Die Romanik als gesamteuropäische Kultur- und … · dauert die schöpferische Hauptzeit der...

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Wilhelm Deuer / Johannes Grabmayer Die Romanik als gesamteuropäische Kultur- und Geistesströmung Der Stilbegriff der Romanik ist im frühen 19.Jahrhundert in Frankreich geprägt worden und beschreibt künstlerische Phänomene, die um die erste Jahrtausend- wende parallel in Frankreich und Deutschland ebenso wie in Italien und Spanien entstanden sind. Diese Länder waren allerdings zu der Zeit keine geschlossenen Territorien, sondern unterschiedlich strukturierte Herrschaftsgebilde, innerhalb derer sich mehrere eigenständige Kunstlandschaften entwickelten (z.B. Burgund, Lombardei,Thüringen).Wurzel und Hauptquelle der romanischen Architektur ist die spätrömische und frühchristliche Baukunst,vermittelt zumTeil durch die Kultur der Karolinger, und bereichert um Elemente des byzantinischen und islamischen Kulturkreises, der durch die Kreuzzüge wieder verstärkt ins Bewusstsein gerufen wurde.Malerei,Plastik und Kunsthandwerk ordnen sich programmatisch der christ- lichen Heilslehre unter, für welche die Architektur Bühne und Kulisse bildet (Portalplastik, Bildprogramme der Altarräume). Anstelle der Imitation der Natur soll die Kunst in Symbolform Glaubensinhalte vermitteln, denn die über alle Territorialgrenzen einigende und führende Kraft, gleichsam der Träger der Romanik, ist die Kirche, und ihre Klöster, insbesondere auch deren Reform- bewegungen,haben erhebliche Bedeutung für ihre Verbreitung und dynamischen Veränderungen auch innerhalb der Romanik. Die Profankunst steht im Zeichen fürstlicher bzw.adeliger Repräsentation und ist vielfältig,jedoch ungleich schlechter überliefert. Im Gefolge der fortschreitenden Feudalisierung strahlte die Romanik bald auf ganz Europa aus. Eine zeitliche Eingrenzung dieses ersten umfassenden Stils der abend- ländischen Kunstgeschichte ist sehr schwierig und von regional variablen geographischen, kirchlichen und herrschaftlichen Faktoren bedingt. In Frankreich dauert die schöpferische Hauptzeit der Romanik von ca. 1050 - 1150, mit einem halben Jahrhundert der Vorbereitung und einem weiteren halben Jahrhundert des allmählichen Überganges zur Gotik.Als sie sich im 12. Jahrhundert in Nord- und Osteuropa auf breiterer Basis durchsetzt, wird in der Ilede-France schon die erste gotische Kathedrale erbaut (St. Denis, ab 1140). Im Königreich Deutschland hat sich für die Kunst des späten 10. und frühen 11. Jahrhunderts auch der dynastische Begriff „Ottonische Kunst” anstelle von „Vorromanik” durchgesetzt, doch gibt es einen gleitenden Übergang. Als eigentliche Romanik werden hier die Epochen der Salier und Staufer vom 2.Viertel des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts 53

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Wilhelm Deuer / Johannes Grabmayer

Die Romanik als gesamteuropäische Kultur- und Geistesströmung

Der Stilbegriff der Romanik ist im frühen 19.Jahrhundert in Frankreich geprägt

worden und beschreibt künstlerische Phänomene, die um die erste Jahrtausend-

wende parallel in Frankreich und Deutschland ebenso wie in Italien und Spanien

entstanden sind. Diese Länder waren allerdings zu der Zeit keine geschlossenen

Territorien, sondern unterschiedlich strukturierte Herrschaftsgebilde, innerhalb

derer sich mehrere eigenständige Kunstlandschaften entwickelten (z.B. Burgund,

Lombardei,Thüringen).Wurzel und Hauptquelle der romanischen Architektur ist

die spätrömische und frühchristliche Baukunst,vermittelt zum Teil durch die Kultur

der Karolinger, und bereichert um Elemente des byzantinischen und islamischen

Kulturkreises, der durch die Kreuzzüge wieder verstärkt ins Bewusstsein gerufen

wurde.Malerei,Plastik und Kunsthandwerk ordnen sich programmatisch der christ-

lichen Heilslehre unter, für welche die Architektur Bühne und Kulisse bildet

(Portalplastik, Bildprogramme der Altarräume). Anstelle der Imitation der Natur

soll die Kunst in Symbolform Glaubensinhalte vermitteln, denn die über alle

Territorialgrenzen einigende und führende Kraft, gleichsam der Träger der

Romanik, ist die Kirche, und ihre Klöster, insbesondere auch deren Reform-

bewegungen, haben erhebliche Bedeutung für ihre Verbreitung und dynamischen

Veränderungen auch innerhalb der Romanik. Die Profankunst steht im Zeichen

fürstlicher bzw.adeliger Repräsentation und ist vielfältig,jedoch ungleich schlechter

überliefert.

Im Gefolge der fortschreitenden Feudalisierung strahlte die Romanik bald auf ganz

Europa aus.Eine zeitliche Eingrenzung dieses ersten umfassenden Stils der abend-

ländischen Kunstgeschichte ist sehr schwierig und von regional variablen

geographischen,kirchlichen und herrschaftlichen Faktoren bedingt. In Frankreich

dauert die schöpferische Hauptzeit der Romanik von ca. 1050 - 1150, mit einem

halben Jahrhundert der Vorbereitung und einem weiteren halben Jahrhundert des

allmählichen Überganges zur Gotik.Als sie sich im 12. Jahrhundert in Nord- und

Osteuropa auf breiterer Basis durchsetzt, wird in der Ilede-France schon die erste

gotische Kathedrale erbaut (St. Denis, ab 1140). Im Königreich Deutschland hat

sich für die Kunst des späten 10. und frühen 11. Jahrhunderts auch der dynastische

Begriff „Ottonische Kunst” anstelle von „Vorromanik” durchgesetzt, doch gibt es

einen gleitenden Übergang. Als eigentliche Romanik werden hier die Epochen

der Salier und Staufer vom 2.Viertel des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts

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bezeichnet. Die Entwicklung in Österreich, das man aufgrund der noch

uneinheitlichen Herrschaft in diesem Zeitraum besser nach geographischen

Kriterien als Ostalpenraum bezeichnen sollte, folgt in vielen Aspekten der

deutschen Kunst. Nicht nur im Osten Europas, sondern auch in den Rückzugs-

gebieten der mitteleuropäischen Kulturlandschaften konnte die Romanik weit ins

13. Jahrhundert, vereinzelt bis ins 14. Jahrhundert, nachwirken.Architektur,Plastik

und Malerei gehen dabei je nach Horizont des Auftraggebers und Fähigkeiten des

Künstlers unterschiedliche Wege. Doch setzt sich seit dem 13. Jahrhundert von

Frankreich ausgehend die Gotik auf breitester Basis durch.

Für die Bildhauerei wird nach Jahrhunderten der Vergessenheit wieder die

Monumentalskulptur zur wichtigen Aufgabe - Portale, Kreuzgänge und Kapitelle

werden als Träger der christlichen Symbolik zu sprechenden Zeugnissen der

Heilslehre wie der Dämonenabwehr. In der kirchlichen Malerei dominieren

Freskenprogramme, deren Stil insbesondere im Ostalpenraum wesentlich von

Byzanz vermittelt wurde und bei denen die heilsgeschichtliche Symbolik vor der

additiv-erzählenden Aufgabe steht.

