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1 DIE ORTSNAMEN DES LANDKREISES WOLFENBÜTTEL UND DER STADT SALZGITTER

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    DIE ORTSNAMEN DES LANDKREISES WOLFENBÜTTEL UND DER STADT SALZGITTER

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    VERÖFFENTLICHUNGEN DES INSTITUTS FÜR HISTORISCHE LANDESFORSCHUNG

    DER UNIVERSITÄT GÖTTINGEN

    Band 43

    NIEDERSÄCHSISCHES ORTSNAMENBUCH (NOB) Herausgegeben von Jürgen Udolph

    Teil III

    Die Ortsnamen des Landkreises Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter

    von

    Kirstin Casemir

    Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld 2003

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    DIE ORTSNAMEN DES LANDKREISES WOLFENBÜTTEL

    UND DER STADT SALZGITTER

    von

    Kirstin Casemir

    Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld 2003

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    Gefördert von

    Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

    Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliogafische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

    D 7 Göttinger Philosophische Dissertation

    © Verlag für Regionalgeschichte Alle Rechte vorbehalten

    ISSN 0436-1229

    ISBN 3-89534-483-4

    Satz: Kirstin Casemir Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen

    Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier nach ISO 9706

    Printed in Germany

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    Inhaltsverzeichnis

    1. Einleitung........................................................................................................................... 9 2. Das Untersuchungsgebiet ............................................................................................. 13 2.1. Die heutige politische Gestalt des Untersuchungsgebietes ................................... 13 2.2. Die Oberflächengestalt des Untersuchungsgebietes .............................................. 14 2.3. Besiedlung in vorschriftlicher Zeit – Archäologische Funde................................. 16 3. Orts- und Wüstungsverzeichnis .................................................................................... 37 3.1. Einleitung zu den Ortsartikeln................................................................................... 37 3.2. Orts- und Wüstungsnamenlexikon ............................................................................ 55 4. Die Ortsnamengrundwörter und -suffixe des Untersuchungsgebietes ................ 371 4.1. Vorbemerkungen ....................................................................................................... 371 4.2. Das Grundwort -aha .................................................................................................. 375 4.3. Das Grundwort -ard................................................................................................... 377 4.4. Das Grundwort -beke ................................................................................................ 379 4.5. Das Grundwort -bere................................................................................................. 381 4.6. Das Grundwort -berg................................................................................................. 384 4.7. Das Grundwort -brück(e).......................................................................................... 386 4.8. Das Grundwort -burg ................................................................................................ 388 4.9. Das Grundwort -büttel .............................................................................................. 391 4.10. Das Dentalsuffix....................................................................................................... 392 4.11. Das Grundwort -dorf ............................................................................................... 395 4.12. Das Grundwort -hagen ............................................................................................ 400 4.13. Das Grundwort -h>m ............................................................................................... 403 4.14. Das Grundwort -hof ................................................................................................. 421 4.15. Das Grundwort -h5sen ............................................................................................ 423 4.16. Das Suffix -sa............................................................................................................. 425 4.17. Das Suffix -(l)ingen .................................................................................................. 428 4.18. Das Suffix -ithi.......................................................................................................... 438 4.19. Das Grundwort -kate, -kote .................................................................................... 446 4.20. Das l-Suffix................................................................................................................ 448 4.21. Das Grundwort -lage ............................................................................................... 451 4.22. Das Grundwort -leben ............................................................................................. 453 4.23. Das Grundwort -loh ................................................................................................. 457 4.24. Das Grundwort -mar................................................................................................ 461 4.25. Das n-Suffix .............................................................................................................. 463 4.26. Das r-Suffix ............................................................................................................... 467

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    4.27. Die Grundwörter -rode und -ingerode .................................................................. 470 4.28. Das Grundwort -see................................................................................................. 479 4.29. Simplizia .................................................................................................................... 481 4.30. Das Grundwort -stedt.............................................................................................. 482 4.31. Das tr-Suffix ............................................................................................................. 491 4.32. Unklare Bildungen .................................................................................................. 493 5. Die sekundären differenzierenden Elemente– ein besonderer Bildungstyp ....... 495 6. Gesamtauswertung....................................................................................................... 505 6.1. Lautliche Auswertung............................................................................................... 505 6.2. Namenkundliche Auswertung.................................................................................. 517 6.3. Fazit ............................................................................................................................. 539 7. Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................ 543 8. Literatur-, Quellen- und Kartenverzeichnis ............................................................. 545 8.1. Quellenverzeichnis ..................................................................................................... 545 8.2. Literaturverzeichnis.................................................................................................. 555 8.3. Kartenverzeichnis...................................................................................................... 599 9. Register.......................................................................................................................... 601 Verzeichnis der im Text enthaltenen Karten Karte 1: Überblickskarte..................................................................................Innendeckel Karte 2: -dorf-Namen...................................................................................................S. 399 Karte 3: -h>m-Namen...................................................................................................S. 431 Karte 4: -ingen-/-lingen-Namen..................................................................................S. 437 Karte 5: -ithi-Namen ....................................................................................................S. 443 Karte 6: -rode-/-ingerode-Namen...............................................................................S. 474 Karte 7: -stedt-Namen .................................................................................................S. 488 Karte 8: Suffixale Bildungen .......................................................................................S. 521 Karte 9: Appellativische und PN-haltige BW...........................................................S. 530

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    Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2002 als Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Georgia Augusta zu Göttingen angenommen. Von kleineren Ergänzungen und Änderungen abgesehen wird sie unverändert gedruckt. Das zügige Erscheinen wurde zum einen durch die Aufnahme in die Reihe Niedersächsisches Ortsnamenbuch und zum anderen durch einen großzügigen Druckkostenzuschuß der Stiftung Nord/LB-Öffentliche ermöglicht. Danken möchte ich deshalb dem Leiter des Instituts für Historische Landes-forschung der Universität Göttingen, Prof. Dr. Ernst Schubert, für die Aufnahme in die Reihe, sowie der Stiftung Nord/LB-Öffentliche, namentlich ihrem Geschäftsführer Herrn Axel Richter. Die Arbeit entstand am Seminar für Historisch-Vergleichende und Allgemeine Sprachwis-

    senschaft Göttingen, bei dessen langjährigem Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Wolfgang P. Schmid ich zu studieren das Privileg hatte. Ihm für die bereitwillige Übernahme des Erstgutachtens, seine bewiesene Geduld und sein Wohlwollen zu danken, ist mir eine Freude. Gleiches gilt für den Zweitgutachter Prof. Dr. Jürgen Udolph, in dessen Seminaren zu niedersächsischen Ortsnamen ich das „Rüstzeug“ für diese Arbeit erwerben konnte und dessen Bereitschaft, über einen unklaren Namen zu diskutieren, nie erlosch. Ohne die Mithilfe weiterer Personen hätte die Arbeit in der vorliegenden Form nicht entstehen können. Ihnen gilt mein Dank ebenso.

    Namentlich erwähnen möchte ich Thomas Orthmann, dessen konstruktive Kritik und Kor-rekturen sehr förderlich waren, Prof. Dr. Michael Schlaefer, dessen Hilfsbereit-schaft und freundliche Ermahnungen Wirkung gezeigt haben, das Staatsarchiv in Wolfenbüttel, hier besonders den Leiter Dr. Horst-Rüdiger Jarck, der mir die Be-nutzung der Bibliotheksbestände ermöglichte, und die dortige Bibliothekarin Frau Ewa Schmid, die meine umfangreichen Wunschlisten entgegenkommend, schnell und geduldig bearbeitete, Dr. Dr. h. c. Herbert Blume, der mir seine Arbeiten und Materialien über Ortsnamen noch vor der Veröffentlichung zukommen ließ, Dr. Volker Harm und Priv. Doz. Dr. Matthias Schulz, die klaglos den „Spleen“ ihrer Kollegin ertrugen und auf jede noch so abseitige Frage eine Antwort zu finden ver-suchten.

    Meinem Vater, der die mühselige Arbeit des Korrekturlesens größerer Manuskript-teile auf sich nahm, und beiden Elternteilen gleichermaßen, die in anteilnehmender Gelas-senheit das Entstehen begleiteten, danke ich besonders.

    Ohne die unermüdliche Hilfe von Uwe Ohainski gäbe es vermutlich diesen dritten Band des Niedersächsischen Ortsnamenbuches nicht. Er hat sich nicht nur in langen Dis-kussionen bei Einzelfragen engagiert, sondern auch bei der Literaturrecherche und -beschaffung geholfen sowie sein fundiertes Historikerwissen immer wieder zur Verfügung gestellt. Ein spezieller Dank an ihn.

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    Benutzer der Reihe „Niedersächsisches Ortsnamenbuch“ werden bemerken, daß der vorliegende Band von den übrigen abweicht – begründet in der Anlage als Dissertation. Zusätzlich zum Lexikonteil der Ortsnamen finden sich ausführlichere auswertende Kapi-tel. Der Aufbau der Ortsnamenartikel selbst ähnelt jedoch weitgehend dem der übrigen Bände des Niedersächsischen Ortnamenbuches. Kirstin Casemir Göttingen, im Oktober 2003

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    1. Einleitung Die vorliegende Arbeit untersucht die Ortsnamen (ON) eines administrativ abge-

    grenzten Gebietes innerhalb Niedersachsens, nämlich eines Landkreises und einer Stadt. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Mit den beiden Ortsnamenbänden des „Altdeut-schen Namenbuches“ von Ernst Förstemann, erweitert und überarbeitet von Hermann Jellinghaus, besitzt die ON-Forschung seit langem ein noch immer unentbehrliches Werk, das den gesamten deutschen Sprachraum umfaßt. Da aber erstens der Editionsstand hi-storischer Quellen inzwischen weiter fortgeschritten ist, zweitens nur bis 1200 bezeugte Namen aufgenommen wurden und drittens auch die Namenforschung zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen hat, muß der Förstemann trotz seiner Unentbehrlichkeit als par-tiell veraltet angesehen werden. Da die komplette Neubearbeitung ein nicht zu leistendes Unterfangen darstellt,1 wurden und werden Namenuntersuchungen kleinerer Räume vorgelegt, die zudem regionale Unterschiede deutlich besser berücksichtigen können als eine das gesamte deutschsprachige Gebiet umfassende Arbeit.2 Niedersachsen allerdings ist nur spärlich und mit erst in den allerletzten Jahren erschienenen Arbeiten vertreten.3 Im Anschluß an die bereits erschienenen Bände des „Niedersächsischen Ortsnamenbu-ches“ (NOB) wurde als Untersuchungseinheit ein Landkreis in seinen heutigen Grenzen gewählt. Wegen der besonderen Lage der Stadt Salzgitter4 wurde dieser Bereich hinzuge-nommen.

    Die Wahl des zu bearbeitenden Raumes wurde bewußt getroffen. Zum einen ergibt sich aus den Befunden von Jürgen Udolph in den „Namenkundlichen Studien zum Germa-nenproblem“, daß das Untersuchungsgebiet inmitten des von ihm als altes germanisches Siedlungsgebiet bezeichneten Raumes liegt. ON aus dem Kreis Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter werden von ihm häufig herangezogen. Es ist also zu erwarten, daß der gewählte Raum eine Vielzahl von alten, interessanten Namen aufweist. Zum anderen er-gab eine Durchsicht der Arbeiten von Reinhold Möller über bestimmte Namen-Typen Niedersachsens, daß z.B. ein Fünftel aller von ihm aufgenommenen -ithi-Namen im Kreis Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter liegen.5

    1 Das hat nicht zuletzt die Einstellung der Arbeiten am geplanten „neuen Förstemann“ gezeigt. 2 Zu nennen sind hier das ganz Schleswig-Holstein umfassende „Historische Ortsnamenlexion“ von Wolfgang Laur, für den Osten die Reihe „Deutsch-Slavische Forschungen“ und das „Brandenburgi-sche Namenbuch“, innerhalb derer nicht unbeträchtliche Teile der fünf neuen Bundesländer aufgear-beitet sind, mehrere von Lutz Reichardt bearbeitete baden-württembergische ON-Bücher auf Land-kreisebene oder die bis 1200 erwähnten „Hessischen Siedlungsnamen“ von Klaus Andrießen. 3 Laur, Ortsnamenlexikon, Schmitz, Lüchow-Dannenberg, NOB I, NOB II. Eine Aufarbeitung der niedersächsischen Ortsnamen ist umso unerläßlicher, als in der ON-Literatur die niedersächsischen ON bislang kaum vorkommen; so hat z.B. die „Deutsche Namenkunde“ von Adolf Bach z.B. ihren Schwerpunkt im Westen und Süden des deutschsprachigen Raumes. 4 Das Stadtgebiet liegt westlich des Hauptteils des Landkreises Wolfenbüttel; westlich von Salzgitter schließt jedoch noch ein kleinerer Teil des Wolfenbütteler Kreisgebietes an, so daß die Stadt Salzgit-ter gewissermaßen vom Landkreis Wolfenbüttel eingerahmt ist. 5 Möller, Dentalsuffixe. Für diese Auszählung wurde auf die gegenwärtig gültigen Kreiszugehörigkei-ten „umzitiert“ und es wurden nur die Namen berücksichtigt, die er als echte -ithi-Namen einstuft. Von den 79 bearbeiteten Namen entfallen 16 auf den Kreis Wolfenbüttel und die Stadt Salzgitter. Mit 10 Namen folgt der Kreis Hildesheim und mit je 7 Namen die Kreise Osnabrück und Hannover.

