DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen,...

48
DIE NEUE NATO

Transcript of DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen,...

Page 1: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

DIE NEUE NATO

Page 2: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

Anm. d. Red.: Bei jeder Bezugnahme dieser Broschüre auf die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien wird durch (*) auf folgende Fußnote verwiesen:

Die Türkei erkennt die Republik Mazedonien unter ihrem verfassungsmäßigen Namen an.

DIE NEUE NATO

Page 3: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

> INHALT

1. Zweck und grundlegende Sicherheitsaufgaben des Bündnisses 2

2. Dreh- und Angelpunkt der transatlantischen Partnerschaft 6

3. Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten 9

4. Die Rolle der NATO-Streitkräfte im Wandel 12

5. Mehr Sicherheit durch Partnerschaft 16

6. Öffnung des Bündnisses für neue Mitglieder 20

7. Herstellung neuer Beziehungen zu Russland 22

8. Eine ausgeprägte Partnerschaft mit der Ukraine 26

9. Dialog mit den Mittelmeerstaaten 28

10. Friedenserhaltende Maßnahmen und Krisenbewältigung 30

11. Reaktion auf zivile Notfälle 34

12. Zusammenarbeit auf den Gebieten Wissenschaft und Umwelt 36

13. So arbeitet die NATO 40

14. Wandel und Kontinuität 44

1

Page 4: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

2

Der Zweck des Nordatlantischen Bündnissesbesteht im Wesentlichen darin, in Europa undNordamerika im Einklang mit den Grundsätzen derSatzung der Vereinten Nationen die Freiheit undSicherheit aller Bündnismitglieder zu gewährleisten.Zur Erreichung dieses Zieles setzt das Bündnis jenach der Art der Sicherheitsaufgaben, mit denenseine Mitgliedstaaten konfrontiert sind, sowohl sei-nen politischen Einfluss als auch sein militärischesPotential ein. In dem Maße wie sich das strategischeUmfeld gewandelt hat, sind auch Veränderungen inder Art und Weise eingetreten, wie das Bündnis aufHerausforderungen im Sicherheitsbereich reagiert.Es wahrt unverändert die Stabilität des gesamteneuro-atlantischen Raumes und entwickelt sich wei-ter, um neuen Gefahren wie dem Terrorismus undanderen Sicherheitsproblemen außerhalb seinestraditionellen Zuständigkeitsgebiets entgegentretenzu können.

Die NATO (Nordatlantikvertrags-Organisation) bildeteine der zentralen Strukturen, mit deren Hilfe dieBündnismitglieder ihre Sicherheitsziele verfolgen. Eshandelt sich um eine zwischenstaatlicheOrganisation, in der die Mitgliedstaaten ihre unein-geschränkte Souveränität und Unabhängigkeitbehalten und die als Forum für Konsultationen undBeschlüsse im Hinblick auf alle Angelegenheitendient, die ihre Sicherheit betreffen. Die Strukturender NATO erleichtern zwischen ihren Mitgliederneinen fortlaufenden Konsultations-, Koordinierungs-und Kooperationsprozess hinsichtlich politischer,militärischer, wirtschaftlicher und sonstigerSicherheitsaspekte und sind auch der Zusammen-arbeit in nichtmilitärischen Bereichen wie Wissen-schaft, Information, Umwelt und Katastrophenhilfeförderlich.

Nach fünf Erweiterungsrunden sind zu den zwölfGründungsmitgliedern der NATO – Belgien,Dänemark, Frankreich, Island, Italien, Kanada,Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Portugal,Vereinigte Staaten und Vereinigtes Königreich –Griechenland und die Türkei (1952), Deutschland(1955), Spanien (1982), Polen, die TschechischeRepublik und Ungarn (1999) sowie in der jüngstenErweiterungsrunde Bulgarien, Estland, Lettland,Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien(2004) hinzugekommen.

Kollektive Verteidigung

Das Bündnis geht bei seiner Arbeit von demGrundsatz aus, dass die Sicherheit jedes einzelnenMitgliedstaats von der Sicherheit allerMitgliedstaaten abhängig ist. Ist die Sicherheit einesder Mitglieder gefährdet, so sind alle davon betrof-fen. Durch die Unterzeichnung des WashingtonerVertrags, d.h. des Gründungsdokuments der NATO,verpflichtet sich jeder Mitgliedstaat gegenüber allenanderen zur Einhaltung dieses Grundsatzes, sodass die Gefahren und Aufgaben der kollektivenVerteidigung gemeinsam bewältigt werden, wieauch die Vorteile allen gemeinsam zugute kommen.Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte derVerteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvorvon jedem Land allein erarbeitet wurden, nach demBeitritt eine gemeinsame Aufgabe darstellen.Ebenso werden auch die Kosten der Bereitstellungderjenigen Einrichtungen gemeinsam getragen, diefür die effiziente gemeinsame Ausbildung und diewirksame Zusammenarbeit ihrer Streitkräfte erfor-derlich sind.

Jedes Land behält seine Unabhängigkeit undEntscheidungsfreiheit, doch durch die gemeinsamePlanung und das Teilen von Ressourcen können dieMitglieder von einem Niveau der kollektivenSicherheit profitieren, das weit über dem liegt, dasein Staat allein erreichen könnte. Dies ist unverän-dert das grundlegende Prinzip der Sicherheits-zusammenarbeit innerhalb der NATO.

Die transatlantische Bindung

Die Unterzeichnung des Washingtoner Vertrags(1949) ist in der modernen Geschichte ein Ereignisvon beispielloser Bedeutung. Dadurch wurde nichtnur die Gefahr einer Aggression von außen verrin-gert, sondern dadurch wurden auch nach und nacheuropäische Großmächte, die zuvor häufig gegen-einander Krieg geführt hatten, in einem Bündniszusammengeführt, so dass jede Gefahr einesmilitärischen Konflikts zwischen ihnen beseitigtwurde. Sie sollten sogar voneinander abhängig wer-den und durch die Teilnahme an denSicherheitsvorkehrungen der jeweils anderen dazuin der Lage sein, auf vielen anderen Gebieten zurErhöhung ihres Wohlstands effizient zusammenzu-arbeiten. Doch die Bedeutung des WashingtonerVertrags geht noch darüber hinaus. Er begründetenämlich eine Sicherheitspartnerschaft zwischen den

Zweck und grundlegende Sicherheitsaufgaben des Bündnisses

> 1

Page 5: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

3

europäischen Mitgliedern des Bündnisses und denVereinigten Staaten und Kanada, wodurch eineständige transatlantische Bindung zwischen Europaund Nordamerika geschaffen wurde.

Die Umgestaltung der NATO

Als das Bündnis 1949 gegründet wurde, betrachteteman die Sowjetunion als die Hauptgefahr für dieFreiheit und Unabhängigkeit Westeuropas. Die kom-munistische Ideologie, die politischen Ziele undMethoden sowie das militärische Potential derSowjetunion bedeuteten, dass sich keine westlicheRegierung, was auch immer die wahren sowjeti-schen Absichten gewesen sein mögen, leistenkonnte, die Möglichkeit eines Konflikts einfach zuignorieren. Folglich bestand von 1949 bis zum Endeder 80er Jahre – in der Zeit des sogenannten KaltenKrieges – die Hauptaufgabe des Bündnisses darin,ausreichende militärische Fähigkeiten aufrechtzuer-halten, um die Bündnismitglieder vor jeder Form vonAggression seitens der Sowjetunion und desWarschauer Paktes zu schützen. Die Stabilität, diewährend dieser Zeit von der NATO gewährleistetwurde, half nach dem Zweiten Weltkrieg ganzWesteuropa beim wirtschaftlichen Wiederaufbau,indem sie das Vertrauen und die Berechenbarkeitherbeiführte, die für wirtschaftliches Wachstumunerlässlich sind.

Die von den NATO-Mitgliedstaaten vereinbartenpolitischen Leitlinien sind angesichts des sichändernden strategischen Umfelds fortlaufend wei-terentwickelt worden. Seit dem Ende des KaltenKrieges sind die Politik und die Strukturen desBündnisses mit Blick auf den tief greifenden Wandel

im politischen und militärischen Umfeld Europassowie angesichts neuer Sicherheitsgefahren grund-legend umgestaltet worden. Zudem ist der Begriff„Verteidigung“ so erweitert worden, dass der Dialogund die praktische Zusammenarbeit mit anderenStaaten außerhalb des Bündnisses nun als dasbeste Mittel zur Stärkung der euro-atlantischenSicherheit ebenfalls darunter fallen.

Heute ist die NATO viel mehr als einVerteidigungsbündnis. Sie hat sich sogar ehemali-gen Gegnern geöffnet und setzt sich nun für dieHerbeiführung und Wahrung des Friedens und derSicherheit im gesamten euro-atlantischen Raumein. Zur Erreichung dieses Zieles übernimmt dasBündnis eine stetig wachsende Zahl von Aufgabenund wendet immer flexiblere, innovativere und prag-matischere Ansätze an, um die nun unweigerlichkomplexen Probleme zu lösen. Im Zuge dieserEntwicklungen ist die Schlüsselrolle der NATO hin-sichtlich der Gewährleistung der Sicherheit deseuro-atlantischen Raumes gestärkt worden, undviele Partnerstaaten bemühen sich nun um denBeitritt zum Bündnis. Drei Staaten Mittel- undOsteuropas – Polen, die Tschechische Republik undUngarn – erreichten dieses Ziel bereits 1999. 2004haben es ihnen sieben weitere Staaten gleichgetan:Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, dieSlowakei und Slowenien.

In den letzten zehn Jahren ist die Umgestaltung derNATO von einer Reihe weitsichtiger Initiativengekennzeichnet gewesen, die konkrete und äußerstpraxisorientierte Reaktionen auf die neuen Risikenund Chancen darstellen, die sich im Sicherheits-bereich in der Zeit nach dem Ende des KaltenKrieges ergeben haben. Dazu zählen diePartnerschaft für den Frieden, die besonderenBeziehungen zu Russland und zur Ukraine, derDialog mit den Mittelmeerstaaten, der Aktionsplanzur Mitgliedschaft, der Beitrittskandidaten bei derErreichung der NATO-Standards helfen soll, undschließlich die konstruktive Zusammenarbeit mit derEuropäischen Union, der Organisation für Sicherheitund Zusammenarbeit in Europa sowie mit denVereinten Nationen. Zudem tritt die NATO aktivneuen Sicherheitsgefahren entgegen, indem sie aufdem Balkan bei Krisenbewältigungsoperationen dieFührung übernimmt und sich dazu verpflichtet, zurBekämpfung des Terrorismus und anderer neuerGefahren jenseits des euro-atlantischen Raumes,wann und wo immer erforderlich, mit entsprechen-den Operationen einzugreifen.

Page 6: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

4

Darüber hinaus modifiziert und stärkt die NATO ihreFähigkeiten, damit sie noch besser in der Lage ist,neue Aufgaben zu übernehmen. Daher wurden imNovember 2002 auf dem Prager Gipfel dreiInitiativen von zentraler Bedeutung eingeleitet: dieBildung der NATO-Reaktionskräfte, die Reform dermilitärischen Kommandostruktur und die PragerVerpflichtung zu Verteidigungsfähigkeiten, mit derenHilfe man Defiziten bei den Fähigkeiten durch ein-zelstaatliche und kooperative Initiativen derMitgliedstaaten entgegentreten will.

Grundlegende Sicherheitsaufgaben

Das Strategische Konzept des Bündnisses, dasmaßgebende Dokument über die Ziele und grundle-genden Sicherheitsaufgaben des Bündnisses, ent-hält Leitlinien zu den politischen und militärischenMitteln, die bei der Wahrnehmung dieser Aufgabeneinzusetzen sind. Als dieses Dokument 1991 zumersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich gemachtwurde, war dies eine eindeutige Abkehr von derVergangenheit. Während des Kalten Krieges unter-lagen vergleichbare Dokumente zur strategischenPlanung verständlicherweise der Geheimhaltung.

Im derzeitigen Strategischen Konzept der NATO,das 1999 veröffentlicht wurde, werden dieSicherheitsgefahren für das Bündnis als Gefahrenaus „vielen Richtungen“ beschrieben, die „schwervorherzusagen“ sind. Zu den grundlegendenSicherheitsaufgaben des Bündnisses wird gezählt,dass es

• die Grundlage für die Stabilität des euro-atlanti-schen Raumes bieten soll;

• als Forum für Konsultationen über Sicherheits-fragen dient;

• jeder Gefahr einer Aggression gegen einenNATO-Mitgliedstaat durch Abschreckungs- undVerteidigungsmaßnahmen entgegentritt;

• zur effizienten Verhütung von Konflikten beiträgtund sich aktiv an der Bewältigung von Krisenbeteiligt;

• einen weitreichenden Prozess der Partnerschaft,der Zusammenarbeit und des Dialogs mit ande-ren Staaten des euro-atlantischen Raums fördert.

Bei der Beurteilung bereits absehbarer Sicherheits-gefahren und -risiken wird im Strategischen Konzept

die Ansicht vertreten, dass sich das strategischeUmfeld auch in Zukunft in eine im Allgemeinen posi-tive Richtung weiterentwickeln wird und dass dieNATO neben anderen Organisationen seit demEnde des Kalten Krieges im Hinblick auf dieStärkung der euro-atlantischen Sicherheit einewesentliche Rolle gespielt hat.

Allerdings sind die Bündnismitglieder und andereStaaten des euro-atlantischen Raumes, obwohl dieGefahr eines allgemeinen Krieges in Europa prak-tisch nicht mehr besteht, mit anderen Risiken undUnwägbarkeiten konfrontiert, darunter ethnischeKonflikte, die Verletzung von Menschenrechten, poli-tische Instabilität und wirtschaftliche Schwäche.Darüber hinaus ist die Verbreitung nuklearer, biolo-gischer und chemischer Waffen sowie ihrerTrägermittel ein Anlass zu ernster Besorgnis, unddie Verbreitung bestimmter Technologien könntedazu führen, dass potentiellen Gegnern in größeremAusmaß moderne militärische Fähigkeiten zurVerfügung stehen.

Zudem muss im Hinblick auf die Sicherheitslage desBündnisses dem globalen Kontext Rechnung getra-gen werden. Die Sicherheit könnte nämlich durchumfassendere Gefahren beeinträchtigt werden, dar-unter durch Terrorakte, Sabotage, die organisierteKriminalität und die Störung der Versorgung mitlebenswichtigen Ressourcen. Nach derVeröffentlichung des Strategischen Konzepts von1999 und im Anschluss an die Angriffe auf dieVereinigten Staaten vom September 2001 sind dievom Terrorismus ausgehende Bedrohung sowie dieGefahren aufgrund des Zusammenbruchs vonStaaten einer grundlegenden Neubewertung unter-zogen worden.

Page 7: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

5

Erstmalige Inkraftsetzung vonArtikel 5

Artikel 5 enthält die zentrale Bestimmung desWashingtoner Vertrags, also des Gründungs-dokuments der NATO; dort heißt es, dass einbewaffneter Angriff gegen einen Bündnispartnerals ein Angriff gegen sie alle angesehen wird. AlsReaktion auf eine Inkraftsetzung von Artikel 5entscheidet jeder Bündnispartner in Absprachemit den jeweils anderen, wie er am besten,einschließlich der Anwendung bewaffneterGewalt, zu Maßnahmen beitragen kann, die zurWiederherstellung und Wahrung der Sicherheitdes nordatlantischen Gebiets erforderlich sind.

Am 12. September 2001, unmittelbar nach denTerrorangriffen auf die Vereinigten Staaten, wurdeArtikel 5 zum ersten Mal in Kraft gesetzt. DieInkraftsetzung erfolgte zunächst nur vorläufig, daerst festgestellt werden musste, ob die Angriffevon außen gesteuert waren. Dies wurde am 2.Oktober 2001 bestätigt, als Vertreter der amerika-nischen Regierung die Ergebnisse derErmittlungen im Zusammenhang mit denAngriffen im Nordatlantikrat vortrugen und dabei

den Schluss zogen, dass die TerrororganisationAl Qaida für die Anschläge verantwortlich war.

Am 4. Oktober vereinbarten die Bündnispartnereine Reihe von Maßnahmen, um die VereinigtenStaaten in ihrem Kampf gegen den Terrorismuszu unterstützen. Dazu zählten ein verbesserterAustausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisseund mehr Zusammenarbeit auf diesem Gebiet,uneingeschränkte Überflugrechte und uneinge-schränkter Zugang zu Häfen und Flugplätzen fürFahrzeuge der Vereinigten Staaten und andererBündnisstaaten, die Antiterroroperationen durch-führen, sowie die Entsendung eines Teils derständigen Einsatzverbände der NATO in den öst-lichen Mittelmeerraum und die Entsendung derAWACS-Flugzeuge des Bündnisses in dieVereinigten Staaten. Darüber hinaus leisten ein-zelne Bündnisstaaten je nach ihren Ressourcenund Fähigkeiten als Reaktion auf entsprechendeAnfragen der Vereinigten Staaten verschiedeneBeiträge. Die Unterstützung umfasst militärischeUnterstützung sowie rechtliche und finanzielleMaßnahmen zur Begrenzung der Einkunfts-quellen von Terrororganisationen.

Page 8: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

6

Dreh- und Angelpunkt der transatlantischenPartnerschaft

> 2

Die Rolle der NATO bei der Gewährleistung derSicherheit ihrer Mitglieder und der Übernahme neuerAufgaben zur Verbreitung von Sicherheit und Stabilitätin anderen Regionen beruht auf der bewährtenPartnerschaft zwischen ihren europäischen und ihrennordamerikanischen Mitgliedstaaten. Durch die ver-heerenden Folgen des Zweiten Weltkriegs waren dieeuropäischen Staaten nach dem Krieg imSicherheitsbereich in hohem Maße von denVereinigten Staaten und von Kanada abhängig. Dienordamerikanischen Bündnispartner stationiertenzahlreiche Soldaten auf europäischem Boden undhaben seit diesen Anfängen des Bündnisses stetseine entscheidende Rolle für die Sicherheit Europasgespielt – eine Rolle, die für die transatlantischeSicherheit von zentraler Bedeutung ist und einen uner-lässlichen Stützpfeiler des Bündnisses darstellt.

Im Laufe der Zeit ist die Zahl der nordamerikanischenStreitkräfte in Europa stetig zurückgegangen. Schonseit vielen Jahren stellen die europäischenBündnispartner den größten Teil der Streitkräfte, diedem Bündnis zur Verteidigung Europas zur Verfügungstehen. Zudem stellen europäische Bündnispartnerauf dem Balkan den größten Teil der von der NATOgeführten Friedenstruppen, die allerdings auch vonbedeutenden Truppenkontingenten ausPartnerstaaten und anderen Nichtmitgliedstaaten derNATO unterstützt werden.

Trotzdem tragen die Vereinigten Staaten weiterhineinen unverhältnismäßig großen Anteil der mit derSicherheit des Bündnisses verbundenen Kosten, undwegen des Ungleichgewichts zwischen den militäri-schen Fähigkeiten der Vereinigten Staaten und denen

anderer Bündnismitglieder tragen sie auch einenübermäßig hohen Anteil der Verantwortung für dieMaßnahmen der NATO. Obwohl die europäischenBündnismitglieder und Kanada Anfang der 90er Jahrevon der Friedensdividende aufgrund des Endes desKalten Krieges profitiert hatten, veranlassten sie nichtdie nötigen Investitionen, um ihre militärischenFähigkeiten den neuen Herausforderungen imSicherheitsbereich anzupassen. Sie sind unverändertauf zahlreichen zentralen Gebieten von denVereinigten Staaten abhängig; dazu zählen die füreine rasche Verlegung von Streitkräften erforderlichenLufttransportfähigkeiten, satellitengestützteKommunikationssysteme und andere Bereiche dermodernen Hochtechnologie.

Die Defizite bei den europäischen Verteidigungs-fähigkeiten traten erstmals während derBalkankonflikte der 90er Jahre deutlich zutage;damals zeigte sich, dass die europäischen Staatennicht in der Lage waren, ohne die Unterstützung derVereinigten Staaten einzugreifen, wenn sie eineAusbreitung von Konflikten verhindern wollten. Endeder 90er Jahre wurden von der NATO und derEuropäischen Union (EU) getrennte Initiativen zurStärkung der Verteidigungsfähigkeiten eingeleitet.1999 vereinbarten die beiden Organisationen danneine strategische Partnerschaft.

Lehren aus den Balkanoperationen

Als in Bosnien und Herzegowina Anfang der 90erJahre ein Bürgerkrieg ausbrach, entsandte die EUBeobachter, um die Einhaltung der Resolutionen der

Page 9: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

7

Vereinten Nationen beaufsichtigen zu lassen, aber siehatte weder das politische Mandat noch dieStreitkräfte für weiter gehende Maßnahmen. DieVereinten Nationen entsandten Truppen, aber diesewaren eher für friedenserhaltende Aufgaben als fürOperationen zur Durchsetzung des Friedens geeig-net, und es wurde bald klar, dass dieKampfhandlungen nur durch die Anwendung vonGewalt beendet werden konnten. Das Bündniszögerte zunächst, sich auf dem Balkan zu engagie-ren, denn die Auswirkungen einer Dislozierung vonNATO-Truppen außerhalb des traditionellen NATO-Gebiets waren noch nicht erörtert worden. Zwischen1992 und 1995 wurde die NATO jedoch, als sich dieLage zuspitzte, immer aktiver und unterstützte mitmilitärischen Beiträgen die Überwachung undUmsetzung von Resolutionen und Sanktionen derVereinten Nationen. Als Ende 1995 eine dank ameri-kanischer Vermittlungsbemühungen erreichteFriedensvereinbarung unterzeichnet wurde, erhielteine von der NATO geführte Truppe mit einemUmfang von 60 000 Mann (darunter ein amerikani-sches Kontingent von 20 000 Mann) den Auftrag, dieUmsetzung der Vereinbarung zu überwachen.

Vier Jahre später war es wiederum die NATO alsBündnis, die nach dem Scheitern aller Bemühungenum eine Verhandlungslösung aktiv wurde und eingriff,als die Gewalt im Kosovo eskalierte und sich diehumanitäre Krise verschärfte. Diese Krise bestätigteeinige Defizite, die bei den europäischenVerteidigungsfähigkeiten bereits erkannt wordenwaren. Während der Luftoperationen wurden die mei-sten Einsätze von amerikanischen Flugzeugen geflo-gen, und als die KFOR-Friedenstruppe disloziertwurde, dauerte es mehrere Monate, bis sie ihre volleStärke erreicht hatte.