Manche Klöster entwickeln sich zu

Zentren der Buchmalerei und bilden

hiebei lokale Traditionen aus - auch

ihr Zweck ist das Gotteslob durch

repräsentative Aufwertung der

Heiligen Schrift. Eine Besonderheit

des Kunstgewerbes, das ebenfalls im

Dienste der kirchlichen Repräsenta-

tion stand, war die Ausbildung

spezialisierter Werkstätten und Tech-

niken in bestimmten Regionen,

deren Produkte europaweit oder

zumindest überregional gehandelt

wurden und ihren Anteil zur euro-

paweiten Verbreitung von Typen,

Formen und Stilmerkmalen beitru-

gen, wie etwa Emails aus Limoges

oder Prozessionskreuze aus Süd-

westdeutschland oder Oberitalien.

54

Abb. 44: Emailkreuz aus Limoges, Stift St. Paul

(1. Hälfte 13. Jahrhundert)

Schon in vorromanischer

Zeit entwickelte sich unter

der Herrscherdynastie der

Ottonen im 10. und frühen

11. Jahrhundert eine einzig-

artige Blüte des Dom- und

Stiftskirchenbaues in Sach-

sen-Anhalt (Magdeburg,

Halberstadt, Merseburg,

Gernrode und Quedlinburg),

deren Typen und Formen

über den deutschen Raum

auf ganz Mitteleuropa ausstrahlten (etwa bei der Verbreitung der Hallenkrypta).

Seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ist ein neuer Schwung festzustellen

(etwa bei der zweitürmigen Stiftskirche von Quedlinburg 1079 - 1121), der im

12.Jahrhundert durch die Reformordensbewegung der Hirsauer,Zisterzienser und

Prämonstratenser einen neuen Impuls erhielt. Das bemerkenswerteste Beispiel

hiefür ist die Prämonstratenserkirche von Jerichow, eine zunächst turmlose kreuz-

förmige Anlage in Ziegelbauweise

(1149 - 1172). Charakteristisch für

Sachsen-Anhalt wurden auch die

mächtigen querrechteckigen West-

werke wie in Magdeburg oder

Havelberg. In den Domen von

Magdeburg und Merseburg haben

sich bedeutende Grabmäler von

Königen (Rudolf von Schwaben

† 1080) und Erzbischöfen erhalten,

im Halberstädter Domschatz der

bemerkenswerte „Karlsteppich” aus

dem frühen 13. Jahrhundert.

Während die Landkirchen bis ins

13. Jahrhundert die Typen der Dom-

und Stiftskirchen weitertradierten,ist

an repräsentativen Spitzenbauten

55

Abb. 45: Dom von Quedlinburg, Gewölbe

Abb. 46: Dom von Havelberg,Westwerk

wie dem Magdeburger Dom schon

in der ersten Hälfte des 13. Jahrhun-

derts der schrittweise Siegeszug

frühgotischen Formenvokabulars

unverkennbar.

Die evangelische Domkirche

St. Mauritius und Katharina in

Magdeburg steht an jenem Ort, an

dem König Otto I. 937 ein Mauri-

tius geweihtes Benediktinerkloster

stiftete (Abb. 47). Ab 955, dem Jahr

seines großen Sieges über die

Ungarn am Lechfeld bei Augsburg,

ließ er die Klosterkirche zu einer viertürmigen,dreischiffigen Kathedrale ausbauen

und stattete das neue Gotteshaus reich mit antiken Kostbarkeiten und Reliquien

aus.Noch heute sind ein Taufstein aus römischer Zeit aus Rosenporphyr im west-

lichen Teil des Mittelschiffs und 12 römische Spolien im Hohen Chor erhalten.

Der Bischof und Chronist Thietmar von Merseburg hält Anfang des 11. Jahrhun-

derts dazu fest, dass „viele Leiber von Heiligen neben kostbarem Marmor, Gold

und Edelsteinen aus Italien nach Magdeburg“ gebracht worden seien. Nachdem

die romanische Basilika 1207 ausbrannte, wurde 1209 mit dem Neubau begon-

nen und mit der heiligen Katharina eine zweite Schutzpatronin neben Mauritius

gestellt. Bis zur Vollendung des Domes im gotischen Stil nach französischem Vor-

bild sollten 311 Jahre vergehen. Dennoch sind die mächtigen Bündelpfeiler, halb-

runden Bögen, das tragende Mauerwerk und die phantastischen Kapitelle im

Chorumgang, Meisterwerke der Bildhauerkunst, noch ganz dem romanischen

Baustil verpflichtet. Spätromanisch erhalten sind auch die Untergeschosse der bei-

den Osttürme. In der gotischen Marienkapelle des klösterlichen Speisesaales

(Remter) finden sich neben antiken Säulen und Kapitellen Marmorbildplatten aus

der Mitte des 12. Jahrhunderts. Es sind Überreste eines Lesepultes (Ambo). 1926

wurden im Süden des heutigen Chores Teile der ottonischen Krypta mit einem

antiken Mosaikfußboden entdeckt. Aus der romanischen Kirche sind auch noch

der Sarkophag Ottos I. und die Tumba seiner Frau Editha sowie die Bronzegrab-

platten der Magdeburger Erzbischöfe Friedrich von Wettin (gest. 1159) und

Wichmann von Seeburg (gest. 1192), großartige Werke des 12. Jahrhunderts, zu

56

Abb. 47: Dom von Magdeburg

bewundern. Auch der Osterleuchter im Chor stammt aus romanischer Zeit. In

seiner romanischen Form präsentiert sich auch der südliche Klausurflügel,der vom

Brand 1207 verschont wurde,mit seinen schweren Pfeilern, rundbogigen Arkaden

und dreigeteilten Arkadenfüllungen.Die zum Teil verzierten Säulenschäfte werden

durch vorzügliche Kapitelle gekrönt.

Noch vor dem Magdeburger Dom ist aus architekturhistorischer Sicht das Kloster

Unser Lieben Frauen, eine der wichtigsten romanischen Anlagen im deutschen

Sprachraum, erwähnenswert. Der in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts

begonnene Bau an der Stelle eines vorangegangenen Kollegiatstiftes wurde unter

Erzbischof Norbert vollendet und beherbergte mehr als 500 Jahre Prämonstra-

tensermönche.Vor allem die dreischiffige Krypta, das Brunnenhaus und die 1129

errichtete Klausur faszinieren noch heute.

992 wurde der, dem heiligen Stephan

anvertraute, ottonische Dom zu Halber-

stadt, dem Bischofssitz und „Tor zum

Harz“,der an der Stelle einer karolingischen

Missionskirche aus der Zeit um 800 errich-

tet worden war, geweiht. 1179 schwer

beschädigt, wieder restauriert und ab 1239

zu einer gotischen Kathedrale umgestaltet,

die 1491 geweiht werden konnte, birgt das

Halberstädter Gotteshaus auch heute noch

eine Fülle romanischer,vor allem zisterzien-

sisch geprägter,Bauelemente.Der Unterbau

der Türme ist ein Paradebeispiel für eine

romanisch-sächsische Doppelturmfassade.

An die romanische Kirche erinnert auch die

weithin berühmte hölzerne Triumphkreuzgruppe aus der Zeit um 1220, die sich

über einem gotischen Lettner befindet.Von großer kunsthistorischer Bedeutung

ist auch ein 1195 gestifteter marmorner Taufstein im westlichen Langhaus,

besonders jedoch der Domschatz mit dem neun Meter langen Abrahamteppich

(um 1160),dem Apostelteppich (um 1170) und dem Karlsteppich (1230/40) sowie

einem bemalten Stollenschrank, einem kastenförmigen Vorläufer des Typus der

Anrichte,aus der Zeit um 1230 und der Halberstädter Sitzmadonna,einer Holzfigur

der thronenden Muttergottes.

