die Landesmedienanstalten aus.

bb. Telekommunikationsrechtliche Entgeltregulierung gemäß den §§ 27 ff TKG?

Hinsichtlich der Entgelte für Übertragungsleistungen kommt eine Vorabregulierung

gemäß den §§ 30, 31 TKG oder eine nachträgliche Regulierung gemäß § 38 TKG in

Betracht.

Eine Regulierung der Einspeiseentgelte war bereits im Jahr 1999 durch die RegTP

erfolgt171. Im Jahr 2003 hatte die Europäische Kommission die Regulierung des

166

Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 7; s.a. Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (37).

167 So Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (37).

168 So Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (37).

169 So Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (37). S.a. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 7.

170 Vgl. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 7.

171 Beschluss der RegTP v. 24.03.1999, Az: BK 3b-99/001; vgl. dazu Fink/Keber, MMR-Bei-lage 2/2013, S. 1 (37).

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Marktes Nr. 18 für „Rundfunk-Übertragungsdienste zur Bereitstellung von Sendein-

halten für Endnutzer“ empfohlen172. In der Folge unterwarf die BNetzA die Einspei-

seentgelte der nachträglichen Entgeltregulierung nach § 38 TKG173. Im Jahr 2007

nahm die Europäische Kommission den vormaligen Markt Nr. 18 nicht mehr in ihre

Märkteempfehlung auf174. Daraufhin verfügte die BNetzA auf der Basis einer neuen

Marktanalyse175 die Aufhebung der Regulierung176. Demzufolge unterliegen die Ein-

speisemärkte nicht mehr der telekommunikationsrechtlichen (Entgelt-)Regulierung177.

cc. Analoge Anwendung des § 5 Abs. 7 RStV?

Gersdorf schlägt vor, zur Gewährleistung der Durchsetzung von ihm angenommener

Entgeltansprüche der Kabelnetzbetreiber den unmittelbar das Entgelt für die Kurzbe-

richterstattung betreffenden § 5 Abs. 7 RStV analog anzuwenden178. In verfahrens-

mäßiger Hinsicht sieht § 5 Abs. 7 Satz 2 RStV vor, dass ein schiedsrichterliches Ver-

fahren nach den §§ 1025 ff ZPO vereinbart werden soll, falls der Event-Veranstalter

und der Fernsehveranstalter keine Einigung über die Höhe des Entgelts für die Aus-

übung des Rechts auf Kurzberichterstattung erzielen.

Fraglich hinsichtlich der Voraussetzungen einer Analogie179 ist insoweit bereits, ob

eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Die Länder beabsichtigten gerade nicht, im

Hinblick auf die Festlegung (der Höhe) von Einspeiseentgelten eine das diesbezüg-

172

Empfehlung 2003/311/EG v. 11. Februar 2003 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunika-tionsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, K(2003) 497, ABl. (EG) L 114 v. 08.05.2003, S. 45.

173 Regulierungsverfügungen der BNetzA, Az.: BK 3b-06-014/R, BK 3b-06-017/R, BK 3b-06-013+015/R.

174 Empfehlung 2007/879/EG v. 17. Dezember 2007 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunika-tionsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, K(2007) 5406, ABl. (EG) L 344 v. 28.12.2007, S. 65.

175 BNetzA, Festlegung der Präsidentenkammer v. 07.10.2010, Az.: BK 1-09/005.

176 Verfügungen der BNetzA, Az.: BK 3-10-083 (Kabel Deutschland Vertrieb und Service GmbH & Co. KG), BK 3-10-084 (Unitymedia Hessen und Unitymedia NRW GmbH), BK 3-10-085 (Kabel Baden-Württemberg GmbH & Co. KG).

177 Vgl. zum Ganzen nur Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52d RStV, Rdnr. 5; Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (37); Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (3 f).

178 Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (13).

179 Vgl. nur Rüthers u.a., Rechtstheorie, S. 519 f.

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liche Verfahren betreffende Regelung im RStV zu treffen. Sie verwiesen insoweit in

der amtlichen Begründung zum 10. RÄndStV ausdrücklich auf das telekommunikati-

onsrechtliche Entgelt-Regulierungsverfahren180. Selbst wenn aber angenommen

werden könnte, eine ausfüllungsbedürftige Lücke sei im Nachhinein wegen des Weg-

falls der Entgelt-Regulierung des Marktes Nr. 18 entstanden, ist ernstlich zu be-

zweifeln, ob die Schließung der Lücke durch die vorgeschlagene Analogiebildung

zum Recht der Kurzberichterstattung erfolgen kann. Eine Parallelität der Konstel-

lationen kann nämlich nicht ohne weiteres angenommen werden. Während im Kurz-

berichterstattungsrecht die Entgeltpflicht ausdrücklich angeordnet ist (§ 5 Abs. 7

Satz 1 RStV) – und ein schiedsgerichtliches Verfahren konsequent nur hinsichtlich

der Höhe des Entgelts vereinbart werden soll (§ 5 Abs. 7 Satz 2 RStV) –, fehlt eine

solche Anordnung der Entgeltpflicht im Hinblick auf Einspeisung und Durchleitung

von Angeboten mit Must-Carry-Status im Plattformregime des RStV181. Und weil § 5

Abs. 7 Satz 2 RStV das schiedsgerichtliche Verfahren gemäß den §§ 1025 ff ZPO

nur hinsichtlich der Höhe des Entgelts thematisiert, wäre eine analoge Anwendung

der Vorschrift auch nicht zielführend, soweit das „Ob“ der Entgeltpflicht zwischen In-

halte-Anbietern und Kabelnetzbetreibern streitig ist. Dies einmal außen vor gelassen,

könne – so Fink/Keber182 – die in Rede stehende Analogie den Kabelnetzbetreibern

nur bedingt helfen, da das schiedsgerichtliche Verfahren nicht obligatorisch sei.

Die soeben aufgeworfenen Fragen müssen hier nicht umfassend diskutiert werden.

Denn es geht im vorliegenden Zusammenhang um die Frage, ob im Vertikalverhält-

nis eine hoheitliche Festlegung von Einspeiseentgelten durch den Gesetzgeber er-

folgt ist oder im Rahmen eines von der Exekutive durchzuführenden Entgeltregulie-

rungsverfahrens erfolgen kann und ggf. vorgenommen wurde183. § 5 Abs. 7

Satz 2 RStV ordnet aber ein derartiges Entgeltregulierungsverfahren nicht an, son-

dern verweist auf den Abschluss einer Schiedsvereinbarung zwischen Inhalte-An-

bietern und Kabelnetzbetreibern im Sinne des § 1029 ZPO und damit auf die hori-

zontale Ebene.

180

S.o. C. II. 5. b. aa. 181

S.o. C. II. 5. a. 182

Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (42). Die Defizite seines Vorschlags sieht bereits Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (13), selbst.

183 S.o. C. II. 5.

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39

dd. Entgeltfestlegung durch einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Kabelnetz-

betreiber gemäß § 315 BGB?

Fink/Keber schlagen aufgrund einer von ihnen behaupteten „Parallele zu dem in der

Energiewirtschaft etablierten Konzept“ vor, hinsichtlich der Ermittlung von Einspeise-

entgelten § 315 BGB (analog) anzuwenden und nehmen auf dieser Basis ein einsei-

tiges Leistungsbestimmungsrecht der Kabelnetzbetreiber mit der Möglichkeit einer

anschließenden gerichtlichen Billigkeitskontrolle an184. Sie verweisen dabei auf die

Entscheidung „Stromnetznutzungsentgelt II“ des BGH185, der in dieser Entscheidung

im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein einseitiges Leistungsbestim-

mungsrecht eines Stromnetzbetreibers angenommen hat.

Der vom BGH beschrittene Weg ist allerdings im Hinblick auf Einspeiseentgelte

kaum gangbar, wenn die Inhalte-Anbieter einen sie zur Entgeltzahlung verpflichten-

den Einspeisevertrag erklärtermaßen mit der Begründung nicht abschließen

wollen186, sie seien gesetzlich nicht zur Entgeltzahlung verpflichtet, und damit einer

ergänzenden Vertragsauslegung bereits die Grundlage fehlt. I.Ü. zielt auch der Vor-

schlag von Fink/Keber auf die hier nicht relevante horizontale Ebene vertraglicher

Beziehungen zwischen Inhalte-Anbietern und Kabelnetzbetreibern.

ee. Zwischenfazit

Es kann demnach festgehalten werden, dass die §§ 52b, 52d RStV keine Festlegung

von Einspeiseentgelten enthalten und dass die nachträgliche Entgeltregulierung der

Einspeiseentgelte auf der Grundlage des § 38 TKG aufgehoben ist und eine andere

Rechtsgrundlage für eine hoheitliche Regulierung der Einspeiseentgelte nicht exis-

tiert.

184

Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (42). 185

BGH, NJW-RR 2006, S. 915 ff. 186

Der BGH, NJW-RR 2006, S. 915 ff, ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, zwischen dem Stromlieferanten und dem Netzbetreiber sei ein Vertrag zustande gekommen, auf Grund dessen der Netzbetreiber ein Entgelt beanspruchen könne. Im Streitfall hatte der Stromlieferant – so der BGH, a.a.O. – lediglich die Angemessenheit der konkret verlangten Entgelte in Zweifel gezogen.

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III. Must-Carry-Verpflichtungen nach den deutschen Landesmedien-/-rund-

funkgesetzen

Wie bereits ausgeführt wurde, bildet der weithin unionsrechtliche Vorgaben rezipie-

rende187 § 51b Abs. 3 RStV, der Regelungen der einzelnen Länder für die analoge

Kabelbelegung mit Rundfunk für zulässig erklärt188, den interföderalen Rahmen für

die in den Landesmedien-/-rundfunkgesetzen befindlichen (Must-Carry-189)Regelun-

gen im Hinblick auf die analoge Kabelbelegung190. Im Folgenden ist zu untersuchen,

ob sich aus diesen Vorschriften ebenfalls „echte“ Übertragungspflichten ergeben, ob

solchen Pflichten ggf. Verpflichtungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten korrespon-

dieren, den Kabelnetzbetreibern Angebote mit Must-Carry-Status zur Einspeisung

und Verbreitung tatsächlich zur Verfügung zu stellen, und ob hoheitlich eine Entgelt-

pflicht zugunsten der Kabelnetzbetreiber statuiert ist.

1. Must-Carry

Soweit durch die (oder aufgrund der) einschlägigen Regelungen der Landesmedien-/

-rundfunkgesetze Kanalbelegungen bezüglich vorrangig zu berücksichtigender191,

einzuspeisender192, zuzuführender193, zu verbreitender194, oder empfangbar195 einzu-

richtender196 Angebote bzw. bezüglich solcher Angebote vorgeschrieben bzw. vor-

genommen worden sind oder Rangfolgen festgelegt worden197 sind, gehen damit

hoheitlich auferlegte „echte“ Must-Carry-Pflichten zur Einspeisung und Durchleitung

der privilegierten Angebote einher198. Wenn § 21 Abs. 1 LMedienG BW die „Zuwei-

sung von Übertragungskapazitäten“ regelt und § 53 Abs. 2 SMG bestimmt, Kabel-

netzbetreiber hätten sicherzustellen, dass die erforderlichen Übertragungskapazitä-

187

Dazu Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 7. 188

Wille/Schulz/Buch, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 51b RStV, Rdnr. 45. 189

Vgl. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 27. 190

S.a. Wille/Schulz/Buch, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 51b RStV, Rdnr. 45. 191

Vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 1 LMG RLP, § 38 Abs. 1 SächsPRG. 192

Vgl. Art. 36 Abs. 1 BayMG. 193

Vgl. § 42 Abs. 1 HPRG, § 38 Abs. 1 ThürLMG. 194

Vgl. § 40 Abs. 1 MStV BB, § 36 Abs. 2 BremLMG, § 50 Abs. 2 RundfG M-V. 195

Vgl. § 35 Abs. 2 MedienG LSA. 196

Vgl. § 34 Abs. 1 NMedienG, § 18 Abs. 1 LMG NRW. 197

Vgl. § 30 Abs. 3 Satz 3 Medienstaatsvertrag HSH. 198

So auch Dörr, ZUM 2013, S. 81 (94), aufgrund einer ausführlichen Analyse der Landesmedien-/ -rundfunkgesetze.

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ten (…) zur Verfügung ständen, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis: Der

Zweck des analogen Kabelbelegungsregimes besteht in der Pluralismussicherung

(vgl. § 51b Abs. 3 Satz 2 RStV)199, einem legitimen Ziel von allgemeinem Interesse

im Sinne des Art. 31 Abs. 1 UDRL200. Die Erfüllung dieses Zwecks verlangt die tat-

sächliche Einspeisung und Durchleitung zum Rezipienten201, dessen freier Mei-

nungsbildung ein vielfältiges Angebot zu dienen bestimmt ist202. Dementsprechend

sind auch die zuletzt angesprochenen landesmedienrechtlichen Bestimmungen te-

leologisch im Sinne der Begründung echter „Must-Carry“-Pflichten auszulegen203.

2. Must-Offer?

Auch den Must-Carry-Pflichten im Zusammenhang mit der analogen Kabelbelegung

korrespondieren aus den die Funktionsaufträge der einzelnen Anstalten enthaltenden

Bestimmungen resultierende Verpflichtungen der Veranstalter der privilegierten An-

gebote, diese den Kabelnetzbetreibern tatsächlich zur Einspeisung zur Verfügung zu

stellen204.

Da sich sowohl die Pflicht der Kabelnetzbetreiber zur Einspeisung und Durchleitung

von Angeboten mit Must-Carry-Status als auch die Pflicht der öffentlich-rechtlichen

Anstalten, den Kabelnetzbetreibern die betreffenden Angebote tatsächlich zur Verfü-

gung zu stellen, bereits aus dem öffentlichen Rundfunkrecht ergeben, besteht kein

Anlass, zur Erfüllung der vorgenannten Pflichten einen zivilrechtlichen Kontrahie-

rungszwang und eine „Must-Offer“-Pflicht in diesem Sinne zu postulieren205.

199

Vgl. zum Zweck der Pluralismussicherung: Hartstein u.a., RStV, § 51b RStV, Rdnr. 21; zum ver-fassungsrechtlichen Hintergrund Wille/Schulz/Buch, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunk-recht, § 51b RStV, Rdnr. 15, unter Rekurs auf BVerfGE 57, 295 (324); 83, 238 (296 f, 315).

200 Dazu bereits o. B. II. 1.; s.a. Hartstein u.a., RStV, § 51b RStV, Rdnr. 21.

201 Den Aspekt der Empfangbarkeit durch die Rezipienten betont § 18 Abs. 1 LMG NRW, der be-stimmt, der Betreiber einer analogen Kabelanlage habe die Kanäle „(…) so zu belegen, dass alle angeschlossenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorrangig die für Nordrhein-Westfalen gesetz-lich bestimmten öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme (…) empfangen“ könnten.

202 S.o. C. II. 3., 4.

203 In § 6 der saarländischen Kanalbelegungssatzung v. 31.05.2007 (ABl. Saarland 2007, S. 1187) heißt es denn auch: „In jede Kabelanlage sind mindestens einzuspeisen (…)“.

204 Zur näheren Begründung s.o. C. II. 4.

205 Näher dazu o. C. II. 4.

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3. Must-Pay?

Die Länder haben in den Landesmedien-/-rundfunkgesetzen keine Entgeltpflicht im

Sinne des Art. 31 Abs. 2 UDRL statuiert206. In einigen Gesetzen wird § 52d RStV für

entsprechend anwendbar erklärt207, der jedoch lediglich für den Fall, dass Entgelte

gezahlt werden, Kriterien für deren Ausgestaltung enthält208. In anderen Gesetzen

werden Kriterien für die Ausgestaltung von Entgelten statuiert, die z.T. eng an die in

§ 52d RStV enthaltenen angelehnt sind bzw. diesen entsprechen209. Soweit die ein-

schlägigen Bestimmungen Vorgaben für die Ausgestaltung von Entgelten enthalten,

gehen die Gesetzgeber davon aus, dass Entgelte für die Einspeisung und Verbrei-

tung der Angebote (mit Must-Carry-Status) zivilrechtlich vereinbart werden können,

ohne allerdings die Entgeltpflicht selbst zu statuieren210. Aber auch das Fehlen derar-

tiger Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung von Entgelten lässt nicht den Schluss

zu, die Must-Carry-Pflichten seien unentgeltlich zu erfüllen. Werden im Zusammen-

hang mit Must-Carry-Pflichten weder Bestimmungen hinsichtlich des „Ob“ noch des

„Wie“ der Entgeltung getroffen, hat der betreffende Gesetzgeber die Frage eines

Entgelts für die Erfüllung der Must-Carry-Pflichten (in diesem Kontext) schlicht nicht

entschieden. Damit ist die vertragliche Vereinbarung von Entgelten auf der horizonta-

len Ebene durch das analoge Kabelbelegungsregime nicht ausgeschlossen; es be-

steht indes keine synallagmatische Verknüpfung zwischen den hoheitlich auferlegten

Must-Carry-Pflichten und ggf. vereinbarten Entgelten.

Im Hinblick auf landesgesetzliche Regelungen, die die Unentgeltlichkeit der Verbrei-

tung bestimmter Angebote (Offene Kanäle, Bürgerfunk) ausdrücklich anordnen oder

eine dahingehende Anordnung ermöglichen211, ist angenommen worden, daraus

206

So auch Dörr, ZUM 2013, S. 81 (95). 207

§ 19 Satz 4 LMedienG BW; § 34 Abs. 8 NMedienG; § 18 Abs. 10 LMG NRW. 208

S.o. C. II. 5. a. 209

§ 39 Abs. 1 Nr. 1 MStV BB; § 50a Abs. 1 RundfG M-V; §§ 36 Abs. 3, 38d MedienG LSA, § 38 Abs. 5 SächsPRG; §§ 38 Abs. 8, 38a Abs. 3 Nr. 4 ThürLMG.

210 Vgl. o. C. II. 5. a.

211 § 19 Satz 3 LMedienG BW; § 39 Abs. 3 MStV BB; § 43 Satz 1, 3 BremLMG; § 30 Abs. 2 Medien-staatsvertrag HSH; § 39 Abs. 5 HPRG; § 44 Abs. 5 RundfG M-V; § 34 Abs. 7 NMedienG; § 22 LMG NRW; § 31 Abs. 3 Satz 3 LMG RLP; § 21 Abs. 5 MedienG LSA. – Im Hinblick auf Platt-formen ermöglicht § 43 Satz 2, 3 BremLMG die Anordnung der Unentgeltlichkeit der Übertragung der Angebote gemäß § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RStV. Wie die systematische Einordnung dieser Regelung in den Abschnitt 6 des BremLMG über den Bürgerrundfunk erweist, soll damit lediglich die Anordnung der Unentgeltlichkeit im Hinblick auf bestimmte Angebote im Sinne des § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c) RStV ermöglicht werden. Diese Regelung kann i.Ü. allenfalls im Hinblick auf das Gebiet des Landes Bremen Geltung beanspruchen.

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könne nur gefolgert werden, „dass in den nicht ausdrücklich geregelten Bereichen

das Gebot der Unentgeltlichkeit nicht zum Tragen“ komme212. Das ist zwar zutref-

fend, bedeutet aber nicht, dass in diesen Bereichen die Entgeltlichkeit positiv ange-

ordnet wäre. Vielmehr gilt auch insoweit lediglich, dass das Kabelbelegungsregime

die vertragliche Vereinbarung von Entgelten nicht ausschließt.

Bezüglich des § 41 Abs. 1 Satz 4 a.F. MStV BB213 ist das OLG Brandenburg in einer

Entscheidung aus dem Jahr 2002214 zu der Auffassung gelangt, die Vorschrift verbie-

te die Erhebung von Einspeiseentgelten im Hinblick auf die mit Must-Carry-Status

versehenen öffentlich-rechtlichen Programme. Nach dieser Bestimmung durften für

Rundfunkprogramme, denen Frequenzen nach den §§ 4 Abs. 1, 5 a.F. MStV BB215

zugewiesen wurden, vom Teilnehmer neben dem für den Kabelanschluss erhobenen

Entgelt keine zusätzlichen Entgelte erhoben werden. Das OLG Brandenburg argu-

mentierte, die Zahlung von Einspeiseentgelten würde infolge der daraus resultieren-

den Erhöhung der Rundfunkgebühren dazu führen, dass den Teilnehmern zusätzlich

zu dem Entgelt für den Kabelanschluss ein weitergehendes Entgelt abverlangt wür-

de216. Die Kritik an dieser Rechtsprechung hat indes unter Rekurs auf den Willen des

Gesetzgebers217 zutreffend aufgezeigt, dass § 41 Abs. 1 Satz 4 a.F. MStV BB aus-

schließlich das Verhältnis zwischen Teilnehmern und Kabelnetzbetreibern betraf218.

Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die die Thematik nunmehr regelnde Be-

stimmung des § 39 Abs. 7 MStV BB219. Demnach erlaubt auch das Kanalbelegungs-

212

So Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (39), unter Rekurs auf Engel/Lüdemann, ZUM 2008, S. 904 (910).

213 Dem Urteil des OLG Brandenburg lag die Bestimmung nach Maßgabe des Staatsvertrags über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks vom 29. Februar 1992 (Berlin GVBl. 1992, S. 150; Brandenburg GVBl. I, 1992, S. 142) in der Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks vom 3. November 1998 (Berlin GVBl. 1998, S. 406; Bran-denburg GVBl. I 1998, S. 258) zugrunde.

214 OLG Brandenburg, TMR 2002, S. 213 ff.

215 Die Vorschriften betrafen die Übertragungsmöglichkeiten der Landesrundfunkanstalten, des ZDF und des Deutschlandradio.

216 OLG Brandenburg, TMR 2002, S. 213 (218).

217 Es sollte klargestellt werden, dass Rundfunkteilnehmer „über die Kabelanschlussgebühr hinaus nicht verpflichtet sind, an die Kabelnetzbetreiber Entgelte (…) zu zahlen“; Abgeordnetenhaus von Berlin-Drs. 13/3228, Vorlage – zur Beschlussfassung – über das Gesetz zu dem Ersten Staatsver-trag zur Änderung des Staatsvertrags über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks, S. 15.

218 Vgl. nur Wichmann, Anmerkung zum o.g. Urteil des OLG Brandenburg, TMR 2002, S. 221 (222 f).

219 Die Bestimmung lautet: „Für die in Berlin und Brandenburg gesetzlich bestimmten Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürfen vom Teilnehmer neben dem für den Kabelanschluss erho-

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regime in Berlin und Brandenburg den Kabelnetzbetreibern und den öffentlich-

rechtlichen Anstalten die vertragliche Vereinbarung von Einspeiseentgelten, ohne

allerdings eine Entgeltpflicht zu statuieren.

4. Rundfunkrechtliche Regulierung der Einspeiseentgelte

Die Landesmedien-/-rundfunkgesetze sehen keine eigenständige hoheitliche Ein-

speiseentgeltregulierung vor. Ergänzend sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass

eine telekommunikationsrechtliche Entgeltregulierung derzeit nicht existiert220.

IV. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit

Wenn bisher festgestellt werden konnte, dass die medienrechtlichen (Must-Carry-)

Regelungen Einspeiseentgelte nicht festlegen, aber auch die zivilrechtliche Vereinba-

rung solcher Entgelte nicht ausschließen, ist nachfolgend zu untersuchen, ob und

ggf. inwieweit angesichts dieser Lage die haushaltsrechtlichen Bindungen der öffent-

lich-rechtlichen Anstalten die Zahlung von Einspeiseentgelten zulassen.

Die vom Funktionsauftrag umfassten Angebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten

und deren Verbreitung sind funktionsgerecht zu finanzieren221. Die Verfassungsga-

rantie funktionsgerechter Finanzierung ist dynamisch angelegt222, aber auf das je zur

Funktionserfüllung Erforderliche limitiert223.

Dabei ist der Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Anstalten an den Kriterien der

Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu bemessen (§ 14 Abs. 1 RStV, § 3 Abs. 1

Satz 2 RFinStV). Die Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu Wirtschaft-

lichkeit und Sparsamkeit224 wird insbesondere im Hinblick auf die Auswahl der Über-

tragungswege in § 19 Satz 2 RStV noch einmal besonders betont. Das Prinzip der

Sparsamkeit verlangt, ein vorgegebenes Ziel mit dem geringstmöglichen Mittelein-

benen Entgelt keine zusätzlichen Entgelte erhoben werden. Gleiches gilt für die Programme nach § 2 Nr. 1 bis 4.“

220 S.o. C. II. 5. b. bb.

221 Vgl. nur BVerfGE 90, 60 (91), unter Rekurs auf BVerfGE 87, 181 (198).

222 BVerfGE 119, 181 (218), unter Rekurs auf BVerfGE 74, 297 (350 f); 87, 181 (198); 90, 60 (90, 99).

223 BVerfGE 87, 181 (202), unter Rekurs auf BVerfGE 74, 297 (342). Vgl. zum Ganzen bereits Hain, Telemedienauftrag, S. 43 f m. w. N.

224 Vgl. Libertus, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 14 RStV, Rdnr. 35 ff.

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satz zu erreichen; dementsprechend ist die hinreichende Versorgung der Be-

völkerung über geeignete Übertragungswege mit dem geringstmöglichen finanziellen

Kostenaufwand zu realisieren225. Nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit ist wiede-

rum bei einem vorgegebenen Mitteleinsatz der größtmögliche Nutzen zu erzielen226.

Die prinzipielle verfassungsrechtliche Autonomie der Anstalten bezieht sich nicht nur

auf die inhaltliche Gestaltung der Angebote, sondern auch auf die Wahl der Verbrei-

tungswege227. Dies ist im Hinblick auf die Frage der Eignung von Verbreitungswegen

im Sinne des § 19 Satz 1 RStV zu beachten. Wie bereits ausgeführt wurde, ist die

Kabelverbreitung angesichts der Bedeutung des Kabels für die Rezeption der öffent-

lich-rechtlichen Angebote allerdings unverzichtbar228.

Auch im Hinblick auf die Operationalisierung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit

und Sparsamkeit ist aufgrund der prinzipiellen grundrechtlichen Autonomie der An-

stalten eine Einschätzungsprärogative anzuerkennen229. Nun ist bislang festgestellt

worden, dass keine hoheitliche Anordnung der Entgeltpflicht im Hinblick auf die Ka-

beleinspeisung besteht, dass hingegen die analogen Kabelbelegungsregime und das

Plattformregime der vertraglichen Vereinbarung von Einspeiseentgelten nicht entge-

genstehen. Aber auch bei Anerkennung einer Einschätzungsprärogative der Anstal-

ten sind diese nicht berechtigt, nach Opportunität zu entscheiden, ob sie ein Einspei-

seentgelt freiwillig mit den Kabelnetzbetreibern vereinbaren oder nicht. Mit dem

Grundsatz der Sparsamkeit ist es angesichts des mittlerweile erreichten Standes des

Kabelnetzausbaus230 und der bestehenden gesetzlichen Must-Carry-Garantien für

öffentlich-rechtliche Angebote nicht mehr vereinbar, für Dienstleistungen der Kabel-

netzbetreiber ohne eine dahingehende Zahlungspflicht Entgelte zu zahlen. Denn evi-

dent kann die Versorgung der Rezipienten durch Programme mit Must-Carry-Status

ohne Kostenaufwand erreicht werden231. Die Kabelnetzbetreiber sind nämlich öffent-

225

Binder, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 19 RStV, Rdnr. 33 f. 226

Libertus, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 14 RStV, Rdnr. 36 m. w. N. 227

So mit Recht Binder, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 19 RStV, Rdnr. 5. 228

S.o. C. II. 3. 229

Vgl. nur Libertus, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 14 RStV, Rdnr. 40 m. w. N. 230

Es mag sein, dass in früheren Phasen des Kabelnetzaufbaus Einspeiseentgelte anhand der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu rechtfertigen waren; dies ist im Rahmen die-ser Untersuchung allerdings nicht abschließend zu klären.

231 Daher könnte die KEF selbst bei Zugrundelegung ihrer Beschränkung auf eine Evidenzkontrolle – vgl. zu dieser Ansicht die Nwe. bei Libertus, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 14 RStV, Rdnr. 37 – den in Rede stehenden etwaigen Zahlungen Sparsamkeit nicht attestieren.

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46

lich-rechtlich zur ununterbrochenen Einspeisung verpflichtet, ohne dass die Länder

Einspeiseentgelte festgelegt hätten, die die öffentlich-rechtlichen Anstalten zur Zah-

lung verpflichten würden232.

Zahlungen an die Kabelnetzbetreiber können vor diesem Hintergrund allenfalls zu-

lässig sein, soweit diese für über den gesetzlich garantierten Umfang hinausgehende

Dienste der Kabelnetzbetreiber geleistet werden. Die Inanspruchnahme solcher

Dienste kann unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe an neuen rundfunktechnischen

Verbreitungsmöglichkeiten durch die zugunsten der öffentlich-rechtlichen Anstalten

geltende Entwicklungsgarantie233 gedeckt sein und wäre in diesem Fall als Entwick-

lungsbedarf gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 RStV bei der Überprüfung und Ermittlung des

Finanzbedarfs anhand der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu-

grunde zu legen.

Soweit es aber um die Zahlung von Einspeiseentgelten für die Erfüllung der den Ka-

belnetzbetreibern hoheitlich auferlegten Must-Carry-Pflichten geht, erlaubt die Ver-

pflichtung der Anstalten zur Sparsamkeit die freiwillige Zahlung von Einspeiseentgel-

ten nicht.

V. Möglichkeit der unionsrechts-/verfassungskonformen Interpretation der

einfach-rechtlichen Regelungen im Sinne einer Entgelt-/Entschädigungs-

pflicht?

Dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten keine Einspeiseentgelte für die Erfüllung der

den Kabelnetzbetreibern gesetzlich auferlegten Must-Carry-Pflichten zahlen – und

die Kabelnetzbetreiber insoweit dementsprechend keine Einspeiseentgelte von den

Anstalten erhalten – dürfen, ist das Ergebnis einer auf der einfach-rechtlichen Ebene

verbleibenden Interpretation234. Es ist indes prinzipiell möglich, dass dieses Ergebnis

sich als mit aus höherrangigem Unions- und/oder nationalem Verfassungsrecht flie-

ßenden (Grund-)Rechtspositionen der Kabelnetzbetreiber unvereinbar erweist. Wäre

dies der Fall, müsste zunächst erwogen werden, ob die einfach-rechtlichen Normen

unionsrechts- bzw. verfassungskonform interpretiert werden könnten235, um den

232

S.o. C. II. und III. 233

Vgl. BVerfGE 83, 238 (299 f). 234

S.o. C. II. 5. 235

S. dazu nur Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1, Rdnr. 326: „favor legis“.

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47

Rechten der Kabelnetzbetreiber angemessen Rechnung zu tragen. Sollte sich aus

höherrangigem Recht die Notwendigkeit der Entgeltung oder Entschädigung236 der

Kabelnetzbetreiber für die Erfüllung der Must-Carry-Pflichten ergeben, wäre zu er-

wägen, ob die einfach-rechtlichen Must-Carry-Regelungen einschließlich der Ent-

gelte betreffenden Normen mit dem höherrangigen Recht in der Weise konform aus-

gelegt werden könnten, dass ihnen eine Entgelt-/Entschädigungspflicht zu entneh-

men wäre237.

Allerdings darf durch eine Interpretation im Sinne höherrangigen Rechts die nieder-

rangige Norm nicht sinnwidrig interpretiert werden238. Der Wortlaut des niederrangi-

gen Gesetzes und der Wille des Gesetzgebers sind zu achten239. Nun haben die

Länder nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen eine Entgelt- oder eine

Entschädigungspflicht nicht ausdrücklich statuiert. Bestimmungen, die die Ausgestal-

tung von Entgelten regeln, dokumentieren, dass der Gesetzgeber davon ausgeht,

dass eine Entgeltvereinbarung möglich ist. Soweit in diesem Kontext die Pflicht zur

Offenlegung von Entgelten statuiert wird, wird deutlich, dass der Gesetzgeber davon

ausgeht, dass es sich um Entgelte handelt, die nicht er festsetzt, sondern die Ge-

genstand von auf horizontaler Ebene getroffenen Vereinbarungen zwischen Kabel-

netzbetreibern und Inhalte-Anbietern sind240. Infolgedessen ist bereits höchst zwei-

felhaft, ob eine unionsrechts-/verfassungskonforme Auslegung der Must-Carry-

Normen und der damit zusammenhängenden, die Ausgestaltung der Entgelte betref-

fenden Vorschriften in dem Sinne möglich ist, dass diesen Normen die hoheitliche

Anordnung der Entgeltpflicht „implantiert“ wird, die der einfache Gesetzgeber gerade

nicht statuiert hat.

Ein weiteres Bedenken kommt hinzu: Die Anordnung einer Entgeltpflicht zulasten der

öffentlich-rechtlichen Anstalten stellte einen Eingriff in deren Rundfunkfreiheit dar,

der am Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG und an dem diesen flankierenden, in

236

Mit Recht weisen Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1, darauf hin, dass Art. 31 UDRL nicht fest-legt, ob eine Entgelt durch den Mitgliedstaat oder durch die Veranstalter von Angeboten mit Must-Carry-Status zu leisten ist.

237 Wäre auf diesem Wege den Vorschriften eine Pflicht der Anstalten zur Entgeltzahlung zu entneh-men, würden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Zahlung von Einspeise-entgelten nicht entgegenstehen.

238 Vgl. nur BVerfGE 90, 263 (275) im Hinblick auf die verfassungskonforme Auslegung.

239 Vgl. BVerfGE 110, 226 (267) bezüglich der verfassungskonformen Auslegung.

240 Zum Vorstehenden s.o. C. II. 5. a., C. III. 3.

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48

seinen jeweiligen Anforderungen von der Eingriffsintensität abhängenden241 Be-

stimmtheitsgrundsatz zu messen wäre242. Die hoheitliche Statuierung einer Entgelt-

pflicht stellt aber einen relativ starken Eingriff dar, der einer ausdrücklichen Regelung

im Gesetz bedarf243, um den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts und des

Bestimmtheitsgebots gerecht zu werden. Entsprechendes gälte für den Fall der An-

ordnung der Entschädigung der Kabelnetzbetreiber durch den Staat. Sollte die An-

ordnung der Must-Carry-Pflichten etwa als ausgleichspflichtige Inhalts- und Schran-

kenbestimmung zu qualifizieren sein, müsste der Gesetzgeber Voraussetzungen, Art

und Umfang des Ausgleichs regeln244. Sollen Ansprüche auf Entschädigung bzw.

Ausgleich durch Geldzahlung geregelt werden, bedarf dies einer ausreichend be-

stimmten gesetzlichen Regelung245. Erforderlich wäre demnach eine ausdrückliche

Regelung zur Begründung von Zahlungspflichten des Staates.

Nach alledem ist es ausgeschlossen, die hier in Rede stehenden Vorschriften

(unionsrechts-/verfassungskonform) so zu interpretieren, dass ihnen eine Entgelt-/

Entschädigungspflicht im Hinblick auf die Erfüllung von Must-Carry-Pflichten zu ent-

nehmen wäre. Damit bleibt es auf einfach-rechtlicher Ebene bei dem Ergebnis, dass

die öffentlich-rechtlichen Anstalten für die Erfüllung gesetzlicher Must-Carry-Pflichten

den Kabelnetzbetreibern keine Entgelte zahlen dürfen und dementsprechend die Ka-

belnetzbetreiber solche Entgelte nicht erhalten dürfen.

Sollte sich diese einfach-rechtliche Lage als mit höherrangigem Recht unvereinbar

erweisen, wären die einschlägigen Normen in Ermangelung der Statuierung einer

Ausgleichsregelung verfassungswidrig. Der Gesetzgeber müsste in diesem Fall eine

hinreichend bestimmte Ausgleichsregelung treffen. Ohne eine solche Regelung dürf-

ten Gerichte oder Behörden wie die Landesmedienanstalten den Kabelnetzbetrei-

bern keine durch den Staat zu leistenden Kompensationen oder von den öffentlich-

rechtlichen Anstalten zu erbringenden Einspeiseentgelte zusprechen.

241

Vgl. nur BVerfGE 120, 378 (408). 242

Da eine derartige Anordnung keinen publizistischen Zweck verfolgen würde, wäre sie auch unter Zugrundelegung der Sonderdogmatik von der „dienenden“ Rundfunkfreiheit nicht als Ausgestaltung zu klassifizieren; näher Hain, Telemedienauftrag, S. 53 m. w. N.

243 Auch Dörr, ZUM 2013, S. 81 (104 f) geht von der Notwendigkeit einer ausdrücklichen Regelung einer Entgeltpflicht aus.

244 Vgl. nur BVerfGE 100, 226 (245).

245 So zutreffend Grzeszick, in: Baldus u.a., Staatshaftungsrecht, Rdnr. 410.

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49

VI. Zwischenfazit

Hinsichtlich der Regelungen zur digitalen Kabeleinspeisung in den §§ 52b, 52d RStV

kann in Bezug auf den Must-Carry-Sektor Folgendes festgehalten werden:

Für die digitale Kabelübertragung ordnet § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a),

Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV Must-Carry-Pflichten im Hinblick auf in der Vorschrift

näher bezeichnete öffentlich-rechtliche Angebote an.

§ 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a), Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV verpflichtet die Ka-

belnetzbetreiber nicht nur zur Vorhaltung von technischen Kapazitäten, son-

dern begründet Pflichten zur ununterbrochenen Einspeisung und Durch-

leitung der Angebote mit Must-Carry-Status. Diese Vorschrift bildet zugleich

den Rechtsgrund für die Erfüllung der Must-Carry-Pflichten.

Die durch das öffentliche Rundfunkrecht hoheitlich auferlegten Must-Carry-

Pflichten zur ununterbrochenen Einspeisung und Durchleitung der Angebote

mit Must-Carry-Status stehen nicht zur Disposition der Kabelnetzbetreiber, die

der gesetzlichen Anordnung dieser Pflichten vielmehr unterworfen und sie zu

befolgen jederzeit verpflichtet sind. Die Erfüllung dieser im Vertikalverhältnis

auferlegten Pflichten darf daher nicht zur Durchsetzung vermeintlicher Entgelt-

ansprüche der Kabelnetzbetreiber gegen die Must-Carry-Begünstigten auf der

horizontalen Ebene verweigert oder (vorübergehend) „ausgesetzt“ werden.

Die Verbreitung der beauftragten Programme des öffentlich-rechtlichen Rund-

funks über Kabelnetze ist angesichts des derzeitigen Grades ihrer Nutzung

unverzichtbar. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen den Kabelnetzbe-

treibern diese Angebote auch tatsächlich zur Einspeisung und Verbreitung zur

Verfügung stellen.

Da sich sowohl die Pflicht der Kabelnetzbetreiber zur Einspeisung und Durch-

leitung von Angeboten mit Must-Carry-Status als auch die Pflicht der öffent-

lich-rechtlichen Anstalten, den Kabelnetzbetreibern die betreffenden Angebote

tatsächlich zur Verfügung zu stellen, bereits aus dem öffentlichen Rundfunk-

recht ergeben, besteht kein Anlass, zur Erfüllung der vorgenannten Pflichten

einen zivilrechtlichen Kontrahierungszwang zu postulieren.

Die §§ 52b, 52d RStV enthalten keine Festlegung einer Entgeltpflicht im Sinne

des Art. 31 Abs. 2 UDRL.

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50

o In § 52b RStV wird die Entgeltfrage in keiner Weise thematisiert.

o § 52d RStV betrifft lediglich die Ausgestaltung von Entgelten und Tari-

fen. Eine Festlegung von Entgelten oder eine Regelung bezüglich des

Bestehens einer Entgeltpflicht wird nicht getroffen. Zutreffend ist ledig-

lich, dass § 52d RStV jedenfalls im Hinblick auf bestimmte Inhalte-An-

gebote mit Must-Carry-Status – und solche Angebote sind nicht nur die

durch diesen Status begünstigten öffentlich-rechtlichen Programme und

Dienste – die gesetzgeberische Annahme zugrunde liegt, zwischen In-

halte-Anbietern und Kabelnetzbetreibern könnten auf der horizontalen

Ebene Entgelte ausgehandelt werden.

Soweit § 52d RStV zwar die Möglichkeit der zivilrechtlichen Vereinbarung von

Entgelten für die Erfüllung von Übertragungspflichten voraussetzt, aber selbst

auf der Ebene des öffentlichen Rundfunkrechts keine Entscheidung hinsicht-

lich des Bestehens einer Entgeltpflicht trifft, kann dieser Bestimmung konse-

quent jedenfalls auch kein rundfunkrechtlicher Kontrahierungszwang der In-

halte-Anbieter dahingehend entnommen werden, dass diese gezwungen wä-

ren, einen Einspeisevertrag mit den Kabelnetzbetreibern abzuschließen, in

dem sie sich zur Zahlung von Einspeiseentgelten verpflichteten.

Nach der Aufhebung der telekommunikationsrechtlichen nachträglichen Ent-

geltregulierung existiert keine hoheitliche Entgeltregulierung mehr, in deren

Rahmen Einspeiseentgelte festgesetzt werden könnten.

Die Untersuchung der einzelnen Landesmedien-/-rundfunkgesetze bezüglich

der Belegungsregime im Hinblick auf das analoge Kabel führt zu denselben

Ergebnissen wie die Analyse im Hinblick auf die Must-Carry-Bestimmungen

bezüglich digitaler Kabelnetze.

Der Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Anstalten ist an den Kriterien der

Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu bemessen (§ 14 Abs. 1 RStV, § 3

Abs. 1 Satz 2 RFinStV; siehe hinsichtlich der Auswahl der Übertragungswege

§ 19 Satz 2 RStV). Das Prinzip der Sparsamkeit verlangt, ein vorgegebenes

Ziel mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz zu erreichen; dementsprechend

ist die hinreichende Versorgung der Bevölkerung über geeignete Übertra-

gungswege mit dem geringstmöglichen finanziellen Kostenaufwand zu reali-

sieren. Mit dem Grundsatz der Sparsamkeit ist es angesichts des mittlerweile

erreichten Standes des Kabelnetzausbaus und der bestehenden gesetzlichen

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51

Must-Carry-Garantien für öffentlich-rechtliche Angebote nicht mehr vereinbar,

für Dienstleistungen der Kabelnetzbetreiber ohne eine dahingehende Zah-

lungspflicht Entgelte zu zahlen. Denn die Versorgung der Rezipienten durch

Programme mit Must-Carry-Status kann ohne Kostenaufwand erreicht wer-

den: Die Kabelnetzbetreiber sind öffentlich-rechtlich zur ununterbrochenen

Einspeisung verpflichtet, ohne dass die Länder Einspeiseentgelte festgelegt

hätten, die die öffentlich-rechtlichen Anstalten zur Zahlung verpflichten wür-

den.

Zahlungen an die Kabelnetzbetreiber können allenfalls zulässig sein, soweit

diese für über den gesetzlich garantierten Umfang hinausgehende Dienste der

Kabelnetzbetreiber geleistet werden.

Eine unionsrechts-/verfassungskonforme Interpretation der Must-Carry-

Regelungen dergestalt, dass ihnen eine Entgelt-/Entschädigungspflicht im

Hinblick auf die Erfüllung der Übertragungspflichten zu entnehmen wäre, ist

ausgeschlossen. Sollte sich die hier ermittelte einfach-rechtliche Lage als mit

höherrangigem Recht unvereinbar erweisen, müsste der Gesetzgeber eine

hinreichend bestimmte Ausgleichsregelung treffen.

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52

D. Die Vereinbarkeit der deutschen Regelungen zur Begründung

von unentgeltlich zu erfüllenden Must-Carry-Pflichten mit hö-

herrangigem Recht

I. Vorbemerkung

Da (1) die hoheitlich statuierten Must-Carry-Pflichten in jedem Fall durch die Kabel-

netzbetreiber zu erfüllen sind und (2) die Must-Carry- und Entgeltausgestaltungs-

Vorschriften im Zusammenhang mit den Regelungen, die die öffentlich-rechtlichen

Anstalten zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichten, den Anstalten die Zah-

lung von Einspeiseentgelten verbieten, so dass die Kabelnetzbetreiber zwar die An-

gebote mit Must-Carry-Status einspeisen und verbreiten müssen, dafür jedoch keine

Einspeiseentgelte erhalten dürfen, stellt sich die Frage, ob diese Rechtslage, die

durch unionsrechts-/verfassungskonforme Auslegung – falls dazu Anlass bestände –

nicht korrigiert werden könnte, mit durch höherrangiges Recht begründeten Rechts-

positionen (zugunsten) der Kabelnetzbetreiber vereinbar ist.

Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts246 sind die deutschen

Regelungen zunächst anhand des Art. 31 UDRL zu prüfen, der seinerseits primär-

rechtskonform und damit auch unter Berücksichtigung der Dienstleistungsfreiheit

(Art. 56 AEUV) der Kabelnetzbetreiber247 sowie (in deren Rahmen) unions-

grundrechtskonform248 auszulegen ist249. Hinsichtlich der Prüfung anhand des

Art. 31 UDRL wird es maßgeblich darauf ankommen, ob die auferlegten Übertra-

gungspflichten im Sinne dieser Bestimmung verhältnismäßig sind250. Diesbezüglich

ist eine Abwägung erforderlich, anlässlich derer (auch) die Dienstleistungsfreiheit und

die Unionsgrundrechte als Abwägungsfaktoren heranzuziehen sind251. Selbst wenn

diese Berücksichtigung der Unionsgrundrechte im Rahmen der von Art. 31 UDRL

erforderten Abwägung zur Beurteilung mitgliedstaatlichen Rechts nicht mehr als pri-

märrechtskonforme Auslegung dieser sekundärrechtlichen Norm, sondern als Her-

anziehung der Unionsgrundrechte selbst als Maßstäbe für eine mitgliedstaatliche

246

Vgl. dazu nur Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV, Rdnr. 35 ff m. w. N. 247

Vgl. dazu nur Ehlers, in: Ehlers, EuGR, § 7, Rdnr. 9 m. w. N. 248

Vgl. zur Einbeziehung der Dienstleistungsfreiheit und in deren Rahmen der einschlägigen Unions-grundrechte im Hinblick auf Kabelbelegungsregime EuGH, Urteil v. 03.03.2011, Rs. C-134/10 – Kommission./.Belgien –, Rdnr. 42 ff, 53.

249 Vgl. dazu nur Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 51 GRCh, Rdnr. 12.

250 S.o. B. II. 2.

251 Zu den rechtstheoretischen Hintergründen vgl. Hain, in: FS Starck, S. 35 (43 ff) m. w. N.

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53

Norm zu verstehen sein sollte – wofür viel spricht –, sind hier die Unionsgrundrechte

als Prüfungsmaßstäbe zu berücksichtigen. Denn nach der Rechtsprechung des

EuGH stellt auch die mitgliedstaatliche Umsetzung von Richtlinien im Bereich von

Umsetzungsspielräumen die Durchführung des Rechts der Union (vgl. Art. 51 Abs. 1

Satz 1 GRCh) dar – mit der Folge, dass die Unionsgrundrechte auch Maßstäbe für

die mitgliedstaatliche Normsetzung in durch die jeweilige Richtlinie nicht vollständig

determinierten Bereichen bilden252. Dies gilt i.Ü. nicht nur für die Freiheitsrechte,

sondern auch für den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 20 GRCh. Im Hinblick auf

die Interpretation der Unionsgrundrechte spielen wiederum die Grundrechte der

EMRK eine bedeutende Rolle als Rechtserkenntnisquellen für den Gehalt der Uni-

onsgrundrechte gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV253 bzw. als Maßgaben für Bedeutung und

Tragweite der denjenigen der EMRK entsprechenden Grundrechte der GRCh

(Art. 52 Abs. 3 GRCh)254, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV255 Rechtsverbindlichkeit und

Ranggleichheit mit dem Primärrecht zukommt.

Was das deutsche Verfassungsrecht betrifft, misst das BVerfG unter der Vorausset-

zung eines im Wesentlichen dem nationalen Grundrechtsschutz gleich zu achtenden

Schutzniveaus durch die unionalen Grundrechte eine innerstaatliche Rechtsvor-

schrift, die eine Richtlinie in deutsches Recht umsetzt, insoweit nicht an den Grund-

rechten des Grundgesetzes, als das Gemeinschaftsrecht keinen Umsetzungsspiel-

252

Vgl. nur EuGH, Urteil v. 27.06.2006, Rs. C-540/03 – Parlament./.Rat –, Rdnr. 104 f. Gegen diese Rechtsprechung ist freilich kritisch einzuwenden, dass die Notwendigkeit einheitlicher Anwendung des Unionsrechts nur hinsichtlich der durch das Unionsrecht determinierten Bereiche besteht – nicht aber hinsichtlich der Bereiche, bezüglich derer das Unionsrecht den Mitgliedstaaten gerade Gestaltungsspielräume für unterschiedliche Lösungen eröffnet. Und soweit die Mitgliedstaaten Re-gelungen bezüglich durch das Unionsrecht nicht determinierter Bereiche treffen, entfalten sie origi-när nationale mitgliedstaatliche Hoheitsgewalt, die zweifellos an den jeweiligen nationalen Grund-rechten zu messen ist, bezüglich derer aber nach dem gerade Gesagten die Anwendung der Uni-onsgrundrechte als Prüfungsmaßstäbe kaum begründbar ist; vgl. zur Kritik nur Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 51 GRCh, Rdnr. 12; Nw. zur diesbezüglichen literarischen Kont-roverse finden sich bei dems., a.a.O., Rdnr. 10 (mit Fn. 26 f). Gleichwohl wird im Rahmen dieses Gutachtens die Rechtsprechung des EuGH zugrunde gelegt.

253 Dazu Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 6 EUV, Rdnr. 3 ff; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 6 EUV, Rdnr. 25.

254 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 52 GRCh, Rdnr. 21 ff; Becker, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 52 GRCh, Rdnr. 14.

255 Zur Problematik des Verhältnisses zwischen den Absätzen 1 und 3 des Art. 6 EUV zueinander kann und muss hier nicht abschließend Stellung genommen werden; vgl. dazu nur Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 6 EUV, Rdnr. 15 ff m. w. N. Im Rahmen dieses Gutachtens wird jedenfalls davon ausgegangen, dass die bisherige Grundrechtsrechtsprechung des EuGH eine Grundlage der Interpretation der Charta-Grundrechte bildet; dazu Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 6 EUV, Rdnr. 18; Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 6 EUV, Rdnr. 18.

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54

raum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht256. Soweit allerdings Umsetzungs-

spielräume bestehen, prüft das BVerfG die im Rahmen dieser Spielräume durch den

deutschen Gesetzgeber getroffenen Regelungen am Maßstab der nationalen Grund-

rechte257. Da Art. 31 UDRL den Mitgliedstaaten in erheblichem Umfang Spielräume

hinsichtlich der Auferlegung von Übertragungspflichten und der Festlegung von Ent-

gelten einräumt, sind nach dieser Rechtsprechung hinsichtlich der nationalen Umset-

zungsbestimmungen in Gestalt der §§ 52b, 52d RStV sowie den Regelungen zur

analogen Kabelbelegung in den Landesmedien-/-rundfunkgesetzen die nationalen

Grundrechte, bezüglich derer wiederum die Rechtsprechung des EGMR bezüglich

der Konventionsgrundrechte „als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und

Reichweite“ fungiert258, als Prüfungsmaßstäbe heranzuziehen.

Die Rechtsprechung des EuGH einerseits und des BVerfG andererseits führen zu

einer parallelen Anwendbarkeit unionaler und nationaler Grundrechte im Hinblick auf

nationale Normen im Umsetzungsspielraum einer Richtlinie. Das Problem einander

widersprechender Ergebnisse lässt sich jedenfalls im Hinblick auf mehrpolige Grund-

rechtsverhältnisse wie das hier zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstal-

tern, Kabelnetzbetreibern und nicht massenmedialen Kommunikatoren und Rezipien-

ten vorliegende nicht auf der Basis des Günstigkeitsprinzips259 des Art. 53 GRCh

lösen, so dass im Kollisionsfall der Vorrang des Unionsrechts zum Zuge kommen

muss260.

Nachfolgend sollen die deutschen Regelungen zur Auferlegung von Must-Carry-

Pflichten bezüglich öffentlich-rechtlicher Angebote zunächst auf ihre Vereinbarkeit

mit dem Unionsrecht geprüft werden (II.) Anschließend werden diese Regelungen

am deutschen Verfassungsrecht gemessen werden (III.).

256

Vgl. dazu nur BVerfGE 118, 79 (95). 257

BVerfGE 118, 79 (98); 121, 1 (15 f). 258

Grundlegend BVerfGE 74, 358 (370). 259

Für eine derartige Interpretation des Art. 53 GRCh vgl. nur Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 53 GRCh, Rdnr. 3 ff, mit eingehender Kritik der Gegenansicht.

260 In diesem Sinne auch Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 51 GRCh, Rdnr. 12; Szczekalla, in: Heselhaus/Nowak, Hb. EuGR, § 7, Rdnr. 10.

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55

II. Vereinbarkeit der deutschen Regelungen zur Begründung von unentgelt-

lich zu erfüllenden Must-Carry-Pflichten mit dem Unionsrecht

1. Die Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 UDRL

Nach Art. 31 Abs. 1 Satz 1, 2 UDRL können die Mitgliedstaaten zur Übertragung be-

stimmter Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanäle und ergänzender, insbesondere zu-

gangserleichternder Dienste, die behinderten Endnutzern einen angemessenen Zu-

gang ermöglichen, den ihrer Rechtshoheit unterliegenden Unternehmen, die für die

öffentliche Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen genutzte elektro-

nische Kommunikationsnetze betreiben, zumutbare Übertragungspflichten auferle-

gen, wenn eine erhebliche Zahl von Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum

Empfang von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen nutzt. Dabei dürfen solche

Pflichten nur auferlegt werden, soweit sie zur Erreichung der von den einzelnen Mit-

gliedstaaten ausdrücklich festgelegten Ziele von allgemeinem Interesse erforderlich

sind; sie müssen zudem verhältnismäßig und transparent sein.

Durch die Must-Carry-Regelungen hinsichtlich der digitalen und analogen Kabelver-

breitung haben die deutschen Länder den ihrer Rechtshoheit unterliegenden Kabel-

netzbetreibern Pflichten zur Übertragung von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen

sowie ergänzender Dienste hoheitlich auferlegt261.

Mit dem Ziel der Vielfaltssicherung haben die deutschen Regelungen ein Ziel von

allgemeinem Interesse262 ausdrücklich festgelegt (vgl. die §§ 51b Abs. 3 Satz 2, 52b

Abs. 3 Nr. 2 RStV)263.

Soweit Übertragungspflichten nur hinsichtlich solcher Kabelnetze auferlegt werden

dürfen, die von einer erheblichen Zahl von Endnutzern als Hauptmittel zum Empfang

von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen genutzt werden, wird dem Rechnung ge-

tragen, indem § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 4 RStV die Anwendung des § 52b RStV für

drahtgebundene Plattformen mit in der Regel weniger als 10.000 angeschlossenen

Wohneinheiten und für drahtlose Plattformen mit in der Regel weniger als 20.000

Nutzern ausschließt264. Auch verschiedene landesrechtliche Vorschriften enthalten

261

S.o. C. II. 1.; C. III. 1. 262

Dazu o. C. II. 1. 263

S.o. C. II. 1.; C. III. 2. 264

Vgl. dazu Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 19.

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entsprechende ausdrückliche Vorgaben265. Ob sich aus landesrechtlichen Vorschrif-

ten, die lediglich eine Anzeigepflicht der Kabelnetzbetreiber, die Netze ab einer be-

stimmten Größenordnung betreiben, vorsehen266, entnehmen lässt, dass nur hin-

sichtlich solcher Netze Übertragungspflichten auferlegt werden dürfen, ist zumindest

zu bezweifeln. Diesbezüglich und im Hinblick auf analoge Kabelregime, innerhalb

derer keinerlei Regelung getroffen ist, die die Möglichkeit der Auferlegung von Über-

tragungspflichten auf Kabelnetze beschränken, die von einer erheblichen Zahl von

Endnutzern als Hauptmittel zum Empfang von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen

genutzt werden267, besteht die Möglichkeit und Notwendigkeit einer unionsrechtskon-

formen Anwendung im Sinne dieser Beschränkung gemäß Art. 31 Abs. 1

Satz 1 UDRL268.

Weiterhin müssen die auferlegten Übertragungspflichten zumutbar, d.h. „unter Be-

rücksichtigung klar umrissener Ziele von allgemeinem Interesse dem Grundsatz der

Verhältnismäßigkeit entsprechen und transparent sein“269.

Das Bestimmtheits- und Transparenzgebot hinsichtlich der spezifischen Bezeichnung

der Angebote mit Must-Carry-Status270 ist durch die Must-Carry-Regime nach deut-

schem Rundfunkrecht erfüllt; dem Bestimmtheitsgebot ist i.Ü. eine Pflicht der Mit-

gliedstaaten zur quantitativen Begrenzung des Umfangs von Angeboten mit Must-

Carry-Status nicht zu entnehmen271.

265

Vgl. § 1 Abs. 1 Kanalbelegungssatzung Bayern; § 1 Abs. 2 HPRG, § 1 Abs. 2 Kanalbelegungs-satzung Hessen; § 1 Abs. 3 Kanalbelegungsplan Mecklenburg-Vorpommern; § 1 Satz 2 NMedienG; § 19 Abs. 1 i.V.m. § 85 Abs. 1 LMG NRW; § 2 Abs. 2 Kanalbelegungssatzung RLP; § 1 Abs. 5 Kanalbelegungssatzung Saarland; § 36 Abs. 1 Satz 2 MedienG LSA (In dieser Be-stimmung werden nur bzgl. bestimmter Programme Kabelanlagen, an die weniger als 100 Wohn-einheiten angeschlossen sind, von der Rangfolgenvorgabe ausgenommen.); § 1 Abs. 2 SächsPRG; § 1 Abs. 3 ThürLMG.

266 § 19 Satz 1 LMedienG BW, § 3 Abs. 2 Nutzungsplan-VO BW; § 38 MStV BB; § 34 Abs. 1 BremLMG

267 So sieht der Medienstaatsvertrag HSH keine entsprechende Einschränkung des Anwendungsbe-reiches der Must-Carry-Regelungen vor.

268 Vgl. Wille/Schulz/Buch, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 51b RStV, Rdnr. 45.

269 Erwägungsgrund 43 zur Richtlinie 2002/22/EG (Fn. 18).

270 Vgl. EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 24 f; EuGH, Urteil v. 03.03.2011, Rs. C-134/10 – Kommission./.Belgien –, Rdnr. 59 ff.

271 Vgl. EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 24 ff.

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57

2. Insbesondere: Die Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit im Sinne des

Art. 31 Abs. 1 UDRL

Von zentraler Bedeutung im Hinblick auf den Gegenstand dieser Untersuchung ist

das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Auferlegung von Übertragungspflichten

als Bestandteil der aus dem Oberbegriff der „Zumutbarkeit“ im Sinne des Art. 31

Abs. 1 UDRL resultierenden einzelnen Voraussetzungen272.

a. Geeignetheit

Die Ausstattung von in besonderem Maße zu interner Vielfalt verpflichteten öffent-

lich-rechtlichen Angeboten273 mit einem Must-Carry-Status ist ein geeigneter Weg

der Pluralismussicherung274.

b. Erforderlichkeit

Hinsichtlich der Fragen, ob eine Maßnahme erforderlich ist oder ob ein milderes,

gleich effektives Mittel der Zielerreichung zur Verfügung steht, räumt der EuGH den

Mitgliedstaaten einen breiten Beurteilungsspielraum ein275.

Auf dieser Linie liegt auch die Entscheidung des EuGH zum Kabelbelegungsregime

nach § 37 Nds.LMG, in der der EuGH sogar eine hoheitliche Vollbelegung des ana-

logen Kabels276 als erforderlich angesehen hat277. Auf der Basis dieser Rechtspre-

272

Der EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 41 ff, prüft zwar den Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Folgen anhand des Oberbegriffs der Zumutbarkeit. Die Proble-matik ist indes unter Berücksichtigung der Systematik der in Rede stehenden Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 UDRL spezifischer dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zuzuordnen – dazu be-reits o. Fn. 36 – und wird im Folgenden auch so bezeichnet und behandelt; der Terminus „Zumut-barkeit“ wird nur verwendet, soweit die entsprechende Diktion des EuGH oder literarischer Stel-lungnahmen in Bezug genommen wird.

273 Der EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 42, hat betont, der Must-Carry-Status sei strikt auf die (Fernseh-)Sender zu beschränken, deren gesamter Programm-inhalt geeignet sei, das Pluralismusziel zu erreichen.

274 Vgl. Dörr/Volkmann, Kabelbelegungsregelungen HPRG, S. 59 f.

275 Vgl. nur Ehlers, in: Ehlers, EuGR, § 14, Rdnr. 71, unter Rekurs auf die Grundrechtsrechtsprechung des EuGH. Da die Grundrechte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 31 UDRL zu berücksichtigen sind, ist die Reduktion der Kontrolldichte auch im hiesigen Zusammenhang zu beachten.

276 Zur Annahme der Vollbelegung des Kabels infolge der Auferlegung von Übertragungspflichten gelangt der EuGH, weil er auch unter Knappheitsbedingungen getroffene Auswahlentscheidungen der NLM als Übertragungspflichten im Sinne des Art. 31 UDRL begründend begreift. Dies ergibt sich daraus, dass auch die Folgen solcher Entscheidungen an Art. 31 Abs. 1 UDRL gemessen werden; EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 49 ff.

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58

chung ist die Erforderlichkeit der deutschen Normen, die Übertragungspflichten im

Sinne des Art. 31 UDRL im Hinblick auf das analoge und das digitale Kabelnetz an-

ordnen oder deren Anordnung ermöglichen278, hinsichtlich des Umfangs angeordne-

ter bzw. anzuordnender Übertragungspflichten zu bejahen.

Erforderlich ist insbesondere auch die Kabeleinspeisung und -verbreitung der öffent-

lich-rechtlichen Grundversorgungprogramme. Denn diese Angebote sind zur Rekon-

struktion jeweiliger Meinungsbilder im Sinne gleichgewichtiger Vielfalt verpflichtet279.

Und die Erfüllung der Grundversorgungsaufgabe bildet angesichts der Defizite priva-

ter Rundfunkveranstaltung die Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit des

deutschen dualen Rundfunksystems im Ganzen280. Die der Erfüllung dieser Aufgabe

dienenden Angebote müssen die Rezipienten über den derzeit wichtigsten Verbrei-

tungsweg281 erreichen können. Auch die Kabeleinspeisung und -verbreitung vom

Funktionsauftrag umfasster funktionserforderlicher vielfaltsermöglichender und

-erweiternder öffentlich-rechtlicher Angebote jenseits des Grundversorgungsauf-

trags282 ist – jedenfalls unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative der

Mitgliedstaaten283 – als erforderlich zu betrachten284.

c. Angemessenheit

Im Rahmen der Angemessenheit sind die relevanten gegenläufigen Rechtspositio-

nen abzuwägen285.

277

EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 54. 278

Vgl. Dörr, ZUM 2013, S. 81 (85). 279

Vgl. BVerfGE 74, 297 (325 f); s.a. BVerfGE 83, 238 (297 f); 87, 181 (199). 280

BVerfGE 73, 118 (157 ff); 74, 297 (325); 87, 181 (199); 90, 60 (90); 119, 181 (218). 281

S.o. C. II. 3., 4. 282

Vgl. BVerfGE 74, 297 (332, 354 f); 83, 238 (302 f). 283

Vgl. nur Ehlers, in: Ehlers, EuGR, § 14, Rdnr. 71, unter Rekurs auf die Grundrechtsrechtsprechung des EuGH.

284 Vgl. zur Erforderlichkeit Dörr/Volkmann, Kabelbelegungsregelungen HPRG, S. 60 ff.

285 S.a. Dörr/Volkmann, Kabelbelegungsregelungen HPRG, S. 64.

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59

aa. Die Konkretisierung des Kriteriums der Angemessenheit unter Berücksichtigung

der Dienstleistungsfreiheit und der einschlägigen Grundrechte

Zunächst sollen die prinzipiell für Must-Carry-Regelungen streitenden Rechtspositio-

nen dargestellt werden. Die deutschen Must-Carry-Regelungen dienen der Umset-

zung des Pluralismusziels. Der Pluralismus der Medien, der sowohl in der Recht-

sprechung des EuGH als Ziel von allgemeinem Interesse286 als auch vom EGMR als

ein legitimes Ziel zur Beschränkung von Konventionsrechten287 anerkannt ist288, wird

durch Art. 11 Abs. 2 GRCh ausdrücklich als objektiv-rechtliche289 Position garantiert.

Für die Möglichkeit, verschiedene Meinungen mit der Chance des Empfangs durch

die Rezipienten in die Medien einspeisen zu können und als Rezipient und Endkunde

von Transportinfrastrukturen ein vielfältiges Meinungsbild empfangen zu können,

streiten wiederum prinzipiell die Kommunikationsgrundrechte der Meinungsfreiheit

(der nicht massenmedialen Kommunikatoren) sowie die Informationsfreiheit (Art. 11

Abs. 1 GRCh, Art. 10 Abs. 1 EMRK290). I.Ü. beinhaltet die Medienfreiheit des Art. 11

Abs. 2 GRCh das prinzipielle Recht der Rundfunkveranstalter, selbst die Übertra-

gungswege zur Verbreitung ihrer Angebote auszuwählen291. Die subjektiv-rechtlichen

Kommunikationsfreiheiten292 sind ebenso wie das objektiv-rechtliche Pluralismusziel

von konstituierender Bedeutung für eine freiheitliche Demokratie293. Diese Bedeu-

286

Vgl. nur EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 37 m. zahlr. w. N. 287

EGMR, Urteil v. 24.11.1993 – Informationsverein Lentia u.a../.Österreich –, EuGRZ 1994, S. 549 (550), Rdnr. 32, 38; Urteil v. 28.03.1990 – Groppera Radio AG u.a./.Schweiz – EuGRZ 1990, S. 255 (258), Rdnr. 69 f.

288 Vgl. dazu nur Stern, in: Tettinger/Stern, GRCh, Art. 11, Rdnr. 32.

289 Stern, in: Tettinger/Stern, GRCh, Art. 11, Rdnr. 35; s.a. Bernsdorff, in: Meyer, GRCh, Art. 11, Rdnr. 18.

290 Der EGMR, Urteil v. 22.05.1990 – Autronic AG./.Schweiz –, EuGRZ 1990, S. 261 (262), Rdnr. 47, hat entschieden, der Schutz durch die Informationsfreiheit des Art. 10 EMRK beziehe sich auch auf die Übertragungs- oder Empfangsmittel; dies muss auch bezüglich des Kabels als Übertragungs- und Empfangsmittel gelten. Auf diesen Aspekt weist auch Dörr, ZUM 2013, S. 81 (102), hin. A.A.: Engel, Privater Rundfunk vor der EMRK, S. 264 ff.

291 Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext, dass der EGMR, Urteil v. 28.03.1990 – Groppera Radio AG u.a./.Schweiz –, EuGRZ 1990, S. 255 (256), Rdnr. 55, entschieden hat, Art. 10 Abs. 1 EMRK umfasse „sowohl die Sendung von Rundfunkprogrammen über den Äther sowie die Weiterübertra-gung solcher Programme durch Kabel“.

292 EuGH, Urteil v. 13.12.2001, Rs. C-340/00 P – Kommission./.Cwik –, Rdnr. 18; Urteil v. 12.06.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger./.Österreich –, Rdnr. 79; EGMR, Urteil v. 07.12.1976 – Handy-side./.United Kingdom –, EuGRZ 1977, S. 38 (42), Rdnr. 49; Urteil v. 21.01.1999 – Fressoz u. Roire./.Frankreich –, EuGRZ 1999, S. 5. Vgl. aus der Literatur nur Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 GRCh, Rdnr. 1; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 10 EMRK, Rdnr. 1.

293 Vgl. jüngst EuGH, Urteil v. 22.01.2013, Rs. C-283/11 – Sky Österreich –, Rdnr. 52: „Die Wahrung der durch Art. 11 der Charta geschützten Freiheiten stellt unbestreitbar ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel dar (…), dessen Bedeutung in einer demokratischen und pluralistischen Gesell-schaft nicht genug betont werden kann.“

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tung kommunikativer Garantien senkt die Lasten zur argumentativen Rechtfertigung

von durch diese Rechtspositionen motivierten Beschränkungen gegenläufiger Grund-

rechte. Dies dokumentiert auch die Entscheidung United Pan-Europe Communica-

tions Belgium SA: Der EuGH nimmt in diesem Urteil zu der Frage der Vereinbarkeit

eines nationalen Must-Carry-Regimes mit der Dienstleistungsfreiheit (ausländischer

Fernsehveranstalter) Stellung. Im Kontext der Verhältnismäßigkeitsprüfung wird aus-

geführt, das mit den Must-Carry-Regelungen verfolgte Pluralismusziel stehe im Zu-

sammenhang mit der Meinungsfreiheit und die nationalen Stellen verfügten somit

über ein weites Ermessen294. Diese Argumentation zeigt, dass von einem im Rah-

men der Anwendung der Dienstleistungsfreiheit zu berücksichtigenden Kommunika-

tionsgrundrecht, das mit dem Pluralismusziel im Zusammenhang steht, die Eröffnung

eines weiten Ermessensspielraums mit korrespondierender Senkung gerichtlicher

Kontrolldichte ausgeht. Diese von den kommunikativen Garantien selbst ausgehende

Wirkung entfaltet sich auch, wenn diese mit gegenläufigen Grundrechten abzuwägen

sind.

Für die Position der Kabelnetzbetreiber streiten deren Eigentumsfreiheit

(Art. 17 GRCh; s.a. Art. 1 Abs. 1 1. ZP EMRK295) sowie ihr Grundrecht der unter-

nehmerischen Freiheit (Art. 16 GRCh296) als Ausprägung der Berufsfreiheit297 298.

Dabei schützt die Eigentumsfreiheit das Sacheigentum an den Kabelnetzen sowie

294

EuGH, Urteil v. 13.12.2007, Rs. C-250/06 – United Pan-Europe Communications Belgium SA –, Rdnr. 44.

295 Die Reichweite des Schutzes durch Art. 17 GRCh entspricht derjenigen des Art. 1 1. ZP EMRK; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 17 GRCh, Rdnr. 1; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 17 GRCh, Rdnr. 2.

296 Art. 16 GRCh schützt als „spezielle Ausprägung der Berufsfreiheit“, so Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 16 GRCh, Rdnr. 1, „die unternehmerische Betätigung aller Selbständigen, natür-licher wie juristischer Personen“ jedenfalls „des Privatrechts“, so Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 16 GRCh, Rdnr. 3. Dabei ist die vor Inkrafttreten der GRCh ergangene Rspr. des EuGH zur Berufsfreiheit hinsichtlich der Bestimmung des Gehalts des Art. 16 GRCh zu beachten; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 16 GRCh, Rdnr. 6.

297 Die Berufsfreiheit ist in der EMRK nicht als eigenständiges Grundrecht kodifiziert; vgl. dazu nur Wegener, in: Ehlers, EuGR, § 5, Rdnr. 1, 61 m. w. N. Allerdings werden mit dem Eigentumsschutz hinsichtlich des sog. „goodwill“ Freiheitsbereiche geschützt, die nach herkömmlicher Sichtweise unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen; so ders, a.a.O., § 5, Rdnr. 11 f. – Zur Einschlägigkeit der Eigentums- und Berufsfreiheit und der Unanwendbarkeit der Medien- bzw. Rundfunkfreiheit im Hinblick auf Transportdienstleistungen der Kabelnetzbetreiber Frenz, Hb. EuR, Bd. 4, Rdnr. 1999; Kühling, in: Heselhaus/Nowak, Hb. EuGR, § 24, Rdnr. 15.

298 I.Ü. stellt eine hoheitlich vorgenommene Kabelbelegung einen Eingriff in die Informationsfreiheit der Rezipienten dar; vgl. insoweit zum nationalen Verfassungsrecht nur Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 79. Dieser Eingriff ist im Hinblick auf das damit verfolgte Ziel der Sicherung des Plura-lismus prinzipiell rechtfertigbar; dem ist allerdings hier nicht näher nachzugehen, da es im Rahmen dieser Untersuchung auf eine mögliche Verletzung der Rechte der Kabelnetzbetreiber ankommt.

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61

die Befugnis zu dessen Nutzung zur Gewinnerzielung299. Die unternehmerische Frei-

heit umfasst die Freiheit der Vertragsgestaltung im Hinblick auf den Leistungsaus-

tausch300 einschließlich der Auswahl der Vertragspartner und der Preisgestal-

tung301 302.

Grundsätzlich verfährt der EuGH hinsichtlich der Bestimmung des Verhältnisses der

beiden Grundrechte zueinander nach der Formel, die Berufsfreiheit schütze den Er-

werb, die Eigentumsfreiheit aber das Erworbene303. Da in der hier zu untersuchen-

den Konstellation die Must-Carry-Regelungen den (weiteren) Erwerb durch die Nut-

zung des Erworbenen – der Kabelnetze – betreffen, bestehen gute Gründe für die

Anwendung beider Grundrechte304. In den relativ häufigen Fällen der Doppel-

prüfung305 nimmt der EuGH diese oft ohne eine exakte Differenzierung der beiden

Grundrechte anhand einheitlicher Rechtfertigungskriterien vor306. Zunächst stehen

Beschränkungen dieser Grundrechte unter Gesetzesvorbehalt (Art. 17 Abs. 1

Satz 2, 3307, 51 Abs. 1308 GRCh). Sodann „können die Ausübung des Eigentums-

299

Vgl. nur Frenz, Hb. EuR, Bd. 4, Rdnr. 2872, unter Rekurs auf EuGH, Urteil v. 16.10.2003, Rs. C-363/01 – Flughafen Hannover-Langenhagen –, Rdnr. 58. Auch der EGMR erkennt das Recht der Eigentumsnutzung mit dem Ziel wirtschaftlicher Verwertung an; vgl. dazu Frenz, a.a.O., Rdnr. 2872 m. w. N.

300 Vgl. nur EuGH, Urteil v. 05.10.1999, Rs. C-240/97 – Spanien./.Kommission –, Rdnr. 99; Frenz, Hb. EuR, Bd. 4, Rdnr. 2700; Jarass, GRCh, Art. 16, Rdnr. 9.

301 EuGH, Urteil v. 22.01.2013, Rs. C-283/11 – Sky Österreich –, Rdnr. 43.

302 In diese Grundrechte greift die Auferlegung von – unentgeltlich zu erfüllenden; s.o. C. II. 5., C. III. 3. – Übertragungspflichten ein. Ein nicht minder schwerer Eingriff läge i.Ü. vor, wenn das Haushaltsrecht der öffentlich-rechtlichen Anstalten die Zahlung von Einspeiseentgelten nicht ver-böte: Schon durch die Auferlegung von Übertragungspflichten ohne die Festlegung von Entgelten wird die Verhandlungsposition der Kabelnetzbetreiber gegenüber den öffentlich-rechtlichen Anstal-ten stark geschwächt und die Verhandlungsparität gestört; vgl. Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (35) – mit der Folge, dass die Kabelnetzbetreiber, da sie die hoheitlich auferlegten Übertra-gungspflichten jederzeit zu erfüllen haben, Einspeiseentgelte (mittlerweile) kaum realisieren kön-nen.

303 So Frenz, Hb. EuR, Bd. 4, Rdnr. 2503.

304 Vgl. Frenz, Hb. EuR, Bd. 4, Rdnr. 2504, unter Rekurs auf EuGH, Urteil v. 13.12.1979, Rs. 44/79 – Hauer –, Rdnr. 18 ff; Urteil v. 17.10.1995, Rs. C-44/94 – Fishermen’s Organisations –, Rdnr. 55 ff.

305 Krit. zur mangelnden Differenzierung zwischen Eigentums- und Berufsfreiheit Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 16 GRCh, Rdnr. 2 m. w. N.

306 So Frenz, Hb. EuR, Bd. 4, Rdnr. 2502, unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 05.10.1994, Rs. C-280/93 – Bananenmarkt –, Rdnr. 78; Urteil v. 11.07.1989, Rs. 265/87 – Schräder –, Rdnr. 15 ff; Urteil v. 10.01.1992, Rs. C-177/90 – Kühn –, Rdnr. 16 f.

307 Nach Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 17 GRCh, Rdnr. 19, versperren die sachgebietsspezifi-schen Schrankenregelungen hinsichtlich des Eigentums den Rückgriff auf Art. 52 Abs. 1 GRCh – in diesem Punkt a.A. wohl Jarass, GRCh, Art. 17, Rdnr. 30 –, während Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh zu beachten bleibt.

308 Hinsichtlich der Berufsfreiheit, die auf der Ebene der EMRK nicht als eigenständiges Grundrecht abgesichert ist, ergibt sich der Gesetzesvorbehalt aus Art. 51 Abs. 1 GRCh.

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rechts und die freie Berufsausübung (…) Beschränkungen unterworfen werden, so-

fern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Ge-

meinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unver-

hältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte

in ihrem Wesensgehalt antastet“309. Mit Recht wird insoweit konstatiert, der EuGH

neige der Konzeption eines relativen Wesensgehalts zu, derzufolge unverhältnismä-

ßige Eingriffe Verletzungen des Wesensgehalts eines Grundrechts darstellten310.

Jedenfalls sind im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Sinne des Art. 31

Abs. 1 UDRL, der eine eigene Wesensgehaltsgarantie nicht beinhaltet, Aussagen

des EuGH zum Wesensgehalt des Eigentums auf der Ebene der hier vorzunehmen-

den Untersuchung der Angemessenheit zu berücksichtigen.

An der vorgenannten Formel ist zunächst der in den durch die oder aufgrund der

deutschen Landesmedien-/-rundfunkgesetze im Interesse des Pluralismus als eines

dem Allgemeininteresse entsprechenden311 und dem Gemeinwohl dienenden Ziels

auferlegten Must-Carry-Pflichten liegende Eingriff in die Eigentumsfreiheit der Kabel-

netzbetreiber zu messen. Dieser Eingriff beinhaltet keine Entziehung des Sacheigen-

tums an den Kabelnetzen und lässt deren wirtschaftliche Verwertung bezüglich des

Transports der Angebote mit Must-Carry-Status jedenfalls durch die Erhebung von

Endkundenentgelten und Entgelten nachfolgender Netzebenen unangetastet, so

dass er als Nutzungsbeschränkung des Eigentums im Sinne des Art. 17 Abs. 1

Satz 3 GRCh zu klassifizieren ist312.

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Nutzungsbeschränkungen hat der

EuGH den Legislativ-Organen der Union insbesondere bezüglich der Ausformung

der Gemeinsamen Marktordnungen einen breiten Ermessensspielraum zugestan-

den313. Mag auch die Prüfung der Maßnahmen von Mitgliedstaaten grundsätzlich

strenger ausfallen314, so spricht doch bezüglich der Must-Carry-Pflichten einiges für

309

EuGH, Urteil v. 05.10.1994, Rs. C-280/93 – Bananenmarkt –, Rdnr. 78. 310

Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 17 GRCh, Rdnr. 29. Kritisch zur Unschärfe der Ab-grenzung zwischen Verhältnismäßigkeitsprinzip und Wesensgehaltsgarantie Frenz, Hb. EuR, Bd. 4, Rdnr. 2992 ff.

311 Dazu bereits zuvor.

312 Aus den beiden vorgenannten Gründen liegt keine Eigentumsentziehung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 GRCh vor; zur Abgrenzung zwischen Entziehung und Nutzungsbeschränkung des Eigentums vgl. nur Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 17 GRCh, Rdnr. 17 m. w. N.

313 Vgl. nur Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 17 GRCh, Rdnr. 32 f.

314 So Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak, Hb. EuGR, § 32, Rdnr. 86.

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63

die Einräumung eines breiten Gestaltungsspielraums, den der EGMR den Konventi-

onsstaaten im Hinblick auf Regelungen der Benutzung des Eigentums im Sinne des

Art. 1 Abs. 2 1. ZP EMRK generell zugesteht315. Denn im Rahmen der Prüfung der

Rechtfertigung der in Rede stehenden Nutzungsbeschränkung ist von vornherein zu

beachten, dass die Eigentumsfreiheit im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion

zu würdigen ist316 und die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers mit einem erhöhten

Sozialbezug der jeweiligen Eigentumsposition steigt317. Nun weisen die Kabelnetze

mit ihrer – gerade auch in Deutschland gegebenen318 – großen Bedeutung hinsicht-

lich des Transports für den Prozess freier Meinungsbildung bedeutender Angebote

einen hohen Sozialbezug auf. Infolgedessen ist bezüglich der hier in Rede stehen-

den Regulierung von Kabelnetzen ein weiter Ermessensspielraum der Mitgliedstaa-

ten gegeben, was wiederum mit der soeben festgestellten, von den kommunikativen

Garantien des Primärrechts ausgehenden Wirkung der Senkung gerichtlicher Kon-

trolldichte übereinstimmt.

Eine Verletzung der Eigentumsgarantie ist demnach nur bei einer Entziehung des

Eigentums oder dessen freier Nutzung anzunehmen319 bzw. wenn es dem Betroffe-

nen praktisch unmöglich gemacht wird, unter Nutzung seines Eigentums seiner wirt-

schaftlichen Betätigung weiter nachzugehen320. Die Intensität eines Eingriffs wird i.Ü.

gemindert, wenn die Wirkung desselben der Fortführung der wirtschaftlichen Betäti-

315

Vgl. nur EGMR, Urteil v. 22.05.2006 – Lederer./.Deutschland –, NJW 2007, S. 3049 (3050); EGMR, Urteil v. 30.08.2007 – J. A.. PYE (Oxford) Ltd. und J. A. PYE (Oxford) Land Ltd./.Verei-nigtes Königreich –, Rdnr. 44 f und 67 (abrufbar in der Onlinedatenbank des EGMR HUDOC (Hu-man Rights Documentation) unter: http://www.echr.coe.int/echr/en/hudoc). Zur Reduktion der Kon-trolldichte vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 1 1. ZP, Rdnr. 48.

316 Vgl. nur EuGH, Urteil v. 11.07.1989, Rs. 265/87 – Schräder –, Rdnr. 15.

317 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 17 GRCh, Rdnr. 28 m. w. N. Zur entsprechenden Tendenz in der Rspr. des EGMR Frenz, Hb. EuR, Bd. 4, Rdnr. 2980 m. w. N.

318 S.o. C. II. 3., 4.

319 EuGH, Urteil v. 06.12.1984, Rs. 59/83 – Biovilac./.EWG –, Rdnr. 22. Da soeben begründet wurde, dass in der hier zu untersuchenden Konstellation ein breiter Ermessensspielraum der Mitgliedstaa-ten besteht, kann auch die Rechtsprechung hinsichtlich Nutzungsbeschränkungen durch die EWG, EG und EU herangezogen werden, wenn es darum geht wie der EuGH auf der Basis der Annahme eines breiten Ermessenspielraums hoheitlicher Akteure die Grenzen der Beschränkbarkeit des Ei-gentums bestimmt. I.Ü. wurde bereits dargetan, dass im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit als Teil der Verhältnismäßigkeit im Sinne des Art. 31 UDRL auch die Rechtsprechung zum We-sensgehalt des Eigentums zu berücksichtigen ist.

320 EuGH, Urteil v. 03.12.1998, Rs. C-368/96 – Generics –, Rdnr. 85; Urteil v. 15.04.1997, Rs. C-22/94 – Irish Farmers Association./.Minister for Agriculture, Food and Forestry, Ireland and Attorney General –, Rdnr. 29. Vgl. zu den Grenzen der Nutzungsbeschränkungen aus der Literatur nur Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 17 GRCh, Rdnr. 28; Frenz, Hb. EuR, Bd. 4, Rdnr. 2993.

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gung zugutekommt321. Um unter Nutzung des Eigentums weiterhin wirtschaftlich tätig

sein zu können, müsste ein Unternehmen trotz einer etwaigen Nutzungsbeschrän-

kung in der Lage sein, seine Kosten zu decken und in einem Mindestmaß Gewinne

zu erzielen322. Auf die vorgenannten Kriterien kommt es auch an, wenn zu beurteilen

ist, ob eine Nutzungsbeschränkung ohne finanzielle Kompensation einen unverhält-

nismäßigen, nicht mehr tragbaren Eingriff in das Eigentumsgrundrecht und damit ei-

nen Verstoß gegen dasselbe darstellt323, wobei von vornherein zu berücksichtigen

ist, dass ein gemeinschaftsrechtlicher Grundsatz, der im Hinblick auf Nutzungs-

beschränkungen in jedem Fall zur Kompensation verpflichtet, nicht existiert324.

Die Einbeziehung der – ebenfalls im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen

Funktion zu sehenden325 – unternehmerischen Freiheit (Art. 16 GRCh), in deren

Ausübung durch die deutschen Must-Carry-Bestimmungen eingegriffen wird, als ei-

nes speziell geregelten Aspekts der Berufsfreiheit bestätigt die bisher gewonnenen

Maßgaben für die Operationalisierung der Anforderung der Verhältnismäßigkeit von

Übertragungspflichten im Sinne des Art. 31 UDRL. Auch im Hinblick auf dieses

Grundrecht wird der Ermessensspielraum der hoheitlichen Akteure und die korres-

pondierende Kontrolldichte von der Bedeutung des mit der Beschränkung der Frei-

heit verfolgten Ziels mitgesteuert, wobei Ziele von großer Bedeutung „selbst erhebli-

che negative Konsequenzen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer“ rechtfertigen kön-

nen326. Angesichts der Bedeutung der kommunikativen Garantien für die freiheitliche

Demokratie besteht ein breiter Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten auch bei der

Beschränkung der unternehmerischen Freiheit. Von Bedeutung für die Beurteilung

321

Vgl. EuGH, Urteil v. 10.07.2003, Rs. C-20/00, C-64/00 – Booker Aquaculture, Hydro Seafood./.The Scottish Ministers –, Rdnr. 81 f.

322 Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2003, Rs. C-363/01 – Flughafen Hannover-Langenhagen –, Rdnr. 55 f.

323 Vgl. EuGH, Urteil v. 10.07.2003, Rs. C-20/00, C-64/00 – Booker Aquaculture, Hydro Seafood./.The Scottish Ministers –, Rdnr. 80. – Der EGMR berücksichtigt die Frage des Bestehens einer Kom-pensation im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung; EGMR, Urteil v. 29.03.2010 – Depalle./. Frankreich –, Rdnr. 91: „ (…) where a measure controlling the use of property is in issue, the lack of compensation is a factor to be taken into consideration in determining whether a fair balance has been achieved but is not of itself sufficient to constitute a violation of Article 1 of Protocol No. 1 (…)” (abrufbar in der Onlinedatenbank des EGMR HUDOC (Human Rights Documentation) unter: http://www.echr.coe.int/echr/en/hudoc).

324 Vgl. EuGH, Urteil v. 10.07.2003, Rs. C-20/00, C-64/00 – Booker Aquaculture, Hydro Seafood./.The Scottish Ministers –, Rdnr. 85. S.a. Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 17 GRCh, Rdnr. 21; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 17 GRCh, Rdnr. 31.

325 EuGH, Urteil v. 22.01.2013, Rs. C-283/11 – Sky Österreich –, Rdnr. 45.

326 EuGH, Urteil v. 30.07.1996, Rs. C-84/95 – Bosphorus./.Minister for Transport, Energy and Commu-nications u.a. –, Rdnr. 23; Beschluss v. 13.11.2000, Rs. C-317/00 P (R) – Invest –, Rdnr. 60.

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der (auch) im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit zu berücksichtigenden

Intensität des Eingriffs ist ebenfalls, inwiefern die von dem Eingriff in die unternehme-

rische Freiheit betroffene Position noch wirtschaftlich verwertet werden kann327. I.Ü.

ist im Hinblick auf die Auferlegung finanzieller Lasten im Rahmen der Prüfung der

Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, inwieweit das betroffene Unternehmen diese

Lasten abwälzen kann328; nichts anderes kann im Hinblick auf die hoheitliche Aufer-

legung kostenträchtiger Pflichten wie der Übertragungspflichten gelten. Für ein Un-

ternehmen existenzgefährdende Beschränkungen sind jedenfalls nicht mehr rechtfer-

tigungsfähig329; insoweit beobachtet Frenz zutreffend eine Parallele zum Wesens-

gehalt des Eigentumsgrundrechts330.

Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Auferlegung von Übertragungs-

pflichten im Sinne des Art. 31 UDRL sind nach alledem folgende Gesichtspunkte

maßgeblich:

(1) Es bestehen ein breiter Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten und eine damit

korrespondierende reduzierte gerichtliche Kontrolldichte.

(2) Eine Verletzung der Eigentumsgarantie und der unternehmerischen Freiheit ist

demnach nur gegeben bei einer Entziehung des Eigentums oder dessen freier

Nutzung bzw., wenn es dem Betroffenen praktisch unmöglich gemacht wird, unter

Nutzung seines Eigentums seiner wirtschaftlichen Betätigung weiter nachzugehen.

Zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Betätigung ist es notwendig, dass ein Unter-

nehmen seine Kosten decken und in einem Mindestmaß Gewinne machen kann.

(3) Für die in Rede stehenden Beschränkungen besteht grundsätzlich keine Pflicht

zur Kompensation. Diese ist nur ausnahmsweise aus Gründen der Wahrung der An-

gemessenheit geeigneter und erforderlicher Eingriffe zu gewähren.

(4) Die Intensität des Eingriffs wird gemindert, falls die Wirkungen desselben der

wirtschaftlichen Nutzung des Eigentums zugutekommen und/oder die wirtschaftliche

Verwertung der von dem Eingriff betroffenen Position noch möglich und/oder eine

(partielle) Abwälzung der infolge des Eingriffs entstehenden Kosten möglich ist.