Im Augenblick verfügt Europa nicht über die nötigenFähigkeiten, um eine militärische Operation der Arteinzuleiten, die schließlich sowohl den Bosnien- alsauch den Kosovokonflikt beendete.Die Europäische Union unternimmt jedoch ernsthafteBemühungen zur Stärkung ihrer Fähigkeiten, und einRahmen für die Zusammenarbeit zwischen der EU

und der NATO (s. weiter unten) ist erarbeitet worden.Daher konnte die NATO der Europäischen Union dieVerantwortung für die Mission in der ehemaligenjugoslawischen Republik Mazedonien* übertragen,wo NATO-Truppen seit 2001 im Einsatz gewesenwaren, nachdem der Präsident des Landes zur Über-windung der Krise darum gebeten hatte (s. Kap. 10).Im März 2003 leitete die Europäische Union dortunter Einsatz von NATO-Mitteln die OperationConcordia ein, mit der sie die Mission desBündnisses übernahm, das den von der EU geführ-ten Truppen bedeutende Unterstützung auf denGebieten Planung und Logistik leistete. Zudem ver-einbarten die NATO und die Europäische Union imJuli 2003 für den westlichen Balkan einen gemeinsa-men strategischen Ansatz, und es werden auchGespräche über verschiedene Optionen geführt, inderen Rahmen die Europäische Union Ende 2004 –mit Unterstützung der NATO – die Verantwortung fürdie Sicherheit Bosniens und Herzegowinas überneh-men könnte.

Stärkung der europäischen Fähigkeiten

Die ersten Anstöße zum Handeln erhielten dieeuropäischen Staaten durch die Erfahrungen auf demBalkan. Die Europäische Union verstärkte ihreBemühungen um die Entwicklung einer europäischenSicherheits- und Verteidigungspolitik, die mit den nöti-gen Krisenreaktionsfähigkeiten einhergehen sollte.Zunächst wurden Verteidigungs- und Sicherheits-fragen im Auftrag der Europäischen Union von einereigenen Organisation behandelt, nämlich von derWesteuropäischen Union (WEU)1. Im Dezember 1999beschloss die Europäische Union jedoch auf ihremGipfeltreffen in Helsinki, dass sie in Zukunft eineeigene Sicherheits- und Verteidigungsrolle entwickelnwerde, und begann mit der Errichtung der dafür erfor-derlichen Strukturen. Sie setzte sich auch das soge-nannte „Planziel“, dem zufolge sie ab dem Jahr 2003dazu in der Lage sein sollte, Schnellreaktionskräfte miteinem Umfang von bis zu 60 000 Mann zu dislozierenund deren Durchhaltefähigkeit für mindestens ein Jahrzu gewährleisten.

1Westeuropäische Union: gegründet durch den Brüsseler Vertrag von 1948 über Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, sozialen undkulturellen Angelegenheiten und zur kollektiven Selbstverteidigung, der von Belgien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden unddem Vereinigten Königreich unterzeichnet wurde. Später traten der WEU Deutschland, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien bei.Die Aufgaben im Zusammenhang mit der Bewältigung von Krisen und humanitären Notsituationen wurden infolge der Beschlüsse desEU-Gipfeltreffens von Helsinki (1999) von der Europäischen Union übernommen. Verpflichtungen aus dem Brüsseler Vertrag, die mitder kollektiven Verteidigung zusammenhängen, wurden nicht geändert und fallen weiterhin in die Zuständigkeit des noch verbleiben-den WEU-Sekretariats.

Page 10: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

8

Das Bündnis seinerseits verpflichtete sich zur Stärkungseines europäischen Pfeilers durch die Entwicklungeiner wirksamen europäischen Sicherheits- undVerteidigungsidentität. Das Ziel dieser Initiative bestanddarin, die Europäische Union bei ihren Bemühungenum den Aufbau einer glaubwürdigen Sicherheitsrolle zuunterstützen und zugleich zur Herbeiführung stärkererund ausgewogenerer transatlantischer Beziehungenbeizutragen, indem man den europäischenBündnispartnern ermöglichte, die Effizienz undKohärenz ihres Beitrags zu NATO-Missionen und -Maßnahmen zu erhöhen. Daher leitete die NATOwährend der 90er Jahre einen Prozess ein, der zumAufbau einer wirklich europäischen Krisen-bewältigungsfähigkeit führen sollte, ohne dass dieinnerhalb der NATO bereits vorhandenen militärischenMittel und Fähigkeiten verdoppelt würden.Von zentralerBedeutung war hierbei das Konzept der „trennbaren,jedoch nicht getrennten Streitkräfte“, dem zufolge beimöglichen Krisenreaktionsoperationen unter derFührung der Westeuropäischen Union NATO-Mittel und-Fähigkeiten eingesetzt werden konnten.

Im April 1999 erkannten die Staats- undRegierungschefs der NATO-Staaten auf ihremWashingtoner Gipfeltreffen an, dass sich dieEuropäische Union im Sicherheitsbereich zu einemeigenständigen Akteur entwickeln wollte, und dahererklärten sie sich bereit, die nötigen Regelungen zuerarbeiten und zu verabschieden, um wesentliche Teileder militärischen Mittel und Fähigkeiten der NATO beivon der EU geführten Krisenreaktionsoperationen, andenen sich die NATO als Bündnis militärisch nichtbeteiligt, zur Verfügung stellen zu können. Nach denEU-Beschlüssen von Helsinki leitete die NATO mit derEU direkte Gespräche und Konsultationen über eineZusammenarbeit zwischen den beiden Organisationenein.

Inzwischen sind neue Formen der Zusammenarbeitkonzipiert worden. Die NATO und die EuropäischeUnion veröffentlichten im Dezember 2002 einegemeinsame Erklärung über die Entwicklung ihrerstrategischen Partnerschaft und vereinbarten im März2003 eine Reihe von Dokumenten über ihreZusammenarbeit bei der Bewältigung von Krisen, dar-unter Regelungen – die sogenannten „Berlin-Plus“-Regelungen – für den Einsatz von NATO-Mitteln und -Fähigkeiten bei Operationen unter der Führung derEU; auf diese Weise wurde die strategischePartnerschaft der beiden Organisationen mit Lebenerfüllt und der Weg für ein koordiniertes Vorgehengeebnet. Ständige Verbindungsregelungen werden

einen Ausbau der Zusammenarbeit und derKonsultationen auf operativer Ebene erleichtern. Manhat sich darauf geeinigt, eine EU-Zelle im OberstenNATO-Hauptquartier der Alliierten Mächte Europa(SHAPE) in Mons, Belgien, sowie eine Vertretung derNATO beim Militärstab der EU einzurichten.

Die NATO und die Europäische Union haben auch eineVereinbarung geschlossen, mit der sie Kohärenz,Transparenz und gegenseitige Stärkung hinsichtlichder Streitkräfteerfordernisse sicherstellen wollen, diebeiden Organisationen gemeinsam sind. Im Mai 2003trat die gemeinsame Fähigkeitengruppe der EU undder NATO zu ihrer ersten Sitzung zusammen. DieInitiativen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeitender NATO (s. Kap. 3) dürften mit dem diesbezüglichenAktionsplan der Europäischen Union und derVerfolgung des Planziels von Helsinki vereinbar seinund werden in zentralen Bereichen zur dringend erfor-derlichen Verbesserung der Fähigkeiten europäischerBündnispartner beitragen.

Das Bündnis ist weiterhin das Instrument, mit dem alleNATO-Mitglieder ihre kollektive Verteidigung sicherstel-len. Es bleibt der Eckstein der euro-atlantischenSicherheit und behält sein Mandat und seine Fähigkeit,bei der Bewältigung von Krisen sowie bei derDurchsetzung und Wahrung des Friedens die nötigenAufgaben zu übernehmen. Die Zusammenarbeit derEU und der NATO im Sicherheitsbereich zielt daraufab, die bei der Bewältigung von Krisen und Konfliktenverfügbaren Optionen zu stärken und zugleich eineunnötige Verdopplung von Fähigkeiten zu vermeiden.Dies wird die militärischen Fähigkeiten der Europäerso verbessern, dass künftige Operationen unter derFührung der EU auch dann bei der Bewältigung vonKrisen in Betracht gezogen werden können, wenn sichdie NATO als Bündnis nicht beteiligt.

Page 11: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

9

Die Bündnismitglieder unternehmen aufeinanderabgestimmte Bemühungen zur Stärkung ihrerVerteidigungsfähigkeiten, damit die NATOStreitkräfte entsenden kann, die rasch überall dort,wo sie erforderlich sind, disloziert werden können,deren Durchhaltefähigkeit über größereEntfernungen und Zeiträume hinweg sichergestelltwerden kann und die ihre Ziele möglichst schnellund effizient erreichen können, während sie zugleichunbeabsichtigte Folgen für Nichtkombattanten aufein Mindestmaß begrenzen. Die Aufrechterhaltungangemessener militärischer Fähigkeiten und eineeindeutige Bereitschaft zu kollektivem Vorgehensind auch im heutigen Sicherheitsumfeld unverän-dert von zentraler Bedeutung. Im Fall von Krisen,welche die Sicherheit von Bündnismitgliederngefährden könnten, müssen NATO-Streitkräfte politi-sche Maßnahmen ergänzen und stärken könnensowie zur Bewältigung solcher Krisen und zu einerfriedlichen Lösung beitragen.

Die Bemühungen um eine Verbesserung derFähigkeiten wurden eingeleitet, als die Staats- undRegierungschefs der NATO-Staaten im April 1999auf ihrem Gipfeltreffen in Washington darlegten, wiedas Bündnis des 21. Jahrhunderts aussehen sollte:größer, mit mehr Fähigkeiten und flexibler; einBündnis, das sich zur kollektiven Verteidigungbekennt und dazu in der Lage ist, neue Aufgaben zuübernehmen, darunter Beiträge zur Verhütung vonKonflikten und ein aktives Engagement beiKrisenbewältigungs- und Krisenreaktionsopera-tionen. Sie leiteten die Initiative zur Verteidigungs-fähigkeit ein, um die Fähigkeiten der NATO in eini-gen zentralen Bereichen zu verbessern.

In den folgenden drei Jahren erzielte man mit dieserInitiative auf manchen Gebieten Erfolge, vor allemdort, wo weniger Ressourcen erforderlich waren,doch bei entscheidenden Fähigkeiten blieben dieDefizite bestehen, und die Umsetzung zog sich indie Länge. Wegen der Gefahren aufgrund neuer,asymmetrischer Bedrohungen (d.h. Bedrohungendurch Gegner, welche die Schwachstellen einermodernen Gesellschaft und militärisch eigentlichüberlegener Staaten häufig unter skrupellosemEinsatz unkonventioneller Mittel, insbesondere desTerrorismus, auszunutzen versuchen) ist es inzwi-schen sogar noch dringender geboten,Anpassungs- und Modernisierungsmaßnahmendurchzuführen. Die Terrorangriffe auf die VereinigtenStaaten vom September 2001 ließen die vomTerrorismus ausgehende Bedrohung deutlichzutage treten, und die darauf folgende Intervention

der Vereinigten Staaten in Afghanistan unterstrichdie anhaltenden Defizite bei den Fähigkeiten derBündnisstaaten.

Daher verpflichteten sich die Staats- undRegierungschefs der NATO-Staaten im November2002 auf ihrem Prager Gipfel zu einem stärker ziel-orientierten Ansatz für den Ausbau der militärischenFähigkeiten der NATO, und dies war als Teil einesPakets von Maßnahmen gedacht, mit denen dieEffizienz künftiger Operationen des gesamtenAufgabenspektrums des Bündnisses, einschließlichder Antiterrormaßnahmen, erhöht werden sollte. ZurVerbesserung der Verteidigungsfähigkeit desBündnisses wurde eine Strategie gewählt, die sichaus drei Elementen zusammensetzte: eine neueInitiative im Bereich der Fähigkeiten (die PragerVerpflichtung zu Verteidigungsfähigkeiten), dieBildung der NATO-Reaktionskräfte und die Straffungder Kommandostruktur. Zudem wurden einigeVerteidigungsinitiativen gezielt zur Bewältigungneuer Gefahren eingeleitet.

Durch die Verbesserung der Interoperabilität undentscheidender Fähigkeiten der NATO-Streitkräftewerden die europäischen Bündnispartner einenwirksameren und kohärenteren Beitrag zu denBündnisaufgaben leisten können, da dadurch dieDefizite bei den europäischen Verteidigungs-fähigkeiten beseitigt werden. Diese Verbesserungensollten auch die Bemühungen der EuropäischenUnion um den Ausbau ihrer militärischenFähigkeiten und die Erreichung des Planziels(Zusammenstellung rasch dislozierbarer Schnell-reaktionskräfte vom Umfang eines Korps) unterstüt-zen bzw. davon unterstützt werden.

Prager Verpflichtung zuVerteidigungsfähigkeiten

Die Initiative zur Verteidigungsfähigkeit zielte aufFähigkeiten ab, die von der NATO alsGesamtbündnis angestrebt wurden, war aber nichtmit spezifischen Verpflichtungen einzelnerBündnisstaaten verbunden. Im Rahmen der PragerVerpflichtung zu Verteidigungsfähigkeiten haben sichjedoch einzelne Bündnispartner in verbindlichen,öffentlichen Zusagen dazu verpflichtet, bei zentralenmilitärischen Fähigkeiten innerhalb bestimmterFristen gezielte Verbesserungen zu erreichen, derenUmsetzung von einer hochrangig besetztenBeobachtergruppe beaufsichtigt werden sollte.

Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten> 3

Page 12: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

10

Von zentraler Bedeutung für die Fähigkeiten sindBereiche wie strategischer Luft- und Seetransport;Luftbetankungsmöglichkeiten, verlegefähige Kamp-funterstützungseinheiten und Versorgungseinheiten;Führungs- und Leitsysteme; Luft-Boden-Über-wachung; Aufklärung, Überwachung und Zieler-fassung; effektive Gefechtsstärke, einschließlich präzisionsgelenkter Kampfmittel und Unterdrückungder feindlichen Luftabwehr, sowie Fähigkeiten zurAbwehr chemischer, biologischer, radiologischer undnuklearer Waffen.

Die Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten wird eineweitere Neubestimmung der Prioritäten in denVerteidigungshaushalten zahlreicher Bündnisstaatenerfordern, z.B. im Hinblick auf einen personellenStreitkräfteabbau und eine Verlagerung vonRessourcen in den Bereich der Modernisierung vonAusrüstung. In vielen Fällen wird eine klügereAusgabenpolitik jedoch nicht reichen, und dann sindvielleicht weitere finanzielle Ressourcen erforderlich.Folglich untersucht man zur Überwindung derDefizite bei den Verteidigungsfähigkeiten sparsameLösungen, wie die Zusammenlegung militärischerFähigkeiten, einen höheren Grad an Spezialisierungauf bestimmte Aufgaben, gemeinsame Beschaffungvon Ausrüstung und gemeinsame/multinationaleFinanzierungsmodelle.

Ist die Prager Verpflichtung zu Verteidigungs-fähigkeiten erst einmal in die Praxis umgesetzt, sowird es in Europa mindestens viermal so vieleGroßraumflugzeuge geben, und durch dieZusammenlegung von Ressourcen werden dieeuropäischen Bündnispartner auch ihreLuftbetankungsmöglichkeiten deutlich ausbauen.Der Anteil luftgestützter präzisionsgelenkterKampfmittel, die nicht aus den Vereinigten Staatenstammen, dürfte bis 2007 auf 40 Prozent ansteigen.

NATO-Reaktionskräfte

Die Reaktionskräfte der NATO werden eine mitmodernster Technik ausgerüstete, flexible, rasch dislo-zierbare, durch Interoperabilität gekennzeichnete unddurchhaltefähige Truppe darstellen, die Land-, See-und Luftkomponenten umfasst und zur Wahrnehmungdes gesamten Spektrums der Bündnisaufgaben in derLage ist. Der Aufbau dieser Truppe mit hohemBereitschaftsgrad wird auch als Katalysator für andere

Verbesserungsmaßnahmen und den Ausbau derInteroperabilität bezüglich der militärischen Fähigkeitendes Bündnisses dienen, so dass deren fortlaufendeAnpassung an neue Sicherheitsaufgaben sichergestelltwerden kann.

Nachdem im Juli 2003 eine erste Konferenz zumStreitkräfteaufwuchs stattgefunden hatte, wurde imOktober 2003 der Prototyp dieser neuen Truppezusammengestellt. Man geht davon aus, dass imOktober 2004 die erste Stufe der Einsatzfähigkeiterreicht sein wird, und im Oktober 2006 soll die volleEinsatzfähigkeit gegeben sein. Die NATO-Reaktionskräfte werden dann etwa 21 000 Mannumfassen und über leistungsstarke hochmoderneKampfflugzeuge, Schiffe, Fahrzeuge für Bodentruppensowie über Kampfunterstützungs-, Logistik-,Fernmelde- und Aufklärungseinheiten verfügen. Siewerden innerhalb von fünf Tagen in ein Krisengebietverlegt werden können und dann über eineDurchhaltefähigkeit von 30 Tagen verfügen.

Neue Kommandostruktur

In Prag verabschiedeten die Staats- undRegierungschefs den Entwurf einer gestrafften, effi-zienteren, leistungsstärkeren und leichter verlegba-ren militärischen Kommandostruktur mit zwei strate-gischen Kommandos, einem Kommando für dieOperationsführung und einem funktionalenKommando. Die Einzelheiten der neuen Strukturwurden im Juni 2003 abschließend geregelt. Dieneue Kommandostruktur bringt die Notwendigkeitweniger umfangreicher, flexiblerer und rascher dislo-zierbarer Streitkräfte zum Ausdruck, die für dieneuen Aufgaben der NATO besser geeignet sind.Die Zahl der Kommandos der zweitenFührungsebene wurde von 20 auf 11 verringert, unddie Aufgaben dieser Kommandos sind neu bestimmtworden.

Alle Einsatzführungskommandos unterstehen nundem Alliierten Kommando Operationsführung beiSHAPE (Supreme Headquarters Allied PowersEuropa – Oberstes Hauptquartier der AlliiertenMächte Europa) in Belgien. Unterstützt wird es vonzwei teilstreitkräfteübergreifenden Kommandos, dieein landgestütztes CJTF-Kommando aufbauen kön-nen, sowie von einem robusten, aber stärkerbegrenzten ständigen teilstreitkräfteübergreifenden

Page 13: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

11

Kommando, das als Ausgangspunkt für ein seege-stütztes CJTF-Kommando dienen kann. CJTF(Combined Joint Task Forces – alliierteStreitkräftekommandos) sind flexible Kommando-strukturen, die militärischen Befehlshabern ermög-lichen, im Hinblick auf die spezifischen Erforder-nisse einer bestimmten militärischen OperationStreitkräfte verschiedener Staaten zusammenzu-stellen und einzusetzen.

Ein neues alliiertes Kommando für Fragen derUmgestaltung (Allied Command Transformation –ACT) ist für die kontinuierliche Umgestaltung derFähigkeiten der NATO zuständig und fördert dieInteroperabilität der Bündnisstreitkräfte. Es tritt inNorfolk, Virginia (Vereinigte Staaten), an die Stelledes früheren Kommandobereichs Atlantik, ist jedochauch in Europa vertreten. Die Tatsache, dass derOberste Alliierte Befehlshaber für Fragen derUmgestaltung zugleich an der Spitze desGemeinsamen Streitkräftekommandos derVereinigten Staaten steht, also des Motors für denWandel innerhalb der amerikanischen Streitkräfte,ist mit offensichtlichen Vorteilen verbunden. ACTwird eine Schlüsselrolle bei der Anpassung derFähigkeiten sowie bei der Entwicklung der Doktrinenfür die neuen NATO-Reaktionskräfte spielen.

Bekämpfung neuer Gefahren

In Prag wurden mehrere Initiativen eingeleitet, umdie Fähigkeiten des Bündnisses im Kampf gegenden Terrorismus und andere neue Sicherheits-gefahren zu stärken. So wurde ein militärischesKonzept für die Verteidigung gegen den Terrorismusangenommen. Zudem hat man in Form desAktionsplans gegen Terrorismus eine Zusammen-

arbeit mit Partnerstaaten in die Wege geleitet, diedarauf abzielt, nachrichtendienstliche Erkenntnisseauszutauschen und die Zivilschutzvorkehrungengegen mögliche Angriffe mit chemischen, biologi-schen oder radiologischen Waffen zu verbessernsowie zur Bewältigung der Konsequenzen solcherAngriffe auf die Zivilbevölkerung beizutragen.

Fünf Maßnahmen wurden getroffen, um dieFähigkeiten des Bündnisses im Kampf gegennukleare, biologische und chemische Waffen zu stär-ken: Einrichtung des Prototyps eines verlegefähigenAnalyselabors, Aufstellung eines NATO-Teams zurReaktion auf ABC-Vorfälle, Einrichtung eines virtuel-len „Centre of Excellence“ als Schaltstelle für dieABC-Abwehr, NATO-Lagerbestände zur B- und C-Waffen-Abwehr sowie Einführung eines Überwa-chungssystems für Erkrankungen. Zudem werden imRahmen der Durchführbarkeitsstudie der NATO zurRaketenabwehr die Optionen für den Schutz desHoheitsgebiets, der Streitkräfte und der Bevölkerungder Bündnisstaaten vor dem gesamten Spektrum vonRaketengefahren untersucht. Auch die Fähigkeitenzur Verteidigung gegen Angriffe im Rahmen der virtu-ellen Kriegführung werden verbessert.

Am 1. Dezember 2003 erreichte ein neues multina-tionales Bataillon, das für die ABC-Abwehr und dieAbwehr radiologischer Waffen bestimmt ist, die ersteStufe seiner Einsatzfähigkeit. Dieses Bataillon ist imNorden der Tschechischen Republik in Liberec sta-tioniert und soll im Juli 2004 im Hinblick auf NATO-Operationen seine volle Einsatzfähigkeit erreichthaben. An der Aufstellung des Bataillons waren 13Staaten beteiligt: Belgien, Italien, Kanada,Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, dieTschechische Republik, die Türkei, Ungarn, dieVereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich.

Page 14: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

12

Seit der Gründung der NATO besteht dieHauptaufgabe der Bündnisstreitkräfte darin, dieSicherheit und die territoriale Unversehrtheit derMitgliedstaaten zu gewährleisten. Die Aufgabe, durchMaßnahmen der Abschreckung und der kollektivenVerteidigung für die Sicherheit des Bündnisses zu sor-gen, ist unverändert von grundlegender Bedeutung,doch seit dem Ende des Kalten Krieges haben sichRolle und Struktur der NATO-Streitkräfte wegen derAnpassung an das neue Sicherheitsumfeld und mitBlick auf die Förderung der militärischenZusammenarbeit mit Partnerstaaten tief greifend ver-ändert.

Während des Kalten Krieges konzentrierte sich dieVerteidigungsplanung der NATO in erster Linie auf dieAufrechterhaltung der erforderlichen Fähigkeiten fürdie Verteidigung gegen eine mögliche Aggression derSowjetunion und des Warschauer Paktes. Nach demFall der Berliner Mauer wurde gelegentlich die Ansichtvertreten, die NATO sei nicht mehr nötig. Die euro-atlantische Sicherheit war jedoch, obwohl sie durchweniger Konfrontation gekennzeichnet war, komplexergeworden, und zahlreiche neue Gefahren sind außer-halb Europas entstanden, darunter Schwierigkeitenaufgrund des Zusammenbruchs von Staatswesen, dieVerbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrenTrägermitteln sowie der Terrorismus. Diese neueSicherheitsagenda bildete sich Anfang der 90er Jahredurch die ethnischen Konflikte auf dem Balkan heraus,wo NATO-Streitkräfte schließlich die Aufgabe erhielten,den Frieden abzustützen und Krisen zu bewältigen.