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Abb. 48: Dom von Halberstadt

In Quedlinburg steht mit der Stiftskirche St. Servatius einer der bedeutendsten

hochromanischen Bauten Deutschlands dort, wo sich schon um 850 eine kleine

Pfalzkapelle auf dem Burgberg befunden hat,und wo auch König Heinrich I. seine

letzte Ruhestätte fand (Abb. 49). Gegen Ende des 10. Jahrhunderts wurde eine

dreischiffige kreuzförmige Stiftskirche errichtet, die 1021 geweiht wurde, 1070

jedoch einem Brand zum Opfer fiel. Der Nachfolgebau, der 1129 seine Weihe

erhielt, ist im Wesentlichen bis heute erhalten geblieben. Es handelt sich um eine

kreuzförmige, flach gedeckte Basilika mit Querhaus, worin auch seit 1170 die

Schatzkammer mit dem berühmten Quedlinburger Domschatz, darunter das

Servatius- (Anfang 13. Jahrhundert) und das Katharinenreliquiar (um 1230) und

Reste des ältesten europäischen Bildteppichs in Knüpftechnik, untergebracht ist.

Unter der Vierung und dem Chor befindet sich eine Krypta mit den Königsgrä-

bern und einer Confessio, einem ursprünglich kuppelgewölbten,heute nach oben

hin offenen Raum. Durch zwei Öffnungen im Fußboden kann man von hier aus

in die Gruft Heinrichs I. sehen.Das Hauptportal in der Nordwand des Langhauses

ist eines der ältesten Säulenportale Deutschlands.Beachtenswert sind auch die reich

geschmückten Würfelkapitelle der Säulen im Mittelschiff.

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Abb. 49: Quedlinburg, Schlossberg

Mit der päpstlichen Genehmigung

der aus politischen Gründen

notwendig gewordenen Verlegung

des Bistums von Zeitz nach

Naumburg 1028 begannen die

Arbeiten am Naumburger Dom

St.Peter und Paul östlich einer schon

vorhandenen Stiftskirche, die 1042

mit der Weihe der dreischiffigen,

kreuzförmigen Basilika mit Krypta

abgeschlossen wurden. Die beiden

Kirchen standen mit ihren Türmen

zueinander. Um 1170 erfolgte der

Bau einer weiteren Krypta unter

dem Ostchor, deren Mittelteil bis

heute erhalten geblieben ist. Im

13. und 14. Jahrhundert wurden die

beiden Kirchen durch einen

mächtigen Dom ersetzt,dessen erste Bauphase 1242 beendet wurde.Zuerst wurden

die neuen Ostteile mit dreiräumiger Krypta, worin sich heute ein wertvolles

romanisches Kreuz (1160/70) befindet, und Ostlettner, dem ältesten voll

ausgebildeten Hallenlettner Deutschlands, errichtet sowie das Querhaus mit

Vorhalle und Vierung (entsteht an der Kreuzung von Lang- und Querhaus) im

Süden der Anlage. Zwischen Querhaus und Chor wurden die quadratischen

Untergeschosse der Osttürme mit jeweils einer Apsis gegen Osten gebaut. Daran

schloss sich die Errichtung des Langhauses und der Untergeschosse der Westtürme,

worin sich romanische Kapellen befinden, an. Zwischen 1250 und 1260 wurden

der frühgotische Westchor und der Westlettner erbaut, deren Plastiken den

Naumburger Dom weltberühmt gemacht haben. Im Süden des Domes liegt einer

von zwei Kreuzgängen, dessen Ost- und Nordflügel nach 1244, aber noch in

spätromanischem Stil, errichtet wurden.

Der ab 1015 erbaute und bereits 1021 geweihte Dom St. Johannes und Lauren-

tius zu Merseburg folgte einer Stiftskirche aus dem 10. Jahrhundert nach.Von ihm

sind der südliche Querhausflügel und die unteren Teile der Westtürme erhalten.

Noch im 11. Jahrhundert wurde umgebaut. Das Sanktuarium musste nach wie-

59Abb. 50: Dom zu Naumburg

derholten Einstürzen neu konzipiert

und errichtet werden, wobei an den

Seiten des Chorquadrates Rund-

türme aufgerichtet wurden. Unter

dem Chor wurde eine Krypta

gebaut, die weitgehend erhalten

geblieben ist. Gegen Ende des

11. Jahrhunderts erhielt der Dom

auch einen Mittelturm, der jedoch

vollständig abgekommen ist.Um die

Mitte des 12. Jahrhunderts entstan-

den die achteckigen Geschosse der

quadratischen Westtürme,und in der

ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts

erfolgten umfassende Umbauten.

Die Kirche wurde gegen Westen

verlängert, die Hauptapsis und der

nördliche Querhausarm neu

aufgeführt.Beiderseits des Chores,der ebenfalls verlängert wurde,wurde ein Raum

geschaffen, dessen Südteil gemeinsam mit dem Südostturm Schatzkammer und

Archiv beherbergte. Im 16. Jahrhundert wurde abermals umgebaut. Ein neues

Hallenlanghaus entstand, und der westliche Anbau des Domes erhielt ein Mittel-

portal in der Westseite.Neben den architektonischen Besonderheiten verdient auch

die reiche Ausstattung von St. Johannes und Laurentius Beachtung.Aus „romani-

scher Perspektive“ sind vor allem die Grabplatte Rudolfs von Schwaben (kurz nach

1080), ein Holzkruzifix im Triumphbogen zwischen Lang- und Querhaus (um

1240) und ein monumentales Taufbecken (um 1180), das sich einstmals in der

Merseburger Neumarktkirche befand und seit 1831 im südlichen Seitenschiff der

Vorhalle aufgestellt ist, erwähnenswert.

Über der Stadt Havelberg ragt weithin sichtbar der Dom St. Marien mit seinem

beeindruckenden romanischen Westriegel gegen Himmel. Kurz vor 1150 erfolgte

die Neugründung des Bistums Havelberg, das schon 948 Zentrum des Christen-

tums in der Region gewesen, 983 aber durch eine heidnisch-slawische Reaktion

zerschlagen worden war. Bald nach der Neugründung wurde mit dem Bau des

Domes begonnen, der bereits 1170 geweiht werden konnte. Die romanische

60Abb. 51: Dom zu Merseburg

Kathedrale blieb trotz eines Umbaues nach einem Brand 1279 weitgehend intakt.

Insbesondere der Westriegel, der als Kirchturm und Zufluchtstätte für Bischof und

Domkapitel Verwendung fand, ist fast in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten

geblieben.Die Pfeilerbasilika ohne Querhaus war ursprünglich flach gedeckt.Beim

gotischen Um- und Ausbau wurde das Mittelschiff wesentlich erhöht, mit

Strebepfeilern verstärkt und spitzbogenartigen Obergadenfenstern versehen, die

über den vermauerten romanischen angebracht wurden. Der rechteckige,

ursprünglich mit einer halbkreisförmigen Apsis versehene, in der Gotik jedoch zu

einem Polygon umgeformte Chor wird von quadratischen Anbauten flankiert und

wurde um 1400 durch das Anbringen eines ins Mittelschiff ragenden Lettners mit

Chorschranken wesentlich vergrößert.Auch die seitlichen Anbauten an den Chor,

die jeweils zwei Kapellen aufnahmen, wurden erhöht, die Seitenschiffe erhielten

dem Mittelschiff angepasste Fenster. Südlich des Domes befinden sich die

Klostergebäude eines ehemaligen Prämonstratenser-Domherrenstifts, wobei

besonders der spätromanische Ostflügel (um 1150) mit Kapitelsaal nebst großem

Portal, Küche und Schlafsaal beeindruckt.