327

EuGH, Urteil v. 22.01.2013, Rs. C-283/11 – Sky Österreich –, Rdnr. 49, 64. 328

EuGH, Urteil v. 21.02.1991, Rs. C-143/88, C-92/89 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen AG./. Hauptzollamt Itzehoe; Zuckerfabrik Soest GmbH./.Hauptzollamt Paderborn –, Rdnr. 76.

329 EuGH, Urteil v. 18.09.1986, Rs. 116/82 – Qualitätswein b.A. –, Rdnr. 27.

330 Frenz, Hb. EuR, Bd. 4, Rdnr. 2766.

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66

In diesem restriktiven Sinne sind auch die Ausführungen des EuGH in seiner auf der

Basis des Art. 31 UDRL als Kontrollnorm getroffenen Entscheidung zur Kabelbele-

gung in Niedersachsen zu verstehen, um zu vermeiden, dass der Kabelnetzbetreiber

unzumutbaren und willkürlichen Verpflichtungen ausgesetzt werden würde, seien

auch die wirtschaftlichen Folgen für den Kabelnetzbetreiber zu prüfen, wobei solche

Verpflichtungen unzumutbar seien, die der Netzbetreiber – ggf. im Hinblick auf die

Gesamtheit seiner Tätigkeiten – nicht unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen

erfüllen könne. Bei der Zumutbarkeitsprüfung sei (auch) zu berücksichtigen, dass

Art. 31 Abs. 2 UDRL den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräume, ein angemesse-

nes Entgelt festzulegen331.

Demnach ist die Auferlegung von Übertragungspflichten nicht mehr vertretbar, wenn

es – im Rahmen der Gesamtheit seiner (kabelgestützten) Tätigkeiten – dem be-

troffenen Kabelnetzbetreiber praktisch unmöglich gemacht wird, seiner geschäftli-

chen Tätigkeit weiter nachzugehen332, wenn es ihm also – ohne Kompensation bzw.

Festlegung eines Entgelts – nicht mehr gelingen könnte, seine Kosten abzudecken

und in einem Mindestmaß Gewinne zu erzielen.

bb. Überprüfung der Angemessenheit der deutschen Must-Carry-Regelungen

Nachfolgend ist zu untersuchen, ob die deutschen Must-Carry-Regelungen ange-

messen im soeben ermittelten Sinne sind.

Da die Must-Carry-Regelungen der Sicherung des publizistischen Pluralismus als

einer essenziellen Voraussetzung für die Entfaltung privater und politischer Autono-

mie dienen, verfolgen die Länder insoweit ein Ziel von sehr hohem Stellenwert.

Demgegenüber ist die Intensität der Einwirkung dieser Regelungen auf die Eigen-

tumsfreiheit und die unternehmerische Freiheit der Kabelnetzbetreiber relativ gering,

sie überschreitet – in Relation zu dem bedeutenden gesetzgeberischen Ziel – nicht

die Grenzen des Zumutbaren:

(1) In diesem Zusammenhang ist zunächst zu bedenken, dass im Bereich digitaler

Verbreitung die Kabelnetzbetreiber nur im Hinblick auf maximal ein Drittel der für die

331

EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 41, 46, 48. 332

Eine Entziehung der Eigentumsposition oder ihrer Nutzung liegt nicht vor.

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67

digitale Verbreitung von Rundfunk zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität durch

hoheitliche Vorgaben vollständig gebunden sind (§ 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RStV).

Dabei bilden die unentgeltlich zu verbreitenden öffentlich-rechtlichen Programme und

Dienste nur einen Teil der nach § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RStV mit einem Must-

Carry-Status versehenen Angebote. Für reine Hörfunkplattformen333 gilt ebenfalls die

Drittel-Grenze gemäß § 52b Abs. 2 Satz 2 RStV, der allerdings nur öffentlich-

rechtliche Angebote mit einem Must-Carry-Status ausstattet; bei gemischten Platt-

formen sind diese öffentlich-rechtlichen Hörfunk- bzw. hörfunkbezogenen Dienste im

Rahmen der Kapazität für die öffentlich-rechtlichen Angebote gemäß § 52b Abs. 1

Satz 1 Nr. 1 a) RStV zu berücksichtigen. Im Kapazitätsbereich mit gesetzlichen Viel-

faltvorgaben334 gemäß § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RStV wird den Kabelnetzbetreibern

innerhalb dieser Vorgaben bereits ein eigener Gestaltungsspielraum eröffnet335, wäh-

rend im dritten Kapazitätsbereich ein freies Auswahlermessen der Kabelnetzbetrei-

ber336 besteht; Entsprechendes gilt für reine Hörfunkplattformen (§ 52b Abs. 2 Satz 2

Nr. 2, 3 RStV). Zudem gelten – als „Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips“337 –

die Belegungsvorgaben nicht im Fall anderweitiger Sicherung der notwendigen Viel-

falt (§ 52b Abs. 3 RStV).

(2) Soweit durch die Belegungsvorgaben im Bereich analoger Kabelverbreitung der

Dispositionsspielraum der Kabelnetzbetreiber stärker eingeengt wird, was nach der

Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich bis hin zur Kanalvollbelegung zulässig

ist338, ist zu bedenken, dass die Breitbandkabelnetzbetreiber es selbst in der Hand

haben, inwieweit sie ihr Kabel für die analoge Signalverbreitung nutzen wollen339.

(3) Weiterhin spielt bezüglich der Beurteilung der Eingriffsintensität eine erhebliche

Rolle, dass die Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Inhalte in die Angebote der Kabel-

netzbetreiber bis auf Weiteres eine conditio sine qua non für die Funktionsfähigkeit 333

Vgl. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 77. 334

So die Formulierung bei Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, vor Rdnr. 55. – Kommt es aufgrund dieser Vorgaben zu Belegungsentscheidungen der Landesme-dienanstalten, sind diese Vorgaben im unionsrechtlichen Sinne als Auferlegung von Übertragungs-pflichten zu betrachten; vgl. EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 25.

335 Hartstein u.a., RStV, § 52b RStV, Rdnr. 18.

336 So die Formulierung bei Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, vor Rdnr. 68.

337 Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52b RStV, Rdnr. 82.

338 EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland.

339 EuGH, Urteil v. 22.12.2008, Rs. C-336/07 – Kabel Deutschland –, Rdnr. 48.

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ihres Geschäftsmodells bildet, welches ohne diese Inhalte entscheidend an Attraktivi-

tät verlieren würde. D.h., die Kabelnetzbetreiber werden insoweit hoheitlich nur zur

Verbreitung von Angeboten gezwungen, die sie de facto um der Wahrung ihrer Kon-

kurrenzfähigkeit willen ohnehin verbreiten würden340.

(4) Und diese Inhalte sind für die Kabelnetzbetreiber in erheblichem Maße wert-

haltig341, ohne dass die von den Kabelnetzbetreibern für die Weitersenderechte zu

entrichtenden Tantiemen gemäß den §§ 87 Abs. 5 Satz 1, 20 b Abs. 2 UrhG einen

adäquaten Gegenwert für den Wert der öffentlich-rechtlichen Angebote mit Must-

Carry-Status bilden würden342. Insofern kommen also die Wirkungen des Eingriffs der

wirtschaftlichen Nutzung des Eigentums zugute, was die Eingriffsintensität ebenfalls

mindert343.

(5) Sodann muss in Rechnung gestellt werden, dass nur dem öffentlich-rechtlichen

Rundfunk die Zahlung von Einspeiseentgelten für aufgrund von Must-Carry-Pflichten

erbrachte Dienstleistungen der Kabelnetzbetreiber haushaltsrechtlich untersagt344

und i.Ü. nur teilweise die kapazitätsmäßig nur unerheblich ins Gewicht fallende Ver-

breitung offener Kanäle bzw. regional und lokal orientierter Angebote ohne Entgelt

vorgesehen ist345.

(6) Zudem wird den Kabelnetzbetreibern die Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwer-

tung öffentlich-rechtlicher Angebote mit Must-Carry-Status nicht genommen346: Ihnen

ist die Refinanzierung ihrer Dienstleistungen durch Entgelte der Endkunden347 bzw.

nachgelagerter Kabelnetzbetreiber nicht versagt.

(7) Wollten die Kabelnetzbetreiber den Wegfall der Einspeiseentgelte für öffentlich-

rechtliche Angebote mit Must-Carry-Status auf der Seite der Endkunden vollständig

340

Vgl. Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (35); Gersdorf, K&R-Beiheft 1 /2009, S. 1 (9). 341

Vgl. dazu die Überlegungen von Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 40 ff.

342 Vgl. Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 45 ff.

343 S. zur Relevanz dieses Gesichtspunkts im Hinblick auf die Bestimmung der Eingriffsintensität o. D. II. 2. c. aa.

344 Das wirtschaftliche Risiko hinsichtlich der Realisierbarkeit von Einspeiseentgelten privater Veran-stalter tragen die Kabelnetzbetreiber.

345 S.o. C. III. 3.

346 Zur Relevanz dieses Aspekts im Hinblick auf die Minderung der Eingriffsintensität s.o. D. II. 2. c. aa.

347 Zu dieser Refinanzierungsmöglichkeit auf zweiseitigen Märkten vgl. nur Gerpott/Winzer, Verhält-nismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 34, 37 f.

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69

kompensieren, müssten sie die Kosten auf dieser Marktseite um monatlich

0,28 €/Endkunde (KDG und UKBW) erhöhen348. Angesichts dieses vergleichsweise

geringen Betrages erscheint die Ab- bzw. Überwälzung der Kosten auf die andere

Marktseite nicht prinzipiell ausgeschlossen349. Eine andere Frage ist, ob eine ent-

sprechende Kostenerhöhung gegenüber den End-kunden und nachgelagerten Netz-

betreibern am Markt durchsetzbar wäre. Diese Unwägbarkeit fällt indes in das wirt-

schaftliche Risiko der Kabelnetzbetreiber. Für die Beurteilung des hoheitlichen Han-

delns ist allein entscheidend, dass der Gesetzgeber die Kostenab- bzw.

-überwälzung nicht ausgeschlossen hat350.

(8) Nach den Berechnungen von Gerpott/Winzer liegt der Anteil der Einspeiseentgel-

te für die öffentlich-rechtlichen Angebote am Umsatz der kabelgestützten Geschäfte

der KDG für den Zeitraum von 2009 bis 2012 bei 1,59 %, am Betriebsergebnis für

das Geschäftsjahr 2011/12 bei 7,2 %. Bei UKBW liegt der Anteil der Einspeiseentgel-

te für die öffentlich-rechtlichen Angebote am Umsatz der kabelgestützten Geschäfte

für den Zeitraum von 2009 bis 2012 bei 1,25 % sowie am Betriebsergebnis für das

Geschäftsjahr 2011 bei 7,4 % bzw. für das Geschäftsjahr 2012 bei 6,6 %351. Dem-

entsprechend kommt den von den öffentlich-rechtlichen Anstalten bislang gezahlten

Einspeiseentgelten eine „geringe Geschäftsrelevanz“ zu352. Bezüglich ihrer umsatz-

orientierten Analyse resümieren Gerpott/Winzer, die ermittelten Anteile von Einspei-

severgütungen am Gesamtumsatz seien ein starkes Indiz dafür, dass die Fähigkeit

348

Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 13. 349

Zur Relevanz dieses Aspekts im Hinblick auf die Minderung der Eingriffsintensität s.o. D. II. 2. c. aa.

350 Das BVerfGE 30, 292 (326), hat hinsichtlich der Kosten der Erdölbevorratung ausgeführt, die Ab-wälzung der Kosten öffentlicher Lasten und Pflichten auf den Preis sei ein wirtschaftlicher Vorgang, und es hänge letztlich von der Marktlage ab, ob die Überwälzung gelinge; mehr als die durch Ge-setz nicht gehinderte Möglichkeit der Steuerüberwälzung sei nicht zu fordern. Auf die Argumenta-tion, die Wettbewerbslage auf dem Mineralölmarkt gestatte den Importeuren keine Abwälzung der Bevorratungskosten, kommt es deshalb nicht an; die situationsbedingte und prinzipiell variable Marktlage sei kein geeignetes Kriterium für die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes. Rechtliche Hindernisse für eine Abwälzung der Bevorratungskosten enthalte das Gesetz jedenfalls nicht. Die-se Argumentation ist auch im vorliegenden unionsrechtlichen Zusammenhang von Relevanz.

351 Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 22 ff. – Sollten in der Folge des Wegfalls der bislang von den öffentlich-rechtlichen Anstalten gezahlten Einspeiseentgelte auch pri-vate Inhalte-Anbieter keine Zahlungen mehr leisten (vgl. dazu Rieg, journalist 2/2013, S. 72), wäre ein solches Verhalten weder den Länderlegislativen noch den öffentlich-rechtlichen Anstalten zuzu-rechnen, sondern als Realisierung des von den Kabelnetzbetreibern zu tragenden wirtschaftlichen Risikos zu betrachten.

352 So Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 22 f, unter Verweis auf Wichert-Nick, Wirtschaftsfaktor Kabel, S. 17, bereits im Hinblick auf alle an die in Rede stehenden Regionalgesellschaften gezahlten Einspeiseentgelte.

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deutscher Kabelnetzbetreiber im Allgemeinen sowie von KDG und UKBW im Beson-

deren, als Wettbewerber auf dem Markt für Rundfunkübertragungs-/Telekommuni-

kationsdienste aufzutreten, nicht in signifikanter Weise vom (Nicht-)Erhalt von Ein-

speiseentgelten beeinflusst würde; zudem werde die relative Geschäftsrelevanz die-

ser Entgelte zukünftig weiter abnehmen, da die Umsatzsteigerungen von KDG und

UKBW bei (sonstigen) Telekommunikationsdiensten wesentlich größer seien als bei

rundfunkbezogenen Angeboten353. Wenn Gerpott/Winzer bezüglich ihrer betriebser-

gebnisorientierten Analyse festhalten, der Wegfall der von öffentlich-rechtlichen und

privaten Sendern gezahlten Einspeiseentgelte führe weder bei KDG noch bei UKBW

zu einer Betriebsergebnisbelastung, welche die Fähigkeit der beiden Unternehmen

zur Geschäftsfortentwicklung – in i.S.d. Art. 31 Abs. 1 UDRL unverhältnismäßiger

Weise – merklich beeinträchtige oder ihnen gar die Fortführung ihrer Geschäfte prak-

tisch unmöglich mache354, so gilt dies erst recht hinsichtlich eines Wegfalls nur der

hier relevanten Einspeiseentgelte der öffentlich-rechtlichen Anstalten. I.Ü. werden

von den in der EBU organisierten Sendern, die mit Must-Carry-Status versehene An-

gebote veranstalten, regelmäßig keine Einspeiseentgelte für die Verbreitung öffent-

lich-rechtlicher Angebote mit Must-Carry-Status gezahlt355.

(9) Auch haben die in Deutschland ansässigen mittleren und kleineren Kabelnetzbe-

treiber – die „Kleinstnetze“ sind ohnehin den Must-Carry-Pflichten nicht unterwor-

fen356, was zur Verhältnismäßigkeit der Auferlegung von Übertragungspflichten

beiträgt357 – von Anfang an keine Einspeiseentgelte erhalten358. Gleichwohl konnte

ein stabiler Markt etabliert werden, auf dem eine Vielzahl von mittleren und kleineren

Kabelnetzbetreibern agieren359. Dementsprechend kann dem Fehlen von Einspeise-

entgelten keine marktzutrittshindernde oder die wirtschaftliche Tätigkeit der mittleren

353

So Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 23. 354

So Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 26. 355

Vgl. Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 20 m. w. N.; s.a. Ladeur, ZUM 2012, S. 939 (942).

356 S.o. D. II. 1.

357 S. dazu auch u. D. III. 1. b. cc. (3) (b) (aa).

358 Vgl. Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 17, unter Rekurs u.a. auf Sietmann, c’t 04/2012, S. 34.

359 Vgl. Büllingen u.a., Förderung der Marktperspektiven, S. 10. Ausführlich dazu auch Scholz/ Eisenbeis, Kabelmarkt in Deutschland, S. 77 ff. – So hat der Verband Deutscher Kabelnetzbetrei-ber e.V. (ANGA) mehr als 180 Mitglieder (Quelle: www.anga.de/verband/aufgaben-und-ziele/verband-deutscher-kabelnetzbetreiber-ev). Der Fachverband Rundfunk- und BreitbandKom-munikation (FRK) hat mehr als 160 Mitglieder; kartellrechtliche Beschwerdeschrift des FRK v. 04.06.2012, S. 2 (Quelle: www.kabelverband-frk.de/files/bkarta_04062012_1.pdf).

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und kleineren Kabelnetzbetreiber im Kabelmarkt praktisch unmöglich machende Wir-

kung attestiert werden360. Daher sind zum einen die mittleren und kleineren Kabel-

netzbetreiber, denen i.Ü. die unter (1) – (7) erörterten Minderungen der Eingriffsin-

tensität auch zugutekommen, durch die Auferlegung von – im Hinblick auf öffentlich-

rechtliche Angebote mit Must-Carry-Status kompensationslos zu erfüllenden – Über-

tragungspflichten ihrerseits nicht unzumutbar betroffen. Zum anderen ist dies ein wei-

teres Indiz dafür, dass auch – und erst recht – die Regionalgesellschaften von der

Auferlegung der Übertragungspflichten nach den Landesmedien-/-rundfunkgesetzen

nicht übermäßig belastet werden.

Nach alledem ist festzuhalten, dass angesichts der besonderen Bedeutung des ge-

setzgeberischen Ziels der Pluralismussicherung und der relativ geringen Intensität

der aus den nach dem deutschen Medien-/Rundfunkrecht auferlegten – und hinsicht-

lich begünstigter öffentlich-rechtlicher Angebote kompensationslos zu erfüllenden –

Übertragungspflichten resultierenden Belastungen eine Unverhältnismäßigkeit im

Sinne des Art. 31 Abs. 1 UDRL der deutschen Must-Carry-Regelungen nicht ange-

nommen werden kann, da sie die Etablierung und Fortführung der kabelgestützten

Geschäftsmodelle nicht in wirtschaftlich unvertretbarer Weise behindern.

3. Wahrung des Art. 20 GRCh bei der Umsetzung des Art. 31 UDRL

Bei der mitgliedstaatlichen Rechtsetzung zur Umsetzung des Art. 31 UDRL ist der

allgemeine Gleichheitssatz des Art. 20 GRCh zu beachten, der auch den Gesetz-

geber bindet361.

In diesem Kontext weisen Fink/Keber darauf hin, von allen heute zur Verfügung

stehenden Übertragungswegen sei nur das Breitbandkabel einer gesetzlichen Wei-

terleitungspflicht unterworfen worden. Dagegen werde etwa der zunehmend an Be-

deutung gewinnende Satellit keiner vergleichbaren Regulierung zugeführt, was – wie

sogleich konzediert wird – wesentlich dem Umstand geschuldet sei, dass die Satelli-

tenübertragung nicht der deutschen Hoheitsgewalt unterliege. Halte man die Regulie-

rung des Kabels nach wie vor für unverzichtbar, müsse es auch mit dem Satelliten

360

Dazu auch Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 39. 361

Vgl. nur Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 GRCh, Rdnr. 8.

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gleichbehandelt werden. Das gelte insbesondere für die Frage der Entgelt-

leistung362.

Was zum einen das hinsichtlich der Kabelnetzbetreiber verfolgte Regulierungs-

konzept der Sicherstellung der Verbreitung bestimmter Rundfunkprogramme und

programmbegleitender Dienste betrifft, ist angesichts der aus dem Eigentum der

Kabelnetzbetreiber resultierenden Verfügungsbefugnis am Kabel, dessen (Teil-) Ka-

pazitäten zum Transport verschiedener Rundfunkdienste und anderer als Rund-

funkdienste benutzt werden können, der direkte Zugriff auf die Kabelnetzbetreiber

durch die Auferlegung von Pflichten, bestimmte Übertragungskapazitäten für die

Verbreitung gerade von (bestimmten) Rundfunkprogrammen und -begleitenden

Diensten zu nutzen, in der Sache begründet363.

Zum anderen haben die Länder auch bezüglich der drahtlosen Verbreitung durchaus

Maßnahmen ergriffen, die der Sicherstellung der Verbreitung bestimmter, insbeson-

dere auch öffentlich-rechtlicher Programme dienen. Das dabei erfolgte Regelungs-

konzept ist indes ein anderes: Den öffentlich-rechtlichen Anstalten und den Landes-

medienanstalten werden jeweils bestimmte unter den ausschließlich364 zur Verbrei-

tung von Rundfunk oder rundfunkähnlichen Angeboten vorgesehenen Übertragungs-

kapazitäten – d.h. bestimmte Frequenzen oder Frequenzbereiche – zugeordnet365.

Sind unter Knappheitsbedingungen bei fehlender Einigung der Beteiligten Zuord-

nungsentscheidungen durch die Exekutive zu treffen, ist die Entscheidung auch an

dem Kriterium der Sicherstellung der Grundversorgung durch den öffentlich-

362

Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (35) im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG; s.a. insbesondere hinsichtlich der Entgeltfrage Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (18 f); Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (11).

363 Soweit wiederum privilegierte Plattformanbieter wie die Anbieter von Plattformen in offenen Netzen von bestimmten Vorschriften der Plattformregulierung – u.a. von § 52b RStV – freigestellt werden (§ 52 Abs. 1 Satz 2 RStV), ist dies unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit erfolgt, da in-soweit keine (Regulierungsbedürftigkeit auslösenden) Vielfaltsgefahren bestehen; s.a. Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 52 RStV, Rdnr. 17.

364 Nur wenn dem Rundfunk die auf der Grundlage der rundfunkrechtlichen Festlegungen zustehende Kapazität zur Verfügung steht, können die dem Rundfunkdienst im Frequenzplan zugewiesenen Frequenzen für andere Zwecke als der Übertragung von Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder genutzt werden (§ 57 Abs. 1 Satz 5 TKG).

365 Vgl. § 51 Abs. 2, 3 RStV; §§ 20 ff LMedienG BW (In Baden-Württemberg wird bei der Ausweisung und Zuweisung von Übertragungskapazitäten in den §§ 20 ff LMedienG BW nicht zwischen terres-trischen Kapazitäten und solchen in Kabelnetzen unterschieden; freilich kann in diesem Fall erst recht nicht von einer Ungleichbehandlung gesprochen werden.); Art. 32 BayMG; § 3 ff MStV BB; § 25 ff BremLMG; §§ 22 ff Medienstaatsvertrag HSH; § 3 HPRG; § 5 RundfG M-V; § 3 NMedienG; § 10 Abs. 1, 2 LMG NRW; § 28 LMG RLP (mit abweichender Terminologie: „Zuteilung“); § 21 SMG; § 4 SächsPRG; § 33 MedienG LSA; § 3 ThürLMG.

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73

rechtlichen Rundfunk zu orientieren366. Was die telekommunikationsrechtliche Seite

des Vorgangs betrifft, bestimmt § 57 Abs. 1 Satz 7, 8 TKG: „Hat die zuständige Lan-

desbehörde die inhaltliche Belegung einer analogen oder digitalen Frequenznutzung

zur Übertragung von Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder einem Inhalte-

Anbieter zur alleinigen Nutzung zugewiesen, so kann dieser einen Vertrag mit einem

Sendernetzbetreiber seiner Wahl abschließen“ – sofern ein öffentlich-rechtlicher In-

halte-Anbieter nicht eigene Sender betreibt und benutzt – „soweit dabei gewährleistet

ist, dass den rundfunkrechtlichen Festlegungen entsprochen wurde. Sofern der Sen-

dernetzbetreiber die Zuteilungsvoraussetzungen erfüllt, teilt ihm die Bundesnetza-

gentur die Frequenz auf Antrag zu.“ Die betreffende Frequenz ist für den Sender-

netzbetreiber anderweitig als durch Ausstrahlung des Programms des Rundfunkver-

anstalters, dem sie rundfunkrechtlich zugeteilt ist, nicht nutzbar367. Die nunmehr er-

folgte Einräumung eines Wahlrechts des Rundfunkveranstalters soll diesem ermögli-

chen, den für ihn wirtschaftlichsten Sendernetzbetreiber auszuwählen368. In der amt-

lichen Begründung zu dieser Neuregelung heißt es nun, sie sei grundsätzlich nicht

auf analoge Frequenznutzungen beschränkt. Da sich allerdings bisher bei digitalen

Frequenznutzungen mehrere Veranstalter die Übertragungskapazität einer Frequenz

teilten, könnten während der Laufzeit der Frequenzzuteilung jederzeit Veranstalter

ausscheiden bzw. neue hinzukommen. Insoweit bleibe es bis auf Weiteres bei der

366

Vgl. § 51 Abs. 3 Nr. 4 lit. a) RStV; §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 LMedienG BW; Art. 32 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 BayMG; §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 MStV BB; §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 26 Abs. 2, Abs. 5 Satz 1, 2 BremLMG; §§ 22 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 13 Nr. 1, Abs. 2 Satz 14 Medienstaatsvertrag HSH; §§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 3 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 HPRG; § 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 RundfG M-V; § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 lit. a) und b), Abs. 4 Sätze 3 und 4, Abs. 7 Sätze 1 und 4 NMedienG; §§ 10 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 Nr. 1, 11 Abs. 1 Satz 2 LMG NRW; § 28 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 12 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Abs. 4 LMG RLP; § 21 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, Abs. 8 SMG; § 4 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, Satz 4, Abs. 3 Satz 2, Satz 4 SächsPRG; § 33 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 1, Abs. 3 Sätze 2 bis 4, Abs. 4 Sätze 5 und 6, Abs. 5 Sätze 5 und 6 MedienG LSA; § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 4, Abs. 6 Satz 3, Abs. 7 ThürLMG (In der Freien Hansestadt Bremen, im Geltungsbereich des Medienstaatsvertrag HSH, in Niedersachsen und in Rheinland-Pfalz ist der Zuordnungsentscheidung ein Schiedsverfahren vorgeschaltet. Auch den Entscheidun-gen bzw. Vorschlägen der Schiedsstellen liegt jedoch ein Vorrang zugunsten der Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten zugrunde, vgl. §§ 26 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. 25 BremLMG, § 22 Abs. 2 Satz 13 Nr. 1, Abs. 2 Satz 14 Medienstaatsvertrag HSH, § 3 Abs. 7 Satz 1 NMedienG bzw. § 28 Abs. 3 Satz 12 Nr. 1, 2, 3 LMG RLP.).

367 Zu den eng begrenzten Ausnahmen im Hinblick auf gemeinschaftliche Frequenznutzung und Ab-weichung von den im Frequenzplan enthaltenen Festlegungen, die, soweit Belange der Länder bei der Rundfunkübertragung im Zuständigkeitsbereich der Länder betroffen sind, nur auf der Grund-lage der rundfunkrechtlichen Festlegungen im Benehmen mit der zuständigen Landesbehörde möglich ist, vgl. § 58 TKG.

368 Amtl. Begr. des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen vom 04.05.2011, BT-Drs. 17/5707, S. 73.

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74

bisherigen Aufgabenteilung, wonach die BNetzA die Frequenz zur Übertragung des

Rundfunkprogramms zuteile und der Veranstalter mit dem entsprechenden Zutei-

lungsnehmer einen Vertrag abschließe. Jedenfalls wird durch das Zusammenspiel

rundfunkrechtlicher Zuordnung bestimmter Frequenzen/Frequenzbereiche an öffent-

lich-rechtliche Anstalten und die korrespondierende telekommunikationsrechtliche

Zuteilung dieser Frequenzen/Frequenzbereiche (§§ 55, 57 TKG) an bestimmte Sen-

dernetzbetreiber die Verbreitung öffentlich-rechtlicher Sender über die betreffenden

Sendernetze sichergestellt369. Entsprechendes gilt für die rundfunkrechtliche Zuord-

nung von Satellitenübertragungskapazitäten und die korrespondierende Frequenzzu-

teilung, zu der die Übertragung der Orbit- und Frequenznutzungsrechte hinzutreten

muss (§§ 55, 56 TKG).

Die geschilderten differenten Regulierungskonzepte sind durch die unterschiedlichen

Sachgegebenheiten der jeweiligen Verbreitungsinfrastruktur bedingt. Angesichts der

Unterschiede zwischen Kabelverbreitung einerseits und drahtloser Verbreitung ande-

rerseits ist bereits zu bezweifeln, ob insoweit überhaupt vergleichbare Sachverhalte

vorliegen370. Jedenfalls sind die differenten Konzepte angesichts der je unterschiedli-

chen Sachgegebenheiten jeweils sachlich gerechtfertigt.

Ergänzend sei hinzugefügt: Soweit sich die rundfunkrechtlichen Zuordnungs-371 und

die telekommunikationsrechtlichen Zuteilungsregelungen372 auch auf Übertragungs-

kapazitäten für die Verbreitung über Satellit beziehen, kann unter Gleichheitsge-

sichtspunkten nicht beanstandet werden, die Länder hätten im Unterschied zum

Kabelsektor keine Regulierung zur Sicherstellung der Grundversorgung durch öffent-

lich-rechtliche Angebote im Wege der Satellitenverbreitung getroffen. Sie haben

lediglich einen anderen, nach dem soeben Ausgeführten sachgerechten Regulie-

rungsansatz als den bezüglich der Kabelverbreitung aufgegriffenen gewählt. Zutref-

fend ist allerdings auch, dass deutsche Bestimmungen, die sich auf die Satelliten- 369

Die Entscheidungen über die Freigabe von Frequenzbereichen zum Handel etc. sowie über die Rahmenbedingungen und das Verfahren gemäß § 62 TKG kann nur im Einvernehmen mit den zu-ständigen Landesstellen erfolgen (§ 62 Abs. 2 Satz 3 TKG), wodurch die Wahrung der publi-zistischen Belange des Rundfunks sichergestellt werden soll; vgl. Wegmann, in: Säcker, BerlKommTKG, § 62, Rdnr. 25 ff.

370 Zum Erfordernis der Vergleichbarkeit der relevanten Sachverhalte vgl. nur Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 GRCh, Rdnr. 20.

371 Vgl. Nachweise in Fn. 365, 366. Auch die §§ 50 f RStV beziehen Satellitenübertragungskapazitä-ten mit ein; Binder, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 50 RStV, Rdnr. 60, § 51 RStV, Rdnr. 2.

372 §§ 55, 56 TKG.

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75

verbreitung beziehen, ins Leere greifen, soweit die (öffentlich-rechtlichen) Veranstal-

ter ausländischer Hoheit unterliegende Satelliten nutzen373. Dass aber eine Regulie-

rung ausländischer Hoheitsgewalt unterliegender Satelliten nicht durch deutsche Ge-

setzgebung erfolgen kann, ist vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes keines-

wegs irrelevant374. Denn die Bindung an Art. 20 GRCh besteht nur im Rahmen des

Kompetenzbereichs „des jeweils handelnden Rechtsträgers“375. Insofern kann eine

Verletzung dieser Norm durch unterschiedliche gesetzgeberische Behandlung

deutscher und ausländischer Infrastrukturbetreiber nicht vorliegen.

Auch soweit der Gesetzgeber durch die Statuierung von Must-Carry-Pflichten ohne

Festlegung von Entgelten eine Rechtslage geschaffen hat, angesichts derer die Ka-

belnetzbetreiber für die Verbreitung öffentlich-rechtlicher Angebote mit Must-Carry-

Status keine Entgelte erhalten (dürfen), während die öffentlich-rechtlichen Anstalten

für Transportdienstleistungen auf anderen Verbreitungsinfrastrukturen zahlen, ohne

dass die Rechtslage dem entgegenstehen würde, ist der Gleichheitssatz nicht ver-

letzt. Die Primärverbreitung der öffentlich-rechtlichen Angebote via Terrestrik, Satellit

und offenes Internet nehmen die Anstalten in eigener Verantwortung wahr, bedienen

sich zur Realisierung der Primärverbreitung der Hilfe anderer Anbieter der ent-

sprechenden Infrastrukturen, soweit sie über diese nicht selbst verfügen, und zahlen

Entgelte für die Leistungen dieser Infrastrukturanbieter, die sich nicht über den End-

kundenmarkt refinanzieren können. Demgegenüber erfolgt die Verbreitung über

Kabelnetze in eigener Verantwortung der Kabelnetzbetreiber, die Entgelte von nach-

gelagerten Netzbetreibern und von Endkunden – sowie von den Inhalte-Anbietern

(mit Ausnahme der öffentlich-rechtlichen Anstalten für die Verbreitung von Angebo-

ten mit Must-Carry-Status im gesetzlich geforderten Umfang und Standard) im und

außerhalb des Must-Carry-Bereichs (!) – erzielen können376.

Aufgrund dieser sachlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Verbreitungs-

modellen – insbesondere im Hinblick auf die Refinanzierbarkeit durch Entgelte der

(End-) Kunden – ist auch hinsichtlich der Entgeltproblematik bereits zu bezweifeln,

ob überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen. Sollte die Vergleichbarkeit indes

373

Vgl. Binder, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, § 50 RStV, Rdnr. 39, 60. 374

So aber in der Tendenz Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (35), in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 GG. 375

Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 GRCh, Rdnr. 14. 376

Vgl. dazu nur Gerpott/Winzer, Verhältnismäßigkeit von Einspeiseentgelten, S. 18 ff., siehe insbe-sondere S. 21 f.

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76

angenommen werden, rechtfertigt gerade der zuletzt hervorgehobene Unterschied

die Gesetzeslage im Hinblick auf Must-Carry-Angebote der öffentlich-rechtlichen An-

stalten, so dass in der fehlenden Festsetzung von Entgelten für die Erfüllung der

diesbezüglichen Übertragungspflichten jedenfalls keine ungerechtfertigte Ungleich-

behandlung zulasten der Kabelnetzbetreiber liegt.

Infolgedessen ist Art. 31 UDRL auch im Hinblick auf Art. 20 GRCh primärrechts-

konform umgesetzt worden.

4. Zwischenfazit

Bezüglich des Ergebnisses der Untersuchung hinsichtlich der Wahrung der unter Be-

rücksichtigung der Dienstleistungsfreiheit sowie der Unionsgrundrechte ermittelten

Grenzen des Art. 31 UDRL durch die deutschen Must-Carry-Regelungen ist nach

alledem Folgendes festzuhalten:

Durch die Must-Carry-Regelungen bezüglich der digitalen und analogen Ka-

belverbreitung haben die deutschen Länder den ihrer Rechtshoheit unterlie-

genden Kabelnetzbetreibern Pflichten zur Übertragung von Hörfunk- und Fern-

sehrundfunkkanälen sowie ergänzender Dienste i.S.d. Art. 31 Abs. 1 UDRL

hoheitlich auferlegt.

Mit dem Ziel der Vielfaltssicherung haben die deutschen Regelungen ein Ziel

von allgemeinem Interesse ausdrücklich festgelegt.

Die deutschen Länder haben die Auferlegung von Übertragungspflichten auf

Netze beschränkt, die von einer erheblichen Zahl von Endnutzern als Haupt-

mittel zum Empfang von Hörfunk und Fernsehrundfunkkanälen genutzt wer-

den.

Das Bestimmtheits- und Transparenzgebot hinsichtlich der spezifischen Be-

zeichnung der Angebote mit Must-Carry-Status ist durch die Must-Carry-

Regime nach deutschem Rundfunkrecht erfüllt.

Auch die Verhältnismäßigkeit im Sinne des Art. 31 UDRL der Auferlegung der

Übertragungspflichten ist gewahrt:

o Es bestehen insoweit ein breiter Ermessensspielraum der Mitgliedstaa-

ten und eine damit korrespondierende reduzierte gerichtliche Kontroll-

dichte.

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77

o Die Ausstattung von in besonderem Maße zu interner Vielfalt verpflich-

teten öffentlich-rechtlichen Angeboten mit einem Must-Carry-Status ist

ein geeigneter Weg der Pluralismussicherung.

o Die Erforderlichkeit der deutschen Normen, die Übertragungspflichten

im Sinne des Art. 31 UDRL im Hinblick auf das analoge und das digitale

Kabelnetz anordnen oder deren Anordnung ermöglichen, ist hinsichtlich

des Umfangs angeordneter bzw. anzuordnender Übertragungspflichten

zu bejahen.

o Auch genügt die Auferlegung der Übertragungspflichten dem Grundsatz

der Angemessenheit.

o Im Rahmen der Angemessenheit sind die relevanten gegenläufigen

Rechtspositionen abzuwägen. Prinzipiell für die Must-Carry-Regelun-

gen streiten die objektiv-rechtliche Garantie der Pluralität der Medien

(Art. 11 Abs. 2 GRCh) sowie die subjektiven Grundrechte der massen-

medialen und nicht-massenmedialen Kommunikatoren und der Rezipi-

enten (Art. 11 GRCh). Diese Rechtspositionen sind von konstituieren-

der Bedeutung für die freiheitliche Demokratie; dementsprechend

besteht ein weiter gesetzgeberischer Spielraum hinsichtlich ihrer Aktua-

lisierung durch den Gesetzgeber.

o Für die Position der Kabelnetzbetreiber streiten deren Eigentumsfreiheit

(Art. 17 GRCh) sowie ihr Grundrecht der unternehmerischen Freiheit

(Art. 16 GRCh). Diese Grundrechte sind unter Berücksichtigung insbe-

sondere auch des Gewichts des den Must-Carry-Regelungen zugrunde

liegenden Pluralismusziels indes erst verletzt, wenn die Auferlegung

von Übertragungspflichten es dem betroffenen Kabelnetzbetreiber im

Rahmen der Gesamtheit seiner (kabelgestützten) Tätigkeiten praktisch

unmöglich machte, seiner geschäftlichen Tätigkeit weiter nachzugehen,

wenn es ihm also ohne Kompensation bzw. Festlegung eines Entgelts

nicht mehr gelingen könnte, seine Kosten abzudecken und in einem

Mindestmaß Gewinne zu erzielen.

o Während die Länder mit den Must-Carry-Regelungen ein Ziel von sehr

hohem Stellenwert verfolgen, ist die Intensität der Einwirkung dieser

Regelungen auf die Eigentumsfreiheit und die unternehmerische Frei-

heit der Kabelnetzbetreiber relativ gering, sie überschreitet – in Relation

Page 82: Die Must-Carry-Regelungen des deutschen Medienrechts · PDF fileDie Must-Carry-Regelungen des deutschen Medienrechts im Hinblick auf Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

78

zu dem bedeutenden gesetzgeberischen Ziel – nicht die Grenzen des

Zumutbaren:

o Durch die Must-Carry-Vorgaben hinsichtlich digitaler Signalverbreitung

wird der Dispositionsspielraum der Kabelnetzbetreiber nur in begrenz-

tem Maße eingeengt. Im Hinblick auf insoweit rigidere Belegungsvorga-

ben im Bereich analoger Signalverbreitung ist zu bedenken, dass die

Breitbandkabelnetzbetreiber es selbst in der Hand haben, inwieweit sie

ihr Kabel für die analoge Signalverbreitung nutzen wollen.

o Weiterhin ist die Eingriffsintensität als relativ gering zu bewerten, da die

Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Inhalte in die Angebote der Kabel-

netzbetreiber bis auf Weiteres eine conditio sine qua non für die Funkti-

onsfähigkeit ihres Geschäftsmodells bildet, welches ohne diese Inhalte

entscheidend an Attraktivität verlieren würde. D.h., die Kabelnetzbetrei-

ber werden insoweit hoheitlich nur zur Verbreitung von Angeboten ge-

zwungen, die sie de facto um der Wahrung ihrer Konkurrenzfähigkeit

willen ohnehin verbreiten müssen.

o Dabei sind diese Inhalte für die Kabelnetzbetreiber in erheblichem Ma-

ße werthaltig, ohne dass die von den Kabelnetzbetreibern für die Wei-

tersenderechte zu entrichtenden Tantiemen gemäß den §§ 87 Abs. 5

Satz 1, 20 b Abs. 2 UrhG einen adäquaten Gegenwert für den Wert der

öffentlich-rechtlichen Angebote mit Must-Carry-Status bilden würden.

Insofern kommen also die Wirkungen des Eingriffs der wirtschaftlichen

Nutzung des Eigentums zugute, was die Eingriffsintensität ebenfalls

mindert.

o Sodann ist zu berücksichtigen, dass nur dem öffentlich-rechtlichen

Rundfunk die Zahlung von Einspeiseentgelten für aufgrund von Must-

Carry-Pflichten erbrachte Dienstleistungen der Kabelnetzbetreiber

haushaltsrechtlich untersagt und i.Ü. nur teilweise die kapazitätsmäßig

nur unerheblich ins Gewicht fallende Verbreitung offener Kanäle bzw.

regional und lokal orientierter Angebote ohne Entgelt vorgesehen ist.

o Zudem wird den Kabelnetzbetreibern die Möglichkeit der wirtschaftli-

chen Verwertung öffentlich-rechtlicher Angebote mit Must-Carry-Status

nicht genommen: Ihnen ist die Refinanzierung ihrer Dienstleistungen

Page 83: Die Must-Carry-Regelungen des deutschen Medienrechts · PDF fileDie Must-Carry-Regelungen des deutschen Medienrechts im Hinblick auf Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

79

durch Entgelte der Endkunden bzw. nachgelagerter Kabelnetzbetreiber

nicht versagt.

o Wollten die Kabelnetzbetreiber den Wegfall der Einspeiseentgelte für

öffentlich-rechtliche Angebote mit Must-Carry-Status auf der Seite der

Endkunden vollständig kompensieren, würde dies nur zu einer geringen

Erhöhung der Kosten des Kabelanschlusses für die Endkunden führen.

Daher erscheint ein solches rechtlich zulässiges Vorgehen nicht prinzi-

piell ausgeschlossen. Hinsichtlich der Realisierbarkeit etwaiger Kosten-

erhöhungen auf der Endkundenseite tragen indes die Kabelnetzbetrei-

ber das wirtschaftliche Risiko.

o Den bislang von den öffentlich-rechtlichen Anstalten an KDG und

UKBW gezahlten Einspeiseentgelten kommt nur eine geringe Ge-

schäftsrelevanz zu. Ihr Wegfall führt weder bei KDG noch bei UKBW zu

einer Betriebsergebnisbelastung, welche die Fähigkeit der beiden Un-

ternehmen zur Geschäftsfortentwicklung in i.S.d. Art. 31 Abs. 1 UDRL

unverhältnismäßiger Weise merklich beeinträchtigte oder ihnen gar die

Fortführung ihrer Geschäfte praktisch unmöglich machte (Gerpott/

Winzer). I.Ü. werden von den in der EBU organisierten Sendern, die mit

Must-Carry-Status versehene Angebote veranstalten, regelmäßig keine

Einspeiseentgelte für die Verbreitung öffentlich-rechtlicher Angebote mit

Must-Carry-Status gezahlt.

o Auch haben die in Deutschland ansässigen mittleren und kleineren Ka-

belnetzbetreiber – die „Kleinstnetze“ sind ohnehin den Must-Carry-

Pflichten nicht unterworfen – von Anfang an keine Einspeiseentgelte

erhalten. Gleichwohl konnte ein stabiler Markt etabliert werden, auf dem

eine Vielzahl von mittleren und kleineren Kabelnetzbetreibern agieren.

Dementsprechend kann dem Fehlen von Einspeiseentgelten keine

marktzutrittshindernde oder die wirtschaftliche Tätigkeit der mittleren

und kleineren Kabelnetzbetreiber im Kabelmarkt praktisch unmöglich

machende Wirkung attestiert werden. Daher sind zum einen die kleine-

ren Kabelnetzbetreiber, denen die soeben angesprochenen Minderun-

gen der Eingriffsintensität der Must-Carry-Regelungen auch zugute-

kommen, durch die Auferlegung von – im Hinblick auf öffentlich-

rechtliche Angebote mit Must-Carry-Status kompensationslos zu

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80

erfüllende – Übertragungspflichten ihrerseits nicht unzumutbar betrof-

fen. Zum anderen ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass auch – und erst

recht – die Regionalgesellschaften von der Auferlegung der Übertra-

gungspflichten nach den Landesmedien-/-rundfunkgesetzen nicht

übermäßig belastet werden.