Die Terrorangriffe vom September 2001 und die darauffolgenden Operationen gegen die für diese Angriffeverantwortliche Al Qaida in Afghanistan haben in letz-ter Zeit zu wachsender Besorgnis über die Gefahrengeführt, die vom Terrorismus, vom Zusammenbruchvon Staatswesen und von der Verbreitung vonMassenvernichtungswaffen ausgehen. Die Streitkräfteder NATO leisten nun einen Beitrag zur Bekämpfungdes Terrorismus und spielen eine größere Rolle beiinternationalen Friedensmissionen, durch die dasBündnis zum ersten Mal in seiner Geschichte über dieGrenzen des euro-atlantischen Gebiets hinausgeht.Obwohl die heutigen Gefahren für das Bündnis mögli-cherweise einen weniger apokalyptischen Charakterhaben als während des Kalten Krieges, handelt es sichum sehr reale, dringende und häufig unberechenbareRisiken.Konventionelle Streitkräfte der NATO

Seit dem Ende des Kalten Krieges ist derGesamtumfang der konventionellen Streitkräfteerheblich verringert worden: Landstreitkräfte, die vonden Mitgliedstaaten für das Bündnis bereitgestelltwerden, wurden um 35 Prozent abgebaut; die Zahlder größeren Marinefahrzeuge ist um mehr als 30Prozent gesunken, und bei Kampfstaffeln derLuftstreitkräfte ist seit Anfang der 90er Jahre einRückgang um etwa 40 Prozent zu verzeichnengewesen. Die meisten Streitkräfte weisen auch kei-nen hohen Bereitschaftsgrad mehr auf und sind soumstrukturiert worden, dass der Schwerpunkt aufhöherer Flexibilität und Mobilität liegt und sie zudemin der Lage sind, neue Aufgaben auf dem Gebiet derUnterstützung des Friedens und der Bewältigung vonKrisen zu übernehmen sowie effizient mitStreitkräften aus Nichtmitgliedstaaten der NATOzusammenzuarbeiten.

Ein Beispiel dafür, wie die neuen Rahmen-bedingungen zu Änderungen im Aufbau derBündnisstreitkräfte geführt haben, besteht in derEinführung des militärischen Konzepts der CJTF(Combined Joint Task Forces – alliierteStreitkräftekommandos). Dieses Konzept ermöglichtflexible Strukturen, so dass Befehlshaber im Hinblickauf die spezifischen Erfordernisse einer bestimmtenmilitärischen Operation Streitkräfte verschiedenerStaaten zusammenstellen und einsetzen können. Eserleichtert auch die Einbeziehung von Nichtmitglied-staaten der NATO in Friedensoperationen unter derFührung des Bündnisses und ermöglicht, dass beieventuellen militärischen Operationen unter derFührung der EU Mittel und Fähigkeiten der NATOgenutzt werden.

Die neuen Bündnisaufgaben auf dem Gebiet derBewältigung von Krisen und der Unterstützung desFriedens (Einzelheiten s. Kap. 10) gewannen ab derMitte der 90er Jahre immer mehr an Bedeutung.Zwischen 1992 und 1995 begannen die NATO-Streitkräfte zur Unterstützung der Vereinten Nationenmit ihren Operationen im Bosnienkonflikt, wobei sieder VN-Schutztruppe vor Ort Luftunterstützunggewährten sowie dazu beitrugen, die Sanktionen derVereinten Nationen in der Adria wie auch dasFlugverbot über Bosnien und Herzegowina zu über-wachen und durchzusetzen. Die Luftoperationen, dieim August und September 1995 zur Beendigung derBelagerung Sarajewos durchgeführt wurden, leiste-ten einen Beitrag dazu, das Kräfteverhältnis zu ver-

Die Rolle der NATO-Streitkräfte im Wandel > 4

Page 15: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

13

ändern und eine Friedensvereinbarung sicherzustel-len. Im Dezember 1995 entsandte die NATO dann imEinklang mit einem Mandat der Vereinten Nationeneine multinationale Truppe zur Umsetzung dermilitärischen Aspekte der Friedensvereinbarung.

Im Frühjahr 1999 wurde die Rolle der NATO auf demGebiet der Krisenbewältigung ausgebaut, als NATO-Staaten Luftoperationen gegen das jugoslawischeRegime einleiteten, um es dazu zu zwingen, interna-tionalen Forderungen nachzukommen und die poli-tisch und ethnisch motivierte Unterdrückung imKosovo zu beenden. Damals wurde eine umfangrei-che multinationale Truppe unter der Führung derNATO als Beitrag zur Wiederherstellung der Stabilitätin diese Provinz entsandt.

Zwei Jahre später, nämlich Anfang 2001, arbeitetedie NATO mit der neuen demokratischen jugoslawi-schen Regierung bei Maßnahmen zur Verhütungeiner Krise im südlichen Serbien zusammen, einemGebiet mit einem hohen albanischen Bevölkerungs-anteil. Noch im gleichen Jahr betrieb die NATOgemeinsam mit der Europäischen Union durch dieFörderung von Verhandlungen über einenFriedensplan eine Form der präventiven Diplomatie,um den Ausbruch eines Bürgerkriegs in der ehema-ligen jugoslawischen Republik Mazedonien* zu ver-hindern. Eine NATO-Truppe geringeren Umfangswurde im Sommer 2001 mit dem Ziel entsandt, diealbanischen Rebellen mit friedlichen Mitteln zu ent-waffnen und die Sicherheit der internationalenBeobachter zu gewährleisten, und so konnte dieStabilität rasch wiederhergestellt werden.

Dank der Balkanoperationen konnten die NATO-Streitkräfte zahlreiche Erfahrungen hinsichtlichOperationen zur Unterstützung des Friedens und zurBewältigung von Krisen sowie bezüglich der Führungmultinationaler Zusammenschlüsse von Staatensammeln, unter denen auch Nichtmitglieder desBündnisses vertreten waren. Dadurch wird die NATO

im heutigen Sicherheitsumfeld zu einem wertvollenInstrument. Seit den Terrorangriffen vom 11.September 2001 ist das Bündnis immer häufigergefordert, in Zonen der Instabilität außerhalb seinestraditionellen euro-atlantischen Zuständigkeits-gebiets einen Beitrag zur Herbeiführung vonSicherheit zu leisten.

Im Hinblick auf Afghanistan erklärte sich das Bündnisim August 2003 dazu bereit, die Führung der ISAF(International Security Assistance Force) zu über-nehmen, um Stabilität in einem zusammengebroche-nen Staat herbeizuführen, der lange unter einemBürgerkrieg gelitten hatte und Terroristen einensicheren Zufluchtsort bot. Zuvor hatte die NATO zurUnterstützung einzelner Bündnisstaaten, die in derISAF die Führung übernommen hatten, wichtigePlanungsaufgaben übernommen. Durch dieStärkung der Rolle der NATO wurde Kontinuitätgewährleistet und das Problem gelöst, dass man allesechs Monate neue Staaten für die Übernahme derFührung suchen musste. NATO-Personal arbeitetunter der Ägide der ISAF und ist weiterhin imEinklang mit einem Mandat der Vereinten Nationenim Einsatz; dieses Mandat wurde im Oktober 2003erweitert, damit auch Operationen außerhalb derHauptstadt Kabul durchgeführt werden konnten.

Das Engagement der NATO in Afghanistan stellt dieerste Mission des Bündnisses außerhalb des euro-atlantischen Raumes dar. Darin kommt der bahnbre-chende Beschluss der in Reykjavik versammeltenNATO-Außenminister vom Mai 2002 zum Ausdruck,wonach die NATO dazu in der Lage sein muss,Streitkräfte aufzustellen, „die schnell überall dorthinverlegt werden können, wo sie gebraucht werden,Operationen über größere Entfernungen und längereZeiträume durchführen sowie die vorgegebenenZiele erreichen können.“ Zudem hat sich die NATOnach der von den Vereinigten Staaten geführtenIntervention gegen das Regime Saddam Husseinsdazu bereit erklärt, in der Mitte Iraks die multinatio-

Page 16: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

14

nale Division unter polnischer Führung auf denGebieten Streitkräfteaufwuchs, Logistik, Fernmelde-wesen und Aufklärung zu unterstützen. Gegenüberanderen Bündnisstaaten, die darum ersuchen, ist siezu ähnlichen Unterstützungsmaßnahmen bereit.

Das Sicherheitsumfeld der Zeit nach dem 11.September ist auch durch den Einsatz klassischerMarineoperationen gegen neue Gefahren gekenn-zeichnet. Seit Oktober 2001 patrouillieren NATO-Schiffe im Rahmen der Operation Active Endeavourden östlichen Mittelmeerraum und überwachen soden Schiffsverkehr, um terroristische Aktivitäten auf-zudecken bzw. durch Abschreckung zu verhindern.Inzwischen ist diese Mission erweitert worden undumfasst auch – auf Anfrage – das Eskortieren zivilerSchiffe durch die Straße von Gibraltar sowie syste-matische Besuche auf verdächtigen Schiffen. Nebender abschreckenden Wirkung hinsichtlich desTerrorismus ist diese Marineoperation mit einigenunerwarteten Vorteilen verbunden gewesen und hatsich sichtbar auf die Sicherheit und Stabilität desMittelmeerraums ausgewirkt, was für den Handelund die Wirtschaft förderlich ist.

Nukleare Streitkräfte der NATO

Die Kernwaffenpolitik der NATO zählt zu denjenigenBereichen der Militärpolitik, in denen in den letztenzehn Jahren die tiefstgreifenden Veränderungenfestzustellen waren. Während des Kalten Kriegeswaren die nuklearen Streitkräfte der NATO in derBündnisstrategie von zentraler Bedeutung. DieExistenz einer beträchtlichen Zahl dieser Streitkräftesollte ebenso wie die erklärte Bereitschaft derRegierungen der NATO-Staaten, diese Streitkräfte

aufrechtzuerhalten und ihren Einsatz in Erwägungzu ziehen, eine abschreckende Wirkung haben –nicht nur als Schutz vor dem Einsatz von Kernwaffendurch andere Staaten, sondern auch als letztesMittel der Abschreckung gegen jede Form vonAggression.

Mitte der 50er Jahre betonte die Strategie der soge-nannten „massiven Vergeltung“ das Konzept derAbschreckung auf der Grundlage der Drohung, dassdie NATO auf eine Aggression gegen eines ihrerMitglieder mit allen ihr zur Verfügung stehendenMitteln, vor allem auch mit Kernwaffen, reagierenwerde. 1967 wurde dann die Strategie der „flexiblenReaktion“ eingeführt, die darauf abzielte,Aggressionen mit Hilfe der Abschreckung dadurchzu verhindern, dass man einen potentiellenAngreifer über die Art der Bündnisreaktion (konven-tionell oder nuklear) im Ungewissen ließ. DieseStrategie behielt die NATO bis zum Ende des KaltenKrieges bei.

Heute spielen Kernwaffen in der Bündnisstrategieeine sehr viel geringere Rolle. Jede der dreiAtommächte der NATO – die Vereinigten Staaten,das Vereinigte Königreich und Frankreich – hat dieZahl ihrer Kernwaffen deutlich verringert, in man-chen Fällen sogar um 80 Prozent. Die Umstände,unter denen ein Einsatz dieser Waffen in Betrachtgezogen werden könnte, gelten als äußerst unwahr-scheinlich, und diese Waffen richten sich auch nichtmehr gegen ein bestimmtes Land oder einebestimmte Bedrohung.

Page 17: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

15

NATO-Streitkräfte

Der Ausdruck „NATO-Streitkräfte“ ist vielleichtetwas irreführend, denn die NATO hat keine ständi-gen Streitkräfte. Vielmehr verpflichten sich einzelneMitgliedstaaten dazu, dem Bündnis für vereinbarteAufgaben oder Operationen bestimmte Arten vonStreitkräften in einem bestimmten Umfang zurVerfügung zu stellen. Diese Streitkräfte bleibenunter einzelstaatlicher Kontrolle, bis sie angefordertund dann militärischen Befehlshabern der NATOunterstellt werden.

Die NATO verfügt wirklich nur über wenig ständi-ges militärisches Personal. Kleine integrierteStäbe bilden in verschiedenen multinationalenHauptquartieren die integrierte militärischeStruktur des Bündnisses. Manche Einsatzkräfte,wie z.B. die luftgestützten Frühwarnkräfte derNATO, unterhalten ständige Einrichtungen für dasFernmeldewesen oder für die Luftabwehr undLuftüberwachung. Und ständige Einsatzverbände,

die sich aus einer kleinen Zahl von Schiffen undPersonal der Seestreitkräfte einiger Bündnis-staaten zusammensetzen, werden nach demRotationsprinzip eingesetzt und abgelöst.

Obwohl die NATO nicht über ständige Streitkräfteverfügt, kann sie auf die Streitkräfte von 26Bündnispartnern zurückgreifen. Ihre integriertemultinationale Struktur hat zu einem bisher beispi-ellosen Grad an Interoperabilität zwischenStreitkräften geführt, die im Einklang mit gemein-samen Standards und Verfahren für gemeinsameOperationen ausgerüstet und ausgebildet werden.Dies macht die NATO im heutigen Sicher-heitsumfeld in Verbindung mit ihrer langjährigenErfahrung an der Spitze multinationalerOperationen zur Bewältigung von Krisen und zurWahrung des Friedens zu einem Instrument vonunschätzbarem Wert, denn die Bewältigung neuerGefahren erfordert ein abgestimmtes internationa-les Vorgehen.

Der entscheidende Zweck der noch verbleibendennuklearen Streitkräfte ist politischer Art: Sie sollenden Frieden wahren und Zwangsmaßnahmen ver-hindern, indem sie die Risiken eines Angriffs auf dieNATO unberechenbar und unannehmbar hochmachen. In Verbindung mit konventionellen, alsonichtnuklearen Fähigkeiten lassen sie jedes Land imUngewissen, das sich möglicherweise vom ange-drohten oder tatsächlichen Einsatz nuklearer, biolo-gischer bzw. chemischer Waffen gegen das Bündnispolitische oder militärische Vorteile erhofft.

Zugleich bekennen sich die NATO-Staaten schonseit langem zur nuklearen Rüstungskontrolle undAbrüstung sowie zu Maßnahmen gegen dieVerbreitung von Kernwaffen, und die NATO unter-stützt Maßnahmen zu einem abgestuften, gezieltenKernwaffenabbau sowie zur Begrenzung derVerbreitung von Massenvernichtungswaffen (MVW).Bei der NATO ist ein MVW-Zentrum errichtet wor-den, das auf diesem Bereich die Erfordernisseermittelt und einen Informationsaustausch ermög-licht.

Page 18: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

16

Das Bündnis passte sich den strategischenRahmenbedingungen der Zeit nach dem Ende desKalten Krieges durch die Einigung auf eine umfas-sendere Definition des Sicherheitsbegriffs sowiedurch die Einleitung einer breit angelegten Strategieder Partnerschaft und der Zusammenarbeit an, diefür den gesamten euro-atlantischen Raum gilt undnun zu den grundlegenden Sicherheitsaufgaben derNATO zählt. Dieser Prozess wurde 1990 eingeleitet,als die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten den früheren Eisernen Vorhang zwischenOst und West mit ihrer „Hand der Freundschaft“überwanden und neue, durch Zusammenarbeitgekennzeichnete Beziehungen mit den StaatenMittel- und Osteuropas sowie mit den ehemaligensowjetischen Republiken vorschlugen.

Dadurch wurde im Dezember 1991 die Bildung desNordatlantischen Kooperationsrats (NAKR) möglich,der als Konsultationsforum darauf abzielte, gegen-seitiges Vertrauen zu schaffen. Nur wenige Jahrespäter machte der Partnerschaftsprozess bedeu-tende Fortschritte, als 1994 das Programm derPartnerschaft für den Frieden (PfP) eingeleitetwurde – ein umfassendes Programm der prakti-schen bilateralen Zusammenarbeit zwischen derNATO und einzelnen Partnerstaaten.

Heute konsultieren die NATO und ihrePartnerstaaten einander im Euro-AtlantischenPartnerschaftsrat (EAPR), der 1997 an die Stelledes NAKR trat, regelmäßig zu Sicherheits- undVerteidigungsfragen. Die Streitkräfte von NATO-Ländern und Partnerstaaten arbeiten häufig zusam-men und führen gemeinsame Übungen durch, undihre Soldaten sind auf dem Balkan im Rahmen dervon der NATO geführten Friedensoperationen Seitean Seite im Einsatz. Im November 2002 wurdenzudem auf dem Prager Gipfeltreffen einigeMaßnahmen getroffen, mit denen dieZusammenarbeit zwischen der NATO und ihrenPartnerstaaten verstärkt und die Partnerschafts-aktivitäten besser auf die Bewältigung derSicherheitsaufgaben des 21. Jahrhunderts ausge-richtet werden sollten.

Die Partnerschaft für den Frieden

Das Programm der Partnerschaft für den Frieden(PfP) ist eine der bemerkenswertesten internationa-len Errungenschaften, die in den letzten zehnJahren im Sicherheitsbereich zu verzeichnen gewe-

sen sind. Seit dieses Programm 1994 eingeleitetwurde, haben 30 Staaten die Einladung zum Beitrittangenommen: Albanien, Armenien, Aserbaidschan,Bulgarien, Estland, Finnland, Georgien, Irland,Kasachstan, die Kirgisische Republik, Kroatien,Lettland, Litauen, die ehemalige jugoslawischeRepublik Mazedonien,* die Republik Moldau, Öster-reich, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, dieSchweiz, die Slowakei, Slowenien, Tadschikistan,die Tschechische Republik, Turkmenistan, dieUkraine, Ungarn, Usbekistan und Weißrussland.Zehn von diesen Staaten sind inzwischen in dasBündnis aufgenommen worden: Polen, dieTschechische Republik und Ungarn (1999) sowieBulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, dieSlowakei und Slowenien (2004).

Bosnien und Herzegowina sowie Serbien undMontenegro haben ebenfalls den Wunsch geäußert,der Partnerschaft für den Frieden und dem Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat beizutreten. Sobalddiese beiden Staaten die vom Bündnis festgelegtenBedingungen erfüllt haben, darunter die uneinge-schränkte Zusammenarbeit mit dem InternationalenStrafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ins-besondere Festnahme und Überstellung mutmaßli-cher Kriegsverbrecher an den Strafgerichtshof), wirddie NATO ihrem Beitritt zur Partnerschaft erwar-tungsvoll entgegensehen.

Die Partnerschaft für den Frieden stützt sich auf diepraktische Zusammenarbeit und das Bekenntnis zudemokratischen Prinzipien, die dem Bündnis selbstzugrunde liegen, und ist darauf ausgerichtet, dieStabilität zu erhöhen, die Gefahren für den Friedenzu verringern und die Sicherheitsbeziehungen zwi-schen einzelnen Partnerstaaten und der NATO wieauch zwischen den Partnerstaaten selbst zu stär-ken. Der Kern des PfP-Programms besteht in derPartnerschaft, die zwischen jedem einzelnenPartnerstaat und der NATO geschlossen wird, aufdie individuellen Erfordernisse des jeweiligenStaates zugeschnitten ist und gemeinsam aufdemjenigen Niveau und in demjenigen Tempo in diePraxis umgesetzt wird, die von der Regierung desjeweiligen Partnerstaats bestimmt werden.

Die formale Grundlage der Partnerschaft für denFrieden ist das PfP-Rahmendokument. Darin wer-den die spezifischen Verpflichtungen jedes einzel-nen Partnerstaats festgehalten, und es umfasstauch die Verpflichtung der NATO-Staaten zu

Mehr Sicherheit durch Partnerschaft > 5

Page 19: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

17

Konsultationen mit jedem Partnerstaat, der seineterritoriale Unversehrtheit, seine politischeUnabhängigkeit oder seine Sicherheit für direktbedroht hält. Jeder Partnerstaat geht eine Reiheweitreichender politischer Verpflichtungen imHinblick auf folgende Punkte ein: Wahrung derDemokratie, Einhaltung der Grundsätze desVölkerrechts, Erfüllung der Verpflichtungen, die sichaus der Satzung der Vereinten Nationen, derAllgemeinen Erklärung der Menschenrechte, derSchlussakte von Helsinki2 und internationalenAbrüstungs- und Rüstungskontrollverträgen erge-ben, Verzicht auf die Androhung oder Anwendungvon Gewalt gegen andere Staaten, Achtung beste-hender Grenzen und friedliche Beilegung vonStreitigkeiten. Insbesondere wird die Verpflichtungeingegangen, die Transparenz der nationalenVerteidigungsplanung und des nationalenVerteidigungshaushalts mit Blick auf dieHerbeiführung einer demokratischen Kontrolle derStreitkräfte zu erhöhen und die Fähigkeit zu erwer-ben, bei Friedensoperationen oder humanitärenOperationen gemeinsam mit der NATO aktiv zu wer-den.

Die NATO und jeder einzelne Partnerstaat erarbei-ten und vereinbaren gemeinsam ein IndividuellesPartnerschaftsprogramm. Je nach den spezifischenInteressen und Erfordernissen des jeweiligenPartnerstaats wird aus einem umfassenden Angebotvon Aktivitäten – dem Arbeitsprogramm derPartnerschaft – ein Zweijahresprogramm zusam-mengestellt. Die Zusammenarbeit, die sich vor allemauf Aktivitäten im Verteidigungsbereich konzentriert,umfasst praktische Kooperationsmaßnahmen derZusammenarbeit bezüglich nahezu allerAufgabengebiete der NATO. Das Arbeitsprogrammenthält Aktivitäten in mehr als zwanzig Bereichen,die von der Verteidigungspolitik und -planung überzivil-militärische Beziehungen, praktische und theo-retische Ausbildung, Luftabwehr, Fernmelde- undInformationssysteme und Krisenbewältigung bis hinzur zivilen Notfallplanung reichen.

Damit Streitkräfte der Partnerstaaten bei Friedens-operationen besser mit denen der NATO zusam-

menarbeiten können, werden im Rahmen einesPlanungs- und Überprüfungsprozesses der PfPRichtlinien für die Erfordernisse bezüglich derInteroperabilität bzw. der Fähigkeiten festgelegt.Dieser Mechanismus stützt sich auf dasStreitkräfteplanungssystem der NATO selbst undwird den Partnerstaaten als Option angeboten.Planziele oder Partnerschaftsziele werden mitjedem einzelnen Teilnehmerstaat ausgehandelt, undin eingehenden Untersuchungen werden die jeweili-gen Fortschritte ermittelt. Dieser Prozess hat beiden Friedensoperationen auf dem Balkan einenbedeutenden Beitrag zur engen Zusammenarbeitmit den Partnerstaaten geleistet.