Kunstlandschaftlich eng mit Sachsen-Anhalt verbunden ist die Entwicklung der

Romanik in Thüringen, wo gleichfalls nach einer ersten Blüte unter der Dyna-

61

Abb. 52: Dom zu Havelberg

stie der Ottonen die Hirsauer Ordensreform in der nur mehr als Ruine erhalte-

nen Stiftskirche von Paulinzella (ab 1105) eine neue machtvolle Dimension er-

reichte.Das starke Festhalten an romanischen Traditionen ist am Erfurter Dom mit

seinem mächtigen Westturmpaar erkennbar, der 1253 geweiht wurde. Mit der le-

bensgroßen Figur eines Bronzeleuchters um 1157 birgt er ein europaweit bedeu-

tendes hochromanisches Ausstattungsstück. Thüringen und Sachsen könnten

kunstlandschaftlich seit dem 12. Jahrhundert zumindest indirekt die ostalpine

Kunstlandschaft der Hochromanik in Steiermark und Kärnten beeinflusst haben:

Das gilt für den Stützenwechsel der Seckauer Stiftskirche ebenso wie für die zahl-

reichen Chortürme und vielleicht auch für die Westturmpaare der Dome (Salz-

burg, Gurk) und Stiftskirchen.

Arnstadt wird 704 erstmals in einer Schenkungsurkunde erwähnt und ist 954 Ort

eines Reichstages König Ottos I.Der Ort befindet sich im 12. Jahrhundert im Be-

sitz des Klosters Hersfeld, das auch der Bauherr der Liebfrauenkirche war, einer

vierjochigen dreischiffigen Pfeilerbasilika,die im frühen 13.Jahrhundert begonnen

und Anfang des 14. weitgehend fertiggestellt wurde, und die durch den Kontrast

von romanischen und gotischen Bauteilen besonders reizvoll wirkt. Die

ursprüngliche Flachdecke wurde bereits um 1250 durch eine frühgotische

Gewölbedecke mit Obergadenfenstern ersetzt. Im Westen befindet sich ein

riegelartiger Vorbau mit einem mittigen Säulenportal und zwei zum Teil

achteckigen Türmen mit Giebelkranz, die romanisch begonnen und gotisch

vollendet wurden. Beachtenswert sind die figürlichen Wasserspeier. Zwischen den

beiden Türmen befindet sich eine Vorhalle,die sich in einem Rundbogen mit einer

darüber liegenden Empore in Richtung des Mittelschiffes öffnet.

Die Wartburg in Eisenach, ur-

sprünglich eine Territorialburg der

Landgrafen von Thüringen, wurde

der Legende zufolge 1067 vom

Ahnherrn des Geschlechtes der

Ludowinger, dem Grafen Ludwig

dem Springer,erbaut.Sie befand sich

bis ins 13. Jahrhundert im Besitz der

Familie. Für 1080 ist ihre Existenz

erstmals belegt. Nachdem die Burg

nach Erbfolgestreitigkeiten in den

62

Abb. 53:Wartburg/Eisenach

Besitz der Wettiner gelangt war, fiel sie 1741 an Sachsen-Weimar und blieb daselbst

bis 1918. Seit 1922 ist sie im Besitz der Wartburg-Stiftung. Die Aufenthalte

hochberühmter Persönlichkeiten auf der Burg wie Walther von der Vogelweide,

Wolfram von Eschenbach oder Martin Luther, der hier das Neue Testament in die

deutsche Sprache übersetzte (1521/22) sowie das Leben und Wirken der heiligen

Elisabeth von Thüringen (1211 - 1228) auf der Wartburg verleiht der Anlage ein

außergewöhnliches historisches Ambiente, wozu die Erinnerung an das

„Wartburgfest“,das erste deutsche Burschenschaftsfest (18.Oktober 1817),auf dem

die Forderung nach der nationalen Einheit Deutschlands gestellt wurde, noch das

ihre beiträgt.

Die Hauptbauzeiten der Burg sind das 12.und das 19.Jahrhundert.Um 1155 wurde

mit dem Bau des Palas, des heute wahrscheinlich besterhaltenen romanischen

Profanbaus nördlich der Alpen, der 1180 vollendet wurde, begonnen. Er zeichnet

sich durch die typische Wehrhaftigkeit nach außen, durch hofseitig offene

Arkadengänge mit ursprünglich an die 200 Säulen mit exzellenten Kapitellen und

reichem bauplastischen Schmuck aus, wobei die Gänge 1317/18 nach Brand-

schäden zugemauert, Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge umfangreicher

Restaurierungen jedoch wieder geöffnet wurden.

Der „Rittersaal“ mit seinem Kreuzgewölbe, der gedrungenen Mittelsäule mit

einem altertümlichen Kapitell und dem einfachen Estrichboden vermittelt in seiner

Schlichtheit anschaulich das Gefühl ritterlichen Raumerlebens im 12. Jahrhun-

dert.Erwähnenswert sind auch die Elisabethkemenate (der Name kam im 17. Jahr-

hundert auf), die zwischen 1902 und 1906 mit bunten Mosaiken geschmückt

wurde,und die Burgkapelle,worin,obschon sie in ihrer ursprünglichen Form durch

einen Brand zerstört wurde, noch Reste einer Wandmalerei aus der Zeit um 1300

zu bestaunen sind.Bergfried, „Neue Kemenate“ sowie mittlere Torhalle mit Söller

und Dirnitz (beheizter Raum) wurden unter dem Großherzog Carl Alexander von

Sachsen-Weimar und Eisenach (1818 - 1901) in einer das Rittertum romantisie-

renden Form erbaut und sind nur diesbezüglich von Interesse.

Der Überlieferung zufolge wurde auf dem Petersberg bei Erfurt schon 706/707

ein Chorherrenstift gegründet.Historisch gesichert ist,dass sich um 1060 ein solches

auf dem Petersberg befunden hat, das vom Erzbischof von Mainz in ein benedik-

tinisches Eigenkloster umgewandelt wurde, und das im hohen und späten Mittel-

alter in Blüte stand. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts wurden hier mehrere

Reichs- und Hoftage abgehalten, und in der Klosterkirche unterwarf sich 1181

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auch Heinrich der Löwe demonstrativ Kaiser Friedrich I. Barbarossa. 1803 wurde

das Kloster säkularisiert und 1994 die Klosterkirche St. Peter und Paul, einer

der frühesten und bedeutendsten romanischen Kirchenbauten Thüringens, an die

Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten übertragen. Die dreischiffige Pfeilerba-

silika gilt als erster Großbau der Hirsauer Schule auf thüringischem Boden (75 m

Länge).

Die ursprüngliche Kirche

wurde durch einen Brand

zerstört und danach durch

den Bau der Peterskirche

ersetzt (1103 - 1147),die nach

dem Vorbild Hirsaus mit

einem rechteckigen Chor

und zwei Türmen über den

Ostenden der Chorseitenschiffe versehen wurde. Beachtenswert ist die Qualität

der Bearbeitung der großformatigen Quader, die bis zu zwei Meter lang sein kön-

nen.An der Außenmauer befinden sich eine um 1360 angefertige Ritzzeichnung

des Schmerzensmannes, ein Kreuzigungsrelief (um 1370) sowie eine an die Pest

erinnernde Inschrift von 1382. 1813 wurde das Kloster im Zuge der napoleoni-

schen Kriege beschädigt, wobei unter anderem das Dach der Kirche sowie deren

Innenausstattung verbrannt wurden. In weiterer Folge wurden die Klostergebäude

geschleift,die Kirche in ein Proviantmagazin umgewandelt,die Türme bis auf Höhe

der Seitenschiffe abgetragen, in den Obergaden drei Lagerebenen eingebaut und

ein neuer Dachstuhl errichtet (1820).Auf eine Krypta wurde nach Hirsauer Art

verzichtet. Ursprünglich war das Mittelschiff mit einer Flachdecke versehen und

durch Pfeilerarkaden von den Seitenschiffen getrennt, 1499 - 1505 jedoch wur-

den Chor und Querhaus eingewölbt. Den liturgischen Bedürfnissen der Mönche

entsprechend befand sich nach dem siebenten Joch eine Abschrankung mit einem

Kreuzaltar. Hier endete der Laienteil der Kirche und es begann der chorus minor, in

dem die Mönche mit den niederen Weihen standen, gefolgt vom chorus major, der

den Priestermönchen vorbehalten war, und dem dreischiffigen Presbyterium.

