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60 Die Nutzung der Windenergie und erwartete technologische Entwicklungen der nächsten Jahre 0 Andreas Reuter, Fraunhofer IWES 1. Einleitung Windenergie ist die älteste Form der Nutzung der erneuerbaren Energien und hat auch für die Zukunft das größte wirtschaftliche Potenzial. Im Folgenden soll die Motivation und die Möglichkeiten für den weiteren Ausbau dieser Technologie beschrieben werden. Die dafür notwendigen Entwicklungsschritte werden dargestellt und ein Ausblick auf langfristige Trends gegeben. Abbildung 1: Szenarien zur CO 2 -Reduktion /WBGU1/ 2. Klimawandel und Peak Oil Die derzeit noch rasant wachsende Weltbevölkerung und das globale industrielle Wachstum führen zu einem weiter zunehmenden Energiebedarf. Da derzeit die Energiegewinnung noch weitestgehend auf fossiler Basis erfolgt, nimmt auch der CO 2 -Austoß weiter zu. Im Jahr 2011 betrug die Zunahme der globalen CO 2 -Emmission noch 3,2%, insbesondere auch durch einen Ausbau der Kohlenutzung /IEA1/. Soll allerdings die globale Zunahme der durchschnittlichen Temperatur auf 2° C begrenzt werden, sind erhebliche Anstrengungen zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen erforderlich. Je später mit einer Reduzierung begonnen wird, desto drastischer muss sie stattzufinden, um die zulässige Gesamtmenge an CO 2 in der Atmosphäre nicht zu überschreiten. Dieser Zusammenhang wird in der Abbildung 2 dargestellt.

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Die Nutzung der Windenergie und erwartete technologische Entwicklungen der nächsten Jahre 0

Andreas Reuter, Fraunhofer IWES

1. Einleitung

Windenergie ist die älteste Form der Nutzung der erneuerbaren Energien und hat auch für die Zukunft das größte wirtschaftliche Potenzial. Im Folgenden soll die Motivation und die Möglichkeiten für den weiteren Ausbau dieser Technologie beschrieben werden. Die dafür notwendigen Entwicklungsschritte werden dargestellt und ein Ausblick auf langfristige Trends gegeben.

Abbildung 1: Szenarien zur CO2-Reduktion /WBGU1/

2. Klimawandel und Peak Oil

Die derzeit noch rasant wachsende Weltbevölkerung und das globale industrielle Wachstum führen zu einem weiter zunehmenden Energiebedarf. Da derzeit die Energiegewinnung noch weitestgehend auf fossiler Basis erfolgt, nimmt auch der CO2-Austoß weiter zu. Im Jahr 2011 betrug die Zunahme der globalen CO2-Emmission noch 3,2%, insbesondere auch durch einen Ausbau der Kohlenutzung /IEA1/.

Soll allerdings die globale Zunahme der durchschnittlichen Temperatur auf 2° C begrenzt werden, sind erhebliche Anstrengungen zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen erforderlich. Je später mit einer Reduzierung begonnen wird, desto drastischer muss sie stattzufinden, um die zulässige Gesamtmenge an CO2 in der Atmosphäre nicht zu überschreiten. Dieser Zusammenhang wird in der Abbildung 2 dargestellt.

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Leider sind wir – wie oben beschrieben – sehr weit von diesen notwendigen Reduzierungen entfernt und müssen uns auf klimatische Konsequenzen einstellen.

Diese Entwicklung muss allerdings im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe, insbesondere von Öl, gesehen werden. Die bekannte Diskussion über die Fragestellung des Zeitpunktes der maximalen Ölförderung und der Konsequenzen einer Nachfrage, die das Angebot übersteigt, soll hier nicht wiederholt werden. Allerdings wird oft übersehen, dass nicht nur die maximale Fördermenge interessiert, sondern noch viel mehr die Frage nach der Effizienz der Förderung. Hier befinden wir uns in einem dramatischen Abwärtstrend. Während noch zu Beginn der 90er Jahre der Wirkungsgrad der Ölförderung bei 95% lag, ist er inzwischen für Neuerschließungen auf ca. 50-70 % abgefallen. Dieser Trend beruht auf der Nutzung unkonventioneller Reserven, z.B. der kanadischen Ölsande. Ein reduzierter Wirkungsgrad erhöht den CO2-austoß, somit werden die Anstrengungen aller Effizienzmaßnahmen zunichte gemacht.