Im Laufe der Jahre sind die operativen Elemente derPartnerschaft für den Frieden immer stärker in denVordergrund getreten, und die Partnerstaaten sindzunehmend in die Beschlussfassungs- undPlanungsprozesse der PfP einbezogen worden. EinKonzept operativer Fähigkeiten wurde zurErreichung einer engeren und stärker zielorientier-ten militärischen Zusammenarbeit eingeführt, diewiederum auf eine Verbesserung der militärischenEffizienz multinationaler Streitkräfte ausgerichtet ist.Zudem wurde ein politisch-militärischesRahmendokument erarbeitet, mit dessen Hilfewährend einer sich verschärfenden Krise, die eineEntsendung von Friedenstruppen erforderlichmachen könnte, Konsultationen mit Partnerstaatenintensiviert und die Partnerstaaten eher in dieErörterung des Einsatzplans sowie in den Prozessdes Streitkräfteaufwuchses einbezogen werden sol-len.

Um die Partnerstaaten besser in die übliche Arbeitder Partnerschaft zu integrieren, sind in mehrerenNATO-Kommandos PfP-Stabselemente mitOffizieren der Partnerstaaten eingerichtet worden.Darüber hinaus unterstützt im OberstenHauptquartier der Alliierten Mächte Europa(SHAPE) bei Mons, Belgien, eine Partnerschafts-koordinierungszelle die Koordinierung derAusbildungsprogramme und Übungen der PfP, undein Internationales Koordinierungszentrum stelltallen Nichtmitgliedstaaten der NATO, die Truppen-

2Schlussakte von Helsinki: 1975 von der damaligen Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit inEuropa (KSZE) mit dem Ziel angenommen, internationale Verhaltensnormen festzulegen, vertrauensbildendeMaßnahmen zwischen Ost und West einzuführen, die Achtung der Menschenrechte zu fördern und diewirtschaftliche, kulturelle, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit zu verstärken.

Page 20: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

18

kontingente für die von der NATO geführtenFriedensoperationen auf dem Balkan und inAfghanistan bereitstellen, Informationen undPlanungseinrichtungen zur Verfügung.

Der Euro-Atlantische Partnerschaftsrat

Der Euro-Atlantische Partnerschaftsrat führt als mul-tilaterales Forum für regelmäßige Gespräche undKonsultationen über politische und sicherheitsrele-vante Fragen NATO-Mitglieder und Partnerstaatenzusammen und umfasst derzeit insgesamt 46Staaten. Er dient auch als politischer Rahmen derbilateralen Beziehungen, die zwischen der NATOund einzelnen PfP-Teilnehmerstaaten entwickelt wor-den sind.

In dem 1997 gefassten Beschluss zur Gründung desEAPR kam der Wunsch zum Ausdruck, über dieErrungenschaften des NAKR hinauszugehen und einSicherheitsforum einzurichten, das der zunehmen-den Komplexität der Beziehungen gerecht werdenkonnte, die zu den Partnerstaaten im Rahmen derPfP sowie im Zusammenhang mit derFriedensoperation in Bosnien und Herzegowina ent-wickelt worden waren, wohin 1996 Truppen aus 14Partnerstaaten zu einem gemeinsamen Einsatz mitihren Kollegen aus dem Bündnis entsandt wordenwaren.

Die Gründung des EAPR ergänzte auch dieMaßnahmen, die parallel dazu zur Stärkung der PfPgetroffen worden waren, indem man die Einbindungder Partnerstaaten in die Beschlussfassung undPlanung bezüglich des gesamten Spektrums derPartnerschaftsaktivitäten intensivierte.

Neben kurzfristig anberaumten EAPR-Konsul-tationen zu aktuellen politischen und sicherheits-relevanten Fragen regelt ein für zwei Jahre geltender EAPR-Aktionsplan einen längerfristigenKonsultations- und Kooperationsprozess für ein brei-tes Spektrum von Themenbereichen. Dazu zählenu.a. Operationen zur Bewältigung von Krisen und zurUnterstützung des Friedens, regionale Fragen,Rüstungskontrolle und Fragen im Zusammenhangmit der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen,der internationale Terrorismus, Verteidigungsfragenbezüglich der Bereiche Planung, Haushalt, Leitlinienund Strategie, zivile Notfallplanung undKatastrophenschutz, Rüstungszusammenarbeit,

Page 21: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

19

nukleare Sicherheit, Koordinierung des zivilen undmilitärischen Luftverkehrs sowie wissenschaftlicheZusammenarbeit.

Auf Botschafterebene tritt der EAPR einmal monat-lich zusammen, auf der Ebene der Außen- undVerteidigungsminister sowie der Stabschefs einmaljährlich, und gelegentlich finden auch Gipfeltreffenstatt. Ab 2005 soll jedes Jahr einmal eine hochran-gige Tagung veranstaltet werden, die sich mit politi-schen Fragen befasst, die für die euro-atlantischeStaatengemeinschaft von Bedeutung sind. Die meisten Partnerstaaten haben diplomatischeVertretungen in der Brüsseler NATO-Zentrale einge-richtet, was einen regelmäßigen Meinungs-austausch erleichtert und Konsultationen ermög-licht, sobald sie nötig werden. Die Botschafter derNATO-Mitglieder und der Partnerstaaten konntenz.B. am 12. September unmittelbar nach denTerrorangriffen auf die Vereinigten Staaten vom 11.September 2001 sehr kurzfristig zu einer Sitzungeinberufen werden. Die Solidarität, die an jenem Tagvon den EAPR-Mitgliedern – von Nordamerika überEuropa bis nach Zentralasien – zum Ausdruckgebracht wurde, und die Zusammenarbeit, die seit-her bei den Antiterrormaßnahmen unter derFührung der Vereinigten Staaten deutlich wurde,lassen erkennen, dass die Partnerschaftsinitiativender NATO zur Herausbildung einer echten euro-atlantischen Sicherheitskultur geführt haben.

Die Partnerschaft nach dem PragerGipfel

Die allen gemeinsame Entschlossenheit, mit verein-ten Kräften gegen die terroristische Bedrohung vor-zugehen, nahm konkrete Gestalt an, als auf demPrager Gipfel der Partnerschafts- Aktionsplan gegen

den Terrorismus initiiert wurde. Man traf auchMaßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeitzwischen der NATO und ihren Partnerstaaten. Eineumfassende Überprüfung des EAPR und der PfPführte zu der Empfehlung, den politischen Dialog mitden Partnerstaaten auszubauen und sie noch stär-ker in die Planung, Durchführung undBeaufsichtigung von Aktivitäten einzubeziehen, andenen sie beteiligt sind. Darüber hinaus wurde einneuer Kooperationsmechanismus eingeführt, derIndividuelle Partnerschaftsaktionsplan, der demBündnis ermöglicht, die Unterstützung für diejenigenPartnerstaaten, die um gezieltere Hilfsmaßnahmenim Hinblick auf innenpolitische Reformen gebetenhaben, genau auf die jeweils spezifischenErfordernisse und Umstände zuzuschneiden,anstatt ein breites Spektrum von Aktivitäten anzu-bieten. Auf der Grundlage der in Prag erzieltenFortschritte werden rechtzeitig vor dem nächstenNATO-Gipfel in Istanbul Vorschläge zur weiterenAnpassung der PfP erarbeitet, so dass diePartnerschaft die zentralen Probleme bewältigenund den Erfordernissen und Fähigkeiten der einzel-nen Partnerstaaten Rechnung tragen kann,Verteidigungsreformen fördert, mit denen diemilitärische Umgestaltung und Interoperabilitätunterstützt werden, sowie die regionaleZusammenarbeit und gegenseitige Unterstützungverstärken kann.

Page 22: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

20

Die NATO steht jedem europäischen Land zumBeitritt offen. Artikel 10 des Washingtoner Vertragsermöglicht den Mitgliedern, jeden „europäischenStaat, der in der Lage ist, die Grundsätze diesesVertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlan-tischen Gebiets beizutragen,“ zum Beitritt einzuladen.Nach fünf Erweiterungsrunden ist die Zahl derMitglieder von 12 Gründungsmitgliedern auf heute 26Mitgliedstaaten angestiegen.

Die Tür zur NATO bleibt offen. Nach der jüngstenErweiterungsrunde, in deren Rahmen Bulgarien,Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakeiund Slowenien in das Bündnis aufgenommen wur-den, setzen nun drei weitere beitrittswillige Staaten(Albanien, Kroatien und die ehemalige jugoslawischeRepublik Mazedonien*) ihre Hoffnung darauf, zumBeitritt eingeladen zu werden.

Jede Erweiterungsrunde zielte darauf ab, das Gebietder euro-atlantischen Sicherheit auszuweiten sowiedie Stärke, den Zusammenhalt und die Dynamik derNATO zu erhöhen, d.h. eine Erweiterung richtete sichnie gegen die Sicherheitsinteressen einesDrittstaates.

Überdies hat jede Erweiterungsrunde dazu beigetra-gen, die Zone der Sicherheit und Stabilität in Europaauszuweiten und die Wunden eines Kontinents zuheilen, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundertsvon zwei Kriegen heimgesucht und dann 40 Jahrelang durch den Eisernen Vorhang geteilt wurde.Griechenland und die Türkei wurden 1952 NATO-Mitglieder. 1955, nur zehn Jahre nach dem Ende desZweiten Weltkriegs, trat die BundesrepublikDeutschland dem Bündnis bei, wodurch dieses Landfest im Westen verankert und die Grundlage für diespätere Vereinigung Deutschlands geschaffen wurde.Nach zahlreichen heftigen Debatten in politischenKreisen trat Spanien 1982 bei, aber es blieb bis 1998außerhalb der integrierten militärischen Struktur desBündnisses. Als 1997 auf dem Madrider Gipfel derBeschluss gefasst wurde, Polen, die TschechischeRepublik und Ungarn zur Einleitung vonBeitrittsverhandlungen einzuladen, war dies einbedeutender Schritt in Richtung auf die Überwindungder Gegensätze des Kalten Krieges, denn manermöglichte ehemaligen Gegnern des WarschauerPaktes den Beitritt zum Bündnis.

Die Erweiterung des Bündnisses nachdem Ende des Kalten Krieges

Die erste Erweiterungsrunde nach dem Ende des

Kalten Krieges war keine Selbstverständlichkeit, undder Beschluss erforderte die einstimmige Billigungaller damaligen Mitgliedstaaten. Von vorrangigerBedeutung war der Wunsch, die Fähigkeit desBündnisses zu Konsensbeschlüssen aufrechtzuerhal-ten und sicherzustellen, dass die Erweiterung dieSicherheit Europas erhöhen würde. Eine Studie zurErweiterung der NATO, die 1994 in Auftrag gegebenund ein Jahr später veröffentlicht wurde, kam zu demSchluss, dass die Aufnahme neuer Mitglieder sowiedie politischen, militärischen und wirtschaftlichenAuswirkungen der Erweiterung dem grundlegendenZiel des Bündnisses, im gesamten euro-atlantischenRaum die Sicherheit zu erhöhen und Stabilität zu ver-breiten, durchaus förderlich wären. Parallel zurWeiterentwicklung der Beziehungen des Bündnisseszu Russland, zur Ukraine und zu anderenPartnerstaaten würde der Erweiterungsprozess denInteressen ganz Europas dienen.

Ein zentrales Thema bei allen Beratungen über dieseerste Erweiterungsrunde nach dem Ende des KaltenKrieges bestand in der Frage, wie man der russischenAuffassung entgegenwirken könne, dass die NATOeinen militärischen Block bilde, der russischenInteressen feindlich gesinnt sei. Die Bündnisstaatenwaren sich darin einig, dass Russland einen wichtigenBeitrag zur Stabilität und Sicherheit Europas zu leistenhabe, und räumten ein, dass russischen Anliegenbezüglich der Erweiterung Rechung getragen werdenmüsse. Trotzdem musste das Recht jedes unabhängi-gen europäischen Staates geachtet werden, seineSicherheitsvorkehrungen selbst zu regeln und interna-tionalen Organisationen beizutreten, und das galt auchfür das Recht der NATO-Mitglieder, eigeneEntscheidungen zu treffen. Bevor die NATO auf demMadrider Gipfel ihre Beitrittseinladungen aussprach,bemühte sie sich daher, ihren Dialog mit Russlanddurch die Grundakte (1997) zu konsolidieren und zuinstitutionalisieren (s. Kap. 7), und sie verpflichtete sicherneut, weder Kernwaffen noch ausländische Truppenim Hoheitsgebiet der neuen Mitglieder zu stationieren.

Auf der Grundlage der Empfehlungen der Studie zurNATO-Erweiterung wurden 1997 nach intensivenGesprächen mit den betreffenden Partnerstaaten undeingehenden Konsultationen unter den NATO-Mitgliedern Polen, die Tschechische Republik undUngarn zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ein-geladen, und am 12. März 1999 traten diese Staatendann förmlich dem Bündnis bei.

Mehrere Staaten waren darüber enttäuscht, dass sie

Öffnung des Bündnisses für neue Mitglieder > 6

Page 23: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

21

nicht bei der ersten Erweiterungsrunde nach dem Endedes Kalten Krieges berücksichtigt worden waren, aberdie NATO-Mitglieder hoben hervor, dass das Bündnisweiterhin für andere Staaten offen bleibe, die später bei-treten wollten. Im April 1999 leiteten die NATO-Staatenauf ihrem Washingtoner Gipfel den Aktionsplan zurMitgliedschaft (Membership Action Plan – MAP) ein, umBeitrittskandidaten bei den Vorbereitungen auf einekünftige Mitgliedschaft im Bündnis behilflich zu sein (s. Zusatztext). Im November 2002 wurden dann aufdem Prager Gipfel sieben der MAP-Gründungs-mitglieder, nämlich Bulgarien, Estland, Lettland,Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien, zurEinleitung von Beitrittsgesprächen eingeladen.

Nach umfassenden Konsultationen mit diesen siebenStaaten unterzeichneten die NATO-Mitgliedstaaten imMärz 2003 die Beitrittsprotokolle der sieben

Kandidaten. Sobald diese Protokolle von allen bisheri-gen Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren nationalenparlamentarischen Verfahren ratifiziert worden waren,konnten am 29. März 2004 sieben weitere Staaten demNATO-Gründungsvertrag beitreten. Von diesen neuenMitgliedern erwartet man weitere Fortschritte bei wich-tigen Reformen und vor allem im Verteidigungsbereich.

Die NATO behält ihre Politik der offenen Tür auch nachdieser zweiten Erweiterungsrunde der Zeit nach demKalten Krieg bei. Sie hat drei weitere MAP-Teilnehmerstaaten – Albanien, Kroatien und die ehe-malige jugoslawische Republik Mazedonien* – aufge-fordert, ihre Reformbemühungen fortzusetzen, insbe-sondere im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich. ImFall Kroatiens wird auch die uneingeschränkteZusammenarbeit mit dem Internationalen Straf-gerichtshof für das ehemalige Jugoslawien von ent-

Aktionsplan zur Mitgliedschaft

Der Aktionsplan zur Mitgliedschaft (MAP) wurde1999 auf der Grundlage der Erfahrungen mit derersten Erweiterungsrunde nach dem Ende desKalten Krieges in die Wege geleitet und unterstütztbeitrittswillige Staaten bei ihren Vorbereitungen aufdie NATO-Mitgliedschaft. Neun Staaten – Albanien,Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, die ehema-lige jugoslawische Republik Mazedonien,*Rumänien, die Slowakei und Slowenien – zähltenvon Anfang an zu den Teilnehmern, und im Mai2002 schloss sich ihnen Kroatien an. Sieben vondiesen Staaten wurden 2004 in das Bündnis aufge-nommen.

Um Mitglied der NATO zu werden, müssen beitritts-willige Staaten nachweisen, dass sie über eindemokratisches politisches System und über eineMarktwirtschaft verfügen, die funktionsfähig sind,dass sie Angehörigen nationaler Minderheiten imEinklang mit OSZE-Normen mit gebührenderAchtung begegnen, dass sie alle Streitigkeiten mitihren Nachbarn gelöst haben und sich allgemeinzur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten beken-nen, dass sie dazu fähig und gewillt sind, einenmilitärischen Beitrag zum Bündnis zu leisten sowieInteroperabilität mit den Streitkräften andererMitglieder zu erreichen, und dass die zivil-militäri-schen Beziehungen im Einklang mit demokra-tischen Standards geregelt sind und ordnungs-

gemäß funktionieren.

Die Teilnahme am MAP bedeutet keine Garantie füreine künftige Mitgliedschaft. Allerdings werdendadurch alle beteiligten Staaten in die Lage ver-setzt, ihre Vorbereitungen auf die in diesem Plandargelegten Ziele und Prioritäten auszurichtensowie sich die Fachkompetenz der NATO undderen Stellungnahmen zunutze zu machen.

Jeder Teilnehmerstaat wählt die MAP-Elementeaus, die seinen Erfordernissen am besten gerechtwerden, und bestimmt selbst über seine Ziele undZeitpläne. Die Teilnahme an der Partnerschaft fürden Frieden an sich und insbesondere an derenPlanungs- und Überprüfungsprozess ist ein festerBestandteil des MAP-Prozesses, denn dadurchkönnen die Beitrittskandidaten Streitkräfte undStreitkräftestrukturen entwickeln, die besser zugemeinsamen Operationen mit Bündnis-streitkräften in der Lage sind. Mit den NATO-Mitgliedern werden zur Überprüfung derFortschritte regelmäßige Sitzungen abgehalten, dieauch als Forum für Ratschläge und Rück-meldungen dienen. Die praktische Umsetzung desMAP erfolgt unter ständiger Aufsicht desNordatlantikrats.

Page 24: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

22

Seit Beginn der 90er Jahre hat die NATO imVerhältnis zu Russland Brücken gebaut und dieZusammenarbeit weiterentwickelt. Die Begründungfür die Zusammenarbeit zwischen den NATO-Staaten und Russland liegt auf der Hand:Gemeinsame Sicherheitsgefahren lassen sich ambesten durch Zusammenarbeit bewältigen, und dieEinbeziehung Russlands ist für jedes umfassendeSicherheitssystem der Zeit nach dem Kalten Kriegvon entscheidender Bedeutung.

Nach den Terrorangriffen vom September 2001, dieein koordiniertes Vorgehen gegen gemeinsameGefahren zu einer noch größeren Notwendigkeitmachten, erhielt die Partnerschaft zwischen derNATO und Russland im Mai 2002 auf dem Gipfel inRom neue Dynamik und nahm konkrete Gestalt an.Ein neuer NATO-Russland-Rat wurde gegründet, indem die NATO-Mitglieder und Russland als gleich-berechtigte Partner zusammenkommen, umMöglichkeiten für gemeinsame Maßnahmen aufzu-zeigen und zu nutzen. In zentralen Bereichen, dievon allseitigem Interesse sind, wird dieZusammenarbeit nun verstärkt.

Der Beschluss der NATO-Staaten und Russlands zurVertiefung ihrer Partnerschaft bringt die ihnengemeinsame Entschlossenheit zum Ausdruck, engerzusammenzuarbeiten, um das gemeinsame Zieleines dauerhaften und alle Staaten umfassendenFriedens im euro-atlantischen Raum zu erreichen –ein Ziel, das zum ersten Mal 1997 in der von derNATO und Russland vereinbarten Grundakte übergegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit undSicherheit, dem Fundament der Partnerschaft zwi-schen der NATO und Russland, niedergelegt wurde.

Weiterentwicklung der Beziehungen

Russland zählte 1991 zu den Gründungsmitgliederndes Nordatlantischen Kooperationsrats, es trat 1994der Partnerschaft für den Frieden bei, und russischeFriedenstruppen waren auf dem Balkan ab 1996 biszu ihrem Abzug im Sommer 2003 Seite an Seite mitihren Kollegen von der NATO im Einsatz (s. Zusatztext S. 25). Das eigentliche Fundament füreine starke und dauerhafte Partnerschaft zwischender NATO und Russland wurde jedoch durch dieGrundakte geschaffen, die am 27. Mai 1997 in Parisunterzeichnet wurde. Sie führte zur Errichtung desStändigen Gemeinsamen Rates als eines Forums fürregelmäßige Konsultationen über gemeinsameSicherheitsanliegen sowie zur Erarbeitung einesKonsultations- und Kooperationsprogramms.

In den fünf darauf folgenden Jahren wurden großeFortschritte dabei erzielt, im Wege des Dialogsgegenseitiges Vertrauen zu schaffen undFehleinschätzungen zu überwinden. 1999 wurdentrotz der Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich derKosovo-Luftoperationen, die zu einer einjährigenAussetzung der Sitzungen des StändigenGemeinsamen Rates führten, mehrere Aktivitäten(darunter die Maßnahmen zur Wahrung des Friedensin Bosnien und Herzegowina) ohne jedeUnterbrechung fortgeführt.

Die ehrgeizigen Ziele der Grundakte wurden jedochim Rahmen des Ständigen Gemeinsamen Rates nievöllig verwirklicht. Sein „NATO +1“-Format bedeutete,dass die NATO mit vereinbarten Bündnispositionenzu den Sitzungen kam und die NATO und Russlandmehr oder weniger auf „bilateraler“ EbeneInformationen austauschten oder Konsultationenführten, was sich als recht hinderlich erwies, als esan der Zeit war, über Konsultationen hinauszugehenund sich um eine substantiellere Zusammenarbeit zubemühen. Als ein abgestimmtes Vorgehen zurBekämpfung des internationalen Terrorismus undanderer neuer Sicherheitsgefahren nach denAngriffen vom 11. September dringend erforderlichwurde, zögerten die NATO-Staaten und Russlanddaher nicht, die Chance zu ergreifen und ihreBeziehungen auf ein höheres Niveau zu führen,indem sie zur Förderung ihrer Zusammenarbeit alsgleichberechtigte Partner den NATO-Russland-Ratgründeten (s. Zusatztext).

1998 richtete Russland zur Erleichterung derZusammenarbeit eine Vertretung bei der NATO ein,und inzwischen ist in Moskau ein NATO-Informationsbüro eingerichtet worden, das die neueNATO erklären und die Vorteile der Partnerschaft zwi-schen der NATO und Russland darlegen soll. Zudemist dort ein militärisches Verbindungsbüro der NATOerrichtet worden, das dazu beitragen soll, dieTransparenz zu verbessern und die praktischemilitärische Zusammenarbeit auszubauen.

Vertiefung der Zusammenarbeit

Der NATO-Russland-Rat entwickelt sich zusehendszu einem konstruktiven Instrument, das Konsul-tationen, der Herbeiführung von Konsensbe-schlüssen, der Zusammenarbeit, gemeinsamenBeschlüssen und gemeinsamen Maßnahmen sehrförderlich ist. Schon in den ersten eineinhalb Jahrender Existenz dieses Rates fanden politischeKonsultationen zur Lage in Afghanistan, in Serbien

Herstellung neuer Beziehungen zu Russland > 7

Page 25: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

23

und Montenegro sowie in Bosnien und Herzegowinastatt, und die praktische Zusammenarbeit führte aufvielen Gebieten zu konkreten Ergebnissen.

Der NATO-Russland-Rat hat mehrere Arbeitsgruppenund Ausschüsse zu den ThemenbereichenTerrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungs-waffen, friedenserhaltende Maßnahmen, taktischeRaketenabwehr, Zusammenarbeit bei der Regelungdes Luftverkehrs, zivile Notfälle, Verteidigungs-reformen, wissenschaftliche Zusammenarbeit undHerausforderungen der modernen Gesellschaft ein-gerichtet. In einem breiten Spektrum anderer Fragensind Experten damit beauftragt worden, einzelneProjekte voranzutreiben. Es vergeht kaum ein Tag,ohne dass der NATO-Russland-Rat auf der einenoder anderen Ebene zusammentritt, was im Hinblickauf Kontakte und informelle Konsultationen zu einerbisher beispiellosen Intensität geführt hat.