Heute sind die Innenwände der Basilika mit mehreren Farbschichten bedeckt,wo-

bei sich Reste der ursprünglichen romanischen Ausmalung erhalten haben, die zu

den ältesten Wandmalereien in Thüringen zählen.In der Südostecke des Westturms

hat die untere Hälfte einer monumentalen romanischen Heiligen- oder Stifterfi-

64

Abb. 54: Peterskirche, Erfurt, Innenansicht

gur mit einem Buch in der Hand (Paulus?) die Zeiten überdauert, an der Südseite

Fragmente einer weiteren (Fuß und Gewandfalten).An der Ostwand des nördli-

chen Nebenchores findet sich die Abbildung einer romanischen Kreuzigungsszene,

die den Gekreuzigten umringt von sechs Heiligen darstellt, wohl der bedeutend-

ste Rest der Romanik auf dem Petersberg.

Heute präsentiert sich die ehemalige Kirche als mächtiger, gedrungener Bau mit

einem dominanten Satteldach, dessen spätere Nutzung als Lagerhaus durch

nachträgliche Fensterdurchbrüche und Einbauten erkennbar ist.

Das von der sächsischen Adeligen Pau-

lina (um 1067 - 1107) kurz nach 1100

im Rottenbachtal gegründete ehema-

lige Benediktinerkloster Paulinzella,

ursprünglich bis zur Beisetzung der Ge-

beine der Stifterin im Chor der Kirche

(1122/23) Marienzelle genannt, ist ei-

nes der wichtigsten romanischen Bau-

denkmäler Mitteldeutschlands. Bis zur

Mitte des 14. Jahhrunderts wurde es als

Doppelkloster betrieben, danach als

Mönchskloster.1534 wurde das Kloster

im Zuge der Reformation aufgehoben

und gelangte 1574 in den Besitz der

Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt,

die nach 1542 auf dem Klostergelände

ein Amtshaus zur Verwaltung der Klostergüter und nach 1600 ein Jagdschloss er-

richten ließen. Die durch Gewitterschäden Anfang des 17. Jahrhunderts schwer

beschädigte Kirche wurde mehrfach ausgebessert, ehe um 1680 der Chor abge-

rissen und aus dem Baumaterial im südlichen Seitenschiff vorübergehend eine

Schlosskapelle errichtet wurde.Lange wurden Kirche und Klosterbauten als Stein-

bruch für den Schlossbau in Gehren und den Hausbau in Paulinzella genutzt. Um

1800 erlangte die Ruine im Zusammenhang mit der Romantik und der damit

verbundenen schwärmerischen Verehrung des Mittelalters zunehmend Beachtung,

sie wurde zum beliebten Touristenziel.Auch Friedrich Schiller und Johann Wolf-

gang von Goethe,der hier seinen 68.Geburtstag feierte,zählten zu den Besuchern.

Jetzt wurden erste Maßnahmen zur Erhaltung des romanischen Kulturdenkmals

65

Abb. 55: Paulinzella

ergriffen. 1965 - 1969 erfolgten umfangreiche Instandsetzungs- und Sicherungs-

arbeiten, seit 1994 gehören Kloster und Jagdschloss zum Bestand der Stiftung

Thüringer Schlösser und Gärten.

Die Klosterkirche, eine dreischiffige Säulenbasilika mit Querhaus wurde wohl

zwischen 1105 und 1160 errichtet. 1124 waren bereits der Altarraum, das

ursprünglich flach gedeckte Langhaus und das Kirchenportal errichtet, die Kirche

konnte geweiht werden. Es folgte die Errichtung des vierflügeligen Kreuzganges

nebst Klostergebäuden im Süden der Kirche.

Wie auf dem Erfurter Petersberg wurden auch in Paulinzella Vorstellungen der

Hirsauer Reformbewegung architektonisch umgesetzt. Dazu zählen im Westen

eine Vorkirche mit Türmen, die zum Chor hin geöffneten Nebenchöre, die

Unterscheidung von chorus minor und major und der Verzicht auf eine Krypta. Im

Obergeschoss der Vorkirche befand sich wohl eine zum Langhaus hin geöffnete

Empore, von wo aus die Nonnen am Gottesdienst teilhatten.Als eine der ersten

Kirchen im deutschsprachigen Raum erhielt die Klosterkirche ein mächtiges Säu-

lenportal im Westen, auf dessen Bogenfeld noch die Muttergottes mit Kind zu er-

kennen ist, vielleicht flankiert von zwei Engeln mit dem Reichsapfel. Monströse,

plastisch dargestellte Fabeltiere an den Kapitellen sollten das Kircheninnere vor

dem Eindringen des Bösen bewahren. Im Seitenschiff der Vorkirche sind noch

originale Architekturfragmente erhalten, im Querhaus zum Teil Apsiden. Die

Mittelschiffwand wird von monolithen Säulenschäften mit attischen Basen und

Würfelkapitellen getragen. Über den Arkaden des Mittelschiffes verläuft ein für

die Hirsauer Architektur typisches horizontales Schachbrettfries mit vertikalen

Fortsätzen.Das Langhaus wird durch einen steinernen Triumphbogen zur Vierung

hin abgeschlossen. In der Vorkirche und im Langhaus gefundene Grabplatten sind

heute im nördlichen Seitenschiff der Kirche ausgestellt.

Nordwestlich der Kirche ist das ehemalige Hospital oder Gästehaus, vermutlich

aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, erhalten geblieben, dessen Architek-

tur jener der Kirche um nichts nachsteht. Dieses anfänglich tonnengewölbte

Gebäude mit sorgfältig behauenen Quadersteinen,Biforien- und Rundbogenfen-

stern im Untergeschoss, wurde als Speicher für Naturalabgaben der zinspflichti-

gen Dörfer, als Zinsboden, genutzt und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

um ein Fachwerkgeschoss erweitert.

Der Burgberg von Kyffhausen wurde schon von den frühen Germanen als ge-

eignete Stätte für eine Fluchtburg und eine Kultstätte genutzt und spielte im Mit-

66

telalter als Ort einer wehrhaften Verteidigungsanlage eine wichtige Rolle.Das heute

noch zu bestaunende Burgenensemble dürfte auf Lothar von Supplinburg (gest.

1137) zurückgehen, der eine bereits bestehende Anlage, die Ende des 11. bis An-

fang des 12. Jahrhunderts errichtet worden war, 1118 vollständig zerstören und

eine neue errichten ließ, deren Bau unter Friedrich I. Barbarossa (gest. 1190) ab-

geschlossen wurde.Zwischen 1147 und 1239 sind königliche Dienstmannen (Mi-

nisterialen) auf Kyffhausen nachzuweisen. Die auch in Kyffhausen „beheimatete”

und im Mittelalter sehr populäre Wandersage vom Kaiser Friedrich im Berg, der

hier gemeinsam mit seinen streitbaren Gefährten auf die Rückkehr zur letzten

Schlacht gegen den Antichrist warte, dokumentiert die Erinnerung an Friedrich

I. in dieser Region, wo der Herrscher sich auch mehrfach zu Lebzeiten aufgehal-

ten hat. Nach dem Niedergang der Staufer folgten häufige Besitzerwechsel und

damit verbunden durch regionale Streitigkeiten auch sukzessive der Verfall des Bur-

genkomplexes. Bereits 1421 wird Kyffhausen in der „Thüringischen Chronik” als

wüstes Schloss erwähnt.Das Mauerwerk diente den umliegenden Ortschaften lange

als Steinbruch. Dennoch weisen noch heute die Ruinen der romanischen Anlage

auf deren einstige Bedeutung hin. Dem in Unter-, Mittel- und Oberburg dreige-

teilten Burgenkomplex von über 600 m Länge und 60 m Breite schließt sich in

östlicher und westlicher Richtung ein System von Wällen und Gräben an.

