Die Schweiz - Credit Suisse...Die Schweiz Sorgenbarometer Indikator seit über 30 Jahren Identität...

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Die Schweiz Sorgenbarometer Indikator seit über 30 Jahren Identität Schweiz Qualität ist ein Hauptmerkmal Finanzplatz Ein Eckpfeiler der Volkswirtschaft Talentförderung Credit Suisse Academy in Emmen Gesellschaft Engagement im Corporate Volunteering Dossier Mikrofinanz bekämpft Armut bulletin plus Nachfolge Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse Nummer 5 Dez. 08/Jan. 09

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Die SchweizSorgenbarometer Indikator seit über 30 Jahren

Identität Schweiz Qualität ist ein Hauptmerkmal

Finanzplatz Ein Eckpfeiler der Volkswirtschaft

Talentförderung Credit Suisse Academy in Emmen

Gesellschaft Engagement im Corporate Volunteering

Dossier Mikrofi nanz bekämpft Armut

bulletin plus Nachfolge

Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse Nummer 5 Dez. 08/Jan. 09

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Procap, die grösste Selbsthilfeorganisation für Menschen mitBehinderungen in der Schweiz, dankt der CREDIT SUISSE undihren Volunteers für die tolle Unterstützung 2008.

Andiamo!Menschen mit Behinderung erobern die slowUpwww.procap-andiamo.ch

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Arnaud Six aus Paris, ausgezeichnet als bester Darsteller desFestivals, bedankt sich bei der Jury

Volunteers der CREDIT SUISSE begleiten zwei gut gelaunteFrauen in Spezialfahrzeugen an einem slowUp.

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Qualität ist seit Jahrzehnten die Grundlage der wirtschaftlichen Stärke der Schweiz. Sie ist unser Trumpfass im Kartenspiel des globalen Wettstreits. Deshalb müssen wir gemeinsam alles unternehmen, damit die Schweizer Qualität auch in Zukunft gewährleistet ist. Das Sorgenbarometer und die ergänzende Umfrage «Identität Schweiz», die den Inhalt dieses Bulletin im Wesentlichen bestimmen, haben ergeben, dass Qualität nicht einfach ein probates Mittel zum Zweck der Wohlstandswahrung ist, sondern dass sie – neben der Neutralität – die wichtigste Komponente unserer Identität darstellt. Qualität entspricht dem Naturell der Schweizerinnen und Schweizer, sie de­finie­re­n sich durch e­in ausge­prägte­s Qualitätsbe­wusstse­in. Die­se­ Erke­nntnis stimmt mich optimistisch.

Optimismus gilt gemeinhin nicht als Charaktermerkmal des Schweizers. «Es geht» ist wohl die positivste Antwort, die man im Gespräch auf Fragen wie «Bist du zufrieden mit deinen privaten Aussichten?» oder «Wie läuft es dir im Geschäft?» erhält. Viele Antworten in unseren Umfragen zeigen aber, dass die Schweizer ihre individuelle Situation mit Blick auf das kommende Jahr durch- aus optimistisch beurteilen. Sie trauen Politik und Wirtschaft zu, die aktuellen Herausforderungen in den nächsten Monaten zu meistern. Gerade weil dies aber so ist, müssen wir die massvoll geäusserten Bedenken ernst nehmen. Viele Stimmbürger haben das Gefühl, im Vergleich zu früher für ihr Geld weniger zu bekommen beziehungsweise weniger Geld zur freien Verfügung zu haben. Sie vertrauen darauf, dass es gelingt, diese Entwicklung zu stoppen.

Vertrauen ist die Basis für eine lebenswerte Schweiz. Die Vertrauensabstim-mung im Sorgenbarometer ist positiv ausgefallen. Die Mehrheit der Bevölke-rung entzieht den wirtschaftlichen und politischen Akteuren in einer kritischen Phase nicht sofort das Vertrauen, sondern gibt ihnen die Chance, das – unausgesprochen zweifellos erschütterte – Vertrauen mit Taten innert nützlicher Frist wieder zu festigen. Dabei stehen gerade wir Finanzinstitute in der Pflicht. Wir befinden uns in einer der schwierigsten Phasen in der Geschichte des internationalen Finanzsystems, des Schweizer Bankenwesens und der Credit Suisse, und von dieser Krise sind Kunden, Aktionäre und Mit- arbeitende gleichermassen betroffen. Für uns gilt, die Lehren aus den Fehleinschätzungen der Marktentwicklung zu ziehen und die Banken und unseren Finanzplatz mittels einer umsichtigen, langfristig ausgelegten Geschäfts- und Regulierungspolitik sicher durch die Krise zu steuern. Nur so wird es uns gelingen, dem Vertrauen unserer Kunden gerecht zu werden. Walter B. Kielholz

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EMPIRIS wird unterstützt durch die Credit Suisse

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Em_Inserat_d_Publikationen.qxd 28.6.2007 9:57 Uhr Seite 1

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05Inhalt

Ihr Link zu unserem Know-how: www.credit-suisse.com/infocus

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Der Forest Stewardship Council (FSC) setzt mit 10 Prinzipien und Kriterien den Standard für eine umwelt- und sozialverträgliche Waldbewirtschaftung. Schweizer Papier (Z-Offset, mit 30% FSC-Anteil), aus europäischem Zellstoff, hergestellt von der ISO-14001-zertifizierten Ziegler Papier AG, Grellingen.

Die Schweiz Immer im Dezember veröffentlicht das Bulletin der Credit Suisse die Ergebnisse der Sorgenbaro-meter-Umfrage. Durchgeführt wird sie vom Marktfor-schungsinstitut gfs.bern. Im Schwerpunkt nehmen auch die Nationalratspräsidentin 2009, Chiara Simoneschi- Cortesi, und der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Rudolf Stämpfli, zu den Sorgen der Schweizer aus- führlich Stellung.

06 _ Sorgenbarometer Wenn das Geld knapp wird

12 _ Chiara Simoneschi-Cortesi Die Meinung der Politik

14 _ Identität Schweiz Eine weltoffene Swissness leben

20 _ Rudolf Stämpfli Die Meinung der Wirtschaft

22 _ Qualität Schweiz Erfolgsgarant, aber kein Selbstläufer

27 _ Wirtschaft

28 _ Finanzplatz Schweiz Seit Jahrzehnten von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung

32 _ Swiss Venture Club Ein Verein, von dem die KMU profitieren können

36 _ Sponsoring

36 _ Musik Wie unsere Orchester zu neuen, jungen Zuhörern kommen

39 _ Kunst Moderne Kunst für den Hauptsitz am Paradeplatz

40 _ Fussball In der Credit Suisse Academy werden Talente in Sport und Schule gefördert

43_ Bulletin plus «Nachfolge»

44 _ Gesellschaft

44 _ Dscheladas Der Zoo Zürich wird zum kleinen Semien-Hochland Äthiopiens

48 _ Bergwald Freiwilligeneinsatz unter dem Motto «For a better world»

54 _ Kurzmeldungen Dritter Empiris Award for Research in Brain Diseases vergeben

55_ Dossier Mikrofinanz

56 _ Bildungsinitiative Beitrag der Credit Suisse an die weltweite Mikrofinanzbewegung

59 _ Mikrofinanzinstitute Als tragfähiges Unternehmen die Armut bekämpfen

60 _ Investment Eine Anlage mit Rendite und sozialem Nutzen

62 _ Dialog Mit Gästen und Mitarbeitenden Informationen und Erfahrungen austauschen

64 _ Muhammad Yunus Interview mit dem Friedensnobelpreisträger und Gründer der Grameen-Bank in Bangladesch

Service

27 _ Wissenswert

39 _ Impressum

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Sorgenbarometer 2008

Sorge um den Wert des Geldes wächstArbeitslosigkeit, Krankenkassenprämie und Altersvorsorge führen seit Jahren die Top-Ten-Liste der seit 1976 im Auftrag des Credit Suisse Bulletin durchgeführten Sorgenbarometer-Umfrage an – so auch in diesem Jahr. Neu hat insbesondere die Sorge um den Wertverlust des Geldes markant zugenommen.

2008

Text: Daniel Huber

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Frage: «Welches sind heute Ihrer Meinung nach die fünf wichtigsten Probleme der Schweiz?» (Mehrfachnennungen)

Arbeitslosigkeit 53% (–4)

Gesundheitswesen 40% (+2)

Altersvorsorge 39% (–6)

Inflation 32% (+12)

Flüchtlinge 30% (+4)

Neue Armut 28% (+3)

Persönliche Sicherheit 27% (–3)

Ausländer 24% (–11)

Umweltschutz 20% (–5)

Soziale Sicherheit 20% (+1)

Bundesfinanzen 20% (+2)

EU/Bilaterale 17% (–3)

Löhne 17% (–6)

Wirtschaftsentwicklung allgemein 17% (+8)

Energie 15% (+5)

Familienpolitik 13% (–)

Globalisierung 11% (–3)

Sozialpartnerschaft 10% (+3) Erhebung 2008 (+/– Erhebung 2007)

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08 Die Schweiz Sorgenbarometer 2008

Credit Suisse Bulletin 5/08

Noch selten stand der konkrete Zeitpunkt der Sorgenbarometer-Befragung derart im Mittelpunkt der Diskussionen wie bei der Verarbeitung der diesjährigen Resultate. Fakt ist: Die total 1008 persönlich durchge-führten Interviews fanden zwischen dem 2. und 28. September 2008 statt. Entspre-chend sind die Resultate sicher schon ge-prägt von der globalen Verunsicherung an den Finanzmärkten, aber die stimmungs-mässigen Auswirkungen der markanten Zu-spitzung für die Schweiz mit der Ankündi-gung vom 16. Oktober eines Rettungspakets durch den Bund widerspiegeln sie nicht. Doch das ist gemäss den Ausführungen von Claude Longchamp, Institutsleiter vom gfs.bern, das im Auftrag der Credit Suisse die Sorgenbarometer-Umfrage durchführt, für die angestrebte Erkennung von mittel- und langfristigen Trends sogar ein Vorteil (siehe dazu auch Kurzinterview rechts).

Arbeitslosigkeit zum Sechsten

Ein Blick auf die drei grössten Sorgen 2008 zeigt im Wesentlichen eine Bestätigung der grossen Trends der vergangenen Jahre. Be-reits zum sechsten Mal in Folge bereitet die Arbeitslosigkeit den Schweizerinnen und Schweizern die grösste Sorge, wobei die Ge-wichtung um 4 auf 53 Prozent Nennungen gesunken ist. Gar um 6 Prozentpunkte ge-sunken ist die Sorge um die Altersvorsorge, die mit 39 Prozent nun hinter dem Themen-bereich Krankenkassen/Gesundheit (40%/ +2%) den dritten Platz belegt. Diese drei Themen machen seit nunmehr acht Jahren die ersten drei Plätze des Sorgenbarometers unter sich aus und können fast schon als fixe Grösse vorweggenommen werden. Um-so spannender ist jeweils die Frage, welche Sorge am vierthäufigsten genannt wird.

Inflation um 12 Prozentpunkte zugelegt

Stachen im vergangenen Jahr noch die Themen «Ausländer » mit 35 und «Persön-liche Sicherheit » mit 30 Prozent Nennungen auf den Rängen vier und fünf hervor, so hat in diesem Jahr insbesondere « Inflation/Teuerung» mit einem Plus von 12 Prozent-punkten einen markanten Sprung nach vor-ne auf Platz vier gemacht. Seit Jahren auf einem hohen Niveau eingependelt hat sich die «Neue Armut » mit aktuell 28 Prozent Nennungen. Sie ist damit von Platz sieben auf sechs vorgestossen. Dagegen wieder klar an Brisanz verloren hat die Ausländer-Thematik mit minus 11 Prozent auf Rang 8. Ein Blick zurück zeigt, dass die Sorge um

Wo die Schweizer der Schuh drücktWährend sich bei den grössten drei Sorgen erneut wenig verändert hat, legt dahinter das Thema Inflation immer mehr an Bedrohlichkeit zu. Stark an Brisanz verloren hat das Thema der Ausländer. Nach einem markanten Anstieg vor einem Jahr ist die Sorge um die Umwelt auf den Stand Ende der Neunzigerjahre zurückgekehrt.

Arbeitslosigkeit 46%

Neue Armut 41%

Altersvorsorge 39%

Gesundheitswesen 35%

Inflation 35%

Persönliche Sicherheit 27%

Flüchtlinge 26%

Umweltschutz 23%

Soziale Sicherheit 23%

Ausländer 19%

«Welches sind in zehn Jahren Ihrer Meinung nach die fünf wichtigsten Probleme der Schweiz?» (Mehrfachnennungen)

Umwelt macht wieder weniger Sorgen

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Die fünf Hauptsorgen der Schweizer

Arbeitslosigkeit Gesundheit/Krankenkassen AHV/Altersvorsorge Flüchtlinge/Asyl Ausländer Inflation/Teuerung

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Credit Suisse Bulletin 5/08

Die Schweiz Sorgenbarometer 2008

Stabile Einschätzung der individuellen WirtschaftslageDen Schweizerinnen und Schweizern geht es nach wie vor gut. 57 Prozent bezeichnen ihre wirtschaftliche Situation als gut bis sehr gut. Bei der Einschätzung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage mehren sich im Vergleich zu 2007 aber die Stimmen, die aktuell (+16%) und in den nächsten zwölf Monaten (+14%) eine Verschlechterung ausmachen.

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Kommende individuelle wirtschaftliche Lage

Aktuelle individuelle wirtschaftliche Lage

Frage: «Was würden Sie sagen, wie es Ihnen wirtschaftlich gesehen im Moment geht ? Würden Sie sagen sehr gut, gut, recht, schlecht, sehr schlecht oder keine Antwort ?»

Aktuelle allgemeine wirtschaftliche Lage

Frage: «Wenn Sie an die nächsten zwölf Monate denken, würden Sie dann sagen, dass es Ihnen wirtschaftlich gesehen besser, gleich, schlechter als jetzt gehen wird oder keine Antwort ?»

Frage: «Wie hat sich Ihrer Ansicht nach die allgemeine Wirtschaftslage in den vergangenen zwölf Monaten entwickelt ? Würden Sie sagen verbessert, gleich geblieben, verschlechtert, keine Antwort ?»

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Kommende allgemeine wirtschaftliche Lage

Frage: «Wie wird sich Ihrer Ansicht nach die allgemeine Wirtschaftslage in den kommenden zwölf Monaten entwickeln? Würden Sie sagen verbessern, gleich bleiben, verschlechtern, keine Antwort ?»

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«Sorgenbarometer erhebt langfristige Trends»

Interview mit Claude Longchamp,Institutsleiter gfs.bern

Die Befragung des Sorgenbarometers

fand zwischen dem 2. und 28. September

statt, also kurz bevor sich die Finanz-

krise weltweit dramatisch zuspitzte. Wie

aussagekräftig sind die diesjährigen

Resultate des Sorgenbarometers?

Dass sich kurz nach der Befragung die Situ-ation derart zuspitzen würde, konnte vorher niemand wissen. Grundsätzlich handelt es sich beim Sorgenbarometer aber um eine Monitorbefragung, die nicht die momentanen Befindlichkeiten erheben, sondern mittel- und langfristige Trends erkennen will. Inso-fern bin ich sogar froh, dass die Befragung nicht im Oktober stattfand, als sich die Er-eignisse überschlugen. Gewisse Resultate wären dann sicher anders herausgekommen. Aber da es sich um aussergewöhnliche Er-eignisse handelt, hätte die Erhebung dieser Momentaufnahme die Langzeitentwicklun-gen verfälscht.

Gibt es Beispiele für solche Ver-

fälschungen?

Unter anderem war das 2001 der Fall, als die Sorgenbarometer-Befragung die Woche des Swissair-Groundings miteinbezog. Dieses Ereignis hat das Sorgenbarometer in vieler-lei Hinsicht stark geprägt. Danach brauchte es zwei Jahre, bis wir mit Bestimmtheit fest-stellen konnten, ob gewisse markante Re-sultate nur einmalige Ausrutscher waren oder tatsächlich einen neuen Trend einläu-teten.

War die Finanzkrise nicht schon im

September ein prägendes Thema?

In einzelnen Resultaten schlägt dies sicher schon etwas durch. Aber zu diesem Zeit-punkt galt die Schweiz immer noch als eine Art Sonderfall, die nur am Rande davon be-troffen war. Insofern dürfte die Erfassung der Grundstimmung durchaus noch reprä-sentativ für das ganze Jahr sein. Vieles hängt von dem ab, was jetzt real auf uns zukommt. dhu

DatenbasisGrundgesamtheit: deutsch-, französisch- und italienischsprachige Schweiz, StimmberechtigteErhebungsart: Face-to-Face (persönliche Interviews)Stichprobenbildung: Zufallswahl Orte, Quotenkontrolle PersonenBefragungsdauer: 2. bis 28. September 2008, Mean-Day: 16. September 2008Stichprobengrösse: 1008, sprachregional gewichtetStichprobenfehler: +/– 3.1 Prozent bei 50/50Ausführendes Institut: gfs.bern

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10 Die Schweiz Sorgenbarometer 2008

Credit Suisse Bulletin 5/08

die « Inflation/Teuerung», anders als zum Beispiel die Zickzackkurve zu «Flüchtlinge/Asyl», seit fünf Jahren praktisch kontinuier-lich zugenommen hat.

Inflation als persönliche Wahrnehmung

Für Studienleiter Claude Longchamp steht in diesem Zusammenhang fest, dass es sich bei der Inflationssorge nicht etwa um eine makroökonomische Beurteilung der Volks-wirtschaft handelt, sondern vielmehr um ein sehr individuell geprägtes Gefühl, sich mit dem vorhandenen Geld immer weniger leis-ten zu können. Dafür spricht unter ande- rem die überdurchschnittlich hohe Nennung dieser Sorge von Schweizerinnen und Schweizern, die ihre wirtschaftliche Lage im Vergleich zum Vorjahr als schlechter ein-stufen und vorausblickend eine weitere Ver-schlechterung erwarten. Im Quervergleich deutlich häufiger wird die Sorge der Geld-entwertung in der französischsprachigen Schweiz genannt, von politisch links Wäh-lenden, die der Politik häufiges Versagen attestieren.

AHV kurz- und mittelfristig gesichert

Bei der Folgefrage «Und welches dieser fünf Probleme müsste Ihrer Ansicht nach an erster Stelle gelöst werden?» steht die Geldentwertung zudem mit 9 Prozent Nen-nungen hinter «Arbeitslosigkeit » (15%) und «Gesundheit/Krankenkassen» (13%) bereits an dritter Stelle. Die ansonsten auf Platz drei gesetzte Sorge um die Altersvorsorge geniesst lediglich noch bei 5 Prozent der Bevölkerung oberste Priorität und belegt da-mit noch hinter «Neue Armut » und «Soziale Sicherheit » mit je 6 Prozent Nennungen den sechsten Platz. Ganz offensichtlich geht die Schweizer Bevölkerung zurzeit davon aus, dass die Finanzierung der AHV zumindest kurz- und mittelfristig unter Kontrolle ist.

Arbeitslosigkeit bleibt ein Thema

Aufschlussreich ist auch die heutige Ein-schätzung der grössten fünf Sorgen in zehn Jahren, also 2018. So schwingt zwar auch dort die Arbeitslosigkeit obenauf, aber be-reits an zweiter Stelle folgt die «Neue Armut » und erst dann in gewohnter Manier Alters-vorsorge und Gesundheitsfragen. Auch hier manifestiert sich eine Angst der Schweizer Bevölkerung vor einem wirtschaftlichen Ab-stieg in den nächsten zehn Jahren. Diese eher negative Grundeinstellung drückt sich auch bei der Einschätzung der persönlichen und allgemeinen Wirtschaftslage aus. So er-

Wachsende Kritik an Politik und WirtschaftStellen die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft für die mittel- und langfristige Entwicklung des Landes die richtigen Weichen? Treffen sie im entscheidenden Moment die richtigen Entscheidungen? Eine wachsende Zahl der Bevölkerung äussert sich dazu kritisch, wobei je nach Parteinähe die Wahrnehmung sehr variieren kann.

Politikversagen

Frage: «Haben Sie das Gefühl, die Politik von Regierung und Verwaltung versage in entschei-denden Dingen? Würden Sie sagen oft, selten, nie oder weiss nicht / keine Antwort ?»

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Politikversagen/Wirtschaftsversagen nach Parteibindung

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40 45 105

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SP/Wirtschaftsversagen

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CVP/Wirtschaftsversagen

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28 44 1414

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keine Partei/Wirtschaftsversagen

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Frage: «Haben Sie das Gefühl, die Politik von Regierung und Verwaltung versage in entscheidenden Dingen? Und wie oft haben Sie das Gefühl, die Wirtschaft versage in entscheidenden Dingen? Würden Sie sagen oft, selten, nie oder weiss nicht / keine Antwort ?»

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Credit Suisse Bulletin 5/08

Die Schweiz Sorgenbarometer 2008

wartet rund ein Viertel der Bevölkerung be-reits im September, dass sich die allgemei-nen Wirtschaftsverhältnisse in den nächsten zwölf Monaten verschlechtern werden. Vor einem Jahr waren lediglich 11 Prozent dieser Meinung. Und waren sich damals noch 27 Pro-zent sicher, dass sich die Lage in den kom-menden zwölf Monaten verbessern wird, zei-gen sich in diesem Jahr gerade noch 10 Pro-zent optimistisch.

Persönliche Situation relativ stabil

Erstaunlich resistent gegenüber Konjunk-turschwankungen erweist sich die Einschät-zung der individuellen Situation. So bezeich-nen immer noch 57 Prozent der Befragten ihre persönliche wirtschaftliche Lage als gut bis sehr gut. Lediglich 8 Prozent sehen sie als schlecht bis sehr schlecht. Vorausbli-ckend erwarten 91 Prozent, dass es ihnen in den nächsten zwölf Monaten gleich oder besser gehen wird, wobei der Anteil derjeni-gen, die gar von einer Verbesserung aus-gehen, im Vergleich zum Vorjahr von 19 auf 12 Prozent gesunken ist.

Parallel zur wachsenden Skepsis in Be-zug auf die wirtschaftliche Entwicklung ist auch die Zahl der Schweizer Stimmberech-tigten grösser geworden, die der Wirtschaft und der Politik häufiges Versagen vorwerfen. Glaubten vor einem Jahr noch lediglich 32 Prozent, dass die Wirtschaft oft versage, sind es in diesem Jahr 40 Prozent. Bei der Politik gehen gar 43 Prozent (2007: 38%) von häufigem Versagen aus.

Armee geniesst wachsendes Vertrauen

Bei der Vertrauensfrage von verschiedenen Akteuren präsentiert sich die Situation im September 2008 im Vergleich zum Vorjahr recht konstant. Nach wie vor sehr grosses Vertrauen geniessen Bundesgericht (68%) und Polizei (63%). Etwas besser schneidet auch der Bundesrat (53%) ab und obwohl seit Monaten heftig kritisiert, konnte auch die Armee noch um 9 auf 50 Prozent zule-gen und liegt damit vor dem Ständerat und dem Nationalrat. Im Vergleich zum Septem-ber des Vorjahres (60%) haben die Banken mit 58 Prozent nur leicht verloren.

In diesem Jahr erstmals erhoben wurde eine differenzierte Einschätzung der Medien. Dort geniesst das Fernsehen mit 54 Prozent das grösste Vertrauen. Mit 36 Prozent nur knapp vor dem Internet (34%) und deutlich hinter den traditionellen, bezahlten Zei-tungen (48%) liegen die ansonsten sehr erfolgreichen Gratiszeitungen. <

Wem Schweizer und Schweizerinnen vertrauenBundesgericht und Polizei geniessen unverändert grosses Vertrauen bei der Schweizer Bevölkerung. Im Vergleich zum Vorjahr gar leicht zulegen konnte die in den letzten Monaten heftig kritisierte Armee. Immer noch einen sehr hohen Wert weisen im September die Banken auf. Ausgesprochen wenig Vertrauen setzt die Bevölkerung nach wie vor in die politischen Parteien oder auch die Kirchen.

Vertrauen in Akteure 2008 – Medien

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Frage: «Wie gross ist Ihr persönliches Vertrauen in die folgenden Akteure? Vertrauen, weder/noch, kein Vertrauen oder keine Antwort .»

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Fernsehen

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Frage: «Wie gross ist Ihr persönliches Vertrauen in die folgenden Institutionen?»

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Frage: «Wie gross ist Ihr persönliches Vertrauen in die folgenden Institutionen?»