Die Bekämpfung des Terrorismus und anderer neuerSicherheitsgefahren bildet einen zentralen Bereichder Zusammenarbeit, der bereits zu ersten greifbarenErgebnissen der vertieften Beziehungen zwischender NATO und Russland führt. Man erarbeitet undüberprüft fortlaufend gemeinsame Beurteilungenbestimmter terroristischer Gefahren im euro-atlanti-schen Raum und untersucht die Rolle des Militärs beiAntiterrormaßnahmen. Die Zusammenarbeit bei derBekämpfung der Verbreitung von ABC-Waffen undder Weitergabe von Technologien für ballistischeFlugkörper ist verstärkt worden: Derzeit arbeitet manan einer gemeinsamen Beurteilung globaler Tenden-zen hinsichtlich der Verbreitung von Massen-vernichtungswaffen, und durch die Zusammenarbeitbei der taktischen Raketenabwehr tritt man der bisherbeispiellosen Gefahr entgegen, die von der zuneh-menden Verfügbarkeit immer zielgenauerer taktischerFlugkörper ausgeht. Mit einer „KooperativenLuftrauminitiative“ soll die Zusammenarbeit bei derRegelung des Flugverkehrs und der Luftüber-wachung gefördert werden, was die Sicherheit undTransparenz des Flugverkehrs erhöhen und auchdazu beitragen wird, der Gefahr entgegenzutreten,dass zivile Flugzeuge möglicherweise für terroristi-sche Zwecke missbraucht werden.

Ein zentrales Ziel der militärischen Zusammenarbeitbesteht darin, die Interoperabilität zu verbessern,denn moderne Streitkräfte müssen im Rahmen multi-

NATO-Russland-Rat

Durch die 2002 in Rom vereinbarteGipfelerklärung, die auf den Zielen undGrundsätzen der Grundakte von 1997 aufbaut,wurde der NATO-Russland-Rat (NRC – NATORussia Council) als Mechanismus für Konsul-tationen, die Herbeiführung von Konsens-beschlüssen, Zusammenarbeit, gemeinsameBeschlüsse und gemeinsame Maßnahmengeschaffen; in ihm befassen sich die einzelnenNATO-Mitglieder und Russland als gleichbe-rechtigte Partner mit einem breiten Spektrumeuro-atlantischer Sicherheitsfragen, die vongemeinsamem Interesse sind. Ein kontinuierli-cher politischer Dialog über Sicherheitsfragenermöglicht, dass alle sich abzeichnendenProbleme frühzeitig erkannt und gemeinsameStrategien festgelegt werden können und dassgegebenenfalls gemeinsame Maßnahmengetroffen werden.

Der neue Rat, der an die Stelle des StändigenGemeinsamen Rates tritt, arbeitet auf derGrundlage des Konsensprinzips. Den Vorsitzführt der Generalsekretär der NATO. Auf derEbene der Botschafter und der MilitärischenVertreter tritt der Rat mindestens einmal imMonat zusammen, auf der Ebene der Außen-und Verteidigungsminister und der Stabschefszweimal jährlich, und gelegentlich kommen dieStaats- und Regierungschefs zu Gipfeltreffenzusammen. Eine wichtige Neuerung besteht imVorbereitungsausschuss des Rates, der minde-stens zweimal im Monat zusammenkommt, umdie Gespräche der Botschafter vorzubereitensowie alle im Auftrag des Rates stattfindendenAktivitäten von Experten zu beaufsichtigen.

Die Arbeit unter der Ägide des NRC konzentriertsich auf alle Bereiche von gegenseitigemInteresse, die in der Grundakte aufgeführt wer-den. Die Zusammenarbeit wird derzeit in einigenzentralen Bereichen intensiviert, darunter dieBekämpfung des Terrorismus, die Bewältigungvon Krisen, Maßnahmen gegen die Verbreitungvon Massenvernichtungswaffen, Rüstungs-kontrolle und vertrauensbildende Maßnahmen,taktische Raketenabwehr, Logistik, militärischeZusammenarbeit, Verteidigungsreform undzivile Notfälle. Dem Arbeitsprogramm des Rateskönnen nach einvernehmlicher Zustimmung derMitglieder neue Bereiche zugefügt werden.

Page 26: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

24

nationaler Kommando- und Streitkräftestrukturen ein-gesetzt werden können, wenn sie bei Operationen zurUnterstützung des Friedens oder zur Bewältigung vonKrisen zusammenarbeiten sollen. Unter der Ägidedes NATO-Russland-Rates wird derzeit ein umfang-reiches Übungs- und Ausbildungsprogramm durchge-führt. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildetder Bereich Logistik, einschließlich Interoperabilitäts-tests für Ausrüstung und Verfahren auf Gebieten wieLufttransport und Luftbetankung. Im Hinblick aufSuch- und Rettungseinsätze auf See wurde dieZusammenarbeit verstärkt, nachdem im August 2000das russische Atom-U-Boot Kursk unterging undseine 118 Besatzungsmitglieder ums Leben kamen.Im Februar 2003 wurde dann eine Rahmen-vereinbarung zwischen der NATO und Russland überdie Bergung und Rettung von U-Boot-Besatzungenunterzeichnet.

Die Verteidigungsreform ist ein weiterer Bereich vongemeinsamem Interesse. Russland und die NATO-Staaten brauchen Streitkräfte, die einen angemesse-nen Umfang haben und so ausgebildet und ausgerü-stet sind, dass sie dem gesamten Spektrum derGefahren des 21. Jahrhunderts entgegentreten kön-nen. Obwohl es kein Patentrezept für die Reform desmilitärischen Sektors gibt, konnte Russland von denErfahrungen der NATO-Staaten profitieren, von denenviele in den letzten zehn Jahren grundlegendeReformen durchgeführt haben, um ihre Streitkräfteden heutigen Erfordernissen anzupassen. Nachdemman im Oktober 2002 zu einem ersten informellenGedankenaustausch zusammengekommen war, istnun eine Zusammenarbeit hinsichtlich verschiedenerAspekte der Verteidigungsreform eingeleitet worden,darunter die Personal- und Finanzverwaltung, makroö-konomische, finanzielle und gesellschaftliche Fragensowie Streitkräfteplanung. Das erfolgreiche gemein-same Projekt zur Umschulung ehemaligerAngehöriger der russischen Streitkräfte, das im Juli2002 in Moskau in die Wege geleitet wurde, wird nunerweitert. Zudem hat die NATO-Verteidigungs-akademie 2003 zwei Stipendien für russische

Wissenschaftler ausgeschrieben, um so die Forschungim Bereich der Verteidigungsreform zu fördern.

Russland und die NATO haben seit 1996 zusammen-gearbeitet, um eine Fähigkeit zu gemeinsamenMaßnahmen als Reaktion auf zivile Notfälle (wieErdbeben und Überschwemmungen) zu entwickelnund alle Vorkehrungen zu koordinieren, die daraufabzielen, Katastrophen vorherzusagen und zu verhin-dern, bevor sie tatsächlich eintreten können. Es wardann ein russischer Vorschlag, der 1998 zurErrichtung der Euro-Atlantischen Koordinierungs-zentrale für Katastrophenhilfe führte (s. Zusatztext S.35). Verschiedene Übungen und Seminare zurKatastrophenhilfe, an denen häufig auch Angehörigeanderer Partnerstaaten teilnehmen, tragen hier zurWeiterentwicklung der zivil-militärischen Zusammen-arbeit bei. Unter der Ägide des NATO-Russland-Rates konzentriert sich die Arbeit in diesem Bereichzunächst auf die Verbesserung der Interoperabilitätund auf Verfahrensfragen sowie auf den Informations-und Erfahrungsaustausch.

Die wissenschaftliche und technologischeZusammenarbeit mit Russland, die 1998 eingeleitetwurde, hatte drei Schwerpunktbereiche, die fürRussland von besonderem Interesse waren, nämlichPlasmaphysik, Pflanzenbiotechnologie sowie dieVorhersage und Verhütung von Naturkatastrophenund industriell verursachten Katastrophen. AufVeranlassung des Wissenschaftsausschusses desNATO-Russland-Rates hat die Zusammenarbeitjedoch einen neuen Schwerpunkt erhalten, nämlichdie Anwendung ziviler Wissenschaftszweige auf dieVerteidigung gegen den Terrorismus und gegen neueGefahren, z.B. bei der Suche nach Sprengstoffenoder bei der Untersuchung der gesellschaftlichen undpsychologischen Auswirkungen des Terrorismus.Umweltschutzprobleme, die sich aus zivilen undmilitärischen Aktivitäten ergeben, bilden einen weite-ren neuen Kooperationsbereich, für den einAusschuss für die Herausforderungen der modernenGesellschaft zuständig ist, der 2003 unter der Ägidedes NATO-Russland-Rates eingerichtet wurde.

Page 27: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

25

Friedenserhaltende Maßnahmen

Mehr als sieben Jahre lang stellte Russland (bises im Sommer 2003 seine SFOR- und KFOR-Truppen abzog) das größte Kontingent für dieFriedenstruppen auf dem Balkan zur Verfügung,die auf der Grundlage eines Mandats derVereinten Nationen und unter der Führung derNATO im Einsatz waren. Russische Soldatenunterstützten auf dem Balkan Seite an Seite mitihren Kollegen aus NATO-Staaten undPartnerstaaten die Bemühungen der internationa-len Staatengemeinschaft um dauerhafteSicherheit und Stabilität in dieser Region.

Die ersten russischen Friedenstruppen wurden imJanuar 1996 nach Bosnien und Herzegowina ent-sandt, wo sie im nördlichen Sektor als Teil einermultinationalen Brigade für ein sehr großesGebiet zuständig waren, täglich Patrouillen undSicherheitskontrollen durchführten sowie denWiederaufbau und die humanitäre Arbeit unter-stützten, indem sie z.B. Flüchtlingen und vertrie-benen Personen bei der Rückkehr in ihre Häuserbehilflich waren.

Trotz politischer Meinungsverschiedenheiten hin-sichtlich der 1999 von der NATO durchgeführtenKosovo-Luftoperationen spielte Russland einewesentliche diplomatische Rolle bei derBeendigung des Kosovokonflikts. RussischeSoldaten, die im Juni 1999 im Kosovo disloziert

wurden, waren bis zu ihrem Abzug ein integralerBestandteil der KFOR und bemühten sich in mul-tinationalen Brigaden im östlichen, nördlichen undsüdlichen Sektor des Kosovos um dieAufrechterhaltung der Sicherheit; sie trugengemeinsam mit einem NATO-Kontingent, das fürdie Luftbewegungen zuständig war, dieVerantwortung für den Betrieb des Flughafensvon Pristina, und sie sorgten in Kosovo Polje fürmedizinische Einrichtungen und die ärztlicheVersorgung.

Die enge Zusammenarbeit, die auf dem Balkanzwischen der NATO und Russland praktiziertwurde, war für die Verbesserung derBeziehungen und die Schaffung von Vertrauenzwischen russischen Streitkräften und denen derBündnisstaaten von entscheidender Bedeutung.Das so gewachsene wechselseitige Vertrauendürfte eine solide Grundlage für den weiterenAusbau der militärischen Zusammenarbeit bieten.Zudem ist unter der Ägide des NATO-Russland-Rates ein Grundkonzept für gemeinsameFriedensoperationen vereinbart worden, das dieErarbeitung gemeinsamer Ansätze ermöglicht, imAnfangsstadium einer Krise einen Rahmen fürKonsultationen sowie für die Planung undBeschlussfassung schafft und Fragen hinsichtlichgemeinsamer Ausbildungs- und Übungspro-gramme regelt.

Page 28: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

26

Eine ausgeprägte Partnerschaft mit der Ukraine > 8

Es gehört zu den Kennzeichen der Beziehungen zwi-schen der NATO und der Ukraine, dass die Bedeutungeiner unabhängigen, stabilen und demokratischenUkraine sowie die Bedeutung der erklärten Absicht diesesLandes anerkannt wird, seine Bemühungen um dieIntegration in europäische und euro-atlantische Strukturenzu verstärken. Dies wurde in der 1997 vereinbartenCharta über eine ausgeprägte Partnerschaft zumAusdruck gebracht, die den Konsultationen mit der NATOüber euro-atlantische Sicherheitsfragen als förmlicheGrundlage dient und die NATO-Ukraine-Kommission alsLenkungsgremium für Kooperationsvorhaben einrichtete.

Die Beziehungen zwischen der NATO und der Ukrainegehen auf das Jahr 1991 zurück, als die Ukraine unmittel-bar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und derErlangung der Unabhängigkeit dem NordatlantischenKooperationsrat beitrat. Der Wunsch des Landes nacheiner Einbindung in die euro-atlantische Staaten-gemeinschaft kam auch 1994 zum Ausdruck, als dieUkraine als erstes Mitglied der Gemeinschaft Unab-hängiger Staaten der Partnerschaft für den Friedenbeitrat. Seither wurde das Bekenntnis der Ukraine zureuro-atlantischen Sicherheit dadurch unter Beweisgestellt, dass sie die NATO und ihre Partner beiOperationen zur Wahrung des Friedens und zurBewältigung von Krisen unterstützt hat.

Um die Zusammenarbeit zu erleichtern, errichtete dieUkraine 1997 eine Vertretung bei der NATO, und im glei-chen Jahr wurde in Kiew ein Informations- undDokumentationszentrum der NATO eröffnet, das derÖffentlichkeit die neue NATO erklären und die Vorteile derPartnerschaft zwischen der NATO und der Ukraine darle-gen sollte. 1999 wurde in Kiew auch ein Verbindungsbüroder NATO eingerichtet, das die Bemühungen der Ukraineum eine Reform des Verteidigungssektors sowie ihreTeilnahme an der Partnerschaft für den Frieden unterstüt-zen sollte.

Im November 2002 wurden in Prag durch dieVerabschiedung des NATO-Ukraine-Aktionsplans einigeMaßnahmen getroffen, mit denen die Beziehungen zwi-schen der NATO und der Ukraine erheblich vertieft underweitert wurden (s. Zusatztext).

Sicherheitszusammenarbeit

Die NATO und die Ukraine verbindet eine aktiveZusammenarbeit, die darauf ausgerichtet ist, dieSicherheit und Stabilität des euro-atlantischen Raums auf-rechtzuerhalten. Auf dem Balkan hat die Ukraine im Laufeder Jahre ein Infanteriebataillon, ein Panzer-

grenadierbataillon und eine Hubschrauberstaffel für dievon der NATO geführten Friedenstruppen in Bosnien undHerzegowina zur Verfügung gestellt, und die Beiträge derUkraine zu den Operationen im Kosovo umfassten eineHubschrauberstaffel sowie ein umfangreiches Truppen-kontingent für das gemeinsame polnisch-ukrainischeBataillon.Ein weiterer Beweis für die Entschlossenheit desLandes, sein Teil zu internationaler Stabilität beizutragen,besteht in den Überflugrechten, welche die Ukraine denmultinationalen Streitkräften gewährt, die im Rahmen derISAF (International Security Assistance Force) inAfghanistan stationiert sind und an deren Spitze einzelneNATO-Staaten standen, bis im August 2003 die NATO alsBündnis die Führung übernahm. Zudem hat die Ukraine 1 800 Mann als Teil der von Polen geführten multinationa-len Truppe zur Verfügung gestellt; diese ist in Irak in einemder Sektoren der internationalen Stabilisierungstruppe imEinsatz, der Friedenskontingente mehrerer NATO-Mitgliedstaaten und Partnerstaaten angehören.

Unterstützung von Reformmaßnahmen

Durch Beratung und praktische Hilfestellung unterstützendie NATO als Bündnis wie auch einzelne Bündnispartnerdie Bemühungen der Ukraine um die Verwirklichung derehrgeizigen Reformpläne, die im NATO-Ukraine-Aktionsplan und den damit verbundenen Jahreszielplänenniedergelegt worden sind. Es bleibt zwar noch viel zu tun,aber man macht durchaus Fortschritte. Einige Gesetz-gebungsinitiativen tragen dazu bei, die Grundlagen fürpolitische, wirtschaftliche und militärische Reformen zuschaffen, und mehrere staatliche Strukturen sind einge-richtet und damit beauftragt worden, die Umsetzung undKoordinierung der Reformanstrengungen zu beaufsichtigen.

Eine wichtige Priorität ist die Reform des Verteidigungs-sektors, wo die Ukraine auf die Erfahrungen und dieFachkompetenz von NATO-Staaten zurückgreifen kann.Derzeit zählt es zu den vordringlichen Aufgaben derUkraine, ein neues Sicherheitskonzept und eine neueMilitärdoktrin zu erarbeiten sowie eine umfassende Über-prüfung des Verteidigungssektors zum Abschluss zuführen. Die Zusammenarbeit zwischen der NATO und derUkraine konzentriert sich auf die Stärkung der demokrati-schen zivilen Kontrolle des militärischen Sektors, dieVerbesserung der Interoperabilität zwischen ukrainischenStreitkräften und denen der NATO sowie auf dieUnterstützung der Ukraine bei der Umstrukturierung ihrerArmee, die als Erblast der sowjetischen Ära umfangreich,schlecht ausgerüstet und kopflastig ist; angestrebt werdenweniger umfangreiche, moderne und effizientereStreitkräfte, die den Sicherheitserfordernissen der Ukrainegerecht werden und aktiv zur Stabilität und Sicherheit

Page 29: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

27

Europas beitragen können. Eine gemeinsameArbeitsgruppe zur Verteidigungsreform erleichtert dieKonsultationen und die praktische Zusammenarbeit aufGebieten wie Aufstellung und Planung des Verteidigungs-haushalts, Streitkräfteabbau und Umstellung vonStreitkräften in Richtung auf zivile Aufgaben, Übergangvom Wehrpflichtsystem zu einer Armee aus Berufs-soldaten sowie zivil-militärische Beziehungen. Die NATOfördert auch die Ausbildung hochrangiger Offiziere, sodass diese die Umstrukturierung der Streitkräfte unterstüt-zen können, und trägt zur Durchführung vonUmschulungsprogrammen bei, die in der Ukraine dieWiedereingliederung entlassenen militärischen Personalsin den zivilen Sektor erleichtern sollen. Der Militär-ausschuss ergänzt die Arbeit der gemeinsamenArbeitsgruppe zur Verteidigungsreform durch sachkun-dige Beratung zu verschiedenen Themenbereichen, sodass auf der Grundlage des militärischen NATO-Ukraine-Arbeitsplans die militärische Zusammenarbeit mit derUkraine unterstützt wird. Die Unterstützungsmittel einzel-ner NATO-Staaten für Demilitarisierungsvorhaben imZusammenhang mit der sicheren Zerstörung der ukraini-schen Bestände an überschüssigen und veraltetenLandminen sind über einen PfP-Treuhandfonds in dieUkraine geflossen.

Auch die Bemühungen der Ukraine um eine Verbes-serung der Interoperabilität profitieren von der Teilnahmean der Partnerschaft für den Frieden. Im Rahmen desPfP-Planungs- und Überprüfungsprozesses werdenzentrale Erfordernisse auf dem Gebiet der Verteidi-gungsplanung aufgezeigt, und ein breites Spektrum vonAktivitäten und militärischen Übungen der PfP ermög-licht militärischem Personal der Ukraine, hinsichtlich derZusammenarbeit mit NATO-Streitkräften eigeneErfahrungen zu sammeln.

Zusammenarbeit im weiteren Sinne

Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der zivilenNotfallplanung und des Katastrophenschutzes ist für dieUkraine mit direkten praktischen Vorteilen verbunden. Hierbesteht ein entscheidender Schwerpunkt darin, derUkraine, die im Westen häufig unter schweren Über-schwemmungen leidet, bei Vorsorgemaßnahmen für sol-che Notfälle sowie bei der besseren Bewältigung derFolgen behilflich zu sein. PfP-Übungen, einschließlicheiner Übung, die im September 2000 östlich der Karpatenveranstaltet wurde, sind eine wertvolle Hilfe bei derErprobung von Maßnahmen der Katastrophenhilfe.Darüber hinaus haben NATO-Mitgliedstaaten und anderePartnerländer der Ukraine 1995, 1998 und 2001 nachschweren Überschwemmungen Unterstützung geleistet.

Die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit der Ukrainebegann 1991. Seither wird die Ukraine im Hinblick auf dieBeteiligung an NATO-Wissenschaftsprogrammen nur vonRussland übertroffen. Die Kooperationsprogramme konn-ten unter der Ägide einer gemeinsamen Arbeitsgruppe fürdie Zusammenarbeit auf den Gebieten Wissenschaft undUmwelt deutlich verstärkt werden. Neben der Anwendungwissenschaftlicher Methoden auf die Verteidigung gegenden Terrorismus und neue Gefahren – ein Vorgehen, dasmit der Neuausrichtung des NATO-Wissenschafts-programms im Einklang steht – zählen bei der wissen-schaftlichen und technologischen Zusammenarbeit derUkraine Informationstechnologien, die Zellbiologie und -biotechnologie, neue Materialien und die rationaleNutzung natürlicher Ressourcen zu den derzeitigenPrioritäten.

NATO-Ukraine-Aktionsplan

Der von der NATO und der Ukraine vereinbarteAktionsplan stützt sich auf die Charta von 1997, dieunverändert die wichtigste Grundlage derBeziehungen darstellt. Der Plan bietet einen strategi-schen Rahmen für vertiefte Konsultationen über poli-tische, wirtschaftliche und verteidigungsrelevanteFragen und beschreibt die strategischen Ziele undPrioritäten der Ukraine auf ihrem Weg zur vollenIntegration in die euro-atlantischen Sicher-heitsstrukturen. In ihm werden die vereinbartenPrinzipien und Ziele dargelegt, die im Hinblick aufpolitische und wirtschaftliche Fragen, Informations-angelegenheiten, Sicherheits, Verteidigungs- undStreitkräftefragen, Datenschutz und -sicherheitsowie für rechtliche Fragen gelten sollen.

Die NATO-Staaten unterstützen die Reformendurch praktische Hilfsmaßnahmen und Beratung.Die Verantwortung für die Umsetzung des Plansliegt jedoch in erster Linie bei der Ukraine, dienachdrücklich aufgefordert wird, den Reform-prozess energisch voranzutreiben, um so dieDemokratie, die Rechtsstaatlichkeit, dieMenschenrechte und die Marktwirtschaft zu stär-ken. Besondere Anstrengungen sind für die weit-reichende Umgestaltung des Verteidigungs- undSicherheitssektors erforderlich.

Jahreszielpläne einschließlich eigenständigerukrainischer Maßnahmen sowie gemeinsamerMaßnahmen der NATO und der Ukraine unterstüt-zen die Verwirklichung der im Aktionsplan genann-ten Ziele. Zweimal jährlich findet eine Evaluierungstatt, und jedes Jahr wird ein Bericht über dieerzielten Fortschritte vorgelegt.