Zwei Drittel der Oberburg sind zerstört, die Ruine des westlichen Bergfrieds, der

17 m hohe, so genannte Barbarossaturm hingegen, die zur Hälfte erhalten ist, lässt

noch das für die Epoche der Staufer typische mächtige Buckelquadermauerwerk

(bis zu 3 m Mauerstärke) erkennen. An ihrer Ostseite sind noch Reste des einst

ummauerten Abortschachtes zu erkennen.In 10 m Höhe befindet sich der Eingang

zum Bergfried mit Sitznische für einen Wächter. Um den Bergfried angeordnete

Fundamentreste lassen auf einen dreigeteilten Palas und ein Küchengebäude

schließen.Der Durchgang des „Erfurter”Tores,eines einfachen Kammertores ohne

weitere Verteidigungsanlagen wie Zugbrücke oder Gusslöcher,ist in seinem original

romanischen Zustand weitgehend erhalten geblieben. Lediglich eine im

19. Jahrhundert errichtete Treppe wurde hinzugefügt. Beachtenswert ist auch der

Jahrhunderte zugeschüttet gewesene und in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts

wieder freigelegte Burgbrunnen, der mit 176 m Tiefe weltweit der tiefste seiner

Art ist. Sein Wasserstand, der durch eine Sickerwasserquelle erreicht wird, beträgt

konstant neun Meter.Auch von der einst gewaltigen Ringmauer sind noch Teile

erhalten. In wesentlich besserem Zustand befindet sich die geschlossene, bis 10 m

67

hohe Ringmauer der Unterburg,von der ansonsten noch der Stumpf eines ehemals

wohl 30 m hohen Bergfrieds sowie ein hoher Wohnturm und eine Kapelle

existieren.An die Mittelburg erinnern nur noch zwei Mauerwerkreste.

Berühmt ist das Kyffhäuserdenkmal, eine 81 m hohe Anlage auf dem Gipfel des

Burghügels mit Denkmalturm, steinerner Barbarossafigur und Reiterstandbild

Kaiser Wilhelms I.Dieser Anlage mussten zwischen 1890 und 1896 große Teile der

Oberburg weichen.

Eine völlig andere kunstlandschaftliche Situation finden wir in der Lombardei im

Gebiet um Modena, der heutigen Emilia Romagna. Der dortige, ursprünglich

holzgedeckte Dom (1099 - 1184) weist einen einfachen Stützenwechsel, Schei-

nemporen und Schwibbögen zwischen den Jochen auf.Wie in Gurk wurde auch

hier ein Querschiff nachträglich aufgesetzt, die plastische Ausstattung des West-

portales mit Reliefs und Einzelfiguren durch Wiligelmus nach 1117 (?) ist berühmt.

Charakteristisch für Oberitalien ist der einzelne, hier isoliert im Nordosten ste-

hende Glockenturm.Auch der ursprünglich fünfschiffige Dom von Ferrara (1133

- 1177) besaß einen offenen Dachstuhl mit Schwibbögen. In der Stiftskirche von

Nonantola ist besonders die Portalplastik nach 1121 zu erwähnen. Der Dom von

Parma, der noch auf die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückgeht, verkörpert

eine bereits kreuzrippengewölbte Basilika mit Emporen. Seine Westfassade besitzt

vorgeblendete Bogengalerien über mehrere Geschosse, daneben erhebt sich ein

mächtiger einzelner Glockenturm. Das Baptisterium gilt als Sonderleistung der

68

Abb. 56: Kyffhäuserdenkmal

Spätromanik:Achteckig und turmartig steil besitzt es eine zweischalige Ummaue-

rung mit mehreren Laufgängen übereinander und ist durch die Skulpturen des

Benedetto Antelami berühmt, wie überhaupt die lombardische Bauplastik für

Mitteleuropa (Deutschland und Österreich) von großer Bedeutung wurde.

Modena war bereits zur Zeit

des Römischen Imperiums

eine bedeutende Stadt

(Mutina),wurde während der

Völkerwanderung verlassen

und durch eine Über-

schwemmung zerstört, im

frühen Mittelalter wieder

aufgebaut und entwickelte

sich bald zu einer blühenden

Handelsstadt, worauf der

Dom, eines der größten

Meisterwerke der Romanik

in Europa, hinweist. 1099

beauftragen die Bürger der

Stadt den hochgerühmten

Baumeister Lanfranco mit der

Errichtung der Kathedrale, der durch göttliche Eingebung (so zeitgenössische

Chroniken), einen Architekturstil kreierte, der die nachfolgende Entwicklung der

Romanik stark beeinflussen, und der im Steinmetzmeister Wiligelmus einen kon-

genialen Partner finden sollte.Die dreischiffige Kathedrale wurde im Zentrum der

Stadt errichtet, dort wo sich das Grab des Stadtpatrons Geminianus befand, des

vermutlich zweiten Bischofs Modenas, der um 396 verstorben war.Das Motiv der

Zwerggalerie mit Blendtriforien, die kleinen Blendbögen, die säulentragenden

Löwen, die Vorhallen oder auch die Flachreliefs auf der Hauptfassade sind typisch

romanisch und in ihrer Art einzigartig. 1084 wurde der Dom geweiht, 1117 durch

ein großes Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen,das zur Schieflage der Apsis führte,

und bereits zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert erfolgten Umbauten durch die

Werkstätte der Maestri Campionesi aus der Lombardei. Um 1322 war das

Gotteshaus fertiggestellt,nachdem noch etliche Künstler an seiner Ausstattung mit-

gewirkt hatten. Die Fassade der Kathedrale ist entsprechend den Kirchenschiffen

69

Abb. 57: Kathedrale von Modena

dreigegliedert. Unter der Fensterrose befindet sich das von Wiligelmus und seiner

Werkstätte angefertigte Hauptportal, an der Südseite die Porta dei Principi

(Fürstentor), die von einem Schüler des Meisters stammt, und die Porta Regia

(Königstor) aus rotem Veroneser Marmor.An der Nordseite schließlich ist die Porta

della Pescheria (Fischmarkttor) angebracht.Die Ausstattung der Portale erzählt zahl-

reiche Geschichten.Weltberühmt sind vor allem die Steinreliefs des Wiligelmus,

der Motive der Genesis, von Adams Erschaffung bis zur Arche Noah, bildlich

umsetzte.

Die Kathedrale zeichnet die harmonische Kombination von exzellenter

Architektur und vorzüglichen Skulpturen aus.Außen verläuft die ringsumlaufende

Galerie, im Inneren wechseln sich Säulen mit antikisierenden Kapitellen und

mächtige Pfeiler mit Halbsäulen ab. Besonders ansprechend sind auch die hohe

Krypta auf 32 Säulen mit Kapitellen, worin sich die Grabstätte San Geminianus’

befindet, der Lettner aus geraden Steinplatten auf Säulchen, deren vordere Reihe

auf Stützfiguren ruht sowie die Reliefs an der Kanzel und an der Chorbrüstung -

Glanzleistungen romanischer Kunst.

Die untere Hälfte des Campaniles (Glockenturm) wurde zugleich mit dem Dom

errichtet - bis 1169 war er durch Lanfranco bis zum fünften Stock erbaut - der

achteckige Aufbau stammt von den Maestri Campionesi und ist im gotischen Stil

gehalten (Fertigstellung 1319).Die Schieflage des Turmes resultieret aus dem sump-

figen Untergrund und unkorrekten statischen Berechnungen bei seiner Errich-

tung. 1997 wurden Dom und Glockenturm von der UNESCO gemeinsam mit

der Piazza Grande zum Weltkulturerbe erhoben.

Die ehemalige Benediktiner-

abtei Nonantola, unweit im

Nordosten von Modena

gelegen, ist ein herausragen-

des romanisches Denkmal.