Die Umsetzung des Art. 31 UDRL durch die deutschen Länder wahrt auch den

allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 20 GRCh):

o Die Länder haben nicht nur bezüglich der Kabelverbreitung, sondern

auch bezüglich der drahtlosen Verbreitung durchaus Maßnahmen

ergriffen, die der Sicherstellung der Verbreitung bestimmter, insbeson-

dere auch öffentlich-rechtlicher Programme dienen. Die differenten

Regulierungskonzepte sind durch die unterschiedlichen Sachgegeben-

heiten der jeweiligen Verbreitungsinfrastruktur bedingt. Angesichts der

Unterschiede zwischen Kabelverbreitung einerseits und drahtloser Ver-

breitung andererseits ist bereits zu bezweifeln, ob insoweit überhaupt

vergleichbare Sachverhalte vorliegen. Jedenfalls sind die differenten

Konzepte angesichts der je unterschiedlichen Sachgegebenheiten je-

weils sachlich gerechtfertigt.

o Soweit deutsche Bestimmungen, die sich auf die Satellitenverbreitung

beziehen, ins Leere greifen, da die (öffentlich-rechtlichen) Veranstalter

ausländischer Hoheit unterliegende Satelliten nutzen, kann eine Verlet-

zung des Art. 20 GRCh durch unterschiedliche gesetzgeberische Be-

handlung deutscher und ausländischer Infrastrukturbetreiber nicht vor-

liegen, da die Bindung an Art. 20 GRCh nur im Rahmen des Kompe-

tenzbereichs des jeweils handelnden Rechtsträgers besteht.

o Auch soweit der Gesetzgeber durch die Statuierung von Must-Carry-

Pflichten ohne Festlegung von Entgelten eine Rechtslage geschaffen

hat, angesichts derer die Kabelnetzbetreiber für die Verbreitung öffent-

lich-rechtlicher Angebote mit Must-Carry-Status keine Entgelte erhalten

(dürfen), während die öffentlich-rechtlichen Anstalten für Transport-

dienstleistungen auf anderen Verbreitungsinfrastrukturen zahlen, ohne

dass die Rechtslage dem entgegenstehen würde, ist der Gleichheits-

satz nicht verletzt. Zur Primärverbreitung der öffentlich-rechtlichen An-

gebote via Terrestrik, Satellit und offenes Internet bedienen sich die

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81

Anstalten der Hilfe anderer Anbieter der entsprechenden Infrastruktu-

ren, soweit sie über diese nicht selbst verfügen, und zahlen Entgelte für

die Leistungen dieser Infrastrukturanbieter, die sich nicht über einen

Endkundenmarkt refinanzieren können. Demgegenüber erfolgt die Ver-

breitung über Kabelnetze in eigener Verantwortung der Kabelnetzbe-

treiber, die Entgelte von nachgelagerten Netzbetreibern und von End-

kunden – sowie von den Inhalte-Anbietern (mit Ausnahme der öffent-

lich-rechtlichen Anstalten für die Verbreitung von Angeboten mit Must-

Carry-Status im gesetzlichen geforderten Umfang und Standard) im und

außerhalb des Must-Carry-Bereichs – erzielen können. Aufgrund dieser

sachlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Verbreitungs-

modellen – insbesondere hinsichtlich der Refinanzierbarkeit durch Ent-

gelte der Endkunden – ist auch hinsichtlich der Entgeltproblematik be-

reits zu bezweifeln, ob überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen.

Sollte die Vergleichbarkeit indes angenommen werden, rechtfertigt ge-

rade der zuletzt hervorgehobene Unterschied die Gesetzeslage im Hin-

blick auf Must-Carry-Angebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten, so

dass in der fehlenden Festsetzung von Entgelten für die Erfüllung der

diesbezüglichen Übertragungspflichten jedenfalls keine ungerechtfertig-

te Ungleichbehandlung zulasten der Kabelnetzbetreiber liegt.

III. Vereinbarkeit der deutschen Regelungen zur Begründung von unentgelt-

lich zu erfüllenden Must-Carry-Pflichten mit dem deutschen Verfassungs-

recht

Nach allgemeiner Ansicht377 sind durch die Auferlegung von Must-Carry-Pflichten

durch das deutsche Medienrecht jedenfalls die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1

Satz 1 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG), auf deren Schutz sich

auch juristische Personen des Privatrechts berufen können378, betroffen, die insoweit

zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen379, als durch die wirtschaftliche

377

Vgl. nur BayVGH, ZUM 2006, S. 495 (499); Wagner, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunk-recht, § 52b RStV, Rdnr. 14; Dörr, ZUM 1997, S. 337 (368 f); Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (9 f); Ladeur, ZUM 2012, S. 939 (943); Sharma, Der chancengleiche Zugang, S. 109 ff.

378 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19, Rdnr. 81, 83.

379 Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (10).

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82

Nutzung des Eigentums an den Kabelnetzen weiterer Erwerb der Kabelnetzbetreiber

erzielt werden soll380 381. Zusätzlich wird ein Schutz der Kabelnetzbetreiber durch die

Rundfunkfreiheit diskutiert382. Zu untersuchen ist auch, ob die deutschen Must-Carry-

Regelungen den Grundsatz der Privatwirtschaftlichkeit der Erbringung von Tele-

kommunikationsdienstleistungen (Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG) wahren. Schließlich ist

der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu beachten.

1. Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) der Kabel-

netzbetreiber?

a. Sachlicher Schutzbereich und Eingriff

Das Eigentum an den Kabelnetzen ist durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt383.

Dabei bezieht sich der verfassungsrechtliche Schutz nicht nur auf den Bestand des

Eigentums, sondern umfasst auch die Befugnis zur Verfügung über das Eigentum384

und zur wirtschaftlichen Verwertung desselben385.

Durch die Auferlegung von Must-Carry-Pflichten wird in die durch Art. 14 Abs. 1

Satz 1 GG geschützte Nutzungs- und Verwertungsbefugnis der Kabelnetzbetreiber

eingegriffen386. Da die Auferlegung der Übertragungspflichten nicht die finale Entzie-

hung von Eigentumspositionen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bewirkt387, ist der

Eingriff als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Kabelnetz-Eigentums zu qualifi-

zieren388.

380

Vgl. dazu bereits o. D. II. 2. c. aa. 381

Ob in den Must-Carry-Regelungen ein verfassungsrechtlich rechtfertigungsfähiger Eingriff in die Informationsfreiheit der Rezipienten liegt, wird im Folgenden nicht eigens geprüft. Schon Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 82 ff, hat überzeugend herausgearbeitet, dass nicht das Grundrecht der Informationsfreiheit gegen vor dem Hintergrund der Rundfunkfreiheit zur Sicherung des publi-zistischen Pluralismus erfolgende gesetzgeberische Regelungen ausgespielt werden kann.

382 Dazu Sharma, Der chancengleiche Zugang, S. 115 ff m. w. N.

383 Vgl. nur Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (9) m. w. N.; Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (26 f).

384 Vgl. nur BVerfGE 52, 1 (30); 88, 366 (377); Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14, Rdnr. 64 m. w. N.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rdnr. 5 m. w. N.

385 Vgl. nur BVerfGE 79, 292 (304); BayVGH, ZUM 2006, S. 495 (499). S.a. Fink/Keber, MMR-Bei-lage 2/2013, S. 1 (27); Dörr, ZUM 1997, S. 337 (369).

386 Vgl. nur Sharma, Der chancengleiche Zugang, S. 109 f.

387 Zum reformalisierten Enteignungsbegriff vgl. nur BVerfGE 100, 226 (239 f); 104, 1 (9 f).

388 S.a. Sharma, Der chancengleiche Zugang, S. 110 m. w. N. Zur Eingriffsqualität s.o. D. II. 2. c. aa.

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83

b. Rechtfertigung

Die Inhalts- und Schrankenbestimmung obliegt dem Gesetzgeber (Art. 14 Abs. 1

Satz 2 GG), sie hat einem legitimen Zweck zu dienen389 und muss verhältnismäßig

sein390. Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung des BVerfG im Rahmen des

Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG der Gleichheitssatz zu beachten391.

aa. Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber

Die Auferlegung von Übertragungspflichten erfolgt durch oder aufgrund der Must-

Carry-Regelungen im RStV sowie in den Landesmedien-/-rundfunkgesetzen. Inso-

fern ist eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums durch den Gesetz-

geber erfolgt.

bb. Legitimer Zweck

Der mit den Must-Carry-Regelungen verfolgte Zweck der Sicherung des publizisti-

schen Pluralismus ist nicht nur legitim, sondern die Umsetzung dieses Zwecks (pri-

mär) durch den Gesetzgeber ist vom Grundgesetz gefordert392.

cc. Verhältnismäßigkeit

(1) Geeignetheit

Zur Verfolgung des Pluralismus-Zwecks ist die Auferlegung von Übertragungspflich-

ten hinsichtlich der in besonderem Maße zu interner Vielfalt verpflichteten öffentlich-

rechtlichen Angebote geeignet.

(2) Erforderlichkeit

Hinsichtlich der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Grundrechtsbeschränkung er-

kennt das BVerfG einen weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers an393.

389

Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rdnr. 73. 390

Vgl. nur Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rdnr. 85 m. w. N. 391

Vgl. nur BVerfGE 58, 137 (150); 52, 1 (30); 42, 263 (305); 37, 132 (143); 34, 139 (146). 392

Vgl. dazu nur Hain, AfP 2012, S. 313 (319 f) m. w. N.

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84

Die Sicherung der Kabeleinspeisung und -verbreitung der öffentlich-rechtlichen

Grundversorgungprogramme ist erforderlich394. Denn diese Angebote sind zur Re-

konstruktion jeweiliger Meinungsbilder im Sinne gleichgewichtiger Vielfalt verpflich-

tet395. Und die Erfüllung der Grundversorgungsaufgabe bildet angesichts der Defizite

privater Rundfunkveranstaltung die Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit des

dualen Rundfunksystems im Ganzen396. Die der Erfüllung dieser Aufgabe dienenden

Angebote müssen die Rezipienten über den derzeit wichtigsten Verbreitungsweg397

erreichen können. Auch die Kabeleinspeisung und -verbreitung vom Funktionsauf-

trag umfasster funktionserforderlicher vielfaltsermöglichender und -erweiternder öf-

fentlich-rechtlicher Angebote jenseits des Grundversorgungsauftrags398 ist – unter

Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers – als erforderlich

zu betrachten.

(3) Angemessenheit

Der Gesetzgeber muss das Eigentum und dessen Privatnützigkeit (personaler

Bezug) einerseits und die gegenläufigen Güter (Sozialbezug) andererseits in einen

gerechten Ausgleich bringen399. Je höher der Sozialbezug der betroffenen Eigen-

tumsposition und in diesem Kontext die Verwiesenheit von Nicht-Eigentümern auf die

Eigentumsnutzung zur Aktualisierung ihrer grundrechtlichen Freiheit400 ist, desto

größer ist der Spielraum des Gesetzgebers zur Verfolgung der zu schützenden

Gemeinwohlbelange401.

393

Vgl. nur Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rdnr. 153 m. zahlr. N. 394

Vgl. zum Folgenden bereits o. D. II. 2. b. 395

Vgl. BVerfGE 74, 297 (325 f); s.a. E 83, 238 (297 f); 87, 181 (199). 396

BVerfGE 73, 118 (157 f); 74, 297 (324); 87, 181 (199); 90, 60 (90); 119, 181 (218). 397

S.o. C. II. 3. 398

Vgl. BVerfGE 74, 297 (332, 354 f); 83, 238 (302 f). 399

Vgl. nur BVerfGE 100, 226 (240); 112, 93 (109); 114, 1 (59); Bryde, in: v. Münch, GG, Art. 14, Rdnr. 56 m. w. N.

400 Zu diesem Aspekt vgl. nur BVerfGE 50, 290 (340 f); 84, 382 (385).

401 Vgl. nur BVerfGE 100, 226 (241) m. w. N.

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85

(a) Hoher Sozialbezug der Kabelnetze

Dass die Kabelnetze mit ihrer – gerade auch in Deutschland gegebenen402 – großen

Bedeutung hinsichtlich des Transports für den Prozess freier Meinungsbildung be-

deutender Angebote einen hohen Sozialbezug aufweisen, wurde bereits dargetan403.

Dies ist für die national-verfassungsrechtliche Ebene bereits von Gersdorf überzeu-

gend herausgearbeitet worden, der zunächst betont, das Netzeigentum (jedenfalls)

von als Kapitalgesellschaften verfassten Kabelnetzbetreibern weise als gesell-

schaftsrechtlich vermitteltes Eigentum keinen nennenswerten personalen Bezug auf,

und in Bezug auf die „qualifizierte soziale Funktion“ des Netzeigentums darauf hin-

weist, die Nutzung des Eigentumsobjekts transzendiere die persönliche Sphäre des

Eigentümers und berühre die schutzwürdigen Belange Dritter, die auf die Nutzung

der Telekommunikationswege und -einrichtungen zur Verwirklichung ihrer grund-

rechtlich geschützten Freiheiten angewiesen seien404. Daher ist zur Sicherung des

publizistischen Pluralismus ein großer gesetzgeberischer Spielraum zur Gestaltung

von Inhalt und Schranken des Eigentums an den Kabelnetzen anzuerkennen405.

Vor diesem Hintergrund ist angesichts der Bedeutung der Kabelnetze hinsichtlich der

Versorgung der Rezipienten mit für die Erreichung des seinerseits für die Entfaltung

individueller Autonomie wie für die freiheitliche Demokratie essentiellen, durch die

Verfassung vorgegebenen Pluralismusziels erforderlichen Inhalte-Angeboten die

Auferlegung der Must-Carry-Pflichten durch den RStV und die einzelnen Landes-

medien-/-rundfunkgesetze von den Kabelnetzbetreibern als generell vertretbare In-

halts- und Schrankenbestimmung des Eigentums an den Kabelnetzen hinzunehmen.

(b) Zur Frage einer Ausgleichspflicht zur Herstellung der Angemessenheit der

Must-Carry-Pflichten

Fraglich ist indes, ob die Must-Carry-Regelungen des RStV und der einzelnen Lan-

desmedien-/-rundfunkgesetze im Hinblick auf einzelne Kabelnetzbetreiber eine In-

tensität erreichen, die ohne Ausgleich zur Unangemessenheit des Eigentumseingriffs

402

S.o. C. II. 3. 403

S.o. D. II. 2. C. aa.; s.a. Sharma, Der chancengleiche Zugang, S. 111 m. w. N. 404

Gersdorf, Chancengleicher Zugang S. 93 f, unter Rekurs auf Dörr, ZUM 1997, S. 337 (369), und Stettner, Rechtspflicht zur Kabelbelegung, S. 63 f.

405 Vgl. Dörr, ZUM 1997, S. 337 (369); Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 94 f m. w. N.

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86

führen406. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass durch die in einer Inhalts- und

Schrankenbestimmung liegende Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit des Eigen-

tums eine Ausgleichspflicht grundsätzlich nicht ausgelöst wird407. Diese kann „nur in

wirklichen Ausnahmefällen zur Anwendung kommen, in denen eine Inhalts- und

Schrankenbestimmung aufgrund singulärer Umstände für den Betroffenen zu einer

Härte führt, die er so nicht hinnehmen muss“408.

(aa) Ausnahme für die Kleinstnetze

Die Abmilderung der Auswirkungen des Eingriffs durch einen Ausgleich kommt aller-

dings nur in Betracht, wenn die im Einzelfall drohende Unzumutbarkeit der Belastung

nicht durch andere Maßnahmen wie Übergangsregelungen, administrative Vorkeh-

rungen oder Ausnahmevorschriften409 vermieden werden kann410.

Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass die durch die Länder statuierten Must-

Carry-Regelungen in Konkretisierung des Art. 31 Abs. 1 UDRL, der die Auferlegung

von Übertragungspflichten nur für Netze erlaubt, die für eine erhebliche Zahl von

Endnutzern als Hauptmittel zum Empfang von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen

fungieren, Netze ausnehmen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen411. Insoweit

liegt also bereits eine Ausnahmeregelung vor, die einen Eingriff durch Must-Carry-

Regelungen in das Eigentum kleiner Netzbetreiber gänzlich ausschließt. Dies ist

auch im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit der Must-Carry-Regelungen

zu berücksichtigen.

(bb) Das Kriterium für die Annahme einer Ausgleichpflicht im Einzelfall

Es ist – wie soeben ausgeführt – vor dem Hintergrund des Zweckes der Pluralismus-

sicherung wiederum generell nicht zu beanstanden, wenn Netze, die für eine erhebli-

406

Da es im Folgenden nur um das „Ob“ eines Ausgleichs geht, kann hier offenbleiben, durch wen und in welcher Form ein Ausgleich ggf. zu erfolgen hätte.

407 Vgl. nur BVerfGE 100, 226 (241); Maurer, VerwR AT, § 27, Rdnr. 79.

408 So treffend Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rdnr. 135. Vgl. zur Figur der ausgleichspflichtigen Inhalts- (und Schranken-) Bestimmung grundlegend BVerfGE 58, 137 (147 ff); s.a. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14, Rdnr. 236 ff m. zahlr. N.

409 Dazu Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14, Rdnr. 237.

410 Maurer, VerwR AT, § 27, Rdnr. 84.

411 S.o. D. II. 2. c. cc.; vgl. zu dieser Argumentation BayVGH, ZUM 2006, S. 495 (500).

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87

che Zahl von Endnutzern das Hauptmittel des Fernseh- und Hörfunkempfangs bil-

den – also oberhalb der soeben thematisierten Schwelle angesiedelt sind –, den

Must-Carry-Regelungen der Länder unterworfen werden. Zu untersuchen ist im Fol-

genden nur, ob bezüglich einzelner unter diesen Netzbetreibern mit der Auferlegung

der Übertragungspflichten ohne Ausgleich eine atypische und unzumutbare Härte

einhergeht.

Hinsichtlich des Ausgleichs zwischen den Positionen der Rundfunkveranstalter und

der Kabelnetzbetreiber hat Gersdorf unter Rekurs auf die Bedeutung des Rundfunks

für die Entfaltung personaler wie politischer Autonomie postuliert, die ökonomischen

Belange der Kabelnetzbetreiber müssten sich dem im öffentlichen Interesse liegen-

den publizistischen Auftrag des Rundfunks unterordnen412. Vor diesem Hintergrund

bestimmt er die „verfassungsrechtlich fixierte Grenze zulässiger Sozialbindung“. Die-

se sei überschritten, wenn die Vergabe der Übertragungskapazitäten wirtschaftlich

nicht vertretbar sei, also „jedenfalls längerfristig keinen Ertrag erwarten“ lasse413. Im

Anschluss an diese Position formuliert Sharma, der gesetzgeberische Gestaltungs-

spielraum stoße an seine Grenzen, „wenn dem Kabelnetzbetreiber ein wirtschaftli-

cher und ein profitabler Netzbetrieb unmöglich gemacht“ werde414. Hinsichtlich der

Anwendung dieses Kriteriums ist auch im national-verfassungsrechtlichen Zusam-

menhang auf die Gesamtheit der kabelgestützten Geschäfte der Kabelnetzbetreiber

abzustellen415.

Auch wenn die Gersdorf’sche These von der Unterordnung der ökonomischen

Belange der Kabelnetzbetreiber auf Kritik gestoßen ist416, verdient das gerade dar-

gestellte Kriterium für die Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit bzw. Angemes-

senheit, das dem auf unionsrechtlicher Ebene ermittelten417 entspricht, angesichts

des weiten Gestaltungsspielraums der Länder zur Regelung von Inhalt und Schran-

412

Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 97. 413

Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 95, unter Rekurs auf Bullinger/Gödel, LMedienG BW, § 5, Rdnr. 10, § 3, Rdnr. 5; und Dörr, ZUM 1997, S. 337 (369), der seinerseits mittelbar auf dieses Kri-terium abhebt. In der Tendenz noch rigider formuliert Gersdorf, a.a.O., mit Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Mietpreisbindung – E 71, 230 (250); 91, 294 (310) – sodann, die landesrechtlichen Bindungen dürften auf Dauer nicht zu Verlusten des Netzeigentümers oder zu einer Gefährdung der Substanz des Netzeigentums führen.

414 Sharma, Der chancengleiche Zugang, S. 112.

415 Vgl. BayVGH, ZUM 2006, S. 495 (500).

416 Dazu Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (10).

417 S.o. D. II. 2. c.

Page 92: Die Must-Carry-Regelungen des deutschen Medienrechts · PDF fileDie Must-Carry-Regelungen des deutschen Medienrechts im Hinblick auf Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

88

ken des Eigentums an den Kabelnetzen Zustimmung. Es ist damit auch maßgeblich

für die Beurteilung der Frage, ob die Must-Carry-Pflichten eine unzumutbare Härte

darstellen, die durch eine Kompensation, deren Grundlage im Zusammenhang mit

den Bestimmungen zur Auferlegung von Übertragungspflichten gesetzlich geregelt

werden müsste418, auf ein angemessenes Maß zu reduzieren wäre. Allerdings ist

dieses Kriterium nach dem soeben Ausgeführten419 im Hinblick auf die Ermittlung

atypischer Härten für einzelne Kabelnetzbetreiber anzuwenden.

(cc) Unangemessenheit der Must-Carry-Regelungen ohne generelle Statuierung

einer Ausgleichspflicht?

Im Rahmen der jüngeren Diskussion der Problematik vertreten einige Autoren die

These, ohne einen Ausgleich für die Auferlegung von Übertragungspflichten stellten

diese Pflichten unangemessene Eingriffe in die durch das Grundgesetz garantierten

Wirtschaftsgrundrechte der Kabelnetzbetreiber dar.

So weist Gersdorf darauf hin, die Verfassungsmäßigkeit einer Inhalts- und Schran-

kenbestimmung hänge in bestimmten Fällen davon ab, ob ein finanzieller Aus-

gleich – im Wege einer gesetzlichen oder (obligatorischen) vertraglichen Regelung –

gewährt werde. Im Landesrundfunkrecht fehle es an einer ausdrücklichen Regelung,

die den mit einem Must-Carry-Status ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Rundfunk

zum Abschluss eines Weiterverbreitungsvertrages verpflichte, der die Grundlage für

die Erhebung von Einspeisungsentgelten bilde. Da das Kabelbelegungsregime nur

mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei, wenn die Durchsetzung

der Entgeltansprüche der Kabelnetzbetreiber hinreichend rechtlich abgesichert sei,

bedürfe es – neben der analogen Anwendung des § 5 Abs. 7 RStV420 – einer Ver-

pflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zum Abschluss eines Weiter-

verbreitungsvertrags421. Ein solcher Kontrahierungszwang ergebe sich implizit aus

dem Landesrundfunkrecht in verfassungskonformer Auslegung422.

418

Vgl. nur Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rdnr. 135. 419

S.o. D. III. 1. b. cc. (3) (b). 420

Dazu bereits o. C. II. 5. b. cc. 421

Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (12 f). 422

Gersdorf, K&R-Beiheft 1/2009, S. 1 (14).

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89

Diese Ansicht kann nicht überzeugen. Dass das Kabelbelegungsregime nur mit dem

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei, wenn die Durchsetzung der Ent-

geltansprüche der Kabelnetzbetreiber hinreichend rechtlich abgesichert sei, wird le-

diglich pauschal behauptet, aber in keiner Weise näher begründet. Insbesondere

wird die der These Gersdorfs offenbar zugrunde liegende Annahme, das Verhältnis-

mäßigkeitsprinzip verlange eine Entgeltung der Erfüllung der Must-Carry-Pflichten

durch die (alle?) Kabelnetzbetreiber, nicht an dem von Gersdorf selbst formulierten

und soeben vorgestellten Kriterium für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze

gemessen.

Bereits im Rahmen seiner Ausführungen zu den Kabelbelegungsregelungen hat

Engel ausgeführt, ein Verbot der Mischfinanzierung durch den Ausschluss der Ent-

geltlichkeit der Einspeisung und Durchleitung zu übertragender Angebote sei über-

mäßig, da der Gesetzgeber das Pluralismusziel allein durch Kanalbelegungsregeln

und ohne Vorgaben für das Innenverhältnis zwischen Kabelnetzbetreiber und Pro-

grammveranstalter erreichen könne423. Dieses Argument greifen Engel/Lüdemann in

einem Beitrag zu den Must-Carry-Pflichten bezüglich öffentlich-rechtlicher Angebote

auf und behaupten, eine Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung sei mit den Grund-

rechten der Kabelnetzbetreiber unvereinbar, da diese dadurch gezwungen würden,

ihre unternehmerischen Leistungen zu verschenken, ohne dass sich der Gesetzge-

ber dafür auf ein gewichtiges öffentliches Interesse berufen könne424.

Wenn hier auf der Basis der Grundrechte und des Verhältnismäßigkeitsprinzips ar-

gumentiert wird, ist zunächst zu beachten, dass Eingriffe in Grundrechte – und ins-

besondere in die Eigentumsfreiheit als Konkretisierung der Sozialbindung gemäß

Art. 14 Abs. 2 GG – in aller Regel nicht ausgleichspflichtig sind. Eine Inhalts- und

Schrankenbestimmung wird nicht per se425, sondern nur in atypischen Härtefällen bei

fehlendem Ausgleich unverhältnismäßig. Also kann auch nicht ausschließlich aus der

Unentgeltlichkeit von Must-Carry-Leistungen auf die Unzumutbarkeit bzw. Unange-

423

Engel, ZUM 1997, S. 497 (512). 424

Engel/Lüdemann, ZUM 2008, S. 904 (910). 425

S.a. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rdnr. 135, der mit Recht vehement betont, keinesfalls dürfe der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf Inhalts- und Schrankenbestimmungen so in-terpretiert werden, als verletze jede entschädigungslose Inanspruchnahme das Erforderlichkeits-gebot, weil eine entschädigungspflichtige Inhaltsbestimmung notwendig das gesetzgeberische Ziel auf schonendere Weise verfolge. Als Grundsatz sei also hervorzuheben, dass Inhalts- und Schran-kenbestimmungen zur Verwirklichung der Sozialbindung keine Ausgleichspflicht hervorriefen.

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90

messenheit der Auferlegung der entsprechenden Pflichten geschlossen werden. Mit

der Frage, ob im Hinblick auf bestimmte Netzbetreiber atypische Sonderfälle vorlie-

gen, setzen sich Engel/Lüdemann indes nicht auseinander. Daher ist ihre Argumen-

tation unterkomplex.

Eine – allerdings nicht systematisch entwickelte – grundrechtlich orientierte Argu-

mentation zur Notwendigkeit von Einspeiseentgelten bieten im Ansatz auch

Fink/Keber. Sie rekurrieren insoweit auf einen Beschluss des OVG NRW426. Diese

Entscheidung behandelte allerdings zum einen nicht den Transport von Rundfunkan-

geboten (mit Must-Carry-Status), sondern Bescheide der RegTP zur Sicherstellung

entbündelten Zugangs eines Telekommunikationsdienstleisters zum Netz der Deut-

schen Telekom AG427. Zum anderen ist es zwar richtig, dass das OVG NRW die Zu-

gangsgewährungspflicht des Netzeigentümers gemäß den §§ 33 Abs. 1,

35 Abs. 1 TKG als wenig eingriffsintensive Pflicht zur Mitbenutzung gegen Entgelt

und die darin liegende Beschränkung (auch) der Eigentumsfreiheit als gemessen am

gesetzgeberischen Zweck des chancengleichen freien Wettbewerbs im Telekommu-

nikationsbereich vertretbar bewertet428. Daraus, dass das Gericht den von ihm zu

beurteilenden Eingriff auch unter Berücksichtigung der Entgeltzahlung durch den Be-

günstigten als verhältnismäßig bewertet, lässt sich allerdings nicht schließen, dass

dieser Eingriff – oder gar die Auferlegung von der Sicherstellung des für die Entfal-

tung individueller und politischer Autonomie essentiellen Pluralismus dienenden

Pflichten zur Übertragung von Rundfunkangeboten – ohne Entgeltzahlung unange-

messen wäre429. Das OVG NRW lotet in seiner Entscheidung die Grenzen der Zu-

mutbarkeit von (kompensationslosen) Eingriffen in das Eigentum nicht aus.

Fink/Keber wiederum untersuchen nicht systematisch, ob die Auferlegung von Must-

Carry-Pflichten ohne Kompensation die Grenzen der Zumutbarkeit von Beschrän-

kungen des Eigentums einzelner Netzbetreiber überschreitet. Auch ihre grundrechts-

bezogene Argumentation bleibt somit unterkomplex.

426

Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, S. 1 (40). 427

Vgl. OVG NRW, NVwZ 2000, S. 697. 428

OVG NRW, NVwZ 2000, S. 697 (702). 429

In der letztinstanzlichen Entscheidung des Rechtsstreits spielt i.Ü. die Entgeltfrage für die Beja-hung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung keine Rolle; vgl. BVerwG, NVwZ 2001, S. 1399 (1407). Insofern ist sehr zu bezweifeln, ob die Entgeltlichkeit hier „als wesentliches Kriteri-um für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs“ – vgl. die Formulierung bei Fink/Keber, MMR-Bei-lage 2/2013, S. 1 (40) – zu bewerten ist.

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91

Ebenso wenig zielführend ist die grundrechtsbezogene Argumentation von Trute/

Broemel. Weder die Feststellung, auch in der älteren Diskussion sei der Zusammen-

hang von Verhältnismäßigkeit und Entgeltverpflichtung nicht unbeachtet geblieben,

noch die vage Behauptung, die Entgeltpflichtigkeit der Angebote (der Kabelnetzbe-

treiber) sei stets Bestandteil der verfassungsrechtlichen Positionen und ihrer verhält-

nismäßigen Zuordnung gewesen430, stellen eine tragfähige Begründung für die ver-

fassungsrechtlich unausweichliche Notwendigkeit eines nur im Fall atypischer Härten

für bestimmte Netzbetreiber zu gewährenden Ausgleichs dar. Ohne Zweifel gehört es

zur verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition des Anbieters von Übertra-

gungsleistungen, die Entscheidungen über sein Entgeltmodell zu treffen431. Aus die-

ser prinzipiellen – d.h.: noch unabgewogenen432 – grundrechtlichen Position lässt

sich aber nicht per se schließen, der Kabelnetzbetreiber könne rechtlich nicht darauf

verwiesen werden, er könne sich auch über Endkundenentgelte finanzieren.

Die soeben diskutierten Ansätze, die i.Ü. allesamt auf die generelle Ausgleichspflich-

tigkeit der Auferlegung von Übertragungspflichten abzielen, ohne zu berücksichtigen,

dass Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nur angesichts atypischer

Belastungen einzelner Betroffener eine Ausgleichspflicht zu deren Gunsten auslö-

sen, und ohne das Vorliegen derartiger Belastungen im Hinblick auf Betroffene zu

prüfen, vermögen nach alledem nicht zu überzeugen.

(dd) Atyische Härten für bestimmte Kabelnetzbetreiber?

Wie bereits ausgeführt433 liegt in der Auferlegung von Must-Carry-Pflichten eine aus-

gleichspflichtige atypische Härte für bestimmte Kabelnetzbetreiber, wenn das kabel-

gestützte Geschäftsmodell solcher Betreiber als Ganzes nicht mehr wirtschaftlich

vertretbar ist, also jedenfalls längerfristig keinen Ertrag erwarten lässt bzw. wenn

dem Kabelnetzbetreiber ein wirtschaftlicher und ein profitabler Netzbetrieb unmöglich

gemacht wird.

Diese Grenzbestimmung entspricht der hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit i.S.d.

Art. 31 Abs. 1 UDRL vorgenommenen. Nun wurde insoweit unter Würdigung der

430

Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (10). 431

Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (13). 432

Zum rechtstheoretischen Hintergrund Hain, Grundsätze, S. 98 ff m. w. N. 433

S.o. D. III. 1. b. cc. (3) (b) (bb).

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92

wirtschaftlichen Situation der Kabelnetzbetreiber bereits festgestellt, dass die Grenze

der Angemessenheit durch die deutschen Must-Carry-Regelungen nicht überschrit-

ten wurde434. Angesichts der Kongruenz der je maßgeblichen Kriterien ist daher auch

im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG das Erfordernis der Angemessenheit gewahrt.

dd. Wahrung des Gleichheitssatzes

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist im Rahmen der Prüfung anhand des

Art. 14 Abs. 1 GG der Gleichheitssatz zu beachten. Insoweit ist zu prüfen, inwieweit

eine generell gerechtfertigte Inhalts- und Schrankenbestimmung in ihrer praktischen

Auswirkung innerhalb des Kreises der Normunterworfenen zu „Belastungen von er-

heblich unterschiedlicher Intensität“ führt435.

Da aber – wie bereits aufgezeigt wurde436 – nicht nur das Geschäftsmodell der sog.

Regionalgesellschaften (KDG, UKBW), sondern auch der Markt der oberhalb der

Schwelle der von der Regulierung ausgenommenen Kleinstnetze437 angesiedelten

kleineren Kabelnetzbetreiber, bezüglich derer i.Ü. eingriffsintensitätsmindernde Ge-

sichtspunkte ebenso in Rechnung zu stellen sind wie im Hinblick auf die Regional-

gesellschaften438, funktionsfähig ist439, liegt eine zur Ausgleichspflicht gegenüber den

kleineren Kabelnetzbetreibern führende Ungleichbehandlung nicht vor.

Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die Must-Carry-Regelungen der Länder nicht

gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen440.

2. Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) der Kabelnetz-

betreiber?

a. Sachlicher Schutzbereich und Eingriff

Die Berufsfreiheit schützt den gewerbsmäßigen Betrieb und die damit verbundenen

Dispositionen der Kabelnetzbetreiber. Vorgaben hinsichtlich der Belegung der Ka-

434

S.o. D. II. 2. c. bb. 435

BVerfGE 58, 137 (150). 436

S.o. D. II. 2. c. cc. 437

S.o. D. II. 1. 438

S.o. D. II. 2. c. cc 439

S.o. D. II. 2. c. cc. 440

So im Ergebnis auch Nauheim, Rechtmäßigkeit des Must-Carry-Prinzips, S. 209 ff.

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93

belnetze, wie sie die Must-Carry-Regelungen der Länder beinhalten, greifen in die

wirtschaftliche Dispositionsfreiheit der Kabelnetzbetreiber ein und stellen Beschrän-

kungen der Freiheit der Berufsausübung441 dar442.

b. Rechtfertigung

Für eine Beschränkung der Berufsausübung gilt der Vorbehalt des Gesetzes gemäß

Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. In materieller Hinsicht ist eine Beschränkung grundsätz-

lich443 bereits gerechtfertigt, wenn sie von vernünftigen Erwägungen des Gemein-

wohls getragen und auch i.Ü. verhältnismäßig ist444.

Wie bereits dargetan, genügen die Must-Carry-Regelungen der Länder dem Geset-

zesvorbehalt und dienen dem überaus wichtigen Gemeinwohlzweck der Sicherung

des publizistischen Pluralismus445. Auch ist im Rahmen der Beurteilung der Verhält-

nismäßigkeit der Auferlegung der Übertragungspflichten deren Geeignetheit und Er-

forderlichkeit zu bejahen446.

Zentral für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist auch im Hinblick auf die Be-

rufsfreiheit die Frage der Angemessenheit der Must-Carry-Regelungen. Wegen der

großen Bedeutung der Sicherung des publizistischen Pluralismus für die Entfaltung

privater und politischer Autonomie und dem damit einhergehenden weiten Gestal-

tungsspielraum des Gesetzgebers sind die Must-Carry-Regelungen auch unter dem

Blickwinkel der Berufsfreiheit generell als angemessen zu betrachten447.

Allerdings kann ausnahmsweise zur Sicherstellung der Angemessenheit von Berufs-

ausübungsregelungen die Schaffung einer Entschädigung oder eines Aufwendungs-

ersatzes notwendig sein448.

441

Zum Schutz auch der Berufsausübungsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG vgl. nur Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rdnr. 14 m. w. N.

442 Vgl. nur Sharma, Der chancengleiche Zugang, S. 114.

443 Höheren Anforderungen muss eine Berufsausübungsregelung genügen, wenn sie von ihren tat-sächlichen Auswirkungen her eingriffsintensiver ist, als es solche Regelungen üblicherweise sind; vgl. nur BVerfGE 11, 30 (42 f).

444 Vgl. nur BVerfGE 114, 196 (244 ff); Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rdnr. 126 m. w. N.

445 S.o. D. III. 1. b. bb.

446 S.o. D. III. 1. b. cc. (1), (2).

447 Vgl. insoweit die Ausführungen zu Art. 14 Abs. 1 GG o. D. III. 1. b. cc. (3) (a) (b).

448 BVerfGE 30, 292 (311) im Hinblick auf einen in erster Linie an Art. 12 Abs. 1 GG zu messenden Eingriff; s.a. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12, Rdnr. 202. – Das BVerfG, a.a.O.,

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94

Im vorliegenden Kontext ist insoweit die Entscheidung des BVerfG zur Kurzberichter-

stattung von Interesse. In diesem Urteil hat das BVerfG eine unverhältnismäßige

Einschränkung der Berufsfreiheit angenommen, soweit durch die angegriffene

Regelung das Kurzberichterstattungsrecht als ein unentgeltliches ausgestaltet war.

Zwar kenne die Rechtsordnung zahlreiche verfassungsmäßige Berufsausübungsre-

gelungen, die dem Berufstätigen ohne entsprechendes Entgelt vermögenswerte

Leistungs- oder Duldungspflichten auferlegten. Von diesen unterscheide sich die

angegriffene Regelung aber dadurch, dass ein Ertrag der beruflichen Leistung nicht

nur der Allgemeinheit, sondern auch Konkurrenten des Fernsehveranstalters zugute-

komme, dem der Ereignisveranstalter die Erstverwertungsrechte vertraglich einge-

räumt habe. Die damit verbundenen Einbußen belasteten die Veranstalter im Ver-

hältnis zum (Pluralismus-)Sicherungszweck der Norm unangemessen, während die

Zahlung eines angemessenen Entgelts den begünstigten Fernsehveranstaltern zu-

mutbar sei449. Dass eine Begründung für die verfassungsmäßige Notwendigkeit einer

Entgeltregelung kaum gegeben wird, ist bereits mit Recht angemerkt worden450. Ins-

besondere prüft das BVerfG nicht eingehend, ob durch die mögliche Minderung des

Ertrages der Vergabe der Exklusivsenderechte das Geschäftsmodell der Eventver-

anstalter in wirtschaftlicher Hinsicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Und ob die

Sichtweise des BVerfG nach der jüngst ergangenen Entscheidung des EuGH451 zur

Kurzberichterstattung noch maßgeblich ist, ist zweifelhaft; dies muss indes hier nicht

abschließend geklärt werden. Denn jedenfalls liegt die besondere Konstellation, die

das BVerfG ausnahmsweise zur Annahme der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit

einer Entgeltzahlung seitens der durch das Kurzberichterstattungsrecht Begünstigten

bewogen hat, im Hinblick auf die Must-Carry-Regelungen der Länder nicht vor: In der

hier zu untersuchenden Konstellation wird nicht infolge der durch die Begünstigung

der Veranstalter von Angeboten mit Must-Carry-Status eine bereits rechtlich verfes-

tigte Position – vergleichbar der eines Exklusivsendeberechtigten – partiell mit der

betont, ein „allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, daß die Heranziehung zur Mithilfe bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe schon an sich (…) einen solchen Anspruch auslöse“, sei „dem Grund-gesetz nicht zu entnehmen“.

449 BVerfGE 97, 228 (262 f).

450 Vgl. Tietje, JuS 1999, S. 644 (649), der Begründungsdefizite in dogmatischer Hinsicht konstatiert.

451 EuGH, Urteil v. 22.01.2013, Rs. C-283/11 – Sky Österreich. Der EuGH, a.a.O., Rdnr. 41 ff, hat Art. 15 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 2010/13/EU, demgemäß eine Kostenerstattung die mit der Zu-gangsgewährung durch den Exklusivsendeberechtigten verbundenen zusätzlichen Kosten nicht übersteigen darf – wobei sich diese Kosten im Ausgangsfall auf 0 € beliefen; vgl. EuGH, a.a.O., Rdnr. 18 –, als mit Art. 16 GRCh im Einklang stehend beurteilt.

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95

Folge entwertet, dass der Dritte diesen Nachteil auf den in seiner Berufsfreiheit Be-

schränkten – hier den übertragungsverpflichteten Kabelnetzbetreiber – abwälzt452.

Daher kann zur Begründung der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit eines Aus-

gleichs bzw. eines Entgelts für die Erbringung der Transportdienstleistung im Hinblick

auf Angebote mit Must-Carry-Status nicht auf die Entscheidung des BVerfG zur

Kurzberichterstattung zurückgegriffen werden.

Die Grenze der Zumutbarkeit der Berufsausübungsbeschränkung muss also unab-

hängig von der gerade diskutierten Entscheidung entwickelt werden. Insoweit ist zu

bedenken, dass im Fall der Idealkonkurrenz von Eigentums- und Berufsfreiheit die

den Eingriff in die Eigentumsfreiheit rechtfertigenden Erwägungen „in der Regel auch

‚vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls‘“ sind, „die auch die Berufsausübungs-

regelung tragen“453. Dementsprechend ist auch unter dem Blickwinkel der Berufsfrei-

heit die Grenze der Angemessenheit erst überschritten, wenn die Vergabe der Über-

tragungskapazitäten wirtschaftlich nicht vertretbar ist, also jedenfalls längerfristig kei-

nen Ertrag erwarten lässt bzw. wenn dem Kabelnetzbetreiber ein wirtschaftlicher und

ein profitabler Netzbetrieb unmöglich gemacht wird454. Dies ist aber, wie bereits ge-

zeigt wurde455, nicht der Fall.

Daher verstoßen die Must-Carry-Regelungen der Länder nicht gegen Art. 12

Abs. 1 GG.

3. Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) der Kabel-

netzbetreiber?

In Teilen der Literatur wird unter Hinweis auf eine Parallele zu den Pressegrossisten,

die sich nach der Rechtsprechung des BVerfG auf die Pressefreiheit berufen kön-

nen456, sowie unter Hinweis auf die publizistische Bedeutung der Zusammenstellung

452

Vgl. zu den entsprechenden Folgen der angegriffenen Kurzberichterstattungsregelung BVerfGE 97, 228 (254).

453 So Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12, Rdnr. 290, unter Rekurs auf BVerfGE 17, 232 (248 f); 21, 150 (169); 50, 290 (365). S.a. Dörr, ZUM 1997, S. 337 (370), der im Hinblick auf die Rechtfertigung von Kabelbelegungsregelungen anhand des Art. 12 Abs. 1 GG ausführt, inso-weit gälten „die gleichen Maßstäbe und Erwägungen wie im Zusammenhang mit Art. 14 GG“.

454 Dazu o. D. III. 1. b. cc. (3) (b) (bb), (dd) m. w. N.; vgl. entsprechend auf der Ebene des Unions-rechts D. II. 2. c. aa.

455 S.o. D. III. 1. b. cc. (3) (b).

456 BVerfGE 77, 346 (354).

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96

von Angebotspaketen durch die Kabelnetzbetreiber diesen der Schutz durch die

Rundfunkfreiheit zugebilligt457.

Auch Trute/Broemel nehmen Bezug auf diesen Ansatz, verwahren sich indes so-

gleich gegen eine mit der Zuweisung der Rundfunkfreiheit an die Kabelnetzbetreiber

aufgrund der damit verbundenen Pflichtenstellung der „dienenden“ Freiheit verbun-

dene Relativierung der ökonomischen Freiheiten und Interessen. Dabei werde ver-

kannt, dass insoweit in unterschiedlichen Rollen gehandelt werde, die je für sich

grundrechtlich zu betrachten seien458.

Dazu sei Folgendes angemerkt: Es mag sein, dass die Kabelnetzbetreiber sich im

Hinblick auf bestimmte „Rollen“ nicht auf den Schutz der Rundfunkfreiheit berufen

können. Soweit allerdings angenommen wird, ihre Tätigkeiten unterfielen der Garan-

tie der Rundfunkfreiheit, die als „dienende“ Freiheit zu interpretieren sei – wovon

auch Trute/Broemel ausgehen459 –, wäre es inkonsequent anzunehmen, die nach

der herrschenden Dogmatik von der Rundfunkfreiheit ausgehenden, publizistisch

motivierten Bindungen der Grundrechtsträger gälten für die Kabelnetzbetreiber nicht.

Vielmehr wären im Fall der Anwendbarkeit der Rundfunkfreiheit460 diese Bindungen

hinsichtlich der Kanal- bzw. Kapazitätsbelegung, die der Vielfaltssicherung dient, auf

der Ausgestaltungsebene461 zu konkretisieren. Auf dieser Ebene wäre wohl bei un-

terschiedlicher publizistischer Relevanz verschiedener Tätigkeiten der Kabelnetzbe-

treiber mit unterschiedlichem Risikopotential hinsichtlich der Meinungsvielfalt die In-

tensität der Ausgestaltung der Bindungen zu variieren. Doch tendenziell wäre unter

der Perspektive einer „dienenden“ Rundfunkfreiheit der Spielraum des Gesetzgebers

zur Beschränkung der Entfaltung ökonomischer Kalküle zugunsten publizistischer

457

Vgl. dazu nur die Darstellung der einschlägigen Diskussion bei Sharma, Der chancengleiche Zu-gang, S. 115 ff m. w. N.

458 Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (9 f).

459 Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (7 f).

460 Dazu ausführlich Schumacher, Kabelregulierung, S. 81 ff.

461 Regelungen, die den Spielraum der Träger der Rundfunkfreiheit aus publizistischen Motiven ein-engen, sind nach der herrschenden Dogmatik nicht als Beschränkungen, sondern als Ausgestal-tungen der Rundfunkfreiheit zu klassifizieren; näher dazu Hain, Telemedienauftrag, S. 47 ff m. w. N.

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97

Zwecke eher größer, sicher aber nicht geringer als unter Anwendung nur der Wirt-

schaftsfreiheiten der Kabelnetzbetreiber462.

Insofern würde die Anwendung der Rundfunkfreiheit das bislang erzielte Abwägungs-

ergebnis jedenfalls nicht zugunsten der Kabelnetzbetreiber verschieben.