Page 30: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

28

Mehrere der südeuropäischen NATO-Mitglieder sindMittelmeeranrainer, und daher sind die Sicherheitund die Stabilität des Mittelmeerraums für dasBündnis von besonderer Bedeutung. Im Grunde istdie Sicherheit ganz Europas eng mit der Sicherheitund Stabilität des Mittelmeerraums verknüpft.

Vor diesem Hintergrund hat die NATO 1995 einenneuen Dialog mit sechs Staaten des südlichenMittelmeerraums eingeleitet, nämlich mit Ägypten,Israel, Jordanien, Marokko, Mauretanien undTunesien. Algerien wurde im Februar 2000 ein weite-rer Teilnehmer des Dialogs. Der Mittelmeerdialog, derein fester Bestandteil der kooperativen Sicherheits-strategie des Bündnisses darstellt, soll die Sicherheitund Stabilität der Region fördern, zu einer besserenVerständigung der beteiligten Staaten untereinanderführen und allen hinsichtlich der NATO entstandenenFehleinschätzungen der Teilnehmerstaaten desDialogs entgegentreten. Der Dialog ergänzt anderemit ihm zusammenhängende, jedoch eigenständigeinternationale Initiativen, wie z.B. die Initiativen derEuropäischen Union und der Organisation fürSicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

Politischer Dialog und praktischeZusammenarbeit

Der Mittelmeerdialog ist auf den politischen Dialogund die praktische Zusammenarbeit mit denTeilnehmerstaaten ausgerichtet. Allen Partner-staaten des Mittelmeerdialogs werden grundsätzlichdie gleichen Möglichkeiten für Gespräche undgemeinsame Aktivitäten angeboten, aber derUmfang der Teilnahme unterscheidet sich von Landzu Land je nach den jeweiligen nationalen Ziel-setzungen.

Der politische Dialog besteht aus regelmäßigen bila-teralen politischen Gesprächen, die auf der Ebeneder Botschafter geführt werden. Dadurch besteht dieMöglichkeit zu einem Meinungsaustausch hinsicht-lich eines breiten Spektrums von Fragen, die für die

Sicherheit des Mittelmeerraums von Bedeutungsind, sowie im Hinblick auf die künftige Entwicklungdes Dialogs. Zudem finden multilaterale Tagungendes Nordatlantikrats mit den sieben Dialogstaatenstatt, damit über Aktivitäten der NATO informiert undein Meinungsaustausch zu aktuellen Ereignissengeführt werden kann. In der Regel werden solcheTagungen nach NATO-Ministertagungen und nachNATO-Gipfeln veranstaltet, aber sie können auch beiaußergewöhnlichen Vorfällen anberaumt werden.Am 23. Oktober 2001 fand z.B. eine Tagung mit denPartnerstaaten des Mittelmeerdialogs über dieReaktion der NATO auf die Terrorangriffe vom 11.September statt.

Die praktische Zusammenarbeit wird durch ein jähr-lich zu vereinbarendes Arbeitsprogramm geregelt.Darunter fallen Einladungen an Vertreter der amDialog beteiligten Staaten zur Teilnahme an Kursender NATO-Schule in Oberammergau und derVerteidigungsakademie der NATO in Rom. DieseKurse befassen sich mit den Themen friedenserhal-tende Maßnahmen, Rüstungskontrolle, Maßnahmengegen die Verbreitung von Massenvernichtungs-waffen, Umweltschutz, zivil-militärische Zusammen-arbeit bei zivilen Notfällen und europäischeSicherheitszusammenarbeit.

Zu den sonstigen Aktivitäten zählen NATO-Besuchevon Personen mit maßgeblichem Einfluss auf dieöffentliche Meinung sowie von Wissenschaftlern,Journalisten und Parlamentariern aus denDialogstaaten. Darüber hinaus fördert derMittelmeerdialog über das Wissenschaftsprogrammder NATO die wissenschaftliche Zusammenarbeit.Seit dem Jahr 2000 haben mehr als 800Wissenschaftler aus Staaten des Mittelmeerdialogsan wissenschaftlichen Aktivitäten teilgenommen, dievon der NATO unterstützt werden.

Die eher operativen Aspekte der militärischenDimension des Mittelmeerdialogs bieten Vertreternder Dialogstaaten die Möglichkeit, PfP-Übungen zu

Dialog mit den Mittelmeerstaaten > 9

Page 31: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

29

beobachten, an Seminaren und Arbeitstagungen teil-zunehmen, die von den strategischen Kommandosausgerichtet werden, und verschiedene Haupt-quartiere der NATO zu besuchen. Zudem laufenSchiffe des Ständigen NATO-EinsatzverbandsMittelmeer Häfen der Dialogstaaten an. 2002 nah-men 300 Vertreter der Staaten des Mittelmeerdialogsan mehr als 50 verschiedenen Veranstaltungen teil,die im Rahmen des von der NATO angebotenenmilitärischen Programms durchgeführt wurden.

Drei der Partnerstaaten des Mittelmeerraums –Ägypten, Jordanien und Marokko – haben auf demBalkan die Friedensmissionen unter der Führung derNATO unterstützt, aber im Mai 2002 hatte nur nochMarokko ein Kontingent in der SFOR- bzw. in derKFOR-Truppe.

Ein Prozess, der sich weiterentwickelt

Der Mittelmeerdialog ist im Hinblick auf dieTeilnehmer und die Inhalte ständig im Fluss. Durchdiese Flexibilität können seine Inhalte weiterent-wickelt und die Zahl der Partnerstaaten des Dialogsallmählich erhöht werden. Im Laufe der Jahre habendie politischen Gespräche an Häufigkeit undIntensität zugenommen. Die praktische Zusam-menarbeit ist seit der Einleitung des Dialogs eben-falls erheblich erweitert worden und umfasst nun diemeisten Aktivitäten, an denen auch anderePartnerstaaten der NATO teilnehmen.

Durch die Einrichtung der KooperationsgruppeMittelmeer (1997) wurde dem Dialog neue Dynamikverliehen. Die Kooperationsgruppe ist ein Forum, indem die NATO-Mitgliedstaaten und die am Dialogbeteiligten Staaten einen Meinungsaustausch zurSicherheitslage im Mittelmeerraum und zur weiterenEntwicklung des Dialogs führen können. 1999 wurdenauf dem Washingtoner Gipfel weitere Maßnahmengetroffen, um sowohl die politische als auch die prak-tische Dimension des Dialogs zu stärken; dies ver-

besserte die Möglichkeiten zu einem Ausbau derZusammenarbeit auf – insbesondere militärischen –Gebieten, auf denen die NATO wirklich etwas beizu-tragen hat, sowie in anderen Bereichen, an denen dieStaaten des Mittelmeerdialogs ihr Interesse bekundethaben.

Nach dem 11. September 2001 sind die NATO unddie Staaten des Mittelmeerdialogs sowohl einzeln alsauch als Gruppe häufiger zu Konsultationen mit demNordatlantikrat zusammengekommen. Im November2002 wurde auf dem Prager Gipfel eine Aufwertungder Initiative angekündigt. Die Staats- undRegierungschefs der NATO-Staaten vereinbartennämlich ein Paket von Maßnahmen zur Stärkung derpolitischen und der praktischen Dimension desDialogs, wodurch der Ausbau und die Vertiefung die-ser Beziehungen für das Bündnis zu einer vorrangi-gen Aufgabe wurde.

Zu den genannten Maßnahmen zählten ein regel-mäßigerer und effizienterer Konsultationsprozess,Bemühungen um stärker ergebnisorientierteAktivitäten und die Entscheidung für einen maßge-schneiderten Kooperationsansatz. Neben derVertiefung der Zusammenarbeit auf bestehendenGebieten wurden auch neue Kooperationsbereichevorgeschlagen. Dazu zählen eine gezielte Auswahlvon Aktivitäten zur Verbesserung der Fähigkeit vonStaaten des Mittelmeerdialogs zu Beiträgen beiKrisenreaktionsoperationen unter der Führung derNATO, die nicht unter Artikel 5 fallen, Verteidigungs-reformen und Verteidigungsetats, Konsultationen zuFragen des Terrorismus und der Grenzsicherheitsowie Maßnahmen bei Katastrophen. Die praktischeUmsetzung dieser Vorschläge wird dazu beitragen,den Beziehungen zwischen der NATO und denDialogstaaten einen neuen Charakter zu verleihen.Darüber hinaus arbeitet man an Optionen hinsichtlicheines ehrgeizigeren, erweiterten Rahmens für denMittelmeerdialog, die rechtzeitig vor dem für 2004 inIstanbul geplanten NATO-Gipfel zur Beratung vorge-legt werden sollen.

Page 32: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

30

Einer der bedeutendsten Aspekte der Umgestaltungdes Bündnisses bestand in dem Beschluss,Operationen zur Unterstützung des Friedens undzur Bewältigung von Krisen im euro-atlantischenGebiet und auch außerhalb dieses Gebiets durch-zuführen. Auf dem Balkan, wo sich die NATO ab1995 engagierte, führten Konflikte und Instabilität zueiner direkten Gefährdung der Sicherheitsinteressender Bündnismitglieder sowie zu einer Gefährdungdes Friedens und der Stabilität Europas insgesamt.In letzter Zeit hat das Bündnis durch seineFriedensmission in Afghanistan seine Bereitschaftunter Beweis gestellt, Sicherheitsgefahren auchaußerhalb seines traditionellenZuständigkeitsgebiets entgegenzutreten.

Darüber hinaus hat die Teilnahme der NATO anderartigen Operationen einen Ausbau der Kontakteund der Zusammenarbeit mit nicht der NATOangehörenden Truppenstellern wie auch mit ande-ren Organisationen erforderlich gemacht. Dies istein Beispiel für die Art von Sicherheits-zusammenarbeit, die in der heutigen Zeit nötig ist,in der enge Arbeitsbeziehungen zu internationalenund nichtstaatlichen Organisationen sowie zuNichtmitgliedstaaten der NATO, wie z.B. zu denPfP-Teilnehmerstaaten, von zentraler Bedeutungsind.

Bosnien und Herzegowina

Nachdem die NATO von 1992 bis 1995Bemühungen der Vereinten Nationen um dieBeendigung des Bosnienkrieges unterstützt hatte(s. auch Kap. 4), entsandte sie sechs Tage nach derUnterzeichnung der Friedensvereinbarung vonDayton (14. Dezember 1995) auf der Grundlageeines VN-Mandats eine multinationale Truppe(Implementation Force – IFOR) nach Bosnien undHerzegowina, um die militärischen Aspekte dieserFriedensvereinbarung in die Praxis umzusetzen.Die IFOR hatte den Auftrag, ein Ende derFeindseligkeiten sicherzustellen, die Streitkräfte derneu geschaffenen Entitäten (Bosnien undHerzegowina sowie Republika Srpska) des vomKrieg gezeichneten Landes voneinander zu trennenund die Übertragung von Hoheitsgebiet zwischenden beiden Entitäten zu regeln. Die IFOR konnteihre Arbeit innerhalb eines Jahres abschließen undwurde im Dezember 1996 von einer kleinerenTruppe (Stabilisation Force – SFOR) abgelöst.

Der SFOR-Auftrag bestand nicht nur darin, einWiederaufflammen der Feindseligkeiten durchAbschreckung zu verhindern und ein für denFriedensprozess günstiges Klima zu fördern, son-dern er wurde so erweitert, dass er dieUnterstützung ziviler Strukturen umfasste, die sichan den Bemühungen der internationalenStaatengemeinschaft um einen dauerhaftenFrieden in diesem Land beteiligten. DieFriedenstruppen helfen Flüchtlingen und vertriebe-nen Personen bei der Rückkehr in ihre Häuser undtragen zur Reform der bosnischen Streitkräfte bei.Zudem arbeitet die SFOR aktiv auf die Festnahmemutmaßlicher Kriegsverbrecher hin, die sie danndem Internationalen Strafgerichtshof für das ehe-malige Jugoslawien in Den Haag überstellt.

In dem Maße, wie sich die Sicherheitslage gebes-sert hat, ist die Zahl der Truppen nach und nachverringert worden. Im Frühjahr 2004 hatte dieSFOR einen Umfang von etwa 7 000 Mann, was imVergleich zu den 60 000, die im Rahmen der IFOR-Mission im Einsatz waren, einen bedeutendenAbbau darstellt und die Fortschritte widerspiegelt,die in Bosnien und Herzegowina auf dem Weg zueinem sich selbst tragenden Frieden erzielt wordensind. Die Optionen für den künftigen Umfang derSFOR und für deren Struktur werden derzeitgeprüft, darunter die Möglichkeit, die OperationEnde 2004 zu beenden und als Übergangsmaß-nahme eine möglicherweise von der EU geführteTruppe zu entsenden, auch wenn die NATO einegewisse Präsenz in diesem Land aufrechterhaltenwird.

Kosovo

1998 wurden nach dem Ausbruch eines Konflikts inder jugoslawischen Provinz Kosovo, derenEinwohner überwiegend albanischer Abstammungsind, mehr als 300 000 Menschen in die Fluchtgetrieben. Belgrad ignorierte wiederholte interna-tionale Forderungen nach einem Abzug der serbi-schen Streitkräfte sowie nach Zusammenarbeit inRichtung auf das Ziel, der Gewalt ein Ende zubereiten und Flüchtlingen die Rückkehr zu ermög-lichen. Als die NATO im Oktober 1998Luftoperationen androhte, erklärte sich der jugos-lawische Präsident Slobodan Milosevic zumEinlenken bereit, und die Luftangriffe wurden aus-gesetzt. Die Organisation für Sicherheit und

Friedenserhaltende Maßnahmen und Krisenbewältigung

> 10

Page 33: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

31

Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsandteBeobachter, während die NATO dieLuftüberwachung übernahm und in der ehemaligenjugoslawischen Republik Mazedonien* eineSchutztruppe dislozierte, welche die OSZE-Beobachter evakuieren sollte, falls sie durcherneute Konflikte in Gefahr gerieten.

Anfang 1999 kam es zu einem Wiederaufflammender gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die ser-bischen Streitkräfte verschärften ihre Operationen.Intensive koordinierte diplomatische Bemühungender internationalen Staatengemeinschaft um eineBeilegung des Konflikts scheiterten, und im Märzwurde die OSZE-Beobachtermission zurückberu-fen. Einige Tage nach der Rückbeorderung derOSZE-Beobachter wurden als Ultima Ratio dieLuftoperationen des Bündnisses gegen Ziele in derBundesrepublik Jugoslawien eingeleitet. Erst nach78 Tagen und einer entsprechend hohen Zahl vonLuftangriffen konnte das Regime SlobodanMilosevics dazu gezwungen werden, seineUnterdrückungspolitik aufzugeben und denForderungen der Völkergemeinschaft nachzukom-men. Die NATO, die ihre Geschlossenheit wahrenkonnte, versuchte dabei, nur das Regime undmilitärische Ziele zu treffen sowie die Zahl zivilerOpfer möglichst gering zu halten. Zugleich trugenNATO-Truppen dazu bei, die Flüchtlingskrise imbenachbarten Albanien und in der ehemaligenjugoslawischen Republik Mazedonien* zu ent-schärfen, wo sich die Zahl der Flüchtlinge albani-scher Abstammung auf dem Höhepunkt der Kriseauf 445 000 bzw. 330 000 belief. Darüber hinausnimmt man an, dass es innerhalb des Kosovos 400 000 vertriebene Personen gab.

Nach dem Abschluss der Militärisch-TechnischenVereinbarung zwischen der NATO und jugoslawi-schen Kommandeuren wurde auf der Grundlageeines Mandats der Vereinten Nationen die von derNATO geführte KFOR-Truppe (Kosovo Force) in dieProvinz entsandt. Sie hatte den Auftrag, ein erneu-

tes Aufflammen von Feindseligkeiten durchAbschreckung zu verhindern, sichere Rahmenbe-dingungen zu schaffen und die UCK zu entwaffnensowie die internationalen Bemühungen im huma-nitären Bereich und die Arbeit der UNMIK (UnitedNations Interim Administration Mission in Kosovo)zu unterstützen.

Zunächst hatte die KFOR einen Umfang von etwa43 000 Mann, was ihrer vollen Stärke entsprach.Durch einen allmählichen Abbau ist diese Zahlmehr als halbiert worden, und im Juni 2003 umfas-ste die KFOR Kontingente der meisten NATO-Mitgliedstaaten sowie von 15 Partnerstaaten unddrei anderen Staaten, nämlich Argentinien,Marokko und Neuseeland.

Nachdem die UCK ihrer Auflösung zugestimmthatte, sammelte die KFOR eine beträchtliche Zahlvon Kleinwaffen ein, zerstörte sie und unterstützteden Aufbau des Kosovo-Schutzkorps, einer Truppefür zivile Notfälle, die auf örtlicher Ebene unter derÄgide der UNMIK und unter Aufsicht der KFOR imEinsatz ist. KFOR-Soldaten patrouillieren auch dieGrenzen des Kosovos, stellen Personal fürGrenzübergänge zur Verfügung und bewachenEinrichtungen von zentraler Bedeutung. Zudem istder Schutz serbischer Einwohner, die in dieProvinz zurückgekehrt sind, mit einem erheblichenpersonellen Aufwand verbunden.

In enger Zusammenarbeit mit der UNMIK trägt dieKFOR zur Herbeiführung sicherer Rahmenbe-dingungen bei, unter denen alle Einwohner unge-achtet ihrer ethnischen Abstammung in Friedenleben können und unter denen man mit internatio-naler Hilfe auf eine Stärkung der Demokratie hinar-beiten kann. Dies wird eine schwierige Aufgabesein, die viel Zeit erfordert, aber der zivileWiederaufbau hat begonnen, und für dieBevölkerung vor Ort ist inzwischen ein gewissesMaß an Sicherheit und Normalität wiederherge-stellt worden.

Page 34: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

32

Südserbien

Anfang 2001 verfolgten die NATO, die EU und dieOSZE eine koordinierte Konfliktverhütungsstrategie,um einen Beitrag zur friedlichen Lösung des bewaff-neten Konflikts in Südserbien zu leisten, der dieStabilität der gesamten Region bedrohte. ImPresevotal, wo eine große Bevölkerungsgruppealbanischer Abstammung weiterhin direkt von serbi-schen Zentralbehörden regiert wurde und nicht überangemessene politische und soziale Rechte ver-fügte, waren Ende des Jahres 2000 Unruhen aus-gebrochen. Leicht bewaffnete albanische Rebellenführten eine Reihe von Angriffen auf serbischeSicherheitskräfte in der Sicherheitszone durch –einer fünf km breiten Pufferzone entlang der Grenzezwischen der Provinz Kosovo und Serbien, zu derdie jugoslawische Armee keinen Zutritt hatte und dieim Einklang mit der Militärisch-TechnischenVereinbarung zwischen dem Bündnis und denjugoslawischen Streitkräften von der KFOR unterder Führung der NATO überwacht wurde.

Der rasch eskalierende Konflikt war ein ernstesSicherheitsrisiko mit direkten Auswirkungen auf dasKosovo. Hier war eine politische Lösung nötig, umsowohl eine Verbesserung der rechtlichen Lage deralbanischstämmigen Bevölkerung in Südserbien zugewährleisten als auch die territorialeUnversehrtheit und Souveränität der BundesrepublikJugoslawien aufrechtzuerhalten.

Im Laufe des Frühjahrs 2001 führte eine Reihe vonKontakten zwischen hochrangigen Vertretern derNATO und der neuen jugoslawischen Regierung inBelgrad dazu, dass die NATO einer abgestuften all-

mählichen Verkleinerung der Sicherheitszonezustimmte, damit die jugoslawische Armee wiederdie Kontrolle über das Gebiet erlangen konnte. ImGegenzug musste die Regierung in Belgrad einigevertrauensbildende Maßnahmen einführen, die imMai schließlich die albanischstämmigen Rebellendazu veranlassten, ihre Waffen niederzulegen. EineGruppe von NATO-Experten, die von einem EU-Vertreter begleitet wurde, trug zur Aushandlung vonWaffenstillständen und zur Herstellung direkterKommunikationskanäle zwischen den zuständigenserbischen Stellen und den bewaffneten Gruppenalbanischer Rebellen bei.

Ein breites Spektrum von Maßnahmen wurde ver-einbart, um die zügige Integration der albanisch-stämmigen Bevölkerung in die politischen undadministrativen Strukturen der Region sowie dieRückkehr der Flüchtlinge zu erleichtern. Die inter-nationale Staatengemeinschaft überwachte undunterstützte die Umsetzung dieser Maßnahmen.So leitete die OSZE ein Ausbildungsprogramm fürmultiethnische Polizeikräfte ein, die in den Dörfernmit albanischer Bevölkerungsmehrheit, die zuvor inder Hand der Rebellen gewesen waren, zumEinsatz kommen sollten, und unterstützte imAugust 2002 die Abhaltung von Kommunalwahlen,um eine angemessenere und gerechtereVertretung der verschiedenen Bevölkerungs-gruppen sicherzustellen.

Die ehemalige jugoslawischeRepublik Mazedonien*

Ab 2001 übernahm die NATO in der ehemaligenjugoslawischen Republik Mazedonien* auf Bitten

Page 35: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

33

der mazedonischen Regierung einige klar abge-grenzte Krisenbewältigungsaufgaben. InnereUnruhen waren im Frühjahr 2001 ausgebrochen,als bewaffnete Gruppen albanischstämmigerRebellen die Autorität der Regierung in Frage stell-ten. Die NATO verurteilte die bewaffneten Überfälleund verschärfte die Kontrollen an der Grenze zumKosovo, forderte die Regierung aber zugleichnachdrücklich zu Verfassungsreformen auf, mitdenen den Anliegen der albanischstämmigenBevölkerung Rechnung getragen werden konnte.Der Generalsekretär der NATO spielte hierbei einSchlüsselrolle.

Im Juni gab die NATO einer förmlichen Bitte ummilitärische Hilfe zur Entmilitarisierung der soge-nannten nationalen Befreiungsarmee der albani-schen Freischärler unter der Bedingung statt, dassein Waffenstillstand erreicht und ein Friedensplanvereinbart würde. Im August war dann eineRahmenvereinbarung in Kraft, die der NATOermöglichte, für einen Zeitraum von 30 Tagen 3 500 Soldaten zur Entwaffnung der bewaffnetenalbanischen Rebellen in das Land zu entsenden.

Ende September wurde die NATO im Anschluss andiese Mission gebeten, eine kleine Truppe im Landzu lassen, die zum Schutz von EU- und OSZE-Beobachtern beitragen sollte, welche dieUmsetzung der Rahmenvereinbarung überwach-ten. Ca. 700 NATO-Soldaten wurden für dieseOperation bereitgestellt und einem kleinenKontingent von NATO-Soldaten zugeordnet, diebereits in Mazedonien waren, um die Sicherheitder Kommunikationsverbindungen und derVersorgungslinien zu gewährleisten. Diese NATO-Operation wurde im März 2003 abgeschlossen, alsdie Europäische Union dank der Vereinbarungenzwischen der EU und der NATO über die Nutzungmilitärischer Mittel und Fähigkeiten der NATO fürOperationen unter der Führung der EU (s. Kap. 2)die Verantwortung für die Mission übernehmenkonnte. Am 15. Dezember wurde dann aufgrundder erfolgreichen Stabilisierung der Lage die vonder EU geführte militärische Operation beendetund durch eine zivile EU-Operation mitPolizeikräften ersetzt.