Das Kloster San Silvestro

wurde 752 vom heiligen An-

selm, dem Schwager des

Langobardenkönigs Aistulf,

begründet und mit den Reliquien des heiligen Sylvester ausgestattet,die sich noch

heute in der Kirche befinden. Bald wurde es zu einem mächtigen religiösen,

kulturellen und politischen Zentrum der Region.An der Grenzlinie zwischen dem

70

Abb. 58: Benediktinerstift Nonantola

lombardischen und byzantinischen Einflussgebiet gelegen, wurde die Abtei aber

auch mehrfach geplündert und zerstört. Der heute zu bewundernde romanische,

dreischiffige Bau wurde im 11./12. Jahrhundert errichtet, dem Höhepunkt der

Ausstrahlung der Abtei, jedoch haben zahlreiche Aus- und Umbauten ihr Ausse-

hen stark verändert. So wurden zwischen 1461 und 1466 die hölzerne Flachdecke

durch eine Gewölbedecke ersetzt und die phantastische romanische Krypta zuge-

schüttet, die gesamte Fassade im 17. und 18. Jahrhundert barockisiert, der Innen-

raum verputzt und ein Glockenturm auf Höhe der Hauptapsis errichtet, die ins

12. Jahrhundert datiert wird. Im 20. Jahrhundert erfolgten umfassende Restaurie-

rungsarbeiten mit dem Ziel, das ursprüngliche Aussehen der Abtei wieder

herzustellen. Unter anderem wurden die Apsis reromanisiert und der Verputz von

den Wänden sowie das Gewölbe des 15. Jahrhunderts entfernt, das durch einen

hölzernen Dachstuhl ersetzt wurde, der Fußboden wurde tiefer- und mächtige

Kreuzpfeiler freigelegt. Besonderes Augenmerk galt der großen Krypta, dem

ältesten Teil der Kirche, mit ihren 64 kleinen, ein Kreuzgewölbe tragenden Säulen

und Kapitellen.Auch sind heute Flachreliefs an den Außenflächen der Portalpfosten

wieder zu bewundern. Das Innere der Abtei überzeugt durch seine nüchterne

Strenge, obschon durch die nicht immer professionellen Restaurierungsarbeiten

die Authentizität des Raumes gelitten hat.Im ehemaligen Refektorium des Klosters

wurden großartige Fresken vom Ende des 11. bis Anfang des 12. Jahrhunderts

freigelegt, die Szenen aus dem Leben des heiligen Benedikt von Nursia und jenen

der Apostel Petrus und Paulus sowie das Jüngste Gericht darstellen. Außer-

gewöhnlich wertvoll sind auch die Bestände des Archives mit Dokumenten aus

dem 8. bis 11. Jahrhundert. Der Klosterschatz ist von enormem Wert und enthält

neben anderen herausragenden Exponaten auch das Evangelistar der Gräfin

Mathilde von Tuszien (gest. 1115).

Der Gründungssage der Pfarrkirche Santa Maria in Castello in Carpi zufolge hat

König Aistulf den Bau der Kirche an der Stelle angeordnet, an der er seinen

Lieblingsfalken nach verzweifelter Suche auf einer Weißbuche (italienisch carpino)

sitzend entdeckt hatte,nachdem ihm dieser auf der Jagd abhanden gekommen war

Heute steht die romanische Kirche, die 1184 von Papst Lucius III. eingeweiht

wurde und seither la Sagra genannt wird, flankiert von einem 49,5 m hoch

aufragenden romanischen Glockenturm, der zwischen 1217 und 1221 errichtet

wurde, im Zentrum des Ortes. Sie ist der Nachfolgebau einer wesentlich älteren

Kirche. 1515 wurde sie zum Großteil abgetragen, um zwei Drittel der

71

ursprünglichen Ausmaße reduziert und in eine Kapelle umgewandelt, wobei die

Steine zu deren Bau verwendet wurden. Lediglich das romanische Portal, das in

die von Baldassare Peruzzi gestaltete Renaissancefassade eingefügt wurde,die Apsis,

einige vorzüglich gearbeitete Reliefs und Skulpturen und das Presbyterium blieben

damals erhalten. Im Barock wurde die Kapelle dem gängigen Stil angepasst.

Ausgrabungen von 1877 erlaubten die Rekonstruktion der romanischen Pfarr-

kirche. Es handelte sich um eine dreischiffige Pfeilerbasilika, die bis 1901 in ihrer

romanischen Struktur mit Blendbögen und dem Originalportal (datieret mit 1184),

worauf die Kreuzigung Christi dargestellt ist, restauriert wurde. Auch der

Innenraum mit romanischen Fresken im Obergaden, welche den Abriss der

Pfarrkirche überstanden und durch das Tonnengewölbe der Kapelle verdeckt

wurden, und einer großartigen romanischen Kanzel, die von Niccolò, einem

Nachfolger des Wiligelmus, stammt, wurde stilgerecht wiederhergestellt. Fresken

in der Apsis von der Wende des 12. zum 13. Jahrhundert, die vom Altar der Kapelle

verdeckt waren und deshalb die Zeiten überstanden, stellen die Anbetung der

heiligen Dreikönige dar.

72

Abb. 60: Carpi, Santa Maria in Castello, PortalAbb. 59: Carpi, Santa Maria in Castello

Die Anfänge Ferraras,

deren Stadtzentrum zum

Weltkulturerbe erklärt

wurde, gehen ins achte

Jahrhundert zurück, in die

Zeit des Langobarden-

königs Desiderius 1135

wurde mit dem Bau der

fünfschiffigen Kathedrale

San Giorgio, einer der

faszinierendsten in Nord-

italien,begonnen,und im 16. Jahrhundert wurde er fertiggestellt.Anfangs umfasste

die prächtige Marmorfassade mit ihrem eigenartigen dreigeteilten Aufbau, den

vielen Skulpturen, Bögen und Fenstern nur die erste Bogenreihe. Sie ist typisch

romanisch.Aus der Anfangszeit stammen auch das große Eingangsportal mit den

wunderbaren Reliefs des Baumeisters Nicholaus (1135).Auf dem Tympanonrelief

ist der heilige Georg als Drachentöter dargestellt. An der Längsseite des Domes

befinden sich Reste der Porta dei Mesi, des Tores der Monate, die im

18. Jahrhundert zerstört wurde. Mehrere Skulpturen, die das Tor schmückten, sind

erhalten geblieben und sind im Dommuseum ausgestellt.Der Oberbau der Haupt-

fassade mit zahlreichen kleinen Bögen und einem außergewöhnlichen Jüngsten

Gericht ist aus dem 13.Jahrhundert und bereits gotisch.Aus gotischer Zeit stammen

auch die drei Pfeiler,welche wohl die Dreifaltigkeit symbolisieren sollen.Der Chor

und der beeindruckende unvollendete Glockenturm, der Leon Battista Alberti

zugeschrieben wird, stammen aus der Renaissance. Im 15. Jahrhundert wurden

Läden und Handwerksstätten an die rechte Flanke des Kirchengebäudes (Piazza

Trento e Trieste) angebaut.Der goldene Innenraum,der völlig modernisiert wurde,

ist mit Gemälden von Meistern der Ferrareser Schule ausgestattet. Das Dommu-

seum enthält nur wenige, dafür aber erlesene Stücke romanischer Provenienz.

Parma wurde 183 v. Chr. von den Römern gegründet und befand sich in Hän-

den vieler Mächte, von den Langobarden über die Franken und dem Kirchenstaat

bis hin zu den Franzosen, Bourbonen und Marie-Luise von Österreich. Mit dem

Bau der dreischiffigen Pfeilerbasilika mit einschiffigem Querbau und hoher Krypta,

worin sich Reste eines Mosaikfußbodens befinden, wurde um die Mitte des

11. Jahrhunderts begonnen (Abb. 62+63). Im 13. Jahrhundert erhielt der Dom

73

Abb. 61: Kathedrale von Ferrara

einen höheren Oberbau. Das sich daran

anschließende Baptisterium wurde zwischen

1196 und 1307 errichtet, der 64 m hohe

Campanile ist gotisch.