4. Verstoß gegen den Grundsatz der Privatwirtschaftlichkeit der Erbringung

von Telekommunikationsdienstleistungen (Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG) zu-

lasten der Kabelnetzbetreiber?

Im Zuge der im Rahmen der sog. „Postreform II“ vollzogenen Änderung des Grund-

gesetzes463 wurde in Abkehr von der staatlichen Leistungsverwaltung464 im Post- und

Telekommunikationsbereich das Ordnungsprinzip der privatwirtschaftlichen Erbrin-

gung von Post- und Telekommunikationsdienstleistungen etabliert (Art. 87f Abs. 2

Satz 1 GG)465.

Soweit Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG mit dem Ordnungsprinzip der Privatwirtschaftlich-

keit ein materieller Gehalt zu entnehmen ist, der Norm gar korrespondierende sub-

jektive Rechte der Telekommunikationsunternehmen entnommen werden466 und im

Rahmen der Diskussion um die Must-Carry-Regelungen der Länder auf den Gehalt

dieser Verfassungsbestimmung rekurriert wird467, ist im vorliegenden Zusammen-

hang Folgendes zu bedenken: Die Etablierung des Ordnungsprinzips der Privatwirt-

schaftlichkeit in den Sektoren Post und Telekommunikation hindert den Gesetzgeber

ebenso wenig wie in anderen privatwirtschaftlichen Bereichen per se an regulieren-

den Eingriffen, die der Umsetzung von gemeinwohlorientierten Zielen wie dem Plura-

lismusziel dienen. Die verfassungsrechtlichen Grenzen für hoheitliche Einwirkungen

auf die privatwirtschaftliche Grundstruktur der in Rede stehenden Sektoren bilden

aber – in gleicher Weise wie im Hinblick auf andere Bereiche der Privatwirtschaft –

462

Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 98: „Die ergänzende Anwendbarkeit der Rundfunkgarantie auf die Netzeigentümer läßt deren ökonomische Interessen relativieren.“; In diese Richtung auch Jüngling, Full-Service-Netz, S. 186.

463 Vgl. nur Wieland, in: Dreier, GG, Art. 87f, Rdnr. 4.

464 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 87f, Rdnr. 8.

465 Vgl. Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87f, Rdnr. 49.

466 Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f, Rdnr. 27a; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87f, Rdnr. 69.

467 Vgl. etwa Engel/Lüdemann, ZUM 2008, S. 904 (910); Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, S. 1 (12).

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98

die Wirtschaftsgrundrechte des Grundgesetzes468, deren Anwendbarkeit nach den

dafür maßgeblichen Kriterien469 durch die Etablierung des in Rede stehenden Ord-

nungsprinzips und seine Umsetzung der Boden bereitet worden ist470. Art. 87f Abs. 1

Satz 1 GG können demnach keine engeren Grenzen entnommen werden als den

Wirtschaftsgrundrechten der Art. 12 und 14 GG471.

Dementsprechend nötigt auch die Anwendung des Art. 87f Abs. 1 Satz 1 GG nicht zu

einer Modifikation des bislang erzielten Abwägungsergebnisses.

5. Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zulas-

ten der Kabelnetzbetreiber?

Soweit in der Literatur unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes

auf Unterschiede in der Regulierung und Entgeltung der Kabelnetzbetreiber einer-

seits und der nicht den Must-Carry-Regelungen unterworfenen Betreiber anderer

Verbreitungsinfrastrukturen andererseits hingewiesen wurde, ist schon im Rahmen

der Prüfung anhand des Art. 20 GRCh aufgezeigt worden472, dass bereits bezweifelt

werden kann, ob insoweit überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen, dass be-

stehende Unterschiede im Hinblick auf Regulierung und Entgelt aber jedenfalls sach-

lich gerechtfertigt sind.

Daher verstoßen die Must-Carry-Regelungen der Länder auch nicht gegen den all-

gemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG.

6. Zwischenfazit

Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Prüfung der Must-Carry-Regelungen der

Länder ist nach alledem Folgendes festzuhalten:

468

Bereits die Bundesregierung hatte in der Begründung ihres Gesetzentwurfs zu Art. 87f GG betont, Eingriffe hätten sich insbesondere an Art. 12 und 14 GG auszurichten; BT-Drs. 12/7269, S. 5.

469 Mit Recht betont Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f, Rdnr. 28, die Grundrechtsfähigkeit der Nach-folgeunternehmen der Deutschen Bundespost könne nicht unmittelbar aus Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG abgeleitet werden, sondern beurteile sich nach Art. 19 Abs. 3 GG.

470 Vgl. Nettesheim, in: Säcker, BerlKommTKG, Einl. III, Rdnr. 306.

471 Gersdorf, Chancengleicher Zugang, S. 92 f, betont zutreffend, dieses Gebot könne keinen weiter-reichenden Garantiegehalt vermitteln als Art. 14 GG.

472 S.o. D. II. 3.

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99

Die Must-Carry-Regelungen konkretisieren Inhalt und Schranken des Kabel-

netzeigentums (Art. 14 Abs. 1 GG). Diese Regelungen, die für Kleinstnetze

ohnehin nicht gelten, sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

o Insbesondere führt die generell zur Pluralismussicherung gerechtfertig-

te Auferlegung der Übertragungspflichten unter Berücksichtigung der

Gesamtheit der kabelgestützten Geschäfte nicht zur Unwirtschaftlich-

keit des Geschäftsmodells bestimmter Kabelnetzbetreiber und damit zu

einer atypischen Härte in dem – dem unionsrechtlich maßgeblichen Kri-

terium entsprechenden – Sinne, dass diese Kabelnetzbetreiber jeden-

falls längerfristig keinen Ertrag zu erwarten hätten bzw. ihnen ein wirt-

schaftlicher und ein profitabler Netzbetrieb unmöglich gemacht würde.

o Da nicht nur das Geschäftsmodell der sog. Regionalgesellschaften

(KDG, UKBW), sondern auch der Markt der oberhalb der Schwelle der

von der Regulierung ausgenommenen Kleinstnetze angesiedelten klei-

neren Kabelnetzbetreiber, bezüglich derer i.Ü. eingriffsintensitätsmin-

dernde Gesichtspunkte ebenso in Rechnung zu stellen sind wie im

Hinblick auf die Regionalgesellschaften, funktionsfähig ist, liegt eine zur

Ausgleichspflicht gegenüber den kleineren Kabelnetzbetreibern führen-

de Ungleichbehandlung nicht vor.

o Demzufolge ist die in der Auferlegung der Must-Carry-Pflichten liegen-

de Inhalts- und Schrankenbestimmung des Netzeigentums der Kabel-

netzbetreiber nicht ausgleichspflichtig.

Die Must-Carry-Regelungen der Länder sind auch als Berufsausübungs-

regelungen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt,

ohne dass der Gesetzgeber einen Ausgleich vorsehen müsste.

Weder eine Einbeziehung der Kabelnetzbetreiber in den Schutz der Rund-

funkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) noch die Berücksichtigung des Grund-

satzes der Privatwirtschaftlichkeit der Erbringung von Telekommunikations-

dienstleistungen (Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG) führen zu einem anderen Ergeb-

nis.

Sofern Unterschiede in der Regulierung und Entgeltung der Kabelnetzbetrei-

ber einerseits und der nicht den Must-Carry-Regelungen unterworfenen Be-

treiber anderer Verbreitungsinfrastrukturen andererseits bestehen, ist bereits

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zu bezweifeln, ob insoweit überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen.

Jedenfalls sind solche Unterschiede sachlich gerechtfertigt und führen nicht zu

einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

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101

E. Zusammenfassung in Thesen

Der unionsrechtliche Rahmen der Auferlegung von Übertragungs-

pflichten (oben B.)

Die Ausstrahlung von Fernsehsendungen inklusive ihrer Kabelübertragung ist

nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH eine Dienstleistung im Sinne

des Art. 56 AEUV (vormalig Art. 49 EGV).

Nach der UPC-Entscheidung des EuGH stellen Must-Carry-Verpflichtungen

Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs dar, denen die Dienstleis-

tungsfreiheit nicht entgegensteht, wenn diese Regelungen (1) ein Ziel des All-

gemeininteresses wie die Aufrechterhaltung des pluralistischen Charakters

des Fernsehprogrammangebots in diesem Gebiet im Rahmen der Kulturpolitik

dieses Mitgliedstaats verfolgen und (2) nicht außer Verhältnis zu diesem Ziel

stehen. Das bedeutet, dass die Durchführung der Regelung einem trans-

parenten Verfahren unterliegen muss, welches auf objektiven, nicht diskrimi-

nierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht.

Diese vom EuGH sub specie der Dienstleistungsfreiheit formulierten Vorgaben

entsprechen weitgehend den in Art. 31 UDRL statuierten.

Diese Bestimmung versteht die Auferlegung der in Rede stehenden Pflichten

als eine in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten der Union fallende An-

gelegenheit. Die Pflichten werden durch die Mitgliedstaaten hoheitlich nach öf-

fentlichem Recht auferlegt. Sie treffen (auch) die Betreiber von Kabelnetzen

als elektronischen Kommunikationsdiensten, die für die öffentliche Verbreitung

von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen genutzt werden, sofern eine er-

hebliche Zahl von Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum Empfang sol-

cher Kanäle nutzt.

„Übertragungspflichten“ im Sinne des Art. 31 Abs. 1 UDRL werden nicht etwa

bereits durch die Vorhaltung von Kabelkapazitäten für die pflichtgegenständli-

chen Programme, sondern nur durch die Gewährung von Zugang und die

Weiterleitung der begünstigten Programme durch den pflichtigen Betreiber

elektronischer Kommunikationsnetze erfüllt.

Für die Auferlegung von – regelmäßig zu überprüfenden – Übertragungspflich-

ten statuiert Art. 31 UDRL verschiedene Bedingungen: Übertragungspflichten

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102

müssen zumutbar sein. Sie dürfen nur auferlegt werden, wenn ein Mitglied-

staat damit ausdrücklich festgelegte Ziele im Allgemeininteresse verfolgt und

die Pflichten zur Zweckerreichung erforderlich, verhältnismäßig und transpa-

rent sind.

Was die Legitimität des verfolgten Ziels angeht, hat der EuGH im Einklang mit

seiner bisherigen Rechtsprechung auch im Hinblick auf Art. 31 Abs. 1 UDRL

judiziert, dass der Schutz von Pluralismus und kultureller Vielfalt bzw. die Auf-

rechterhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens als Bestandteil einer

mitgliedstaatlichen, die Meinungsfreiheit im jeweiligen Land schützenden Kul-

turpolitik legitime Ziele im Allgemeininteresse darstellen.

Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 31 Abs. 2 UDRL nicht per se verpflichtet, im

Gegenzug zur Auferlegung von Übertragungspflichten ein Entgelt festzu-

setzen. Allerdings qualifiziert der EuGH Übertragungspflichten als unzumutbar

im Sinne des Art. 31 Abs. 1 UDRL, die der Netzbetreiber – ggf. im Hinblick auf

die Gesamtheit seiner Tätigkeiten – nicht unter wirtschaftlich vertretbaren Be-

dingungen erfüllen kann. Es ist daher jeweils zu prüfen, ob die auferlegten

Übertragungspflichten unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit bzw. Ver-

hältnismäßigkeit gemäß Art. 31 Abs. 1 UDRL die Entgeltung der Erfüllung von

Übertragungspflichten erforderlich machen.

Art. 31 Abs. 2 UDRL enthält lediglich die Klarstellung, dass weder Art. 31

Abs. 1 UDRL noch Art. 3 Abs. 2 ZRL die Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur

Entgeltfestsetzung beeinträchtigen, geht also davon aus, dass die Mitglied-

staaten über diese Möglichkeit kraft eigener Hoheitsbefugnis verfügen.

Art. 31 Abs. 2 UDRL ist nicht zu entnehmen, dass bei fehlender mitgliedstaat-

licher Festlegung von Entgelten in Bezug auf Übertragungspflichten von Must-

Carry-Verpflichtungen begünstigte Fernsehkanäle unentgeltlich zu übertragen

wären. Jedenfalls im Hinblick auf das „Ob“ einer Entgeltpflicht ist Art. 31

Abs. 2 UDRL hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem von den Übertra-

gungspflichten Begünstigten und dem verpflichteten Infrastrukturbetreiber oh-

ne normative Aussage. D.h. allerdings auch, dass die Bestimmung keine

Pflicht der Mitgliedstaaten zur Festlegung von Entgelten begründet.

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103

Must-Carry-Verpflichtungen im deutschen Recht (oben C.)

Für die digitale Kabelübertragung ordnet § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a),

Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV Must-Carry-Pflichten im Hinblick auf in der Vorschrift

näher bezeichnete öffentlich-rechtliche Angebote an.

§ 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a), Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV verpflichtet die

Kabelnetzbetreiber nicht nur zur Vorhaltung von technischen Kapazitäten,

sondern begründet Pflichten zur ununterbrochenen Einspeisung und Durch-

leitung der Angebote mit Must-Carry-Status. Diese Vorschrift bildet zugleich

den Rechtsgrund für die Erfüllung der Must-Carry-Pflichten.

Die durch das öffentliche Rundfunkrecht hoheitlich auferlegten Must-Carry-

Pflichten zur ununterbrochenen Einspeisung und Durchleitung der Angebote

mit Must-Carry-Status stehen nicht zur Disposition der Kabelnetzbetreiber, die

der gesetzlichen Anordnung dieser Pflichten vielmehr unterworfen und sie zu

befolgen jederzeit verpflichtet sind. Die Erfüllung dieser im Vertikalverhältnis

auferlegten Pflichten darf daher nicht zur Durchsetzung vermeintlicher Entgelt-

ansprüche der Kabelnetzbetreiber gegen die Must-Carry-Begünstigten auf der

horizontalen Ebene verweigert oder (vorübergehend) „ausgesetzt“ werden.

Die Verbreitung der beauftragten Programme des öffentlich-rechtlichen Rund-

funks über Kabelnetze ist angesichts des derzeitigen Grades ihrer Nutzung

unverzichtbar. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen den Kabelnetzbe-

treibern diese Angebote auch tatsächlich zur Einspeisung und Verbreitung zur

Verfügung stellen.

Da sich sowohl die Pflicht der Kabelnetzbetreiber zur Einspeisung und Durch-

leitung von Angeboten mit Must-Carry-Status als auch die Pflicht der öffent-

lich-rechtlichen Anstalten, den Kabelnetzbetreibern die betreffenden Angebote

tatsächlich zur Verfügung zu stellen, bereits aus dem öffentlichen Rundfunk-

recht ergeben, besteht kein Anlass, zur Erfüllung der vorgenannten Pflichten

einen zivilrechtlichen Kontrahierungszwang zu postulieren.

Die §§ 52b, 52d RStV enthalten keine Festlegung einer Entgeltpflicht im Sinne

des Art. 31 Abs. 2 UDRL.

o In § 52b RStV wird die Entgeltfrage in keiner Weise thematisiert.

o § 52d RStV betrifft lediglich die Ausgestaltung von Entgelten und Tari-

fen. Eine Festlegung von Entgelten oder eine Regelung bezüglich des

Bestehens einer Entgeltpflicht wird nicht getroffen. Zutreffend ist ledig-

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104

lich, dass § 52d RStV jedenfalls im Hinblick auf bestimmte Angebote

mit Must-Carry-Status – und solche Angebote sind nicht nur die durch

diesen Status begünstigten öffentlich-rechtlichen Programme und

Dienste – die gesetzgeberische Annahme zugrunde liegt, zwischen In-

halte-Anbietern und Kabelnetzbetreibern könnten auf der horizontalen

Ebene Entgelte ausgehandelt werden.

Soweit § 52d RStV zwar die Möglichkeit der zivilrechtlichen Vereinbarung von

Entgelten für die Erfüllung von Übertragungspflichten voraussetzt, aber selbst

auf der Ebene des öffentlichen Rundfunkrechts keine Entscheidung hinsicht-

lich des Bestehens einer Entgeltpflicht trifft, kann dieser Bestimmung konse-

quent jedenfalls auch kein rundfunkrechtlicher Kontrahierungszwang der In-

halte-Anbieter dahingehend entnommen werden, dass diese gezwungen wä-

ren, einen Einspeisevertrag mit den Kabelnetzbetreibern abzuschließen, in

dem sie sich zur Zahlung von Einspeiseentgelten verpflichteten.

Nach der Aufhebung der telekommunikationsrechtlichen nachträglichen Ent-

geltregulierung existiert keine hoheitliche Entgeltregulierung mehr, in deren

Rahmen Einspeiseentgelte festgesetzt werden könnten.

Die Untersuchung der einzelnen Landesmedien-/-rundfunkgesetze bezüglich

der Belegungsregime im Hinblick auf das analoge Kabel führt zu denselben

Ergebnissen wie die Analyse im Hinblick auf die Must-Carry-Bestimmungen

bezüglich digitaler Kabelnetze.

Der Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Anstalten ist an den Kriterien der

Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu bemessen (§ 14 Abs. 1 RStV, § 3

Abs. 1 Satz 2 RFinStV; siehe hinsichtlich der Auswahl der Übertragungswege

§ 19 Satz 2 RStV). Das Prinzip der Sparsamkeit verlangt, ein vorgegebenes

Ziel mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz zu erreichen; dementsprechend

ist die hinreichende Versorgung der Bevölkerung über geeignete Übertra-

gungswege mit dem geringstmöglichen finanziellen Kostenaufwand zu reali-

sieren. Mit dem Grundsatz der Sparsamkeit ist es angesichts des mittlerweile

erreichten Standes des Kabelnetzausbaus und der bestehenden gesetzlichen

Must-Carry-Garantien für öffentlich-rechtliche Angebote nicht mehr vereinbar,

für Dienstleistungen der Kabelnetzbetreiber ohne eine dahingehende Zah-

lungspflicht Entgelte zu zahlen. Denn die Versorgung der Rezipienten durch

Programme mit Must-Carry-Status kann ohne Kostenaufwand erreicht wer-

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105

den: Die Kabelnetzbetreiber sind öffentlich-rechtlich zur ununterbrochenen

Einspeisung verpflichtet, ohne dass die Länder Einspeiseentgelte festgelegt

hätten, die die öffentlich-rechtlichen Anstalten zur Zahlung verpflichten wür-

den.

Vereinbarkeit der deutschen Regelungen zur Begründung von un-

entgeltlich zu erfüllenden Must-Carry-Pflichten mit dem Unionsrecht

(oben D. II.)

Durch die Must-Carry-Regelungen hinsichtlich der digitalen und analogen Ka-

belverbreitung haben die deutschen Länder den ihrer Rechtshoheit unter-

liegenden Kabelnetzbetreibern Pflichten zur Übertragung von Hörfunk- und

Fernsehrundfunkkanälen sowie ergänzender Dienste i.S.d. Art. 31

Abs. 1 UDRL hoheitlich auferlegt.

Mit dem Ziel der Vielfaltssicherung haben die deutschen Regelungen ein Ziel

von allgemeinem Interesse ausdrücklich festgelegt.

Die deutschen Länder haben die Auferlegung von Übertragungspflichten auf

Netze beschränkt, die von einer erheblichen Zahl von Endnutzern als Haupt-

mittel zum Empfang von Hörfunk und Fernsehrundfunkkanälen genutzt wer-

den.

Das Bestimmtheits- und Transparenzgebot hinsichtlich der spezifischen Be-

zeichnung der Angebote mit Must-Carry-Status ist durch die Must-Carry-

Regime nach deutschem Rundfunkrecht erfüllt.

Auch die Verhältnismäßigkeit im Sinne des Art. 31 UDRL der Auferlegung der

Übertragungspflichten ist gewahrt:

o Es bestehen insoweit ein breiter Ermessensspielraum der Mitgliedstaa-

ten und eine damit korrespondierende reduzierte gerichtliche Kontroll-

dichte.

o Die Ausstattung von in besonderem Maße zu interner Vielfalt verpflich-

teten öffentlich-rechtlichen Angeboten mit einem Must-Carry-Status ist

ein geeigneter Weg der Pluralismussicherung.

o Die Erforderlichkeit der deutschen Normen, die Übertragungspflichten

im Sinne des Art. 31 UDRL im Hinblick auf das analoge und das digitale

Kabelnetz anordnen oder deren Anordnung ermöglichen, ist hinsichtlich

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106

des Umfangs angeordneter bzw. anzuordnender Übertragungspflichten

zu bejahen.

o Auch genügt die Auferlegung der Übertragungspflichten dem Grundsatz

der Angemessenheit:

o Im Rahmen der Angemessenheit sind die relevanten gegenläufigen

Rechtspositionen abzuwägen. Prinzipiell für die Must-Carry-Regelun-

gen streiten die objektiv-rechtliche Garantie der Pluralität der Medien

(Art. 11 Abs. 2 GRCh) sowie die subjektiven Grundrechte der massen-

medialen und nicht-massenmedialen Kommunikatoren und der Rezipi-

enten (Art. 11 GRCh). Diese Rechtspositionen sind von konstituieren-

der Bedeutung für die freiheitliche Demokratie; dementsprechend be-

steht ein weiter gesetzgeberischer Spielraum hinsichtlich ihrer Aktuali-

sierung durch den Gesetzgeber.

o Für die Position der Kabelnetzbetreiber streiten deren Eigentumsfreiheit

(Art. 17 GRCh) sowie ihr Grundrecht der unternehmerischen Freiheit

(Art. 16 GRCh). Diese Grundrechte sind unter Berücksichtigung insbe-

sondere auch des Gewichts des den Must-Carry-Regelungen zugrunde

liegenden Pluralismusziels indes erst verletzt, wenn die Auferlegung

von Übertragungspflichten es dem betroffenen Kabelnetzbetreiber im

Rahmen der Gesamtheit seiner (kabelgestützten) Tätigkeiten praktisch

unmöglich machte, seiner geschäftlichen Tätigkeit weiter nachzugehen,

wenn es ihm also ohne Kompensation bzw. Festlegung eines Entgelts

nicht mehr gelingen könnte, seine Kosten abzudecken und in einem

Mindestmaß Gewinne zu erzielen.

o Während die Länder mit den Must-Carry-Regelungen ein Ziel von sehr

hohem Stellenwert verfolgen, ist die Intensität der Einwirkung dieser

Regelungen auf die Eigentumsfreiheit und die unternehmerische Frei-

heit der Kabelnetzbetreiber relativ gering, sie überschreitet – in Relation

zu dem bedeutenden gesetzgeberischen Ziel – nicht die Grenzen des

Zumutbaren:

o Durch die Must-Carry-Vorgaben hinsichtlich digitaler Signalverbreitung

wird der Dispositionsspielraum der Kabelnetzbetreiber nur in begrenz-

tem Maße eingeengt. Im Hinblick auf insoweit rigidere Belegungsvorga-

ben im Bereich analoger Signalverbreitung ist zu bedenken, dass die

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107

Breitbandkabelnetzbetreiber es selbst in der Hand haben, inwieweit sie

ihr Kabel für die analoge Signalverbreitung nutzen wollen.

o Weiterhin ist die Eingriffsintensität als relativ gering zu bewerten, da die

Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Inhalte in die Angebote der Kabel-

netzbetreiber bis auf Weiteres eine conditio sine qua non für die Funkti-

onsfähigkeit ihres Geschäftsmodells bildet, welches ohne diese Inhalte

entscheidend an Attraktivität verlieren würde. D.h., die Kabelnetzbetrei-

ber werden insoweit hoheitlich nur zur Verbreitung von Angeboten ge-

zwungen, die sie de facto um der Wahrung ihrer Konkurrenzfähigkeit

willen ohnehin verbreiten müssen.

o Dabei sind diese Inhalte für die Kabelnetzbetreiber in erheblichem Ma-

ße werthaltig, ohne dass die von den Kabelnetzbetreibern für die Wei-

tersenderechte zu entrichtenden Tantiemen gemäß den §§ 87 Abs. 5

Satz 1, 20 b Abs. 2 UrhG einen adäquaten Gegenwert für den Wert der

öffentlich-rechtlichen Angebote mit Must-Carry-Status bilden würden.

Insofern kommen also die Wirkungen des Eingriffs der wirtschaftlichen

Nutzung des Eigentums zugute, was die Eingriffsintensität ebenfalls

mindert.

o Sodann ist zu berücksichtigen, dass nur dem öffentlich-rechtlichen

Rundfunk die Zahlung von Einspeiseentgelten für aufgrund von Must-

Carry-Pflichten erbrachte Dienstleistungen der Kabelnetzbetreiber

haushaltsrechtlich untersagt und i.Ü. nur teilweise die kapazitätsmäßig

nur unerheblich ins Gewicht fallende Verbreitung offener Kanäle bzw.

regional und lokal orientierter Angebote ohne Entgelt vorgesehen ist.

o Zudem wird den Kabelnetzbetreibern die Möglichkeit der wirtschaftli-

chen Verwertung öffentlich-rechtlicher Angebote mit Must-Carry-Status

nicht genommen: Ihnen ist die Refinanzierung ihrer Dienstleistungen

durch Entgelte der Endkunden bzw. nachgelagerter Kabelnetzbetreiber

nicht versagt.

o Wollten die Kabelnetzbetreiber den Wegfall der Einspeiseentgelte für

öffentlich-rechtliche Angebote mit Must-Carry-Status auf der Seite der

Endkunden vollständig kompensieren, würde dies nur zu einer geringen

Erhöhung der Kosten des Kabelanschlusses für die Endkunden führen.

Daher erscheint ein solches, rechtlich zulässiges Vorgehen nicht prinzi-

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108

piell ausgeschlossen. Hinsichtlich der Realisierbarkeit etwaiger Kosten-

erhöhungen auf der Endkundenseite tragen indes die Kabelnetzbetrei-

ber das wirtschaftliche Risiko.

o Den bislang von den öffentlich-rechtlichen Anstalten an KDG und

UKBW gezahlten Einspeiseentgelten kommt nur eine geringe

Geschäftsrelevanz zu. Ihr Wegfall führt weder bei KDG noch bei UKBW

zu einer Betriebsergebnisbelastung, welche die Fähigkeit der

beiden Unternehmen zur Geschäftsfortentwicklung in i.S.d. Art. 31

Abs. 1 UDRL unverhältnismäßiger Weise merklich beeinträchtigte oder

ihnen gar die Fortführung ihrer Geschäfte praktisch unmöglich machte

(Gerpott/Winzer). I.Ü. werden von den in der EBU organisierten Sen-

dern, die mit Must-Carry-Status versehene Angebote veranstalten, re-

gelmäßig keine Einspeiseentgelte für die Verbreitung öffentlich-

rechtlicher Angebote mit Must-Carry-Status gezahlt.

o Auch haben die in Deutschland ansässigen mittleren und kleineren Ka-

belnetzbetreiber – die „Kleinstnetze“ sind ohnehin den Must-Carry-

Pflichten nicht unterworfen – von Anfang an keine Einspeiseentgelte

erhalten. Gleichwohl konnte ein stabiler Markt etabliert werden, auf dem

eine Vielzahl von mittleren und kleineren Kabelnetzbetreibern agieren.

Dementsprechend kann dem Fehlen von Einspeiseentgelten keine

marktzutrittshindernde oder die wirtschaftliche Tätigkeit der mittleren

und kleineren Kabelnetzbetreiber im Kabelmarkt praktisch unmöglich

machende Wirkung attestiert werden. Daher sind zum einen die kleine-

ren Kabelnetzbetreiber, denen die soeben angesprochenen Minderun-

gen der Eingriffsintensität der Must-Carry-Regelungen auch zugute-

kommen, durch die Auferlegung von – im Hinblick auf öffentlich-

rechtliche Angebote mit Must-Carry-Status kompensationslos zu erfül-

lende – Übertragungspflichten ihrerseits nicht unzumutbar betroffen.

Zum anderen ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass auch – und erst

recht – die Regionalgesellschaften von der Auferlegung der Übertra-

gungspflichten nach den Landesmedien-/-rundfunkgesetzen nicht

übermäßig belastet werden.

Die Umsetzung des Art. 31 UDRL durch die deutschen Länder wahrt auch den

allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 20 GRCh):

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109

o Die Länder haben nicht nur bezüglich der Kabelverbreitung, sondern

auch bezüglich der drahtlosen Verbreitung durchaus Maßnahmen er-

griffen, die der Sicherstellung der Verbreitung bestimmter, insbesonde-

re auch öffentlich-rechtlicher Programme dienen. Die differenten Regu-

lierungskonzepte sind durch die unterschiedlichen Sachgegebenheiten

der jeweiligen Verbreitungsinfrastruktur bedingt. Angesichts der Unter-

schiede zwischen Kabelverbreitung einerseits und drahtloser Verbrei-

tung andererseits ist bereits zu bezweifeln, ob insoweit überhaupt ver-

gleichbare Sachverhalte vorliegen. Jedenfalls sind die differenten Kon-

zepte angesichts der je unterschiedlichen Sachgegebenheiten jeweils

sachlich gerechtfertigt.

o Soweit deutsche Bestimmungen, die sich auf die Satellitenverbreitung

beziehen, ins Leere greifen, da die (öffentlich-rechtlichen) Veranstalter

ausländischer Hoheit unterliegende Satelliten nutzen, kann eine Verlet-

zung des Art. 20 GRCh durch unterschiedliche gesetzgeberische Be-

handlung deutscher und ausländischer Infrastrukturbetreiber nicht vor-

liegen, da die Bindung an Art. 20 GRCh nur im Rahmen des Kompe-

tenzbereichs des jeweils handelnden Rechtsträgers besteht.

o Auch soweit der Gesetzgeber durch die Statuierung von Must-Carry-

Pflichten ohne Festlegung von Entgelten eine Rechtslage geschaffen

hat, angesichts derer die Kabelnetzbetreiber für die Verbreitung öffent-

lich-rechtlicher Angebote mit Must-Carry-Status keine Entgelte erhalten

(dürfen), während die öffentlich-rechtlichen Anstalten für Transport-

dienstleistungen auf anderen Verbreitungsinfrastrukturen zahlen, ohne

dass die Rechtslage dem entgegenstehen würde, ist der Gleichheits-

satz nicht verletzt. Zur Primärverbreitung der öffentlich-rechtlichen An-

gebote via Terrestrik, Satellit und offenes Internet bedienen sich die

Anstalten der Hilfe anderer Anbieter der entsprechenden Infrastruktu-

ren, soweit sie über diese nicht selbst verfügen, und zahlen Entgelte für

die Leistungen dieser Infrastrukturanbieter, die sich nicht über einen

Endkundenmarkt refinanzieren können. Demgegenüber erfolgt die Ver-

breitung über Kabelnetze in eigener Verantwortung der Kabelnetzbe-

treiber, die Entgelte von nachgelagerten Netzbetreibern und von End-

kunden – sowie von den Inhalte-Anbietern (mit Ausnahme der öffent-

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110

lich-rechtlichen Anstalten für die Verbreitung von Angeboten mit Must-

Carry-Status im gesetzlichen geforderten Umfang und Standard) im und

außerhalb des Must-Carry-Bereichs – erzielen können. Aufgrund dieser

sachlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Verbreitungs-

modellen – insbesondere hinsichtlich der Refinanzierbarkeit durch Ent-

gelte der Endkunden – ist auch hinsichtlich der Entgeltproblematik be-

reits zu bezweifeln, ob überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen.

Sollte die Vergleichbarkeit indes angenommen werden, rechtfertigt ge-

rade der zuletzt hervorgehobene Unterschied die Gesetzeslage im Hin-

blick auf Must-Carry-Angebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten, so

dass in der fehlenden Festsetzung von Entgelten für die Erfüllung der

diesbezüglichen Übertragungspflichten jedenfalls keine ungerechtfertig-

te Ungleichbehandlung zulasten der Kabelnetzbetreiber liegt.

Vereinbarkeit der deutschen Regelungen zur Begründung von un-

entgeltlich zu erfüllenden Must-Carry-Pflichten mit dem deutschen

Verfassungsrecht (oben D. III.)

Die Must-Carry-Regelungen konkretisieren Inhalt und Schranken des Kabel-

netzeigentums (Art. 14 Abs. 1 GG). Diese Regelungen, die für Kleinstnetze

ohnehin nicht gelten, sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

o Insbesondere führt die generell zur Pluralismussicherung gerechtfertig-

te Auferlegung der Übertragungspflichten unter Berücksichtigung der

Gesamtheit der kabelgestützten Geschäfte nicht zur Unwirtschaftlich-

keit des Geschäftsmodells bestimmter Kabelnetzbetreiber und damit zu

einer atypischen Härte in dem Sinne, dass diese Kabelnetzbetreiber je-

denfalls längerfristig keinen Ertrag zu erwarten hätten bzw. ihnen ein

wirtschaftlicher und ein profitabler Netzbetrieb unmöglich gemacht wür-

de.

o Da nicht nur das Geschäftsmodell der sog. Regionalgesellschaften

(KDG, UKBW), sondern auch der Markt der oberhalb der Schwelle der

von der Regulierung ausgenommenen Kleinstnetze angesiedelten klei-

neren Kabelnetzbetreiber, bezüglich derer i.Ü. eingriffsintensitätsmin-

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111

dernde Gesichtspunkte ebenso in Rechnung zu stellen sind wie im

Hinblick auf die Regionalgesellschaften, funktionsfähig ist, liegt eine zur

Ausgleichspflicht gegenüber den kleineren Kabelnetzbetreibern führen-

de Ungleichbehandlung nicht vor.

o Demzufolge ist die in der Auferlegung der Must-Carry-Pflichten liegen-

de Inhalts- und Schrankenbestimmung des Netzeigentums der Kabel-

netzbetreiber nicht ausgleichspflichtig.

Die Must-Carry-Regelungen der Länder sind auch als Berufsausübungs-

regelungen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt,

ohne dass der Gesetzgeber einen Ausgleich vorsehen müsste.

Weder eine Einbeziehung der Kabelnetzbetreiber in den Schutz der Rund-

funkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) noch die Berücksichtigung des Grund-

satzes der Privatwirtschaftlichkeit der Erbringung von Telekommunikations-

dienstleistungen (Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG) führen zu einem anderen Ergeb-

nis.

Sofern Unterschiede in der Regulierung und Entgeltung der Kabelnetzbetrei-

ber einerseits und der nicht den Must-Carry-Regelungen unterworfenen Be-

treiber anderer Verbreitungsinfrastrukturen andererseits bestehen, ist bereits

zu bezweifeln, ob insoweit überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen.

Jedenfalls sind solche Unterschiede sachlich gerechtfertigt und führen nicht zu

einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Hachenburg, 22.04.2013

(Universitätsprofessor Dr. Karl-E. Hain)

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112

Anhang

1. Art. 31 Universaldienstrichtlinie473: Übertragungspflichten

„(Abs. 1) Die Mitgliedstaaten können zur Übertragung bestimmter Hör-

und Fernsehrundfunkkanäle und ergänzender, insbesondere zugangser-

leichternder Dienste, die behinderten Endnutzern einen angemessenen

Zugang ermöglichen, den ihrer Rechtshoheit unterliegenden Unter-

nehmen, die für die öffentliche Verbreitung von Hörfunk- und Fernseh-

rundfunkkanälen genutzte elektronische Kommunikationsnetze betreiben,

zumutbare Übertragungspflichten auferlegen, wenn eine erhebliche Zahl

von Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum Empfang von Hörfunk-

und Fernsehrundfunkkanälen nutzt. Solche Pflichten dürfen nur auferlegt

werden, soweit sie zur Erreichung der von den einzelnen Mitgliedstaaten

ausdrücklich festgelegten Ziele von allgemeinem Interesse erforderlich

sind, und sie müssen verhältnismäßig und transparent sein.

Die Mitgliedstaaten überprüfen die Pflichten nach Unterabsatz 1 spätes-

tens ein Jahr nach dem 25. Mai 2011, es sei denn der betreffende Mit-

gliedstaat hat eine solche Überprüfung innerhalb der beiden voran-

gegangenen Jahre vorgenommen.

Die Mitgliedstaaten überprüfen die Übertragungspflichten regelmäßig.

(Abs. 2) Weder Absatz 1 dieses Artikels noch Artikel 3 Absatz 2 der Richt-

linie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) beeinträchtigt die Möglichkeit der Mit-

gliedstaaten, in Bezug auf die nach diesem Artikel auferlegten Verpflich-

tungen gegebenenfalls ein angemessenes Entgelt festzulegen; dabei ist

zu gewährleisten, dass bei vergleichbaren Gegebenheiten keine Diskrimi-

nierung hinsichtlich der Behandlung der Unternehmen erfolgt, die elektro-

nische Kommunikationsnetze betreiben. Sofern ein Entgelt vorgesehen ist,

473

Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Uni-versaldienstrichtlinie) in der Fassung der Änderung durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäi-schen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, ABl. (EU) L 337 v. 18.12.2009, S. 11.

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113

stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Erhebung nach dem Grundsatz

der Verhältnismäßigkeit und in transparenter Weise erfolgt.“

2. Die relevanten Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags

§ 51 RStV474: Zuordnung von drahtlosen Übertragungskapazitäten

„(Abs. 2) Über die Zuordnung von Übertragungskapazitäten für bundes-

weite Versorgungsbedarfe an die in der ARD zusammengeschlossenen

Landesrundfunkanstalten, das ZDF, das Deutschlandradio oder die Lan-

desmedienanstalten entscheiden die Ministerpräsidenten der Länder

durch einstimmigen Beschluss.

(Abs. 3) Für die Zuordnung gelten insbesondere die folgenden Grund-

sätze:

1. Zur Verfügung stehende freie Übertragungskapazitäten sind den in

der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, dem

ZDF oder dem Deutschlandradio und den Landesmedienanstalten

bekannt zu machen;

2. reichen die Übertragungskapazitäten für den geltend gemachten Be-

darf aus, sind diese entsprechend zuzuordnen;

3. reichen die Übertragungskapazitäten für den geltend gemachten Be-

darf nicht aus, wirken die Ministerpräsidenten auf eine Verständigung

zwischen den Beteiligten hin; Beteiligte sind für private Anbieter die

Landesmedienanstalten;

4. kommt eine Verständigung zwischen den Beteiligten nicht zu Stande,

entscheiden die Ministerpräsidenten, welche Zuordnung unter Be-

rücksichtigung der Besonderheiten der Übertragungskapazität sowie

unter Berücksichtigung des Gesamtangebots die größtmögliche Viel-

falt des Angebotes sichert; dabei sind insbesondere folgende Krite-

rien zu berücksichtigen:

474

Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV –) vom 31.08.1991 in der Fassung des fünfzehnten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 13. Dezember 2011 (vgl. GV. NRW 2011, S. 675).

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114

a) Sicherung der Grundversorgung mit Rundfunk und Teilhabe des

öffentlich-rechtlichen Rundfunks an neuen Techniken und Pro-

grammformen (…).“

§ 51b RStV: Weiterverbreitung

„(Abs. 3) Landesrechtliche Regelungen zur analogen Kanalbelegung für

Rundfunk sind zulässig, soweit sie zur Erreichung klar umrissener Ziele

von allgemeinem Interesse erforderlich sind. Sie können insbesondere zur

Sicherung einer pluralistischen, am Angebot der Meinungsvielfalt und An-

gebotsvielfalt orientierten Medienordnung getroffen werden. Einzelheiten,

insbesondere die Rangfolge bei der Belegung der Kabelkanäle, regelt das

Landesrecht.“

§ 52 RStV: Plattformen

„(Abs. 1) Die nachstehenden Regelungen gelten für Plattformen auf allen

technischen Übertragungskapazitäten. Mit Ausnahme der §§ 52a und f

gelten sie nicht für Anbieter von

1. Plattformen in offenen Netzen (Internet, UMTS oder vergleichbare

Netze), soweit sie dort über keine marktbeherrschende Stellung ver-

fügen,

2. Plattformen, die sich auf die unveränderte Weiterleitung eines Ge-

samtangebotes beschränken, das den Vorgaben dieses Abschnitts

entspricht,

3. drahtgebundenen Plattformen mit in der Regel weniger als 10.000

angeschlossenen Wohneinheiten oder

4. drahtlosen Plattformen mit in der Regel weniger als 20.000 Nutzern.

Die Landesmedienanstalten legen in den Satzungen und Richtlinien nach

§ 53 fest, welche Anbieter unter Berücksichtigung der regionalen und loka-

len Verhältnisse den Regelungen nach Satz 2 unterfallen.“

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115

§ 52a RStV: Regelungen für Plattformen

„(Abs. 2) Plattformanbieter sind für eigene Programme und Dienste ver-

antwortlich. Bei Verfügungen der Aufsichtsbehörden gegen Programme

und Dienste Dritter, die über die Plattform verbreitet werden, sind diese

zur Umsetzung dieser Verfügung verpflichtet. Sind Maßnahmen gegen-

über dem Verantwortlichen von Programmen und Diensten nach Satz 2

nicht durchführbar oder nicht Erfolg versprechend, können Maßnahmen

zur Verhinderung des Zugangs von Programmen und Diensten auch ge-

gen den Plattformanbieter gerichtet werden, sofern eine Verhinderung

technisch möglich und zumutbar ist.“

§ 52b RStV: Belegung von Plattformen

„(Abs. 1) Für Plattformen privater Anbieter mit Fernsehprogrammen gelten

die nachfolgenden Bestimmungen:

1. Der Plattformanbieter hat innerhalb einer technische Kapazität im

Umfang von höchstens einem Drittel der für die digitale Verbreitung

von Rundfunk zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität sicherzu-

stellen, dass

a) die erforderlichen Kapazitäten für die für die bundesweite Ver-

breitung gesetzlich bestimmten beitragsfinanzierten Programme

sowie für die Dritten Programme des öffentlich-rechtlichen Rund-

funks einschließlich programmbegleitender Dienste, zur Verfü-

gung stehen; die im Rahmen der Dritten Programme verbreiteten

Landesfenster sind nur innerhalb der Länder zu verbreiten, für

die sie gesetzlich bestimmt sind,

b) die Kapazitäten für die privaten Fernsehprogramme, die Regio-

nalfenster gemäß § 25 enthalten, zur Verfügung stehen,

c) die Kapazitäten für die im jeweiligen Land zugelassenen regiona-

len und lokalen Fernsehprogramme sowie die Offenen Kanäle

zur Verfügung stehen; die landesrechtlichen Sondervorschriften

für Offene Kanäle und vergleichbare Angebote bleiben unbe-

rührt,

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116

d) die technischen Kapazitäten nach Buchstabe a bis c im Verhält-

nis zu anderen digitalen Kapazitäten technisch gleichwertig sind,

2. innerhalb einer weiteren technischen Kapazität im Umfang der Kapa-

zität nach Nummer 1 trifft der Plattformanbieter die Entscheidung

über die Belegung mit in digitaler Technik verbreiteten Fernsehpro-

grammen und Telemedien, soweit er darin unter Einbeziehung der

Interessen der angeschlossenen Teilnehmer eine Vielzahl von Pro-

grammveranstaltern sowie ein vielfältiges Programmangebot an

Vollprogrammen, nicht entgeltfinanzierten Programmen, Spartenpro-

grammen und Fremdsprachenprogrammen einbezieht sowie ver-

gleichbare Telemedien und Teleshoppingkanäle angemessen be-

rücksichtigt,

3. innerhalb der darüber hinausgehenden technischen Kapazitäten trifft

er die Entscheidung über die Belegung allein nach Maßgabe der all-

gemeinen Gesetze. Reicht die Kapazität zur Belegung nach Satz 1

nicht aus, sind die Grundsätze des Satzes 1 entsprechend der zur

Verfügung stehenden Gesamtkapazität anzuwenden; dabei haben

die für das jeweilige Verbreitungsgebiet gesetzlich bestimmten bei-

tragsfinanzierten Programme und programmbegleitende Dienste des

öffentlich-rechtlichen Rundfunks Vorrang unbeschadet der angemes-

senen Berücksichtigung der Angebote nach Satz 1 Nr. 1 Buchst. b

und c.

(Abs. 2) Für Plattformen privater Anbieter mit Hörfunkprogrammen gelten

die nachfolgenden Bestimmungen. Der Plattformanbieter hat sicherzustel-

len, dass

1. innerhalb einer technischen Kapazität im Umfang von höchstens ei-

nem Drittel der für die digitale Verbreitung von Hörfunk zur Verfü-

gung stehenden Gesamtkapazität die technischen Kapazitäten für

die in dem jeweiligen Verbreitungsgebiet gesetzlich bestimmten bei-

tragsfinanzierten Programme und programmbegleitenden Dienste

des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Verfügung stehen,

2. innerhalb einer weiteren technischen Übertragungskapazität im Um-

fang nach Nummer 1 trifft der Plattformanbieter die Entscheidung

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117

über die Belegung mit in digitaler Technik verbreiteten Hörfunkpro-

grammen und Telemedien, soweit er darin unter Einbeziehung der

Interessen der angeschlossenen Teilnehmer ein vielfältiges Angebot

und eine Vielfalt der Anbieter im jeweiligen Verbreitungsgebiet an-

gemessen berücksichtigt,

3. innerhalb der darüber hinausgehenden technischen Kapazität trifft er

die Entscheidung über die Belegung allein nach Maßgabe der allge-

meinen Gesetze.

Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Werden Hörfunk- und Fernsehpro-

gramme auf einer Plattform verbreitet, sind die Programme nach Satz 2

Nr. 1 im Rahmen der Kapazität nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a zu

berücksichtigen.

(Abs. 3) Der Plattformanbieter ist von den Anforderungen nach Absatz 1

und 2 befreit, soweit

1. der Anbieter der zuständigen Landesmedienanstalt nachweist, dass

er selbst oder ein Dritter den Empfang der entsprechenden Angebote

auf einem gleichartigen Übertragungsweg und demselben Endgerät

unmittelbar und ohne zusätzlichen Aufwand ermöglicht, oder

2. das Gebot der Meinungsvielfalt und Angebotsvielfalt bereits im Rah-

men der Zuordnungs- oder Zuweisungsentscheidung nach den §§ 51

oder 51a berücksichtigt wurde.

(Abs. 4) Die Entscheidung über die Belegung von Plattformen trifft der An-

bieter der Plattform. Programme, die dem Plattformanbieter gemäß § 28

zugerechnet werden können oder von ihm exklusiv vermarktet werden,

bleiben bei der Erfüllung der Anforderungen nach Absatz 1 Nr. 1 und 2

außer Betracht. Der Anbieter einer Plattform hat die Belegung von Rund-

funkprogrammen oder Telemedien der zuständigen Landesmedienanstalt

spätestens einen Monat vor ihrem Beginn anzuzeigen. Werden die Vo-

raussetzungen der Absätze 1 bis 3 nicht erfüllt, erfolgt die Auswahl der zu

verbreitenden Rundfunkprogramme nach Maßgabe dieses Staatsvertra-

ges und des Landesrechts durch die zuständige Landesmedienanstalt.

Zuvor ist dem Anbieter einer Plattform eine angemessene Frist zur Erfül-

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118

lung der gesetzlichen Voraussetzungen zu setzen. Bei Änderung der Be-

legungen gelten die Sätze 1 bis 5 entsprechend.“

§ 52d RStV: Entgelte, Tarife

„Anbieter von Programmen und vergleichbaren Telemedien dürfen durch

die Ausgestaltung der Entgelte und Tarife nicht unbillig behindert oder ge-

genüber gleichartigen Anbietern ohne sachlich gerechtfertigten Grund un-

terschiedlich behandelt werden. Die Verbreitung von Angeboten nach

§ 52b Abs. 1 Nr. 1 und 2 oder § 52b Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1

Satz 1 hat zu angemessenen Bedingungen zu erfolgen. Entgelte und Tari-

fe für Angebote nach § 52b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 2 sind offenzu-

legen. Entgelte und Tarife sind im Rahmen des Telekommunikationsge-

setzes so zu gestalten, dass auch regionale und lokale Angebote zu an-

gemessenen und chancengleichen Bedingungen verbreitet werden kön-

nen. Die landesrechtlichen Sondervorschriften für Offene Kanäle und ver-

gleichbare Angebote bleiben unberührt.“

§ 52e RStV: Vorlage von Unterlagen, Zusammenarbeit mit der Regulie-

rungsbehörde für Telekommunikation

„(Abs. 2) Ob ein Verstoß gegen § 52c Abs. 1 Nr. 1 oder 2 oder § 52d vor-

liegt, entscheidet bei Plattformanbietern, die zugleich Anbieter der Tele-

kommunikationsdienstleistung sind, die zuständige Landesmedienanstalt

im Benehmen mit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation.“

§ 52f RStV: Maßnahmen durch die zuständige Landesmedienanstalt

„Verstößt ein Plattformanbieter gegen die Bestimmungen dieses Staats-

vertrages oder des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages, gilt § 38 Abs. 2

entsprechend.“

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119

3. Die relevanten Vorschriften in den Medien-/Rundfunkgesetzen der Länder

a) Baden-Württemberg

§ 19 LMedienG475: Anzeigepflicht für Anlagenbetreiber

„Betreiber von Anlagen, die 250 oder mehr Teilnehmer mit Rundfunk oder Te-

lemedien versorgen, haben die im Land Baden-Württemberg insoweit genutzten

oder zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten der Landesanstalt un-

ter Angabe von Ort und Art der Anlage, ihrer Kapazität und Belegung sowie der

Anzahl der versorgten Wohneinheiten anzuzeigen. Für Änderungen der Anzahl

der versorgten Wohneinheiten genügt die halbjährliche Mitteilung, gerechnet ab

der ersten Anzeige. Soweit Rundfunkangeboten nach § 21 Abs. 5 terrestrische

Übertragungskapazitäten zugewiesen sind, haben die Betreiber von Anlagen im

Sinne von § 2 Nr. 8476 diese Angebote unentgeltlich in Kabelanlagen einzuspei-

sen. Im Übrigen gelten die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages über die

Gestaltung und Offenlegung von Entgelten und Tarifen für Rundfunkprogramme

und Telemedien in der jeweils geltenden Fassung entsprechend.“

§ 20 LMedienG: Ausweisung und Zuweisung

„(Abs. 1) Die Landesanstalt weist Übertragungskapazitäten insoweit durch

Rechtsverordnung (Nutzungsplan) aus, als § 21 Abs. 1 hierzu Bestimmungen

trifft. Die Landesanstalt kann daneben Übertragungskapazitäten für folgende

Nutzungszwecke ausweisen: (…)

3. Programmveranstaltung, die keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb be-

zweckt und rechtlich die Gewähr dafür bietet, dass sie unterschiedlichen

gesellschaftlichen Kräften insbesondere durch Einräumung von Sendezei-

ten für selbst gestaltete Programmbeiträge Einfluss auf die Programmge-

staltung gewährt, (…)

475

Landesmediengesetz Baden-Württemberg (LMedienG) vom 19.07.1999 (GBl. S. 273, ber. S. 387), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Landesmediengesetzes und wei-terer medienrechtlicher Vorschriften vom 20.11.2012 (GBl. S. 631), in Kraft getreten am 1. Januar 2013.

476 Gemäß § 2 Nr. 8 LMedienG ist Anlagenbetreiber, wer eine technische Einrichtung zur drahtlosen oder leitungsgebundenen Verbreitung von Rundfunk oder Telemedien betreibt.

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120

(Abs. 2) Auf Aufforderung der Landesanstalt hat der Betreiber einer Anlage ge-

mäß Absatz 1 ausgewiesene Übertragungskapazitäten bereit zu stellen.

(Abs. 3) Soweit Übertragungskapazitäten auf Grund von § 21 dem öffentlich-

rechtlichen Rundfunk zur Verfügung stehen, wird im Nutzungsplan auch festge-

legt, durch welche öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt sie genutzt wer-

den. (…)

(Abs. 5) Mit Ausnahme der Kapazitäten nach Absatz 3 werden ausgewiesene

Kapazitäten durch Verwaltungsakt zugewiesen, der mit Ausnahme der Zuwei-

sung zur Durchführung von Projekten nach § 16 oder zur Ermöglichung einer

wirtschaftlich leistungsfähigen Rundfunkveranstaltung der Zustimmung des Me-

dienrats bedarf; dies gilt auch für die Rücknahme und den Widerruf dieses Ver-

waltungsaktes.“

§ 21 LMedienG: Rangfolge bei Ausweisung und Zuweisung

„(Abs. 1) Die Ausweisung und Zuweisung von Übertragungskapazitäten soll so

vorgenommen werden, dass die im Folgenden genannten Inhalte in entspre-

chender Folge vorrangig berücksichtigt werden:

1. die der verfassungsrechtlich gebotenen Versorgung der baden-württem-

bergischen Bevölkerung mit Hörfunk und Fernsehen dienenden Angebote;

(…)

5. weitere, zumindest auch für Baden-Württemberg gesetzlich bestimmte öf-

fentlich-rechtliche Rundfunkangebote, über deren Rangfolge im Beneh-

men mit den Landesrundfunkanstalten zu entscheiden ist; (…).

(Abs. 5) Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 für nichtkommerzielle Veranstalter aus-

gewiesene Kapazitäten werden denjenigen Antragstellern zugewiesen, deren

Angebote am besten geeignet erscheinen, einen Beitrag zur Meinungsvielfalt

sowie den Zugang gesellschaftlicher Kräfte zu Rundfunk zu gewährleisten.

Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 für die Verbreitung von Rundfunk und Tele-

medien zur Förderung der Medienkompetenz einschließlich entsprechender

Aus- und Fortbildung im Medienbereich ausgewiesene Kapazitäten werden

denjenigen Antragstellern zugewiesen, deren Angebote am besten geeignet er-

scheinen, zur Verwirklichung der in der Ausschreibung näher beschriebenen

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121

Förderziele beizutragen und zugleich einen Beitrag zur Meinungsvielfalt zu leis-

ten. (…)

(Abs. 6) Die Zuweisung von Kapazitäten nach Absatz 1 mit Ausnahme von

Nummer 4 und 6 sowie nach Absatz 5 soll für die Dauer von acht Jahren erfol-

gen. Im Übrigen entscheidet die Landesanstalt nach pflichtgemäßem Ermessen

über die Laufzeit der Zuweisungen.“

§ 22 LMedienG: Belegung durch Betreiber

„(Abs. 1) Soweit Übertragungskapazitäten nicht nach § 20 Abs. 1 ausgewiesen

werden, trifft der Betreiber der Anlage die Entscheidung über die Nutzung der

Übertragungskapazitäten, soweit er darin unter Berücksichtigung der Interessen

der angeschlossenen Teilnehmer eine Vielzahl von Programmveranstaltern, ein

vielfältiges Programmangebot aus Vollprogrammen, nicht entgeltfinanzierten

Programmen, Spartenprogrammen und Fremdsprachenprogrammen einbezieht

und insbesondere ein landesweites privates Fernsehprogramm sowie regionale

und lokale Programme angemessene Verbreitungsmöglichkeiten erhalten. Der

Vertrag über die Nutzung soll eine Laufzeit von fünf Jahren haben. Solange und

soweit die Landesanstalt nach § 20 Abs. 1 Satz 2 ausgewiesene Übertragungs-

kapazitäten nicht zugewiesen hat, gilt für diese Übertragungskapazitäten Satz 1

entsprechend. Der Betreiber der Anlage hat Telemedien, die an die Allgemein-

heit gerichtet sind (§ 1 Abs. 1) angemessen zu berücksichtigen; Satz 1 gilt ent-

sprechend. Der Betreiber der Anlage hat bei landesweiten, regionalen und loka-

len Programmen und Telemedien auch die Bezüge des Programms zum jewei-

ligen Verbreitungsgebiet zu berücksichtigen.

(Abs. 2) Stellt die Landesanstalt auf Antrag des Betreibers fest, dass den An-

forderungen für Rundfunkprogramme und Telemedien nach Absatz 1 Rechnung

getragen ist, kann der Betreiber die weiteren Übertragungs-kapazitäten nach

eigener Entscheidung allein nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze anderwei-

tig nutzen.

(Abs. 3) Der Betreiber der Anlage hat der Landesanstalt die Nutzung der Über-

tragungskapazitäten nach Absatz 1 unverzüglich anzuzeigen. Entspricht die

Nutzung der Übertragungskapazitäten nach Absatz 1 nicht den gesetzlichen

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122

Anforderungen, kann die Landesanstalt von dem Betreiber auf der Grundlage

von Absatz 1 Satz 1 eine andere Nutzung verlangen. Die Landesanstalt hat zu-

vor dem Betreiber eine angemessene Frist zur Erfüllung der gesetzlichen Vo-

raussetzungen zu setzen. Bei Änderung der Nutzung gelten die Sätze 1 bis 3

entsprechend.

(Abs. 4) Die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages zur Verbreitung von

Rundfunkprogrammen oder Telemedien auf digitalen Plattformen in der jeweils

geltenden Fassung bleiben unberührt. § 52 Abs. 3 Nr. 2 des Rundfunk-

staatsvertrages gilt entsprechend bei Ausweisungs- und Zuweisungsentschei-

dungen nach diesem Gesetz.“

§ 3 NutzungsplanVO477:Verfügbare Übertragungskapazitäten, Anzeigepflicht

„(Abs. 2) Betreiber von Anlagen, die 250 oder mehr Teilnehmer versorgen, ha-

ben die im Land Baden-Württemberg insoweit genutzten oder zur Verfügung

stehenden Übertragungskapazitäten der Landesanstalt unter Angabe von Ort

und Art der Anlage, ihrer Kapazität und Belegung sowie der Anzahl der versorg-

ten Wohneinheiten anzuzeigen. Für Änderungen der Anzahl der versorgten

Wohneinheiten genügt die halbjährliche Mitteilung, gerechnet ab der ersten An-

zeige.“

§ 4 NutzungsplanVO: Bekanntgabe von Zuweisungsentscheidungen der Lan-

desanstalt

„Mit Ausnahme von Übertragungskapazitäten, die nach dieser Verordnung dem

öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Verfügung stehen, werden Übertragungska-

pazitäten durch Verwaltungsakt zugewiesen. (…)“

477

Verordnung der Landesanstalt für Kommunikation über die Ausweisung und Zuweisung von Über-tragungskapazitäten (NutzungsplanVO) vom 15. November 1999, (GBl. S. 459) in der Fassung vom 14. Januar 2013 (GBl. S. 5).

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123

§ 5 NutzungsplanVO: Übertragungskapazitäten in Breitbandkabelnetzen für

vorrangig zu berücksichtigende Fernsehangebote478

„(Abs. 2) Zur verfassungsrechtlich gebotenen Versorgung der baden-württem-

bergischen Bevölkerung mit Fernsehen werden von den Übertragungskapazitä-

ten nach Absatz 1 den in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen

Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammenge-

schlossenen Landesrundfunkanstalten für ihr Fernsehangebot „ARD – Das Ers-

te “, dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF), für sein Fernsehangebot „ZDF“

und dem Südwestrundfunk (SWR) für sein Fernsehangebot „Südwest Baden-

Württemberg“ jeweils 1 Kanal zugewiesen.

(Abs. 3) Von den Übertragungskapazitäten nach Absatz 1 werden den in der

ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten und dem ZDF gemeinsam

für die auch für Baden-Württemberg gesetzlich bestimmten Fernsehangebote

„3sat“, „Phönix“ und „ARTE“ jeweils ein Kanal und für den „ARD/ZDF-

Kinderkanal“ ein Kanal in der Zeit von 6 Uhr bis 21 Uhr zugewiesen.“

§ 7 NutzungsplanVO: Übertragungskapazitäten in Breitbandkabelnetzen für

vorrangig zu berücksichtigende Hörfunkprogramme479

„(Abs. 2) Zur verfassungsrechtlich gebotenen Versorgung der baden-württem-

bergischen Bevölkerung mit Hörfunk werden von den Übertragungskapazitäten

nach Absatz 1 dem SWR für seine Hörfunkangebote „SWR 1“, „SWR 2“,

„SWR 3“ und „SWR 4“ vier Kanäle zugewiesen.

(Abs. 3) Von den Übertragungskapazitäten nach Absatz 1 werden dem

Deutschlandradio für die auch für Baden-Württemberg gesetzlich bestimmten

Hörfunkangebote „Deutschlandfunk“ und „Deutschlandradio Kultur“ zwei Kanäle

zugewiesen.“

478

Auf Grund von § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Landesmediengesetz Baden-Württemberg (LMedienG) vom 19. Juli 1999 (GBl. S. 273, ber. S. 387), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Ge-setzes zum fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 18.10.2011 (GBl. S. 477). Gemäß § 5 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 A NutzungsplanVO sind insgesamt 12 Kanäle und zusätzlich ein Kanal in der Zeit von 6 Uhr bis 21 Uhr für die vorrangig zu berücksichtigenden Fernsehangebote nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 3 bis 6 LMedienG im analogen Kabel ausgewiesen.

479 Gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. Anlage 5 B NutzungsplanVO sind insgesamt 12 Kanäle zur analogen Übertragung von vorrangig zu berücksichtigenden Hörfunkangeboten ausgewiesen.

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124

b) Bayern

Art. 32 BayMG480: Zuordnung neuer Übertragungskapazitäten

„(Abs. 1) Über die Zuordnung von dem Freistaat Bayern zustehenden neuen

Übertragungskapazitäten, deren Zuordnung bei Inkrafttreten dieses Gesetzes

nicht geregelt war, einigt sich die Landeszentrale mit dem Bayerischen Rund-

funk und dem ZDF sowie dem Deutschlandradio.

(Abs. 2) Kommt eine Einigung nach Abs. 1 Satz 1 nicht zustande, entscheidet

die Staatsregierung über die Zuordnung. Maßgebende Gesichtspunkte für diese

Entscheidung sind

1. die Sicherung der Grundversorgung durch die Fernsehhauptprogramme

der ARD und des ZDF sowie durch das Fernsehprogramm und durch Hör-

funk-programme des Bayerischen Rundfunks,

2. die flächendeckende Versorgung im jeweiligen Verbreitungsgebiet mit den

landesweiten und lokalen oder regionalen Rundfunkprogrammen unter

Trägerschaft der Landeszentrale,

3. die Vielfalt des Programmangebots, insbesondere die Förderung von Mei-

nungsvielfalt und publizistischem Wettbewerb sowie die Berücksichtigung

der Interessen von Minderheiten, deren Informationsmöglichkeiten auf

Grund von Behinderungen oder sprachlichen Umständen eingeschränkt

sind, durch das jeweilige Programm.“

Art. 36 BayMG: Kanalbelegung in Breitbandkabelnetzen

„(Abs. 1) Solange in einer Kabelanlage Fernsehprogramme oder Telemedien in

analoger Technik verbreitet werden, sind jedenfalls die auf gesetzlicher Grund-

lage für Bayern veranstalteten öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme Erstes

Deutsches Fernsehen (Das Erste), Bayerisches Fernsehen, BR-alpha, Zweites

Deutsches Fernsehen (ZDF), 3sat, arte – Der Europäische Kulturkanal, PHOE- 480

Gesetz über die Entwicklung, Förderung und Veranstaltung privater Rundfunkangebote und ande-rer Telemedien in Bayern (Bayerisches Mediengesetz – BayMG) in der Fassung der Bekanntma-chung vom 22. Oktober 2003 (GVBl S. 799, BayRS 2251-4-S), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. November 2012 (GVBl S. 578).

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125

NIX – Der Ereignis- und Dokumentationskanal und KI.KA – Der Kinderkanal,

(…) einzuspeisen. (…)

(Abs. 2) Solange in einer Kabelanlage Hörfunkprogramme in analoger Technik

verbreitet werden, sind jedenfalls die auf gesetzlicher Grundlage für Bayern

veranstalteten Programme in ihrem jeweiligen bestimmungsgemäßen Versor-

gungsgebiet einzuspeisen.“

§ 1 Kanalbelegungssatzung481: Anwendungsbereich

„(Abs. 1) Diese Satzung regelt die Verbreitung und Weiterverbreitung in analo-

ger Technik von Fernsehprogrammen und Telemedien (Programmen) im Sinn

des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien in Kabelanlagen in Bayern mit

100 oder mehr angeschlossenen Wohneinheiten.“

§ 5 Kanalbelegungssatzung: Kanalbelegung, Unbedenklichkeitsbestätigung

„(Abs. 1) Bei der Kanalbelegung sind im Frequenzbereich des § 2 Abs. 1 die

nach § 6 Abs. 1 einzuspeisenden Fernsehprogramme und das ausgewählte Te-

leshoppingprogramm oder Telemedium zu berücksichtigen. (…)“

§ 6 Kanalbelegungssatzung: Pflichtprogramme

„(Abs. 1) Der Kabelnetzbetreiber hat die folgenden Programme einzuspeisen:

1. Die auf gesetzlicher Grundlage für Bayern veranstalteten öffentlich-

rechtlichen Fernsehprogramme nach Nr. 1 der Anlage 2, (…).“

481

Auf Grund des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Entwicklung, Förderung und Veranstal-tung privater Rundfunkangebote und anderer Mediendienste in Bayern (Bayerisches Medienge-setz – BayMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Oktober 2003 (GVBl S. 799, BayRS 2251-4-S), geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2006 (GVBl S. 1008) erlassene Satzung über die Belegung von Kanälen mit in analoger Technik verbreiteten Fernsehprogrammen und Te-lemedien in Kabelanlagen in Bayern (Kanalbelegungssatzung – KBS) vom 26. Juli 2007 (Bayeri-scher Staatsanzeiger Nr. 31 vom 03.08.2007, ber. StAnz Nr. 26/2008), geändert durch Satzung vom 21. Juli 2011 (Bayerischer Staatsanzeiger Nr. 30 vom 29.07.2011).

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126

Anlage 2 der Kanalbelegungssatzung: Fernsehprogramme gemäß § 6 Abs. 1

„1. Auf gesetzlicher Grundlage für Bayern veranstaltete öffentlich-rechtliche

Programme nach § 6 Abs. 1 Nr. 1:

− 3 Sat

− ARD

− ARTE

− BFS

− BR alpha

− Kinderkanal

− Phoenix

− ZDF

(…)”

c) Berlin/Brandenburg

§ 3 MStV482: Übertragungsmöglichkeiten für den RBB

„Der RBB erhält zur Wahrnehmung der Grundversorgung folgende Übertra-

gungsmöglichkeiten:

1. mit Sendestandorten in Berlin terrestrische Übertragungsmöglichkeiten für

insgesamt sieben Hörfunkprogramme und terrestrische Übertragungs-

möglichkeiten für zwei Fernsehprogramme;

2. mit Sendestandorten in Brandenburg flächendeckende terrestrische Über-

tragungsmöglichkeiten für insgesamt vier Hörfunkprogramme und flächen-

deckende terrestrische Übertragungsmöglichkeiten für zwei Fernsehpro-

gramme.“

482

Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rund-funks (MStV) vom 29. Februar 1992 (Berlin GVBl. 1992, S. 150; Brandenburg GVBl. 1992, S. 142) in der Fassung des Vierten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages über die Zusam-menarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks vom 6. / 22. Januar 2009 (Berlin GVBl. S. 251; Brandenburg GVBl. S. 67).

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127

§ 4 MStV: Übertragungsmöglichkeiten für das Zweite Deutsche Fernsehen

und Deutschlandradio

„Zur Wahrnehmung der Grundversorgung erhält das Zweite Deutsche Fernse-

hen terrestrische Übertragungsmöglichkeiten für ein Fernsehprogramm und das

Deutschlandradio flächendeckende Übertragungsmöglichkeiten für zwei Hör-

funkprogramme.“

§ 5 MStV: Nutzung der Übertragungsmöglichkeiten

„Die Übertragungsmöglichkeiten können für die Verbreitung der das jeweilige

Programm begleitenden Telemedien genutzt werden.“

§ 6 MStV: Zuordnung weiterer und künftig verfügbarer Frequenzen

„(Abs. 1) Für die Zuordnung von weiteren und künftig verfügbar werdenden

technischen Übertragungsmöglichkeiten im Geltungsbereich dieses Staats-

vertrages sind folgende Kriterien maßgebend:

1. Die Sicherung der Grundversorgung mit Rundfunk,

2. die Vielfalt des Programmangebots unter Vermeidung von Doppelversor-

gung,

3. die Berücksichtigung spezifischer landesweiter, regionaler oder lokaler Be-

lange,

4. die Bedeutung der Übertragungsmöglichkeit für die Empfangbarkeit der

Programme innerhalb der für sie bestimmten Versorgungsgebiete,

5. die Füllung von Versorgungslücken.

Die Zuordnung der Übertragungsmöglichkeiten muss der Bestands- und Ent-

wicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rechnung tragen und

den Ausbau und die Fortentwicklung eines privaten Rundfunksystems, vor al-

lem in technischer und programmlicher Hinsicht, ermöglichen. Dazu sollen den

privaten Veranstaltern ausreichende Übertragungsmöglichkeiten zur Verfügung

gestellt werden.

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128

(Abs. 2) Die Zuordnung von Übertragungsmöglichkeiten soll insbesondere auch

die Versorgung derjenigen Teile Brandenburgs verbessern, die nicht durch

Sender mit Standort Berlin erreicht werden.

(Abs. 3) Die Medienanstalt entscheidet über die Zuordnung von Übertragungs-

möglichkeiten, soweit diese nicht bereits nach diesem Abschnitt vorgenommen

wurde, nach den Vorschriften des fünften Abschnitts. Hinsichtlich des öffentlich-

rechtlichen Rundfunks erfolgt eine Zuweisung von Übertragungsmöglichkeiten,

hinsichtlich der Veranstaltung privaten Rundfunks wird eine Sendeerlaubnis er-

teilt.

(Abs. 5) Bei der Versorgung mit Fernsehprogrammen ist auch unter Berücksich-

tigung der bereits in Berlin vergebenen Übertragungsmöglichkeiten eine mög-

lichst flächendeckende Versorgung Brandenburgs anzustreben.“

§ 38 MStV: Betreiben von Kabelanlagen, Zugangsfreiheit

„Wer eine Kabelanlage betreibt, an die 100 oder mehr Wohneinheiten ange-

schlossen sind, hat dies der Medienanstalt unverzüglich unter Angabe von Art

und Ort der Empfangseinrichtungen, der Kapazität der Kabelanlage und der

Anzahl der angeschlossenen Wohneinheiten anzuzeigen. Spätere Veränderun-

gen dieser Umstände sind der Medienanstalt unverzüglich mitzuteilen; bei Än-

derungen der Anzahl der angeschlossenen Wohneinheiten genügt die jährliche

Mitteilung, gerechnet ab der ersten Anzeige.“

§ 39 MStV: Pflichten der Kabelanlagenbetreiber

„(Abs. 1) Kabelanlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1. allen Veranstaltern von Rundfunk Zugang zu chancengleichen, angemes-

senen und diskriminierungsfreien Bedingungen und Entgelten ermöglicht

wird, (…)

(Abs. 3) Der Betreiber einer Kabelanlage mit mehr als 15 Fernsehkanälen, an

die mehr als 50000 Haushalte angeschlossen sind, kann durch Beschluss des

Medienrates verpflichtet werden, einen Fernsehkanal unentgeltlich für die Nut-

zung als offenen Kanal zur Verfügung zu stellen; entsprechendes gilt für die

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129

Nutzung eines Hörfunkkanals, wenn in der Kabelanlage mehr als 20 Hörfunk-

kanäle genutzt werden können. Die Medienanstalt wird ermächtigt, nähere Ein-

zelheiten durch Satzung zu regeln. (…)

(Abs. 5) Von Veranstaltern lokaler und regionaler Programme dürfen Entgelte

für die Verbreitung im Kabel höchstens bis zu dem Betrag gefordert werden,

den der Betreiber der Anlage von Veranstaltern herangeführter Programme für

die Weiterverbreitung fordert.

(Abs. 7) Für die in Berlin und Brandenburg gesetzlich bestimmten Programme

des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürfen vom Teilnehmer neben dem für den

Kabelanschluss erhobenen Entgelt keine zusätzlichen Entgelte erhoben wer-

den. Gleiches gilt für die Programme nach § 2 Nr. 1 bis 4483.“

§ 40 MStV: Grundsätze der Belegung analoger Kabelkanäle

„(Abs. 1) Die nach den §§ 3 und 4 veranstalteten Rundfunkprogramme sowie

die Programme der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkan-

stalten und des ZDF, die auf der Grundlage staatsvertraglicher Vereinbarungen

aller Länder gemeinsam veranstaltet oder mitveranstaltet werden, sind über

Kabelanlagen zu verbreiten. (…)“

§ 41 MStV: Zuständigkeiten und Spielräume für die Belegung analoger Kabel-

kanäle

„(Abs. 1) Die Medienanstalt legt die Belegung analoger Kabelkanäle in Kabelan-

lagen fest, sofern die Entwicklung des Programmangebotes und der Übertra-

gungskapazitäten dies erfordern. Anderenfalls gestattet die Medienanstalt den

Betreibern von Kabelanlagen durch zu veröffentlichenden Beschluss oder durch

öffentlich-rechtlichen Vertrag, die Kanäle in Anwendung der Grundsätze der

§§ 39 und 40 selbst zu belegen. Sie kann damit Vorgaben zur Konkretisierung

der Kriterien des § 40 Abs. 2 verbinden. Entspricht die Kanalbelegung durch ei-

nen Kabelanlagenbetreiber nicht den gesetzlichen Kriterien oder Vorgaben der

483

§ 2 Nr. 1 bis 4 MStV benennt Länderprogramm, Regionalprogramm, Stadtprogramm und lokales Programm.

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130

Medienanstalt oder verstößt der Kabelanlagenbetreiber wiederholt gegen Vor-

gaben der Medienanstalt, kann sie den Kabelanlagenbetreiber anweisen, die

Kanalbelegung entsprechend zu ändern oder selbst eine Belegungsentschei-

dung treffen oder die Gestattung widerrufen.“

Kanalbelegungsbeschluss für Berlin484:

„A. Gestattung der Belegung der Kanäle durch die Netzbetreiber

1. Auf der Grundlage des § 41 Abs. 1 Satz 2 des Staatsvertrages über die

Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rund-

funks vom 29. Februar 1992 (GVBl. für Berlin S. 150, GVBl. für das Land

Brandenburg Teil I S. 142) in der Fassung des Dritten Staatsvertrages zur

Änderung des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin

und Brandenburg im Bereich des Rundfunks vom 4. Dezember

2006/10. Januar 2007 (GVBl. für Berlin 2007 S. 131, GVBl. für das Land

Brandenburg 2007 Teil I S. 75) (Medienstaatsvertrag – MStV –) wird der

Kabel Deutschland GmbH in Kooperation mit den Unternehmen, die die

Netzebene 4 betreiben und ausbauen, gestattet, im Berliner Kabelnetz der

Kabel Deutschland GmbH (künftig: „Berliner Kabelnetz“) die analogen Ka-

näle in Anwendung der Grundsätze des § 40 MStV selbst zu belegen.

2. Vorgaben für die Kanalbelegung nach §§ 41 Abs. 1 Satz 3, 40 MStV:

a. Die folgenden Programme sind vorrangig zu verbreiten:

ARD (§ 40 I 1 i.V.m. §§ 3, 4 MStV)

rbb mit Berliner Abendschau (§ 40 I 1 i.V.m. §§ 3, 4 MStV)

ZDF (§ 40 I 1 i.V.m. §§ 3, 4 MStV)

arte (§ 40 I 1 MStV)

3sat (§ 40 I 1 MStV)

484

Beschluss nach § 41 Abs. 1 Satz 2 MStV über die Belegung der Kanäle im Berliner Kabelnetz der Kabel Deutschland GmbH durch die Netzbetreiber Beschluss des Medienrates vom 10. Oktober 2007 in der Fassung des Beschlusses des Medienrates vom 13. November 2009, abrufbar unter: http://www.mabb.de/fileadmin/user_upload/Kanalbelegung_Berlin-Spielr%C3%A4ume_13.11.2009. pdf.

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Phoenix (§ 40 I 1 MStV)

Kinderkanal (§ 40 I 1 MStV)

(…).

3. 2Entspricht die Kanalbelegung des Berliner Kabelnetzes nicht diesen Krite-

rien, so kann die mabb die Kabel Deutschland GmbH anweisen, die Ka-

nalbelegung entsprechend zu ändern oder selbst eine Belegungsent-

scheidung treffen oder die Einräumung von Spielräumen widerrufen (§ 41

Abs. 1 Satz 4 MStV).“

Kanalbelegungsbeschluss für Brandenburg485:

„A. Gestattung der Belegung der Kanäle durch die Netzbetreiber

Der Medienrat hat am 19. Mai 2000 den folgenden Beschluss gefasst:

Auf der Grundlage des § 42 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrages über die Zu-

sammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks

vom 29. Februar 1992 (GVBl. für Berlin S. 150, GVBl. für das Land Branden-

burg Teil I S. 142) in der Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des

Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im

Bereich des Rundfunks vom 3. November 1998 (GVBl. für Berlin S. 406, GVBl.

für das Land Brandenburg Teil I S. 258) (Medienstaatsvertrag – MStV –) wird

den Betreibern von im Land Brandenburg gelegenen Kabelanlagen gestattet,

die analogen Kanäle in Anwendung der Grundsätze der §§ 40 und 41 MStV

selbst zu belegen.

B. Hinweise zur Anwendung der Grundsätze der §§ 40 und 41 MStV

1. Aus § 41 Abs. 1 MStV ergeben sich die folgenden Anforderungen an die

Kanalbelegung: Die Programme

3sat

ARD 1. Programm mit regionalem Fenster SFB und ORB486

485

Beschluss nach § 42 Abs. 2 Satz 1 MStV (a.F, § 41 Abs. 1 Satz 2 MStV n.F. (Anm. von Verf.)) über die Belegung der Kanäle in Kabelanlagen im Land Brandenburg durch die Netzbetreiber Beschluss des Medienrates vom 19. Mai 2000, abrufbar unter: http://www.mabb.de/fileadmin/user_upload/pdf/ Rechtsgrundlagen_pdf/18-Kanalbelegung_Brandenburg__Spielr%C3%A4ume_.pdf.

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arte zusammen mit dem ARD/ZDF-Kinderkanal487

ORB Drittes Programm488

Phoenix

ZDF

(…) sind nach § 41 Abs. 1 Satz 1 bis 3 MStV auf Kanälen zu verbreiten,

die technisch jeden angeschlossenen Haushalt erreichen.

Sofern die Netzbetreiber Pakete bilden, sind die Programme

ARD

ORB489

ZDF

in einem Grundpaket zu verbreiten (§ 41 Abs. 1 Satz 4 MStV). (…)

C. Entspricht die Kanalbelegung durch einen Kabelbetreiber nicht den gesetzli-

chen Kriterien oder Vorgaben der Medienanstalt oder verstößt der Kabelbetrei-

ber wiederholt gegen die Vorgaben der Medienanstalt, so kann die Medienan-

stalt nach § 42 Abs. 2 Satz 3 MStV490 den Kabelanlagenbetreiber anweisen, die

Kanalbelegung entsprechend zu ändern, oder selbst eine Belegungsentschei-

dung treffen oder die Gestattung widerrufen.“

d) Bremen

§ 25 BremLMG491: Zuordnung von Übertragungskapazitäten

„(Abs. 1) Freie terrestrische Übertragungskapazitäten und Satellitenkanäle, die

der Freien Hansestadt Bremen zustehen, werden öffentlich-rechtlichen Rund-

funkanstalten des Landesrechts oder der Landesmedienanstalt zugeordnet. Die

Zuordnung kann für vollständige Rundfunkkanäle, Programmäquivalente oder

486

Inzwischen rbb (Fußnote 1 im Kanalbelegungsbeschluss). 487

Inzwischen zwei getrennte Kanäle (Fußnote 2 im Kanalbelegungsbeschluss). 488

Inzwischen rbb mit „Brandenburg aktuell“ (Fußnote 3 im Kanalbelegungsbeschluss). 489

Inzwischen rbb (Fußnote 1 im Kanalbelegungsbeschluss). 490

Inzwischen § 41 Abs. 1 Satz 3 MStV (Anm. von Verf.). 491

Bremisches Landesmediengesetz (BremLMG) vom 17. Juli 2012 (Brem. GBl. vom 25.07.2012 Nr. 23, zuletzt geändert durch Brem. GBl. vom 28.08.2012, Nr. 27, S. 377).

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sonstige Teilkapazitäten erfolgen. Bei der Zuordnung von Teilkapazitäten gilt

§ 31 Absatz 3 entsprechend. Freie terrestrische Übertragungskapazitäten sind

auch solche, die in einem Rundfunkkanal auf Grund technischen Fortschritts,

insbesondere bei der Datenkompression, zusätzlich zur Verfügung stehen.

(Abs. 2) Bei Zuordnungsentscheidungen sollen die gesetzlich für die Freie Han-

sestadt Bremen bestimmten Programme vorrangig berücksichtigt werden. Im

Übrigen ist die zu erwartende Steigerung der inhaltlichen Auswahlmöglichkeiten

im Gesamtangebot des Hörfunks und des Fernsehens maßgebend.

(Abs. 5) Die am 1. April 2005 bestehenden Nutzungen von analogen terrestri-

schen Übertragungsmöglichkeiten durch Radio Bremen bleiben unberührt, so-

lange die Anstalt auf einer weiteren Nutzung besteht.

(Abs. 6) Soweit Übertragungskapazitäten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstal-

ten zugeordnet werden, ist in der Zuordnungsentscheidung anzugeben, für wel-

che Angebote die jeweiligen Übertragungskapazitäten bestimmt sind. Die Rund-

funkanstalten dürfen auf digitalen Übertragungskapazitäten andere als in der

Zuordnungsentscheidung angegebene öffentlich-rechtliche Angebote übertra-

gen, sofern sie die Grundsätze des Absatzes 2 sowie die Belange der Rund-

funkteilnehmer beachten. Eine Änderung ist der Senatskanzlei einen Monat im

Voraus anzuzeigen.“

§ 26 BremLMG: Zuordnungsverfahren

„(Abs. 1) Die Senatskanzlei informiert die potenziellen Antragstellerinnen und

Antragsteller schriftlich über freie Übertragungskapazitäten und gibt eine Aus-

schlussfrist für die Antragstellung an. Antragsberechtigt sind öffentlich-

rechtliche Rundfunkanstalten des Landesrechts und die Landesmedienanstalt.

Die Anträge sind zu begründen. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten haben

in dem Antrag auch anzugeben, für welche Programme oder sonstige Angebote

sie die Übertragungskapazitäten nutzen werden.

(Abs. 2) Liegt nur ein Antrag vor, ordnet die Senatskanzlei die Übertragungska-

pazitäten entsprechend zu. Liegen mehrere Anträge vor, wirkt sie auf eine

sachgerechte Verständigung unter den Antragstellerinnen und Antragstellern

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134

hin. Wird eine Verständigung erzielt, so ordnet sie die Übertragungskapazität

entsprechend der Verständigung zu.

(Abs. 3) Kommt es zu keiner Verständigung nach Absatz 2, wird ein Schieds-

verfahren vor der Schiedsstelle durchgeführt. (…)

(Abs. 5) Die Schiedsstelle trifft ihre Entscheidung auf der Grundlage der Rege-

lungen des § 25. Sie entscheidet mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Die Senatskanzlei ordnet die Übertragungskapazität entsprechend der Ent-

scheidung der Schiedsstelle zu, es sei denn, die Senatskanzlei widerspricht der

Entscheidung aus Rechtsgründen. In diesem Falle entscheidet die Schiedsstel-

le unter Berücksichtigung der geltend gemachten Bedenken erneut.“

§ 34 BremLMG: Anwendungsbereich

„(Abs. 1) Der Betreiber einer Kabelanlage, die der Weiterverbreitung von Rund-

funkprogrammen in fünfzig oder mehr Haushalte dient, hat der Landesmedien-

anstalt den Betrieb anzuzeigen.

(Abs. 3) Auf die Verbreitung von Rundfunkprogrammen in einem Gebäude oder

einem Gebäudekomplex, wenn diese nicht zum dauernden Wohnen bestimmt

sind oder unselbstständige oder weniger als fünfzig selbstständige Wohneinhei-

ten mit dem Programm versorgen, finden die Vorschriften dieses Abschnittes

mit Ausnahme von § 36 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 keine Anwendung.“

§ 36 BremLMG: Rangfolge

„(Abs. 1) Reicht die Übertragungskapazität der Kabelanlage nicht aus, um die

Angebote aller Interessentinnen und Interessenten zu verbreiten, so gelten zur

Sicherung einer pluralistischen, am Gebot der Meinungsvielfalt orientierten Me-

dienordnung die nachfolgenden Belegungsregelungen.

(Abs. 2) Wer eine Kabelanlage betreibt, ist verpflichtet, darin die folgenden

Rundfunkprogramme zeitgleich, vollständig und unverändert weiterzuverbreiten

1. für die Freie Hansestadt Bremen gesetzlich bestimmte Rundfunkpro-

gramme,

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135

2. Rundfunkprogramme, deren terrestrischer Empfang am 1. Dezember

2003 im Land Bremen ohne besonderen Antennenaufwand allgemein

möglich war, (…).4Der Betreiber einer Kabelanlage hat die zur Erfüllung

der Verpflichtung nach den Sätzen 1 und 2 und nach § 43 erforderlichen

technischen Vorkehrungen zu schaffen.

(Abs. 4) Die Landesmedienanstalt erlässt für die Programme und Angebote

nach Absatz 2 (…) eine Kabelbelegungssatzung, die bekannt zu machen ist.

Die Satzung gilt für höchstens 2 Jahre. Sie ist für die Betreiber von Kabelanla-

gen bindend.

(Abs. 6) Während der Geltungsdauer einer Kabelbelegungssatzung ist die Lan-

desmedienanstalt befugt, Änderungen bei der Belegung einzelner Programm-

plätze vorzunehmen. Absatz 4 findet insoweit keine Anwendung. Die Änderun-

gen sind bekannt zu machen.“

§ 43 BremLMG: Verbreitung (im Abschnitt 6 – Bürgerrundfunk)

„Auf Verlangen der Landesmedienanstalt hat jeder Betreiber einer analogen

Kabelanlage die Programme des Bürgerrundfunks in ihrer oder seiner Kabelan-

lage zu verbreiten. Plattformbetreiber haben die Programme nach Maßgabe des

§ 52b Absatz 1 Nummer 1 des Rundfunkstaatsvertrages zu verbreiten, wenn

die Landesmedienanstalt dies verlangt. Die Verpflichtung nach den Sätzen 1

und 2 ist von Betreibern von Kabelanlagen und Plattformen mit einer Kapazität

von mehr als 15 Kanälen und mehr als 5000 angeschlossenen Haushalten un-

entgeltlich zu erfüllen. Die technischen Kapazitäten müssen im Verhältnis zu

anderen Kapazitäten gleichwertig sein.“

§ 3 Kabelbelegungsplan492: Belegungsgrundsätze

„(Abs. 1) Die Kanalbelegung erfolgt nach Maßgabe der §§ 34 ff BremLMG.

492

Aufgrund von § 36 Absatz 4 des Bremischen Landesmediengesetzes (BremLMG) vom 25. Juli 2012 (Brem.GBl. S. 7309 ff) erlassene Satzung der Bremischen Landesmedienanstalt über die analoge Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen und Mediendiensten in Kabelanlagen (Kabel-belegungsplan), ABl. der Freien Hansestadt Bremen Nr. 69, vom 06. März 2013, S. 233.

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136

(Abs. 2) Die Kabelanlagen stehen vorrangig für die analoge Weiterverbreitung

von für die Freie Hansestadt Bremen gesetzlich bestimmten Rundfunk-

programmen, Rundfunkprogrammen, deren terrestrischer Empfang am

1. Dezember 2003 im Land Bremen ohne besonderen Antennenaufwand all-

gemein möglich war, und sonstige im Land Bremen veranstaltete Rundfunkpro-

gramme (…) zur Verfügung.

Gesetzlich bestimmte Rundfunkprogramme sind mit Stand vom 6. März 2013:

Das Erste (ARD),

NDR Fernsehen/Radio Bremen TV,

Phoenix,

Kinderkanal (06:00 Uhr bis 21:00 Uhr),

ZDF,

3sat,

ARTE.

Rundfunkprogramme, deren terrestrischer Empfang am 1. Dezember 2003 im

Land Bremen ohne besonderen Antennenaufwand allgemein möglich war, sind

(…) NDR Fernsehen Niedersachsen (18.00 bis 20.00 Uhr). (…)

(Abs. 6) Die Rangfolge für die Weiterverbreitung von Programmen und die ta-

geszeitliche Begrenzung der Weiterverbreitung von Programmen ergeben sich

aus der Anlage.“

§ 4 Kanalbelegungsplan: Engpass

„Reicht die Kapazität einer Kabelanlage nicht aus, um alle vorgesehenen Pro-

gramme einzuspeisen (Engpass), trifft die Landesmedienanstalt eine Rang-

folgeentscheidung unter Beachtung der im BremLMG genannten Grundsätze

und der Belegungsgrundsätze dieser Kabelbelegungssatzung.“

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137

Anlage zum Kabelbelegungsplan der Bremischen Landesmedienanstalt vom

06. März 2013493

„Must-Carry gemäß § 36 Abs. 2 BremLMG

Rang 1: ARD

Rang 2: ZDF

Rang 3: NDR/rb tv

Rang 4: 3sat

Rang 5: ARTE

Rang 6: Phoenix

Rang 7: Kinderkanal (6.00 – 21.00 Uhr)

Rang 8: Radio Weser TV (10.00 – 22.00 Uhr)

Rang 9: NDR Fernsehen (nds) (18.00 – 20 Uhr)

(…).“

e) Hamburg/Schleswig-Holstein

§ 22 Medienstaatsvertrag HSH494: Zuordnung von analogen terrestrischen

Übertragungskapazitäten für die Verbrei-

tung von Rundfunk und Telemedien

„(Abs. 1) Stehen in Hamburg oder Schleswig-Holstein terrestrische (nicht lei-

tungsgebundene) Übertragungskapazitäten für Rundfunkzwecke und Tele-

medien zur Verfügung, gibt die zuständige Landesregierung dies den betroffe-

nen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten des Landesrechts sowie der An-

stalt bekannt. Die zuständigen Landesregierungen fordern die öffentlich-

rechtlichen Rundfunkanstalten und die Anstalt auf, sich über eine sachgerechte

Zuordnung zu verständigen. Die Anstalt gibt den von ihr zugelassenen Rund-

funkveranstaltern zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme. Wird eine Verständi-

493

ABl. der Freien Hansestadt Bremen Nr. 69, vom 06. März 2013, S. 239. 494

Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein (Medienstaatsvertrag HSH) vom 13. Juni 2006 (HmbGVBl. 2007 S. 47, GVOBl. Schl.-H. 2007 S. 108) in der Fassung des Vierten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrages über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein (Vierter Medienänderungsstaatsvertrag) vom 2. Februar 2011 (HmbGVBl. S. 251 , GVOBl. Schl.-H. S. 116).