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    Auch bei den eingliedrigen Namen ist der zu bearbeitende Raum gut vertreten.1 We-niger Anteil scheinen Wolfenbüttel und Salzgitter an Bildungen mit Nasal-, k- und s-Suffixen zu haben.2 Durch die Forschungen Möllers festigt sich der Eindruck, daß hier von einer nicht unbeträchtlichen Menge älterer ON-Typen und ON auszugehen ist. Die Aufar-beitung des gewählten Untersuchungsraumes verspricht weiterführende Erkenntnisse und mit einer umfassenden Bearbeitung des gesamten Kreises wird eine Beurteilung mög-lich, wie die Namenstruktur im einzelnen beschaffen ist, ob die aus den Arbeiten von Möl-ler und Udolph entstandene Erwartung zutreffend ist und welche von Möller oder Udolph nicht angesprochenen ON und ON-Typen vorkommen.

    Zentrum der Untersuchung wird demnach ein Lexikonteil sein, in dem die Namen al-ler bis 1500 schriftlich belegten Siedlungen in alphabetischer Reihenfolge in einzelnen nach bestimmten Kriterien aufgebauten Ortsartikeln behandelt werden.3 Das schließt Angaben zum Ort (bei Wüstungen eine Lokalisierung, für die Deutung relevante Angaben über die Lage des Ortes), eine Auswahl der Belege, auf denen die Deutung basiert, eine Diskussion strittiger Belege und einen kurzen Abriß der ON-Entwicklung, die bisherigen Deutungen des Namens und eine eigene Deutung ein. Hinzu kommen zwei weitere Punkte, die nicht im engeren Sinne zu einem philologischen Ortsartikel gehören, nämlich zum ei-nen im Ort oder auf der Gemarkung des Ortes gefundene archäologische Zeugnisse, zum anderen die Angabe strittiger oder nicht urkundlich belegter Wüstungen auf der Gemar-kung, die in der bisherigen Literatur erwähnt wurden.4 Um die ON gewissermaßen „veror-ten“ zu können, ist diesem Lexikonteil ein Kapitel vorangestellt, in dem das Untersu-chungsgebiet hinsichtlich seiner heutigen politisch-administrativen Form und seiner Ober-flächenstruktur kurz charakterisiert wird. Ein weiteres Teilkapitel wird sich mit der Be-siedlung in vorschriftlicher Zeit befassen, d.h. den archäologischen Zeugnissen des Unter-suchungsgebietes. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, daß bereits vor dem Einsetzen der schriftlichen Überlieferung das Gebiet (partiell) besiedelt gewesen sein muß, so daß ein Überblick über diesen Zeitabschnitt von Interesse ist. Gleichzeitig soll damit der Frage nachgegangen werden, ob tatsächlich in der Völkerwanderungszeit eine verschiedentlich postulierte Siedlungsleere nachzuweisen ist, was erhebliche Auswirkungen auf die ON-Forschung hätte, da sich hieraus gewisse Bewertungen hinsichtlich des Verwendungszeit-raumes bestimmter Grundwörter (GW) oder Suffixe ableiten ließen – letztlich also die relative (und absolute) Chronologie betroffen wäre.

    Dem Lexikonteil schließt sich ein auswertender Teil an. Zunächst wird ein Kapitel alle vorkommenden GW und Suffixe behandeln. Hier wird auf lautliche Entwicklungen, die Etymologie und aus den Ortsartikeln zu entnehmende Befunde einzugehen sein. Die Be-handlung aller verwendeten GW und Suffixe folgt der Überlegung, daß gerade die seltenen in der bisherigen ON-Literatur häufig gar nicht oder nur

    1 Möller, Siedlungsnamen. Die meisten eingliedrigen Namen weist das Emsland auf, gefolgt von Hildesheim und Osnabrück. Wolfenbüttel/Salzgitter steht mit Diepholz, Nienburg und Holzminden an vierter Stelle. 2 Vgl. dazu Möller, Nasalsuffixe und Möller, k-Suffix. 3 Zum zeitlichen Schnitt und den sonstigen Kriterien für eine Aufnahme eines Namens in den Lexikonteil vgl. Kap. 3.1. 4 Zum Aufbau der einzelnen Punkte und den Begründungen für die Aufnahme dieser Punkte vgl. Kap. 3.1.

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    sehr knapp berücksichtigt wurden, sich aber möglicherweise eine Reihe von Informa-tionen über sie zusammentragen lassen. Betrachtet man die ON des Untersuchungsgebie-tes, fällt auf, daß es nicht wenige Namen des Typs Groß und Klein Denkte, Ober- und Nie-dersickte gibt. Dieser Namentyp soll in einem weiteren Kapitel genauer untersucht wer-den, um festzustellen, ob es bei ihm Besonderheiten gibt und ob sich etwas zur Entwick-lung dieses Typs aussagen läßt. Den Abschluß der Arbeit bildet eine Gesamtauswertung, in der versucht wird, verschiedene Fragen wie die nach dem Anteil von bestehenden Orten und Wüstungen, der Art der verwendeten Bestimmungswörter (BW) und Basen, dem Anteil von suffixalen Bildungen und Bildungen mit GW etc. zu beantworten.

    Vermissen mag man einen Forschungsüberblick. Über viele zu betrachtende ON und GW/Suffixe gibt es Einzelabhandlungen in Ortschroniken, Aufsätzen, im Rahmen der Untersuchung eines bestimmten Namentyps oder in namenkundlichen Überblickswerken. Hinzu kommen Erwähnungen als Vergleichsnamen in ON-Abhandlungen anderer Gebiete. Auf die entsprechende Literatur wird beim jeweiligen ON oder GW-/Suffixteil genauer eingegangen, so daß es berechtigt schien, im Interesse der Übersichtlichkeit und zur Ver-meidung von Redundanzen auf einen in einem gesonderten Abschnitt dargestellten For-schungsüberblick zu verzichten.

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    2. Das Untersuchungsgebiet Das folgende Kapitel soll einen Überblick über das Gebiet geben, in dem die Siedlungen liegen, deren Namen anschließend gedeutet werden. Das betrifft zum einen die heutige politische Gestalt, zum anderen die Oberflächengestalt des Raumes. Da die Abschnitte eher informativen Charakter haben sollen und nicht den Schwerpunkt dieser namenkund-lichen Untersuchung bilden, können diese Abschnitte kurz gehalten werden. Ein dritter Bereich wird sich kurz mit der Besiedlung in vorschriftlicher Zeit, d.h. den archäologischen Zeugnissen beschäftigen. 2.1. Die heutige politische Gestalt des Untersuchungsgebietes Das Untersuchungsgebiet umfaßt den Landkreis Wolfenbüttel und die Stadt Salzgitter in den heute gültigen Verwaltungsgrenzen. Beide liegen im niederdeutschen Sprachgebiet, genauer im ostfälischen Bereich.1 Kirchlich gehörte das Untersuchungsgebiet im Mittelal-ter zu den Bistümern Hildesheim und Halberstadt, deren gemeinsame Grenze fast durch-gehend die Oker bildete, so daß auch das Untersuchungsgebiet zwischen beiden nahezu zweigeteilt war. Seit der Reformation war das Gebiet in seinem größeren Teil zunächst der späteren evangelischen Braunschweigischen Landeskirche und in seinem kleineren Teil der evangelischen Hannoverschen Landeskirche zugeordnet, seit 1941 nur noch der Braunschweigischen Landeskirche. Für die katholische Bevölkerung ist heute ausschließ-lich das Bistum Hildesheim zuständig.2

    Das Untersuchungsgebiet in seiner heutigen Form ist das Resultat langandauernder historischer Entwicklungen. Diese komplexen Vorgänge darzustellen, ist hier weder der Raum, noch scheint es angesichts der vorhandenen guten Litaratur notwendig. So sei hier nur auf die umfangreiche „Geschichte Niedersachsens“ in mehreren Teilbänden und die jüngst erschienene, ebenfalls sehr umfangreiche „Braunschweigische Landesgeschichte“ verwiesen.3

    Die jüngsten historischen Entwicklungen, die den heutigen Kreis Wolfenbüttel und die Stadt Salzgitter zur Folge hatten, sollen hier kurz gestreift werden, denn auf den er-sten Blick bietet sich ein etwas eigentümliches Bild. Westlich des Kreises Wolfenbüttel schließt sich das Gebiet der Stadt Salzgitter an, westlich davon jedoch wiederum ein zum Kreis Wolfenbüttel gehörendes Gebiet,4 das keine direkte Verbindung mit dem deutlich größeren östlichen Kreisteil besitzt. Das hängt mit der Entstehung der Stadt Salzgitter zusammen. Die Bezeichnung „Stadt Salzgitter“ suggeriert, daß

    1 Der Begriff Ostfalen als territorialer Raumbegriff ist nicht als historische Größe zu bezeichnen, auch wenn z.B. die „Ostfälische Landeskunde“ von Müller dieses nahezulegen scheint. 2 Vgl. dazu ausführlicher z.B. Landkreis Braunschweig S. 367ff. und Landkreis Goslar S. 9ff. 3 Patze, Niedersachsen und besonders Schubert, Niedersachsen sowie van den Heuvel/von Boetti-cher, Niedersachsen. Für das Braunschweiger Land besonders Jarck/Schildt, Landesgeschichte, zu Salzgitter Pischke, Welfen. Hinzuweisen ist außerdem auf Römer, Braunschweig und Gunder-mann/Hubatsch, Verwaltungsgeschichte S. 522ff. und S. 587ff., wo die Verwaltungsgeschichte von 1815 bis 1945 im Einzelnen dargestellt wird. 4 Vgl. dazu auch Karte 1, wo die Kreisgrenzen gestrichelt angegeben wurden.

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    es sich ähnlich wie Hamburg oder Berlin um ein vollständig aufgesiedeltes Stadtge-biet mit einzelnen, räumlich nicht voneinander abgegrenzten Stadtteilen handelt. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Stadt Salzgitter besteht aus einer Reihe von deutlich als einzelne Orte erkennbaren Siedlungen, überwiegend dörflichen Charakters. Zentren sind Salzgit-ter-Bad und Salzgitter-Lebenstedt. Die Großstadt Salzgitter ist eine recht junge Bildung, die im Wesentlichen auf die Zeit des Nationalsozialismus zurückgeht.1 Zwar besaß Salzgit-ter (= das heutige Salzgitter-Bad) seit 1929 Stadtrecht, außer einigen kleinen Siedlungen wie Vorsalz oder Gittertor waren die umliegenden Dörfer jedoch eigenständig. Nach der Gründung der Hermann-Göring-Werke 1937 wurden Kniestedt 1938 und Gitter 1940 zwangsweise eingemeindet. 1942 schließlich wurden weitere 27 eigenständige Ortschaften, die zu den Landkreisen Wolfenbüttel und Goslar gehörten, zur nun Watenstedt-Salzgitter genannten Großstadt vereinigt, ohne daß damit eine vollständige Besiedlung der zwischen den Ortschaften liegenden Bereiche verbunden war.2 1951 wurde die Stadt in Salzgitter umbenannt, der Stadtteil Salzgitter erhielt den Zusatz Bad. 1974 kamen im Zuge der Ge-bietsreform Üfingen und Sauingen als weitere Stadtteile hinzu.