Bundesgericht Polizei Bundesrat Armee Ständerat Nationalrat Staatliche Verwaltung Politische Parteien

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Die Schweiz Stimme der Politik

Bulletin: Die Schweizer Bevölkerung

sorgt sich gemäss Sorgenbarometer am

meisten um Arbeitslosigkeit, Gesund-

heit und die Altersvorsorge. Deckt sich

dies mit Ihrer Einschätzung?

Chiara Simoneschi-Cortesi: Für mich ist vor allem eines klar: Die meisten Sorgen sind Familiensorgen, auch wenn das Stichwort «Familienpolitik» auf der Sorgenliste erst weiter unten auftaucht. Wie sollen wir die steigenden Gesundheitskosten bezahlen? Wie sicher sind unsere künftigen Renten? Was ist, wenn ich meinen Job verliere? Wie sollen wir die Steuern bezahlen? Das sind Sorgen, die einen Familienalltag belasten.

Die umliegenden Länder bewundern

unsere tiefe Arbeitslosigkeit und unsere

Altersvorsorge. Trotzdem rangieren diese

zuoberst auf der Sorgenliste der Schwei-

zer. Worauf führen Sie dies zurück?

Leider hat die Politik Ängste geschürt, was sich nun negativ im Sorgenbarometer zeigt. Objektiv betrachtet ist unser System sehr stabil und gut gerüstet für die Zukunft. Wir haben zudem mit den höheren und einheit-lichen Kinderzulagen eine Entlastung der Familien erreicht.

Wie zeigen Sie als Politikerin dem Volk,

dass Sie dessen Sorgen ernst nehmen?

Die Probleme müssen klar und sachlich dar-gestellt und mögliche Wege oder sogar Lösungen aufgezeigt werden. Ich sage zum Beispiel offen, dass wir das Gesundheits-wesen durch eine verbesserte Zusammen-arbeit zwischen den Kantonen rationali-sieren müssen, und das kann auch Spital-schliessungen umfassen.

Sie wollen eventuell Tessiner Spitäler

schliessen?

«Unser System ist sehr stabil»Die neue Nationalratspräsidentin Chiara Simoneschi-Cortesi ist stolz auf die Kulturvielfalt in der Schweiz. In ihrem Präsidialjahr möchte sie den Austausch unter den Sprachregionen fördern und die Sorgen der Familien ernst nehmen. Und sie fordert mehr Tessiner Manager in Bundesbetrieben.

Interview: Mario Tuor, Daniel Scherrer

Nein, dort eher weniger, eine Zusammen-arbeit über die Kantonsgrenze hinweg scheint mir nicht möglich. Oder sollen Tes-sinerinnen und Tessiner für jede Spitalbe-handlung über den Gotthard reisen müs-sen? Rationalisieren heisst nicht rationieren. Ich bin zum Beispiel froh darüber, dass wir heute auch älteren Menschen die bestmög-liche Gesundheitsbehandlung zukommen lassen können.

Welche anderen politischen

Schwerpunkte müssen gesetzt werden?

In der jetzigen schwierigen Wirtschaftslage soll der Staat ein New-Deal-Paket starten. Es ist besser, Investitionen in die Verkehrs-infrastruktur, Bildung und Forschung zu for-cieren, anstatt zu sparen und auf bessere Zeiten zu warten. Zu den Schwerpunkten gehört aber auch ganz klar die Familien-politik. Sie muss alle Massnahmen und Ein-richtungen umfassen, welche die Familien unterstützen und fördern. Wir warten zum Beispiel schon lange auf eine Steuerreform, die Familien mit Kindern entlastet. Und nach wie vor ist es für Frauen – und zunehmend auch für Männer – schwierig, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Auch hier gibt es noch einiges zu tun. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Wirtschaft funktioniert und Arbeitsplätze generieren kann. Gerade KMU müssen weiter gefördert und von administrativen Hemmnissen entlas-tet werden.

Freut es Sie, dass die Rolle des

Staates positiver wahrgenommen wird?

Als Tessinerin hat es mich stets erstaunt, dass der Staat in der Deutschschweiz einen derart schlechten Ruf besitzt. Die Ideologie der letzten Jahre war, dass in der Privat-

wirtschaft alles gut war und der Staat ein Klumpenrisiko darstellte. Nun ist diese Ideo-logie nicht mehr so ausgeprägt. Darüber bin ich nicht unglücklich.

Besteht jetzt nicht die Gefahr, dass

alles Heil vom Staat kommen soll

und die Privatwirtschaft mit unnötigen

Regulierungen behindert wird?

Diese Gefahr besteht durchaus, man muss vorsichtig sein. Als Mitglied der CVP stehe ich für eine soziale Marktwirtschaft ein und somit für eine Wirtschaft, die auch ethische Verantwortung wahrnimmt. Leider wurde die Ethik in der Privatwirtschaft in letzter Zeit oft als obsolet betrachtet. Gerade die Bankenbranche hat übertrieben und wurde jetzt zurück auf den Boden der Realität ge-holt. Der Staat hingegen widerspiegelt die Gesellschaft, er ist eine demokratisch auf-gebaute Institution, die da ist, um gute Rah-menbedingungen für das Gemeinwohl be-reitzustellen. Der Staat schaut, dass alle Interessen berücksichtigt werden und nicht nur einzelne.

Sie werden ein Jahr lang die höchste

Schweizerin sein. Worauf können wir stolz

sein in unserem Land?

Es ist einzigartig, vier verschiedene Sprach-gemeinschaften mit unterschiedlichen Kul-turhintergründen zu vereinen und einen grossen Zusammenhalt herzustellen. Ich bin stolz darauf, dass die Differenzen, seien sie sprachlicher oder kultureller Natur, stets als positiv betrachtet werden. Die Vielfalt ist ein Reichtum der Schweiz.

Im Sorgenbarometer wird das Anders-

sein/die Multikultur nicht nur als Chance,

sondern auch als Bedrohung beurteilt.

Haben wir ein Ausländerproblem?

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Die Schweiz Stimme der Politik 13

Credit Suisse Bulletin 5/08

Von den 1,5 Millionen Ausländern in der Schweiz verursacht nur der kleinste Pro-zentsatz Probleme. Die meisten tragen zu unserem Wohl bei. Mich beunruhigt vielmehr die zunehmende Individualisierung der Ge-sellschaft. Ich habe meinen drei Söhnen stets erklärt, wie wichtig persönliches En-gagement für das Gemeinwohl ist, dass es Spass mache und einem ein gutes Gefühl gebe. Sie sagten mir dann: «Nein, Mamma, das stimmt heute nicht mehr.» Und leider musste ich ihnen zustimmen, dass es für viele nicht mehr erstrebenswert ist, sich für andere zu engagieren und gemeinnützige Arbeit zu leisten. Aber wir dürfen deswegen nicht aufgeben. In meinem Präsidialjahr werde ich diese Themen ansprechen. Ich werde alle Landesteile besuchen und bei Einladungen darauf achten, dass ich kleinere Verbände oder Vereine besonders berück-sichtige, um diesen in der Öffentlichkeit ei-ne Stimme zu geben. Natürlich werde ich auch meinen Kanton Tessin vermehrt in die Diskussionen einbringen.

Gerade das Tessin fühlt sich oft

missverstanden in der Schweiz.

Was möchten Sie als Nationalratspräsi-

dentin dagegen unternehmen?

Die italienischsprachige Schweiz geht leider viel zu oft vergessen oder wird mit Boc-calino-Gemütlichkeit verniedlicht. Aber wer weiss schon, dass sich 80 Kilometer südlich von Lugano mit dem Grossraum Mailand ei-ner der grössten Wirtschaftsräume Europas befindet, mit dem Tessin als Plattform für die Schweiz ? Oder warum werden Bunde-skonzerne wie Post, Swisscom oder SBB ausschliesslich von deutsch sprechenden Männern geführt ? Es sollten vermehrt gute Leute aus dem Tessin in diesen Geschäfts-leitungen sitzen, um gute Beziehungen und Geschäfte mit der Lombardei zu pflegen. Die Tessiner kennen die Mentalität und die Eigenheiten der Italiener besser.

Sie persönlich haben sowohl

Deutschschweizer wie Tessiner Wurzeln,

spüren Sie also beide Mentalitäten?

Das kann man so sagen. Mein Vater war Tessiner und der kreative Kopf in der Familie, meine Mutter Bernerin und eher streng und präzis mit einem ausgeprägten Gerechtig-keitssinn. Beide Seiten haben viele Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite kann man zu stur oder zurückhaltend agieren und auf der anderen Seite zu kreativ oder chaotisch. Ich glaube, dass ich eine gute Mischung bin und beide Seiten verstehe. Aber das müssen letztlich natürlich andere beurteilen. <

Die CVP-Politikerin Chiara Simoneschi-Cortesi ist 2009 Nationalrats-präsidentin und somit höchste Schweizerin. Die Tessinerin hat Politologie und Soziologie an der Universität Bern studiert und ist seit 25 Jahren in der Politik tätig, zuerst auf Gemeindestufe, dann im Kanton und seit 1999 im Nationalrat. Chiara Simoneschi-Cortesi war bis 2008 Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen. Sie hat drei erwachsene Söhne.

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Die zum fünften Mal durchgeführte Befragung «Identität Schweiz», eine Zusatzbefragung des Sorgenbarometers, zeichnet sich durch konstante Werte aus. Die Bevölkerung reagiert in ihrer Grundeinstellung nur zurückhaltend auf aktuelle Problemsituationen und Mediendebatten. Dies gibt für das Jahr 2009 Anlass zu Optimismus.

Identität Schweiz

Die Schweiz bleibt ein Hort der Stabilität

Text: Andreas Schiendorfer

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Frage: «Sagen Sie mir bitte drei Dinge, wofür die Schweiz für Sie persönlich steht.»

Sicherheit 27% (+1)

Neutralität 21% (–2)

Landschaft 19% (+4)

Präzision 15% (+1)

Wohlstand 13% (–1)

Heimat 12% (+3)

Freiheit 11% (–1)

Demokratie 11% (+3)

Alpen 10% (–2)

Sauberkeit 9% (–1)

Tourismus 9% (+3)

Unabhängigkeit 8% (–)

Vielsprachigkeit 7% (+2)

Solidarität 7% (–2)

Schokolade 6% (–1)

Uhren 6% (–1)

Banken 6% (–4)

Tradition 5% (–1)

Mitspracherecht 5% (–2) Erhebung 2008 (+/–Erhebung 2007)

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16 Die Schweiz Identität Schweiz

Credit Suisse Bulletin 5/08

Wir sind stolz darauf, das zu sein, was wir sind: Wie schon 2007 antworteten 86 Pro-zent der Befragten, sie seien sehr oder zu-mindest eher stolz, Schweizerin respektive Schweizer zu sein. Diese Zahl ist markant höher als in den Jahren 2004 bis 2006 (73% bis 78%) und keineswegs selbstver-ständlich, wenn man sich noch einmal die Identitätskrise zu Beginn der Neunzigerjah-re rund um das 700-Jahr-Jubiläum und die Diskussionen um einen Beitritt zur Euro-päischen Union oder zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vergegenwärtigt.

Wirtschaft als Basis der Zufriedenheit

Die Umfrage « Identität Schweiz » zeigt auf, dass sich dieser Stolz vor allem auf die Potenz der Wirtschaft abstützt. Auf nicht weniger als zehn wirtschaftliche Merkmale sind mehr als 40 Prozent der Bevölkerung «sehr stolz», auf die folgenden fünf Merk-male sogar mindestens die Hälfte der Be-fragten: Internationaler Qualitätsruf (+4% gegenüber 2007), Uhrenindustrie (+8%), starke Marken im Ausland (+7%), erfolg-reiche KMU (+7%) und Bankkundengeheim-nis (+5%). Tendenziell lässt sich sogar eine Verschiebung in der Bewertung von «ziem-lich stolz» auf «sehr stolz» feststellen. Dies gilt auch für die Bereiche Maschinenindu-strie (+8%), Forschung (+5%) sowie Innova-tionskraft (+3%). Während Finanzplatz und Pharmaindustrie genau gleich eingestuft werden wie letztes Jahr, verzeichnen die internationalen Konzerne mit Sitz in der Schweiz sowie die Service-Public-Unter-nehmen einen leichten Rückgang (–2%), den es ernst zu nehmen gilt.

Ziehen wir nun zum Vergleich die politi-schen Merkmale hinzu, so finden sich ledig-lich fünf, auf die 40 Prozent der Bevölke-rung sehr stolz sind: Neutralität (+2%), Eigenständigkeit (+6%), Volksrechte (+5%), Zusammenleben der Sprachgruppen (+2%) und Bundesverfassung (+1%). Bei den übrigen politischen Charakteristika fallen zwei signifikante Verschiebungen auf: Das Milizsystem (–6%) kommt noch mehr unter Beschuss, die Sozialpartnerschaft hingegen scheint – gemäss Fünfjahresvergleich – vor einer eigentlichen Renaissance zu stehen.

Von Stärken und Schwächen

Wo aber orten die Schweizerinnen und Schweizer die konkreten Stärken und Schwächen ihres Landes? Waren Mehrfach-nennungen möglich, so belegen Neutralität (+5%), Schweizer Qualität (+3%) sowie Mit-

Ungebrochene Skepsis gegenüber dem Staat59 Prozent der Bevölkerung meinen, der Staat leiste für sie persönlich zu wenig. Umgekehrt erachten 42 Prozent ihren Beitrag für die Allgemeinheit als zu hoch.

Leistung des Staats für die Befragten

47

49

2008

2007

2006

2005

2004

1 20 12 20

3 18 13 17

1 16 12 2744

11 19 2743

1 18 2642

0% 25% 50% 75% 100%

13

in %

Stim

mbe

rech

tigte

r

Frage: «Leistet der Staat für Sie persönlich viel zu viel, eher zu viel, eher zu wenig, viel zu wenig oder weiss nicht/keine Antwort?»

Persönliche Leistung für die Allgemeinheit

29

31

2008

2007

2006

2005

2004

5 37 4 25

9 39 5 16

9 38 4 2425

35 6 2227

9 29 2434

0% 25% 50% 75% 100%

4

10

Frage: «Leisten Sie persönlich aus Ihrer Sicht viel zu viel, eher zu viel, eher zu wenig, viel zu wenig oder weiss nicht/keine Antwort für die Allgemeinheit ?»

Emotionales Bekenntnis zur Schweiz86 Prozent der Befragten sind stolz darauf, Schweizerin beziehungsweise Schweizer zu sein. «Sehr stolz» fühlen sich mehr Deutschschweizer als Romands und Tessiner.

9

8

2008

2007

2006

2005

2004

42 44 3 2

43 43 4 2

21 54 5 317

30 48 6 412

29 44 613

0% 25% 50% 75% 100%

9

Der Stolz, Schweizer oder Schweizerin zu sein

Frage: «Sind Sie stolz, Schweizer oder Schweizerin zu sein? Würden Sie sagen, Sie sind sehr stolz, eher stolz, weiss nicht/keine Antwort, eher nicht stolz oder überhaupt nicht stolz ?»

in %

Stim

mbe

rech

tigte

r

Der grosse Stolz, Schweizer oder Schweizerin zu sein, nach Sprachen («sehr stolz»)

%

55

50

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0

2004

2005

2006

2007

2008

Deutsch Italienisch Französisch

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Die Schweiz Identität Schweiz 17

Credit Suisse Bulletin 5/08

spracherecht (+4%) wie im Vorjahr die ers-ten drei Plätze und werden von mindestens 40 Prozent der Bevölkerung als Stärken an-erkannt. Markant zugenommen haben zu-dem Frieden (+9%), Ordnung und Sauber-keit (+11%) und soziale Sicherheit (+7%), während bei den übrigen Charakteristika keine derart signifikanten Verschiebungen wahrzunehmen sind, am ehesten noch bei der Bildung sowie beim Zusammenleben der Kulturen. Die Reihenfolge ändert sich übrigens nicht, wenn die Befragten sich auf ein einziges Merkmal festlegen mussten. Im Mehrjahresvergleich haben Neutralität sowie, auf tieferem Niveau, Ordnung und Sauberkeit am meisten zugelegt.

Damit lässt sich im politischen und ge-sellschaftlichen Sinn eine gewisse Rückbe-sinnung auf klassische Schweizer Attribute feststellen, die während Jahren als langwei-lig und «unsexy» gegolten haben. Der domi-nierende Stolz auf die Stärke der Wirtschaft, die traditionell exportorientiert ist, zeigt in-des, dass dieses selbstbewusste Betonen der Swissness nicht mit einer konservativen Abnabelungsmentalität gleichzusetzen ist.

Die Hauptschwächen (Einfachnennung) sind die gleichen wie in den beiden Vor-jahren: zu hohe Steuern (11%) sowie ein zu teures beziehungsweise zu kompliziertes Gesundheitssystem (10%). Immerhin gibt nun die Steuergerechtigkeit zu etwas we-niger Diskussionen Anlass. Als drittgrösste Schwäche wird ein Übermass an Multikul-turellem (9%) wahrgenommen.

Sind Mehrfachnennungen möglich, ver-schieben sich die Akzente (siehe Grafik): Nun rückt der Hinweis auf zu viele Gesetze mit 52 Prozent vom vierten auf den ersten Platz vor, die identitätsbedrohende Multi-kultur hingegen fällt mit 29 Prozent an die sechste Stelle zurück – noch hinter das Be-dauern, dass es in der Schweiz zu wenige starke Politiker und Politikerinnen hat.

Stabile Werthaltung

Dem Aspekt der Werthaltung haben wir bei früheren Auswertungen wenig Gewicht bei-gemessen – weil sich die Resultate im Jah-resvergleich kaum unterschieden haben. Positiv ausgedrückt ist dies aber ein Beweis der stabilen Gemütslage der Bevölkerung, die sich durch die Tagesaktualität nicht gleich aus dem Tritt bringen lässt.

Die Armee beispielsweise hat zwar in diesem Jahr für viele, vorwiegend negative Schlagzeilen gesorgt, aber die Armeegegner konnten davon kaum profitieren: 27 Pro- >

Frage: «Möchten Sie eine Schweiz mit einer starken Armee oder ohne Armee?» Starke Armee, gemischt, ohne Armee oder weiss nicht/keine Antwort.

3

3

2008

2007

2006

2005

2004

33 37 27

35 41 21

39 36 22 3

32 536 27

32 39 25 4

0% 25% 50% 75% 100%

6

5

2008

2007

2006

2005

2004

43 42 9

31 49 15

35 51 7 7

39 941 11

36 44 11 9

0% 25% 50% 75% 100%

Stabile Werthaltung hinsichtlich Armee und WettbewerbDie stabile Werthaltung der Schweizer Bevölkerung widerspiegelt sich einerseits in ihrem wiederholten Bekenntnis zur Armee, anderseits in ihrem ungebrochenen Vertrauen in den Wettbewerb. 43 Prozent der Befragten plädierten Ende September – bereits mitten in der Finanzkrise – für mehr wirtschaftlichen Wettbewerb. Das bedeutet sogar eine Zunahme von 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Starke Armee vs. Abschaffung der Armee Wettbewerb vs. Staatseingriffe

Frage: «Möchten Sie eine Schweiz mit mehr Staats-eingriffen in die Wirtschaft oder mit mehr Wettbe-werb auf dem Markt ?» Mehr Wettbewerb, gemischt, mehr Staat oder weiss nicht/keine Antwort.

in %

Stim

mbe

rech

tigte

r

Frage: «Welches sind die Stärken der Schweiz, über die in der letzten Zeit diskutiert und geschrieben worden ist ?» (Mehrfachnennungen)

Frage: «Welches sind die Schwächen der Schweiz, über die in der letzten Zeit diskutiert und geschrieben worden ist ?» (Mehrfachnennungen)

Lob auf die klassische Swissness, Kritik an ÜberregulierungGeprägt vom Gedanken der Unabhängigkeit und Eigenverantwortung, zeichnet sich die Beurteilung der Stärken und Schwächen der Schweiz durch eine grosse Stabilität aus.

Die Stärken der Schweiz Die Schwächen der Schweiz

in %

Stim

mbe

rech

tigte

r

Neutralität 50%

Schweizer Qualität 48%

Mitspracherecht 40%

Frieden 38%

Ordnung/Sauberkeit 38%

Bildung 34%

Finanzplatz/Banken 29%

Zusammenleben und Kulturen 26%

Soziale Sicherheit 25%

Stabilität 25%

Individuelle Freiheiten 21%

Zu viele Gesetze 52%

Zu hohe Steuern 46%

Zu kompliziertesGesundheitswesen 44%

Ungerechte Steuern 36%

Zu wenig starke Politiker 30%

Zu viel Multikulturelles 29%

Zu viele Blockademöglichkeiten 29%

Zu wenig Freiheit 25%

Reformunfähigkeit 24%

Zunehmende Polarisierung zwischen links und rechts 24%

Page 18: Die Schweiz - Credit Suisse...Die Schweiz Sorgenbarometer Indikator seit über 30 Jahren Identität Schweiz Qualität ist ein Hauptmerkmal Finanzplatz Ein Eckpfeiler der Volkswirtschaft

18 Die Schweiz Identität Schweiz

Credit Suisse Bulletin 5/08

zent tendieren gegenwärtig zu einer Schweiz ohne Armee; im Mittel der letzten fünf Jah-ren waren es 24,4 Prozent. Umgekehrt wün-schen sich 33 Prozent eine starke Armee (Fünfjahresdurchschnitt 34,2 Prozent). Beim Sorgenbarometer äusserten gar 50 Prozent Vertrauen in die Armee; das sind so viele wie noch nie seit 1995 (siehe Seite 11).

Ähnliches lässt sich im Zusammenhang mit der Finanzkrise feststellen. Es ist un-bestritten, dass zusätzliche regulatorische Eingriffe nötig sind, aber die Ereignisse bis Ende September spielen den Befürwortern einer höheren Staatsquote in keiner Weise in die Hände. Ganz im Gegenteil: Nur 9 Pro-zent wünschen sich eine Schweiz mit mehr Staat. Dies sind 6 Prozent weniger als im Vorjahr und 1,6 Prozent weniger als im Fünf-jahresdurchschnitt.

Dafür sind nicht weniger als 43 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer der Mei-nung, die sich abzeichnende konjunkturelle Abkühlung lasse sich mit mehr Wettbewerb am ehesten überwinden. Im Vorjahr hatten lediglich 31 Prozent für mehr Wettbewerb plädiert, im Fünfjahresvergleich (2004 bis 2008) sind es 36,8 Prozent.

Das Individuum fühlt sich ausgenutzt

Eine gewisse Staatsskepsis manifestiert sich auch bei den folgenden beiden Fragen: Wie viel leistet der Staat für mich als Indivi-duum? Und: Wie viel leiste ich persönlich für die Allgemeinheit ?

Zwar sind 21 Prozent der Befragten der Meinung, der Staat leiste zu viel für sie per-sönlich, 59 Prozent hingegen meinen, es sei zu wenig. Auch hier lässt sich im Fünfjah-resvergleich eine recht konstante Meinung feststellen.

Umgekehrt sind 42 Prozent der Bevöl-kerung der Ansicht, sie würden zu viel für die Allgemeinheit leisten, während immerhin 33 Prozent zugeben, ihr Beitrag falle eher zu gering aus. Diese Werte für das Jahr 2008 entsprechen in etwa dem Fünfjahres-durchschnitt von 44 respektive 33,8 Pro-zent. Interessant ist aber, dass die Aus-gangslage im Jahr 2004 mit jeweils 38 Pro-zent noch ausgeglichen war.

Das Gefühl eines Missverhältnisses zwi-schen den Leistungen, die man selber er-bringt, und jenen, von denen man profitiert, hat also eindeutig zugenommen.

Die Leistungen der Grossunternehmen für die Allgemeinheit werden recht positiv beurteilt. Auf einer Zehnerskala pendeln die Werte zwischen 4,7 (Steuern) und 5,7 (Spon-

Merkmale der schweizerischen Politik, die uns stolz machenUnabhängigkeit und Neutralität, zwei klassische Merkmale der Schweizer Politik, erfüllen die Befragten am meisten mit Stolz. Gegenüber 2007 fällt vor allem eine signifi- kante Verschiebungen auf: Das Milizsystem gerät zunehmend unter Beschuss (–6%).

in %

Stim

mbe

rech

tigte

r

1

1

56 38 33

Eigenständigkeit/Unabhängigkeit

Volksrechte wie Initiative und Referendum

Neutralität

Zusammenleben der verschiedenen Sprachgruppen

Bundesverfassung

Mitsprachemöglichkeiten der Kantone/Föderalismus

Regierung, in der alle grossen Parteien vertreten sind

Sozialpartnerschaft zwischen Unternehmern und Gewerkschaften

Milizsystem für Gesellschaft, Politik und Armee

59 34 15 1

49 43 26

46 46 16 1

40 47 48

34 52 211

21 53 417 5

18 52 622 2

17 40 24 9

0% 25% 50% 75% 100%

10

Frage: «Gibt es bestimmte Dinge, auf die Sie in der schweizerischen Politik besonders stolz sind? Sagen Sie mir anhand dieser Liste jeweils, ob Sie sehr stolz, ziemlich stolz, eher nicht stolz, überhaupt nicht stolz sind, oder antworten Sie mit weiss nicht /keine Antwort.»