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gung erreicht, ordnet die zuständige Landesregierung die Übertragungskapazi-

täten entsprechend zu.

(Abs. 2) Kommt eine Verständigung nach Absatz 1 innerhalb von drei Monaten

nach der Bekanntgabe gemäß Absatz 1 Satz 1 nicht zustande, wird ein

Schiedsverfahren durchgeführt. (…)11Die Schiedsstelle macht der zuständigen

Landesregierung einen begründeten Vorschlag über die Zuteilung der techni-

schen Übertragungskapazitäten mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des vorsitzenden Mitglieds den Aus-

schlag. Der Vorschlag über die Zuordnung von Übertragungskapazitäten soll

dabei folgende Kriterien berücksichtigen:

1. Sicherung der Grundversorgung mit Rundfunk,

2. Sicherung einer gleichwertigen Vielfalt der privaten Rundfunkprogramme,

3. programmliche Berücksichtigung landesweiter oder hamburgischer lokaler

Belange,

4. Schließung von Versorgungslücken,

5. Berücksichtigung von programmlichen Interessen von Minderheiten,

6. Teilnahme des Rundfunks an der weiteren Entwicklung in sendetechni-

scher und programmlicher Hinsicht.

Bei der Zuordnungsentscheidung hat die Sicherstellung der Grundversorgung

Vorrang; im Übrigen sind öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk gleichge-

stellt.

(Abs. 4) Soweit Übertragungskapazitäten nicht vollständig für die Nutzung nach

Absatz 1 Satz 4 oder Absatz 2 benötigt werden, ordnet die jeweils zuständige

Landesregierung die benötigten Kapazitäten zu. Der Netzbetreiber ist berech-

tigt, die nicht für die Nutzung nach Absatz 1 Satz 4 oder Absatz 2 benötigten

Übertragungskapazitäten nach Anzeige durch die jeweils zuständige Landesre-

gierung für die Dauer der Rundfunknutzung für Telemedien zu verwenden.

Werden die Übertragungskapazitäten insgesamt nicht für Nutzungen nach Ab-

satz 1 Satz 4 oder Absatz 2 benötigt, ist der Netzbetreiber berechtigt, sie nach

Anzeige durch die zuständige Landesregierung für die Dauer von bis zu fünf

Jahren für Telemedien zu verwenden. Im Falle der Mitbenutzung durch Tele-

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139

medien nach Satz 2 hat der Nutzer die Übertragungskapazitäten innerhalb von

drei Monaten nach Beendigung der Rundfunknutzung freizumachen. Eine Ent-

schädigung findet nicht statt.“

§ 23 Medienstaatsvertrag HSH: Zuordnung von digitalen terrestrischen Über-

tragungskapazitäten für die Verbreitung von

Rundfunk und Telemedien

„Für die Zuordnung digitaler terrestrischer Übertragungskapazitäten gilt § 22

Abs. 1 und 2 entsprechend. Telemedien sind angemessen zu berücksichtigen;

dabei sollen verschiedene Anbieter und vielfältige Angebote Berücksichtigung

finden.“

§ 25 Medienstaatsvertrag HSH: Vereinbarungen

„Die Regierungen der Länder werden ermächtigt, zur besseren Nutzung beste-

hender und zur Schaffung zusätzlich nutzbarer Übertragungskapazitäten Ver-

einbarungen miteinander oder mit anderen Landesregierungen über grenzüber-

schreitende Frequenznutzungen und -koordinierungen, Frequenzverlagerungen

und über die Einräumung von Standortnutzungen zu treffen. Die betroffenen öf-

fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Anstalt sind vor Abschluss der

Vereinbarung zu beteiligen.“

§ 30 Medienstaatsvertrag HSH: Weiterverbreitung in analogen Kabelanlagen

„(Abs. 2) Der Betreiber einer analogen Kabelanlage mit einer Kapazität von

mehr als fünfzehn Kanälen, an die mehr als 5000 Haushalte angeschlossen

sind, hat die für die Verbreitung von Angeboten nach dem Sechsten Ab-

schnitt495 erforderlichen Übertragungskapazitäten, höchstens jedoch einen

Fernsehkanal, dem Träger auf Verlangen unentgeltlich zur Verfügung zu stel-

len. Satz 1 gilt entsprechend für die Nutzung eines Hörfunkkanals, wenn in der

Kabelanlage mehr als 20 Hörfunkkanäle genutzt werden können, sowie für den

495

Sechster Abschnitt: Bürgermedien, bestehend aus dem Hamburgischen Bürger- und Ausbildungs-kanal (1. Unterabschnitt) und dem Offenen Kanal in Schleswig-Holstein (2. Unterabschnitt).

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Betreiber einer digitalen Kabelanlage oder Plattform für entsprechende digitale

Übertragungskapazitäten. Unentgeltlich zur Verfügung gestellte Übertragungs-

kapazitäten sind ausschließlich für Angebote nach dem Sechsten Abschnitt496

zu nutzen.

(Abs. 3) Über die Belegung von bis zu 29 Kanälen für Fernsehprogramme so-

wie über die Belegung mit Hörfunkprogrammen entscheidet die Anstalt.497 Die

Entscheidung ist sofort vollziehbar. Wenn in der Kabelanlage keine ausreichen-

den Übertragungsmöglichkeiten für die Weiterverbreitung sämtlicher in Betracht

kommender Rundfunkprogramme und Telemedien vorhanden sind, gilt folgen-

de Rangfolge:

1. die für das jeweilige Land gesetzlich bestimmten öffentlich-rechtlichen

Rundfunkprogramme, die von der Anstalt zugelassenen in den Ländern

jeweils terrestrisch verbreiteten Rundfunkvollprogramme und Spartenpro-

gramme mit dem Schwerpunkt Information sowie das jeweilige Angebot

nach dem Sechsten Abschnitt, (…).“

f) Hessen

§ 1 HPRG498: Anwendungsbereich

„(Abs. 2) Dieses Gesetz gilt nicht für die Veranstaltung und Weiterverbreitung

von Sendungen mittels einer analogen Kabelanlage, wenn

1. sie sich auf ein Gebäude oder einen zusammengehörigen Gebäudekom-

plex beschränken und im funktionellen Zusammenhang mit den dort zu er-

füllenden Aufgaben stehen oder

2. mit ihnen lediglich bis zu hundert Wohneinheiten in einem Gebäude oder

einem zusammengehörigen Gebäudekomplex versorgt werden.“

496

Sechster Abschnitt: Bürgermedien, bestehend aus dem Hamburgischen Bürger- und Ausbildungs-kanal (1. Unterabschnitt) und dem Offenen Kanal in Schleswig-Holstein (2. Unterabschnitt).

497 Gemäß der aktuellen Leitentscheidung der MAHSH ist folgende Rangfolge der einzuspeisenden Sender in Hamburg und Schleswig-Holstein von der KDG einzuhalten: ARD, ZDF, NDR HH bzw. NDR SH, 3sat, KIKA, Arte, Phoenix.

498 Gesetz über den privaten Rundfunk in Hessen (Hessisches Privatrundfunkgesetz – HPRG) in der Fassung vom 25. Januar 1995 (GVBI. I, S. 87 ff) zuletzt geändert durch Art. 22 des Siebten Geset-zes zur Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften vom 27. September 2012 (GVBl. I, S. 290 ff).

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141

§ 3 HPRG: Zuordnung von Frequenzen

„(Abs. 1) Die Zuordnung der dem Land zustehenden freien terrestrischen Fre-

quenzen an den Hessischen Rundfunk, das Zweite Deutsche Fernsehen, das

Deutschlandradio und die Landesanstalt (Bedarfsträger) erfolgt nach Maßgabe

der Abs. 2 bis 9. Hinsichtlich der Zuordnung von drahtlosen Übertragungskapa-

zitäten für bundesweite Versorgungsbedarfe findet § 51 Abs. 2 bis 6 des Rund-

funkstaatsvertrages Anwendung; für die Belegung der Kabelanlagen gelten die

§§ 42 und 43.

(Abs. 2) Durch die Zuordnung der freien Frequenzen sind

1. die Grundversorgung des Landes Hessen durch den Hessischen Rund-

funk, das Zweite Deutsche Fernsehen und – stufenweise – das in Köln

veranstaltete Programm des Deutschlandradio zu gewährleisten,

2. diese Programme durch Programme privater Rundfunkveranstalter publi-

zistisch wirksam zu ergänzen,

3. Versorgungslücken bestehender Programme zu schließen und Modell-

versuche nach § 67a zu ermöglichen.

Durch die Zuordnung freier Frequenzen soll auch die Digitalisierung bisher ana-

log genutzter Frequenzen gefördert werden.

(Abs. 3) Stehen dem Land freie Frequenzen zur Verfügung, wirkt die oberste

Landesbehörde darauf hin, dass sich die in Betracht kommenden Bedarfsträger

über die Zuordnung nach Maßgabe des Abs. 2 einigen. Die oberste Landesbe-

hörde ordnet die Frequenzen entsprechend der Einigung zu.

(Abs. 4) Kommt eine Einigung nach Abs. 3 Satz 1 nicht zustande, entscheidet

die Landesregierung über die Zuordnung nach Maßgabe des Abs. 2.

(Abs. 5) Die oberste Landesbehörde wirkt darauf hin, dass die Bedarfsträger die

ihnen zustehenden Frequenzen möglichst ökonomisch einsetzen. Sie unter-

stützt die Bedarfsträger darin, durch einen Abbau von Doppelversorgungen öf-

fentlich-rechtlicher und privater Hörfunkprogramme vorhandene Frequenz-

Ressourcen besser auszunutzen. Zur Vorbereitung einer Zuordnung neuer Fre-

quenzen soll der Bedarfsträger, der die Zuordnung einer Frequenz begehrt,

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142

nachweisen, dass diese Frequenz zur Verbesserung einer andernfalls unzu-

reichenden Versorgung erforderlich ist.

(Abs. 8) Für die Einführung neuer Rundfunkübertragungstechniken gelten

Abs. 2 bis 4 entsprechend. Stellt die Landesanstalt, der Hessische Rundfunk,

das Deutschlandradio oder das Zweite Deutsche Fernsehen eine bislang ge-

nutzte Frequenz zur Verfügung, um die Einführung neuer Übertragungstechni-

ken zu ermöglichen, so sind dem Bedarfsträger in dieser neuen Rundfunküber-

tragungstechnik die Übertragungskapazitäten zuzuordnen, die zur Verbreitung

des auf der bislang genutzten Frequenz verbreiteten Programmangebots erfor-

derlich sind. Werden neue Übertragungstechniken eingeführt, die bisherige

Übertragungstechniken ersetzen sollen, gilt Abs. 9 Satz 3 entsprechend.

(Abs. 9) Können Frequenzen zur Nutzung digitaler Rundfunkübertragungs-

techniken nur blockweise zugeordnet werden, kann die Zuordnung eines Fre-

quenzblocks mit der Auflage verbunden werden, die Nutzung einzelner Über-

tragungseinheiten innerhalb des Blocks durch andere Bedarfsträger zu ermögli-

chen. Abs. 3 gilt entsprechend. Gelingt eine Verständigung nicht, so sind die

zur Verfügung stehenden Übertragungseinheiten in der Weise auf die Bedarfs-

träger zu verteilen, dass Angebote öffentlich-rechtlicher und privater Veranstal-

ter gleichgewichtig empfangbar sind.“

§ 39 HPRG: Nutzungsbedingungen

„(Abs. 5) Der Betreiber einer Kabelanlage mit einer Kapazität von mehr als 15

Kanälen, an die mehr als 5000 Haushalte angeschlossen sind, stellt auf Verlan-

gen der Landesanstalt einen Fernsehkanal unentgeltlich für die Nutzung als Of-

fenen Kanal zur Verfügung.“

§ 42 HPRG: Belegung analoger Kabelanlagen

„(Abs. 1) Der Betreiber einer in analoger Technik betriebenen Kabelanlage hat

Fernsehprogramme in folgender Rangfolge den Kabelanschlüssen zuzuführen:

1. die der Grundversorgung des Landes dienenden Fernsehprogramme und

die für das Land gesetzlich bestimmten Fernsehprogramme, (…).

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143

(Abs. 3) Die Landesanstalt entscheidet über die Belegung der Kabelanlage auf

Vorschlag des Betreibers der Kabelanlage und, soweit Fernsehprogramme des

Hessischen Rundfunks und des Zweiten Deutschen Fernsehens betroffen sind,

im Benehmen mit diesen nach Maßgabe des Abs. 1 sowie der folgenden Be-

stimmungen. Bei Fernsehprogrammen nach Abs. 1 Nr. 3 sind zur Gewährleis-

tung von Meinungs- und Angebotsvielfalt der in der Kabelanlage weiterverbrei-

teten Programme insbesondere folgende Programmgruppen zu berücksichti-

gen:

1. andere Dritte Fernsehprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,

von denen mindestens zwei unter Berücksichtigung länderübergreifender

Kommunikationsräume einzuspeisen sind,

2. sonstige Vollprogramme,

3. Spartenprogramme Information und Bildung sowie fremdsprachige Pro-

gramme,

4. Spartenprogramme Unterhaltung, Musik und Sport sowie Teleshopping-

kanäle.

Dem Rundfunk vergleichbare Telemedien sind gleichfalls angemessen zu be-

rücksichtigen. Die Grundsätze der Kanalbelegung regelt die Landesanstalt

durch Satzung.

(Abs. 5) Die Kabelanlage ist so einzurichten, dass jeder Inhaber eines An-

schlusses in der Lage ist, zunächst die in Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 genannten Pro-

gramme zu empfangen. (…)

(Abs. 10) Die Landesanstalt entscheidet über die Belegung einer Kabelanlage

mit Hörfunkprogrammen auf Vorschlag des Kabelanlagenbetreibers unter ent-

sprechender Anwendung der in Abs. 1 und 3 genannten Kriterien. Die der

Grundversorgung des Landes dienenden Hörfunkprogramme, die gesetzlich

bestimmten Hörfunkprogramme und die aufgrund dieses Gesetzes zugelasse-

nen Hörfunkprogramme sind den Kabelanlagen vorrangig zuzuführen. Soweit

Hörfunkprogramme des Hessischen Rundfunks oder des Deutschlandradios

betroffen sind, stellt sie mit diesen das Benehmen her. Sehen Hörfunkpro-

gramme regionale Auseinanderschaltungen vor, ist, soweit dies technisch mög-

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144

lich und wirtschaftlich vertretbar ist, für eine regional richtige Einspeisung der

Sendesignale Sorge zu tragen.“

§ 1 Kanalbelegungssatzung499: Anwendungsbereich

„(Abs. 2) Die Satzung gilt nicht für Kabelanlagen und Telekommunikations-

netze,

a) mit denen lediglich bis zu 100 Wohneinheiten in einem Gebäude oder ei-

nem zusammengehörigen Gebäudekomplex mit Rundfunk versorgt wer-

den (…).“

§ 4 Kanalbelegungssatzung: Allgemeine Belegungsgrundsätze

„(Abs. 1) Die Kanalbelegung erfolgt nach Maßgabe von § 42 Abs. 1 Nr. 1

bis 3 HPRG. Die Belegung der verfügbaren Kanäle nach § 3 ist in Programm-

blöcken vorzunehmen. Diese umfassen

1. die der Grundversorgung des Landes Hessen dienenden Rundfunkpro-

gramme und die Programme, die für das Land Hessen durch Gesetz oder

Staatsvertrag bestimmt sind (…).“

§ 6 Kanalbelegungssatzung: Hörfunk

„(Abs. 1) Die Belegung (…) erfolgt in Programmblöcken nach Maßgabe von § 4

Abs. 1 Satz 3. Dabei beurteilt sich die Einspeisung des Programmsignals unter

Zugrundelegung durchschnittlichen Antennenaufwands, der an der Einspeise-

stelle der Kabelanlage zum Empfang des Programmsignals aufgewendet wer-

den muss; hinsichtlich der Priorität ist insoweit die höhere Empfangsfeldstärke

in Verbindung mit der Empfangsqualität maßgebend. Sofern Hörfunkprogram-

me zur regionalen Auseinanderschaltung gesetzlich verpflichtet sind, soll das

regional richtige Programmsignal den Kabelanschlüssen zugeführt werden, so-

weit dies wirtschaftlich vertretbar ist.

499

Satzung auf Grundlage des § 42 Abs. 3 Satz 4 HPRG über die Grundsätze der Kanalbelegung in Kabelanlagen in Hessen (Kanalbelegungssatzung – KBS) vom 18. Februar 2008 in der Fassung vom 1. November 2010, abrufbar unter: http://www.lpr-hessen.de/files/kbs_011110.pdf.

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(Abs. 2) Die Programmblöcke sollen im Rahmen der allgemeinen technischen

Gegebenheiten in der Reihenfolge nach § 4 Abs. 1 Satz 3 aufsteigend in den

Kabelanlagen angeordnet werden. Mehrere inhaltlich unterschiedliche Pro-

gramme desselben Rundfunkveranstalters sollen wiederum im Block einge-

speist werden. Zum Zwecke der Kapazitätssteigerung sind Abweichungen von

diesem Grundsatz zulässig.“

§ 7 Kanalbelegungssatzung: Fernsehen

„(Abs. 1) Programme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 sollen vorrangig (…)

eingespeist werden.

(Abs. 2) Im Übrigen entscheidet der Kabelanlagenbetreiber über die technische

Nutzung der zur Verfügung stehenden Frequenzbereiche.“

§ 8 Kanalbelegungssatzung: Rangfolge bei Kapazitätsengpässen

„(Abs. 1) Reichen die Übertragungskapazitäten einer Kabelanlage zur Verbrei-

tung und Weiterverbreitung von Programmen nicht aus, werden Programme in

der nach § 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 4 vorgesehenen Rangfolge berücksichtigt.

Programme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 3 sind ohne Rangfolge vorrangig

einzuspeisen (11 Kanäle). (…).

(Abs. 5) (…) 2Die konkrete Rangfolge aller verbreiteten und weiterverbreiteten

Programme ergibt sich aus der dieser Satzung beigefügten Prioritätenliste.“

Prioritätenliste nach § 8 Abs. 5 Satz 2 KBS500

„1. Priorität (Grundversorgung – 3 Kanäle) (§ 8 Abs. 1 Satz 2 KBS):

ARD, ZDF und das Dritte Programm des Hessischen Rundfunks

2. Priorität (gesetzlich bestimmte Programme – 7 Kanäle) (§ 8 Abs. 1

Satz 2 KBS):

500

Rangfolge nach § 42 Abs. 1 und 3 Hessisches Privatrundfunkgesetz (HPRG) i. V. m. §§ 4 Abs. 1 Satz 3, 8 Abs. 1, 2 und 4 Kanalbelegungssatzung (KBS) für die Versorgungsbereiche Frankfurt, Fulda, Gießen, Kassel.

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3sat, ARTE, ARD/ZDF-Kinderkanal, Phönix, (…).“

g) Mecklenburg-Vorpommern

§ 5 RundfG M-V501: Feststellung und Zuordnung von Übertragungskapazitäten

„(Abs. 2) Die Landesanstalt ordnet in einem Nutzungsplan die gemäß Absatz 1

festgestellten Übertragungskapazitäten unter gleichgewichtiger Berücksichti-

gung der Belange des öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks für die

1. landesweite Verbreitung,

2. Regionalisierung,

3. Lückenversorgung,

4. Pilotprojekte.

Der Nutzungsplan ist so zu gestalten, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunk-

anstalten ihrem gesetzlich auferlegten Programmauftrag und ihrer Verpflichtung

zur Grundversorgung nachkommen können. Daneben soll die technische Voll-

versorgung für mindestens zwei landesweite private Programme im Hörfunk

und Fernsehen sichergestellt werden können. Im Übrigen ist darauf zu achten,

dass eine möglichst große Vielfalt an Meinungen und Informationen bezie-

hungsweise an Programmen unter Berücksichtigung der Gleichgewichtigkeit

von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk sowie von vergleichbaren Te-

lemedien zur Geltung kommen kann. Meinungsverschiedenheiten, insbesonde-

re zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und privaten Rundfunk-

veranstaltern, entscheidet der Innenausschuss des Landtages nach Maßgabe

dieses Absatzes.

(Abs. 3) Ergeben sich für einen nach Absatz 2 aufgestellten Nutzungsplan

nachträglich technische Veränderungen oder treten neue Übertragungs-

kapazitäten hinzu, so wird der Nutzungsplan entsprechend Absatz 2 angepasst.

(Abs. 4) Bei der Aufstellung des Nutzungsplanes nach Absatz 2 und 3 sind

ARD, ZDF und Deutschlandradio, die Verbände privater Rundfunkveranstalter

501

Rundfunkgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Landesrundfunkgesetz – RundfG M-V) vom 20. November 2003, GVOBl. M-V 2003, S. 510, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. März 2010 (GVOBl. M-V S. 150).

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und Anbieter vergleichbarer Telemedien, Zulassungsnehmer nach diesem Ge-

setz, die Bundesnetzagentur und die Landesregierung anzuhören.“

§ 44 RundfG M-V: Offene Kanäle

„(Abs. 5) Der Betreiber einer analogen Kabelanlage oder einer drahtgebunde-

nen Plattform mit einer Kapazität von mehr als 15 Fernsehkanälen, an die mehr

als 3 000 Wohneinheiten angeschlossen sind, stellt auf Beschluss des Medien-

ausschusses einen Fernsehkanal unentgeltlich für die Nutzung als Offenen Ka-

nal zur Verfügung. Bei analogen Kabelanlagen oder drahtgebundenen Plattfor-

men mit mindestens 20 Hörfunkkanälen, an die mehr als 3 000 Wohneinheiten

angeschlossen sind, kann der Medienausschuss beschließen, dass der Betrei-

ber einen Hörfunkkanal unentgeltlich für die Nutzung als Offenen Kanal zur Ver-

fügung stellt. (…)“

§ 46 RundfG M-V: Gestaltung der Offenen Kanäle, Nutzungsbedingungen

„(Abs. 5) Die Verbreitung erfolgt ohne Entgelt und darf nur versagt werden,

wenn der Nutzungsberechtigte mit dem Beitrag gegen dieses Gesetz, die auf

seiner Grundlage erlassenen Rechtsvorschriften oder Entscheidungen oder all-

gemeine Rechtsvorschriften verstößt. (…)“

§ 50 RundfG M-V: Rangfolge der analogen Kabelkanalbelegung

„(Abs. 1) Soweit die analoge Kabelanlage nicht ausreicht, sämtliche vorhande-

nen und herangeführten Programme in das Kabelnetz aufzunehmen, gelten zur

Sicherung einer pluralistischen am Gebot der Meinungsvielfalt orientierten Me-

dienordnung die nachfolgenden Belegungsregelungen.

(Abs. 2) Der Betreiber einer analogen Kabelanlage ist verpflichtet, zeitgleich,

vollständig und unverändert weiterzuverbreiten:

1. die für das Land Mecklenburg-Vorpommern gesetzlich bestimmten (…)

Programme (…).

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148

(Abs. 3) 2Die Kabelanlage ist im Umfang ihrer Kapazität so einzurichten, dass

jeder Inhaber und jede Inhaberin eines Anschlusses sämtliche nach Maßgabe

des Absatzes 2 einzuspeisenden Programme empfangen kann. (…)“

§ 50a RundfG M-V: Entgelt- und Verfahrensregelungen

„(Abs. 1) Der Betreiber der analogen Kabelanlage hat sicherzustellen, dass

Entgelte und Tarife für die Programme nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 und 2 offen ge-

legt werden. Entgelte und Tarife sind (…) so zu gestalten, dass auch regional

begrenzte Angebote zu angemessenen und chancengleichen Bedingungen

verbreitet werden können. Versichert ein Veranstalter eines Regionalpro-

gramms gegenüber der Landesanstalt glaubhaft, dass der Betreiber einer ana-

logen Kabelanlage höhere Entgelte als nach diesen Bestimmungen von ihm

fordert, kann die Landesanstalt von dem Betreiber der analogen Kabelanlage

verlangen, dass er seine Einnahmen durch Einspeisungsentgelte für die jeweili-

gen Rundfunkveranstalter nachweist.

(Abs. 2) Kommt der Betreiber der analogen Kabelanlage den Verpflichtungen

nach (…) § 50 nicht nach (…), kann die Landesanstalt die Verbreitung untersa-

gen oder die Einspeisung eines Programms anordnen. (…)“

§ 50c RundfG M-V: Satzungen, Richtlinien

„Die Landesanstalt regelt durch Satzungen und Richtlinien Einzelheiten zur

Konkretisierung dieses Teils. Dabei ist die Bedeutung für die öffentliche Mei-

nungsbildung für den Empfängerkreis in Bezug auf den Übertragungsweg zu

berücksichtigen.“

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149

§ 1 Kanalbelegungsplan502: Anwendungsbereich

„(Abs. 3) Diese Satzung gilt für Kabelanlagen mit mehr als 100 Wohneinheiten.

(…)“

§ 3 Kanalbelegungsplan: Allgemeine Belegungsgrundsätze

„(Abs. 1) Die Kanalbelegung erfolgt für die analoge Belegung aufgrund des § 50

Absatz 1 bis 3 RundfG M-V unter Beachtung der Reihenfolge der nachstehend

aufgeführten Programmblöcke.

Diese umfassen

a) im must-carry-Bereich

1. die gesetzlich bestimmten (…) Programme, (…).“

§ 4 Kanalbelegungsplan: Vorrangig einzuspeisende Programme

„(Abs. 1) Die aufgrund des NDR-Staatsvertrages, des ZDF-Staatsvertrages und

des Rundfunkstaatsvertrages veranstalteten öffentlich-rechtlichen Rundfunk-

programme (…) sind zwingend einzuspeisen bzw. zeitgleich, vollständig und

unverändert zu verbreiten (must-carry-Programme).

(Abs. 3) Der Kabelanlagenbetreiber ist verpflichtet, die must-carry-Programme

grundsätzlich in technisch gleichwertigen Kanälen im unteren Frequenzbereich

einzuspeisen.“

§ 5 Kanalbelegungsplan: Mangel an Übertragungskapazitäten

„Stehen in einer Kabelanlage mehr in analoger Technik verbreitete Fernsehpro-

gramme zur Einspeisung an, als Kanäle verfügbar gemacht werden können,

richtet sich die Auswahl der einzuspeisenden Programme nach den nachfol-

genden Bestimmungen.“

502

Satzung der Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern (MMV) gemäß § 50c RundfG M-V über die Verbreitung und Weiterverbreitung von Rundfunkprogrammen in analogen Kabelanlagen – Kanal-belegungsplan –, Bekanntmachung der Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern vom 27. Januar 2010, AmtsBl. M-V 2010 S. 64, geändert durch Satzung vom 29.09.2010 (AmtsBl. M-V 2010 S. 627).

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150

§ 9 Kanalbelegungsplan: Belegung mit analogen Fernsehprogrammen (must-

carry- und can-carry-Bereiche)

„(Abs. 1) Einspeisung must-carry:

a) Von den Übertragungskapazitäten werden zur analogen Übertragung

(PAL) von vorrangig zu berücksichtigenden Fernsehangeboten nach § 50

Absatz 1 bis 3 RundfG M-V Übertragungskapazitäten ausgewiesen: wahl-

weise im Standardbereich I, III, IV einschließlich des oberen und unteren

Sonderkanalbereiches und des erweiterten Sonderkanalbereichs.

Von diesen werden den in der ARD zusammengeschlossenen öffentlich-

rechtlichen Rundfunkanstalten für ihr Fernsehangebot ARD-Das Erste,

dem NDR sowie dem ZDF jeweils ein Kanal zugewiesen.

Von diesen werden den in der ARD zusammengeschlossenen öffentlich-

rechtlichen Rundfunkanstalten und dem ZDF für die auch für Mecklen-

burg-Vorpommern gesetzlich bestimmten Fernsehangebote 3sat, ARTE,

ARD/ZDF Kinderkanal, Phoenix jeweils ein Kanal zugewiesen. (…)“

§ 10 Kanalbelegungsplan: Übertragungskapazitäten in Breitbandkabelnetzen

für vorrangig zu berücksichtigende Hörfunkangebo-

te (analog)

„(Abs. 1) Von den in Kabelnetzen nutzbaren Übertragungskapazitäten werden

zur analogen Übertragung von vorrangig zu berücksichtigenden Hörfunkange-

boten nach § 50 RundfG M-V Frequenzen im Standardbereich II ausgewiesen.

(Abs. 2) Davon werden nach Absatz 1 dem NDR für seine Hörfunkangebote

NDR 1 Radio MV, NDR 2, NDR Kultur, NDR Info und N-Joy-Radio fünf Fre-

quenzen zugewiesen. (…)“

(Abs. 3) Ferner werden nach Absatz 1 dem Deutschlandradio für die gesetzlich

bestimmten Hörfunkangebote „Deutschlandfunk“ und „Deutschlandradio Kultur“

zwei Frequenzen zugewiesen.“

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151

h) Niedersachsen

§ 1 NMedienG503: Regelungsgegenstand

„(…) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf das Veranstalten und Weiter-

verbreiten von Rundfunk und das Weiterverbreiten von vergleichbaren Tele-

medien

1. in einer Einrichtung, die sich auf ein Gebäude oder einen zusammengehö-

renden Gebäudekomplex beschränkt,

2. in Kabelanlagen mit analoger Übertragungstechnik, die zur Versorgung

von höchstens 100 Wohneinheiten dienen, oder

3. auf Plattformen, die zur Versorgung von höchstens 100 Wohneinheiten

dienen. (…)“

§ 3 NMedienG: Zuordnung von terrestrischen Übertragungskapazitäten

„(Abs. 1) Freie terrestrische Übertragungskapazitäten, die dem Land zustehen

und die nicht zur Durchführung von Modellversuchen nach § 31 verwendet wer-

den sollen, werden durch die Staatskanzlei dem Norddeutschen Rundfunk

(NDR), dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF), dem Deutschlandradio oder

der Landesmedienanstalt nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 zugeordnet.

(Abs. 2) Durch die Zuordnung von Übertragungskapazitäten, ausgenommen

UKW-Hörfunkfrequenzen, ist

1. die verfassungsrechtlich gebotene Versorgung des Landes mit den für das

Land bestimmten Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein-

schließlich programmbegleitender Dienste zu gewährleisten,

2. ein vielfältiges, dem Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rund-

funks gleichgewichtiges Programmangebot privater Veranstalter ein-

schließlich programmbegleitender Dienste zu sichern,

3. die Versorgung des Landes mit Bürgerrundfunk zu ermöglichen,

503

Niedersächsisches Mediengesetz (NMedienG) in der Neufassung vom 11. Oktober 2010 (Nds. GVBl. Nr. 25/2010, S. 480 ff).

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152

4. die Schließung von Versorgungslücken bestehender Programme zu be-

wirken,

5. die Teilhabe des Rundfunks an der weiteren Entwicklung von Program-

men und Technik zu gewährleisten,

6. die Versorgung des Landes mit vergleichbaren Telemedien zu ermögli-

chen, soweit die Übertragungskapazitäten nicht zur Verbreitung von Rund-

funk benötigt werden.

(Abs. 3) Für die Nutzung von UKW-Hörfunkfrequenzen ist durch die Zuordnung

zu gewährleisten, dass

1. die Versorgung des Landes mit

a) den für das Land bestimmten Programmen des NDR flächendeckend,

b) zwei landesweiten Vollprogrammen und einem landesweiten Sparten-

programm privater Veranstalter flächendeckend,

c) Bürgerrundfunk und

d) einem Programm des Deutschlandradios flächendeckend

gesichert ist,

2. nachrangig die Versorgung lokal oder regional begrenzter Gebiete mit

Vollprogrammen und Spartenprogrammen mit dem Schwerpunkt Informa-

tion privater Veranstalter ermöglicht wird,

3. weiter nachrangig

a) der NDR an der weiteren Entwicklung von Programmen und der NDR

und das Deutschlandradio an der weiteren Entwicklung der Sende-

technik teilhaben können sowie

b) die Versorgung mit weiteren Programmen privater Veranstalter ermög-

licht wird.

Im Fall der Gleichrangigkeit der Angebote kann insbesondere der jeweils be-

reits erreichte Versorgungsgrad berücksichtigt werden.

(Abs. 4) Reichen die Übertragungskapazitäten für den von den Beteiligten nach

Absatz 1 geltend gemachten Bedarf aus, so sind sie entsprechend zuzuordnen.

Reichen sie nicht aus, so wirkt die Staatskanzlei auf eine Verständigung auf der

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153

Grundlage des Absatzes 2 oder 3 zwischen den Beteiligten nach Absatz 1 hin.

Dabei ist im Rahmen der Anwendung des Absatzes 2 vorrangig die verfas-

sungsrechtlich gebotene Versorgung des Landes durch die Rundfunk-

programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einschließlich pro-

grammbegleitender Dienste zu gewährleisten; im Übrigen sind öffentlich-

rechtlicher und privater Rundfunk gleichgestellt. Wird eine Verständigung er-

zielt, so ordnet die Staatskanzlei die Übertragungskapazität entsprechend der

Verständigung zu.

(Abs. 5) Kommt eine Verständigung nach Absatz 4 nicht zustande, so wird ein

Schiedsverfahren durchgeführt. (…)

(Abs. 7) Die Schiedsstelle trifft ihre Entscheidung auf der Grundlage des Absat-

zes 2 oder 3; Absatz 4 Satz 3 gilt entsprechend. Sie entscheidet mit der Mehr-

heit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme der

oder des Vorsitzenden den Ausschlag. Die Staatskanzlei ordnet die Übertra-

gungskapazität entsprechend der Entscheidung der Schiedsstelle zu.“

§ 34 NMedienG: Belegung von Kanälen in Kabelanlagen mit analoger Übertra-

gungstechnik mit Rundfunkprogrammen und vergleichbaren

Telemedien

„(Abs. 1) Die Kabelanlagen, über die Fernsehprogramme analog empfangen

werden sollen, sind so einzurichten, dass zumindest die Fernsehprogramme,

die nach diesem Gesetz terrestrisch verbreitet werden, (…) sowie die Fernseh-

programme empfangen werden können, die nach einem anderen niedersächsi-

schen Gesetz für Niedersachsen veranstaltet werden. (…)6 Haben die Kanäle

der Kabelanlage unterschiedliche technische Reichweiten, so sind die in Satz 1

genannten Programme den Kanälen mit der größten Reichweite zuzuführen.

(Abs. 2) Stehen für weitere Fernsehprogramme Kabelkanäle nicht in ausrei-

chender Zahl zur Verfügung, so legt die Landesmedienanstalt die Rangfolge

fest, nach der die nicht nach Absatz 1 berücksichtigten Fernsehprogramme ei-

nen Kabelkanal erhalten. Für diese Festlegung ist der Beitrag des jeweiligen

Angebots zur Vielfalt des Gesamtangebots in der Kabelanlage maßgeblich; re-

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154

gionale und länderübergreifende Informationsbedürfnisse sind zu berücksichti-

gen.

(Abs. 5) Verstößt der Betreiber einer Kabelanlage gegen die Vorschriften des

Absatzes 1 oder gegen eine Entscheidung der Landesmedienanstalt nach Ab-

satz 2, so ordnet die Landesmedienanstalt auf Antrag des Veranstalters die

Weiterverbreitung des Programms zu den für vergleichbare Programme anzu-

wendenden Nutzungsbedingungen des Betreibers an.

(Abs. 6) Für Kabelanlagen, über die Hörfunkprogramme analog empfangen

werden sollen, gelten die Absätze 1 (…) entsprechend.

(Abs. 7) Betreiber von Kabelanlagen in einem nach § 26 Abs. 1 festgelegten

Verbreitungsgebiet für Bürgerrundfunk sind verpflichtet, zur Verbreitung der

Sendungen dort zugelassener Veranstalter von Bürgerrundfunk auf deren Ver-

langen bis zu einen Kanal für Fernsehen und einen Kanal für Hörfunk unentgelt-

lich zur Verfügung zu stellen.

(Abs. 8) Für die Ausgestaltung und Offenlegung von Entgelten und Tarifen gilt

§ 52d RStV entsprechend.“

Rangfolge für die Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen und Medien-

diensten in Kabelanlagen nach § 34 des Niedersächsischen Mediengesetzes504:

„ARD, ZDF, NDR Fernsehen (Niedersachsen), 3sat, ARTE, KIKA, Phoenix.“

i) Nordrhein-Westfalen

§ 10 LMG NRW505: Grundsätze

„(Abs. 1) Freie terrestrische und Satelliten-Übertragungskapazitäten, die dem

Land Nordrhein-Westfalen für Rundfunk und vergleichbare Telemedien zur Ver-

504

Vgl. http://www.nlm.de/fileadmin/dateien/aktuell/Rangfolge_-_13.9.2012.pdf. 505

Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen (LMG NRW) vom 2. Juli 2002 (Gesetz- und Verord-nungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen – Nr. 20 vom 30. Juli 2002 (GV. NRW 2002 S. 334)), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den „Westdeutschen Rundfunk Köln“ und des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen (LMG NRW) – 13. Rundfunkänderungsgesetz – vom 8. Dezember 2009, in Kraft getreten am 15. Dezember 2009 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen – Nr. 35 vom 14.12.2009 (GV. NRW 2009 S. 728).

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155

fügung stehen, sind der LfM für die privaten Veranstalter von Rundfunk und

vergleichbare Telemedien und den zur programmlichen Versorgung des Landes

Nordrhein-Westfalen zuständigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern

zuzuordnen.

(Abs. 2) Die Sicherstellung der Grundversorgung mit öffentlich-rechtlichem

Rundfunk einschließlich programmbegleitender Dienste hat Vorrang. Der LfM

werden Übertragungskapazitäten, die für eine möglichst flächendeckende Ver-

sorgung mit lokalem Hörfunk im Sinne des § 54 Abs. 2 erforderlich sind, zuge-

ordnet. Im Übrigen werden Übertragungskapazitäten nach den folgenden Ge-

sichtspunkten zugeordnet:

1. Sicherung der funktionsgerechten Erfüllung des gesetzlichen Auftrags des

öffentlich-rechtlichen Rundfunks,

2. Sicherung einer möglichst umfassenden Versorgung der Bevölkerung mit

einem vielfältigen Programmangebot und programmbegleitenden Diensten

des privaten Rundfunks,

3. Berücksichtigung landesweiter, regionaler und lokaler Belange,

4. Sicherung der Fortentwicklung des Rundfunks durch neue Rundfunk-

techniken,

5. Versorgung der Bevölkerung mit vergleichbaren Telemedien.“

§ 11 LMG NRW: Zuordnungsverfahren

„(Abs. 1) Der Ministerpräsident gibt dem Land Nordrhein-Westfalen zur Verfü-

gung stehende Übertragungskapazitäten den öffentlich-rechtlichen Veranstal-

tern und der LfM bekannt und wirkt darauf hin, dass sich die Beteiligten über ei-

ne sachgerechte Zuordnung einigen. Kommt eine Einigung zustande, ordnet

der Ministerpräsident die Übertragungskapazität zu und unterrichtet den im

Landtag zuständigen Ausschuss entsprechend.“

§ 14 LMG NRW: Vorrangentscheidung

„(Abs. 1) Bestehen keine ausreichenden Übertragungskapazitäten für alle An-

tragstellenden, die die Voraussetzungen nach § 13 erfüllen und für alle Veran-

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156

stalter, deren Programm weiterverbreitet werden soll, trifft die LfM eine Vorrang-

entscheidung. Dabei berücksichtigt sie die Meinungsvielfalt in den Programmen

(Programmvielfalt) und die Vielfalt der Programmanbieter (Anbietervielfalt).“

§ 18 LMG NRW: Analoge Kabelanlagen

„(Abs. 1) Der Betreiber einer analogen Kabelanlage hat die Kanäle der Kabel-

anlage so zu belegen, dass alle angeschlossenen Teilnehmerinnen und Teil-

nehmer vorrangig die für Nordrhein-Westfalen gesetzlich bestimmten öffentlich-

rechtlichen Rundfunkprogramme (…) empfangen können.

(Abs. 2) Reicht die Kapazität einer Kabelanlage nicht für die Verbreitung und

Weiterverbreitung aller weiteren Rundfunkprogramme aus, die in sie einge-

speist werden sollen, trifft die LfM für höchstens 17 Kanäle die Vorrangent-

scheidung nach § 14. Dabei sind die aufgrund einer Zuweisung der LfM terrest-

risch verbreiteten landesweiten Rundfunkprogramme vorrangig zu berücksichti-

gen. Im Rahmen der Vorrangentscheidung legt die LfM auch fest, welche Kanä-

le für die Belegung nach Satz 1 zur Verfügung stehen.

(Abs. 9) Die Entscheidung über die Belegung der verbleibenden Kanäle, auch

mit vergleichbaren Telemedien, trifft der Betreiber der Kabelanlage nach Maß-

gabe der allgemeinen Gesetze. §§ 20 Abs. 3 und 4, 21 Abs. 3506 gelten ent-

sprechend.

(Abs. 10) Im Übrigen gelten die Vorschriften des RStV über die Gestaltung und

Offenlegung von Entgelten und Tarifen für Rundfunkprogramme und Tele-

medien in der jeweils geltenden Fassung entsprechend.“

§ 19 LMG NRW: Ausnahmen

„(Abs. 1) Für Einrichtungen (§ 84) und Wohnanlagen (§ 85) lässt die LfM auf

Antrag des Betreibers der Kabelanlagen Ausnahmen von der Rangfolge des

§ 18 zu. Dabei sollen die Wünsche der angeschlossenen Teilnehmerinnen und

Teilnehmer angemessen berücksichtigt werden.“

506

§ 21 Abs. 3 LMG NRW: „Die Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen in digitalen Kabelanlagen richtet sich nach § 51b RStV. (…).“

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157

§ 22 LMG NRW: Unentgeltlichkeit

„Die Verbreitung des in § 21 Abs. 2 genannten Fernsehprogramms (Bürgerfern-

sehen) erfolgt unentgeltlich. Dies gilt nicht für die Heranführung. (…)“

§ 85 LMG NRW: Sendungen in Wohnanlagen

„(Abs. 1) Sendungen außerhalb von Einrichtungen, die in einem Gebäude oder

zusammengehörigen Gebäudekomplex mittels einer Kabelanlage mit bis zu 100

angeschlossenen Wohneinheiten veranstaltet werden, bedürfen keiner Zulas-

sung.“

Gesetzlich bestimmte Programme gemäß 8. Vorrangentscheidung bei der Ka-

nalbelegung in den Kabelanlagen Nordrhein-Westfalens507:

„ARD, ZDF, WDR Fernsehen, ARTE, 3sat, KIKA, Phoenix.“

j) Rheinland-Pfalz

§ 28 LMG508: Zuteilung von Übertragungskapazitäten

„(Abs. 1) Landesregierung und LMK wirken darauf hin, dass zusätzliche Über-

tragungskapazitäten (Satellitenkanäle, terrestrische Frequenzen, Kabel) für das

Land Rheinland-Pfalz verfügbar gemacht werden.

(Abs. 2) Stehen dem Land Rheinland-Pfalz freie und fernmeldetechnisch koor-

dinierte Übertragungskapazitäten für Rundfunkzwecke zu und werden diese

nicht für bundesweite Versorgungsbedarfe benötigt, so wirkt die Landesregie-

rung darauf hin, dass sich die für Rheinland-Pfalz zuständigen öffentlich-

rechtlichen Rundfunkanstalten des Landesrechts und die LMK über eine sach-

gerechte Zuteilung verständigen. Wird eine Verständigung erreicht, teilt die

507

Gemäß §§ 18 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 14 Abs. 1 Satz 1 LMG NRW, abrufbar unter: http://www.lfm-nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/Fernsehen/8-_Rangfolgeentscheidung-Kabelbelegung.pdf.

508 Landesmediengesetz (LMG) vom 4. Februar 2005 (GVBl. S. 23) in der Fassung vom 20. Dezember 2011 (GVBl. S. 427).

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Landesregierung diese technischen Übertragungskapazitäten entsprechend der

Verständigung zu.