    Mit der Schaffung der Stadt Watenstedt-Salzgitter 1942 verlor der Kreis Wolfenbüt-tel 20 Gemeinden an diese Stadt. Zum Ausgleich wurden dem Landkreis aus dem Kreis Marienburg die Orte Wartjenstedt, Binder, Rehne, Baddeckenstedt, Groß und Klein Hee-re, Groß und Klein Elbe, Sehlde und Gustedt zugeordnet. Bereits 1941 waren die Stadt Hornburg, Isingerode und Roklum aus dem Kreis Wernigerode zum Kreis Wolfenbüttel hinzugekommen. Gleichzeitig bedeutete die Gründung der Stadt Salzgitter, daß der Land-kreis Wolfenbüttel nun eine räumlich von ihm getrennte „Exklave“ besaß – nämlich die zwischen dem Hainberg und den Lichtenbergen gelegenen Ortschaften.

    In den 70er Jahren kam es im Rahmen der niedersächsischen Kreisreform zu erneu-ten größeren Gebietsreformen, innerhalb derer zahlreiche Ein- und Ausgemeindungen vorgenommen wurden. Zu nennen sind hier die Eingliederung der zum ehemaligen Kreis Braunschweig gehörenden Ortschaften Hordorf, Schandelah, Weddel, Gardessen, Abben-rode, Destedt, Schulenrode, Cremlingen, Klein Schöppenstedt, Hötzum, Nieder- und Obersickte, Veltheim, Hemkenrode, Lucklum und Erkerode, die Abgabe der Städte Oker und Bad Harzburg mit umliegenden Ortschaften an den Landkreis Goslar, von dem im Gegenzug Ohrum, Dorstadt, Groß und Klein Flöthe, Heiningen, Werlaburgdorf, Gielde, Schladen, Wehre, Beuchte sowie Haverlah und Steinlah an den Kreis Wolfenbüttel ka-men.3 2.2 Die Oberflächengestalt des Untersuchungsgebietes Mit der „Ostfälischen Landeskunde“ von Müller von 1952 und vor allem den Karten und Begleitheften zur Naturräumlichen Gliederung Deutschlands4 ist die Oberflächengestalt des Untersuchungsgebietes bereits gut erschlossen, so daß einige An

    1 Vgl. dazu ausführlich Leuschner, Stadt des Erzes passim und Schreuer, Salzgitter passim. 2 Sieht man von zahlreichen Schacht- und Fabrikanlagen ab, die bei einer Reihe von Ortschaften entstanden. 3 Vgl. dazu Seedorf/Meyer, Übersichten S. 61. 4 Für das Untersuchungsgebiet sind Blatt 86 Hannover und Blatt 87 Braunschweig heranzuziehen.

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    merkungen genügen. Der größte Teil des Untersuchungsgebietes gehört zum Ostbraun-schweiger Hügelland bzw. westlich der Oker zur Braunschweig-Hildesheimer Lößbörde. Nur der nördlichste Teil mit den Ortschaften Klein Schöppenstedt, Gardessen, Schande-lah, Weddel und Hordorf liegt im Ostbraunschweiger Flachland, die westlich an die Stadt Salzgitter anschließende Wolfenbütteler „Exklave“ zum Inner-ste-Bergland und die süd-lich des Oders und beiderseits der Oker gelegenen Orte zum Harzvorland. Mit dieser großräumigen Gliederung geht eine Zweiteilung des Gebietes hinsichtlich der Böden zwi-schen Löß (bis zu einer Grenze Braunschweig-Peine im Norden) und der nördlich an-schließenden Geestlandschaft mit ihren insgesamt ärmeren (sandigen oder moorigen) Böden einher. Damit gehört der weitaus überwiegende Teil des Untersuchungsgebietes zum Lößbörden-Bereich und nur geringe Bereiche liegen nördlich dieser Lößgrenze. Be-vor knapp auf die kleinräumigere Strukturierung des Raumes eingegangen wird, sind zunächst markante Punkte, die die Oberflächengestalt nicht unerheblich prägen, zu nen-nen. Das sind zum einen die Erhebungen, zum anderen Gewässer und Feuchtgebiete. Bei letzteren ist vor allem das Große Bruch östlich der Oker anzuführen, das noch heute die Südgrenze des Landkreises bildet. Es handelt sich um eine breite sumpfige Niederung, deren Durchquerung bis in die frühe Neuzeit nur an wenigen Stellen (zB. am Hessendamm zwischen Mattierzoll und Hessen) möglich war. Hydrogeographisch prägend ist die Oker, die das Untersuchungsgebiet in süd-nördlicher Richtung durchläuft und die das Mün-dungsgewässer für die meisten Zuflüsse des Gebietes bildet. Bis zur Errichtung der Harz-talsperren war die Wasserführung stärkeren Schwankungen unterworfen.1 An größeren Zuflüssen sind die im Elm entspringende und das östlich der Oker gelegene Gebiet quer durchschneidende Altenau sowie westlich der Oker die Warne zu nennen. Die Innerste durchquert nur den westlichen Teil des betrachteten Raumes, die Wolfenbütteler „Exkla-ve“. In sie münden die aus den Lichtenbergen und dem Hainberg kommende Zuflüsse.2 Seen fehlen im betrachteten Raum ganz bzw. wurden künstlich angelegt.

    Daneben weist das Untersuchungsgebiet eine Reihe von Erhebungen auf. Die größte ist der Elm, der die Ostgrenze des Kreises Wolfenbüttel bildet, ein bis heute bewaldeter und bis 321 m hoher Höhenzug;3 weiterhin die westlich davon gelegene Asse, ein 24 km langer bewaldeter Kamm, dessen Steinsalzvorkommen industriell gefördert wurden. Westlich der Oker liegt parallel zu dieser der sanft ansteigende Oder, ein unbesiedelter bewaldeter Höhenzug, nach dem Elm das zweitgrößte geschlossene Waldgebiet im unter-suchten Raum. Weiter westlich beginnt das Innerste-Bergland, das mit den Erhebungen Hainberg und den steil aufgefalteten Lichtenbergen (einem Teil des Salzgitter-Höhenzugs) das Ringelheimer Becken und die Wolfenbütteler „Exklave“ im Norden, We-sten und Osten einrahmt. Weitere kleinere Erhebungen wie der Ösel befinden sich zwi-schen diesen größeren Höhenzügen. Mit der Nennung des von Löß bedeckten Ringelhei-mer Beckens ist bereits die kleinräumigere Gliederung angesprochen. Ähnlich wie das deutlich von Höhenzügen umgrenzte Ringelheimer Becken besteht auch das übrige Ost-braunschweiger Hügelland und die Braunschweig-Hildesheimer Lößbörde größtenteils aus einzelnen Mulden, die von den Erhebungen, Flußtälern oder dem Großen Bruch um-schlossen werden.

    1 Vgl. dazu Müller, Landeskunde S. 62. 2 Zu den Innerstezuflüssen im Untersuchungsgebiet vgl. Kolbe, Wasserläufe I passim und Kolbe, Wasserläufe II passim. 3 Vgl. dazu ausführlich Bode, Elmgebiet S. 5f.

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    Bei ihnen handelt es sich um zum Muldeninneren leicht geneigte lößbedeckte wald-freie Flächen. Anzuführen sind hier die Beinumer Mulde zwischen den Lichtenbergen und dem Oder, die Lebenstedter Lößbörde nördlich des Innerste-Berglandes, die Schöppen-stedter Lößmulde zwischen Asse und Elm und die Remlinger Lößmulde zwischen Großem Bruch und Asse. Da das Muldeninnere teilweise leicht grundwasserarm ist, befinden sich die Siedlungen bevorzugt an den Muldenrändern.1 Nördlich der Schöppenstedter Mulde schließen sich das Sickter und westlich davon das Salzdahlumer Hügelland an, deren Löß sich teilweise zu Waldböden oder Steppenböden ausbildete und die stärker bewaldet waren bzw. teilweise noch heute bewaldet sind. Im Süden schließlich liegen westlich der Oker die Wedde-Warne-Mulde sowie östlich der Oker das Schladener Steinfeld, ein für die Landwirtschaft weniger geeignetes, mit Schotter und Kiesen angefülltes breites Tal. Insgesamt bietet das Untersuchungsgebiet damit ein durch mehrere größere Höhenzüge, wellige Mulden und das Okertal geprägtes Bild. Zur Lage der Siedlungen bemerkt Müller: „Ein Blick auf eine Karte größeren Maßstabes läßt erkennen, daß in Ostfalen die Dörfer ziemlich gleichmäßig über den ganzen Raum verteilt sind. Die Entfernung von Dorf zu Dorf beträgt etwa 2 bis 3 Kilometer. Dieses gleichmäßig gesponnene Netz der Siedlungen wird aber von größeren siedlungsleeren Flächen unterbrochen, auf denen sich der Wald ausbreitet. Das sind im Bereiche des Hügellandes die Höhenzüge, wo die Neigung des Geländes wie die Bodenbeschaffenheit und der Grundwasserstand dem Ackerbau Schwierigkeiten bereiten.“2 2.3 Besiedlung in vorschriftlicher Zeit - Archäologische Funde Die vorliegende Arbeit ist keine archäologische Untersuchung, sondern eine namenkundli-che. Dennoch scheint es geboten, in einem gesonderten Abschnitt knapp auf die archäolo-gischen Funde und die daraus zu erschließende Besiedlung des Untersuchungsgebietes vor allem in der vorschriftlichen Zeit einzugehen. Dafür gibt es mehrere Gründe.

    Erstens wurden seit langem archäologische Funde und Siedlungsspuren benutzt, um schriftlich erwähnte Wüstungen zu lokalisieren – in der Regel allerdings eher Funde aus der Karolingerzeit und des Mittelalters. Auch in der vorliegenden Arbeit wurde zu diesem Zweck auf die Archäologie als „Hilfswissenschaft“ zurückgegriffen. Als Beispiel läßt sich † Mülingen anführen. Diese einige Male im 15. Jh. erwähnte Siedlung ist bislang nicht exakt lokalisiert worden. Durch den Zusatz bii Kissenbrugge3 in der urkundlichen Überlieferung ist nur eine ungenaue Lagebezeichnung angegeben. Werden die archäologischen Funde berücksichtigt, die westlich von Kissenbrück eine von Christi Geburt bis ins Mittelalter existierende Siedlung sichern, und dazu noch die ON-Deutung herangezogen, die die Be-nennung einer ‘sumpfigen Stelle, einer Stelle an einem feuchten Gebiet’ nahelegt, was sehr gut zur Lage der archäologisch nachgewiesenen Siedlung am feuchten Niederungsgebiet der Ilse paßt, läßt sich daraus mit gewisser Wahrscheinlichkeit eine Lokalisierung † Mü-lingens ableiten.

    1 Zu den Einzelheiten vgl. Müller, Einheiten und Meisel, Einheiten; vgl. weiterhin Müller, Landes-kunde S. 398. 2 Müller, Landeskunde S. 138. 3 Schwarz, Register 26 S. 43.

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    Zweitens wird damit auf eine Reihe von Thesen und Aussagen anderer Forscher rea-giert bzw. sich mit ihnen auseinandergesetzt. Das betrifft Aussagen wie die immer wieder zitierte, aber auch stark kritisierte von Crome, daß steinzeitliche Siedlungsstellen und -ithi-Orte miteinander in Verbindung zu bringen seien.1 Er verbindet Archäologie und Na-menforschung direkt und leitet aus Befunden des einen Ergebnisse für das andere ab. Ähnliches unternimmt Fiesel bei der Datierung der -leben-Namen, wenn auch unter um-gekehrten Vorzeichen. Darauf wird unten noch einmal zurückzukommen sein.

    Drittens hätte die behauptete Fundarmut im 4. und 5. Jh. n. Chr., die mit der Völker-wanderungszeit in Verbindung gebracht wird,2 erhebliche Auswirkungen für die Namen-forschung. Ein angenommener extremer Bevölkerungsrückgang – damit verbunden eine starke Abnahme von Siedlungen – oder gar eine völlige Siedlungsleere hätte die Konse-quenz, daß die heutigen Siedlungen (und die ON?) nicht früher als im 6./7. Jh. n. Chr. ent-standen sein könnten, da erst für diesen Zeitraum eine erneute Aufsiedlung des Gebietes angenommen wird.3 Auch darauf wird noch einzugehen sein.