Die Kathedrale mit ihrer breiten Fassade ist

eines der schönsten Beispiele für die Romanik

in der Poebene.Die Giebelfassade verfügt über

ein Rundbogenfenster, erwähnenswert sind

auch die drei Rundbogengalerien und der von

auf Löwen stehenden Säulen getragene

vorgebaute Baldachin.Die Monatsbilder über

dem Hauptportal, beginnend mit März, sind

außergewöhnlich.

Der Innenraum ist mit Fresken im manieristi-

schen Stil geschmückt und verfügt über zwei

Kapellen mit Fresken aus dem 15. Jahrhun-

dert. Außergewöhnlich ist die Bemalung der

Kuppel (um 1530), eine Himmelfahrt Mariae,

von Antonio Allegri Correggio. Im Chor-

scheitel des Hauptchors befindet sich der

marmorne Bischofssitz des Kadaloh von

Parma, ein Werk des Benedetto Antelami aus

Como, des bedeutendsten Bildhauers der

italienischen Romanik, dem auch eine beein-

druckende Darstellung der Kreuzabnahme auf

einer Reliefplatte an der rechten Querschiff-

seite, romanische Steinmetzkunst des 12. Jahr-

hunderts in Vollendung, zugeschrieben wird.

Höchst beeindruckend ist auch die achteckige

sechsstöckige Taufkirche aus Veroneser rosa

Marmor,entworfen von Antelami,ein seltenes

Beispiel für den Übergang vom romanischen

zum gotischen Baustil. Der Grundriss

symbolisiert die Vereinigung von Erde

(Quadrat) und Himmel (Kreis), die drei

74

Abb. 62: Kathedrale von Parma

Abb. 63: Kathedrale von Parma, Baptisterium

Portale stehen für die Dreifaltigkeit. Der Figurenschmuck über dem Portal an der

Nordseite zeigt Szenen aus dem Leben Johannes’des Täufers,jener beim Westportal

verschiedene Bibelszenen und der am Südportal Szenen aus der Legende von

Barlaam und Josaphat.

Der bunte Innenraum erscheint 16seitig mit 13 apsidenartigen Rundnischen und

einem 16teiligen Gewölbe. Die großen Skulpturen, die das monumentale des

romanischen Stils plastisch vor Augen führen,stammen hauptsächlich von Antelami

und stellen Allegorien der Monate, Personifizierungen der Jahreszeiten und

Tierkreiszeichen dar. Gewölbe und Nischen wurden im 13. und 14. Jahrhundert

ausgemalt. Das schöne Deckenfresko zeigt Szenen aus dem Leben Jesu.

Das heutige Slowenien ist ein junger Nationalstaat auf ethnischer Grundlage. Im

Mittelalter entwickelten sich an seiner Stelle unterschiedliche Herrschaftsgebilde

mit teilweise beträchtlichen kunstlandschaftlichen Unterschieden. Die Unter-

steiermark und Krain stehen parallel zu Kärnten in einem Spannungsverhältnis

zwischen dem Erzbistum Salzburg und dem Patriarchat Aquileia. Sowohl

hinsichtlich der Chorturmkirchen als auch der Karner sind die Affinitäten zu

Kärnten und der Steiermark offensichtlich. In Marburg/Maribor und Pettau/Ptuj

entstanden im 12. bzw. frühen 13. Jahrhundert Neubauten der Stadtpfarrkirchen

als flachgedeckte Basiliken; letztere erhielten ein massives Westwerk in aufwändi-

ger Quadermauerung mit einer erzbischöflichen Empore im Obergeschoß.Pettau

genoss als erzbischöfliche Nebenresidenz überhaupt eine besondere Bedeutung,

die in der mächtigen Burganlage ersichtlich wird, von der noch eine romanische

Halle des Palas erhalten ist. In der ehemaligen Benediktinerabtei Oberburg/Gornji

Grad (gegründet 1140) zeigt schon die Lage des Turmes den Einfluss des Patriar-

chen. Die zwei im Abstand von fast genau einem Jahrhundert erbauten Zister-

zienserkirchen von Sittich/Sticna (gegründet 1135/36) und Mariabrunn bei Land-

straß/Kostanjevica (gegründet von Herzog Bernhard von Kärnten 1234) zeigen

wiederum gut die Dynamik der Ordensbaukunst: dort eine noch bodenständig

beeinflusste,ursprünglich flachgedeckte Basilika mit fünf Rundapsiden (davon drei

in gleicher Flucht), hier eine bereits frühgotische Gewölbearchitektur auf Bün-

delpfeilern.Schließlich verdienen noch die untersteirischen Karthausen Seiz/Zice

(mit der Hospizkirche von Spitalic) und Gairach/Jurkloster Erwähnung, die in

ihren Gewölben, Gurtrippen und Portaldekoration teilweise eine frühe französi-

sche Gotikrezeption unter direktem Einfluss des Herzogs Leopold VI. erkennen

75

lassen,was in der so genannten Gruppe von Tüffer/Lasko nachwirkt.Im Prekmurje,

das zum Königreich Ungarn gehörte, zeigen Beispiele wie Selo eine stärkere

Affinität zu osteuropäischen Rundkirchen, während im Karst und dem Küsten-

gebiet eine eigene mediterrane Tradition wirkt, die in der dreischiffigen

Gewölbehalle von Hrastovlje ebenso zum Ausdruck kommt wie im Dom von

Koper (12. Jahrhundert).

Koper ist die einzige slowenische Hafen- und Industriestadt und liegt an der Nord-

westküste Istriens. Die älteste Besiedlung der Insel Koper vor der Küste entstand

zur Zeit der römischen Republik und hatte den Namen Capris, was häufig von

stabulum caprorum (Ziegenverschlag) abgeleitet wird. Bereits gegen Ende des

römischen Kaiserreiches hatte sich auf der Insel eine ansehnliche Siedlung

entwickelt. Nachdem die Wirrnisse der Völkerwanderungszeit gut überstanden

waren, fiel Carpis an Byzanz, wurde gut befestigt, und in Justinopolis (nach Justin

II.) umbenannt.Die wichtige Insellage auf der Route nach Grado,einer wichtigen

Metropole der Zeit, ließ die Inselsiedlung schnell erblühen. Als sie durch den

Slawenzuzug ab dem achten Jahrhundert,welche das Hinterland besetzten,bedroht

wurde, verbündeten sich ihre Bewohner mit Venedig (932), das für die nötige

Sicherheit sorgen konnte.Danach herrschten die Markgrafen von Istrien bis 1208

über die Stadt,später die Patriarchen von Aquileia,welche den Ort in Caput Histriae

(Haupt Istriens) umbenannten, woraus schließlich das italienische Capo d‘Istria

wurde.Ab 1279 übernahm Venedig endgültig das Kommando über die Stadt. Die

Kathedrale entstand in weißem istrischen Stein ab dem Ende des 12. Jahrhunderts,

als Koper zur Diözese wurde, und ist vorwiegend in gotischem Baustil errichtet.

An die romanischen Anfänge des Domes erinnern eingemauerte Fenster an der

Südseite und das rekonstruierte Südtor, das sich heute im Stadtmuseum befindet.

Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Dom ausgebaut, wobei der Architekt die

gotischen Elemente des unteren Fassadenteiles

beibehielt und oben neue Renaissanceformen

hinzufügte. In der ersten Hälfte des 18. Jahr-

hunderts wurde er erneut vergrößert

(G. Massari) und dadurch eine neue barocki-

sierte Saalkirche geschaffen.Als die Klöster und

Kirchenorden in der zweiten Hälfte des 18.

und Anfang des 19. Jahrhunderts aufgelöst

wurden, ging der reiche Kirchenschatz bis auf

76

Abb. 64: Dom von Koper, Slowenien