Dass die derzeitige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und die damit einhergehende Plünderung der globalen Ressourcen eine Ausnahmesituation in der Menschheitsgeschichte darstellt, zeigt die Abbildung 3, das einen langfristigeren Blick auf unsere Wirtschaftsweise erlaubt:

Abbildung 2: Net Energy Cliff – Abnahme der Effizienz beim Übergang zu unkonventio-nellen Ölressourcen (ERoEI = Energy Returned on Energy Invested) /ASPO1/

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James Watt Niederdruckdampfmaschine 1764 -1769

BiomassePhotovoltaikSolarthermieWindenergie .

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Blütezeit Griechenlands

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uch 1. Solarzeitalter 2. Solarzeitalter

Zeit / Jahren

Abbildung 3: Historische und zukünftige Energieversorgung der Menschheit /FVEE1/

Somit sollte eine sehr große Motivation bestehen, sich mit der zügigen Transformation in eine nachhaltige Energieversorgung auseinanderzusetzen.

3. Erneuerbare Energien: verfügbare Ressourcen und Modelle zur Transition

Auch wenn die derzeitigen Entwicklungen noch keine Trendwende in Richtung einer nachhaltigen Energieversorgung erkennen lassen, hat es in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte bei der Nutzung erneuerbarer Energien gegeben. Insbesondere hat sich auch das Verständnis bezüglich des Potenzials verändert. Noch vor wenigen Jahren war eine Vollversorgung mit regenerativen Energien für die meisten Menschen undenkbar oder nur mit erheblichen zivilisatorischen Einschränkungen vorstellbar. Inzwischen wird das vorhandene und technisch nutzbare Potenzial aber mehr und mehr wahrgenommen.

Aktuelle Studien zeigen, dass die verfügbaren und mit vorhandenen Technologien nutzbaren erneuerbaren Energien den globalen Bedarf weit übersteigen, von einer langfristigen Energieverknappung kann also nicht die Rede sein:

Die Nutzung ist also nur eine Frage der technologischen und wirtschaftlichen Umsetzung. Auch hier hat es regional erhebliche Fortschritte gegeben, beispielhaft kann dies an der Nutzung erneuerbarer Energien in Deutschland gezeigt werden, wo innerhalb von 20 Jahren und parallel zur Entwicklung der Technologien inzwischen über 20 % des Stroms regenerativ erzeugt werden.

Auf der Basis derzeit zur Verfügung stehender Technologien hat der FVEE Szenarien für eine Vollversorgung Deutschlands erstellt und auch die Transition beschrieben, hier exemplarisch für die Stromversorgung in Abbildung 5 dargestellt.

In dieser und auch anderen vergleichbaren Studien wird in Deutschland der Windenergie das größte Potenzial eingeräumt, da sie mit Abstand die günstigste Form der Erneuerbaren ist.

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Abbildung 4: Globales nutzbares Potenzial der erneuerbaren Energien /FVEE 2/

Neben dem intelligenten Netzmanagement sind Speichertechnologien ein wesentlicher Baustein für eine Vollversorgung mit Energie aus Sonne und Wind. Pumpspeicherkraftwerke sind hier besonders geeignet, Schwankungen im Stromnetz zu kompensieren. Für große Mengen an Energie und für die Nutzung in Mobilitätsaufgaben erscheinen chemischen Speicher sehr vielversprechend. Insbesondere das Konzept der Verwendung von synthetisch erzeugtem Methan aus Windstrom kann sowohl zur Überbrückung von Flautenzeiten dienen als auch als Treibstoff für Verkehrsaufgaben genutzt werden. Deutschland ist hier auch in einer guten Ausgangssituation, da bereits eine umfangreiche Infrastruktur vorhanden ist und die Umstellung daher kostenoptimiert durchgeführt werden kann.

4. Die Rolle der Windenergie in Deutschland: das 2% Szenario

Durch technische Optimierung konnte in den letzten Jahren zunehmend die wirtschaftliche Nutzung der Windenergie auf große Bereiche des Binnenlandes ausgedehnt werden. Eine aktuelle Studie zeigt, dass auch für die Zukunft noch ein erhebliches Potenzial für die onshore-Nutzung des Windes in Deutschland besteht. Hierfür wurden systematisch alle Flächen erfasst und in nutzbare, eingeschränkt nutzbare und ungeeignete eingeteilt. Werden in Deutschland 2% der Fläche, das ist ca. 20% der uneingeschränkt nutzbaren Fläche, für die Windenergienutzung harngezogen, können 189 GW an Leistung installiert und damit ca. 65% des Strombedarfs gedeckt werden. Hierbei ist besonders interessant, dass auch Süddeutschland ein erhebliches Windpotenzial besitzt und eine lokale Nutzung den Bedarf an Leitungsbau von Nord nach Süd verringert./IWES1/