    Viertens wird die Namenforschung ihrerseits als argumentative Stütze und Hilfsmit-tel von Archäologen verwendet. Es erscheint also konsequent, in einer namenkundlichen Arbeit umgekehrt zu fragen, ob und in wieweit die Archäologie ergänzend herangezogen werden kann.

    Aus der Beschäftigung mit diesen archäologischen Fragen ergab sich schließlich die Überlegung, eine Zusammenstellung der in der Literatur genannten Funde vorzunehmen, denn eine solche fehlt bislang. Grabungsergebnisse und Oberflächenfunde finden sich über die Jahrgänge der einschlägigen Zeitschriften verteilt, aber auch in Ortschroniken und an anderen Stellen. Einen Überblick über ein größeres Gebiet verschaffende Werke wie „Siedlungen und Gräberfelder der Römischen Kaiserzeit“ von Ingrid Rötting umfassen jeweils nur eine Periode und dann auch das gesamte niedersächsische Gebiet. Zudem sind die dortigen Listen durch neue Grabungen und Fundmeldungen zu ergänzen. Das folgende Kapitel erfüllt also auch den Zweck, anhand der publizierten Literatur einen Überblick über die bislang vorliegenden archäologischen Funde im Kreis Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter zu geben.

    Zwar wurden bei den einzelnen Ortsartikeln die jeweiligen archäologischen Funde des Ortes und der Gemarkung dargestellt.4 Eine Übersicht über die Menge der z.B. karo-lingerzeitlichen Siedlungsspuren im gesamten Untersuchungsgebiet läßt sich allerdings daraus nur mit einiger Mühe gewinnen, da sämtliche Ortsartikel durchgesehen werden müssen. Deshalb wird im Anschluß eine tabellarische Übersicht geboten. Außerdem wur-den bei den Ortsartikeln voreisenzeitliche, d.h. stein- und bronzezeitliche Funde nicht aufgenommen.5 Zumindest eine knappe Berücksichtigung dieser Zeitschichten scheint jedoch unumgänglich, auch vor dem Hintergrund der bereits genannten Aussage von Crome.

    1 Crome, Siedelungen S. 37. Ablehnend dazu z.B. Flechsig, Beiträge S. 23f. 2 Vgl. zu dieser These Genrich, Siedlungsleere passim. 3 Man vgl. etwa Bach, Ortsnamen §483.5, der damit Unterschiede in der Häufigkeit von Insassensied-lungen auf -ingen erklärt sehen möchte: „Mit der Abwanderung der alten Siedler und damit ohne Frage dem Untergang vieler Siedlungen mußten auch deren Namen, besonders der Typ der unfesten Insassennamen, in Vergessenheit geraten“. 4 Zu Aufnahmekriterien und Problemen vgl. Kap. 3.1. 5 Die Gründe sind in Kap. 3.1. genannt.

  • 18

    Bei den steinzeitlichen Funden wird unterschieden zwischen Siedlungsfunden und Einzelfunden. Letztere umfassen einzelne Gräber und einzelne Fundstücke, bei denen ein Rückschluß auf eine Siedlung nicht möglich oder sicher ist, zumal es bei den Einzelfunden sich auch um „verschleppte“ Zeugnisse handeln kann, d.h. zufällig durch Mitnahme, Pflü-gung, Erosion, Bodenverbringung usw. an die Fundstelle verbrachte Artefakte. Der Über-sichtlichkeit halber wurden zwei Tabellen angefertigt. Die Literaturnachweise sind jeweils in Klammern angegeben. Auf eine Feindifferenzierung (Glockenbecherkultur, Bandkera-mik u.ä.) wurde verzichtet, da die Literatur eine solche nicht durchweg vornimmt. Proble-matisch sind in der Literatur Angaben wie „vorgeschichtliche Oberflächenlesefunde“,1 da der Begriff ‘vorgeschichtlich’ theoretisch eine große zeitliche Spanne umfaßt. Gemeint ist in der Regel allerdings offensichtlich die Steinzeit bzw. das Neolithikum. In Einzelfällen ist aber nicht auszuschließen, daß mit ‘vorgeschichtlich’ undatierte oder undatierbare Fundstücke anderer Perioden bezeichnet wurden. Eine Bemerkung ist noch zum Begriff ‘Steinzeit’ erforderlich. Auch diese umfaßt einen sehr großen Zeitraum, und eine sich an bestimmten Merkmalen der Funde orientierende Binnengliederung in Paläolithikum, Me-solithikum und Neolithikum ist üblich. Funde aus dem Paläolithikum und dem Mesolithi-kum sind recht selten, neolithische Funde hingegen recht häufig. Aus diesem Grund enthal-ten die folgenden Überblickstabellen nur Zeugnisse des Neolithikums.2

    Steinzeitliche Siedlungsfunde Ortsname Fundstelle: Ort Fundstelle: Gemarkung Atzum Ehlers, Atzum Börßum vermutlich Siedlung (Bericht, 1998)3 Groß Dahlum (Niquet, Probegrabungen) Klein Dahlum (Niquet, Probegrabungen) Groß Denkte Ortsrand (Busch, Groß Denkte) Klein Denkte größere Siedlung (Steinmetz, Klein Denkte) Eilum vermutlich Siedlung (Bericht, 1998) Eitzum (Schwarz-Mackensen, Eitzum) Heiningen evtl. Siedlung (Bericht, 1997) Lebenstedt Siedlung Ortsrand (Grote/Preul, Lebenstedt) Ohrum Siedlung (Niquet, Probegrabungen) Remlingen mehrere Siedlungen (Rosenstock, Asse, Be-

    richt 1984, 1997) Schladen (Schwarz-Mackensen, Schla-

    den)

    Schliestedt evtl. 2 Siedlungen (Krone, Siedlungen, Ni-quet, Probegrabungen)

    1 Niquet, Forschung II S. 24. 2 Die Bemerkung von Tode, Landnahme S. 28, „Die Funde unseres Landes aus der Altsteinzeit und der Mit-telsteinzeit reichen noch bei weitem nicht aus, um auf ihrer Grundlage etwa Fragen der Beziehungen zwischen Boden, Landschaft und menschlicher Besiedlung anschneiden zu lassen“, hat nach wie vor Geltung. 3 Die von Knoop, Siedelungen passim angesetzten acht neolithischen Siedlungen rings um Börßum sind anhand der weiteren Literatur nicht zu verifizieren. Deshalb bleibt der Ansatz so vieler Siedlun-gen, die z.T. nur aus wenigen Einzelfunden erschlossen wurden, zweifelhaft.

  • 19

    Obersickte evtl. Siedlung (Eßmann, Sickte) Sottmar (Bericht, 1980) Flachstöckheim (Niquet, Forschung I) Klein Vahlberg Siedlung (Rosenstock, Asse) Volzum evtl. Siedlung (Hahne, Volzum) Warle (Krone, Siedlungen, Niquet, Bodenforschung) Weferlingen evtl. Siedlung (Barnstorf, Weferlingen) Werlaburgdorf (Niquet, Lietfeld)

    Steinzeitliche Einzelfunde Ortsname Fundstelle: Ort Fundstelle: Gemarkung Abbenrode Grab (Fischer, Gräber) † Klein Achim Skelett, Tongefäß (Kastellan,

    Achim)

    Ahlum Urnen, Beil (Angerstein, Ahlum) Gräber, Skelette, Geräte (Angerstein, Ahlum)

    Altenrode Lesefunde (Niquet, Forschung II)

    † Alvessem Einzelfunde (Niquet, Forschun-gen II, Niquet, Ausgrabungen 1955)

    Nordassel Einzelfunde (Hasselbring, Nordassel) Baddeckenstedt Einzelfund (Thielemann, Großgeräte) Bansleben Scherben (Niquet, Ausgrabungen

    1955) Beinum Einzelfund (Thielemann, Großgeräte) Berklingen Grab (Bericht, 1997) Beuchte Einzelfunde (Thielemann, Großgerä-

    te) Groß Biewende Einzelfunde, Grab (Rosenstock, Groß

    Biewende) Bornum Einzelfunde (Ganzauer, Bornum) Börßum Einzelfunde (Thielemann, Feuer-

    steinwaffen) Calbecht Einzelfunde (Thielemann, Feuer-

    steinwaffen, Kellner-Depner, Cal-becht)

    Salzdahlum zahlreiche Einzelfunde (Achner, Salz-dahlum)

    Groß Denkte Einzelfunde (Busch, Groß Denkte, Bericht, 2001)

    Dettum zahlreiche Einzelfunde (Dorf-buch Dettum)

    zahlreiche Einzelfunde (Dorfbuch Dettum)

    Dorstadt zahlreiche Einzelfunde (Thielemann, Großgeräte)

    † Dutzum Einzelfunde (Kummer, Siedlun-gen)

    Eitzum wohl Erdwerk (Bericht, 1999) Groß Elbe Einzelfund (Thielemann, Großgeräte)

  • 20

    Engerode Einzelfund (Thielemann, Steingeräte) Evessen Grab (Look, Geologie) Groß Flöthe Einzelfund (Thielemann, Steingeräte) Gebhardshagen Einzelfund (Thielemann, Feuerstein-

    waffen) Gielde zahlreiche Einzelfunde (Thielemann,

    Großgeräte) Gilzum Grabanlage (Thon, Hachum) Gitter Einzelfunde (Thielemann, Steingerä-

    te) † Gruonstedt Einzelfund (Thielemann, Großgeräte) Hachum Einzelfunde (Käse, Hachum) Halchter zahlreiche Einzelfunde gesamte

    Gemarkung (Rusteberg, Halchter) Hallendorf Einzelfunde (Hasselbring, Hallendorf) Haverlah Einzelfunde (Bruer, Haverlah) Hedeper Einzelfunde (Niquet, Ausgrabungen

    1959, Dorfbuch Hedeper) Heiningen Erdwerk, Einzelfund (Bericht, 1997,

    Thielemann, Großgeräte) †Hetelde Einzelfunde (Niquet, Ausgra-

    bungen 1955)

    Hohenrode Einzelfund (Thielemann, Feuerstein-waffen)

    †Ikenrode Schmelzofen (Niquet, Ausgra-bungen 1955)

    Kalme Einzelfunde (Dorfbuch Kalme) Kissenbrück Einzelfunde (Niquet, Ruhestein) Leinde Einzelfunde (Maßberg, Plünnecken-

    born) Osterlinde Einzelfund (Bericht, 1995) Einzelfund (Thielemann, Großgeräte) Linden Einzelfunde (Hauck, Linden) Lucklum Erdwerk (Bericht, 1998) Lobmachtersen zahlreiche Einzelfunde (Niquet, For-

    schung I) Neindorf Einzelfunde (Krone, Siedlungen) Ohlendorf Einzelfunde (Thielemann, Großgeräte,

    Bericht, 1998) Ohrum zahlreiche Einzelfunde (Schneider,

    Fundplätze, Bericht, 2000) Remlingen Einzelfunde an zwei Stellen (Bericht,

    1998) Reppner Einzelfund (Bericht, 1995) Ringelheim Einzelfunde (Thielemann, Steingerä-

    te) Roklum Einzelfunde (Meyer, Roklum) Salder Einzelfunde (Thielemann, Steingerä-

    te) Salzgitter-Bad Einzelfunde (Thielemann, Steingerä-

    te) Schandelah Einzelfunde (Klingner, Schandelah)

  • 21

    Schladen Einzelfunde (Thielemann, Großgerä-te)

    Seinstedt Gräber, Einzelfunde (Niquet, Sied-lung Erbbrink)

    Obersickte Gräber (Eßmann, Sickte) Niedersickte Erdwerk (Bericht, 1998) Sottmar Einzelfund (Bericht, 1995) Tempelhof Einzelfunde (Fischer, Gräber) Thiede Einzelfunde (Alder, Thiede) Timmern Einzelfunde (Dorfbuch Timmern) †Tönnigerode Einzelfunde (Niquet, Ausgra-

    bungen 1955)

    Uehrde Einzelfunde (Meyer, Uehrde) Groß Vahlberg Einzelfunde (Busch, Groß Vahl-

    berg) Einzelfunde (Krone, Siedlungen, Bericht, 2001)