(Abs. 3) Kommt eine Verständigung nach Absatz 2 nicht zustande, wird ein

Schiedsverfahren durchgeführt. (…) 11Die Schiedsstelle macht einen begründe-

ten Vorschlag über die Zuteilung der technischen Übertragungskapazitäten mit

der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit gibt die Stim-

me des vorsitzenden Mitglieds den Ausschlag. Der Vorschlag über die Zutei-

lung von Übertragungskapazitäten soll dabei einbeziehen, dass

1. im Fernsehen die technische Vollversorgung durch das Hauptprogramm

der ARD, das Hauptprogramm des ZDF und das Dritte Fernsehprogramm

des Südwestrundfunks sowie eine möglichst weit gehende örtliche techni-

sche Versorgung für mindestens zwei private Programme gesichert ist,

2. im Hörfunk die technische Vollversorgung durch die am 1. Januar 1992

bestehenden Hörfunkprogramme des damaligen Südwestfunks und nun-

mehrigen Südwestrundfunks sowie durch zwei private landesweite Pro-

gramme gesichert und auf eine möglichst landesweite Versorgung mit den

Programmen des Deutschlandradios hinzuwirken ist,

3. die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten des Landesrechts an der wei-

teren Entwicklung in sendetechnischer und programmlicher Hinsicht teil-

nehmen können,

4. die Versorgung der Bevölkerung im Hörfunk und im Fernsehen durch wei-

tere private Programme verbessert wird.

Bei der Entscheidung sind die genannten Kriterien nicht getrennt, sondern auf

der Grundlage eines Gesamtbedarfs an Übertragungskapazitäten mit dem Ziel

einer optimalen Ausnutzung vorhandener technischer Möglichkeiten zu werten.

(Abs. 4) Die Landesregierung teilt die technischen Übertragungskapazitäten auf

der Grundlage des Vorschlags der Schiedsstelle zu.“

§ 31 LMG: Medienkompetenznetzwerke, Offene Kanäle

„(Abs. 3) (…) Der Betreiber einer Kabelanlage mit einer Kapazität von mehr als

15 Fernsehkanälen, an die mehr als 5.000 Haushalte angeschlossen sind, hat

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auf Verlangen der LMK einen analogen Fernsehkanal, bei digitaler Verbreitung

wahlweise die digitale Übertragungskapazität für ein Fernsehprogramm unent-

geltlich für die Nutzung als Offener Kanal zur Verfügung zu stellen.“

§ 33 LMG: Rangfolge von Programmen bei der Kabelverbreitung in analoger

Technik

„(Abs. 1) Reicht die Übertragungskapazität einer in analoger Technik betriebe-

nen Kabelanlage zur Verbreitung von Fernsehprogrammen nicht aus, so wer-

den Programme in folgender Reihenfolge berücksichtigt:

1. die für das Land Rheinland-Pfalz gesetzlich bestimmten analogen Fern-

sehprogramme und die aufgrund einer Zuordnung im Bereich der Kabel-

anlage analog terrestrisch verbreiteten Fernsehprogramme (…).

(Abs. 6) Über die Belegung von Kabelanlagen mit Hörfunkprogrammen in ana-

loger Technik entscheidet die LMK unter entsprechender Berücksichtigung der

Grundsätze des Absatzes 1 und der größtmöglichen Angebotsvielfalt.

(Abs. 7) Die LMK bestimmt über die Grundsätze und Vorgaben der Belegung

einer Kabelanlage unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten und der

Teilnehmerinteressen durch Satzung. (…)“

§ 2 Kanalbelegungssatzung509: Anwendungsbereich

„(Abs. 2) Die Regelungen dieser Satzungen (…) finden keine Anwendung auf

Kabelanlagen mit bis zu 200 angeschlossenen Wohneinheiten.“

§ 6 Kanalbelegungssatzung: Verpflichtend einzuspeisende Programme

„(Abs. 1) In jede Kabelanlage sind einzuspeisen

509

Gemäß §§ 38 Abs. 1 Satz 2, 33 Abs. 7 und 42 Ziff. 3 LMG, Satzung der Landeszentrale für Medien und Kommunikation über die Grundsätze der Kanalbelegung für die Kabelanlagen des Landes Rheinland-Pfalz vom 18. April 2005 (StAnz. S. 614) in der Fassung vom 22. März 2010 (StAnz. S. 530).

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1. die für das Land Rheinland-Pfalz gesetzlich bestimmten analogen Pro-

gramme und die aufgrund einer Zuordnung im Bereich der Kabelanlage

analog terrestrisch verbreiteten Fernsehprogramme, (…).“

§ 8 Kanalbelegungssatzung: Verfahren, Belegungsentscheidung der LMK

„(Abs. 1) Der Kabelnetzbetreiber unterbreitet der LMK einen Vorschlag über die

Belegung seiner Anlage. Die LMK unterrichtet die von Änderungen nachteilig

betroffenen Veranstalter von der geplanten Belegung mit dem Hinweis, dass

Einwendungen binnen einer Frist von 2 Wochen an die LMK zu richten sind. Die

LMK genehmigt die Belegung, wenn sie den Regelungen des Landesmedien-

gesetzes und dieser Satzung entspricht, durch Bescheid gegenüber dem Ka-

belnetzbetreiber und den nachteilig betroffenen Veranstaltern.

(Abs. 2) Entspricht der Belegungsvorschlag nicht den Regelungen des Lan-

desmediengesetzes oder dieser Satzung oder legt der Kabelnetzbetreiber kei-

nen Belegungsvorschlag vor, setzt die LMK ihm unter Darlegung der maßgebli-

chen Gründe eine angemessene Frist zur Unterbreitung eines gesetzmäßigen

Belegungsvorschlags. Liegt ein solcher Vorschlag nach Ablauf der Frist nicht

vor, entscheidet die LMK über die Belegung der Kabelanlage.“

Programmliste der LMK durch Versammlungsbeschluss vom 22.3.2010510:

„I. Programme nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 LMG:

ARD SWR (Südwestrundfunk Erstes Programm – Rheinland-Pfalz)

ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen)

SWR RP (Südwestrundfunk Drittes Programm (Rheinland-Pfalz))

3sat (Rundfunkanstalten ZDF u. ARD, Österr. Rundfunk u. Schweizer

Rundfunk)

ARTE (Chaine Culturelle Européenne)

KIKA – Kinderkanal (ARD und ZDF)

510

Abrufbar unter: http://www.lmk-online.de/fileadmin/webdateien/PDF/Kanalbelegung_Programm liste_2010x.pdf.

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Phoenix – Ereignis- und Dokumentationskanal (ARD und ZDF).“

k) Saarland

§ 21 SMG511: Zuordnung neuer terrestrischer Übertragungskapazitäten

„(Abs. 2) Die Zuordnung dem Saarland zur Verfügung stehender neuer terres-

trischer Übertragungskapazitäten zur programmlichen Nutzung, deren Zuord-

nung bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes nicht geregelt war, erfolgt nach Maß-

gabe der folgenden Absätze.

(Abs. 3) Stehen dem Saarland Übertragungskapazitäten für Rundfunkzwecke

zur Verfügung, gibt die Landesregierung dies den für das Saarland zuständigen

öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern und der LMS bekannt. Die Landes-

regierung wirkt darauf hin, dass sich die zuständigen öffentlich-rechtlichen

Rundfunkveranstalter und die LMS über eine sachgerechte Zuordnung der zur

Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten verständigen. Wird eine Ver-

ständigung erreicht, ordnet die Landesregierung die Übertragungskapazitäten

zu und unterrichtet den für Medienfragen zuständigen Ausschuss des Landtags

über das Ergebnis der Verständigung.

(Abs. 4) Kommt eine einvernehmliche Verständigung der Beteiligten nach Ab-

satz 3 Satz 2 innerhalb von drei Monaten nach der Bekanntgabe gemäß Ab-

satz 3 Satz 1 nicht zustande, entscheidet der für Medienfragen zuständige Aus-

schuss des Landtages auf Vorschlag der Staatskanzlei und unter Berücksichti-

gung der Stellungnahmen der Beteiligten nach Absatz 3 über die Zuordnung

nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.

(Abs. 5) Übertragungskapazitäten, die zur Sicherstellung der Grundversorgung

mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk erforderlich sind, werden dem öffentlich-

rechtlichen Rundfunk zugeordnet.

(Abs. 6) Unbeschadet des Absatzes 5 sind die Übertragungskapazitäten insge-

samt so zuzuordnen, dass eine möglichst gleichgewichtige Entwicklung des öf-

511

Saarländisches Mediengesetz (SMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 2002 (Amtsbl. 2002 S. 498 ff, S. 754), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG vom 19. September 2012 (Amtsbl. I. 2012 S. 406).

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fentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks gesichert wird. Dabei sind fol-

gende Gesichtspunkte einzubeziehen:

1. Sicherung der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags des öffentlich-

rechtlichen Rundfunks,

2. Sicherung einer flächendeckenden Versorgung im jeweiligen Verbrei-

tungsgebiet mit landesweit verbreiteten und lokalen privaten Rundfunkpro-

grammen,

3. die Vielfalt des Programmangebots.

(Abs. 7) Werden bislang in analoger Technik genutzte terrestrische Übertra-

gungskapazitäten für die Übertragung von Rundfunkprogrammen in digitaler

Technik genutzt, sind diejenigen Anbieter vorrangig zu berücksichtigen, die ihr

Programm auf diesen Übertragungskapazitäten bislang in analoger Technik

verbreitet haben.

(Abs. 8) In einer Einführungsphase von fünf Jahren erhalten bei der Zuweisung

digitaler terrestrischer Übertragungskapazitäten im Fernsehen die in der ARD

zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und das ZDF insgesamt 50

vom Hundert der Gesamtkapazität für ihre Diensteangebote. Dies schließt den

Betrieb des technischen Multiplex für ARD und ZDF ein.

(Abs. 9) Spätestens ab dem 1. Januar 2010 für Fernsehsendungen und ab dem

1. Januar 2015 für Hörfunksendungen soll die terrestrische Übertragung im

Saarland ausschließlich in digitaler Technik erfolgen. Satz 1 gilt nicht für Veran-

stalter von Rundfunkprogrammen, die schwerpunktmäßig nach Gebieten au-

ßerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgestrahlt werden. Zur Förderung

des digitalen terrestrischen Hörfunks wird der Saarländische Rundfunk beauf-

tragt, ein zusätzliches Hörfunkprogramm nach § 11 c Absatz 2 Satz 2 des

Rundfunkstaatsvertrags zu veranstalten.“

§ 53 SMG: Weiterverbreitung von Angeboten in Kabelanlagen

„(Abs. 2) Die Betreiberin oder der Betreiber einer Kabelanlage hat sicherzustel-

len, dass die erforderlichen Übertragungskapazitäten für die für das Saarland

gesetzlich bestimmten Programme (…) zur Verfügung stehen. (…).

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163

(Abs. 4) Die LMS bestimmt unter Einbeziehung der Belegungsvorgaben nach

den Absätzen 2 und 3 über die Kanalbelegung mit Angeboten im Umfang von

zwei Dritteln der im analogen Kabel zum 13. Juli 2006 verfügbaren analogen

Kapazitäten unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten und der von der

Betreiberin oder dem Betreiber der Kabelanlage gegebenen Hinweise sowie mit

dem Ziel der Sicherung von Meinungsvielfalt unter Beachtung von Anbieter-

und Angebotsvielfalt sowie einer angemessenen Berücksichtigung auch von

dem Rundfunk vergleichbaren Telemedien nach Maßgabe einer Satzung. Über

die darüber hinausgehende Kanalbelegung entscheidet die Betreiberin oder der

Betreiber der Kabelanlage allein nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze. Hält

die Betreiberin oder der Betreiber der Kabelanlage nach Feststellung der LMS

die durch Gesetz oder Rundfunkstaatsvertrag vorgegebenen Regelungen nicht

ein oder verletzt sie oder er infolge der Umwandlung eines analog genutzten

Kanals Belange des Rundfunks, entscheidet die LMS nach Setzung einer an-

gemessenen Frist unmittelbar über die Belegung.“

§ 1 Kabelbelegungssatzung512: Anwendungsbereich

„(Abs. 5) Die Regelungen dieser Satzung finden keine Anwendung auf Kabelan-

lagen mit nicht mehr als 100 angeschlossenen Wohneinheiten. Die Betreiberin-

nen oder Betreiber solcher Kabelanlagen haben der LMS auf Verlangen mitzu-

teilen, welche Programme in den von ihnen betriebenen Kabelanlagen einge-

speist werden.“

§ 5 Kabelbelegungssatzung: Belegung mit Hörfunkprogrammen

„(Abs. 2) Von den in Kabelanlagen nutzbaren Übertragungskapazitäten werden

zur analogen Verbreitung von nach dem SMG vorrangig zu berücksichtigenden

Hörfunkangeboten Kanäle im Frequenzbereich nach § 3 Abs. 1 ausgewiesen.

512

Satzung der Landesmedienanstalt Saarland (LMS) über die Grundsätze der Kanalbelegung für die Kabelanlagen im Saarland vom 31. Mai 2007 (Amtsblatt 2007 S. 1187 ff), die auf der Grundlage des § 53 Abs. 4 Satz 1, des § 53 Abs. 1 Satz 2 Saarländisches Mediengesetz (SMG) vom 27. Februar 2002 (Amtsbl. 2002, S. 498, 754), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. April 2007 (Amtsbl. 2007, S. 1062), i.V.m. § 52 Abs. 5 Rundfunkstaatsvertrag (Amtsbl. 1991, S. 1290), zuletzt geändert durch den Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (Amtsbl. 2007, S. 450), i.V.m. § 57 Nr. 9 SMG erlassen wurde.

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164

(Abs. 3) Davon werden nach Absatz 2 dem SR für seine Hörfunkangebote min-

destens vier Kanäle zugewiesen.

(Abs. 4) Ferner werden nach Absatz 2 dem Deutschlandradio für dessen ge-

setzlich bestimmte Hörfunkangebote zwei Kanäle zugewiesen.“

§ 6 Kabelbelegungssatzung: Belegung mit Fernsehprogrammen und ver-

gleichbaren Telemedien

„(Abs. 1) In jede Kabelanlage sind mindestens einzuspeisen

1. die für das Saarland gesetzlich bestimmten analogen Programme (ARD-

Gemeinschaftsprogramm, SR Fernsehen, ZDF, 3sat, ARTE, Kinderkanal,

Phoenix), (…).“

§ 7 Kabelbelegungssatzung: Engpassregelung

„(Abs. 1) Reichen zwei Drittel der im analogen Kabel zum 13. Juli 2006 verfüg-

baren analogen Kapazitäten einer Kabelanlage zur Verbreitung von Angeboten

nach § 6 Abs. 1 nicht aus, so werden Angebote in der dort genannten Reihen-

folge berücksichtigt. (…)“

§ 9 Kabelbelegungssatzung: Kanalzuweisung

„(Abs. 1) Die LMS kann die Einspeisung eines Angebotes landesweit oder für

einzelne Kabelanlagen bestimmen. Die LMS kann die Einspeisung eines oder

mehrerer Angebote für einen Kabelkanal bestimmen (Zeitpartagierung).

(Abs. 2) Entscheidungen nach Absatz 1 erfolgen nach vorheriger Abstimmung

der technischen Gegebenheiten in den betroffenen Kabelanlagen zwischen der

LMS und der Betreiberin oder dem Betreiber einer Kabelanlage.“

§ 11 Kabelbelegungssatzung: Belegungsentscheidung der LMS

„(Abs. 1) Die Betreiberin oder der Betreiber einer Kabelanlage unterbreitet der

LMS einen Vorschlag über die Belegung seiner Anlage. Die LMS unterrichtet

die von Änderungen nachteilig betroffenen Anbieterinnen oder Anbieter von der

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165

geplanten Belegung mit dem Hinweis, dass Einwendungen binnen einer Frist

von 2 Wochen an die LMS zu richten sind. Die LMS genehmigt die Belegung,

wenn sie den Regelungen des SMG und dieser Satzung sowie den Vorgaben

der Programmliste der LMS entspricht, durch Bescheid gegenüber der Betreibe-

rin oder dem Betreiber der Kabelanlage und den nachteilig betroffenen Veran-

stalterinnen oder Veranstaltern.

(Abs. 2) Entspricht der Belegungsvorschlag nicht den Regelungen des SMG

oder dieser Satzung oder den Vorgaben der Programmliste der LMS oder legt

die Betreiberin oder der Betreiber einer Kabelanlage keinen Belegungsvor-

schlag vor, setzt die LMS ihr oder ihm unter Darlegung der maßgeblichen

Gründe eine angemessene Frist zur Unterbreitung eines gesetzmäßigen Bele-

gungsvorschlags. Liegt ein solcher Vorschlag nach Ablauf der Frist nicht vor,

entscheidet die LMS über die Belegung der Kabelanlage. (…).“

§ 12 Kabelbelegungssatzung: Erstellung der Programmliste

„(Abs. 1) Die Programmliste wird durch die Direktorin oder den Direktor der

LMS erstellt und bei Veränderungen durch Hinzutreten oder Wegfall von Pro-

grammen oder wesentlichen Änderungen der Inhalte eines Programms ange-

passt. (…).“

l) Sachsen-Anhalt

§ 21 MedienG LSA513: Offene Kanäle

„(Abs. 5) Betreiber einer Kabelanlage mit einer Kapazität von mehr als

15 Fernsehkanälen, deren Kabelnetz im ausgewählten Verbreitungsgebiet für

die Veranstaltung eines Offenen Kanals gelegen ist, stellen auf Festlegung der

Medienanstalt Sachsen-Anhalt hin einen Fernsehkanal unentgeltlich für die

Nutzung des Offenen Kanals zur Verfügung. (…) 3Die Verpflichtung des Sat-

zes 1 gilt auch für die Verbreitung von nicht kommerziellem lokalen Hörfunk.“

513

Mediengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (MedienG LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2013, GVBl. LSA 2013, 2, 3.

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166

§ 33 MedienG LSA: Zuordnung und Zuweisung von Übertragungskapazitäten

„(Abs. 1) Die Zuordnung von terrestrischen Übertragungskapazitäten erfolgt

entweder an einen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter oder an die Me-

dienanstalt Sachsen-Anhalt. Im Falle der anteiligen Nutzbarkeit einer terrestri-

schen Übertragungskapazität erfolgt deren Zuordnung entweder vollständig an

einen Zuordnungsempfänger im Sinne von Satz 1 oder anteilig an einen oder

mehrere öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter und die Medienanstalt

Sachsen-Anhalt. Die Zuordnung einer terrestrischen Übertragungskapazität zur

anteiligen Nutzung durch mehrere Rundfunkveranstalter setzt voraus, dass In-

halt und Umfang der anteiligen Nutzung der betreffenden terrestrischen Über-

tragungskapazität zum Zeitpunkt der Entscheidung der obersten Landesbehör-

de über die Zuordnung dieser Übertragungskapazität zwischen den Zuord-

nungsempfängern der betreffenden Übertragungskapazität vertraglich geregelt

sind.

(Abs. 2) Die zuständige oberste Landesbehörde gibt den öffentlich-rechtlichen

Rundfunkveranstaltern, die aufgrund eines sonstigen Gesetzes für Sachsen-

Anhalt Rundfunkprogramme veranstalten, und der Medienanstalt Sachsen-

Anhalt zur Verfügung stehende freie terrestrische Übertragungskapazitäten be-

kannt und holt von ihnen Stellungnahmen zum jeweiligen Nutzungsbedarf ein.

Die Medienanstalt Sachsen-Anhalt befragt ihrerseits die von ihr zugelassenen

Rundfunkveranstalter. Die zuständige oberste Landesbehörde wirkt darauf hin,

dass sich die in Satz 1 genannten öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter

und die Medienanstalt Sachsen-Anhalt über eine sachgerechte Zuordnung der

Übertragungskapazitäten und im Falle der anteiligen Nutzung der Übertra-

gungskapazitäten auch über den Inhalt und den Umfang der Nutzung der Über-

tragungskapazitäten verständigen. Kommt eine Verständigung zustande, ordnet

die zuständige oberste Landesbehörde mit Zustimmung des für Medien zustän-

digen Landtagsausschusses die freien terrestrischen Übertragungskapazitäten

nach Maßgabe der Verständigung zu.

(Abs. 3) Kommt eine Verständigung im Sinne des Absatzes 2 Satz 3 innerhalb

angemessener Zeit nach Bekanntgabe der Übertragungskapazitäten nicht zu-

stande, entscheidet die zuständige oberste Landesbehörde mit Zustimmung

des für Medien zuständigen Landtagsausschusses über die Zuordnung freier

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167

terrestrischer Übertragungskapazitäten an öffentlich-rechtliche Rundfunkveran-

stalter oder an die Medienanstalt Sachsen-Anhalt. Dabei ist die flächen-

deckende Grundversorgung des Landes Sachsen-Anhalt mit Rundfunkpro-

grammen öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter, die Schaffung eines viel-

fältigen Rundfunkprogrammangebotes privater Rundfunkveranstalter sowie die

Förderung des publizistischen Wettbewerbs zu gewährleisten. Für die Rund-

funkprogramme öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter sowie für die Rund-

funkprogramme nach § 12 Abs. 1 sind Übertragungskapazitäten vorrangig zur

Verfügung zu stellen. Reichen die vorhandenen terrestrischen Übertragungs-

kapazitäten nicht aus, ist zunächst die Grundversorgung durch die Rundfunk-

programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter zu gewährleisten.

(Abs. 4) (…) 5Steht nach Abschluss der Planung die beantragte Übertragungs-

kapazität zur Verfügung, entscheidet die zuständige oberste Landesbehörde

über die Zuordnung entsprechend der Planungsfreigabe, ohne dass es einer

weiteren Befassung des für Medien zuständigen Landtagsausschusses bedarf.

(Abs. 5) 6Steht nach Abschluss der Planung die beantragte Übertragungskapa-

zität zur Verfügung, entscheidet die zuständige oberste Landesbehörde über

die Zuordnung entsprechend der Planungsfreigabe, ohne dass es einer weite-

ren Befassung des für Medien zuständigen Landtagsausschusses bedarf.

(Abs. 10) Die Regelungen zu den Plattformen in § 38 bis 38f bleiben unberührt.“

§ 35 MedienG LSA: Nutzung der Kabelübertragungskapazitäten

„(Abs. 2) (…) 2Jeder Inhaber eines Anschlusses muss zumindest die in § 36

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Rundfunkprogramme empfangen können.

(…)“

§ 36 MedienG LSA: Rangfolge der Kabelkanalbelegung bei der Verbreitung

und Weiterverbreitung von Rundfunk-programmen und

Telemedien

„(Abs. 1) Werden Rundfunkprogramme durch Kabelanlagen mit analoger Über-

tragungstechnik verbreitet oder weiterverbreitet, so hat der Betreiber der Kabel-

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168

anlage die Rundfunkprogramme in folgender Rangfolge den Kabelanschlüssen

zuzuführen:

1. (…) die aufgrund eines sonstigen Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

veranstalteten Rundfunkprogramme (…),

2. die nach § 37 Abs. 1 weiterverbreiteten Rundfunkprogramme514. (…)

Reicht die Kapazität der betreffenden Kabelanlagen nicht aus, um alle

gleichrangigen Rundfunkprogramme weiterzuverbreiten, richtet sich die

Auswahl nach folgenden Kriterien:

a) dem Beitrag des jeweiligen Rundfunkprogramms zur Meinungsvielfalt

und

b) der Nachfrage der Anschlussinhaber der Kabelanlage nach den zur

Auswahl stehenden Rundfunkprogrammen.

Satz 1 Nr. 2 findet keine Anwendung auf Kabelanlagen, an die weniger als 100

Wohneinheiten angeschlossen sind. (…)

(Abs. 3) Die Regelung des § 38d gilt für Kabelanlagen mit analoger Übertra-

gungstechnik entsprechend.“

§ 38d MedienG LSA: Entgelte, Tarife

„Anbieter von Programmen und vergleichbaren Telemedien dürfen durch die

Ausgestaltung der Entgelte nicht unbillig behindert oder gegenüber gleicharti-

gen Anbietern ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt

werden. Die Verbreitung von Angeboten im Sinne von § 38b Abs. 1 Satz 1

Nrn. 1 und 2 oder § 38b Abs. 2 in Verbindung mit § 38b Abs. 1 Satz 1 hat zu

angemessenen Bedingungen zu erfolgen. Entgelte und Tarife für Angebote

nach § 38b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 sind offenzulegen. Entgelte und

Tarife sind im Rahmen des Telekommunikationsgesetzes so zu gestalten, dass

auch regionale und lokale Angebote zu angemessenen und chancengleichen

Bedingungen verbreitet werden können. Die landesrechtlichen Sondervorschrif-

514

§ 37 Abs. 1 MedienG LSA: „Die zeitgleiche und unveränderte Weiterverbreitung von bundesweit empfangbaren Fernsehprogrammen, die in Europa in rechtlich zulässiger Weise und entsprechend den Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernse-hen veranstaltet werden, ist zulässig. (…)“.

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169

ten für Offene Kanäle und vergleichbare Angebote (nicht kommerzieller lokaler

Hörfunk sowie Einrichtungs- und Ereignisrundfunk) bleiben unberührt.“

m) Sachsen

§ 1 SächsPRG515: Anwendungsbereich

„(Abs. 2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf die Verbreitung oder Wei-

terverbreitung von Angeboten,

1. die sich auf ein Gebäude oder einen zusammengehörigen Gebäudekom-

plex beschränken und in einem funktionellen Zusammenhang mit den dort

zu erfüllenden Aufgaben stehen, oder

2. die ausschließlich in Kabelanlagen verbreitet werden,

a) an die weniger als 100 Wohneinheiten angeschlossen sind,

b) sich in einem Gebäude oder einem zusammenhängenden Gebäude-

komplex befinden, wenn diese nicht dauernd zum Wohnen bestimmt

sind,

c) mit denen unselbstständige Wohneinheiten versorgt werden sollen,

3. die ausschließlich in Kabelanlagen in einem Wirtschaftsunternehmen ver-

breitet werden.“

§ 4 SächsPRG: Zuordnung technischer Übertragungskapazitäten

„(Abs. 1) Für die Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunk und vergleich-

baren Telemedien im Rahmen dieses Gesetzes sind den Veranstaltern und

Plattformanbietern technische Übertragungskapazitäten zur Verfügung zu stel-

len.

(Abs. 1a) An dem Aufbau und der Fortentwicklung eines dualen Rundfunk-

systems in Sachsen sowie an der Erschließung der Nutzung von neuen Techni-

515

Gesetz über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen (Sächsisches Privatrundfunkge-setz – SächsPRG) (Konsolidierte Fassung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Januar 2001 (SächsGVBl. S. 69, 684), zuletzt geändert durch Art. 18 HaushaltsbegleitG 2013/2014 vom 13. Dezember 2012 (SächsGVBl. S. 725), in Kraft getreten am 01.01.2013.

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170

ken, neuen Nutzungsformen und Nutzungskapazitäten sind alle Veranstalter

gleichgewichtig zu beteiligen.

(Abs. 2) Die Zuordnung der zur Verfügung stehenden technischen Übertra-

gungskapazitäten an die Landesanstalt, den Mitteldeutschen Rundfunk, das

Deutschlandradio und das Zweite Deutsche Fernsehen erfolgt nach Maßgabe

der nachfolgenden Kriterien durch die Sächsische Staatskanzlei. Durch die Zu-

ordnung sind

1. die flächendeckende Grundversorgung durch öffentlich-rechtlichen Rund-

funk zu gewährleisten,

2. ein vielfältiges, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gleichgewichtiges

Programmangebot privater Veranstalter zu schaffen,

3. der Förderung des publizistischen Wettbewerbs und des Medienstand-

ortes Sachsen Rechnung zu tragen,

4. Versorgungslücken bestehender Programme zu schließen,

5. beim Übergang zur ausschließlich digitalen Übertragung die Rundfunkver-

anstalter mit denjenigen Programmen vorrangig zu berücksichtigen, die im

Gebiet des Freistaates Sachsen am 1. Januar 2001 analog terrestrisch

verbreitet wurden, soweit die verfügbaren Übertragungskapazitäten nicht

bereits zuvor im Wege einer Ausschreibung nach § 5 Abs. 2 anderweitig

vergeben worden sind.

Bei der Zuordnung ist auf eine möglichst wirtschaftliche Nutzung und Verteilung

der technischen Übertragungskapazitäten zwischen den Beteiligten hinzuwirken

Für die Programme nach § 3 Abs. 3 und die Programme des öffentlich-

rechtlichen Rundfunks sind Übertragungskapazitäten vorrangig zur Verfügung

zu stellen. Dabei ist sicherzustellen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk

ebenso wie die privaten Rundfunkveranstalter an der weiteren Entwicklung in

sendetechnischer und programmlicher Hinsicht teilnehmen können. Reichen die

vorhandenen Übertragungskapazitäten hierfür nicht aus, ist zunächst der

gleichgewichtigen Entwicklung des privaten Rundfunks gegenüber dem öffent-

lich-rechtlichen Rundfunk Rechnung zu tragen.

(Abs. 3) Die zur Verfügung stehenden freien technischen Übertragungs-

kapazitäten sind den nach Absatz 2 Satz 1 Beteiligten bekannt zu geben. Wird

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171

eine Verständigung zwischen den Beteiligten erreicht, ordnet die Sächsische

Staatskanzlei Übertragungskapazitäten entsprechend der Einigung zu. Die

Sächsische Staatskanzlei wirkt auf eine Verständigung hin. Kommt diese nicht

zustande, entscheidet die Sächsische Staatskanzlei über die Zuordnung an-

hand der für die Beteiligten geltenden Rechtsgrundlagen und der Kriterien des

Absatzes 1 Satz 2 und des Absatzes 2.“

§ 38 SächsPRG: Verbreitung, Weiterverbreitung

„(Abs. 1) Bei der Belegung der Kanäle in Kabelanlagen mit analoger Übertra-

gungstechnik hat der Betreiber der Kabelanlage folgende analog verbreitete

Programme vorrangig, die Programme nach Nr. 2 Buchst. a) bis d) zwingend zu

berücksichtigen: (…)

2. die aufgrund eines sonstigen Gesetzes für Sachsen veranstalteten Pro-

gramme, die nicht zusätzliche Fernsehprogramme nach § 19 Absatz 1

und 2 RStV516 sind:

a) das gemeinsame Fernsehvollprogramm der in der Arbeitsgemein-

schaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepu-

blik Deutschland zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten des

Landesrechts (ARD);

b) das Fernsehvollprogramm des ZDF "Zweites Deutsches Fernsehen";

c) das für Sachsen bestimmte Fernsehprogramm des Mitteldeutschen

Rundfunks "MDR Sachsen" und

d) der europäische Fernsehkulturkanal "ARTE";

3. sowie drei weitere öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme unter Einbe-

ziehung der Fernsehprogramme nach § 19 Abs. 1 und 2 RStV, die von

den Mitgliedern der in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen

Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland zusammengeschlos-

senen Rundfunkanstalten des Landesrechts (ARD) und dem ZDF im Ein-

vernehmen gegenüber der Landesanstalt benannt werden. (…)

516

§ 19 Abs. 1 und 2 RStV a.F. regeln keine Zusatzangebote mehr, vgl. nunmehr die Regelung des § 11b RStV.

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172

(Abs. 5) Entgelte und Tarife für die Kabeleinspeisung der nach Absatz 1 einzu-

speisenden Programme sind durch den Kabelanlagenbetreiber gegenüber der

Landesanstalt offen zu legen. Für die Verbreitung regionaler und lokaler Pro-

gramme in Kabelanlagen dürfen von den Veranstaltern Entgelte höchstens bis

zu dem niedrigsten Betrag gefordert werden, den der Betreiber der Anlage mit

den Veranstaltern anderer Programme für je angefangene 100 Wohneinheiten

vereinbart hat. Das gleiche gilt für sonstige technische Kosten, Abgaben, Mie-

ten oder sonstige Gebühren, die in direktem Zusammenhang mit der Verbrei-

tung oder Weiterverbreitung des Programms stehen. Versichert ein Veranstalter

regionaler oder lokaler Programme gegenüber der Landesanstalt glaubhaft,

dass der Betreiber einer Kabelanlage höhere Entgelte als nach den Sätzen 1

und 2 von ihm fordert, kann die Landesanstalt von dem Betreiber der Kabelan-

lage verlangen, dass er seine Einnahmen durch Einspeisungsentgelte für die

jeweiligen Lizenznehmer nachweist. (…)

(Abs. 6) Die Kabelanlage ist so einzurichten, dass jeder Inhaber eines An-

schlusses im Falle des Angebots analoger Programmsignale die in Absatz 1

genannten (…) empfangen kann.“

n) Thüringen

§ 1 ThürLMG517:

„(Abs. 3) Dieses Gesetz gilt nicht für die Veranstaltung und Weiterverbreitung

von Sendungen mittels einer Kabelanlage, wenn

1. sie sich auf ein Gebäude oder einen zusammengehörenden Gebäude-

komplex beschränken und im funktionellen Zusammenhang mit den dort

zu erfüllenden Aufgaben stehen oder

2. mit ihnen lediglich bis zu 250 Wohneinheiten in einem Gebäude oder ei-

nem zusammengehörigen Gebäudekomplex versorgt werden.“

517

Thüringer Landesmediengesetz (ThürLMG) in der Fassung der Neubekanntmachung vom 05. März 2003 (GVBl. Nr. 04/2003 vom 18. März 2003, S. 117), geändert durch das Thüringer Ge-setz zur Änderung rundfunkrechtlicher Vorschriften vom 16. Juli 2008 (GVBl. Nr. 8/2008 vom 29. Juli 2008, S. 219).

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173

§ 3 ThürLMG: Zuordnung von Übertragungskapazitäten

„(Abs. 1) Durch die zur Verfügung stehenden terrestrischen Frequenzen sind

1. die Grundversorgung Thüringens durch Programme der öffentlich-

rechtlichen Rundfunkveranstalter sicherzustellen (…).

(Abs. 2) Die Grundversorgung nach Absatz 1 Nr. 1 erfolgt durch die terrestri-

sche Verbreitung der im Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk vor-

gesehenen Programme des MDR, durch das Hauptprogramm der ARD, durch

das Fernsehprogramm des ZDF sowie durch weitere Rundfunkprogramme die-

ser Anstalten, soweit diese im Rahmen der weiteren Entwicklung des Rund-

funkwesens zur Grundversorgung der Bevölkerung Thüringens erforderlich

werden, und der beiden Hörfunkprogramme des Deutschlandradios.

(Abs. 3) Die Zuordnung von UKW-Frequenzen muss im Hörfunk gewährleisten:

1. die flächendeckende Grundversorgung mit drei Hörfunkprogrammen auf

der Grundlage des Staatsvertrags über den Mitteldeutschen Rundfunk,

von denen eines auf die Staatsvertragsländer auseinanderschaltbar sein

muss (MDR-Landesprogramm) sowie die flächendeckende Versorgung

mit beiden Programmen des Deutschlandradios,

2. die flächendeckende Versorgung des Landes mit zwei landesweiten Hör-

funkprogrammen privater Veranstalter und

3 die weitere Auseinanderschaltung des MDR-Landesprogramms nach

Nummer 1 und der privaten Programme nach Nummer 2.

(Abs. 4) Die Zuordnung terrestrischer Frequenzen muss im Fernsehen gewähr-

leisten:

1. die flächendeckende Grundversorgung mit zwei auf die Staatsvertrags-

länder auseinanderschaltbaren Fernsehprogrammen auf der Grundlage

des Staatsvertrags über den Mitteldeutschen Rundfunk und einem auf der

Grundlage des ZDF-Staatsvertrags veranstalteten Programms des ZDF

(…).

(Abs. 5) Im Übrigen sollen durch die Zuordnung von terrestrischen Frequenzen

1. das weitere Hörfunkprogramm auf Grundlage des Staatsvertrags über den

MDR flächenhaft angeboten,

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174

2. Versorgungslücken für bestehende Programme geschlossen,

3. Meinungsvielfalt und publizistischer Wettbewerb gefördert,

4. dem MDR, dem ZDF, dem Deutschlandradio und dem privaten Rundfunk

die Teilhabe an neuen Übertragungs- und Programmformen ermöglicht

und

5. ergänzende lokale Rundfunkangebote ermöglicht werden.

(Abs. 6) Werden dem Land freie Frequenzen zur Verfügung gestellt, wirkt die

oberste Landesbehörde daraufhin, dass sich der MDR, das ZDF, das Deutsch-

landradio und die Landesmedienanstalt über eine Zuordnung der Frequenzen

nach Maßgabe der Absätze 1 bis 5 verständigen. Hat der MDR Interesse an der

Zuordnung einer Frequenz, teilt er dies auch den zuständigen obersten Lan-

desbehörden des Freistaats Sachsen und des Landes Sachsen-Anhalt mit.

Wird eine Verständigung nach Satz 1 erreicht, ordnet die oberste Landesbehör-

de die Frequenzen entsprechend der Verständigung der Landesmedienanstalt,

dem MDR, dem ZDF oder dem Deutschlandradio zu; vor einer Zuordnung an

den MDR führt sie das Einvernehmen mit dem Freistaat Sachsen und dem

Land Sachsen-Anhalt nach dem Staatsvertrag über den Mittel-deutschen Rund-

funk herbei, es sei denn, durch die Zuordnung sollen Versorgungslücken des

MDR entsprechend Absatz 5 Nr. 2 geschlossen werden.

(Abs. 7) Kommt keine Verständigung nach Absatz 6 Satz 1 zustande, entschei-

det die Landesregierung über die Zuordnung der Frequenzen nach Maßgabe

der Absätze 1 bis 5; Absatz 6 Satz 3 Halbsatz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die

Landesregierung das Einvernehmen herbeiführt.

(Abs. 9) Können Frequenzen zur Nutzung neuartiger Rundfunkübertragungs-

techniken nur blockweise zugeordnet werden, kann die oberste Landesbehörde

die Zuordnung eines Frequenzblocks mit der Auflage verbinden, die Nutzung

einzelner Übertragungseinheiten innerhalb des Blocks durch andere Rundfunk-

veranstalter zu ermöglichen. § 3 Absatz 6 gilt entsprechend. Gelingt eine Ver-

ständigung nicht, so sind die zur Verfügung stehenden Übertragungseinheiten

in der Weise auf den MDR, das ZDF, das Deutschlandradio und die Landesme-

dienanstalt zu verteilen, dass Angebote öffentlich-rechtlicher und privater Ver-

anstalter gleichgewichtig empfangbar sind.

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175

(Abs. 11) Die Kabelbelegung richtet sich nach den §§ 37 bis 43.

(Abs. 12) Die Zuordnung von Satellitenkanälen richtet sich nach dem Staatsver-

trag über den Rundfunk im vereinten Deutschland.

(Abs. 13) Auf die Zuordnung von terrestrischen, digitalen Hörfunk- und Fernseh-

kanälen außerhalb von Pilotprojekten nach § 11 Abs. 4 finden die Absätze 6

und 7 entsprechende Anwendung. Dabei hat die oberste Landesbehörde si-

cherzustellen, dass bei der erstmaligen Zuweisung digitaler terrestrischer Über-

tragungskapazitäten insbesondere beim digitalen Fernsehen die Rundfunkver-

anstalter mit denjenigen Programmen vorrangig zu berücksichtigen sind, die in

dem betroffenen Verbreitungsgebiet analog verbreitet werden. Die technischen

Übertragungskapazitäten für diese Programme müssen im Verhältnis zu den

übrigen Übertragungskapazitäten gleichwertig sein.

(Abs. 14) Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten,

das ZDF und das Deutschlandradio können ihrer Verpflichtung zur Versorgung

der Bevölkerung mit Rundfunk durch Nutzung aller Übertragungswege nach-

kommen. Sie sind berechtigt, zu angemessenen Bedingungen die analoge ter-

restrische Versorgung schrittweise einzustellen, um Zug um Zug den Ausbau

und die Zuweisung digitaler terrestrischer Übertragungskapazitäten zu ermögli-

chen.

(Abs. 15) Die durch die Programmübertragung nicht genutzten Übertragungs-

kapazitäten zugeordneter Frequenzen oder Kanäle können vom jeweiligen Pro-

grammveranstalter zur Verbreitung von Fernseh- oder Radiotext genutzt wer-

den.“

§ 35 Abs. 7 ThürLMG: Offener Kanal

„(Abs. 7) Der Betreiber einer Kabelanlage mit einer Kapazität von mehr als

15 Kanälen, an die mehr als 3 000 Haushalte angeschlossen sind, stellt auf

Verlangen der Landesmedienanstalt unentgeltlich einen Kabelkanal für den Be-

trieb eines Offenen Kanals zur Verfügung.“

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§ 38 ThürLMG: Rangfolge bei analogen Rundfunkprogrammen

„(Abs. 1) Der Betreiber einer Kabelanlage hat die analogen Rundfunkprogram-

me in folgender Rangfolge den Kabelanschlüssen zuzuführen:

1. die nach § 3 der Grundversorgung des Landes dienenden Rundfunkpro-

gramme,

2. die nach § 11 Abs. 1 und 2 angebotenen Rundfunkprogramme, die sonsti-

gen von der Landesmedienanstalt zugelassenen Programme sowie die

weiteren für das Land gesetzlich bestimmten Programme, (…); reicht die

Kapazität einer Kabelanlage nicht aus, sind bei der Weiterverbreitung un-

ter Berücksichtigung der technischen und finanziellen Bedingungen für

den Empfang primär solche Programme und Mediendienste einzuspeisen,

die zu einer größtmöglichen Vielfalt beitragen und vielfältige Meinungen

und Informationswünsche zur Geltung bringen; ferner sind bei der Weiter-

verbreitung die Nachfrage der Teilnehmer sowie die von den Veranstaltern

in Aussicht gestellte Durchführung oder Förderung medienwirtschaftlicher

oder medienpädagogischer Projekte in Thüringen angemessen zu berück-

sichtigen; im Übrigen gelten die Auswahlgrundsätze des § 9 Abs. 2

Satz 2518 entsprechend.

(Abs. 2) Auf Antrag von mindestens 30 am Kabelnetz angeschlossenen Teil-

nehmern entscheidet in Streitigkeiten über die Rangfolge der Zuführung nach

Absatz 1 Nr. 5 in dieser Kabelanlage die Landesmedienanstalt unter Einschal-

tung eines Schiedsausschusses. Dabei kann die Landesmedienanstalt die

Wünsche der an das Kabelnetz Angeschlossenen berücksichtigen. Sie regelt

die Grundsätze des Schiedsverfahrens durch Satzung.

(Abs. 3) Die Kabelanlage ist so einzurichten, dass jeder Inhaber eines An-

schlusses in der Lage ist, zunächst die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Pro-

gramme zu empfangen.

518

§ 9 Abs. 2 Satz 2 ThürLMG: „Sind Antragsteller nach Satz 1 gleich zu bewerten, erhält der den Vorrang, von dem aufgrund seiner organisatorischen, programmlichen und finanziellen Vorberei-tungen am ehesten zu erwarten ist, dass er auch die Ereignisse des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens im jeweiligen Verbreitungsgebiet unter Berücksichtigung der dorti-gen Besonderheiten sachgerecht darstellt.“

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(Abs. 6) Wird ein Rundfunkprogramm über Satellit und über terrestrische Sen-

der verbreitet, sind die Programmsignale des Satelliten bei begrenzter Kapazität

der Kabelanlage nicht weiterzuverbreiten, wenn das Programm im Bereich der

Kabelanlage terrestrisch empfangbar ist.

(Abs. 7) Die Landesmedienanstalt erlässt durch Satzung unter angemessener

Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der Kabelnetzbetreiber einen

Kabelbelegungsplan, der für vergleichbare Kabelanlagen die Belegung der Ka-

belkanäle festlegt.519

(Abs. 8) § 38a Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 3 gilt entsprechend.“

§ 38a ThürLMG: Weiterverbreitung

„(Abs. 3) Der Betreiber einer Kabelanlage hat sicherzustellen, dass

1. die erforderlichen Übertragungskapazitäten für die für Thüringen gesetz-

lich bestimmten Fernsehprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

einschließlich seiner Programmbouquets zur Verfügung stehen (…)

4. Entgelte für die Programme nach den Nummern 1 und 2 offen gelegt wer-

den; Entgelte und Tarife für die Programme sind im Rahmen des Tele-

kommunikationsgesetzes so zu gestalten, dass auch regionale und lokale

Angebote zu angemessenen und chancengleichen Bedingungen verbrei-

tet werden können. Versichert ein Veranstalter regionaler oder lokaler

Programme gegenüber der Landesmedienanstalt glaubhaft, dass der Be-

treiber einer Kabelanlage höhere Entgelte als nach diesen Bestimmungen

von ihm fordert, kann die Landesmedienanstalt von dem Betreiber der Ka-

belanlage verlangen, dass er seine Einnahmen durch Einspeisungsentgel-

te für die jeweiligen Lizenznehmer nachweist.“

519

Die TLM hat noch keinen Kabelbelegungsplan erlassen, der verbindliche Vorgaben für die Kabel-netzbetreiber enthalten kann, d.h. es besteht nur eine Missbrauchsaufsicht.

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