Afghanistan

Im August 2003 übernahm die NATO die Führungder ISAF IV (International Security AssistanceForce) in Afghanistan, um die afghanische Über-gangsregierung bei der Herbeiführung sichererRahmenbedingungen für die Einwohner Kabuls unddessen Umgebung zu unterstützen. Das Land ver-sucht, sich von zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg undvon der verheerenden Herrschaft der Taliban zuerholen, die noch bis vor kurzem an der Machtwaren und Terroristen Zuflucht gewährten.

Die ISAF ist eine internationale Truppe, die auf derGrundlage eines Mandats der Vereinten NationenEnde 2001 zusammengestellt wurde. Die ersteMission wurde vom Vereinigten Königreich geführtund setzte sich aus Truppenkontingenten andererStaaten zusammen, von denen die meisten derNATO angehörten. Die ISAF II wurde dann von derTürkei und die ISAF III gemeinsam von Deutschlandund den Niederlanden geführt. In der ursprünglichenFassung des Mandats waren ISAF-Operationen aufKabul und dessen Umgebung begrenzt, aber imOktober 2003 wurde durch eine Resolution desSicherheitsrats der Vereinten Nationen dieAusweitung der Operationen über den KabulerRaum hinaus genehmigt.

Die NATO hat sich bereit erklärt, ihre Mission inner-halb Afghanistans weiter auszudehnen, insbeson-dere durch zeitlich begrenzte Truppeneinsätzeaußerhalb Kabuls und durch die Übernahme dermilitärischen Führung einer beträchtlichen Zahl vonPRT (Provincial Reconstruction Teams – RegionaleWiederaufbauteams), die zur Stabilisierung derLage in den verschiedenen Regionen Afghanistansbeitragen. Die ISAF wird zunächst das vonDeutschland geführte PRT in Kunduz unterstützenund seine Aktivitäten dann auf die Unterstützunganderer PRT ausdehnen. In Afghanistan ist die inter-nationale Staatengemeinschaft, während sie ver-sucht, die Afghanen beim Wiederaufbau ihresLandes zu unterstützen, mit zahlreichen ernstenHerausforderungen konfrontiert. Die NATO hat sichverpflichtet, so lange in Afghanistan zu bleiben, wiesie dort benötigt wird. Eine umfassende Strategie fürdas Engagement der NATO in Afghanistan soll inenger Abstimmung mit anderen internationalenOrganisationen und der afghanischen Übergangsre-gierung noch rechtzeitig vor dem für 2004 in Istanbulgeplanten nächsten NATO-Gipfel erarbeitet werden.

Page 36: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

34

Alle Staaten müssen dafür Sorge tragen, dass aufnationaler Ebene Pläne für die Bewältigung vonNotfällen, wie z.B. Unfälle/Störfälle in Verbindung mitChemikalien oder freigesetzten Giftstoffen, Lawinen,Überschwemmungen und Erdbeben, bzw. für dieBewältigung der Folgen von Terrorangriffen vorhan-den sind. Katastrophen, seien sie nun vomMenschen verursacht oder Naturkatastrophen, neh-men jedoch keine Rücksicht auf internationaleGrenzen, so dass grenzüberschreitende Zusam-menarbeit und Planung unerlässlich sind.

Auf dem Gebiet der zivilen Notfallplanung arbeitendie NATO-Staaten schon seit vielen Jahren zusam-men. In letzter Zeit ist diese Zusammenarbeit auchauf die Partnerstaaten der NATO ausgeweitet wor-den. Bedeutende Fortschritte sind im Hinblick darauferzielt worden, wie Ressourcen zur Bewältigungziviler Notfälle im euro-atlantischen Raum organi-siert werden.

Koordinierung innerhalb der NATO

Wirksame Maßnahmen zur Bewältigung vonKatastrophen erfordern die Koordinierung vonVerkehrseinrichtungen, medizinischen Ressourcen,Kommunikationssystemen, Dispositiven auf demGebiet der Katastrophenhilfe und anderen zivilenRessourcen. Die NATO hat einen entscheidendenBeitrag zur Harmonisierung der Planung ihrerMitgliedstaaten geleistet, so dass nun sichergestellt ist,dass die Pläne bei Bedarf funktionieren und die jeweilserforderlichen Ressourcen zur Verfügung stehen.

Innerhalb der NATO besteht der Mechanismus für dieKoordinierung der Planung auf diesem Gebiet in einerReihe von Fachplanungsorganen und -ausschüssen,die unter der Gesamtleitung des Oberausschussesfür zivile Notfallplanung tätig sind. In diesen Gremienkommen regelmäßig Experten der Regierungen, derIndustrie und der Streitkräfte der Mitgliedstaatenzusammen, um die Planung im Hinblick auf deneuropäischen Überlandverkehr, den Seetransport,die zivile Luftfahrt, Ernährung und Landwirtschaft,industrielle Produktion und Versorgung, Post- undFernmeldewesen, medizinische Angelegenheiten,Zivilschutz sowie Erdölförderung und -versorgung zukoordinieren.

Zusammenarbeit im weiteren Sinne

Heute kann ein größerer Kreis von Staaten von denErfahrungen und der Fachkompetenz der NATO aufdem Gebiet der zivilen Notfallplanung profitieren,und gleichzeitig kann das Bündnis auf dieKenntnisse und Fähigkeiten von Nichtmitglied-staaten der NATO zurückgreifen, die im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat vertreten sind. DiePartnerstaaten der NATO beteiligen sich imRahmen der Planungsorgane und -ausschüsse inzunehmendem Maße aktiv an konkreten Maß-nahmen der Zusammenarbeit, und 1998 wurde dieEuro-Atlantische Koordinierungszentrale fürKatastrophenhilfe eingerichtet (s. Zusatztext).

Die zivile Notfallplanung ist auch ein wichtigerAspekt der übergreifenden Kooperations-programme mit den Partnerstaaten und bildet nunden größten nichtmilitärischen Tätigkeitsbereich derPfP. Zu den Aktivitäten dieses Bereichs zählenSeminare, Arbeitstagungen, Übungen undLehrgänge, in deren Rahmen zivile und militärischeBedienstete verschiedener Ebenen der kommuna-len, regionalen und staatlichen Verwaltungs-strukturen zusammenkommen. Andere internatio-nale Organisationen, z.B. das Amt der VereintenNationen für die Koordinierung humanitärerAngelegenheiten und das Amt des HohenFlüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, dieInternationale Atomenergie-Organisation und dieEuropäische Union, sind wie nichtstaatlicheHilfsorganisationen ebenfalls wichtige Teilnehmerder Veranstaltungen dieses Arbeitsbereichs.

Die Ereignisse des 11. Septembers 2001 machtendeutlich, wie dringend geboten es ist, bei den

Reaktion auf zivile Notfälle > 11

Page 37: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

35

Die Notwendigkeit einer besseren Koordinierungvon Mitteln und Kräften im Bereich der euro-atlanti-schen Katastrophenhilfe führte dazu, dass im Juni1999 in der Brüsseler NATO-Zentrale auf derGrundlage eines russischen Vorschlags die Euro-Atlantische Koordinierungszentrale für Katastro-phenhilfe eingerichtet wurde. Diese Zentrale fungiertals Schaltstelle des Informationsaustausches undkoordiniert die Gegenmaßnahmen der NATO undihrer Partnerstaaten bei Katastrophen im euro-atlantischen Raum. Sie veranstaltet zu diesemThema auch bedeutende Simulationsübungen, inderen Rahmen Maßnahmen gegen Naturkata-strophen und vom Menschen verursachte Notfälleerprobt werden.

Die Koordinierungszentrale unterstützte auchwährend der Flüchtlingskrise im Kosovo diehumanitären Maßnahmen und leistete wertvolleHilfe bei schweren Überschwemmungen in derUkraine sowie in Rumänien, Ungarn, Albanien undin der Tschechischen Republik; beim Erdbeben inder Türkei (1999); bei Waldbränden in der ehema-ligen jugoslawischen Republik Mazedonien* und inPortugal sowie bei schweren Unwettern in derUkraine und der Republik Moldau.

Mit Stellen der Vereinten Nationen, die beiMaßnahmen gegen internationale Katastropheneine führende Rolle spielen (z.B. das Amt derVereinten Nationen für die Koordinierung huma-nitärer Angelegenheiten und das Amt des HohenFlüchtlingskommissars der Vereinten Nationen),arbeitet die Koordinierungszentrale wie auch mitanderen Organisationen eng zusammen.

Alle Staaten werden aufgefordert, bilaterale odermultilaterale Regelungen für Visabestimmungen,den Grenzverkehr, Transitbestimmungen, dieZollabfertigung und die Rechtsstellung vonKatastrophenhelfern zu erarbeiten. Dadurch wer-den im Fall einer Katastrophe bürokratischeVerzögerungen bei der Lieferung von Hilfsgüternund dem Einsatz von Katastrophenhilfeteams ver-hindert.

Darüber hinaus wurden Maßnahmen im Hinblickauf eine Euro-Atlantische Katastrophen-hilfsorganisation getroffen, die sich aus verschie-denen nationalen Komponenten zusammensetzt,die bei Bedarf zusammengestellt und in das jewei-lige Katastrophengebiet entsandt werden können.

Vorsorgemaßnahmen gegen möglicheTerrorangriffe auf die Zivilbevölkerung zusammen-zuarbeiten, wenn bei solchen Angriffen chemische,biologische, radiologische oder nukleare Waffenzum Einsatz kommen. Der Partnerschafts-Aktionsplan gegen den Terrorismus, der imNovember 2002 auf dem Prager Gipfeltreffenbekannt gegeben wurde, fordert zur Weitergaberelevanter Informationen und zur Teilnahme an derzivilen Notfallplanung auf, damit die Risiken beur-teilt werden können und die Verwundbarkeit derZivilbevölkerung im Hinblick auf den Terrorismusund Massenvernichtungswaffen verringert wird. Die

NATO und ihre Partnerstaaten arbeiten an einerBestandsaufnahme nationaler Fähigkeiten, die imFall eines derartigen Angriffs zur Verfügung stehenwürden. Zudem ist ein Aktionsplan der zivilenNotfallplanung vereinbart worden, der nationalenStellen helfen soll, ihre Zivilschutzvorkehrungengegen mögliche Terrorangriffe mit chemischen, bio-logischen, radiologischen oder nuklearen Waffen zuverbessern. Schließlich sind auch Gespräche überdie Rolle und die Fähigkeiten der NATO bzw. derEuropäischen Union auf dem Gebiet der zivilenNotfallplanung eingeleitet worden.

Ein euro-atlantisches Dispositiv auf dem Gebiet der Katastrophenhilfe

Page 38: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

36

Zwei NATO-Programme erlauben Wissenschaftlernund Experten regelmäßige Zusammenkünfte zurLösung von Problemen von gemeinsamem Interesse– das zivile Wissenschaftsprogramm des Wissen-schaftsausschusses der NATO und das Umwelt- undGesellschaftsprogramm des Ausschusses für dieHerausforderungen der modernen Gesellschaft(Umweltausschuss). Die Kontaktnetze aufgrund derZusammenarbeit, die unter WissenschaftlernTradition hat und eine Voraussetzung für den wissen-schaftlichen Fortschritt ist, dienen auch dem politi-schen Ziel, zwischen Vertretern verschiedenerKulturen und Traditionen Verständigung undVertrauen wachsen zu lassen.

Das Wissenschaftsprogramm, das schon vor mehrals 45 Jahren eingeleitet wurde, hat vor kurzem eineNeuausrichtung erfahren, so dass es sich nun aus-schließlich auf vorrangige Forschungsthemen hin-sichtlich der Verteidigung gegen den Terrorismusoder der Abwehr anderer Sicherheitsgefahren kon-zentriert. Im Einklang mit Bündnisinitiativen zurAbwehr neuer Gefahren unterstützt das zivileWissenschaftsprogramm der NATO nun schwer-punktmäßig die Zusammenarbeit in diesenThemenbereichen. Um diesem grundlegendenWandel Ausdruck zu verleihen, hat das Programmeinen neuen Namen erhalten und wird nun alsNATO-Programm für „Sicherheit durch Wissen-schaft“ bezeichnet.

Der Umweltausschuss befasst sich mit Problemen inden Bereichen Umwelt und Gesellschaft und ermög-

licht nationalen Stellen eine Zusammenarbeit beidiesbezüglichen Pilotstudien. Er hat vor kurzem eineReihe zentraler Sicherheitsziele festgelegt, andenen sich seine künftige Arbeit orientieren soll. DasProgramm des Umweltausschusses verstärkt dieZusammenarbeit zwischen den NATO-Mitgliedernund ihren Partnerstaaten bei der Bewältigunggemeinsamer Probleme.

Neben der Förderung bedeutender Kooperations-aktivitäten von Wissenschaftlern und Experten ausden NATO-Ländern und ihren Partnerstaaten zieleneinige besondere Initiativen beider Ausschüsse da-rauf ab, die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlernund Umweltfachleuten Russlands, der Ukraine undder Staaten des Mittelmeerdialogs auszubauen.

Wissenschaft für Sicherheit, Stabilitätund Solidarität

Die Anfänge des NATO-Wissenschaftsprogrammsgehen auf die 50er Jahre zurück, als Fortschrittenauf den Gebieten Wissenschaft und Technologiegroße Bedeutung für die Zukunft der atlantischenStaatengemeinschaft beigemessen wurde. Daherwurde ein Programm zur Förderung der wissen-schaftlichen Zusammenarbeit eingerichtet, und inden darauf folgenden 40 Jahren wurdenKooperationsprojekte von Wissenschaftlern ausNATO-Staaten unterstützt, wobei hoheAnforderungen an die Qualität der wissenschaftli-chen Arbeit gestellt wurden.

Zusammenarbeit auf den Gebieten Wissenschaftund Umwelt

> 12

Page 39: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

37

Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde dasProgramm Anfang der 90er Jahre allmählich auchWissenschaftlern aus Nichtmitgliedstaaten derNATO zugänglich gemacht, bis es 1999 eine völligeNeuausrichtung erfuhr und dazu dienen sollte, dieZusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern ausNATO-Staaten und ihren Kollegen aus Partner-staaten oder aus Staaten des Mittelmeerdialogs zuunterstützen. Der Schwerpunkt liegt eindeutig aufder Förderung des wissenschaftlichen Fortschrittsund des Friedens durch den Aufbau von Kontaktenzwischen Wissenschaftlern dieser ehemals vonein-ander getrennten Staatengruppen.

Ab 2004 wurde infolge der neuen Bedrohung durchden Terrorismus und wegen anderer Sicher-heitsgefahren der modernen Welt eine weiteregrundlegende Änderung des Programms eingeführt.Es wird in Zukunft nur die Zusammenarbeit bei vor-rangigen Forschungsvorhaben in den beidenBereichen „Verteidigung gegen den Terrorismus“und „Abwehr anderer Sicherheitsgefahren“ unterstüt-zen.

Das Ziel des neuen Programms „Sicherheit durchWissenschaft“ besteht darin, durch die Anwendungwissenschaftlicher Methoden auf die Lösung vonProblemen einen Beitrag zu internationalerSicherheit, Stabilität und Solidarität zu leisten. Zudiesem Zweck setzt man auf Zusammenarbeit, denAufbau von Kontaktnetzen und die Stärkung vonFähigkeiten.

Virtuelle Seidenschnellstraße

Der Startschuss für das größte und ehrgeizigsteProjekt, das vom Wissenschaftsprogramm derNATO unterstützt wurde, fiel im Oktober 2001.Unter dem Titel „Virtuelle Seidenschnellstraße“ –einer Bezugnahme auf die Seidenstraße, die einstEuropa mit dem Fernen Osten verband und denWarenaustausch sowie den Austausch von Wissenund Gedankengut förderte – hat das ProjektForschern und Wissenschaftlern in acht Staatendes südlichen Kaukasus und Zentralasiens denAufbau von Computernetzwerken und den Zugangzum Internet ermöglicht.

Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan,die Kirgisische Republik, Tadschikistan, Turkmenis-tan und Usbekistan liegen am Rand des europäi-schen Internetgebiets, und ihr Entwicklungsstandwird ihnen in absehbarer Zeit keine Glasfaser-verkabelung erlauben.

Dank dieses NATO-Projekts haben nun dieWissenschaftler und Forscher der beteiligtenStaaten auf der Grundlage moderner und zugleichwirtschaftlich vertretbarer Satellitentechnologie mit-tels eines gemeinsamen Satellitenstrahls Zugangzum Internet. Mit den Mitteln der NATO wurden dieerforderliche Satellitenbandbreite und neunSatellitenschüsseln finanziert – acht kleinere in dengenannten Staaten, die mit einer größeren inHamburg, der europäischen Schaltzentrale, ver-bunden sind. Andere Staaten unterstützen dasProjekt mit Sachleistungen.

2003 wurde beschlossen, das Netz der virtuellenSeidenschnellstraße durch die Errichtung einerBodenempfangsstation in Kabul auf Afghanistanauszudehnen.

Page 40: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

38

Wissenschaftlern aus NATO-Mitgliedstaaten, Partner-staaten und Teilnehmerstaaten des Mittelmeer-dialogs werden verschiedene Arten von Stipendienfür die Zusammenarbeit bei den genannten vorran-gigen Forschungsvorhaben angeboten. Partner-staaten, die eine Basisinfrastruktur von Computer-netzwerken aufbauen wollen, können ebenfallsUnterstützungsmittel beantragen.

Die zivile wissenschaftliche Forschung hat sichwegen ihrer Universalität und ihrer Fähigkeit zumAufbau neuer, sehr effizienter internationalerKontaktnetze als ein äußerst wirksames Instrumentzur Förderung des internationalen Dialogs erwiesen.Die wissenschaftliche Kompetenz, die in diesenKontaktnetzen zusammengeführt wird, kann zurBewältigung der neuen Gefahren genutzt werden,mit denen das Bündnis konfrontiert ist. DieWissenschaft ist sowohl ein Mittel zur Lösung ent-scheidend wichtiger Probleme als auch eineMöglichkeit, Staaten zusammenzuführen.

Bewältigung der Herausforderungender modernen Gesellschaft

Der Umweltausschuss wurde 1969 eingesetzt undbeauftragt, sich mit Umweltproblemen zu befassen.Er bietet Experten verschiedener nationaler Gremienein Forum zur Wissensvermittlung und zumAustausch von Erfahrungen hinsichtlich technischer,wissenschaftlicher und politischer Aspekte gesell-schaftlicher und ökologischer Fragen sowohl deszivilen als auch des militärischen Sektors.

Die Projekte, die unter der Ägide desUmweltausschusses durchgeführt werden, förderndie Zusammenarbeit bei der Bewältigung von

Problemen, welche der Umwelt schaden und dieLebensqualität beeinträchtigen, wie z.B. Umwelt-verschmutzung und Lärmbelastung, Probleme städ-tischer Ballungszentren, Probleme der Energie-versorgung und im Gesundheitsbereich sowieUmweltprobleme aufgrund von Aktivitäten desVerteidigungssektors. Zu den typischen Problem-stellungen des letztgenannten Bereichs zählen dieNutzung ehemaligen militärischen Geländes fürzivile Zwecke, Sanierungsmethoden und Fragen desUmweltschutzes beispielsweise im Zusammenhangmit Erdöl-Pipelines.

Die Arbeit des Umweltausschusses ist dezentralorganisiert und umfasst Aktivitäten wie Pilotstudien,Projekte, Arbeitstagungen und Seminare, die alle aufnationaler Ebene finanziert werden. Ein Staat odermehrere übernehmen die Führungsrolle sowie dieVerantwortung für die Planung und Koordinierungder Arbeit. In den letzten Jahren ist das Spektrum derAktivitäten um Arbeitstagungen und Untersuchungenzu neuen Themen erweitert worden, die für diePartnerstaaten von besonderem Interesse sind.

Der Umweltausschuss hat auch eine Reihe zentralerZiele festgelegt, an denen sich seine künftige Arbeitorientieren soll; dazu zählen die Verringerung derökologischen Auswirkungen militärischer Aktivitäten,die Durchführung regionaler Studien einschließlichgrenzüberschreitender Maßnahmen, die Verhinde-rung von Konflikten im Zusammenhang mit begrenz-ten Rohstoffvorkommen, die Bewältigung neuerGefahren für die Umwelt und die Gesellschaft, die zuwirtschaftlicher, kultureller und politischer Instabilitätführen könnten, sowie Maßnahmen gegen neuartigeSicherheitsgefahren.

Page 41: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

39

Heute ist unsere Gesellschaft wegen der stetigzunehmenden Vernetzung, die auf allen Ebenenfestzustellen ist, deutlich verwundbarer als früher.Eine offenere internationale Staatengemein-schaft, komplexere technologische Systeme, diegrößere Abhängigkeit von elektronischenInformations- und Kommunikationssystemen, dieVerknüpfung von Systemen zur Erzeugung undVerteilung von Nahrungsmitteln, miteinander ver-bundene und immer dichtere Verkehrsnetze – allediese Faktoren führen zu neuen, veränderlichenFormen der Verwundbarkeit. Fielen beispiels-weise über längere Zeit die Fernmeldesystemeund die Stromversorgung aus, so könnte dieserheblichen Schaden verursachen. Zudem herrscht nach dem 11. September eine größereBesorgnis im Hinblick auf nichttraditionelleTerrorismusgefahren wie biologische Angriffeoder die virtuelle Kriegführung.

Die Aufrechterhaltung der Sicherheit und derSchutz der Gesellschaft vor einem breitenSpektrum von Gefahren erfordert sowohl aufnationaler als auch auf internationaler EbeneZusammenarbeit und Koordinierung zwischenverschiedenen Stellen zahlreicher Sektoren. Dies

wurde bei den Antiterrormaßnahmen unter derFührung der Vereinigten Staaten deutlich, inderen Rahmen nicht nur die militärische Zusam-menarbeit, sondern auch die diplomatische, finan-zielle und wirtschaftliche Zusammenarbeit sowiedie Zusammenarbeit der Nachrichtendienste, derZollbehörden und der Polizei eine Rolle spielte.

Im März 2001 wurde unter der Ägide desUmweltausschusses ein Projekt mit eher kurzerLaufzeit eingeleitet, durch das gemeinsameGefahren analysiert und Bereiche für eine ver-stärkte internationale Zusammenarbeit aufgezeigtwurden; auf diese Weise sollte die Verwundbarkeitkomplexer und voneinander abhängiger Systemeverringert werden, die für das Funktionieren einermodernen Gesellschaft so entscheidend wichtigsind. Norwegen hat bei diesem Projekt dieFührung übernommen, und die anderenTeilnehmerstaaten sind Dänemark, Georgien,Litauen, die Republik Moldau, Polen, Rumänien,Schweden, die Schweiz, die Türkei, die Ukraine,Ungarn, die Vereinigten Staaten und dasVereinigte Königreich.