    Klein Vahlberg Gräber (Geschwinde, Vahlberg) Veltheim Einzelfunde (Schultz, Landkreis) †Vepstedt Einzelfunde (Niquet, Ausgra-

    bungen 1955, Thielemann, Groß-geräte)

    Watzum evtl. Grab (Fischer, Gräber) Weddel Einzelfunde (Schultz, Landkreis) †Wedem Skelette (Schreuer, Gebhards-

    hagen)

    †Klein Wehre Einzelfunde (Thielemann, Feu-ersteinwaffen)

    Wendessen Einzelfunde (Hardenberg, Wendes-sen)

    †Werla zahlreiche Einzelfunde (Grosse, Werla, Koch, Asseburg)

    Werlaburgdorf Einzelfunde (Rosenstock, Groß Bie-wende)

    † Westerem Einzelfunde (Niquet, Forschung I)

    † Westerode Einzelfunde (Niquet, Ausgra-bungen 1956)

    Winnigstedt Skelette (Niquet, Forschung I) Wittmar Gräberfeld (Bericht, 1995) Einzelfunde (Bericht, 1997), Erdwerk

    (Bericht, 1995) Dieser Zusammenstellung läßt sich verschiedenes entnehmen. Zunächst einmal ist die

    Menge der Einzelfunde deutlich größer als die der ermittelten Siedlungen, was nicht wei-ter überrascht. Bei ersteren handelt es sich „qualitativ“ um durchaus sehr unterschiedliche Funde. Ein Gräberfeld, zumal ein großes wie bei Remlingen oder Wittmar legt die Exi-stenz einer Siedlung in der Nähe nahe, obgleich Siedlungsspuren im engeren Sinne (bis-lang) nicht aufgefunden wurden. Eine einzelne Steinklinge andererseits kann vielerlei bedeuten, denn sie kann in neolithischer oder späterer Zeit als „Abfall“ fortgeworfen oder verloren worden, sie kann später dorthin gelangt, aber auch isoliertes Indiz für neolithi-sche Besiedlung sein. Zweitens ist die Zahl der Gemarkungsfunde – gleichgültig ob Sied-lung oder Einzelfund – erheblich größer als die der Funde in den Orten. Dabei täuscht die Liste der Ortsfunde ein wenig, denn

  • 22

    insbesondere die Einzelfunde stammen von den Ortsstellen wüstgefallener Siedlun-gen. Es handelt sich hier nicht um überbautes Gebiet und die gezielte Suche nach archäo-logischen Zeugnissen für urkundlich erwähnte Wüstungen brachte auch neolithisches Fundmaterial zu Tage. Die beiden auf Ortsgebiet gefundenen Siedlungen sind einmal das Ergebnis einer Notgrabung anläßlich eines Hausneubaus und zum anderen das Ergebnis einer gezielten Suche nach dem castrum Schladen.1 Auf diese Diskrepanz zwischen Ge-markungsfunden und Ortsfunden wird weiter unten noch zurückzukommen sein.

    Weiterhin zeigen die Übersichten, daß das Untersuchungsgebiet in neolithischer Zeit bereits breit genutzt und besiedelt worden ist. Knapp die Hälfte der in dieser Arbeit be-handelten Orte oder ihre Gemarkungen weisen neolithische Zeugnisse auf.2 Dabei vertei-len sich die Einzel- wie auch Siedlungsfunde relativ gleichmäßig über das gesamte Unter-suchungsgebiet. Größere Lücken oder Konzentrationen lassen sich kaum feststellen.3 Aus-sagen über Lage und Verteilung der neolithischen Siedlungen finden sich in der Literatur mehrfach. Die These, daß sich die Siedlung in Hanglage befunden hätten, häufig an bewal-deten Berghöhen,4 läßt sich in dieser Ausschließlichkeit nicht halten, wenn man die bei Ohrum an der Oker und die bei Heiningen an der Warne gelegenen Siedlungen berück-sichtigt.5 Anhand dieser Zusammenstellung läßt sich leicht die These von Crome widerle-gen, daß neolithische Siedlungsstellen und Ortsnamen auf -ithi einander entsprechen bzw. daß -ithi ein seit der Steinzeit verwendetes Suffix ist. Einzelfunde können kaum ohne wei-teres für die Existenz einer Siedlung in Anspruch genommen werden und die nachgewie-senen neolithischen Siedlungen liegen keineswegs überwiegend auf der Gemarkung von -ithi-Orten und schon gar nicht im Ortsbereich heutiger Siedlungen oder späterer Wüstun-gen. Es läßt sich ganz im Gegenteil für nicht einen einzigen -ithi-Ort eine neolithische Sied-lung im Ortsbereich oder auf der Gemarkung feststellen.6

    An das Neolithikum schließt sich zeitlich die Periode der Bronzezeit an. Auch für die Funde dieser Zeit folgt eine tabellarische Übersicht:

    1 Vgl. Schwarz-Mackensen, Schladen passim, Schultz, Siedlung S. 177. 2 Die Zusammenstellung ergibt Funde in oder bei 92 Orten/Wüstungen. Behandelt wurden 194 Or-te/Wüstungen. 3 Der Südwesten des Ringelheimer Beckens, der Norden der Lebenstedter Lößbörde, das Weddeler Hügelland sowie die bewaldeten Höhenzüge sind bislang fundfrei. Ob es sich um eine „zufällige“ Fundleere handelt oder nicht, kann und soll hier nicht beantwortet werden. 4 Tode, Landnahme S. 31, Müller, Landeskunde S. 105, Niquet, Vorgeschichte S. 21. Allerdings weist Janssen, Dorf S. 291ff. eine solche allgemeine Zuweisung bestimmter Siedlungslagen in einzelnen Perioden zurück. Nach ihm bedingen eine Reihe von Faktoren „die Platzwahl von Siedlungen [...], [die] in den verschiedenen Perioden immer wieder neu in Erscheinung traten und oft in ähnlicher Weise vom siedelnden Menschen berücksichtigt wurden“ (S. 299). 5 Zu weitergehenden Aussagen und Schußfolgerungen wie das Aufeinandertreffen verschiedener neolithischer Kulturen im Untersuchungsgebiet vgl. z.B. Tode, Landnahme, Niquet, Vorgeschichte. Im Rahmen dieser Arbeit kann darauf nicht weiter eingegangen werden. 6 Es überwiegen Siedlungsfunde in oder bei Orten, die mit dem GW -h>m gebildet sind, eine nicht ungewöhnliche Feststellung, angesichts der Tatsache, daß im Untersuchungsgebiet 20% aller ON -h>m-Namen sind. Relativ häufig vertreten sind außerdem verschiedene suffixale Namentypen (-ingen, Dentalsuffix).

  • 23

    Bronzezeitliche Funde Ortsname Fundstelle: Ort Fundstelle: Gemarkung Bansleben Einzelfunde (Niquet, Ausgrabungen

    1955) Berel Hügelgräber, Datierung unsicher

    (Hasselbring, Nordassel) Berklingen Einzelfund „Riesenbecher“ (Ge-

    schwinde, Berklingen) Bornum Einzelfunde (Ganzauer, Bornum) Börßum 5 Gefäße (Geschwinde, Berklingen) Salzdahlum Einzelfunde (Achner, Salzdahlum) Dettum Einzelfunde (Dorfbuch

    Dettum) Einzelfunde, Grab (Dorfbuch Dettum)

    Eitzum Einzelfunde (Schwarz-Mackensen, Eitzum)

    Evessen evtl. Grabhügel (Tode, Plät-ze)

    Gräber, Einzelfunde (Hillmar, Eves-sen, Tode, Evessen, Thon, Hachum)

    Groß Flöthe Einzelfunde (Niquet, Forschung I) Gustedt Einzelfund (Lüer, Gustedt) Halchter Einzelfunde, Siedlungsreste (Ruste-

    berg, Halchter) Haverlah Einzelfunde (Bruer, Haverlah) Hornburg Siedlung (Niquet, Forschung I) Isingerode Siedlung (Bericht, 1997, Ahlers, Befe-

    stigungen, Niquet, Ausgrabungen 1959, Niquet, Bodenforschung)

    Küblingen Hügelgräber, Depotfund (Niquet, Bodenforschung, Feick, Küblingen)

    Lebenstedt Einzelfund (Niquet, Forschung I) Lichtenberg Einzelfunde (Kummer, Lichtenberg) Bruchmachtersen Siedlung (Niquet, Boden-

    denkmalpflege)

    Lobmachtersen Einzelfund (Niquet, Forschung I) Remlingen Einzelfund (Bericht, 1999) Schandelah Scherben (Klingner, Schandelah) Schladen zahlreiche Grabhügel (Tode, Grabhü-

    gel) Groß Stöckheim Siedlungsspuren (Weski, Fundstellen) Timmern Grabhügel (Dorfbuch Kalme) Uehrde Grabhügel (Rosenstock, Uehrde) Mönchevahlberg Schmuck (Metzler, Mönchevahlberg) Weddel Einzelfunde (Schultz, Landkreis) Weferlingen Siedlungsspuren (Barnstorf, Wefer-

    lingen) Wehre Gräber (Niquet, Ausgrabungen 1959) Wendessen Einzelfunde (Hardenberg, Wendes-

    sen) Wittmar Siedlung (Denkmalpflege

    BS) Grabhügel (Bericht, 2000)

  • 24

    Ein Vergleich mit den Übersichten über die neolithischen Zeugnisse zeigt, daß in

    deutlich weniger Orten bzw. ihren Gemarkungen Bronzezeitliches gefunden wurde. Wie bereits beim Neolithikum festgestellt, befinden sich die wenigsten Funde innerhalb der heutigen Orte, sondern meist auf den Gemarkungen der Siedlungen. Dabei ist die Menge der Siedlungen oder auf Siedlungen hinweisenden Funde mit sechs deutlich geringer als im Neolithikum. Die von Tode 1950 gemachte Aussage, daß „Funde der mittleren Bronze-zeit im Braunschweiger Gebiet noch äußerst spärlich“1 seien, gilt also mit Einschränkun-gen noch heute. Als Gründe werden überwiegend Bevölkerungsrückgang bzw. fehlende „Neukolonisation“ angeführt.2 Allerdings ist die Bemerkung von Landkreis Goslar durch-aus plausibel: „Bronzegerät und Bronzeschmuck waren als kostbarer Erwerb vorwiegend im Besitz von Begüterten, der einfache Mann hantierte noch durch Jahrhunderte mit Steinwerkzeugen. Zudem wurde das metallene Gut immer wieder eingeschmolzen. Man-gelnde Funde dieser Art sind darum nicht unbedingt ein Anzeichen von Besiedlungsrück-gang.“3 Nur in wenigen Fällen ließen sich auf der Gemarkung eines Ortes oder im Ort selbst keine neolithischen, wohl aber bronzezeitliche Zeugnisse finden. Nicht immer aller-dings befanden sich im anderen Fall neolithische und bronzezeitliche Funde an der selben Stelle. Teilweise verteilen sich die unterschiedlichen Perioden auf verschiedene Stellen innerhalb der Gemarkung des Ortes.4 Die bronzezeitlichen Funde scheinen sich nach den bisherigen Befunden nicht so gleichmäßig über das Untersuchungsgebiet zu verteilen. Lücken gibt es vor allem im Ringelheimer Becken, wo nur am östlichen Rand Bronzezeitli-ches gefunden wurde, weiten Teilen des heutigen Stadtgebietes Salzgitters bis hin zum Oder5 und dem Sickter Hügelland. Ob dieses mit der bislang geringeren Funddichte zu-sammenhängt, auf Zufall beruht oder nicht, war nicht festzustellen.