Merkmale der schweizerischen Wirtschaft, die uns stolz machenDer Stolz auf die Schweiz gründet in hohem Masse auf die Potenz der Wirtschaft. Alle aufgeführten wirtschaftlichen Merkmale machen über 40 Prozent der Bevölkerung «sehr stolz». Zuoberst stehen das Qualitätsmerkmal «Swiss Made» und die Schweizer Uhren.

Uhrenindustrie

Internationaler Qualitätsruf

Starke Schweizer Marken im Ausland

Erfolgreiche KMU

Maschinenindustrie

Forschung

0% 25% 50%

2 13265

43066

2 24353

49 44 34

3 13858

47 46 34

75% 100%

in %

Stim

mbe

rech

tigte

r

Innovationskraft/Patente/Hightech

Pharmaindustrie

Bankkundengeheimnis

5 45140

43 44 29

50 33 311

2

3

Frage: «Gibt es bestimmte Dinge, auf die Sie in der schweizerischen Wirtschaft besonders stolz sind? Sagen Sie mir anhand dieser Liste jeweils, ob Sie sehr stolz, ziemlich stolz, eher nicht stolz, überhaupt nicht stolz sind, oder antworten Sie mit weiss nicht /keine Antwort.»

Page 19: Die Schweiz - Credit Suisse...Die Schweiz Sorgenbarometer Indikator seit über 30 Jahren Identität Schweiz Qualität ist ein Hauptmerkmal Finanzplatz Ein Eckpfeiler der Volkswirtschaft

Die Schweiz Identität Schweiz 19

Credit Suisse Bulletin 5/08

soring), wobei eine 10 («leisten viel zu viel») eine genauso negative Beurteilung wie eine 0 («leisten viel zu wenig») darstellen würde. Die Mittelwerte um 5 bedeuten demnach, dass diesem Aspekt die richtige Bedeutung zugemessen wird. Aufgrund einer leicht ver-änderten Fragestellung ist ein Vergleich mit den Vorjahren schwierig. Die Grafik betref-fend KMU findet sich beim Artikel über den Swiss Venture Club (siehe Seite 32).

Wofür die Schweiz steht

Wofür steht die Schweiz heute? Was macht sie aus? Und hat sich die Wahrnehmung im vergangenen Jahr verändert ? Um dies herauszufinden, wurde gefragt, mit welchen drei Begriffen sich die Schweiz charakte-risieren lässt. Unter den zwei Dutzend zur Auswahl stehenden Charakteristika finden sich dieses Jahr die gleichen wie in den Jahren zuvor an der Spitze: Sicherheit und Frieden respektive Neutralität. Letztere ist keine Selbstverständlichkeit, denn in der publizierten Meinung ist Neutralität ein nicht selten negativ belegter Begriff, der einer un-solidarischen und egoistischen Einstellung entspricht. Die Umfrage «Identität Schweiz» zeigt indes, dass neutral wohl eher als «un-parteiisch» und «vermittelnd» interpretiert werden darf. An dritter Stelle folgt wie 2007 die Landschaft, welche mit ihrer Vielfalt auf kleinstem Raum die Schweizer Identität stärker prägt als «nur » die Alpen.

Gefahrenwahrnehmung bleibt stabil

Was könnte das stabile Identitätsgefühl der Schweizerinnen und Schweizer allenfalls erschüttern? Es überrascht kaum, dass Einwanderung alljährlich die Spitzenposi- tion einnimmt. Die Werte pendelten dabei zwischen 68 und 74 Prozent, 2008 liegen sie mit 71 Prozent genau im Durchschnitt. Die übrigen vier Gefahren liegen praktisch gleichauf, sowohl in den einzelnen Jahren als auch im Durchschnitt: Internationale Öffnung (57,2% im Fünfjahresdurchschnitt), Egoismus (57,2%), Reformstau (56,4%, Tendenz eher zunehmend) sowie Polarisie-rung (52,2%, Tendenz eher zunehmend).

Auf die aktuelle politische Zielsetzung hat dies aber keinen Einfluss. Hier dominie-ren die Probleme, die wir vom Sorgenbaro-meter her bereits bestens kennen. <

Mehr Grafiken und Informationen unter www.credit-suisse.com/infocus > Gesellschaft > Sorgenbarometer.

Die grössten Sorgen: Altersvorsorge und Einwanderung Was beunruhigt derzeit die Schweizer Bevölkerung? Welche politischen Aufgaben sind am dringlichsten zu lösen? Was gefährdet die Schweizer Identität ? Bei den recht konstant verlaufenden politischen Zielen fällt der Anstieg von Familie/Beruf auf. Bei den Gefahren für die Identität ist – laut Umfrage – der Egoismus zurückgegangen.

AHV/IV Kosten Gesundheitswesen Wirtschaftliches Wachstum Familie/Beruf Reduktion BürokratieBildung fördernTreibhausemissionenLiberalisierung

Aktuelle politische Ziele

Einwanderung Reformstau Internationale Öffnung Polarisierung Egoismus

Gefährdung der Schweizer Identität

in %

Stim

mbe

rech

tigte

r

%

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

2004

2005

2006

2007

2008

%

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

2004

2005

2006

2007

2008

Frage: «Sagen Sie mir bitte anhand dieser Skala, wie Sie die Leistungen der Schweizer Grossunternehmen für die Allgemeinheit in folgenden Bereichen einschätzen. 0 bedeutet ‹Die Schweizer Grossunternehmen leisten viel zu wenig›, 10 bedeutet ‹Die Schweizer Grossunternehmen leisten viel zu viel›. Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen.» Dargestellt wird hier der errechnete Mittelwert.

Leistungen der Grossunternehmen für die AllgemeinheitDie Grossunternehmen leisten sehr viel im Sponsoring, hingegen würde man sich noch grössere Steuerleistungen erhoffen. Aus der Sicht der Unternehmen sind Mittelwerte um 5 am besten, denn sie entsprechen am ehesten der Auffassung, dass die Leistung «gerade richtig» sei. Letztlich sind aber alle Werte in der Bandbreite zwischen 4 und 6 gut.

Sponsoring (Kultur, Sport)

Spenden

0 1 2

5.7

5.2

5

5

5.1

4.7

3 4

Ökologie

Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen

Ausbildungsplätze

Steuern

5 6 7 8 9 10

in M

itte

lwer

ten

Frage: «Wir haben hier einige aktuelle politische Ziele in der Schweiz ausgewählt. Beurteilen Sie bitte spontan, ob für Sie die Erreichung dieser Ziele (sehr oder eher) wichtig sind.» (Mehrjahres-vergleich)

Frage: «Man hört verschiedene Argumente, wieso die Schweizer Identität gefährdet werden könnte. Sagen Sie mir, ob Sie durch folgende möglichen Ursachen die Schweizer Identität (sehr oder eher) gefährdet sehen.» (Mehrjahresvergleich).

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Credit Suisse Bulletin 5/08

Die Schweiz Stimme der Wirtschaft

Fot

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heit hat im heutigen Wirtschaftsumfeld ab­genommen. Auch die Wahrnehmung, dass auf dem Arbeitsmarkt die Konkurrenz härter geworden ist, trägt das ihrige dazu bei.

Als Arbeitgeber müssten Sie eine

erhöhte Konkurrenz und eine grössere

Auswahl an Arbeitskräften begrüssen ...

Theoretisch schon. Aber trotz eines hohen Bildungsniveaus und sehr guter Qualifika­tionen ist es für uns schwierig, genügend Personal zu rekrutieren. Beispielsweise sind wir angewiesen auf ausländische Ingeni­eure, da in der Schweiz ein Mangel an tech­nisch gebildeten Personen besteht.

Ist das «Bildungssystem Schweiz»

zu wenig auf den Arbeitsmarkt

ausgerichtet ?

Letztendlich entscheidet die Stellennach­frage, was eine gute Ausbildung ist. Es nützt beispielsweise wenig, wenn wir an den Schweizer Universitäten jährlich viele Ethnologen ausbilden, die Wirtschaft je­doch vermehrt Techniker und Ingenieure braucht. Das nötige Umdenken im Bildungs­system hat in der Schweiz noch nicht statt­gefunden.

Wie könnte man dieser Entwicklung

entgegentreten?

Wir müssen vermehrt den Wert der Berufs­bildung hervorheben. Es ist absurd, wenn ich an einem Elternabend in der Primar­schule höre, dass die Matura der Königs­weg der Ausbildung sei. Auf dieser Stufe müsste betont werden, welch breites Spek­trum unser Bildungssystem nach der Primar­schule biete, nämlich zahlreiche interessante Berufslehren, Berufsmittelschulen, Gymna­sien, Fachhochschulen, Universitäten.

«Die Anforderungen sind gestiegen»

Bulletin: Herr Stämpfli, welches sind

die grössten Stärken der Schweiz ?

Rudolf Stämpfli: Alles, was man zur Infra­struktur zählen kann, ist in der Schweiz auf einem sehr hohen Stand, angefangen bei den Strassen, dem Eisenbahnnetz, der Ener­gieversorgung, dem Schulwesen oder den Spitälern. Ein zweiter wesentlicher Punkt erscheint mir das enorm hohe Bildungs­niveau. Auch Personen ohne akademische Ausbildung haben bei uns im Vergleich zum Ausland dank der ausgezeichneten Berufs­bildung einen sehr hohen Bildungsstand. Drittens dürfen wir stolz sein auf die «Flexi­curity» im Arbeitsmarkt: Wir haben einen gesetzlich flexiblen Arbeitsmarkt, verbun­den mit einer guten Absicherung in einer leis­tungsfähigen Arbeitslosenkasse.

Gerade die Sorge um den Job rangiert

aber im Sorgenbarometer seit Jahren

mit Abstand an erster Stelle. Warum?

Die Arbeitslosigkeit betrifft das Individuum trotz unserer leistungsfähigen Arbeitslosen­versicherung sehr direkt. Die Stigmatisie­rung von Arbeitslosen durch die Gesell­schaft führt zu einer Angst beim Einzelnen vor dem Verlust der Arbeitsstelle, auch wenn objektiv dazu kaum Grund bestehen mag.

Könnte diese Angst auch von den

ständig wachsenden Anforderungen

herrühren, welche viele Arbeitgeber

an die Arbeitnehmer stellen?

Die Anforderungen sind sicher gestiegen und somit auch der Druck auf den Einzelnen. Zusätzliche Qualifikationen, ständige Weiter­bildung und stets auf dem aktuellsten Stand sein zu müssen, das mag für viele Men­schen belastend sein. Die Arbeitsplatzsicher­

Der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, Rudolf Stämpfli, sorgt sich um die Konjunktur in der Schweiz. In hohen Tönen spricht er über die Infrastruktur und die Exportwirtschaft. Und die Ausbildung sei gleichzeitig ein Trumpf und ein Schwachpunkt.

Interview: Mario Tuor, Daniel Scherrer

Müsste nicht die Wirtschaft dies

ebenfalls besser kommunizieren?

Mag sein, dass wir noch besser kommuni­zieren müssen. Die Wirtschaft bietet zwar auf allen Gebieten hochqualifizierte und interessante Stellen an, aber die Wahrneh­mung ist, dass bald überall ein Studium nötig sei und die Wirtschaft nur Abgänger von Elite­Universitäten einstelle. Das ist natürlich Unsinn. Wir wollen einfach gut aus­gebildete Arbeitskräfte haben, egal ob sie Akademiker sind oder Berufsleute. Heute haben wir fast mehr Mühe, qualifizierte Be­rufsleute als Studienabgänger zu finden.

Welches sind für Sie persönlich die

grössten Sorgen der Schweiz ?

In erster Linie ist dies zurzeit die Konjunktur. Als Unternehmer beschäftigt mich zuerst die Auslastung des eigenen Betriebs. Der wich­tigste Zweck eines Unternehmens besteht darin, für Kunden etwas zu produzieren oder Dienstleistungen anzubieten. Wenn es nichts zu produzieren gibt, sind die Ar­beitsplätze überflüssig. Selbstverständlich lässt mich auch die Finanzkrise nicht kalt.

Was hat die Wirtschaft in letzter Zeit

besonders gut gemacht ?

Als besonders gut würde ich unsere Kon­kurrenzfähigkeit im Export bezeichnen. Die Schweizer Wirtschaft hat sich hoch spe­zialisiert, und zwar in Gebieten, welche im Ausland nachgefragt werden. Sie hat sich sozusagen fit trainiert, um in einem globalen Umfeld konkurrenzfähig zu sein. Auch die Berufsbildung hat meiner Ansicht nach eine relativ gute Stellung. Trotz aller Unkenrufe, man habe in den letzten Jahren zu wenige Lehrstellen geschaffen, ist dies ein sehr gut

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Credit Suisse Bulletin 5/08

Die Schweiz Stimme der Wirtschaft

Der Wirtschaftsmann Rudolf Stämpfli (53) ist seit 2003 Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands. Hauptberuflich ist er seit 1988 Präsident des Verwaltungsrats und Mitinhaber des Druckerei- und Verlagsunternehmens Stämpfli AG in Bern mit 280 Mitarbeitenden. Ferner ist er im Vorstand des Wirtschaftsdachverbands economie-suisse sowie Verwaltungsrat des Bahnunternehmens BLS und der Berner Kantonalbank.

funktionierender Markt. Ein weiterer Plus­punkt ist das funktionierende Zusammen­spiel zwischen Export­ und Binnenwirtschaft sowie zwischen den Grossunternehmen und KMU.

Gemäss Sorgenbarometer sind die

Schweizer sehr stolz auf ihre KMU. Gross-

unternehmen wird weniger Sympathie

entgegengebracht. Wie erklären Sie sich

diese unterschiedliche Wahrnehmung?

Ich finde es falsch, einen solchen Gegensatz zu konstruieren. Die Grossunternehmen in unserem Land machen gerade in der Lehr­lingsausbildung sehr viel. Wir brauchen in der Schweiz diese Grossunternehmen. Sie schaffen viele Arbeitsplätze. Die Binnenwirt­schaft profitiert von Grosskonzernen, welche Dienstleistungen nachfragt. Wir brauchen einander gegenseitig.

Welche Verantwortung haben die

Arbeitgeber in einer Krisensituation?

Es ist schwierig, von einer Verantwortung des Arbeitgebers zu sprechen. Die Verant­wortung liegt zunächst bei jedem Einzelnen, indem er sich die benötigten Informationen beschafft. Ohne Wissen kommt Unsicher­heit. Die Verantwortung des Arbeitgebers liegt darin, dass er die regelmässige, offene, berechenbare und verlässliche Information sicherstellt. So entsteht Vertrauen.

Wie verbreitet ist diese Mentalität der

Offenheit ?

Ich fürchte, sie ist noch zu wenig verbreitet. Das funktioniert wahrscheinlich in einem KMU besser, wird aber trotzdem nicht von allen gemacht.

Was kann die Wirtschaft in Zukunft

besser als heute machen?

Es gelingt uns nicht zu zeigen, was es braucht, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Das Wort Globalisierung ist zu einem Schlag­wort ohne Inhalt verkommen. Es haben die wenigsten Leute verstanden, was es bedeu­tet, mit einem mittelgrossen Maschinenbe­trieb in einem internationalen Konzert mitzu­spielen. Die breit gewalzte Abzockerdiskus­sion hat uns geschadet, selbst wenn ich die Leute, welche masslose Bezüge erhalten, an zwei Händen abzählen könnte. Aber sie schadet der Wirtschaft ganz generell.

Wenn Sie zwei Wünsche offen hätten

für das nächste Jahr, welche wären dies?

Ich wünsche mir eine gute Konjunktur und damit einhergehend eine gute Auslastung der Betriebe. Ein zweiter Wunsch wäre, dass wir in der Politik wieder vermehrt an den Kernthemen arbeiten, anstatt Spiegel­fechterei zu betreiben. <

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Die Qualität der Schweiz ist die Qualität96 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind stolz auf den internationalen Qualitätsruf ihrer Wirtschaft. Und genau gleich viele sind stolz auf die starken Marken im Ausland. Dies hat die neuste Umfrage «Identität Schweiz» des Bulletin bestätigt. Auf die Uhrenindustrie sind 97 Prozent stolz, auf die Pharmaindustrie 87 Prozent. Die Qualität ist die Grundlage des Exports, der für die Schweiz von überragender Bedeutung ist. Grund genug, um uns mit vier Experten – Ernst Tanner (Lindt & Sprüngli), Philippe Léopold-Metzger (Piaget), Michael Plüss (Novartis) und Daniel Küng (Osec) –über das Phänomen der Qualität der Schweizer Unternehmen zu unterhalten. Klar ist, wer sich auf seinen Qualitäts-Lorbeeren ausruhen will, wird von der Konkurrenz schnell eingeholt.

Schokolade – die süsse Botschafterin Befragt zu seiner Herkunft und Identität gibt es für Ernst Tanner, CEO von Lindt & Sprüngli, kein Zaudern: « Ich bin Schweizer, und ich bin stolz darauf.» Darum liegt ihm das Image der Schweiz persönlich am Herzen und er setzt sich aktiv dafür ein. Die Schokoladenindustrie zählt für ihn neben der Uhrenindustrie zu den wichtigsten Bot­schaftern des Schweizer Qualitätsverständ­nisses im Ausland. «Natürlich gibt es in der Schweiz noch viele andere grosse, global tätige Unternehmen. Die vermitteln aber nie so direkt und eindringlich das Schweizer Qualitätsimage. Mit über einer Milliarde Kaufentscheidungen rund um den Globus zu Gunsten der Schweizer Schokolade jedes Jahr trägt Lindt & Sprüngli viel zum guten Image der Schweizer Qualität bei.» Umso mehr ärgert es Tanner, dass zum Beispiel in China belgische Erzeugnisse als besonde­res Gütezeichen für Schokoladenprodukte gelten. «Aber das werden wir auch noch korrigieren», sagt er selbstsicher. Vergleicht man Lindt & Sprüngli heute und vor 15 Jah­ren, als Tanner die Leitung übernahm, so spricht vieles dafür, dass der 62­Jährige auch das schaffen könnte. Er baute das damals krisengeschüttelte Schweizer Unter­nehmen konsequent zu einer heute äusserst erfolgreich agierenden internationalen Fir­mengruppe mit 17 Tochtergesellschaften

und Sitz in der Schweiz um. Lindt & Sprüngli erwirtschaftete 2007 knapp drei Milliarden Franken Umsatz und beschäftigt weltweit 7700 Mitarbeitende.

Premiumsegment etabliert

Dabei haben sich die Produkte des Schweizer Traditionsunternehmens insbesondere im boomenden Premiumsegment erfolgreich etabliert. Ähnlich wie beim Wein goutieren die Konsumenten auch bei der Schokolade verstärkt eine höhere Qualität und sind dafür auch bereit, einen höheren Preis zu bezahlen. Während der Markt der Massen­produkte bei der Schokolade stagnierte, wuchs derjenige der Premiumprodukte. Um sich in diesem harten Markt zu behaupten, brauche es ein kompromissloses Streben nach Qualität, so Tanner. «Darum sind wir einer der wenigen Schokoladenhersteller, der jeden einzelnen Schritt der Produktionskette vollständig unter eigener Kontrolle hat: Von der Auswahl der Kakaosorten, über die Her­stellung bis zur Verpackung.»

In den vergangenen Jahren hat Lindt & Sprüngli auch den Trend hin zu dunkler Schokolade mit höherem Kakaoanteil mass­geblich mitgeprägt, die ein grösseres Mass an unverfälschtem, ursprünglichem Schoko­ladengenuss verspricht. «Um von solchen Trends aber erfolgreich zu profitieren, müs­sen wir auf eine weitere Schweizer Tugend zurückgreifen, die unser Unternehmen so

erfolgreich macht – Innovationskraft », er­klärt Tanner. So galt es beispielsweise, für die «Excellence 99 % Cacao»­Tafel eine neue Verfahrenstechnik zu entwickeln und zur Anwendungsreife zu bringen, welche die Intensität der edelsten Kakaobohnen mit den Lindt­spezifischen Schmelzeigenschaften auch unter industriellen Bedingungen optimal verbindet.

Diese Entwicklung sei beispielhaft für die 163­jährige Erfolgsgeschichte von Lindt & Sprüngli, die schon immer geprägt gewesen sei von Tradition, Qualität und Innovation, sagt Tanner. Bereits die Firmengründung ist auf eine Pionierleistung zurückgegangen. 1845 beginnen in einer kleinen Konditorei an der Marktgasse in der Zürcher Altstadt Vater David Sprüngli­Schwarz zusammen mit seinem Sohn Rudolf Sprüngli­Ammann als Erste in der Deutschschweiz Schokolade in fester Form herzustellen. Das Produkt ist in der feinen Gesellschaft auf Anhieb ein Erfolg. Entsprechend eröffnen die Sprünglis 1859 an bester Lage am Paradeplatz eine zweite Konditorei mit Erfrischungsraum.

Erste zartschmelzende Schokolade

20 Jahre später revolutioniert in Bern ein gewisser Rodolphe Lindt die Schokoladen­produktion durch die Erfindung der so ge­nannten Conche, welche die industrielle Herstellung der ersten wirklich zartschmel­zenden Schokolade ermöglicht. Diese >

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Ernst Tanner (1946) hat nach einer Karri-ere beim ameri-kanischen Konzern Johnson & Johnson vor 15 Jahren die Leitung von Lindt &

Sprüngli übernommen, 1993 als CEO und 1994 zusätzlich als Präsident des Verwaltungsrats. Durch die Fokus-sierung auf Premiumqualität und eine ständige Innovation der Produkte-palette hat Tanner die Traditionsfirma, die sich damals in einer schwierigen Situation befand, auf die Erfolgs-strasse zurückgeführt. 2007 erzielte Lindt & Sprüngli mit rund 7700 Mitarbeitenden einen Umsatz von 2,946 Milliarden Franken. Die Schoko-ladenindustrie beschäftigte 2007 in der Schweiz 4564 Mitarbeitende, 2350 Männer, 2214 Frauen. Obwohl die Schweizer mit 12,3 Kilogramm nach wie vor den grössten Schoko-ladenkonsum der Welt aufweisen, ist der Export mit 109 609 Tonnen (833 Millionen Franken) deutlich wichtiger als der Inlandverkauf (71 657 Tonnen).

Philippe Léopold-Metzger (1954) ist seit 1999 CEO des traditionsreichen Uhrenherstellers Piaget. Die Firma wurde 1874 im

jurassischen Dörfchen La Côte-aux-Fées durch Georges Edouard Piaget gegründet. 1943 wurde die Marke Piaget gesetzlich geschützt. Seit 1988 gehört Piaget zur Compagnie Finan-cière Richemont S.A. Dieser Luxus-güterkonzern beschäftigte 2007 welt-weit 16 321 Mitarbeitende und erzielte einen Umsatz von 4,827 Milliarden Euro. In der Schweizer Uhrenindustrie sind rund 40 000 Mitarbeitende in 650 Unternehmen beschäftigt. Der Uhrenexport machte 2007 16 Milli-arden Franken aus. Hauptabnehmer sind Hongkong, die USA, Japan, Italien und Frankreich. Philippe Léo- pold-Metzger nahm am 12. November an einem Podiumsgespräch der Credit Suisse in Genf zum Thema «La Genève du Luxe» teil. Dieses fand im Rahmen des Zyklus «Wettbewerbs-fähigkeit» statt.

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eine Markenstrategie zu verfolgen und eine Familienkultur zu pflegen.

Ist die Konkurrenz im eigenen Konzern,

etwa durch IWC, ein Problem für Piaget ?

Allen Marken des Richemont­Konzerns ist eines gemeinsam: ein extrem ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein. Abgesehen von die­ser Gemeinsamkeit unterscheiden wir uns zum Beispiel durch unsere Zielgruppen, durch die Eigenschaften und die Ästhetik unserer Uhren, durch die Kühnheit unserer Kreationen sowie durch unser jeweiliges Markenuniversum. Es gibt auch Synergien, insbesondere beim Kundendienst in der Schweiz und vor allem im Ausland. schi

Die Pharmaindustrie erhält die Schweiz gesundBulletin: Welchen Stellenwert misst

Novartis der Qualität seiner Produkte bei?