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Abbildung 5: Transformationsszenario für die Stromversorgung in Deutschland /FVEE 3/

5. Technologische Entwicklungen on- und offshore

Ein wesentliches Merkmal der Technologieentwicklung der letzten 20 Jahre ist das rasante Größenwachstum der Anlagen. Zu Beginn der 90er Jahre waren Anlagen in der Größenordnung von 100 kW und 20-30 m Rotordurchmesser Stand der Technik, derzeit werden bereits 7,5 MW-Anlagen mit einem Rotordurchmesser von 175m erprobt und in Forschungsprojekten wird an der 20MW-Anlage gearbeitet. Auch auf der elektrischen Seite wurden erhebliche Fortschritte gemacht, moderne Windkraftanlagen arbeiten zur Optimierung des Wirkungsgrades drehzahlvariabel, die dafür verwendetet Leistungselektronik wirkt zudem netzstabilisierend.

Durch die Ähnlichkeitsgesetze bedingt, ist das Gewicht der Anlagen die größte Herausforderung. Über optimierte Regelungskonzepte und die Verwendung neuer Materialien soll die Wirtschaftlichkeitsgrenze weiter zu sehr großen Anlagen verschoben werden. Die bessere Ausnutzung von Standorten - und im offshore-Bereich der teuren Infrastruktur - sind die Basis für ein weiteres Größenwachstum.

Sehr große Bauteile und Anlagen erfordern auch die Entwicklung komplett neuer Fertigungs- und Logistikkonzepte. So ist zum Beispiel die Herstellung eines 80 m langen Rotorblattes aus Faserverbundwerkstoffen in Handarbeit langfristig nur schwer vorstellbar, da die Abmessungen der Form und die Materialmengen an die Grenzen der Handhabbarkeit stoßen. Die Automatisierung der Fertigung in enger Verknüpfung mit einer Anpassung und Optimierung des Entwurfsprozesses der Rotorblätter stellen einen der wichtigsten nächsten Technologieschritte dar.

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Abbildung 6: Größenwachstum der Windkraftanlagen seit 1980 und Ausblick /Reuter 1/

Abbildung 7: Schwimmende Windkraftanlagen heute und 2050 /Bard1, Focus1/

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6. Ausblicke

Der sich abzeichnende Trend zu einer vollständigen Versorgung mit erneuerbaren Energien

beschränkt sich nicht nur auf Deutschland. Für die Nutzung der Windenergie ist das Wind-

und Flächenangebot in vielen Ländern allerdings noch ungünstiger als bei uns, daher wird in

Gegenden mit Küstengewässern die Nutzung der offshore-Windenergie untersucht. Große

Gewässertiefen bereits in unmittelbarer Küstennähe verhindern aber die direkte Verwendung

der in Nordeuropa üblichen am Boden verankerten Windkraftanlagen. Daher wird in

Südeuropa, Japan oder in den USA intensiv die Nutzung schwimmender Anlagen untersucht,

erste Demonstrationsanlagen sind bereits in der Erprobung. In Projekten wie HiPRWind

werden derzeit Konzepte für die nächste Dekade entwickelt.

Langfristig bietet dieser Ansatz erhebliches Potenzial und es ist denkbar, auch verschiedene

Ansätze zur Energieerzeugung und Speicherung auf schwimmenden Plattformen zu

kombinieren. So kann die Nutzung von Photovoltaik, Wind und Biomasse auf Algenbasis mit

Osmosespeichern verbunden werden. Als Ergebnis entstehen „Energieinseln“, die

bedarfsgerecht große Mengen von Energie für küstennahe Ballungszentren liefern können.