    Im weiteren wird es um die sich der Bronzezeit anschließenden Perioden bis hin zum (frühen) Mittelalter gehen. Im einzelnen sind das die Eisenzeit, die Römische Kaiserzeit, die Völkerwanderungszeit, die Merowingerzeit, die Karolingerzeit sowie das Mittelalter.6 Letzteres wurde bei der Fundzusammenstellung nur eingeschränkt und zwar nur bei Wü-stungen berücksichtigt.7 Die Aufnahme der archäologischen Funde seit der Eisenzeit in jedem einzelnen Ortsartikel und damit eine gewisse Ungleichbehandlung von Steinzeit und Bronzezeit einerseits und den nachfolgenden Perioden andererseits beruht auf einer These von Niquet, nach dem archäologische Funde seit der Eisenzeit, speziell der augusteischen Zeit heranzuziehen sind, um eine

    1 Tode, Landnahme S. 38. 2 Tode, Landnahme S. 38. Vgl. ähnlich auch Müller, Landeskunde S. 106, Flechsig, Harzvorland S. 109. 3 Landkreis Goslar S. 125. 4 Wobei erschwerend hinzu kommt, daß häufig der genaue Fundort nicht angegeben wurde. Mit einer Bemerkung wie „zahlreiche Funde sind über das ganze Gemeindegebiet verstreut“ (Hofmeister, Salzdahlum S. 5) läßt sich eine Fundstellenübereinstimmung natürlich nicht ermitteln. 5 Wo bislang nur Funde bei Lobmachtersen und bei Groß Flöthe sowie bei den relativ dicht beieinan-derliegenden Orten Lebenstedt, Lichtenberg und Bruchmachtersen ermittelt werden konnten. 6 Zur Periodisierung vgl. z.B. Niquet, Vorgeschichte S. 17, der auch eine Binnengliederung anführt. 7 Vgl. dazu auch Kap. 3.1.

  • 25

    kleinräumige Siedlungskontinuität nachweisen zu können.1 Eine solche Siedlungskontinuität war und ist vor allem hinsichtlich einer möglichen Verbindung mit den Ortsnamen, d.h. der Frage nach dem Alter der Ortsnamen in den Blickpunkt gerückt. Bevor auf diesen Punkt eingegangen wird, soll zunächst eine tabellarische Fundübersicht erfolgen. Dabei wurden Eisenzeit (EZ), Römische Kaiserzeit (RKZ), Völkerwanderungzeit (VWZ), Merowingerzeit (MZ), Karolingerzeit (KZ) und Mittelalter (MA) in einer Tabelle nebeneinander gestellt, um mehrperiodige Siedlungsplätze besser deutlich machen zu können. Diese wurden durch -------- angedeutet. Da die Literaturnachweise sowie kurze Beschreibungen der Funde bei den jeweiligen Orts-artikeln zu finden sind, wurde hier das Vorhandensein eines Fundes durch ein X angegeben. Wurden in der Literatur exaktere Daten genannt, wurden diese speziell für das Mittelalter statt eines X gesetzt. Eine Klammerung bedeutet, daß keine Siedlung ergraben wurde, gleichwohl die Menge und/oder Art der Funde (Friedhöfe, Hüttenlehm usw.) die Existenz einer Siedlung wahrscheinlich macht. Das bedeutet gleichzeitig, daß nicht jeder isolierte Einzelfund in der Übersicht erscheint. Ein gewisses Problem sind die von Oberbeck-Jacobs anhand von Scherbenfunden und FlurN angesetzten Wüstungen. Es handelt sich durchweg um mittelalterliche Funde. Ob hier tatsächlich Siedlungen bestanden, von kurzzeitig bestehenden Einzelhöfen auszugehen ist oder die Scherbenfunde an die Fundstelle verbracht wurden, von ihnen also nicht auf eine Siedlung geschlossen werden darf, ist strittig und nicht pauschal zu beantworten.2 Eine Unterscheidung wurde wieder zwischen Funden an der Ortsstelle und in der Gemarkung getroffen. Ferner wurde für jeden Fundort ein gesonderter Eintrag vorgenommen, so daß ein Ort durchaus mehrfach in der

    bersicht erscheinen kann. Ü Funde im Ortsbereich

    Ortsname EZ RKZ VWZ MZ KZ MA Ahlum X Altenrode X------- -------X †Alvessem X------- --------------X X----- -------X Berel X--------------- ----------- ----------- --------- ----------X †Klein Berel X X †Blumenhagen 14./15. Jh. †Klein Börßum (13./14. Jh.) Burgdorf 13-16. Jh. Calbecht (X-------------- ---------X) Cramme (X-------------- ---------X) Cremlingen (X------------- ----X---- ------X) Salzdahlum (X------------ --------X) Groß Denkte X------- ---------------X Klein Denkte X †Dutzum X (X) Eilum (X------ -------X) Groß Elbe X (X----- ----------X) Groß Elbe X------- ------X-------- -------X X

    1 Niquet, Vorgeschichte S. 90. 2 Vgl. dazu auch Janssen, Dorf S. 289.

  • 26

    †Klein Freden X------ ---------------X †Klein Freden 10.-13.Jh. Gielde X------- -------X-------- -----X---- ----X---- --X---- -----------X Salzgitter (Saline) X------- ---X---- -----------X †Gruonstedt (X) X------ --X---- -----------X Gustedt X (X) Haverlah X--------------- ----X----- --------X X Heiningen X †Hetelde1 X--------------- ----X---- ----X---- X------ -----14.Jh. †Hogeringerode 10.-12.Jh. Hornburg X †Ikenrode (X) (X----- ----------X) Kniestedt (X) (X----- ----11.Jh.) Küblingen (X) Lebenstedt X Lebenstedt X Lebenstedt X Lichtenberg X-------------- ----X---- ----X---- ----X--- -----------X Osterlinde X X Linden X (X) Bruchmachtersen (X------ ---X---- ----12.Jh.) †Mülingen2 X-------------- -----X---- -----X--- ---X---- -----------X †Neinstedt X------------- -------X †Nienstedt (X) †Ohlendorf (13.Jh.) Ohrum (X) Remlingen (X) Remlingen X------------- ----X----- -------X Roklum (X) Salder X Salder X Salzgitter-Bad X Schladen (X) Schladen X Schliestedt (X) Schöppenstedt (X) (X) Sehlde (X------------- ---------X) 11./12. Jh. Steinlah (X---- ----------X) Steterburg (X) Tempelhof (X) Thiede (X) †Tönnigerode (X) (X) (X---- ----------X) † Vahlen X Veltheim (X) †Wedelingerode X------ -----14.Jh.

    1 Es handelt sich um zwei nicht weit voneinander entfernt liegende Fundorte. In welcher Beziehung die im 7. Jh. n. Chr. aufgegebene und die ‘Am Hasenspring’ vom 8.-13. Jh. nachzuweisende Siedlung (vermutlich das urkundlich erwähnte Hetelde) stehen, ist unklar. 2 Zur Zuschreibung der archäologischen Funde zu dieser Wüstung vgl. den Ortsartikel.

  • 27

    †Wedem X †Werla (X) (X) (X) (X) (X) (X) †Westerem (X) (X----- ----------X) †Westerode (X) (X) (X----- ----------X) Wittmar X-------- -------------X

    Funde in der Gemarkung Ortsname EZ RKZ VWZ MZ KZ MA Abbenrode 13.-15. Jh. †Klein Achim 12./13. Jh. Altenhagen X Hohenassel (X) Hohenassel X---------- --5./6. Jh. (12.-15.Jh.) Nordassel (X) Atzum (X) X------------ ---------X Atzum (13.-15.Jh.) Bansleben X Beuchte X X Börßum (X) Cremlingen X------------ ----X----- --------X Cremlingen X------------ ----X----- --------X Cremlingen X----------- ----X----- --------X Salzdahlum (X) Salzdahlum (13./14.Jh.) Salzdahlum (13./15.Jh.) Salzdahlum (13./14.Jh.) Salzdahlum (13.-14.Jh.) Groß Denkte (X) Klein Denkte (X----------- ---------X) Destedt (X) Dettum (X) Dettum (14./15.Jh.) Dettum (12.-14.Jh.) Drütte (X---------- ----X----- -------X) Eilum X----------- ----------X (------X) Eitzum (X) Eitzum (X) Eitzum (X) (X----- -----------X) Klein Elbe (X) Erkerode (X) Erkerode (X) (X) (X) (X) Erkerode X Erkerode (X) (X) Evessen X Evessen (X) Groß Flöthe X Groß Flöthe X Klein Flöthe X-------------- ----------X

  • 28

    Klein Flöthe X-------------- ----------X Fümmelse X Fümmelse X Gielde X----------- ---X------ --------X Gielde X------------ -----X---- --------X Gielde (X----------- -----X----- -------X) Gielde (X---- ----------X) Gilzum (12.-13.Jh.) Gustedt (X---------- ------X---- ----X---- ---X---- -----------X) Hachum (X) Hachum (13.-15.Jh.) Hachum (13.-15.Jh.) Halchter X------------ ------X---- -------X X Halchter X----- -------------X Halchter X----------- ---------X Halchter X------- ---------------X Haverlah X------------ -----X----- --------X Haverlah X------------- ----X----- --------X Haverlah X------------- ----X------ --------X Hedeper (X) Heerte (X) Heiningen (X) Hordorf (13./14.Jh.) Hordorf (13./15.Jh.) Hordorf (14./15.Jh.) Hötzum (14./15.Jh.) Hötzum (13.-15.Jh.) Hötzum (X) (11.-14.Jh.) Kissenbrück (X) Kneitlingen (X) Leinde (X) (X) Leinde (X) (X) (X) Lesse X Lesse X Lesse X------- -------------X Lesse X Westerlinde X Osterlinde X (X) Linden X Linden (X------------ ---------X) Lucklum X Lucklum (X) (X------ ------X) Bruchmachter-sen

    X------- -----X-------- -----X----- -------X

    Lobmachtersen X-------------- ---------X Groß Mahner X Ohlendorf X Ohrum (X) Remlingen (X) (X--------- --------X) Reppner X

  • 29

    Roklum X Roklum X Roklum X Roklum X Roklum (X----- ------X) Salder (X) Sambleben1 (X----------- ----X---- ----X---- ----X--- -----------X) Schladen (X) Schulenrode (13./14.Jh.) Klein Sehlde X Klein Sehlde (X) (X) Seinstedt X----------- -----X---- ----X---- -------X Seinstedt X Seinstedt X Obersickte (X) Groß Stöckheim X Tempelhof X Thiede (Ortsr.) (X) Uehrde (X) (X) (X) Groß Vahlberg (X) Klein Vahlberg (X) Veltheim (X) †Vepstedt X Warle X Warle (X) Watzum (11.-14.Jh) Weddel (X---------- --------X) Weddel (X) Weddel (14./15.Jh.) Weferlingen X Wendessen (X) Wendessen (X--------- ----X---- ------X) Werlaburgdorf (X) Werlaburgdorf (X---- ------X----- ----X----- -------X) Wetzleben X Wittmar X Bevor die in den Tabellen dargestellten Befunde ausgewertet werden, ist auf einige Schwie-rigkeiten hinzuweisen. Bei dieser Zusammenstellung handelt es sich um aus publizierten Grabungs- und Fundberichten entnommene Daten. Da das Untersuchungsgebiet bislang nicht flächendeckend archäologisch untersucht wurde (wohl auch nie untersucht werden wird), ist die Fundzusammenstellung eine ‘dynamische Größe’, die sich mit jeder weiteren Notgrabung, Luftbildprospektion mit anschließender Untersuchung,2 Flurbegehungen usw. ändert. So sind im Zuge der Verlegung 1 Die genauen Fundorte der zahlreichen Oberflächenlesefunde sind nicht bekannt. Ob sie sich über die gesamte Gemarkung verteilen oder an einer Stelle/mehreren Stellen über mehrere Perioden reichende Funde gemacht wurden, läßt sich daher nicht sagen. 2 Vgl. z.B. † Sunte, dessen genaue Lokalisierung bislang nicht mittels archäologischer Zeugnisse belegt ist. Eine Luftbildprospektion ergab Hinweise auf eine Siedlung am Sunter Berg. Es ist zu vermuten, daß es sich hierbei um die Siedlungsstelle von † Sunte handelt. Da an der Stelle bislang nicht gegraben wurde, muß das Vermutung bleiben.