Michael Plüss, Leiter Novartis Schweiz: Pa­tienten wollen und sollen sich auf die Sicher­heit und Wirksamkeit eines Produktes ver­lassen können. Für jedes pharmazeutische Produkt ist deshalb Qualität von höchster Priorität. Natürlich ist auch im Pharma­geschäft die Kontrolle der Kosten wichtig, aber Qualität darf nie durch Kostensen­kungsmassnahmen kompromittiert werden.

Wie funktioniert die Qualitätskontrolle?

Novartis verfolgt weltweit einen einheitlichen Qualitätsanspruch. Wir verfügen über ein globales Qualitätssystem mit einer zentralen Organisation, die dafür verantwortlich ist, Standards zu setzen, die divisionalen Quali­tätsabteilungen zu überwachen, die wiede­rum für die Kontrolle der einzelnen Produk­tionsstätten zuständig sind. Die Kosten der Qualitätssicherung fallen auf Werksebene an. Im Allgemeinen gehören jeweils rund 10 bis 15 Prozent des Personals in einem Produktionswerk in den Bereich der Quali­tätssicherung.

Wie wichtig ist die Aus- und Weiter-

bildung der Mitarbeitenden?

Unsere eigenen Anforderungen an die Qua­lität, die behördlichen Standards und die Erwartungen der Kunden steigen. Die Mit­arbeitenden im Bereich der Qualitätskon­trolle müssen laufend geschult werden. Dies trifft ebenfalls zu für die Mitarbeitenden in den Bereichen Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Lieferung.

Führt der zunehmende Gebrauch von

Generika zu einem Qualitätsproblem?

Novartis hat eine eigene Generika­Division, welche die Aktivitäten unserer Division

«Surfin – Chocolat fondant », deren Rezeptur bis heute geheim ist, stellt alles bisher Da­gewesene in den Schatten. Für Tanner steht fest: «Lindt legte mit dieser zartschmel­zenden ‹Chocolat fondant› den alles ent­scheidenden Grundstein für den bis heute anhaltenden Erfolg der Schweizer Schoko­lade in der weiten Welt.»

1899 finden schliesslich die beiden erfolg­reichen Schokoladenstränge zusammen. Sieben Jahre zuvor hat Rudolf Sprüngli­ Ammann sein Schokoladenreich auf seine zwei Söhne verteilt : Der jüngere, David Robert, erhielt die beiden Confiserien in der Stadt und der ältere, Johann Sprüngli­ Schifferli, die Fabrik. Letzterer war es auch, der auf der Liegenschaft in Kilchberg eine neue Fabrik errichten liess.

Von hier aus gilt es tagtäglich das gute Schweizer Image mit qualitativ hochstehen­den Produkten und Serviceleistungen in die Zukunft zu tragen. Ernst Tanners Erfolgs­rezeptur: «Marke und Mythos statt Masse und Anonymität. Aber auch Tradition und Teamwork, Kultur und Kreativität.» dhu

Die Welt richtet sich nach Schweizer Zeit Bulletin: Wie definiert Piaget Qualität ?

Philippe Léopold­Metzger, CEO von Piaget: Als integrierte Manufaktur beherrschen wir die Produktion vom Entwurf über die Ent­wicklung bis zur Herstellung von Uhren und Uhrwerken. Die Piaget­Qualität beruht auf den hohen Anforderungen und der beson­deren Aufmerksamkeit, die wir selbst nicht sichtbaren Details schenken. Dies verleiht unseren Kreationen einen hohen Mehrwert. Durch umfangreiche Kontrollen in jeder Her­stellungsphase garantieren wir eine hohe und gleichbleibende Qualität all unserer Produkte. In unseren Manufakturen kontrol­lieren wir den Produktionsprozess von A bis Z. Das ist die beste Garantie dafür, dass wir die Qualität unserer Produkte immer im Griff haben. Wir nutzen auch das Feedback aus den Märkten und von unseren Kunden bei der Entwicklung und Verbesserung unserer neuen Produkte. Ziel ist es, Produkte zu entwickeln und herzustellen, die unseren Kunden über Generationen hinweg treue Dienste leisten. Daher bieten wir ihnen auch einen besonderen Wartungsservice an.

Wie wichtig ist für Sie «Swiss Made»?

«Made in Switzerland» ist ein wichtiges Qualitätssiegel, das aber allein nicht aus­reicht. Daher treffen wir eine sehr strenge

Auswahl bei den Komponenten. Wir lehnen es bewusst ab, Billigteile zu beziehen. Nur so können wir eine tadellose Qualität sicher­stellen, auch wenn dies unsere Margen negativ beeinflusst. Unseren Kunden ist der Schweizer Ursprung unserer Uhren sehr wichtig. Wir gehen keine Kompromisse ein.

Leidet Piaget unter Fälschungen?

Natürlich gibt es auch Fälschungen unserer Produkte, aber ihre Zahl ist relativ gering, da wir jedes Jahr nur eine extrem kleine Anzahl von Uhren verkaufen. Mit Hilfe des Richemont­Konzerns verfolgen wir aber trotzdem alle Fälscher aktiv, insbesondere bei Angeboten im Internet. Dadurch konn­ten wir bereits die Schliessung mehrerer Websites erreichen und einige Verantwort­liche zur Rechenschaft ziehen.

Was garantiert die Qualität in Zukunft ?

Wir verbessern die Qualität unserer Pro­dukte ständig – in ihrer Entwicklungsphase wie auch später in der Produktionsphase. Dazu gehört die Fortbildung unserer Mit­arbeitenden, die mit Fachhochschulen und Universitäten bei speziellen Projekten zu­sammenarbeiten können, oder die regel­mässige Modernisierung unserer Produk­tionsmittel und die Berücksichtigung be­stimmter Phänomene bei der Entwicklung unserer Uhren wie etwa der sich verstär­kende Magnetismus.

Wie wichtig ist die Marke Piaget?

Natürlich ist die Marke wichtig, denn neben den konkreten Eigenschaften unserer Pro­dukte ist sie für den Kunden die Garantie, dass er ein Produkt erwirbt, das hochquali­tativ und innovativ ist und aufgrund seiner Geschichte einen besonderen Wert besitzt. In den letzten Jahren sind verschiedene neue Marken auf den Markt gekommen, die Nutzen aus der guten Wirtschaftsentwick­lung gezogen haben. Sie stehen heute vor dem Problem, wie sie ihren Verpflichtungen in Krisenzeiten, wie denen, die uns heute bevorstehen, genügen können.

Was hat sich durch die Aufnahme in

den Richemont-Konzern geändert ?

Die wichtigsten Aspekte der Firmenkultur von Piaget wurden bewahrt, insbesondere Kreativität, Familiensinn und Kundenorien­tierung. Die Integration in den Konzern hat uns aber ein effizientes Management und die Professionalisierung bestimmter Unter­nehmensbereiche beschert, dazu die Ein­gliederung in unsere ausländischen Filialen oder den Einzelhandelsverkauf ermöglicht. Garant unseres Erfolgs ist, dass Richemont uns zwingt, unternehmerisch zu handeln, >

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Michael Plüss (1944) hat 2004 die Leitung von Novartis Schweiz übernom-men. 1969 trat der gelernte Wirtschafts-informatiker

bei Sandoz ein, wo er in verschiedenen Funktionen bis 1991 blieb. Von 1992 bis 2004 war er in Griechenland als Geschäftsleiter von Novartis tätig. Gegenwärtig beschäftigt Novartis 98 000 Mitarbeitende, davon 12 000 in der Schweiz. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung beliefen sich 2007 allein in der Schweiz auf 2,8 Milliarden Franken. Chemie Pharma Schweiz (SGCI) beschäftigte 2007 weltweit 291 700 Mitarbeitende, davon 39 600 (12 Prozent) in der Schweiz. Der weltweite Umsatz der Top-Ten betrug 144,4 Milliarden Franken. In der Schweiz hatte die Produktion einen Wert von 72,4 Milliarden Franken, wovon nur 5 Prozent (3,6 Milliarden Franken) auf dem Binnenmarkt verkauft wurden. Der Rest wurde exportiert.

Daniel Küng (1952) ist seit Juni 2004 CEO von Osec, dem offiziellen Schweizer Aussenwirtschafts-förderer. Zuvor war Küng lange Zeit

im Ausland als Unternehmer tätig, unter anderem in Portugal und Brasi-lien. Osec nimmt seit 2008 neben der Exportförderung auch die natio-nale Standortpromotion der Schweiz im Ausland wahr und unterstützt dabei Unternehmen, die sich in der Schweiz ansiedeln möchten. Eben-falls seit 2008 betreibt Osec zwei weitere Seco-Mandate: die Import- und Investitionsförderung zu Guns-ten von ausgewählten Entwicklungs- und Transitionsländern. Der hohe Exportanteil gemessen am Schweizer Bruttoinlandprodukt sowie die hohen schweizerischen Direktinvestitio- nen im Ausland zeigen, wie interna-tional ausgerichtet die Schweiz ist. Der Schweizer Export umfasst Waren im Wert von rund 200 Milliarden Franken.

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Pharmaceuticals ergänzt. Aus diesem Grund ist der zunehmende Einsatz von Generika für Novartis kein Problem. Innerhalb von Novar­tis gibt es keine Unterschiede hinsichtlich der Qualitätsstandards für innovative Phar­maprodukte und Generika.

Ist der starke Markenname Sandoz

auch im Generikamarkt wichtig?

Generikamarken sind aus demselben Grund erfolgreich wie Produkte in anderen Märk­ten: Konsumenten wollen die Gewissheit, dass sie ein Produkt kaufen, auf das sie sich verlassen können. Dies ist besonders im Gesundheitsbereich so. Eine weltweit er­hobene Marktforschung zeigte, dass die Marke Sandoz noch immer über einen gros­sen Wert verfügt und weltweit als Synonym für hohe Qualität, Vertrauen und globale Präsenz wahrgenommen wird. Heute steht die Marke für qualitativ hochstehende Medi­kamente zu erschwinglichen Preisen.

Genügt der jetzige Patentschutz ?

Im internationalen Wettbewerb unter den Life­Sciences­Standorten hat die Schweiz nur mit einem guten Patentschutz Chancen, in der Spitzenklasse mitzuspielen. Wer den Schutz von Erfindungen in Frage stellt, ge­fährdet Investitionen in Forschung und Ent­wicklung, die gerade in der Schweiz zu einem grossen Teil von der Privatwirtschaft geleistet werden. Mit Sorge stellen wir fest, dass der tatsächliche Zeitraum, in dem ein neues Medikament unter Patentschutz ver­marktet werden kann, heute nur noch zehn Jahre beträgt und immer kürzer wird: Die restriktivere Zulassungspraxis der Behör­den und die geforderten umfangreicheren klinischen Studien führen dazu, dass neue Medikamente später auf den Markt gelangen. Gleichzeitig bekämpfen aggressive Generi­kahersteller etwa in den USA bestehende Patente und bringen günstige Generika be­reits vor Patentablauf auf den Markt. Es ze ichnet sich eine weitere Tendenz ab: Ge­wisse Länder wollen für sich einen wach­senden Anteil am Medikamentenmarkt si­chern, indem der Patentschutz aufgeweicht und die Erfindung kopiert wird.

Wie würde sich eine Zulassung von

Parallelimporten auf die Medikamenten-

sicherheit in der Schweiz auswirken?

Parallelimporte verunmöglichen die lücken­lose Verantwortung über Lager­ und Trans­portbedingungen durch den Hersteller. Grossisten beliefern andere Grosshändler über die Grenze hinweg. Fläschchen, Tablet­ten oder Zäpfchen von parallelimportierten Medikamenten werden zudem oftmals von

Dritten aus den Originalverpackungen he­rausgelöst und anschliessend neu verpackt und beschriftet, um den reglementierten Anforderungen im neuen Markt zu entspre­chen. Die Parallelimporte verringern somit die Kontrolle des Herstellers über die Lie­ferkette und damit die Medikamentenqua­lität. Ein anderes Thema nimmt leider an Be­deutung zu: Fälschungen von Medikamenten. Erfahrungen aus der EU legen nahe, dass die parallelen Lieferwege auch in diesem Bereich die Gefahr erhöhen können.

Was bedeutet «Swiss Made» für

Novartis?

In der Schweiz arbeiten 12 000 unserer 98 000 Mitarbeitenden. In Basel haben wir den Sitz unserer Konzernzentrale sowie der Divisionen Pharmaceuticals und Consumer Health. Auch unser weltweit grösster For­schungsstandort befindet sich hier. Alleine 2007 investierten wir in der Schweiz rund 2,8 Milliarden Franken in die Forschung und Entwicklung. Das Novartis­Campus­Projekt in Basel unterstreicht die Bedeutung, die dem Standort Schweiz zukommt. Mit einem Anteil von rund 13 Prozent ist Novartis einer der grössten Exporteure des Landes. Mit Standorten in über 140 Ländern und mit Mitarbeitenden alleine in Basel aus fast 100 Nationen ist Novartis heute kein Schwei­zer , sondern ein globales Unternehmen. Doch wir stützen uns auf eine Unterneh­menskultur ab mit Werten wie Verantwor­tung, Leistung und Innovation, die auf typi­schen Schweizer Tugenden beruhen. schi

«Made in Switzerland»: eine Power BrandSchweizer Produkte profitieren in hohem Masse von den positiven Assoziationen, welche die Bezeichnung «Made in Switzer­land» hervorruft. «Qualität, Präzision, Zuver­lässigkeit, Exklusivität und internationale Anerkennung sind nur einige der Antworten, die man auf die Frage erhält, was Schweizer Produkte auszeichnet », meint Daniel Küng, Chef von Osec, dem offiziellen Schweizer Aussenwirtschaftsförderer. « In Umfragen zur Markenerkennung stimmen rund 90 Pro­zent der Befragten mit der Aussage überein, dass Schweizer Qualität gut oder sehr gut sei. Es handelt sich um eine echte Power Brand, die automatisch auf Schweizer Pro­dukte und Dienstleistungen übertragen wird.» Unter anderem verwenden Unterneh­men aus der Schweizer Uhren­, Banken­, Maschinen­ und Lebensmittelbranche das

positive Image des Landes, um sich im Aus­land zu positionieren. Das wiederum spie­gelt sich in den volkswirtschaftlichen Kenn­zahlen des Landes: Rund 40 Prozent des Bruttoinlandproduktes der Schweiz entfallen auf Exporte, wovon wiederum zwei Drittel in die EU­Länder gehen. Die am schnellsten wachsenden Exportmärkte der Schweiz sind jedoch Russland, Osteuropa, Brasilien, die Emirate, Indien und China.

Mittelschicht treibt die Nachfrage an

Die Schweiz stellt seit Jahrzehnten margen­starke und teure Produkte in geringer Stückzahl her. Dadurch hat die Qualität der Güter und Dienstleistungen ein sehr hohes Niveau erreicht. «Jedes einzelne Produkt wird mit grosser Sorgfalt hergestellt », meint Küng. Der wachsende Wohlstand in der Mittelschicht von Schwellenländern wie China und Indien schafft ein gewaltiges Po­tenzial für Schweizer Luxuskonsumgüter. «Unsere teuren Qualitätsgüter leiden nicht unter der Konkurrenz von billigeren Produkt­segmenten. Die wachsende chinesische Mittelschicht sehnt sich nach unseren Uhren. Im Nahen Osten fühlt sich die Mittelschicht von der hohen Qualität unserer Dienstleis­tungen angezogen, allen voran im Banken­wesen», so Küng weiter. Im letzten Jahr stiegen die Schweizer Exporte nominal um 11,2 Prozent, wobei die Sektoren Nahrungs­ und Genussmittel, Uhren sowie Metallurgie die wichtigsten Wachstumstreiber waren. «Auch die Schweiz ist vor der weltweiten Konjunkturschwäche nicht gefeit. Wir leben in einer globalisierten Welt, in der wir profi­tieren, aber auch Probleme importieren. Nichtsdestotrotz wird es uns gelingen, ein positives Exportwachstum zu erzielen, wenn auch auf niedrigerem Niveau als in den letz­ten beiden Jahren», prognostiziert Küng.

«Die Schweiz braucht die Qualität ihrer Güter und Dienstleistungen nicht zusätzlich zu fördern, denn die Qualität ihrer Produkte geniesst weltweit ohnehin einen einzigarti­gen Ruf», stellt Küng fest. An Fachmessen wollen ausländische Unternehmen oft im «Schweizer Pavillon» vertreten sein, um das positive Image des Landes für sich zu nut­zen. «Was jedoch noch keine Anerkennung findet, ist unsere Stärke, wenn es um Inno­vation und Trendsetting geht. Schauen Sie sich nur die Schweizer Architektur oder das Design und die Mode an … Hier wird ‹Swiss­ness› nicht im gleichen Umfang genutzt, um unser Ansehen im Ausland zu fördern. In diesen Bereich müssen wir investieren.» de

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Credit Suisse Wirtschaft

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Wissenswert Aus dem ABC der Finanzwelt

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Schweizerische Nationalbank SNBDie unabhängige Zentralbank der Schweiz

«Über Geld spricht man nicht, man hat es. Als Vertreterin des Bundes habe ich kein Geld, sondern primär Schulden», so die damalige Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey in ihrer Rede zum 100-jährigen Jubiläum der SNB im Juni 2007. Dennoch sind die Verbindungen des Bundes zur SNB eng, denn sie ist der Bankier des Bundes und wickelt dessen gesamte Zahlungen ab. Der primäre Auftrag der SNB ist in Art. 9 der Bundes-verfassung und im Nationalbankgesetz verankert und lautet, als Zentralbank unabhängig die Geld- und Währungspolitik der Schweiz zu führen. In erster Linie heisst das, den Markt mit Bargeld zu versorgen – die SNB hat bei der Notenausgabe und der Münz-verteilung das Monopol – und durch Kreditgeschäfte mit anderen Banken liquid zu halten. Weiter sorgt die SNB mit Zinsbewegungen dafür, dass die Marktpreise stabil bleiben. Die SNB definiert damit die Rahmenbedingungen für die gesamte Wirtschaft. In Abgrenzung zur EBK übt sie aber keine Bankenaufsicht aus und setzt keine banken-gesetzlichen Vorschriften durch. cfv

Eidgenössische Bankenkommission EBKBehörde zur Aufsicht über die Schweizer Banken und andere Finanzinstitutionen

Im vergangenen Sommer stand die EBK im Rampenlicht, als sie angesichts der allge-meinen Verwerfungen an den Finanzmärkten nach einer stärkeren Eigenkapitaldecke der Grossbanken verlangte. Seither diskutiert die Öffentlichkeit über die «Leverage Ratio», das Verhältnis von Eigenkapital zu den Bilanzaktiva, oder «Basel II», eine inter-nationale Regelung, die das Zinsrisiko im Bankbuch begrenzt. Die EBK ist die Aufsichts-behörde über die Schweizer Banken und andere Finanzintermediäre wie Börsen, Effek-tenhändler, Pfandbriefverleiher oder Beteiligungsgesellschaften. Sie überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und trifft die zum Gesetzesvollzug notwendigen Massnahmen. Die EBK schützt zum einen die Anleger und Bankgläubiger, wahrt zum anderen aber auch das Ansehen des Finanzplatzes und sichert seine Funktionsfähigkeit. Per Ende 2008 wird die EBK aufgelöst und in die neu geschaffene Finanzmarktauf-sichtsbehörde FINMA integriert. cfv

Finanzmarktaufsichts-behörde FINMANeue, integrierte Behörde zur Aufsicht über den Schweizer Finanzplatz

«Die FINMA wird einen Beitrag zur Stärkung unseres Finanzplatzes leisten und das Vertrauen in die Versicherungs- und Bankenwirtschaft steigern», meint Eugen Haltiner, Präsident der EBK und demnächst der FINMA. Tatsächlich muss die FINMA als eine gewichtige Weiterentwicklung für den schweizerischen Finanzplatz gesehen werden. Sie führt die EBK, das Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) und die Kontroll-stelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei (Kst GwG) in einer einzigen Behörde zusammen. Start ist der 1. Januar 2009. Der gesetzlich umschriebene Auftrag der neuen Behörde ist einerseits im neuen, übergeordneten Finanzmarktaufsichtsgesetz definiert und andererseits in den bereits bestehenden Gesetzen über Banken, Börsen, Kollek-tivgesellschaften, Versicherungen und Geldwäscherei. Die Ansprüche an die neue Be-hörde sind gross, denn «die Finanzmärkte wachsen weiter zusammen, die Aufsicht muss den Märkten folgen», um es mit den Worten Haltiners zu sagen. cfv

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28 Wirtschaft  Finanzplatz Schweiz

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40%... der gesamten Bankenwertschöpfung... des Steueraufkommens aller Banken... der Mitarbeitenden im schweizerischen Bankensektor... des Bankeninlandgeschäfts

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Wirtschaft  Finanzplatz Schweiz 29

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Grossbanken – unabdingbare Scharniere für die VolkswirtschaftIm Zeichen der globalen Finanzkrise und deren regulatorischen Folgen rücken die vielfältigen Beiträge an die wirtschaftliche Prosperität der Schweiz in den Hintergrund. Der vorliegende Artikel beleuchtet die wichtigsten direkten und indirekten Auswirkungen der Aktivitäten der Grossbanken auf die Schweizer Volkswirtschaft.

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Allein aufgrund ihrer Grösse sind die Gross-banken Credit Suisse und UBS eigentliche Pfeiler der Schweizer Wirtschaft. Hinter dieser Grösse verbergen sich die umfas-sende traditionelle Finanzintermediation, die vielfältige Vermögensverwaltung sowie Dienstleistungen des Investment Banking, ohne die das gute Funktionieren der – vor allem auch exportorientierten – Realwirt-schaft nicht möglich wäre. Der Finanzsektor und mit ihm die Grossbanken nimmt damit eine unabdingbare Scharnierfunktion ein. Zudem leisten die Grossbanken aufgrund ihrer kritischen Masse wichtige Beiträge an die Finanzmarktinfrastruktur, Entwicklung von Prozessen, die Innovationen und das Humankapital in der Schweizer Wirtschaft. Mit «40 Prozent » lässt sich schliesslich diese volkswirtschaftliche Bedeutung der beiden Grossbanken für die Schweiz recht umfassend umschreiben. Sie erwirtschaften schätzungsweise 40 Prozent der gesamten Bankenwert- schöpfung kommen für durchschnittlich rund 40 Prozent des Steueraufkommens der Banken auf stellen über 40 Prozent aller Mitarbeitenden im schweizerischen Bankensektor machen 40 Prozent des Bankeninland- geschäfts aus

Der Bankenplatz Schweiz ist geprägt durch eine dualistische Struktur. Es kann grob

zwischen national orientierten Instituten (Kantonalbanken, Raiffeisenbanken, Han-delsbanken, Regionalbanken und Sparkas-sen) und international ausgerichteten Ban-ken (Grossbanken, Börsenbanken, Privat-bankiers, Auslandsbanken) unterschieden werden. Während Erstere vorwiegend im Zinsdifferenzgeschäft tätig sind, haben Letztere vor allem auch in der globalen Ver-mögensverwaltung und im Investment Ban-king wichtige Standbeine. Die Grossbanken sind als global aktive Universalbanken weder aus dem Inland- noch dem Auslandgeschäft wegzudenken (siehe Abbildung S. 30). Aller-dings weisen sie im Inlandgeschäft einen bedeutend geringeren Marktanteil (41 Pro-zent) als bei Geschäften mit ausländischen Kunden (82 Prozent) aus.

Wichtige Finanzintermediäre

Die Grossbanken sind für die Anlage von Ersparnissen und Vorsorgegeldern in der Schweiz sehr bedeutende Marktteilnehmer. Im Jahre 2007 vertrauten Gläubiger im In-land den beiden Instituten Ersparnisse im Wert von insgesamt 348 Milliarden Franken an. Damit erreichten die Grossbanken einen Marktanteil von 45,3 Prozent, bei den Fest-geldern betrug ihr Marktanteil gar 59,7 Pro-zent. Im Rahmen der 2. Säule und der Säule 3a verwalteten die Grossbanken Ende 2007 schätzungsweise 220 bis 250 Milliarden Franken – oder knapp die Hälfte des Totals in der Schweiz – an Wertschriftendepots für inländische Pensionskassen, Freizügig-

keitskonti/-anlagen für Versicherte sowie Konti und Anlagen der Säule 3a. Im Inland-Kreditmarkt sind die Grossbanken der wich-tigste Anbieter. Sie finanzieren 36 Prozent der Kredite an private Haushalte und 42 Pro-zent aller Unternehmenskredite. Bei den Bankkrediten an KMU – dem Rückgrat un-serer Wirtschaft – beträgt ihr Marktanteil über 30 Prozent. Unabhängig von der Art des Kreditnehmers werden in der Schweiz auch so genannte ungedeckte Kredite ver-geben. Dabei kann die Bank einzig den Schuldner direkt belangen, besitzt aber da-neben keine weiteren Sicherheiten (z. B. in Form von Aktien oder Bürgschaften). Rund 25 Prozent aller Kredite in der Schweiz wer-den ungedeckt nachgefragt. Mehr als die Hälfte davon werden von den Grossbanken gesprochen.