Referenzen

/IEA1/ www.iea.org/newsroomandevents/news/2012/may/name,27216,en.html

/WBGU1/ Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber et al., Welt im Wandel,

Gesellschaftsvertrag für eine große Transformation, Hauptgutachten, WBGU,

Berlin 2011

/ASPO1/ Dr. Euan Mearns, Unconventional Oil and Gas, a Game Changer?, ASPO2012,

Wien 2012

/FVEE1-3/ Prof. Dr. Jürgen Schmid et al. , Energiekonzept 2050 - Eine Vision für ein

nachhaltiges Energiekonzept auf Basis von Energieeffizienz und 100 %

erneuerbaren Energien, FVEE, Berlin 2010

/IWES1/ Dr. Kurt Rohrig, Studie zum Potenzial der Windenergienutzung an Land,

BWE, Berlin 2011

/Reuter 1/ Prof. Dr. Andreas Reuter, Wann kommt die 20 MW-Anlage?, ForWind

Vortragsreihe, Oldenburg 2011

/Bard, Focus/ Jochen Bard, HiPRWind, High Power, high Reliability offshore Wind techno-

logy, Kassel 2012 http://www.focus.de/wissen/natur/umwelt-energie-von-

der-insel_aid_237244.html

Prof. Dr.-Ing. Andreas Reuter

Fraunhofer IWES

Appelstr. 9a

30167 Hannover

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Exzerpt aus Tagungsband des AKE, DPG-Tagung 2012 Berlin home: http://www.uni-saarland.de/fak7/fze/AKE_Archiv/DPG2012-AKE_Berlin/Links_DPG2012.htm

Energiewende Aspekte, Optionen, Herausforderungen

Vorträge auf der DPG-Frühjahrstagung

Arbeitskreis Energie in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Berlin, 26. bis 28. März 2012

Programmgestaltung und Herausgeber: Hardo Bruhns

September 2012

Frühjahrstagung des Arbeitskreises Energie

in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Berlin, 26. bis 28. März 2012

Inhaltsverzeichnis

Einleitung ………………………………………………………………..…................. 7

Übersicht über die Fachsitzungen ………………………………………………….…. 8

Abstracts aller Vorträge ………………………………………………………………. 9

Hauptvorträge:

Wieviel Kohlenstoff braucht der Mensch?, vorgetragen von H. Pütter .…..………....... 24

Virtuelle Großanlagen – ein Ansatz zur systemkompatiblen Integration erneuerbarer Energiequellen in die Energieversorgung, vorgetragen von R. Bitsch …………......… 36

Hydro Electricity and Storage Capabilities in Norway – can they be useful for Europe?, presented by W. Rondeel …...……………………………………….…….... 49

Die Nutzung der Windenergie und erwartete technologische Entwicklungen der nächsten Jahre, vorgetragen von A. Reuter ..………………………...………………. 60

Enhanced Geothermal Systems (EGS) - Potential and Stimulation Treatments, presented by G. Zimmermann ………………………………………………………............. 67

Schiefergas: eine unkonventionelle Ressource für den Energiemix der Zukunft?, vorgetragen von A. Hübner ………………………………………………………………....... 75

Perspektiven für Solarthermische Kraftwerke im Sonnengürtel, vorgetragen von B. Hoffschmidt ………………………………………………..……....…... 81

Windstrom und Wasserstoff – Eine Alternative, vorgetragen von D. Stolten ………………………………………………………...…........… 94

Die Kosten und Risiken der Energiewende, vorgetragen von M. Frondel…………….... 112

Challenge Energy Transition: Managing Volatility and Integrating Renewables into the Energy System, presented by H. Gassner …...……………………………...………… 124

Energieszenarien für Deutschland: Stand der Literatur und methodische Auswertung, vorgetragen von J. Hake ……………………………………………………………...…......... 132

Wie Fukushima die Energiepolitik und Energieforschung in Deutschland und international verändert, vorgetragen von J. Knebel.…………………………………........ 167

Entscheidungszwänge in der Weltenergieversorgung und Klimapolitik bei hoher Unsicherheit, vorgetragen von C. Ch. von Weizsäcker …..…………………………........ 179

Future Mobility in Europe, presented by F. X. Söldner …………………………….......... 183

Der vorliegende Band fasst schriftliche Ausarbeitungen von Hauptvorträgen der DPG-AKE Tagung des Jahres 2012 in Berlin zusammen. Die Präsentationsfolien der Hauptvorträge können auf der Webseite des Arbeitskreises über:

http://www.dpg-physik.de/dpg/organisation/fachlich/ake.html

(von dort gelangt man zum Archiv des AKE) eingesehen werden. Allen Autoren, die zu diesem Sammelband beigetragen haben, sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt.

Düsseldorf, im September 2012 Hardo Bruhns

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Direkter Link zum AKE - Archiv: http://www.uni-saarland.de/fak7/fze/index.htm Direkter Link zum AKE - Archiv, Tagung 2012 -Berlin: http://www.uni-saarland.de/fak7/fze/AKE_Archiv/DPG2012-AKE_Berlin/Links_DPG2012.htm