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    von Gaspipelines nicht wenige archäologische Zeugnisse entdeckt worden und auch die Verlegung von neuen Telefon- und Fernsehkabeln brachte in den Dörfern Material zu Tage. Damit sind gleichzeitig der Archäologie inhärente Probleme angesprochen. Im Lauf der Jahrhunderte wurden viele Funde zerstört. Gerade in den Gemarkungen, die altes Kulturland darstellen, wurden durch die intensive Bodenbearbeitung zahlreiche Zeugnisse vernichtet.1 Hinzuweisen ist auch auf eine Bemerkung Niquets, die ein weiteres Problem des Verschwindens archäologischer Zeugnisse betrifft, denn Siedlungsspuren „im Unter-grund unter der Humusdecke sind nicht in einer Hangsiedlung zu erwarten. Denn hier ist der Abtrag vor allem durch Wasser im Laufe von Jahrhunderten so tiefgreifend, daß in verhältnismäßig kurzer Zeit die Spuren einer Siedlung zum größten Teil verschwinden.“2

    In den Orten andererseits sind archäologische Untersuchungen wesentlich schwieri-ger, da es sich um überbautes Land handelt – und dies nicht erst seit kurzer Zeit, sondern bereits seit Jahrhunderten.3 Archäologische Zeugnisse werden hier eher zufällig gefunden und es erstaunt nicht, daß in jüngerer Zeit vieles an den Ortsrändern zu Tage gekommen ist, da hier Neubaugebiete erschlossen wurden.4 In diesem Zusammenhang kann die Fest-stellung von Bärenfänger nicht überraschen, der die archäologischen Fundplätze den früh belegten Orten gegenüberstellt: „Wie nämlich der Vergleich der Karten zeigt, decken sich die Verbreitungsschwerpunkte der archäologischen Karte auf der einen, mit denen der schriftlich bezeugten Orte auf der anderen Seite nur in außerordentlich geringem Maße! Wo die archäologische Karte eine starke Besiedlung aufzeigt, werden kaum schriftlich bezeugte Orte angetroffen, doch wo jene in großer Zahl vorhanden sind, liegen in der Re-gel nur wenige archäologisch untersuchte Fundorte.“5 Daraus schließt er, daß „in den heu-te noch bestehenden Orten die Mehrzahl der schon im frühen Mittelalter besiedelten Plät-ze zu suchen“6 ist. Vor diesem Hintergrund sind Fiesels Aussagen hinsichtlich des Alters der -leben-Namen anders zu bewerten. Er hatte archäologische Funde und -leben-Orte miteinander verglichen und festgestellt: „Germanenfunde und -leben gehen sich gegensei-tig aus dem Wege; wo viele germanische Bodenfunde, da keine oder wenige -leben und umgekehrt.“7 Daraus leitet er ab, daß die -leben-Orte relativ jung sein müssen.8 Berück-sichtigt man das oben Genannte, verwundert die Fundarmut bei den -leben-Orte keines-wegs. Sie ist kaum als Indiz für ein junges Alter der Orte zu werten, sondern vielmehr für ein höheres Alter.

    1 Vgl. dazu auch die Anmerkung bei Festschrift Watzum S. 3. 2 Niquet, Gemarkung Gielde S. 4. 3 So sind bei den an der Ortsstelle gefundenen karolingerzeitlichen Funden, Funden einer Zeit also, wo von einem Zusammenhang mit der schriftlich überlieferten Siedlung ausgegangen werden kann, die Wüstungen genauso gut vertreten wie die bestehenden Orte, obgleich es insgesamt wesentlich weniger Wüstungen als bestehende Orte gibt. 4 Nicht zu unterschätzen ist das „Verschweigen“ oder „Vernichten“ von Funden beim Ausbau eines Hauses o.ä. 5 Bärenfänger, Siedlungsplätze S. 292. 6 Bärenfänger, Siedlungsplätze S. 294. 7 Fiesel, -leben S. 47. 8 Fiesel, -leben S. 47ff. Mit ähnlicher Argumentation auch Schönwälder, -leben S. 211f.; vgl. dazu Kap. 4.22.

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    Damit ist ein weiterer umstrittener Punkt angesprochen, wann nämlich von Sied-lungskontinuität gesprochen werden kann und ob bzw. wenn ja, in welchem Maße Archäo-logie und Ortsnamenforschung in (direkte) Beziehung zueinander gebracht, also Ergebnis-se und Befunde des einen für das andere herangezogen werden können. So bemerkt Voges 1907 aufgrund von (nur) hallstattzeitlichen Funden: „Wenn in der Hallstattzeit die Orte Eylekestorp, Begerstede, Jerkisheim, Clettinge und Nienhagen schon vorhanden waren, so geht daraus hervor, dass die Grundwörter -dorf, -stedt, -ingen, -heim und -hagen damals schon zur Bildung von Ortsnamen gedient haben.“ Er schränkt allerdings ein, daß dieses dann gelte, wenn „nicht etwa später einrückende Zuzügler der alten Siedelung einen neuen Namen gegeben“

    1

    2 hätten. Diese Gleichsetzung „archäologische Funde irgendeiner Zeit = Alter des Ortes und des Ortsnamens“ ist so nicht zu akzeptieren. Da die gleichen Sied-lungsstellen durchaus immer wieder zu unterschiedlichen Zeiten genutzt werden konnten und wurden, wie das die Fundübersichten für das Neolithikum und die Bronzezeit zeigen, ohne daß eine Siedlungskontinuität von der Steinzeit bis heute vorläge, ist Voges Aussage nicht zu halten. Gegen solche Auffassungen wendet sich auch Flechsig scharf, wenn er fordert: „Nur wenn die Bodenfunde als Siedlungsreste innerhalb der heutigen Dorflage selbst oder als Gräber in ihrer nächsten Umgebung zutage kommen und wenn die ältesten dieser Funde in lückenloser Folge mit den darüber gelagerten jüngsten aus dem frühen Mittelalter verbunden sind, darf man annehmen, daß das Dorf aus der Zeit der ältesten urgeschichtlichen Fundschicht stammt. Das läßt sich aber meines Wissens bei keinem ostfälischen Dorfe bisher mit Sicherheit nachweisen.“3

    Zumindest letzteres ist heute nach den Grabungsbefunden aus Gielde zu revidieren, die Niquet vornahm. Dieser modifiziert auch die Bedingungen für die Annahme einer Sied-lungskontinuität, denn man könne „auch die Fundplätze der Gemarkung heranziehen, wenn sie eine Siedlungskammer ist und sich auf ihr ebenfalls eine ununterbrochene Be-siedlung ergibt.“4 Während Niquet in älteren Arbeiten aus einer solchen archäologisch belegten Siedlungskontinuität das Alter des ON bzw. GW ableitet,5 revidiert er später diese Meinung – auch gestützt auf Flechsig. Eine Untersuchung verschiedener Orte und Siedlungskammern habe ergeben, „daß wir bei den behandelten Dörfern, die gänzlich verschiedene Ortsnamen haben und die auch zu zeitlich verschiedenen Ortsnamenschich-ten gehören, auf nur zwei Entstehungszeiten gekommen sind, Gielde in der frühen Eisen-zeit, Sambleben, Stöckheim und Seinstedt in der augusteischen Zeit.“6 Weiter schließt er: „Gründung eines Ortes und seine Namensgebung fallen offensichtlich erst seit der karo-lingischen Zeit zusammen [...]. In der vorkarolingischen Zeit aber sind Entstehung eines Ortes und seine Benennung wahrscheinlich verschiedene historische Vorgänge.“7

    Diese Schlußfolgerung ist nicht zu widerlegen, zumal es sich bei der vorkarolingischen Zeit um eine Periode handelt, über die es nahezu keine schriftlichen Zeugnis

    1 Voges, Siedelungen S. 27. 2 Voges, Siedelungen S. 27. Als Beispiele für Umbenennungen führt er einige allerdings neuzeitliche Namenänderungen wie Lichtenberg aus Freden an. 3 Flechsig, Beiträge S. 24. Ähnlich auch Flechsig, Braunschweig S. 38. 4 Niquet, Bemerkungen S. 89. 5 Niquet, Stöckheim S. 40; Niquet, Hetelberg S. 8. 6 Niquet, Bemerkungen S. 98. 7 Niquet, Bemerkungen S. 98.

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    se gibt. Auch ist unbestritten, daß ein Ort bei seiner Gründung nicht sofort benannt wird, nach dem Prinzip: „ich lasse mich an einer Stelle nieder und benenne den Ort mit xy“. Die (älteren) ON entstehen in der Regel erst in Kontakt mit der Umgebung, d.h. mit nicht aus dem Ort stammenden Personen. Verwendet wird Markantes der Umgebung, z.T. vielleicht auch schon FlurN als bekannte Namen im engeren Sinne. Dennoch aber waren auch in vorkarolingischer Zeit die Orte mit Namen versehen, wobei natürlich nicht ausge-schlossen ist, daß Orte umbenannt wurden. Da aber eine Siedlungsumbenennung in schriftlich dokumentierter Zeit eine seltene Erscheinung ist, auf die häufig in der Überlie-ferung hingewiesen wird,1 und Namen einen identifizierenden Charakter haben, kann mit einiger Berechtigung angenommen werden, daß Umbenennungen auch in vorschriftlicher Zeit nicht der Regelfall gewesen sein dürften. Wenn sich aus der sprachlichen Analyse eines ON ergibt, daß es sich aufgrund seiner Bildung (vor allem suffixale Ableitung) und der in ihm enthaltenen Bestandteile um einen recht alten ON handelt, sagt das zunächst nichts Genaues über das Alter der mit diesem Namen benannten Siedlung aus, da diese alten oder sehr alten Flurbezeichnungen auch für einen (deutlich) später entstandenen Ort verwendet werden konnten. Wenn aber andererseits anhand archäologischer Zeugnisse eine kontinuierliche Besiedlung seit z.B. der Römischen Kaiserzeit oder der Völkerwande-rungszeit nachgewiesen wurde, sind meines Erachtens alte Besiedlung und alter Name schon in eine gewisse Korrelation zu bringen, ohne daß damit eine exakte Datierung postu-liert wird. Damit soll nicht behauptet werden, daß archäologische Funde ohne weiteres für eine Datierung von ON und ON-Typen herangezogen werden können, wie das z.B. Crome oder auch Voges taten.

    Nun aber zur Auswertung der in den Tabellen zusammengestellten Funde. Der Um-fang der Tabellen zeigt, daß innerhalb der betrachteten Zeit von einer erheblichen Fund-menge auszugehen ist. Dabei weist jedoch nicht jeder bestehende Ort und jede Wüstung archäologische Funde auf. Tatsächlich unterscheidet sich die Menge nicht sehr von der der Orte mit neolithischen Funden, denn bei knapp der Hälfte der in der vorliegenden Arbeit behandelten Orte ließen sich bislang keinerlei archäologische Zeugnisse ermitteln. Anders als für das Neolithikum ist allerdings die Anzahl der Orte, bei denen Funde an der Orts-stelle nachgewiesen sind, mit ca. 60 deutlich höher. Auch hier entfällt ein nicht geringer Anteil auf die Ortsstellen von Wüstungen, bei denen ja nicht bebautes Gebiet untersucht wurde, sondern entweder zufällig Oberflächenlesefunde gemacht wurden oder gezielt nach den Wüstungen gesucht wurde. Insgesamt ist in allen Perioden bis einschließlich der Me-rowingerzeit die Anzahl der Gemarkungsfunde deutlich höher als die der Funde an den Ortsstellen.

    In der Karolingerzeit und im Mittelalter kehrt sich das Verhältnis um,2 was aber auch damit zusammenhängt, daß nun die schriftliche Überlieferung eingesetzt hat, was gleichzei-tig bedeutet, daß Orte mit überlieferten ON und archäologische Funde miteinander verbun-den werden können. Die Hälfte der karolingerzeitlichen und mehr

    1 Als Beispiel ist † Cattenhusen, Kr. Hannover, anzuführen, dessen Name durch den des dortigen Klo-sters Mariensee ersetzt wurde: 1215 ecclesie in Lacu sancte Marie, quam ipsi fundamus [...] in Caten-husen, ubi ponitur claustrum (Calenberger UB V 7 S. 14); vgl. dazu auch NOB I S. 83. Im Untersu-chungsgebiet ist kein solcher Fall bekannt, sieht man einmal von jungen Umbenennungen wie Lichten-berg ab. 2 Bei den mittelalterlichen Gemarkungsfunden handelt es sich fast ausschließlich um die von Ober-beck-Jacobs anhand von Scherbenfunden erschlossenen (namenlosen) Wüstungen. Ob hier tatsäch-lich von Wüstungen auszugehen ist, bleibt fraglich.

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    als die Hälfte der mittelalterlichen Funde an Ortsstellen stammt aus später wüstgefallenen Siedlungen.