Pensionskassen als wichtige Investoren

Der Marktanteil der Grossbanken auf dem Schweizer Hypothekarmarkt beträgt 35 Pro-zent. Neben diesem Hypothekarvolumen in der Höhe von 236 Milliarden Franken – was annähernd der Hälfte des gesamten Schwei-zer Bruttoinlandsprodukts entspricht – sind die Baukredite zu erwähnen, wo der Markt-anteil der Grossbanken bei rund 28 Prozent liegt. Die Grossbanken treten auf dem Immo-bilienmarkt aber nicht nur als Fremdkapital-geber auf. Die Pensionskassen beider Ban-ken sind mit 2,9 Milliarden Franken direkt in Schweizer Immobilien investiert und mit 0,9 Milliarden in indirekter Form.

Text: Martin Lanz und Claude Vautier, Economic Research

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Für die aufgrund des beschränkten Binnen-marktes auf den Welthandel angewiesenen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sind zudem Trade-Finance-Dienstleistungen (Finanzierung, Risikominimierung, Diversifi-kation, Abwicklung von Handelsaktivitäten) unerlässlich. Grossbanken sind aufgrund ih-rer internationalen Ausrichtung besonders geeignet, diese Dienstleistungen zu erbrin-gen. Durch ihre Grösse ergeben sich Ska-lenerträge und die Absicherung von Risiken wird erleichtert. Die Credit Suisse nimmt in der Exportfinanzierung schweizweit eine führende Stellung ein und zählt international zu den bedeutenden Anbietern.

Vermögensverwaltung und Private

Die Vermögensverwaltung kann als Kern-kompetenz und zentraler und stabiler Pfeiler des Bankenplatzes Schweiz bezeichnet wer-den. Gemäss Angaben der Schweizerischen Nationalbank (SNB) betrugen die Wertschrif-tenbestände in Kundendepots bei Banken in der Schweiz per Ende August 2008 rund 4,8 Billionen Franken. Aufgrund der je-weiligen Kommissionseinnahmen kann der Marktanteil der Grossbanken geschätzt wer-den (Abbildung S. 31). Gemäss diesem An-satz hielten die Grossbanken Ende 2007 den mit Abstand grössten Anteil an den ver-walteten Depotbeständen.

Investment Banking

Zum Investment Banking zählen einerseits das klassische Investment Banking (Unter-nehmensfinanzierung, Kapitalmarktemis-sionen, Fusionen und Übernahmen) sowie das Trading (Wertschriften-, Devisen-, Roh-waren- und Banknotenhandel sowie Emis-sion und Sekundärhandel von strukturierten Produkten). In der Schweiz sind kapital-marktfähige Unternehmen für die Beschaf-fung von Investitionsmitteln, die Finanzie-rung internationaler Aktivitäten und Börsen-gänge ebenso auf das Investment Banking angewiesen wie die öffentliche Hand für ihre Infrastruktur- und Ausrüstungsinves- titionen.

Das Investment Banking der Gross-banken in der Schweiz orientiert sich stark an den Kapitalbedürfnissen der Unterneh-men und weniger am Eigenhandel mit Wert-papieren. Aufgrund ihrer Fachkompetenz und Grösse sind die beiden Grossbanken Hauptträger des Investment Banking in der Schweiz. Der Marktanteil der Gross-banken betrug 2007 bei Börsengängen 35 Prozent, bei Anleihenemissionen von

Schweizer Emittenten 46 Prozent, bei Fusio-nen und Übernahmen 50 Prozent und beim Devisenhandel geschätzte 50 Prozent.

Volkswirtschaftliche Effekte

Die wichtigsten Kerngrössen für die Be-trachtung der volkswirtschaftlichen Bedeu-tung der Grossbanken sind die Wertschöp-fung und Beschäftigung. Darüber hinaus sind auch Steueraufkommen und der Ein-fluss auf die Ertragsbilanz von gesamtwirt-schaftlicher Relevanz.

Wertschöpfung

Die Wertschöpfung des Bankensektors betrug 2006 40,7 Milliarden Franken oder 8,4 Prozent des BIP. Es werden keine Zah-len für die verschiedenen Bankengruppen erhoben; die Wertschöpfung der beiden Grossbanken beträgt geschätzte 15–17 Mil-liarden. Das Kreditgewerbe wies 2007 im Vergleich zum gesamten Tertiärsektor eine mehr als doppelt so hohe Bruttowertschöp-fung pro Beschäftigten auf. Diese hohe Produktivität widerspiegelt sich in einem überdurchschnittlichen Lohnniveau. Der monatliche Bruttolohn im Kreditgewerbe ist mit 8745 Franken deutlich höher als der schweizerische Durchschnittslohn von 5979 Franken.

Arbeitsplätze in der Schweiz

Die beiden Grossbanken gehören zu den grössten Arbeitgebern der Schweiz. 2007 entfielen von den 3 264 527 auf Vollzeitstel-len umgerechneten Arbeitskräften 108 821 auf den Bankensektor. Die Grossbanken be-schäftigten 46 210 Arbeitskräfte. Dies ent-spricht 42,5 Prozent aller Vollzeitstellen im gesamten Bankensektor. Die Grossbanken bilden zudem eine grosse Anzahl qualifizier-ter Mitarbeitender aus: Credit Suisse und UBS bieten in der Schweiz unter anderem 330 (180 CS und 150 UBS) Praktika für Studierende und 525 (300 CS und 225 UBS) Stellen für Hochschulabsolventen an. Zudem absolvieren in der Credit Suisse jährlich rund 200 Lernende eine kaufmän-nische Banklehre oder eine IT-Lehre und 40 Mittelschulabsolventen ein Junior Ban-king Program.

Die Summe der Lohneinkommen von Grossbankenangestellten wird für das Jahr 2007 auf 6,1 Milliarden Franken geschätzt. Über den Konsum fliesst ein Grossteil dieser Einkommen in das Wirtschaftssystem zu-rück. Nimmt man die Konsumquote für die Einkommensklasse der Grossbankenange-

Bilanzsumme der Banken in der Schweiz 2007Dominanter Anteil der Grossbanken an der Bilanzsumme der Schweizer Banken  Quelle: Schweizerische Nationalbank

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Inlandgeschäft

Auslandgeschäft

Kantonalbanken  Grossbanken   Regionalbanken  Raiffeisenbanken   Handelsbanken  Börsenbanken   Andere Banken  Privatbanken   Auslandsbanken

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stellten von 57,8 Prozent, so liegen deren Konsumausgaben bei 3,5 Milliarden Fran-ken. Das Gegenstück zum Konsum ist das Sparverhalten. In der Einkommensklas-se der Grossbankenangestellten werden 14,6 Prozent des verfügbaren Einkommens gespart. Diese im Vergleich zum Schweizer Mittel (10,1 Prozent) hohe Sparneigung führt aufgrund des hohen Lohnniveaus zu einem überdurchschnittlich hohen Sparvo-lumen.

Steuern

Die Banken leisten einen bedeutenden Bei-trag zum Steueraufkommen in der Schweiz. Die Steuerleistungen umfassen drei Kate-gorien:1. Die von den Finanzintermediären selbst bezahlten Steuern (Ertrags- und Kapital-steuern sowie Schattensteuer (taxe occulte) bei der Mehrwertsteuer).2. Die Besteuerung der Produktionsfak-toren (Einkommenssteuern der Mitar-beitenden auf ihren Salären/Boni und der Aktionäre auf den Dividenden).3. Die Steuern auf Transaktionen der Kun-den mit den Banken (diese generieren einen relevanten Teil der Stempel- und Verrech-nungssteuer, der Mehrwertsteuer auf Finanz-dienstleistungen sowie auf das in der Schweiz verbleibende Viertel der EU-Zins-abschlagsteuer).

In den vergangenen drei Jahren hat der Bankensektor insgesamt 13 bis 15 Milliar-den Franken Steuern abgeliefert. Das ent-spricht 12 bis 14 Prozent der Fiskaleinnah-men von Bund, Kantonen und Gemeinden. Der entsprechende Beitrag der Gross-

banken kann auf 4,5 bis 5,5 Milliarden Fran-ken oder 4 bis 5 Prozent der gesamten Fiskal-erträge geschätzt werden.

Ertragsbilanz

Die Schweiz verzeichnete 2006 einen Er-tragsbilanzüberschuss von 72 Milliarden Franken oder 14,7 Prozent des Bruttoinlands-produkts (BIP). Sie generiert also laufend deutlich mehr Erträge aus dem Geschäft mit dem Ausland als Aufwendungen. Nebst dem erfolgreichen Aussenhandel widerspie-gelt sich darin auch das markante Netto-Auslandsvermögen von rund 600 Milliarden Franken. Die Banken leisten mit geschätzten 20 –25 Milliarden Franken einen wesent-lichen Beitrag zum Überschuss in der Er-tragsbilanz. Es kann davon ausgegangen werden, dass auf die beiden Grossbanken ein Grossteil dieses Beitrags fällt.

Grossbanken als Einkäufer

Die Grossbanken sind bedeutende Ein-käufer von Vorleistungen. Schätzungsweise 4,7 Milliarden Franken beträgt die Einkaufs-summe in der Schweiz, wobei die Zulieferer im In- und Ausland angesiedelt sein können. Unter der Annahme, die Wertschöpfung der Zulieferer falle in der Schweiz an, generieren die Einkäufe der Grossbanken eine Wert-schöpfung von circa 2,4 Milliarden Franken und 19 275 Arbeitsplätze. Zu den wich-tigsten Zulieferern gehören die Beratungs- und Werbebranche sowie das Baugewerbe.

Beitrag an die Finanzplatzinfrastruktur

Eine sichere und effiziente Finanzplatzinfra-struktur ist für die Wertschöpfungskette des

Schweizer Finanzplatzes und damit die ge-samte Volkswirtschaft von zentraler Be-deutung. Netzwerkeffekte, zunehmende Skalenerträge, Verbundvorteile und hohe Fixkosten spielen bei solchen Infrastruktur-leistungen – zum Beispiel der Bereitstellung von Handelsplattformen – eine wichtige Rolle. Als Grossaktionäre leisten die beiden Grossbanken einen bedeutenden Beitrag an diese Infrastruktur. Sie halten mit 31,1 Pro-zent den von allen Bankengruppen wesent-lichsten Anteil am Aktienkapital der Swiss Infrastructure and Exchange Group (SIX Group).

Unter normalen Marktbedingungen tra-gen die Grossbanken wesentlich zu liquiden Geld- und Kapitalmärkten bei. Als Netto-schuldner im Inland ermöglichen die Gross-banken beispielsweise anderen Banken, ihre Überschussliquidität vorübergehend anzulegen. Sie absorbieren auch einen grossen Teil der Rückkaufvereinbarungen (Repos), mit denen die Schweizerische Nati-onalbank die Liquidität im Geldmarkt steuert. Schliesslich sind die Grossbanken auch be-strebt, ihre Dienstleistungen ständig weiter-zuentwickeln. Diese Forschungs- und Inno-vationstätigkeit kommt dem ganzen Finanz-platz zugute.

Selbstverständlich sind die beschrie-benen Leistungen nur ein Teil der Mosaik-steine, welche den Finanzplatz Schweiz ausmachen. Die Kompetenz der Grossban-ken in der Vermögensverwaltung und ihre globale Vernetzung tragen aber ganz wesent-lich zu dessen Stärke bei. Davon profitiert die ganze Schweizer Wirtschaft. <

Wertschriftenbestände in KundendepotsEnde 2007 hielten die Grossbanken einen Grossteil der in der Schweiz verwalteten Wertschriftenbestände in Kundendepots.   Quelle: Schweizerische Nationalbank

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Andere Banken  Auslandsbanken  Privatbanken  Handelsbanken  Börsenbanken  Raiffeisenbanken Regionalbanken   Grossbanken  Kantonalbanken  Kommissionsertrag (ohne Kreditgeschäft, rechte Skala)

Internationale  Vermögensverwaltung   In der grenzüberschreitenden (Offshore-)Vermögensverwaltung nimmt die Schweiz nach wie vor einen Spitzenplatz ein. Gemäss der Boston Consulting Group  werden 27 Prozent der weltweit offshore verwalteten Vermögen den Banken in der Schweiz anvertraut. Noch in den 1980er-Jahren hatte dieser Anteil schät-zungsweise 50 Prozent betragen. Die Marktanteilsverluste der Schweiz sind auf das Wachstum von anderen Offshore-Finanzplät-zen wie beispielsweise Luxem-burg (13 Prozent) oder Hongkong/Singapur (9 Prozent) zurückzu-führen.

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Credit Suisse Bulletin 5/08

Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) stellen in der Schweiz über 99 Pro­zent der Firmen und rund 70 Prozent der Beschäftigten. Sie bilden damit das Rück­grat der Wirtschaft und verdienen von allen Seiten Anerkennung.

Die Umfrage « Identität Schweiz» hat nun gezeigt, dass die Schweizer Bevölkerung die Leistungen ihrer KMU sehr zu schätzen weiss und positiv beurteilt. Auf einer Zeh­nerskala pendeln die Werte zwischen 5,1 (Ausbildungsplätze) und 5,4 (Sponsoring/Ökologie), wobei eine 10 (« leisten viel zu viel ») eine genauso negative Beurteilung wie eine 0 («leisten viel zu wenig») darstel­len würde. Die Mittelwerte um 5 bedeuten also, dass die KMU genau die richtige Dosie­rung finden.

Auch die Credit Suisse weiss um die Be­deutung der KMU – und ist in der Lage, sich sowohl den Grossunternehmen als auch den KMU mit dem nötigen Engagement zuzu­wenden. Dies gilt etwa für die Abteilung Economic Research, die einen beachtlichen Teil ihrer Arbeit den KMU widmet. So sind dieses Jahr neben den Regionalstudien, dem Branchenmonitor und anderen Analy­sen, die KMU ebenfalls betreffen, zwei Bro­schüren erschienen, die sich ganz direkt an sie wenden: «Megatrends 2008 – Chancen und Risiken für KMU» (Wissensgesellschaft) sowie «Finanzanlagen – eine Herausforde­rung für KMU» (zu beidem siehe Bulletin 3/2008, Wirtschaftsteil ).

In ihrer Beratungstätigkeit sind zwei Be­reiche zu nennen, in denen die Credit Suisse den KMU in speziellem Masse nützlich sein kann: die Nachfolgeregelung sowie Frage­stellungen rund um den Export. «Die inter­national ausgerichteten Schweizer KMU

nehmen die Credit Suisse als Partner wahr, welcher über ein internationales Netzwerk und grenzüberschreitendes Know­how ver­fügt », sagt dazu Hans Baumgartner, Leiter Firmenkunden Schweiz – KMU.

Dass der Swiss Venture Club (SVC) und die Credit Suisse zusammenspannen, ist naheliegend, weil mit Hans­Ulrich Müller ein Credit Suisse Exponent mit KMU­Herz den SVC seit Beginn ehrenamtlich als Prä­sident führt. Zunächst betraf die Zusam­menarbeit vor allem die SVC Unternehmer­preisverleihungen, die eine Anerkennung für vorbildliche, innovative KMU darstellen und gleichzeitig ideale Vernetzungsplattformen für bis zu 1500 Gäste pro Preisverleihung ermöglichen.

Von öffentlichem Interesse ist aber auch die seit 2007 gemeinsam durchgeführte Veranstaltungsreihe «Wettbewerbsfähig­keit ». Im Juni beispielsweise ging es in Lugano um die Entwicklungsmöglichkeiten der Region Tessin­Lombardei. Neben Gior­gio Giudici, Bürgermeister von Lugano, und Financier Tito Tettamanti sass auch Unter­nehmer Silvio Tarchini, Vorstandsmitglied des Swiss Venture Club, auf dem Podium.

Im August folgten rund 250 Gäste der Einladung nach Lausanne und wohnten der Diskussion um die Wirtschaftsstruktur und das Entwicklungspotiential der Region bei.

Im November wurden gleich zwei An­lässe durchgeführt, zuerst in Genf ein Informationsabend über die Luxusgüter­industrie – unter anderem mit Philippe Léo­pold­Metzger, CEO Piaget, und François Curiel, CEO Christie’s Europe, dann in Basel der «Life Science Cluster Basel ». Nach einem Referat von Daniel Vasella, CEO und Verwaltungsratspräsident Novartis, disku­

tierten auf dem Podium verschiedene Un­ternehmer mit Hans­Ulrich Meister, CEO Credit Suisse Schweiz, Peter Malama, Direk­tor Gewerbeverband Basel ­Stadt, sowie Michael F. Plüss, CEO Novartis Schweiz.

Der Swiss Venture Club kann den Unter­nehmern auch in vielen anderen Bereichen mit weniger Publizität nützlich sein, bei­spielsweise mit Bildungsanlässen in kleine­rem Rahmen oder einer KMU­Reise nach Indien. Mehr Informationen auf den folgen­den Seiten sowie unter www.swiss­venture­club.ch. Andreas Schiendorfer

Das starke Netzwerk der Schweizer KMUDer Swiss Venture Club versteht sich als Fürsprecher der wettbewerbsorientierten Schweizer KMU. Die Credit Suisse hat die Zusammenarbeit mit dem Swiss Venture Club in eine strategische Partnerschaft umgewandelt.

Leistung kleine und mittlere  Unternehmen (KMU) für  die Allgemeinheit (Mittelwerte)«Sagen Sie mir bitte anhand dieser Skala, wie Sie die Leistungen der KMU für  die Allgemeinheit in den nachfolgenden  Bereichen einschätzen. ‹0› bedeutet  ‹Die KMU leisten viel zu wenig›, ‹10›  bedeutet ‹Die KMU leisten viel zu viel›.  Mit den Werten dazwischen können  Sie Ihre Meinung abstufen.»  Quelle: gfs.bern

Steuern

Spenden

Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen

Dialog zwischen KMU und Politik

Ausbildungsplätze

0 3 4 5 101 6 7 8 9

Sponsoring (Kultur, Sport)

Ökologie

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5.3

5.2

5.2

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5.4

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 Finalisten 2008

      Espace Mittelland  1 1. Cendres + Métaux SA, Biel  2 2. MDC Daetwyler AG, Bleienbach  3 3. Meyer Burger AG, Thun  4 4. Fritschi AG, Reichenbach  5 Reisekasse REKA, Bern  6 Sputnik Engineering AG, Biel

      Ostschweiz  7 1. Varioprint AG, Heiden  8 2. Weber Bekleidung AG, St. Gallen  9 3. Samaplast AG, St. Margrethen10 4. Bioforce AG, Roggwil11 Hatecke, Scuol12 Inauen­Schätti AG, Schwanden

Suisse romande13 1. SymbiosOrthopédie, Yverdon14 2. Humard Automation, Delémont15 3. Pouly Tradition, Satigny 16 4. CPAutomation Groupe SA, Villaz­St­Pierre17 DC Swiss, Malleray 18 Tante Agathe, Lonay

Zentralschweiz19 1. Max Felchlin AG, Schwyz20 2. Gasser Felstechnik AG, Lungern21 3. Medela AG, Baar22 4. Aerolite Max Bucher AG, Ennetbürgen23 Hunkeler AG Paper Processing, Wikon24 Ruch Griesemer AG, Altdorf

 Finalisten 2007

    Espace Mittelland25 1. Hoffmann Neopac AG, Thun26  2. Schumacher AG, Buchbindereien, Schmitten27  3. Hector Egger Holzbau AG, Langenthal28  4. Kern AG, Konolfingen29    Mathys AG, Bettlach30    Molkerei Gstaad, Gstaad

    Nordschweiz31 1. Tally Weijl Trading AG, Basel32  2. Skan AG, Allschwil33  3. Wiederkehr Recycling AG, Waltenswil34  4. Bron Elektronik AG, Allschwil35    Mammut Sports Group AG, Seon36    Nanosurf AG, Liestal

    Svizzera italiana37 1. Assos of Switzerland SA, S. Pietro38  2. Newave SA, Quartino39  3. Albergo Losone, Losone40  4. Casram SA, Mezzovico41  Datamars SA, Bedano42  LATI Federazione Ticinese Produttori di Latte, S. Antonino

 Finalisten 2006

    Espace Mittelland43 1. Scott Sports SA, Givisiez 44 2. Blaser Swisslube AG, Hasle­Rüegsau45 3. Togewa Gruppe, Bern46 4. Biwi SA, Glovelier47 Fraisa SA, Bellach48 Grandhotel Giessbach, Brienz

    Ostschweiz49 1. Telsonic AG, Bronschhofen50 2. Swisstulle AG, Münchwilen51 3. Plaston AG, Wildnau52 4. Mosterei Möhl AG, Arbon53 Morga AG, Ebnat­Kappel54 Zur Rose AG, Frauenfeld

    Nordschweiz55 1. Haeusler AG, Duggingen56 2. Colenco Power Engineering AG, Baden Dättwil57 3. S. Karger AG, Basel58 4. Sotax AG, Allschwil59 Pfiffner Messwandler AG, Hirschthal60 De Sede AG, Klingnau

    Suisse romande61 1. Preci­Dip Durtal SA, Delémont62 2. Rüeger SA, Crissier63 3. Rouvinez Vins SA, Sierre64 4. Affolter Group, Malleray65 Fischer Connectors SA, Apples66 Similor Kugler SA, Carouge

    Svizzera italiana67 1. Precicast SA, Novazzano68 2. Termogamma SA, Biasca69 3. Trasfor SA, Molinazzo di Monteggio70 4. Nemerix SA, Manno71 IBSA SA, Pambio­Noranco72 Tenconi SA, Airolo

    Zentralschweiz73 1. Maxon Motor AG, Sachseln74 2. Galliker Transport AG, Attishofen75 3. RIWAG Türen, Arth76 4. Andermatt Biocontrol AG, Grossdietwil77 Emil Gisler AG, Seedorf78 Essemtec AG, Aesch

    Zürich79 1. Kistler Gruppe, Winterthur80 2. Avaloq Evolution AG, Zürich81 3. Wey Group, Bolligen82 4. Derendinger Gruppe, Dietlikon83 Büchi AG, Wil84 Acutronic AG, Bubikon

 Finalisten 2005

    Espace Mittelland85 1. Spirig Pharma AG, Egerkingen86 2. Güdel AG, Langenthal87 3. Comet AG, Flamatt88 4. Delec AG, Gümligen89 Lanz­Anliker AG, Rohrbach90 M. Schaerer AG, Moosseedorf

    Nordschweiz91 1. Trüb AG, Aarau92 2. Jaquet AG, Basel93 3. Regent Beleuchtungskörper AG, Basel

94 4. Oris AG, Hölstein95 Genedata AG, Basel96 Similasan AG, Jonen

    Suisse romande97 1. Felco SA, Les Geneveys­sur­Coffrane98 2. Debiopharm SA, Lausanne99 3. BG Ingénieurs Conseils SA, Lausanne100 4. Acqris, Plan­les­Ouates101 Visilab SA, Meyrin102 VisioWave SA, Ecublers

 Finalisten 2004

    Espace Mittelland103 1. Sphinx Werkzeuge AG, Biberist104 2. PB Baumann GmbH, Wasen105 3. Fischer AG, Herzogenbuchsee 106 4. Alupak AG, Belp107 BEB Industrie ­Elektronik AG, Burgdorf108 Formatest AG, Lyss

    Ostschweiz109 1. Abacus Research AG, Wittenbach110 2. Hotel Hof Weissbad, Weissbad111 3. Fela Management AG, Diessenhofen112 4. Christian Eschler AG, Bühler113 Romer’s Hausbäckerei AG, Benken114 Strellson AG, Kreuzlingen

 Finalisten 2003

    Espace Mittelland115 1. DT Swiss, Biel116 2. Intersema SA, Bevaix117 3. Precimed SA, Orvin118 4. Mäder Innenausbau AG, Wangen b. Olten119 Ikepod Watch SA, Bassecourt

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Beeindruckende Unternehmen als Finalis­ten, kulinarische Köstlichkeiten, einwandfrei funktionierende Technik oder schön beschrif­tete Namenstafeln für die Gäste – hinter je­der SVC Veranstaltung stehen Helfer, die sich in verschiedenen Funktionen ehren­amtlich und mit grossem Engagement für den Swiss Venture Club einsetzen. « Ich engagiere mich für den SVC, weil es eine enorm spannende und kreative Arbeit ist. Im Jurygremium kommen verschiedene Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Medien mit den unterschiedlichsten Vor­stellungen zusammen. Das Herantasten an die Firmen aus verschiedenen Blickwinkeln und mit individuellen Ansichten, das Ver­kleinern der Liste bis zu den Finalisten und schliesslich das Bestimmen eines Gewin­ners, dieser ganze Findungsprozess ist sehr interessant », erklärt Ingrid Duplain, Präsi­dentin der Jury des SVC Unternehmerprei­ses Nordschweiz.