Die Verwundbarkeit der vernetzten Gesellschaft

Page 42: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

40

Die NATO ist keine supranationale, sondern eine zwi-schenstaatliche Organisation. Sie ist ein Bündnisunabhängiger souveräner Staaten, die sich imInteresse ihrer gemeinsamen Sicherheit und zurVerteidigung gemeinsamer Werte zusammenge-schlossen haben. Die Beschlussfassung erfolgt aufder Grundlage des Konsensprinzips.

Zur Erleichterung von Konsultationen ist jederMitgliedstaat in Brüssel in der politischen Zentraleder NATO durch eine ständige Vertretung repräsen-tiert, die sich aus einem Ständigen Vertreter als demLeiter der Vertretung und einem MilitärischenVertreter zusammensetzt. Jeder von ihnen wird voneinem Stab ziviler und militärischer Berater unter-stützt, die ihr jeweiliges Land in den verschiedenenAusschüssen der NATO vertreten.

Innerhalb der NATO sind eine zivile und eine davonzu unterscheidende militärische Struktur für die poli-tische bzw. die militärische Dimension der Arbeit desBündnisses errichtet worden. Beide Strukturen arbei-ten dem Nordatlantikrat zu, der das obersteEntscheidungsorgan der NATO darstellt.

Konsens und Einvernehmen

Das Bündnis stützt sich auf das gemeinsameBekenntnis der Mitgliedstaaten zu praktischerZusammenarbeit in Verteidigungs- und Sicherheits-fragen. In der NATO gibt es keine Abstimmungs-verfahren, denn Beschlüsse werden im Konsens bzw.in gegenseitigem Einvernehmen gefasst. Dies bedeu-tet, dass politische Konsultationen im Beschluss-fassungsprozess eine zentrale Rolle spielen. AlleNATO-Gremien setzen sich aus Vertretern derMitgliedstaaten zusammen, die gegenüber den jeweilsanderen Bündnispartnern die Ansicht ihres Landesvertreten und ihre eigene Regierung über die Stand-punkte der anderen NATO-Mitglieder unterrichten.

Politische Konsultationen sind in der NATO zwar einwesentlicher Bestandteil der Bewältigung von Krisenund werden daher häufig mit Spannungen undSchwierigkeiten in Verbindung gebracht, aber sie stel-len in gleichem Maße eine alltägliche Praxis dar, mitderen Hilfe die Mitgliedstaaten den jeweiligenSpielraum für eine Einigung ausloten und langfristigepolitische Zielvorstellungen formulieren können.Konsultationen können zahlreiche Formen anneh-men. Sie können eine bloße Weitergabe vonInformationen oder einen Meinungsaustausch dar-stellen; es kann darum gehen, über bereits umge-setzte oder auch geplante Maßnahmen oderBeschlüsse einer Regierung zu informieren, die sich

auf die Interessen der Bündnispartner auswirkenkönnten; Konsultationen können der Vorankündigungvon Maßnahmen und Beschlüssen einer Regierungdienen und anderen die Möglichkeit zu einerStellungnahme oder Bestätigung geben; es kann sichum Gespräche handeln, in denen ein Konsens hin-sichtlich eines zu verfolgenden politischen Kursesoder der parallel dazu zu treffenden Maßnahmenerzielt werden soll, oder die Konsultationen sollen dieMitgliedstaaten in die Lage versetzen, kollektiveBeschlüsse zu fassen bzw. gemeinsame Maß-nahmen zu vereinbaren.

Konsultationen stellen einen kontinuierlichen Prozessdar. Da die Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel inder gleichen Zentrale untergebracht sind, könnenKonsultationen zwischen den Bündnispartnern aufVerlangen eines von ihnen oder auf Initiative desNATO-Generalsekretärs kurzfristig anberaumt wer-den. Der Konsultationsmechanismus gewährleistet,dass ein ständiger Dialog geführt wird und dass eszahlreiche Gelegenheiten gibt, bestimmte Anliegenzu erörtern und darzulegen.

Manchmal besteht zwischen den Mitgliedstaaten völ-lige Übereinstimmung, und es ist kein Problem, einenBeschluss zu fassen. Manchmal wird eine Ansichtvon der Mehrheit der Mitglieder vertreten, aber einStaat oder mehrere haben eine abweichendeMeinung; dann bemüht man sich um eineAnnäherung der Standpunkte und erforderlichenfallsum einen Kompromiss. Es ist natürlich möglich, dasssich Meinungsverschiedenheiten nicht überbrückenlassen. In diesem Fall steht es den einzelnenMitgliedstaaten frei, den von ihnen bevorzugten Kurszu verfolgen. Kein Mitgliedstaat wird gegen seinenWillen zu bestimmen Maßnahmen oder Beschlüssengezwungen. Im Allgemeinen gewährleisten jedochder im Bündnis herrschende Kompromissgeist unddas Bewusstsein der gemeinsamen Interessen undZiele, dass trotz Meinungsverschiedenheiten in derRegel genügend Gemeinsamkeit für eine Einigungbesteht. Sind Bündnisbeschlüsse einmal gefasst, sobringen sie den gemeinsamen Willen aller beteiligtenStaaten zum Ausdruck.

Die zivile Struktur der NATO

Der Nordatlantikrat ist das wichtigste Beschluss-fassungsorgan des Bündnisses. Er ist als das einzigeGremium, das durch den Nordatlantikvertrag errich-tet worden ist, für alle Beschlüsse der NATO zustän-dig. In erster Linie ist der Rat ein politisches Forum,in dem Vertreter aller Mitgliedstaaten zur Erörterungpolitischer oder operativer Fragen zusammenkom-

So arbeitet die NATO > 13

Page 43: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

41

men. Er kann auf verschiedenen Ebene zusammen-treten; in der Regel tagen die Botschafter der einzel-nen Staaten mindestens einmal wöchentlich, dieAußen- oder Verteidigungsminister mindestens zwei-mal jährlich, und gelegentlich kommen auch dieStaats- und Regierungschefs zu Gipfeltreffen zusam-men. Gleichviel auf welcher Ebene der Rat zusam-mentritt, haben seine Beschlüsse die gleicheGültigkeit und bringen die Meinung jeder einzelnenRegierung zum Ausdruck. Normalerweise tritt derNordatlantikrat zu Gesprächen über Angelegen-heiten von gemeinsamem Interesse oder zuGesprächen über Probleme zusammen, die kollek-tive Beschlüsse erfordern, doch er unterliegt imHinblick auf die von ihm erörterten Themen keinerleiBeschränkungen.

Der Verteidigungsplanungsausschuss befasst sichmit den meisten Verteidigungsfragen und mitThemen, die mit der kollektiven Verteidigungs-planung zusammenhängen. Er berät die militäri-schen Behörden der NATO und hat bei Fragen inner-halb seines Zuständigkeitsbereichs die gleichenBefugnisse wie der Nordatlantikrat. Wie der Rat trittder Ausschuss in der Regel auf Botschafterebenezusammen, tagt aber mindestens zweimal jährlichauf der Ebene der Verteidigungsminister. DieVerteidigungsminister kommen auch regelmäßig inder Nuklearen Planungsgruppe zusammen, die einefortlaufende Überprüfung der Nuklearpolitik desBündnisses gewährleistet und ein breites Spektrumspezifischer Fragen im Zusammenhang mit nuklea-ren Streitkräften sowie eher allgemeine Themen wiedie nukleare Rüstungskontrolle und die Verbreitungvon Kernwaffen erörtert. Frankreich, das nicht derintegrierten Militärstruktur der NATO angehört, betei-ligt sich weder an der Arbeit des Verteidigungs-planungsausschusses noch an der NuklearenPlanungsgruppe.

Dem Rat und dem Verteidigungsplanungsausschusssind zahlreiche Ausschüsse nachgeordnet, die sich mitspeziellen Aspekten der Bündnispolitik befassen undEmpfehlungen für endgültige Beschlüsse erarbeiten.Jeder Mitgliedstaat ist in jedem dieser Ausschüsse ver-treten. Ein Beispiel ist der Politische Ausschuss, derregelmäßig auf verschiedenen Ebenen zusammentritt,um den Rat in den wichtigsten aktuellen Fragen zuberaten, die sich auf die Bündnispolitik auswirken. Einweiteres Beispiel ist der Ausschuss fürVerteidigungsüberprüfung; dieser Ausschuss beauf-sichtigt den Konsultationsprozess, der zu Beschlüssenüber den Umfang der Streitkräfte führt, die von denMitgliedstaaten während des jeweils nächsten

Planungszeitraums für die integrierte Militärstrukturder NATO bereitgestellt werden. Der Infrastruktur-ausschuss der NATO prüft Vorschläge zur gemeinsa-men Finanzierung von Einrichtungen, die von NATO-Streitkräften genutzt werden. Der Wirtschafts-ausschuss konzentriert sich auf wirtschaftlicheEntwicklungen mit direkten Konsequenzen für dieSicherheitspolitik. Die Haushaltsausschüsse legendem Rat Vorschläge für die Verwaltung des zivilen unddes militärischen Haushalts vor, zu denen jederMitgliedstaat Beiträge leistet.

Konsultationen finden bezüglich des gesamtenSpektrums der Tätigkeiten des Bündnisses statt. DieKonferenz der Nationalen Rüstungsdirektoren trittregelmäßig zusammen, um politische, wirtschaftlicheund technische Aspekte der Entwicklung undBeschaffung von Ausrüstung für NATO-Streitkräfte zuprüfen. Auf dem Informationssektor konzentriert sichein NATO-Ausschuss für „public diplomacy“ aufAktivitäten, mit denen man die Kenntnisse über dieNATO und das Verständnis für sie und ihre Politiksowohl in den NATO-Staaten selbst als auch in denPartnerstaaten verbessern kann. Fragen im Zusam-menhang mit den wissenschaftlichen Aktivitäten undden Umweltprogrammen des Bündnisses werden vomWissenschaftsausschuss und vom Ausschuss für dieHerausforderungen der modernen Gesellschaft erör-tert. Andere Ausschüsse und Gruppen wie derPolitisch-Militärische Lenkungsausschuss für diePartnerschaft für den Frieden tragen dazu bei, dieZusammenarbeit mit Partnerstaaten weiterzuent-wickeln und zu beaufsichtigen.

Bündnisaktivitäten, an denen Partnerstaaten beteiligtsind, wie z.B. friedenserhaltende Maßnahmen oderdas PfP-Programm, werden mit den betreffendenRegierungen besprochen. Konsultationen findendann in den jeweils geeigneten Foren statt, bei-spielsweise im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat,im NATO-Russland-Rat oder in der NATO-Ukraine-Kommission. Ebenso werden Aktivitäten im Rahmendes Mittelmeerdialogs mit den Teilnehmerstaaten inder Kooperationsgruppe Mittelmeer erörtert. DieNATO misst der kontinuierlichen Arbeit dieserGremien entscheidende Bedeutung bei.Insbesondere in Krisenzeiten stellen sie wertvolleGesprächsforen dar, in denen

Page 44: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

42

Meinungsverschiedenheiten besprochen werdenkönnen und ein Meinungsaustausch möglich ist.

Die militärische Struktur der NATO

Das Aufsichtsorgan der militärischen Struktur derNATO ist der Militärausschuss, der die oberstemilitärische Behörde des Bündnisses darstellt, aberpolitisch dem Nordatlantikrat untersteht. DerAusschuss berät das Bündnis in militärischenAngelegenheiten. Tagt er auf höchster Ebene, sokommen in ihm die Stabschefs zusammen, aber imHinblick auf die tägliche Routinearbeit sind dieMitgliedstaaten durch ihren jeweiligen MilitärischenVertreter repräsentiert.

Der Militärausschuss berät auch die strategischenBefehlshaber der NATO. Von den Befehlshabern die-ser Ebene hat die NATO zwei, nämlich den OberstenAlliierten Befehlshaber Europa (SACEUR) mit sei-nem Hauptquartier (Oberstes Hauptquartier derAlliierten Mächte Europa – SHAPE) in Mons,Belgien, und den Obersten Alliierten Befehlshaberfür Fragen der Umgestaltung (SACT) mit seinemHauptquartier in Norfolk (Virginia, VereinigteStaaten).

SACEUR steht an der Spitze des AlliiertenKommandos Operationsführung, das die Streitkräfteführt, die der NATO von den Mitgliedstaaten zurVerfügung gestellt werden. Er ist daher für alleNATO-Operationen zuständig, wo auch immer siedurchgeführt werden, und er hat eineDoppelfunktion, da er zugleich an der Spitze desBefehlsbereichs Europa der Streitkräfte derVereinigten Staaten steht.

SACT hat eine funktionale Rolle. An der Spitze desAlliierten Kommandos für Fragen der Umgestaltungist er dafür zuständig, die kontinuierlicheUmgestaltung der Streitkräfte und der Fähigkeitendes Bündnisses zu fördern und zu beaufsichtigen.Auch er hat eine Doppelfunktion, da er zugleichBefehlshaber des Gemeinsamen Streitkräfte-kommandos der Vereinigten Staaten ist.

Die Aufgabenteilung der beiden strategischenBefehlshaber erfolgte früher nach geographischenGesichtspunkten, wobei SACEUR an der Spitze derNATO-Operationen in Europa und der Oberste

Alliierte Befehlshaber Atlantik (SACLANT) fürAtlantikoperationen zuständig war. Die Straffung dermilitärischen Kommandostruktur wurde imNovember 2002 auf dem Prager Gipfel vorgeschla-gen und auch angenommen. Darin kam dasBekenntnis der NATO zu dem Ziel zum Ausdruck,diejenigen Fähigkeiten zu entwickeln und denjenigenBereitschaftsgrad aufrechtzuerhalten, die fürOperationen zur Bewältigung von Krisen und zurUnterstützung des Friedens sowie für humanitäreAufgaben innerhalb und auch außerhalb ihres tradi-tionellen Zuständigkeitsgebiets erforderlich sind.Ergänzt wurde diese Maßnahme durch die Bildungder NATO-Reaktionskräfte und die Einleitung derPrager Verpflichtung zu Verteidigungsfähigkeiten (s. Kap. 3).

Parlamentarische Versammlung derNATO

Das Bündnis ist eine zwischenstaatlicheOrganisation, so dass die Mitgliedsregierungenjeweils ihrem eigenen Parlament rechenschafts-pflichtig sind. Es ist daher wichtig, dass die Ziele desBündnisses von den demokratisch gewählten parla-mentarischen Vertretern unterstützt werden. DieParlamentarische Versammlung der NATO ist dasinterparlamentarische Forum der NATO-Mitgliedstaaten, in dem europäische und nordameri-kanische Gesetzgeber zur Erörterung von Fragenzusammenkommen, die als gemeinsame Anliegenvon gemeinsamem Interesse sind.

Die Versammlung ist völlig unabhängig von der NATO,bildet jedoch ein Bindeglied zwischen nationalenParlamenten und dem Bündnis, mit dessen Hilfe dieeinzelnen Regierungen aufgefordert werden, bei derErarbeitung nationaler Gesetze Anliegen desBündnisses Rechnung zu tragen. Die Parlamen-tarische Versammlung bedeutet auch eine ständigeErinnerung daran, dass innerhalb der NATO erreichtezwischenstaatliche Beschlüsse letztlich der politischen

Page 45: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

43

Bestätigung durch nationale demokratische Verfahrenbedürfen. Die Parlamentarische Versammlung derNATO hat auch intensive Kontakte zu Parlamenten derPartnerstaaten, die Vertreter zu Diskussionen undBeratungen der Versammlung entsenden.

Die Rolle des Generalsekretärs der NATO

Der Generalsekretär fördert und leitet denKonsultations- und Beschlussfassungsprozess im

Bündnis insgesamt. Er ist Vorsitzender desNordatlantikrats und anderer hochrangigerAusschüsse und hat erheblichen Einfluss auf denBeschlussfassungsprozess. Er kann Themen zurErörterung vorschlagen und seine Position als unab-hängiger und unparteiischer Vorsitzender nutzen, umdie Diskussion im Interesse des Gesamtbündnissesin Richtung auf einen Konsens zu lenken. DerGeneralsekretär hat jedoch nicht die Befugnis, eigenepolitische Entscheidungen zu treffen, und er kann nurinsoweit im Namen der NATO handeln, wie dieMitgliedsregierungen damit einverstanden sind.

Er ist auch der Hauptsprecher des Bündnisses undsteht an der Spitze des Internationalen Stabes, derdie Arbeit der Mitgliedstaaten auf den verschiedenenAusschussebenen unterstützt.

Wer bezahlt für die NATO?

Die Beiträge zu den NATO-Haushalten werdennach einem vereinbarten Kostenschlüssel berech-net und stellen nur einen kleinen Teil desGesamtverteidigungshaushalts der einzelnenNATO-Staaten dar.

Gemeinsam finanzierte Etats werden im Rahmeneines zivilen und eines davon getrennten militäri-schen Haushalts sowie eines Programms fürSicherheitsinvestitionen verwaltet.

• Unter den Zivilhaushalt fallen die Kosten desInternationalen Stabes in der NATO-Zentrale,zivile Programme und Aktivitäten sowie Bau,Betrieb und Instandhaltung von Einrichtungen(z.B. von Konferenzräumen) für Tagungen derAusschüsse und Arbeitsgruppen.

• Unter den Militärhaushalt fallen Betriebs- undInstandhaltungskosten der integriertenMilitärstruktur, einschließlich des Militäraus-schusses; der Internationale Militärstab und dieihm nachgeordneten Organe; die beiden strate-gischen Kommandos sowie nachgeordneteFührungs-, Leit- und Informationssysteme,

Ämter für Forschung, Entwicklung, Beschaffungund Logistik und schließlich die luftgestütztenFrühwarnkräfte der NATO.

• Das Programm für Sicherheitsinvestitionenfinanziert Anlagen und Einrichtungen, die vonder NATO zusätzlich zu denjenigen benötigtwerden, die von einzelnen Mitgliedstaaten fürnationale Sicherheitszwecke errichtet wordensind, z.B. Kommunikations- und Informations-systeme, Radaranlagen, militärische Haupt-quartiere, Flugplätze, Pipelines, Depots, Häfenund Navigationshilfen.

Diese Haushalte unterliegen der Kontrolle durcheinen Zivilhaushalts- und einen Militärhaus-haltsausschuss sowie durch einen Infrastruktur-ausschuss, der für die Finanzierung gemeinsamerEinrichtungen zuständig ist, die Streitkräfte derNATO unterstützen. Der OberausschussRessourcen führt die politische Aufsicht über diegemeinsame militärische Finanzierung. JederMitgliedstaat ist in diesen Gremien vertreten. AlleNATO-Haushalte unterliegen auch einer externenRechnungsprüfung.

Page 46: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

44

Die heutige NATO unterscheidet sich sehr von derOrganisation, die 1949 gegründet wurde. Sowohl dieNATO als auch die Welt insgesamt haben sich aufeine Weise verändert, die sich die Gründer desBündnisses wohl kaum hätten vorstellen können. Dieheutige NATO unterscheidet sich auch von derOrganisation, die während der vier Jahrzehnte desKalten Krieges Westeuropa verteidigte, und sogarvon der Organisation, die in den 90er Jahren nachdem Ende des Kalten Krieges Zeuge des Über-gangsprozesses Europas wurde. In wenigen Jahrenwird sie sich zweifellos erneut umgestaltet haben, dasie koordinierte Maßnahmen gegen dieSicherheitsgefahren erarbeitet, mit denen dieMitgliedstaaten Anfang des 21. Jahrhunderts konfron-tiert sind. In dem Maße wie sich das strategischeUmfeld ändert, wird sich die NATO wahrscheinlichsogar immer schneller weiterentwickeln müssen, umden neuen Gefahren für ihre Mitgliedstaaten entge-gentreten zu können. Die wichtigsten Fundamenteder Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses,nämlich gemeinsame Werte und Interessen, stehenjedoch unverändert im Einklang mit den Prinzipiendes Gründungsvertrags.

Nach den Angriffen auf die Vereinigten Staaten vomSeptember 2001 und der Inkraftsetzung von Artikel 5,die zum ersten Mal in der Geschichte der NATOerfolgte, hat die NATO eine grundsätzliche Überprü-fung ihrer Vorgehensweise bei der Bewältigung dervom Terrorismus ausgehenden Bedrohung eingeleitet.Schon vor den Terrorangriffen hatte sich das Bündnisein äußerst intensives Arbeitsprogramm auferlegt, daes im ehemaligen Jugoslawien drei Krisenbewäl-tigungsoperationen durchführte, Vorbereitungen für dieAufnahme neuer Mitglieder traf und immer engerepartnerschaftliche Beziehungen zu Staaten undOrganisationen sowohl innerhalb des euro-atlanti-schen Raumes als auch in der Welt insgesamt her-

stellte. In einer Zeit, in der die Gewährleistung vonSicherheit zu einer immer komplexeren Aufgabe wird,ist die NATO heute auf zu vielen Gebieten aktiv, alsdass man ihre Arbeit in einem einzigen eingängigenSlogan oder Schlagwort zusammenfassen könnte.

Die NATO von morgen

Im Zuge der anhaltenden Erweiterung desBündnisses wird die NATO den Interessen einerimmer größeren Zahl von Staaten Rechnung tragenmüssen, die um ein einheitliches Vorgehen bemühtsind. Zugleich wird in Europa wahrscheinlich die Zoneder Stabilität größer werden, und somit werden auchdie Aussichten auf wirtschaftlichen Wohlstand wach-sen. Während das Bündnis engere Beziehungen zuRussland, zur Ukraine und zu anderen europäischenStaaten herstellt, lässt Europa seine geteilteVergangenheit hinter sich und wird zu einemKontinent, der durch zunehmende Stabilität gekenn-zeichnet ist. Diese positiven Tendenzen wird mangezielt fördern müssen.

Auch wenn sich der Charakter der Gefahren, mitdenen die Mitgliedstaaten konfrontiert sind, und dieArt und Weise, auf die sich das Bündnis zu derenBewältigung organisiert, immer wieder ändern, sinddie tragenden Fundamente der NATO unverändertdie gleichen geblieben. Das Bündnis bietet einetransatlantische politisch-militärische Rahmenstrukturfür die Bewältigung von Sicherheitsgefahren. Es ver-bindet Europa mit Nordamerika und sorgt für einenAusgleich einer Vielzahl nationaler Interessen. In demMaße wie sich die NATO von einem kollektivenVerteidigungsschild zu einem Sicherheitsmanager imweitesten Sinne entwickelt, ist sie nicht nur Ausdruckeiner Interessengemeinschaft, sondern verkörpertauch eine Gemeinschaft von Werten wie z.B.Demokratie und Menschenrechte.

Wandel und Kontinuität > 14

Page 47: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

© NATO - 2004Bildnachweis: Photographien in dieser Broschüre stammen entweder von der NATO selbst oder wurden freundlicherweise vom Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten zur Verfügung gestellt.

Page 48: DIE NEUE NATO · Dies bedeutet, dass zahlreiche Aspekte der Verteidigungspläne und -vorkehrungen, die zuvor ... Unterstützung sowie rechtliche und finanzielle

NATO

TR

AG

ER

0604

NATO / OTAN

Public Diplomacy Division / Division Diplomatie publique

1110 Brussels / Bruxelles

Belgium / Belgique

Web site : www.nato.int

Site Web : www.otan.nato.int

E-mail / Courriel : [email protected]