    Die Menge der eisenzeitlichen Funde ist noch nicht besonders ausgeprägt.1 Überwie-gend sind es Siedlungen oder Gräber(felder), die nur eisenzeitlich sind, also nicht mehrpe-riodigen Siedlungsplätzen angehören. Diese haben in der Regel nichts mit der späteren urkundlich belegten Siedlung zu tun, wie das Beispiel † Tönnigerode zeigt. Neben neolithi-schen Einzelfunden wurden an der Ortsstelle auch solche der Eisenzeit und der Römi-schen Kaiserzeit aufgefunden. Weiteres Fundmaterial stammt aus der Karolingerzeit und dem Mittelalter. Eine Siedlungskontinuität von der Eisenzeit bis ins Mittelalter oder gar seit dem Neolithikum läßt sich daraus nicht ableiten, vielmehr wurde die Ortsstelle von Tönnigerode bereits in früheren Perioden wiederholt aufgesucht. Anhand der archäologi-schen Funde läßt sich in diesem Fall erst eine Besiedlung seit der Karolingerzeit erschlie-ßen.

    Mit der Römischen Kaiserzeit nimmt die Fundmenge erheblich zu, was den Beobach-tungen von Tode entspricht, der von einer starken Bevölkerungszunahme in der Römi-schen Kaiserzeit ausgeht.2 Auch hier sind einperiodige Siedlungen oder auf Siedlungen hindeutende Funde durchaus nicht selten, anders als in den anschließenden Perioden der Völkerwanderungszeit oder Merowingerzeit. Sind in der Römischen Kaiserzeit noch ca. die Hälfte der Funde nicht Bestandteil eines mehrperiodigen Siedlungsplatzes, sind es in der Völkerwanderungszeit nicht mal ein Zehntel. Gleichzeitig aber gibt es zahlreiche mehrpe-riodige Siedlungsplätze insbesondere in den Gemarkungen. Es fällt auf, daß diese Siedlun-gen überwiegend von der Römischen Kaiserzeit über die Völkerwanderungszeit bis in die Merowingerzeit reichen. Von einer Fundarmut in der Völkerwanderungszeit kann also nicht gesprochen werden. Auch die oft vertretende These,3 daß die Völkerwanderung eine weitgehende Siedlungsleere zur Folge gehabt habe, ist zumindest für das Untersuchungs-gebiet nicht zu halten. Die Völkerwanderungszeit scheint eher eine relativ „ruhige“ Peri-ode gewesen zu sein.4 Genauso wenig läßt sich Niquets Behauptung aus heutiger Sicht bestätigen, daß nur wenige Funde aus der Merowingerzeit im Braunschweiger Raum vor-kämen.5 Die Menge der Fundplätze ist zwar deutlich geringer als die der Römischen Kaiserzeit, gleichwohl aber ist die Merowingerzeit in den Fundübersichten gut vertreten. Widersprochen werden muß auch Janssen, der allgemein eine „zunehmende Tendenz der Neusiedlung [...] für das 6. und 7. Jahrhundert“6 erkennt. Ganz im Gegenteil ist gerade die Merowingerzeit im Untersuchungsgebiet diejenige Zeit, in der zahlreiche Siedlungen auf-gegeben wurden, so daß Niquets Behauptung, bei diesem Wüstungsprozeß handele es sich um „einen Vorgang größeren Ausmaßes“,7

    1 Zu den eisenzeitlichen Funden und der Lage der daraus ermittelten Siedlungen vgl. Kummer, Sied-lungen passim. 2 Tode, Landnahme S. 48f. 3 Vgl. Flechsig, Harzvorland S. 111, Stelzer, Besiedlung S. 40, Metzler, Mönchevahlberg S. 36. 4 So sind nur ein Fünftel der völkerzeitlichen Funde nicht Teil einer mehrperiodigen Siedlung. Wäh-rend der Völkerwanderungszeit wurden in der Gemarkung nach den bisherigen Erkenntnissen sechs (seit der Römischen Kaiserzeit bestehende) Siedlungen aufgegeben, in der Merowingerzeit aber 15, in der Regel seit der Römischen Kaiserzeit bestehende; in der Karolingerzeit schließlich noch einmal drei. Neuanlagen von Siedlungen andererseits, die über die Völkerwanderungszeit hinausreichen, kommen kaum vor. 5 Niquet, Runenfibel S. 65. 6 Janssen, Dorf S. 343. 7 Niquet, Stöckheim S. 40.

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    zuzustimmen ist. Bei der am Hetelberg (bei Gielde) gelegenen Siedlung konnte nach-gewiesen werden, daß sie ohne äußere Gewalteinwirkung aufgegeben wurde, d.h. eine gewaltsame Zerstörung oder Vernichtung durch Feuer u.ä. fand nicht statt.1 Ob das auch für die anderen in dieser Zeit aufgegebenen Siedlungen zutrifft, ist der Literatur nicht zu entnehmen. Vieles spricht dafür, daß die meisten dieser Orte ebenfalls nicht zerstört wur-den, sondern im Zuge einer Siedlungskonzentration aufgegeben wurden. Die Gründe sind nicht bekannt.2

    Beispielhaft ist die von Niquet durchgeführte Untersuchung der Gemarkung Gielde (ein -ithi-Name), „die heute noch stellenweise von natürlichen Grenzen wie Wald und Nie-derung umgeben [ist], so daß man sie als Siedlungskammer bezeichnen kann.“3 Im Ort Gielde selbst sowie an mehreren Stellen in der Gemarkung wurden Fundplätze entdeckt und eingehend untersucht. Die folgende Tabelle zeigt die Fundplätze und die anhand der archäologischen Funde ermittelte Siedlungsdauer.4

    1 Niquet, Hetelberg S. 6. 2 Recht naheliegend ist die Vermutung, daß ein Zusammenhang mit der Ausbreitung der Franken besteht, daß die Bewohner sich vor der Bedrohung zu schützen suchen und sich in größeren Orten ansiedeln. Das läßt sich allerdings nicht zwingend beweisen. 3 Niquet, Gemarkung Gielde S. 4. 4 Die Tabelle stammt aus Niquet, Bemerkungen S. 94. Ergänzungen mit weiteren Siedlungsplätzen sind nach Niquet, Gemarkung Gielde passim vorzunehmen.

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    Seine Ergebnisse faßt er wie folgt zusammen: „Gielde wäre demnach in einer Sied-lungskammer, die der heutigen Gemarkung entspricht, der ‘zentrale Ort’, umgeben von kleinen Siedlungen, die im 1. Jahrhundert entstanden und im 7. Jahrhundert wüst wur-den.“1 Ausgehend von dem „übriggebliebenen“ Gielde wurde in der Karolingerzeit eine Binnenkolonisation aufgenommen, in deren Zuge mehrere kleine Siedlungen entstanden, die entweder später wieder wüst wurden oder im Fall von Altenrode als Vorwerk weiter-bestanden.2 Bei der von Niquet als ‘Kathers Teich’ bezeichneten Fundstelle dürfte es sich um das auch urkundlich belegte † Wedelingerode handeln. Neben einer namentlich nicht bekannten Wüstung lassen sich also in der Siedlungskammer Gielde zwei -(inge)rode-Orte als karolingerzeitliche Siedlungen archäologisch nachweisen, was der von der ON-Forschung postulierten Entstehungszeit der -(inge)rode-Orte entspricht. Zu Gielde selbst stellt er fest: „Auf der heutigen Dorflage hat eine Siedlung mindestens seit dem letzten Jahrhundert vor Chr. bestanden, mit größter Wahrscheinlichkeit ununterbrochen, also kontinuierlich, und auf demselben Platz, wenn auch über eine Fläche von 700 m pendelnd, also konstant, bis zur Gegenwart.“3 Ein derartiges Pendeln konnte auch bei der Hetel-bergsiedlung festgestellt werden, wo die Gebäude immer wieder an anderer Stelle inner-halb des Siedlungsareal errichtet wurden.4 Das Phänomen der Siedlungskammer, bei de-nen innerhalb einer solchen mehrere Siedlungen zugunsten einer (zentralen) aufgegeben wurden, ist kein Sonderfall, sondern wurde im Untersuchungsgebiet bei Seinstedt und bei dem auf Braunschweiger Stadtgebiet liegenden Stöckheim,5 für eine Siedlungskammer bei Haverlah und Groß Elbe,6 sowie für Cremlingen festgestellt.7 Auch bei diesen existierten um den heute noch bestehenden Ort mehrere (archäologisch nachgewiesene) Siedlungen, die zu unterschiedlichen Zeiten aufgegeben wurden. Ob weitere Siedlungskammern im Untersuchungsgebiet existierten, ist bislang nicht untersucht.

    Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß das Untersuchungsgebiet bereits in vor-schriftlicher Zeit breit besiedelt war. Das gilt insbesondere für die Zeit ab dem Römischen Kaiserzeit, d.h. seit um Christi Geburt. Eine Siedlungsleere in der Völkerwanderungszeit konnte anhand der archäologischen Funde nicht festgestellt werden; vielmehr bestanden die zuvor nachweisbaren Siedlungen gewöhnlich weiter, ein wichtiger Befund, berührt er doch auch die Namenforschung, denn damit sind die ON und ON-Typen nicht zwangsweise nach der Völkerwanderungszeit entstanden bzw. auf die anschließende Zeit zu datieren. Eine direkte Verbindung zwischen archäologischem Material und ON ist nicht möglich. Gleichwohl läßt sich die Archäologie durchaus als Hilfsmittel heranziehen, berücksichtigt man die oben geschilderten Schwierigkeiten hinsichtlich der Zufälligkeit der Funde, der nicht flächendeckenden Untersuchungen, des Fundverlustes usw. Bei den -rode- und -ingerode-Orten beginnen die archäologischen Funde in der Regel in der Karolingerzeit;8 ein Zeitraum, der auch in der ON-Forschung als Entstehungszeitraum für die -rode- und -ingerode-

    1 Niquet, Gemarkung Gielde S. 12. 2 Niquet, Gemarkung Gielde S. 12. 3 Niquet, Bemerkungen S. 95. 4 Niquet, Gemarkung Gielde S. 11. 5 Niquet, Bemerkungen passim. 6 Eckebrecht, Groß Elbe passim. 7 Bericht, 1992 S. 246. 8 Frühere Funde stehen in keinem direkten Zusammenhang mit den späteren Siedlungen, da hier keine Siedlungskontinuität nachzuweisen ist.

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    Orte angenommen wird. In anderen Fällen wie bei Gielde oder auch † Mülingen bietet die seit langem bestehende Siedlungskontinuität an der Ortsstelle ein Indiz für ein hohes Alter der Siedlung. Da auch der jeweilige Name aufgrund seiner Bildung für alt erachtet werden muß, lassen sich archäologische und namenkundliche Befunde korrelieren.

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    3. Orts- und Wüstungsverzeichnis

    3.1. Einleitung zu den Ortsartikeln

    Das folgende Kapitel enthält in alphabetischer Folge in Ortsartikeln die Namen des Un-tersuchungsgebietes. Es werden nur Siedlungsnamen aufgenommen – im folgenden als Ortsnamen (ON) bezeichnet. Namen von Fluren, Gewässern oder Wäldern, größeren räumlichen Einheiten usw. sind nicht behandelt. Siedlungen werden hier verstanden als über einen längeren Zeitraum von mehreren Menschen bewohnte Dörfer oder Höfe. Funk-tionssiedlungen wie Mühlen werden dabei nicht berücksichtigt. Einbezogen wurden aller-dings Burgen, sofern sie innerhalb des gewählten Zeitrahmens urkundlich überliefert sind. Mit dem gewählten Zeitrahmen ist die zweite Einschränkung hinsichtlich des aufgenom-menen Namenmaterials angesprochen. Aufgenommen wurden nur ON, die vor 1500 ur-kundlich belegt sind. Diese Einschränkung schließt die meisten Stadtteilnamen wie Juliu-stadt oder Gotteslager sowie (früh)neuzeitliche Ausbauten wie Sternhaus oder Antoinet-tenruh aus. Mit der Anlage der -hagen- und -rode-Siedlungen im Zuge des mittelalterli-chen Landesausbaues ist die mittelalterliche Besiedlung weitgehend abgeschlossen und Veränderungen in der Besiedlungsstruktur ergeben sich danach fast ausschließlich durch das Entstehen von Funktionssiedlungen, das Wüstfallen oder Zusammenwachsen von Siedlungen. Die nach diesem mittelalterlichen Landesausbau vergebenen Namen sind in ihrer Bildung zumeist durchsichtig und ver