Aufwändige Organisation im Vorfeld

Neben den Mitgliedern der regionalen Jury­gremien engagieren sich in den sieben SVC Regionen auch die Regionenleiter, welchen jeweils ein Komitee zur Organi­sation der Anlässe zur Seite steht. «Das Organisationskomitee war einerseits für die Vertragsverhandlungen mit den Sponsoren und deren Betreuung zuständig sowie andererseits für die Administration und Logistik des ganzen Anlasses. Im Vorfeld des Unternehmerpreises befasste es sich in sieben Sitzungen in erster Linie mit dem Budget, der Gestaltung des Programm­heftes, den Preisen und dem Rahmenpro­gramm. Der Ablauf, die Infrastruktur und das Catering des Abends mussten im De­tail geplant werden», meint Anita Kluser, Mitglied des Komitees am Unternehmer­preis Ostschweiz. Neben den Sitzungen werden die gesamten Vorarbeiten koordi­niert und in unzähligen Arbeitsstunden jeder einzelne Schritt erarbeitet. Der Auf­wand ist gross, doch er lohnt sich: Die letz­te SVC Unternehmerpreisverleihung Ost­

Vor jeder Swiss Venture Club Veranstaltung finden aufwändige  Vorarbeiten statt. Die freiwilligen Helfer im Hintergrund machen die Anlässe  möglich. Ein Blick hinter die Kulissen. 

Ohne Schweiss kein Unternehmerpreis

schweiz war eine rundum gelungene Ver­anstaltung mit rund 800 beeindruckten Gästen und hoher Medienpräsenz.

Auch in den anderen Preisverleihungen steckt viel Energie. Die Anlässe werden minutiös vorbereitet und es wird bis zuletzt an den Details gefeilt: In Bern wird vor dem Anlass bis tief in die Nacht an der Infra­struktur gebaut und der Regieleiter ist be­reits morgens um sieben Uhr in Anzug und Krawatte in der Halle anzutreffen, weil er den ganzen Tag keine Zeit mehr finden wird, sich noch umzuziehen. In Basel bereitet sich Ingrid Duplain zwei Stunden vor dem Anlass auf ihr Gespräch mit dem Moderator vor: «Es ist meine Aufgabe, für die Jury zu spre­chen und dem Publikum zu erklären, wie sie zu ihrem Entscheid gekommen ist.» Am Unternehmerpreis Zentralschweiz hat sich unerwartet ein wichtiger Gast angekündigt und es wird in letzter Minute an der Er­öffnungsrede gefeilt, um den Ankömmling angemessen begrüssen zu können. «Am Abend des Anlasses ist der Druck schon sehr hoch, aber dann zu sehen, was der

Preis alles auslösen kann, ist schön», sagt Inge Venetz, Mitglied des Organisationskomi­tees Zentralschweiz.

Erfolgreiche Unternehmer, wichtige Poli­tiker, bekannte Persönlichkeiten: Das viel­fältige Publikum ist die wichtigste Grund­lage jeder SVC Veranstaltung. Erst durch die interessierten Gäste wird eine SVC­Ver­anstaltung zu einer Netzwerkplattform, die erstklassige Kontaktmöglichkeiten bietet.

Das richtige Netzwerk

«Der Zugang zu diesem Netzwerk ist für KMU immens wichtig», betont Ingrid Duplain. «Der Austausch und Kontakt untereinander wird rege gepflegt und andere, erfolgreiche Unternehmen werden oft als Benchmark für die eigene Firma angesehen, was wiederum zu persönlichen Höchstleistungen anspornt. Gäbe es ihn noch nicht, müsste man den SVC erfinden, um so unglaublich viele Netz­werkmöglichkeiten zu erhalten.» Die im Hin­tergrund geleistete Arbeit macht es möglich, dass der SVC eine solche Plattform bleibt.Valérie Clapasson Fahrni

Ingrid Duplain, Konsulentin Vischer, Anwälte und Notare, Jurypräsidentin SVC Unternehmerpreis Nordschweiz, arbeitete 32 Jahre für Novartis. Zuletzt leitete sie das Verwaltungsrats-sekretariat. 

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Credit Suisse Bulletin 5/08

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Wer den Weg ins Finale schafft, gehört be­reits zu den Siegern. Dies muss ohne Zwei­fel konstatiert werden, denn öffentliche Anerkennung und mediale Präsenz der für einen SVC Unternehmerpreis Nominierten sind gross. Seit den Anfängen des SVC im Jahr 2003 waren nicht weniger als 119 Fir­men für 20 Unternehmerpreise nominiert. Eine stattliche Zahl, die noch mehr Gewicht erhält, wenn man bei einem prämierten Unternehmen nachfragt, was denn der Un­ternehmerpreis ausgelöst habe. «Unsere Mitarbeiter schätzten es sehr, für ihre täg­liche Arbeit anerkannt zu werden. Es ist seither auch viel einfacher, qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Das hat uns vor allem in den letzten zwei bis drei Jahren, als die Arbeitsmärkte ausgetrocknet wa­ren, sehr geholfen», betont Laurent Perrin, Geschäftsführer der Felco SA. Die Garten­ und Baumscheren der Firma überzeugten die Jury des SVC Prix de l’Entreprise Suisse romande so sehr, dass das Unternehmen im Jahr 2005 den ersten Preis gewann. Wenn Perrin heute zurückschaut, meint er zufrie­den: «Unser Bekanntheitsgrad in der Schweiz hat seit 2005 stark zugenommen.»

Vielfalt und Qualität

Beeindruckend ist nicht nur die Anzahl, sondern auch die Vielfalt der nominierten Unternehmen. Da steht Tally Weijl, ein Un­ternehmen aus Basel, das Mode für junge Damen produziert, in einer Reihe mit Unter­nehmen wie der Kistler Group aus Winter­thur, die Sensoren und Elektronik zur Mes­sung von Druck, Kraft und Beschleunigung entwickelt, oder mit der Precicast aus dem Tessin, die unter anderem Komponenten für Flugzeug­ und Raumschifftriebwerke her­stellt. Da steht eine kleine Pharmafirma aus Egerkingen neben dem Schokoladeherstel­ler aus Schwyz oder dem Edelmetallverar­beiter aus Biel.

Ein Fakt sticht hervor, der allen Fina­listen gemeinsam ist: Alle sind sie Anbie­ter oder Hersteller von aussergewöhnlich hochwertigen Dienstleistungen oder Pro­

Die Vielfalt und Qualität der nominierten Firmen an den regionalen  SVC Unternehmerpreisverleihungen ist beeindruckend. Wer nominiert wird,  hat bereits gewonnen.

Alle Finalisten sind Gewinner

dukten. Qualität ist das A und O und die Grundlage für eine Nominierung bei einem der regionalen Unternehmerpreise. «Wir haben wirklich einen ausgezeichneten Nähr­boden für Wirtschaft und Industrie in un­serer Region», stellt Laurent Perrin fest. Gemäss den Ergebnissen des diesjährigen Sorgenbarometers (siehe Seite 6) ist die «Schweizer Qualität » denn auch die grösste Stärke der Schweiz und rund 96 Prozent aller Befragten sind sehr oder ziemlich stolz auf den internationalen Qualitätsruf unseres Landes. Die Karte «Qualität » ist wichtig. Der SVC hat von Anfang an auf sie gesetzt. Befragt man Laurent Perrin spezi­fisch nach dem Nutzen des SVC, heisst es: «Der SVC ist ein sehr hilfreiches Mittel für die Unterstützung und Förderung der KMU. Wir sind oft hilflos gegenüber bestimmten wirtschaftlichen Problemen, weil wir nicht die Ressourcen eines grossen Konzerns haben. Unter solchen Umständen ist es von Vorteil, sich unterstützt und getragen zu fühlen.» Valérie Clapasson Fahrni

Laurent Perrin, CEO der Felco SA, die präzise Baum-  und Gartenscheren produziert, durfte 2005 den SVC Prix  de l’Entreprise Suisse romande entgegennehmen.

Gewinner  SVC Unternehmerpreis 2008

Espace Mittelland: Cendres + Métaux, Edelmetallprodukte

Ostschweiz:  Varioprint, Leiterplatten

Zentralschweiz:  Max Felchlin, Schokolade

Suisse romande:  SymbiosOrthopédie, Prothesen  SVC Unternehmerpreis 2009   4. 3.  Svizzera italiana, Lugano 11. 3.  Wirtschaftsraum Zürich, Zürich 31. 3.  Espace Mittelland, Bern 19. 11.  Nordschweiz, Basel

SVC Unternehmerpreis 2010  3. 3.  Espace Mittelland, Bern  18. 3.  Ostschweiz, St. Gallen  14. 4.  Zentralschweiz, Luzern  20. 5.  Suisse romande, Lausanne

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1 bis 8 Keiner zu klein, ein künftiger Konzertbesucher zu sein. Da der Musikunterricht in der Schule an Bedeutung verloren hat, unternimmt das Tonhalle-Orchester Zürich − wie andere Orchester − grosse Anstrengungen, um Kinder und Jugendliche für die klassische Musik zu begeistern. 9 bis 12 Im Mai 2008 führte das kammerorchesterbasel in Zusammenarbeit mit Education Projekte Region Basel «Kai» von Mark-Anthony Turnage auf, ein musikalisch inszeniertes Spiel von 14 jungen Cellisten und Cellistinnen aus Basel, mit Sol Gabetta als Solistin.

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Was nützt die beste Musik, wenn sie künftig niemand mehr hören möchte?Schweizer Orchester versuchen mit Sonderkonzerten und besonderer Betreuung, ein sehr junges Publikum für die klassische Musik zu interessieren. Mit Erfolg, denn die Kinder und Jugendlichen sind begeistert.

Einmal im Monat veranstaltet das Tonhalle-Orchester ein Morgenkonzert für ein ganz junges Publikum, für Dreijährige nämlich. Da-bei widmet sich ein Musiklehrer zusammen mit den Kindern einem Musikstück, während deren Eltern in einem anderen Konzertsaal Kammermusik hören. Mit fünf Jahren können Kinder mit ihren Eltern spezielle Familien-konzerte besuchen, bei denen Musiker und ein Geschichtenerzähler interagieren. Dabei kündet der Troubadour Linard Bardill von den Abenteuern des Prinzen Pando, untermalt von einer speziell vom französisch-schweize-rischen Komponisten Rodolphe Schacher komponierten Musik. Thema der Familien-konzerte in dieser und der nächsten Konzert-saison sind die vier klassischen Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft. «Die Idee ist, den kleinen und grossen Kindern durch die Sinnlichkeit der Musik und anhand der so ge-nannten Elemente die Grösse und die Vielfalt der Welt zu zeigen», erklärt Bardill.

Ausverkauft: tonhalleLATE Für die jun-gen Erwachsenen werden seit 2002 zwei-mal jährlich die tonhalleLATE-Konzerte, auch unter dem Titel «Classic Meets Electro» bekannt, veranstaltet. Die von der Credit Suisse speziell unterstützten tonhal-leLATE-Konzerte waren bisher stets aus-verkauft. «Es ist die ideale Art und Weise, jungen Menschen die Angst vor dem Un-bekannten zu nehmen und ihnen die Welt der klassischen Musik nahezubringen», ist David Zinman, Chefdirigent des Tonhalle- Orchesters Zürich, überzeugt. Dabei wird das übliche Konzertbillett durch ein Plastik-armband ersetzt, und das Foyer verwandelt sich in eine riesige Tanzfläche. Doch bevor dort moderne Musik zu hören ist und die Disco-Lichter blinken, gibt es ab 22 Uhr eine Stunde klassische Musik. Der Anlass

dauert bis in den frühen Morgen mit Live-Auftritten von zahlreichen Bands und DJs.

Ein 300-köpfiger Schulchor Ein weite-res Projekt des Tonhalle-Orchesters wen-det sich an Zweitklässler: Zwölf Orchester-musiker besuchen jeweils eine Schulklasse und stellen ihre Instrumente vor. Um die Schüler mit klassischer Musik vertraut zu machen, spielen sie einige kurze Stücke, während die Kinder dazu singen und tanzen können. Seinen Abschluss findet das Pro-jekt in einem öffentlichen Schulkonzert, bei dem alle Zweitklässler begleitet vom Orchester mitsingen. «Es macht Freude, wenn 300 Schüler das Orchester gesang-lich begleiten», betont Projektmanagerin Mara Corleoni. Darüber hinaus werden Führungen hinter die Kulissen organisiert, gefolgt von einer normalen Orchester-probe, um auch Schüler aus der Oberstufe und aus dem Gymnasium anzusprechen. Die älteren Schüler erhalten zusätzlich eine Einladung zu einem Abendkonzert.

Seminare zur Instrumentenkunde Auch das Orchestre de la Suisse Romande (OSR) hat für Genfer Schulkinder ein breitge-fächertes Angebot. «Am beliebtesten sind unsere Seminare, bei denen ein halbes Dut-zend unserer Musiker den Schülern die ein-zelnen Instrumente vorstellen. Im Anschluss können die Schüler dann auf speziellen In-strumenten ein leichtes Stück zusammen einstudieren», erläutert der Dirigent Phi-lippe Béran, der beim OSR die Education-Projekte leitet. «Diese Praxisseminare sind sehr wichtig, denn Kinder haben oft erst dann einen Zugang zu (klassischer) Musik, wenn sie selbst spielen. In einer Klasse wollten danach 22 von 24 Schülern ein Instrument lernen.» Eine andere Mass- >

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nahme besteht darin, dass einige Orches-termusiker eine Schulklasse besuchen und ein bevorstehendes Konzert im Detail erklä-ren. Die Musiker geben zunächst eine theo-retische Einführung und spielen dann Aus-züge des Konzerts. Anschliessend be-suchen die Schüler eine Probe und, wenn sie wollen, die Aufführung. Mit einstün-digen Konzerten will das OSR Schüler aus Genf und Umgebung ansprechen. Um noch mehr junge Zuhörer zu erreichen, geht das Orchester einmal im Jahr in den Kantonen der Westschweiz auf Tournee. «Ich dirigiere und betreue diese Schulkonzerte, die die Lehrer mit einem speziellen Lehrmittelpaket vorbereitet haben», ergänzt Béran. Mehr als 10 000 Schüler wohnen diesen Konzerten oder den Seminaren und Veranstaltungen bei. Die Prélude-Konzerte sind speziell auf die Bedürfnisse der Familien ausgerichtet, denn sie beginnen um 19 Uhr. Ein Abonne-ment für drei Konzerte kostet zudem nur 12 Franken.

«Freunde-Klub» Der Zamis-Klub («Freun-de-Klub»), der 2001 ins Leben gerufen wur-de und auf ein Publikum im Alter von 7 bis 25 Jahren abzielt, ergänzt das Jugendpro-gramm des OSR. «Es ist richtig, Kindern zu

zeigen, wie schön klassische Musik ist, aber sie sollen natürlich auch später Kon-zerte besuchen», betont Klubgründer André Piguet. Für einen jährlichen Beitrag von 10 Franken haben die Mitglieder die Möglich-keit, Konzerten des OSR umsonst beizu-wohnen – im Rahmen der verfügbaren Plät-ze, versteht sich. Jedes Jahr werden auch Prélude-Konzerte auf CD gepresst und an die Klubmitglieder und die Schulkinder ver-teilt. Individuelle Betreuung ist eine weitere spezielle Massnahme. Klubmitglieder, bei denen es sich häufig um Musikstudenten handelt, haben die Möglichkeit, eine Saison lang von einem Musiker des OSR betreut zu werden. Das beinhaltet oft auch eine per-sönliche Einladung zu einem Konzert, einer normalen oder einer Kostümprobe. «All diese Anstrengungen beginnen, Früchte zu tragen. Bei manchen Konzerten beträgt der Anteil junger Besucher fast ein Drittel», so Piguet stolz.

Die zukünftigen Opernstars Opera Viva am Zürcher Opernhaus ist ein Angebot, das sich an Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren richtet. Während die Eltern einer Opernaufführung beiwohnen, erleben die Kinder die gleiche Oper mit Kostümen, In-

strumenten und Klavierbegleitung, nur kön-nen sie dort selbst schauspielern und tanzen. «Zwischen 30 und 50 Kinder nehmen an den etwa 20 Opera-Viva-Veranstaltungen teil», führt Stefan Rissi, der Dramaturg des Opern-hauses Zürich, aus. «Dieses Konzept findet allerdings bei grösseren Kindern nicht mehr so viel Anklang. Daher laden wir mehr als 1000 Schüler von Gymnasien und Berufs-schulen ein, um ihnen zu zeigen, wie eine Opernproduktion abläuft.» Zunächst erhal-ten die Schüler eine Einführung in die Oper und ihren Komponisten, bevor sie die Werk-stätten der Kostümbildner, der Schreiner und der technischen Mitarbeiter besichtigen. Danach wohnen sie einer Bühnenprobe bei, wo die Sänger zwar spielen, aber nicht un-bedingt singen. Dem folgt eine Orchester-probe, an der auch die Sänger proben. Die Krönung ist der Besuch einer regulären Opernaufführung. Während der Saison wer-den auch Kurzfassungen mancher Opern aufgeführt. Diese richten sich speziell an Familien und Schulklassen. «Seit 2003 ha-ben mehr als 70 000 Kinder Kurzfassungen von Mozarts ‹Zauberflöte› gesehen. Dieses Jahr haben wir Kurzfassungen der vier Opern des Wagner’schen ‹Rings› auf dem Pro-gramm», fügt Rissi an. «Aufgrund unserer Angebote für Kinder und Jugendliche sind nun 22 Prozent der Besucher im Opernhaus unter 25 Jahre alt. Vor zehn Jahren waren es 12 Prozent.»

Behinderte Kinder musizieren Jedes Jahr realisiert das kammerorchesterbasel mit Education Projekte Region Basel ein spezielles musikalisches Vorhaben. Dafür erhielt es den «Junge Ohren Preis 2007». In der laufenden Saison musiziert man mit behinderten Jugendlichen. «Etwa 80 Kinder einer heilpädagogischen Schule in Basel nehmen an diesem Projekt teil. Zusammen mit einem Bewegungstherapeuten erarbei-ten fünf Musiker mit den Schülern ein musi-kalisches wie tänzerisches Spiel rund um Händels ‹Concerti Grossi›. Die Zusammen-arbeit wird von drei Aufführungen im Mai und Juni 2009 gekrönt werden», erläutert Hans-Georg Hofmann, der künstlerische Manager des kammerorchesterbasel. «Wir wollen den Kindern die Musik nahebringen, indem wir sie zu aktiver Beteiligung animie-ren. Sie sollen keine passiven Zuhörer sein. Das ist die beste Art und Weise, sie mit klassischer Musik vertraut zu machen. Ich hoffe, dass sie genauso viel Spass haben werden wie ich.» Dorothée Enskog

Die Beziehungen der Credit Suisse zur Welt der klassischen Musik in der SchweizDie Credit Suisse ist seit 1986 Partner des Tonhalle-Orchesters

Zürich und exklusiver Sponsor der tonhalleLATE-Konzerte. Das

nächste tonhalleLATE-Konzert findet am 3. April 2009 statt, während

das nächste Schulkonzert für den 22. Januar vorgesehen ist.

Seit 1991 ist die Credit Suisse Hauptsponsor des Orchestre de la

Suisse Romande. 2008 hat sie neben den traditionellen «Mosaïque»-

Konzerten aus Anlass des 90-jährigen Bestehens des Orchesters

fünf Violinkonzerte mit bekannten jungen Künstlern mitgetragen. In

der Série Credit Suisse spielten Julia Fischer, Yossif Ivanov, Renaud

Capuçon, Hillary Hahn und Arabella Steinacher. Seit 1989 fördert

die Credit Suisse das Zürcher Opernhaus. In diesem Rahmen unter-

stützt sie in jeder Saison zwei Neuproduktionen – dieses Jahr waren

dies Mozarts «Così fan tutte» und Donizettis «Lucia di Lammermoor» –

sowie eine DVD-Produktion. Daneben tritt die Credit Suisse

auch als Partner der Orchester-Akademie auf. Diese ermöglicht

es jungen Musikern des Opernhausorchesters, sich weiterzubilden

und erste Berufserfahrungen zu sammeln. Schliesslich ist die

Credit Suisse, um nur ihre wichtigsten Engagements zu nennen,

seit 2007 auch Hauptsponsor des kammerorchesterbasel. Hinzu

kommt die Unterstützung zahlreicher Festivals.

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Impressum

HerausgeberCredit Suisse Postfach 2CH-8070 ZürichTelefon +41 44 333 11 11Fax +41 44 332 55 55

Redaktion Sorgenbarometer-AusgabeAndreas SchiendorferAndreas Schiendorfer (schi) (Projektleitung), Daniel Huber (dhu), Dorothée Enskog (de), Regula Gerber (rg), Michael Krobath (mk), Mandana Razavi (mar), Valérie Clapasson Fahrni (cfv),Daniel Scherrer, Teva-Adrian Streich, Mario Tuor

E-Mailredaktion.bulletin@credit -suisse.com

Mitarbeit an dieser AusgabeDawn Emling, Janine Händel, Dominik Schenker, AndreasAndreas Thomann, John Tobin

Internetwww.credit-suisse.com/infocuswww.credit-suisse.com/infocus

MarketingVeronica Zimnic (vz)

KorrektoratClaudia Marolf, notabene

ÜbersetzungenCredit Suisse Sprachendienst

Gestaltungwww.arnold.inhaltundform.com: www.arnold.inhaltundform.com: Arno Bandli, Monika Häfliger, Petra Siegenthaler,Arno Bandli, Monika Häfliger, Petra Siegenthaler,Petra Feusi (Projekt management ), Carola Bächi (Korrektorat)

InseratePauletto GmbH, Miriam Dudek, Kleinstrasse 16, CH-8008 Zürich, Telefon und Fax 043 268 54 56

Beglaubigte WEMF-Aufl age 2007145 733

ISSN-RegistrierungISSN 1423-1360

DruckNZZ Fretz AG /Zollikofer AG

Redaktions kommissionRené Buholzer (Head of Public Policy), Monika Dunant (Head of Communications Private Banking), Urs P. Gauch (Leiter Firmenkunden Schweiz-Grossunternehmen), Fritz Gutbrodt (Head Chairmans Offi ce), Angelika Jahn (Investment Services & Products), Hubert Lienhard (Asset Management Distribution Services), Andrés Luther (Head of Group Communications), Charles Naylor (Head of Corporate Communications), Fritz Stahel (Credit Suisse Economic Research), Christian Vonesch (Head of Private & Business Banking Aarau)

Erschei nt im 114. Jahrgang(5 x pro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem Hinweis «Aus dem Bulletin der Credit Suisse ».

Adress änderungenAdress änderungenBitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts an Ihre Credit Suisse Geschäftsstelle oder an: Credit Suisse, ULAZ 12, Postfach 100, 8070 Zürich.

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken. Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften. Hinweise auf die frühere Performance garantieren nicht notwendi gerweise positive Entwicklungen in der Zukunft. Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits für Transaktionen von Gesellschaften der Credit Suisse Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument ver-tretenen Ansichten sind diejenigen der Credit Suisse zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vor-behalten.) Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.

In den vergangenen Monaten sind die ehemaligen Direktionsräume im ersten Geschoss der Credit Suisse am Paradeplatz zu Kundenempfangs-zimmern umgewandelt worden. Im Zuge dieser Neugestaltung wurdenmehr als 200 Kunst werke aus der Sammlung der Credit Suisse neu platziert.Für rund ein Dutzend der stukkaturgeschmückten Säle in der histo rischenBeletage haben Schweizer Kunstschaffende ortsspezifi sche Werk vor - schläge gemacht. Besonders intensiv haben sich Simone Eberli (*1972) und Andrea Mantel (*1966) mit dem Hauptsitz am Paradeplatz auseinan der-gesetzt. Bei der Begehung des Hauses begeisterte sich das Künstlerinnen-paar sofort für die eben zu historischem Glanz restaurierte Parkettboden-Rosette in der Schalterhalle. Anstatt eine passende Arbeit aus ihrem Fundus zu empfehlen, haben sie ein neues Werk auf eben diesem Parkettboden in Angriff genommen. Als vierter Teil ihrer Serie der «Puzzle»-Bilder schufen sie die Fotografi e «Wanja» (2008): eine symbolhafte Aus legeordnung mit einem Puzzle nach dem berühmten Gemälde von Pieter Brueghel. Darin wird der architektonisch gescheiterte Turmbau zu Babel von einem modernen Ingenieur auf einer – in ihrem Lichtspiel ebenso gefährlich labil erscheinenden – Parkettunterlage skeptisch überprüft. Mehr Informationen unter www.credit-suisse.com/sponsoring > Kunst > Sammlung Credit Suisse André Rogger, Leiter Fachstelle Kunst

Neue Kunst für den Hauptsitz

EberliMantel, «Wanja», 2008. Gerahmte Fotografi e in Diasec, 170 x 170 cm. Sammlung Credit Suisse. Ausgestellt in Zürich-Paradeplatz, Besprechungszimmer 1.419.

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Im Sportsponsoring legt die Credit Suisse grossen Wert auf eine nachhaltige Entwicklung. Im Fussball fliessen seit 1993 die Hälfte der Beiträge in die Nachwuchsförderung. Ein Augenschein in der Credit Suisse Academy in Emmen.

Hohe Schule der Nachwuchsförderung

Er liegt auf dem Rasen. Den Kopf aufgestützt, das eine Bein leicht angewinkelt, das andere rund 20 Zentimeter über dem Boden ausge-streckt. 45 Sekunden lang. Der innere Ober-schenkelmuskel brennt. Die Übung wird mehrmals wiederholt. Danach widerfährt den Rücken- und Bauchmuskeln dasselbe Schicksal. Und so geht das täglich, fünfmal pro Woche. Denn die Rumpfmuskulatur – so die neuesten sportwissenschaftlichen Er-kenntnisse – fördert nicht nur die Sprung- und Schnellkraft, sondern sie dient auch der Verletzungsprävention. Sie entscheidet also über Karrieren. Und dazu ist Andreas Hirzel auserkoren. Läuft alles nach Plan, soll der 16-jährige Torhüter dereinst den Sprung ins Profigeschäft und vielleicht sogar in die Schweizer Nationalmannschaft schaffen. Genauso wie jene anderen 14 Jugendlichen, die an diesem prächtigen Herbstnachmittag auf dem Sportplatz Gersag mit Blick auf Pilatus und Stanserhorn trainieren.

Die Credit Suisse Academy in Emmen ist eine Art Harvard für Fussballtalente aus der Deutschschweiz. Diese profitieren hier von einer einmaligen Verzahnung von Schule und Sport. Untergebracht sind sie bei Gastfami-lien. An den Wochenenden fahren die Nach-wuchskicker jeweils nach Hause, wo sie mit ihrem Stammverein die Meisterschaftsspiele bestreiten.

«Regionale Ausbildungszentren wie jenes in Emmen sind beispielhaft für die Hoch-begabtenförderung», sagt Hansruedi Hasler, der technische Direktor des Fussballver-bandes und Spiritus Rector des erfolgreichen Nachwuchskonzepts. «Hier erfahren die Ta-lente erstmals Konkurrenz und sie werden individuell ausgebildet.» Die weiteren Stütz-punkte befinden sich in Payerne, Tenero und in Huttwil (Mädchen). An der Finanzierung beteiligen sich die Standortkantone, der

Schweizerische Fussballverband und die Credit Suisse.

«Wir arbeiten hier unter optimalen Bedin-gungen», sagt Leiter Markus Kälin. «Auf einem Quadratkilometer findet sich alles, was wir brauchen.» Tatsächlich steht den Nachwuchs-spielern eine bessere Infrastruktur zur Verfü-gung als manchem Profiverein. Vier Rasen-plätze und ein Trockenspielfeld, zwei Hallen, Schwimmbad, Kraftraum, alles picobello. Und daneben das Schulhaus, eine physiotherapeu-tische Praxis und das Gemeindezentrum, in dem Spieler und Betreuer gemeinsam das Mittag- und Abendessen einnehmen. «Gesun-de Sportlerernährung, aber ohne unerlaubte Nahrungsergänzung», wie Kälin betont.

Wie die Profis Dem diplomierten Sportleh-rer und ehemaligen Nationalliga-A-Goalie (FC Kriens) steht ein fünfköpfiges Team zur Seite, darunter ein Lehrer und ein Sozialpädagoge. Er berichtet von der anfänglichen Skepsis der Grossklubs gegenüber den Ausbildungszen-tren, da sie ihre Junioren lieber unter den ei-genen Fittichen haben wollten. «Inzwischen sehen sie uns nicht mehr als Konkurrenz, und wir arbeiten gut zusammen.»

Tatsächlich stammen die meisten der ge-genwärtig 15 Schüler mit den Jahrgängen 1993/94 aus den Nachwuchsabteilungen von Super-League-Teams. Sie wurden nach einem neunmonatigen Auswahlverfahren, in dem die Technik, (Spiel-)Intelligenz, Persön-lichkeit und Schnelligkeit berücksichtigt wurde, in die Akademie aufgenommen. Die Secondos, welche rund die Hälfte ausma-chen, müssen die Schweizer Staatsbürger-schaft besitzen oder in ein Einbürgerungs-verfahren involviert sein. «Auch wenn das keine Garantie ist, dass sie sich dereinst für die Schweizer Nationalmannschaft entschei-den», wie Kälin illusionslos zugibt.

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Die Rumpfmuskulatur entscheidet über Karrieren. Trainingsalltag der hochbegabten Fussballer in der Credit Suisse Academy in Emmen.

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merhin: Ex-Schüler wie Philipp Koch (FCZ) oder Dino Rebronja (YB) sind bereits in der Super League zum Einsatz gekommen.

Manchester, Bremen, Liverpool Trotz-dem hat man auch in Emmen schon Erfah-rungen mit der grossen Fussballwelt ge-macht. Gelegentlich taucht ein Scout oder Spielervermittler auf dem Trainingsgelände auf. «Einmal hat mich ein englisch sprechen-der Herr angequatscht und über die Spieler ausgefragt», erzählt der erfahrene Ausbild-ner. «Als ich ihm die Namensliste der Spieler nicht geben wollte, versuchte er sie mir aus der Hand zu reissen.» Nicht weniger unver-froren war jener Agent, der per Fax mitteilte, sein Spieler sei für einige Tage von der Schu-le freizustellen. Der Grund: Werder Bremen habe ihn zum Probetraining eingeladen. An-fragen wie diese verweise er an die Vereine der Spieler, betont Kälin, «und während der Schulzeit sind Probetrainings strengstens verboten».

Schon einige durften bei renommierten Vereinen vorspielen. Philipp Koch etwa war je eine Woche bei Manchester United und Arsenal, Dino Rebronja bei Werder Bremen und Manchester City. Während beide die anschliessenden Angebote ausschlugen, erlag Pajtim Kasami der Verlockung von Re-nommee und schnellem Geld. Der Emmen-Schüler und GC-Junior wechselte zum FC Liverpool. «Eine traurige Geschichte», meint Kälin. «In England hat er meines Wissens nie gespielt und in der Schweiz hat er seinen Platz in der Nachwuchsauswahl verloren.» Der Betreuerstab in Emmen hält sich bei sol-chen Transferentscheidungen bewusst zu-rück. «Wir versuchen aus jedem Spieler das Maximum herauszuholen», sagt der Leiter des Ausbildungszentrums, «aber über sein Schicksal entscheidet schliesslich jeder selbst.»

«Made in Switzerland», so viel steht fest, hat sich im Laufe der vergangenen Jahre auch im Fussballbusiness zu einem Güte-siegel entwickelt. In den Altersklassen 12 bis 16 belegt die Schweiz im europäischen Ver-gleich sogar den ausgezeichneten 7. Rang. Die Credit Suisse Academies sollen dabei helfen, dass dies so bleibt. Vielleicht auch dank Andreas Hirzel. Zum Torhüter der U16-Nationalmannschaft hat er es bereits ge-bracht. Und die Realisierung des Berufes Fussballprofi scheint für ihn weniger ein Traum denn eine Überzeugung. Seine lako-nische Begründung: «Die anderen arbeiten hart, ich arbeite härter.» Michael Krobath

Andreas Hirzel hat inzwischen das Training beendet und begibt sich zur Hausaufgaben-stunde. Wie alle Spieler besucht er eine Re-gelklasse der örtlichen Sekundarschule. Das reduzierte Stundenpensum wird durch indivi-duellen Stützunterricht und beaufsichtigte Hausaufgabenlektionen kompensiert. Früher habe er unter Dauerstress gelitten, erzählt er. Nach der Schule sei er jeweils nach Hause gerannt, habe seine Sporttasche geschnappt und die Eltern hätten ihn vom zürcherischen Urdorf nach Aarau chauffiert, wo er mit dem Team Aargau trainierte. Und dies bis zu vier-mal pro Woche. «Ich habe keine Sekunde gezögert, als ich von Emmen den Aufnahme-bescheid bekam», sagt Andreas.

Der Lockenkopf mit dem Bubengesicht und dem Männerkörper (1,82 Meter/70 Kilo) ist eher der Typ Benaglio denn der Typ Zuberbühler: Er spricht leise und nur das Nötigste, wirkt dabei aber sehr fokussiert. Wer hier seine Karriere starten will, braucht Disziplin. Die Pubertierenden unterschrei-ben einen Verhaltenskodex, einschliesslich Kleiderordnung und der Verpflichtung, die Abende daheim bei der Gastfamilie zu ver-bringen. Alle Abende. «Man gewöhnt sich daran», wischt er Befindlichkeitsfragen wie eine lästige Fliege vom Tisch. «Dafür habe ich hier öfter Goalietraining, das Niveau ist höher und der Konkurrenzdruck grösser.»

So hoch die Anforderungen an die Ju-gendlichen auch sind, so sehr achten die Ver-antwortlichen der Credit Suisse Academies auf eine altersgerechte Trainingsphilosophie. Während viele Vereine ihre Junioren zweimal pro Tag auf den Rasen schicken, begnügt man sich in Emmen mit einer Trainingseinheit. «Das reicht», sagt der Fussballinstruktor, «die physische Entwicklung ist in diesem Alter noch nicht abgeschlossen.» Aus demselben Grund verzichtet man beim Krafttraining auf Hanteln und Gewichte. Im Zentrum der Aus-bildung stehen die Perfektionierung der ko-ordinativen Fähigkeiten und die Technik. «Wer mit 16 das Zentrum verlässt», so Kälin, «muss über das technische Rüstzeug eines Super- League-Spielers verfügen.»

Das hochgesteckte Ziel der Ausbildungs-zentren ist es, möglichst viele Nationalspieler hervorzubringen. Das leuchtende Beispiel heisst Johan Djourou, der zwei Jahre lang das Ausbildungszentrum Payerne besucht hatte, bevor er zu Arsenal London wechsel-te und für die Schweiz an der WM und EM spielte. In Emmen ist man noch nicht so weit. Das Zentrum wurde erst 2005 eröffnet, die ältesten Abgänger sind gerade erst 18. Im-

Andreas Hirzel ist einer der 15 Schüler der Credit Suisse Academy in Emmen. Schule und Sport ergänzen sich hier perfekt. Oben Besuch der örtlichen Sekundarschule. Mitte Trainieren für das Karriereziel Nationalmannschaft. Unten Jeden Abend daheim bei der Gastfamilie – eine der Regeln des Verhaltenskodex.

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Erster Teil: Die Sicht der Vorgänger Seite 04 Interview Peter Brabeck | Seite 06 Round Table Willy Michel,

Theo Breisacher (Bild), Ueli Heiniger, Robert Schuppli | Seite 09 Business Case Robert Borner | Seite 10 Umfrage

Zweiter Teil: Die Sicht der Nachfolger Philippe Gaydoul, Ancillo Canepa, Martin Jost, Patrick Barberon

Nachfolge Verantwortung weitergeben

1V_BP_01_8a_Titel_Vorgaenger_Plu1 1 11.11.2008 13:24:42 Uhr

bulletin plus – das Heft im Heft für Schweizer LeserDie Verantwortung übergeben, die Verantwortung übernehmen

Die KMU sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Die Sorgenbarometer-Umfrage belegt den hohen Stellenwert, den die KMU bei der Bevölkerung geniessen. Doch viele stehen vor einer ungewissen Zukunft. Nicht mangelnde Produktevisionen oder die ausländische Konkurrenz stellen die Bedrohung dar: Vielmehr stellt sich für 185 000 Unternehmen die Frage der Firmennachfolge. Allzu oft wird dieses Phänomen – ein Problem sollte es ja nicht sein – von den Unternehmern und ihren möglichen Nachfolgern verdrängt. Lesen Sie in unserem bulletin plus, was Unternehmerpersönlichkeiten dazu zu sagen haben. PDF-Versionen ( d/f/i ) unter www.credit-suisse.com/bulletin.

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Gesellschaft  Zoo

Besonders die Dschelada-Männchen mögen Aussichtspunkte wie diesen Felsen hier, weil sie von dort den perfekten  Überblick über die Aktivitäten ihrer Harems und insbesondere die der anderen Männchen haben.

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Text: Regula Gerber

Ein Leben im Zürcher HaremWie in der Wildnis teilen sich Blutbrustpavian, Steinbock und Klippschliefer nun  auch im Zoo Zürich ihren Lebensraum. Ende Oktober 2008 bezogen sie die neue Anlage. Seither sorgen besonders die Affen mit möglichen Neuformationen für Spannung.

Und Anlauf, Absprung, Salto, stehen. Und Anlauf, Absprung, Salto, stehen. Die über­mütigen Blutbrustpavianbuben überbieten sich gegenseitig im Purzelbaumschlagen und besetzen damit den alleinstehenden Felsblock, der wie ein stiller Wächter der Anlage zuoberst auf dem Hügel thront. Schon gehts weiter mit der Tollerei; in einer wilden Verfolgungsjagd springen die Klei­nen über Felsbrocken, hetzen an den ver­blüffend echt aussehenden Plastiklobelien und den gleichgültigen Steinböcken vorbei über das bereits zertrampelte Gras runter zum schmalen Fluss. Der dient hier am Fusse des Hügels als natürliche Begren­zung und trennt die Tieranlage von den Besuchern, die so das Treiben hautnah mit­erleben können. Nach einem kurzen Ge­rangel am Wasser scheint das gegenseitige Interesse wie weggeblasen und die Dsche­ladas – wie sie auch genannt werden – zie­hen sich schlendernd für einen Imbiss unter einen schützenden Felsenvorsprung zurück. Als Zuschauer, nur durch eine Glasscheibe von der Wiese vor den Felsen getrennt, wird man Zeuge, wie geschickt sich die Vegeta­rier beim Essen verhalten: Ein Grasbüschel formen sie zuerst zu einem vorbildlichen Muttertagssträusschen, danach streifen sie die Samen mit den Zähnen oder mit Hilfe von Daumen und Zeigfinger ab.

Rote Perlenkette als Aufforderung

«Natürlich haben alle Tiere zuerst ihre neuen Nachbarn und die Anlage vorsichtig erkun­det, besonders die Steinböcke waren zu Be­ginn zurückhaltend», sagt Alex Rübel, Direk­tor Zoo Zürich. «Der grosse Fels zuoberst wurde allerdings sofort von den Dscheladas in Beschlag genommen, auch die anderen Aussichtspunkte werden rege genutzt. Und sie suchen ihre Nahrung fleissig selber, was

nun auch möglich ist. Ihr Verhalten zeigt uns, dass es sich sehr gelohnt hat, diese natur­nahe Umgebung für die Tiere zu schaffen.» Alex Rübel sieht den Einzug in die neue Anlage als Erfolg. Immerhin galt es nicht nur, die Tiere umzusiedeln, sondern auch, Steinböcke, Dscheladas und Klippschliefer zusammenzuführen. Diese Mischung von Tieren lebt in der Wildnis nicht auf so engem Raum wie im Zoo zusammen, sondern im Semien­Gebirge (s. Box) in einem äthio­pischen Nationalpark von der Grösse des Schweizer Nationalparks im Engadin. Doch Alex Rübel hat keine Bedenken, dieses Zu­sammenleben sei auch schon durch andere Zoos im Ausland erprobt worden. Das Haupt­interesse des Zoodirektors gilt zurzeit dem Verhalten der Dscheladas. Diese leben in der Wildnis in einer Herde von ungefähr 300 Tieren, innerhalb der sich verschiedene, durch soziale und psychologische Grenzen getrennte Harems formieren. «Bei uns im Zoo leben momentan 25 Tiere mit nur einem Haremsführer. In der Wildnis dauert diese Führerschaft rund vier Jahre, in Gefangen­schaft kann das hingegen bis zu zehn Jahre gehen, weil das Leben im Zoo doch etwas weniger anstrengend und gefährlich ist. Zwei jüngere Männchen sollten jedoch in den nächsten eineinhalb Jahren in die Rolle hineinwachsen.» Die Gruppe verhalte sich zurzeit insgesamt zwar ruhig, aber der domi­nante Mann müsse jetzt kämpfen, um sich als Haremsführer zu behaupten, weil ihn die zwei Jungmänner oft herausfordern würden. Alex Rübel ist gespannt: «Es wird sich nun zeigen, ob er alle Weibchen gegen die Ein­dringlinge verteidigen kann.»

In der Natur führt ein ausgewachsenes Männchen ein Harem, zu dem mehrere Weib­chen und Jungtiere gehören. Weibchenlose Männchen schliessen sich zu Junggesellen­

gruppen zusammen, die sich physisch wie sozial am Rand der Gruppe bewegen, damit keine Konflikte mit dem Haremsführer ent­stehen. «Um doch zu dieser begehrten Posi­tion zu kommen und selbst ein Harem füh­ren zu können, verfolgen die jungen Männer zwei Strategien», erklärt Alex Rübel: «Ent­weder sie versuchen, den aktuellen Harems­führer zu vertreiben, oder sie knüpfen am Rande einer Haremsgruppe Beziehungen zu jüngeren Weibchen und lösen diese so zur Gruppe heraus.»

Dscheladas tragen eine nackte rot ge­färbte Hautstelle im Brustbereich. Bei den Weibchen ist sie umkränzt von kleinen Bläschen, die während der fruchtbaren Zeit wie eine Perlenkette anschwellen, was ein verlockendes Empfängnissignal für die Männchen ist. Um die günstige Ge­legenheit nicht untätig vorbeiziehen zu las­sen, bieten sich zwei Vorgehensweisen an: Entweder verjagt das Männchen die Kon­kurrenten, oder es wählt die feigere Metho­de des klammheimlichen gemeinsamen Wegschleichens.

Tierarten und Lebensräume erhalten

Mittlerweile ist kühleres Regenwetter auf­gekommen und die Tiere ziehen sich in die Unterschlupfe oder in das für den Zu­schauer kaum sichtbare geschlossene Ge­hege zurück. In der freien Natur dienen den Dscheladas vor allem nachts Felswände als Schutz vor Raubtieren. Damit die Un­terstände des Zoos die gleichen Funktio­nen des Rückzugs und Schutzes bieten können, werden sie in der kalten Jahreszeit bei Bedarf geheizt.

Der Regen lässt die kleinen Bäche an­schwellen, die auf der linken Seite des Hü­gels aus dem Boden quellen. Eine Hütte, deren Mauern teilweise die Abgren­ >

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1  Kaum zu glauben: Die nächsten genetischen Verwandten des Klippschliefers sollen See-kühe und Elefanten sein.  2  In den Semien teilt der Walia-Steinbock den Lebensraum  mit den Dscheladas, hier ist es der Nubische Steinbock.  3  In den natürlichen Felsunter-ständen sind die Tiere geschützt und können sich ausruhen.  4  Die neue Anlage bietet  den Tieren auch die Möglichkeit, die Nahrung selbst zu suchen. 

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zung der Anlage bilden, dient nicht nur als Schutz vor schlechtem Wetter, sondern auch als Beobachtungsposten. Entspre­chend ist dieser mit Ferngläsern und genug Sitzgelegenheiten ausgestattet. Dank dem Ausblick auf einen grossen Teil der Anlage lassen sich von hier oben die Verhaltens­weisen der Tiere bestens studieren – wofür die Dscheladas bekannt und deshalb für den Schulunterricht sehr beliebt sind. Und dort erfährt man durch die Lerntafeln auch, was es bedeutet, wenn ein Dschelada bei­spielsweise ein anderes Tier angrinst: Er be­grüsst es und freut sich, es zu sehen.

Ein paar Schritte von der Anlage ent­fernt steht die zweite, afrikanisch anmu­tende Hütte. In dieser kann der Besucher ein genaueres Bild über eine der grössten Gebirgsregionen Afrikas gewinnen. Das Semien­Hochland in Äthiopien – hier in Karte und Relief erfühlbar – befindet sich auf 3600 Meter Höhe. Und von dort stam­men alle Tierarten, die in der Anlage zu sehen sind. Die Semien sind Arbeitsort und Ernährungsgrundlage vieler Menschen und von deren Haustieren. Doch ebendiese Rinder, Ziegen, Schafe und Pferde sind Nahrungsmittelkonkurrenten für Wildtiere wie Steinböcke und Dscheladas. Alex Rübel schildert die schwierige Situation: «Es entstehen übernutzte Grassteppen. Zudem lassen die Fress­ und Trittschäden der Haustiere die Pflanzenvielfalt der Steppe verarmen und führen zu Boden­erosion durch den Wind und Regen. Auch sind die Bergwälder durch die starke Bau­ und Brennholznutzung stark bedroht. Wir leisten mit der neuen Anlage also auch ei­nen Beitrag zur Erhaltung von Tierarten und Lebensräumen.» Doch die Semien sind nicht nur der Lebensraum der Tiere, son­dern auch von sehr armen Menschen, de­ren Überleben von der Nutzung jedes Fleckchen Landes abhängt. Diese Tat­sache macht die Situation schwer lösbar. Umso wichtiger ist es, die Zoobesucher über das Gebiet zu informieren und sie für nachhaltigen Tourismus in der betroffenen Region zu motivieren.

Zurück am Fusse der Anlage verfliegt die Nachdenklichkeit aber schnell. Die Tiere sind mit den ersten paar Sonnenstrahlen wieder aus ihren Schlupflöchern heraus­gekrochen. Bereits wurde der höchste Felsen wieder eingenommen: Der Harems­führer sitzt prüfend auf dem Stein, er will das Treiben im Griff haben – solange er das noch darf. <

Unterstützung durch die Credit Suisse  Ende Oktober 2008 konnte das neue Dschelada-Gehege – dank Spenden  von Privaten und Institutionen – seine Tore öffnen. Auch der Jubiläumsfonds der Credit Suisse Group hat das Projekt  mit einem massgeblichen Beitrag unterstützt. Der Grund-stein zum Umbau ist allerdings bereits in den Neunziger-jahren mit einem Gesamtkonzept gelegt worden. So setzt sich der Zoo bis heute zum Ziel, nicht nur als informatives und attraktives Naturerlebnis für die Menschen zu gelten, sondern auch einen Beitrag zur Arterhaltung und somit zum Naturschutz zu leisten. Als Konsequenz daraus soll der  Zoo als naturnahe Welt der Tiere mit einer exakten Nachbil-dung der natürlichen Gegebenheiten verschiedener Kon-tinente gezeigt werden. Umgesetzt wurde diese Philosophie bereits in der Masoalahalle, und sie fand nun mit der  Dschelada-Anlage eine Fortsetzung. Der Entscheid für die Semien war bereits durch die Zusammenarbeit des Zoos  mit der Malou-Stiftung, Zürich, vorgegeben, die sich seit langem für den Schutz dieses Gebietes und deshalb auch  für den dortigen Nationalpark einsetzt.  

Was früher eine abfallende Wiese war und  für Schafe und Ponys als Weide genutzt wurde, hat sich in eine dem Semien-Hochland nachempfundene Landschaft verwandelt.

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Bergwaldeinsätze in der ganzen Schweiz: 610 Mitarbeitende der Credit Suisse leisteten zwischen Mai und September 2008 einen eintägigen Arbeits­einsatz in den Bergwäldern von Trin, Chur, Maienfeld, Escholzmatt, Willisau, Vitznau, Schaan (FL), Roveredo, Champéry und Blonay. Das Projekt wird 2009 fortgesetzt.

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Corporate Volunteering ist ein Gewinn für alle

«Freiwilligenarbeit ist ein wichtiger Eck­pfeiler des Gemeinwesens unseres Landes. Seit Anfang 2008 haben mehr als 2000 Credit Suisse Mitarbeitende in der Schweiz einen Freiwilligeneinsatz geleistet », erklärt Hanspeter Kurzmeyer, Leiter Privatkunden Schweiz und Mitglied des Volunteering Committee der Credit Suisse. «Dank des internationalen Tags der Freiwilligenarbeit am 5. Dezember und vor allem seit dem UNO­Jahr der Freiwilligenarbeit 2001 hat die Anerkennung deutlich zugenommen. Zu­gegebenermassen handelt es sich dabei eher um eine stille, keine grossen Schlag­zeilen hervorrufende Anerkennung.»

In Sachen Freiwilligenarbeit kann die Schweiz auf eine lange Tradition zurück­blicken. Neuste Studien zeigen, dass nahe­zu drei Millionen Bewohnerinnen und Be­wohner der Schweiz während durchschnitt­lich 15 Stunden pro Monat Freiwilligenarbeit leisten. Corporate Volunteering hingegen, also die an ein Unternehmen gekoppelte Freiwilligenarbeit, ist hierzulande vergleichs­weise wenig bekannt. Die Credit Suisse nutzte das Jubiläumsjahr 2006, um das Corporate Volunteering, das firmenintern in den USA und Grossbritannien bereits seit vielen Jahren bestens funktioniert, auch in der Schweiz zu etablieren: Man engagierte sich beim Suppentag der Schweizer Tafeln und half auf diese Weise, geniessbare Lebensmittel mit bereits abgelaufenem

Im Bergwald junge Bäumchen schützen, Blut spenden, Suppe verkaufen, bei einem Kurzfilm-Festival zum Thema Behinderung mithelfen, Seeufer putzen – Freiwilligenarbeit hat verschiedene Facetten. Attraktiv sind sie alle.

Verkaufsdatum den Bedürftigen in der Schweiz – es sind dies nicht weniger als 340 000 Personen – zukommen zu lassen. In der Folge wurde das Corporate Voluntee­ring in der Schweiz systematisch ausgebaut. Zuständig für das Corporate Volunteering ist ein Team unter der Leitung von Zahra Darvishi, das in den einzelnen Regionen von Volunteering Champions unterstützt wird.

«Wir möchten überall dort, wo wir tätig sind, ein guter lokaler Partner sein und Mit­glieder der Gemeinschaft bei der Verbes­serung ihrer Situation unterstützen», be­gründet Fritz Gutbrodt, Head Chairman’s Office und ebenfalls Mitglied des Voluntee­ring Committee. «Community Development und Education sollen daher Schwerpunkte unseres Engagements sein.»

Das Corporate Volunteering erweist sich schon jetzt als Erfolg. Sich freiwillig für eine gute Sache zu engagieren, bringt eine gros­se Befriedigung, zumal man neue Menschen und Situationen kennenlernt. Zudem kann es ein teambildendes Element sein, was sich nachher im Berufsalltag positiv aus­wirkt. Deshalb gewährt die Credit Suisse den Mitarbeitenden pro Jahr einen so ge­nannten Volunteering Day, einen Arbeits­tag, den sie für Freiwilligenarbeit einsetzen können.

Um den grösstmöglichen Nutzen für alle Beteiligten zu erzielen, ist die Credit Suisse Anfang 2008 auf nationaler Ebene ver­

schiedene Partnerschaften eingegangen. In den einzelnen Geschäftsregionen können aber nach wie vor lokale gemeinnützige Organisationen unterstützt werden. schi

Beispiel Stiftung Bergwald­projekt: Erlebnisbericht einer Freiwilligen

Es ist kalt an diesem Herbstmorgen, der Wind pfeift von den Höhen, dicker Nebel liegt im Entlebuch. Fröstelnd trifft sich eine Gruppe von Freiwilligen, um einen Tag lang im Escholzmatter Bergwald zu arbeiten. Förster Urs Limacher erklärt den Teil­nehmenden die Aufgaben und motiviert: «Heute wird es sicher anstrengend, aber ich freue mich auf einen lustigen und erfüllen­den Tag mit euch.» Bald darauf machen sich die Freiwilligen an die Arbeit, für ein­mal nicht am Computer und Telefon, son­dern mit Spitzhacken, Draht und Schaufeln ausgerüstet. Zwischen den stacheligen Himbeersträuchern und silbrigen Spinnen­netzen spüren sie zentimeterkleine Ahorn­ und Weisstannensprösslinge auf und schüt­zen sie mit Maschendraht vor gefrässigen Rehen und Gämsen. Zur Stärkung gibts zwischendurch reife Himbeeren frisch vom Strauch. Eine andere Gruppe stellt einen alten Forstweg instand. Baumwurzeln, Moos und Grasnarben werden ausgerissen und abgeschabt, Erdreich wird abgetragen. >

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An manchen Stellen tritt Wasser aus der Erde und überschwemmt den Weg. Neu geschaufelte Rinnen am Rand dienen der Entwässerung. Weiter vorne ist der Hang abgerutscht und mit ihm der alte Weg. Die Freiwilligen schaffen Ersatz und legen mit­ten im Steilhang einen neuen Weg an. Kon­zentriert arbeiten sie sich durch das un­wegsame Gelände. Die Bewegung vertreibt die klamme Kälte, doch eigentlich sorgt die innere Befriedigung für Wärme.

Der Einsatz ist weit mehr als eine gesun­de Beschäftigungstherapie für Städter, die den ganzen Tag im Büro sitzen. «Ohne das Bergwaldprojekt mit all den Freiwilligen wä­ren wir nicht in der Lage, den Jungwald zu schützen, Massnahmen gegen den Borken­käferbefall oder Wegbauarbeiten durchzu­führen, weil wir schlicht zu wenige Ressour­cen haben», betont Urs Limacher. «Stabile» Wälder, das heisst durchmischte Wälder aus verschiedenen einheimischen Baumarten, schützen menschliche Siedlungen vor Natur­gefahren. Wenn nun also Freiwillige bei gars­tigem Wetter in einem von Stürmen zerzaus­

ten Steilhang nach kleinen Ahornen und Weisstannen suchen und diese sorgfältig einzäunen, schaffen sie so die Vorausset­zungen für das Wachstum eines gesunden Mischwaldes, der bei zukünftigen Natur­katastrophen wieder zuverlässig schützen kann. Nach Aufwand und Ertrag der Arbei­ten befragt, meint Limacher: «Man muss sich zwar viel Zeit nehmen und Musse ha­ben, um die Bäumchen zu finden. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, auch wenn nur zehn Prozent davon gross werden. Ein heu­te geschütztes Bäumchen kann in einigen Jahren als grosser Baum mit starken Wur­zeln zur Stabilität des Waldes beitragen.»

Beim Mittagessen machen dampfende Suppenschüsseln die Runde und wärmen die Freiwilligen von innen. Der Wald lässt sie auch jetzt nicht los, das Gespräch dreht sich rund um die bearbeitete Sturmfläche. Die Gruppe ist sich einig: Ein Einsatz für den Bergwald lohnt sich, Sinn und Zweck der Tätigkeiten leuchten ein und nach getaner Arbeit lässt sich mit einem befriedigenden Gefühl auf das nachhaltige Tagewerk zu­

rückschauen. «Wir sind mit einem ganzen Team hier. So lernt man sich einmal von einer völlig anderen Seite kennen. Es ist eine gute Abwechslung und schärft das Bewusstsein, dass im Leben verschiedene Dinge wichtig sind. Und es motiviert für den gemeinsamen Berufsalltag», stellt Min Wang, Mitarbei­tende der Credit Suisse, fest. Auch der Berufsalltag von Monika Hug wurde nach­haltig durch den Wald geprägt. « Ich war 18 Jahre alt, als ich das erste Mal an einem Bergwaldprojekt teilnahm», blickt Monika Hug zurück. «Ich musste mich langsam, aber sicher mit der Studienwahl auseinander­setzen. Dabei prägte mich der Freiwilligen­einsatz im Bergwald stark. Heute bin ich Forstingenieurin und mit Begeisterung Pro­jektleiterin beim Bergwaldprojekt.» Valérie Clapasson Fahrni

www.bergwaldprojekt.ch

Beispiel Schweizerisches Rotes Kreuz: Interview über das Blutspenden

Bulletin: Herr Schwabe, wie präsentiert

sich heute beim Blut die Versorgungs­

lage?

Rudolf Schwabe, Direktor Blutspendedienst SRK: Die Zeiten, in denen mehr Blut ge­spendet wurde, als man brauchte, sind defi­nitiv vorbei. Wir müssen jeden Tag schauen, dass wir zu ausreichend Spenden kommen. Alles in allem verfügt die Schweiz jeweils über knapp genügend Blut.

Wie viel Spendeblut wird benötigt ?

Aufs Jahr gesehen benötigt man ungefähr 370 000 Beutel, dies entspricht einer Menge von 170 000 Liter Blut. Es braucht täglich 1250 Spenden, um den Bedarf zu decken.

Hat sich das Spendeverhalten in den

letzten Jahren verändert ?

Personen über 65 Jahre, die von der Spende ausgeschlossen sind, machen heute einen höheren Anteil an der Bevölkerung aus. Das merkt man. Doch die ganz Jungen zwischen 18 und 25 Jahren gehen erfreulich häufig zum Blutspenden. Eine Lücke haben wir bei den 30­ bis 45­Jährigen, die wegen Beruf, Familie und verändertem Freizeitverhalten weniger Zeit für die Blutspende finden.

Wie begegnet das Schweizerische

Rote Kreuz diesen Herausforderungen?

Wir konzentrieren uns vor allem auf die enge, nun professionalisierte Vernetzung der schweizweit 13 Blutspenderegionen unter­einander. Es muss gewährleistet sein, dass bei einem lokalen Engpass die Spitäler

Blutspende hat Tradition bei der Credit Suisse Die Credit Suisse organisiert seit über 20 Jahren regelmässig Blutspendeaktionen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Rahmen von Corporate Volunteering hat die Credit Suisse 2008 eine Partnerschaft mit dem Schweizerischen Roten Kreuz unter­zeichnet. Das Spendeangebot wird aus­ gebaut: 2008 organisierte Corporate Voluntee­ring an acht verschiedenen Orten in der Schweiz eine Blutspendeaktion. Künftig werden solche Spendeaktionen zweimal im Jahr stattfinden. Der nächste Blutspende- termin ist im Juni 2009 aus Anlass des Inter­nationalen Blutspendetags.

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1 bis 3 Impressionen von Bergwaldeinsätzen. 4 Blutspenden in der Firma wird immer wichtiger. 5 Hanspeter Kurzmeyer, Mitglied des Volunteering Committee, engagiert sich am Suppentag der Schweizer Tafeln.

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jeder zeit mit Lagerbeständen anderer Re­gionen versorgt werden können. Davon pro­fitieren vor allem die Zentren Genf, Basel und Zürich. Wichtig ist auch das prospektive Planen: Wir wissen heute bereits im Voraus, wie sich die regionale Versorgungssituation in etwa entwickeln wird.

Welche Partner unterstützen den

Blutspendedienst ?

Die Samaritervereine decken rund die Hälf­te des landesweiten Bedarfs ab. Nicht neu, aber zunehmend wichtig sind Partnerschaf­ten mit grösseren und gut in der Schweiz verankerten Firmen wie der Credit Suisse. Einerseits spüren wir die Unterstützung der jeweiligen Firmenleitung, das motiviert die Mitarbeitenden ebenfalls zur Spende. Zu­dem dürfen sich die Angestellten in vielen Fällen während der Arbeitszeit Blut nehmen lassen, was ein wesentlicher Motivations­faktor ist.

Bluttransfusionen werden immer

sicherer. Auch teurer?

Die umfangreichen Laboranalysen haben einen massiven Einfluss auf die Kosten. Der Preis eines Blutbeutels ist heute dreimal höher als noch vor zehn Jahren. Auf der anderen Seite können wir für einen sehr hohen Sicherheitsstandard garantieren. Neben HIV­ und Hepatitisinfektionen kön­nen auch viele andere Krankheitserreger rechtzeitig erkannt werden. Labortests der neusten Generation hingegen sind günstiger als früher. Dies ist auf neue Verfahren, die Einsparungen beim Arbeitsaufwand bringen, zurückzuführen.

Welche Patienten profi tieren am

meisten vom gespendeten Blut ?

Krebspatienten sind die wichtigste Gruppe, vor allem Menschen mit einer Leukämie­erkrankung. Diese Patienten müssen über einen langen Zeitraum mit Blutprodukten behandelt werden. In der Chirurgie wird das Blut für Operationen und Transplantationen benötigt, wobei der Bedarf hier eher rück­läufig ist. Teva Streich

www.blutspende.ch

Beispiel Procap: look & roll für und über Menschen mit Handicap

«Viele Menschen mit Behinderungen leisten Tag für Tag Grossartiges und können für uns alle eine Vorbildfunktion einnehmen», ist Bundespräsident Pascal Couchepin über­zeugt. «Vieles wird in der Schweiz unternom­men, damit Menschen mit einer Behinde­

Die Credit Suisse arbeitet im Corporate Volunteering seit 2008 mit den folgenden sieben Schweizer Organi sa tionen zusammen: Hoffnung für Men­schen in Not (Schweizer Tafeln); Love Ride Switzerland; Plusport; Procap; Schweizerisches Rotes Kreuz; Stiftung Bergwald­projekt; Young Enter prise Switzerland.

1 und 2 Preisverleihung look & roll. Zahra Darvishi im angeregten Gespräch (unten links). 3 slowUp als Erlebnis für alle. An 14 Orten haben sich 68 Volunteers der Credit Suisse bei der Begleitung von Menschen mit einem Handicap engagiert. 4 Am ersten Sonntag im Mai profitieren muskelkranke Kinder vom Love Ride Switzerland.

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Suppentag. Am 20. November fand in 36 Städten der fünfte Suppentag der Schweizer Tafeln statt. An 28 öffent­lichen Standorten und in 7 firmen internen Personalrestaurants organisierten und betreuten Credit Suisse Mit arbeitende diesen nationalen Spendenanlass. Seeuferputzete. Neben den natio­nalen Volunteeringprojekten finden immer auch regionale Aktio nen statt. Ein Beispiel dafür ist die Herbst­Seeuferputzete des Nuoler Rieds von «Pro Buechberg» und WWF. Diesmal durfte Bernd Strasser von der WWF­Regional gruppe See und Gaster auf die Hilfe von 45 Frauen und Männern der Credit Suisse Zürich sowie von Schülern aus Wangen zählen, die tonnen­weise Schwemm holz und Abfall aus dem See fischten. Ja zu Yes. Eine Partnerschaft besteht auch mit Young Enterprise Switzerland. Credit Suisse Mitarbeitende erklären 9­ bis 10­jährigen Schülern «unsere Gemeinde» beziehungsweise bauen mit 14­ bis 17­Jähri­gen unter dem Stichwort «Fit für die Wirtschaft » die Brücke zwischen Schule und Wirtschaft.

rung am gesellschaftlichen Leben teilneh­men können. Aber es ist klar, dass Ver bes­serungen auch in Zukunft möglich und nötig sind und dass wir in unserem Bemühen um Integration und Unterstützung nicht nach­lassen dürfen. Ich begrüsse es sehr, dass mit look & roll in der Schweiz ein internatio­nales Filmfestival durchgeführt wird, dessen Beiträge einen Blick auf neue Horizonte er­möglichen.»

Tatsächlich behandelten die in Basel ge­zeigten Filme die unterschiedlichsten The­men. Im Siegerfilm «Rendez­vous», einem polnischen Dokumentarfilm von Marcin Ja­nos Krawczyk, ging es beispielsweise um geistige Behinderung und die Liebe, beim zweitplatzierten Film «Nikita & Nikita» der Russin Maria Tyulyaeva wurde der auf Körperbehinderten lastende Leistungsdruck angesprochen, und beim dritten ausgezeich­neten Film, «The Phoenix Dance» der Ameri­kanerin Karina Epperlein, standen Ballett­tänzer mit einem körperlichen Handicap im Zentrum des Geschehens.

Die Programmkommission, die sich aus dem Filmjournalisten Alex Oberholzer, der Regisseurin Dominique Margot und der Pro­

duzentin Stella Händler zusammensetzte, leistete derart gute Arbeit, dass nicht nur das erfreulich zahlreich erschienene Publikum auf seine Kosten kam, sondern die interna­tionale Jury unter der Leitung von Regis seur Fredi M. Murer («Höhenfeuer ») auch gleich noch drei weitere Awards verlieh.

«Wir wollen nicht nur finanzielle Beiträge leisten. Vielmehr ist es uns ein grosses An­liegen, auch unsere Zeit zur Verfügung zu stellen und unseren Mitarbeitenden zu er­möglichen, sich persönlich zu engagieren», betonte Zahra Darvishi, die Leiterin des Corporate Volunteering. «Bei look & roll ge­schah dies schon im Vorfeld des Festivals, indem sieben Mitarbeitende die Filmbe­schriebe vorbereiteten, die sie während des Festivals ins Mikrofon sprachen. Ausser­dem betreuten weitere 20 Mitarbeitende die Festival besucher.»

Weil die Filme über das Filmfestival hinaus sehens­ und diskussionswert sind, hat Projektleiter Gerhard Protschka von Procap beschlossen, im Rahmen der Aktion «look & roll unterwegs» auch andernorts Filmvorführungen zu er möglichen. schi

www.lookandroll.ch

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Kurze Meldungen

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Auszeichnung für zwei junge Forscher Für ihre herausragenden Arbeiten auf dem

Gebiet der Alzheimer-Forschung wurden die beiden 30- jährigen Wissenschaftler Anat Frydman-Marom und Carsten Sachse ausgezeichnet: Sie erhielten den zum drit-ten Mal verliehenen Empiris Award for Research in Brain Diseases der gemein-

nützigen Stiftung Empiris. Ursache der Alzheimer-Krankheit sind Ablagerungen von Eiweissbruchstücken – Beta-Amyloide ge-nannt – an den Gehirnzellen. Über mehrere Stufen entstehen aus Vorläufersubstanzen faserige Eiweisstrukturen, die Fibrillen. Die Fibrillen verklumpen anschliessend zur gefürchteten Amyloid - Plaque. Beide Preisträger des Empiris Award, der mit je 5000 Fran-ken dotiert ist, beforschten die Fibrillen. Anat Frydman-Marom, Doktorandin an der Universität von Tel Aviv, gelang es mit einem synthetischen Peptid, die Bildung der Fibrillen zu verhindern. Frydman-Marom fand anschliessend ein körpereigenes Endo-morphin mit vergleichbarer Struktur wie das synthetische Peptid. Dieses Peptid gilt als aussichtsreicher Kandidat für ein Medi-kament, das die Fibrillenbildung unterdrückt. Carsten Sachse er-stellte im Rahmen seiner Dissertation an der Universität Jena elek-tronenmikroskopisch hochauflösende Auf­nahmen der Fibrillen. Durch die Kombination von biochemischem Know-how und elek-tronischer Bildverarbeitung entstanden aus den zweidimensionalen Bildern dreidimensionale Strukturbilder der Amyloid-Fibrillen in einer bisher noch nie erreichten Genauigkeit. Dominik Schenker

Kampf gegen Prostatakrebs weiterführenRechtzeitiges Wissen kann Leben retten. Dies gilt für die Früh-erkennung gefährlicher Krankheiten ganz besonders. Bereits im letzten Bulletin haben wir von der Öffentlichkeitskampagne der Stif-tung Prostatakrebsforschung berichtet, die auch vom Versicherungs-service der Credit Suisse Group (Schweiz) unterstützt worden ist. Unterdessen hat der Charity Ball im The Dolder Grand in Zürich stattgefunden, und dank Udo Jürgens als Stargast des Abends, Fotograf Alberto Venzago, den Moderatoren Katja Stauber und Kurt Aeschbacher und nicht zuletzt den Künsten von Spitzenköchen wie Jackie Donatz und Reto Mathis resultierte ein Reinerlös für die Stif-tung von 260 000 Franken. Sehr gut besucht war auch die Infor-mationsveranstaltung im Kongresshaus Zürich, die von Professor Dr. med. Franz Recker, Chefarzt Kantonsspital Aarau und Gründer der Stiftung Prostatakrebsforschung, organisiert worden war. Neben Recker diskutierten auf dem Podium auch die Urologen Markus Dubs, Uster, Alexander Eijsten, Meilen, und Roger Gablin-ger, Bülach, der Allgemeinmediziner Claudio Lorenzet, Berg-dietikon, sowie Dr. med. Walter Raaflaub, dessen Buch «Tote Hose» zur Lektüre empfohlen werden kann. Das von der Stiftung in Zu-sammenarbeit mit der Credit Suisse herausgebrachte Vademekum «PSST. Alles, was Sie schon immer über die Prostata wissen wollten», das auf­ grosse Resonanz gestossen ist, ist nach wie vor gratis bestellbar bei: Credit Suisse, RCSA 200, Postfach, 8070 Zürich. Andreas Schiendorfer

www.prostatakrebs.ch 

Debattieren will früh gelernt seinDas Schulprojekt «Jugend debattiert » ist ein Erf­olg. In der Pilotpha-se des Projektes 2006/2007 haben rund 1000 Schulklassen der ganzen Schweiz rhetorisch die Klingen gekreuzt. Die grosse Be-teiligung und die hohe Zufriedenheit von Lehrpersonen und Jugend-lichen haben die Förderstiftungen, darunter der Jubiläumsfonds der Credit Suisse Group, und zahlreiche Kantone bewogen, die Fort-setzung des Projektes der Stiftung Dialog zu ermöglichen. Debat-ten sind ein zentrales Element der Willensbildung in einer demo-kratischen Gesellschaft und wesentlicher Bestandteil der poli-tischen und gesellschaftlichen Ordnung in der Schweiz. Ohne gute Debatten gibt es keine gute Politik. Im Rahmen von «Jugend debattiert » werden diese Fertigkeiten trainiert. Schülerinnen und Schüler zwischen 13 und 20 Jahren lernen, im Unterricht in einer Viererdebatte zu bestehen. Dazu stehen entsprechende Arbeits-hefte zur Verfügung, die den Aufbau einer Eröffnungsrede, den freien Meinungsaustausch zwischen den vier Debattierenden sowie die Formulierung der Schlussrunde Schritt für Schritt aufbauen. Lehrpersonen finden im Begleithef­t eine Lektionenreihe f­ür acht Unterrichtsstunden sowie Vorschläge für weitere Lektionen. Mehr Informationen unter www.jugenddebattiert.ch. Janine Händel

Mit dem IKRK an der Humagora 08 Am 4. November 2008 fand in Genf zum

dritten Mal die von der Stiftung Philias or-ganisierte Humagora statt. Dabei handelt es sich um eine Plattform, die das Ziel hat, Solidarpartnerschaften zwischen Unter-nehmen und Non-Profit-Organisationen zu schaffen beziehungsweise Know-how aus-

zutauschen. Zu den ausgewählten Partnerschaften, die sich dort präsentieren durften, gehörte auch die Kooperation zwischen dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz ( IKRK) und der Credit Suisse. Diese gingen im März 2008 eine strategische Partner-schaf­t ein, mit der sich die Credit Suisse verpflichtet, die Missio-nen des IKRK in grösserem Umfang zu unterstützen. Der Schwer-punkt liegt dabei auf­ der humanitären Hilf­e, insbesondere auf­ der Hungersbekämpf­ung und dem verbesserten Zugang zu Trink-wasser. Die Zusammenarbeit geht jedoch über die finanzielle Hilf­e hinaus und ermöglicht auch einen Wissenstransfer. So besuchte das Kader der Credit Suisse ein IKRK-Seminar zum Thema «Die Menschenrechte und der private Sektor » mit nützlichen Inf­orma-tionen über verschiedene Regionen, in denen die Credit Suisse tätig ist. «Nach den positiven Erf­ahrungen auf­ Direktionsstuf­e soll dieser Austausch künftig auch auf der Ebene der lokalen Mitarbei-tenden gef­ördert werden», sagte Janine Händel, Leiterin des Jubi-läumsf­onds der Credit Suisse Group, anlässlich der Humagora 08. «Im Bezug auf­ die Logistik und das Risikomanagement könnte dieser Austausch f­ür unsere Angestellten sehr nützlich sein.» Im Bild Janine Händel (links), zusammen mit Ursula Eugster Verhoef­f­, Head Corporate Partnerships International Committee of­ the Red Cross. Michael Krobath

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55Dossier Mikrofinanz

Credit Suisse  Bulletin 5/08

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Dossier MikrofinanzDie Vereinten Nationen streben bis 2015 die Reduktion der in Armut lebenden Bevölkerung um die Hälfte  an. Rund anderthalb Milliarden Menschen müssen mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag (Kaufkraftparität) leben. Ein geeignetes Instrument zur Bekämpfung der Armut ist die Mikrofinanz: Arme, die zuvor nicht als kreditwürdig erachtet wurden, erhalten auf Vertrauens-basis einen Kleinkredit, um sich damit ein eigenes Unternehmen aufbauen zu können. Die Credit Suisse engagiert sich bereits seit 2001 in Mikrofinanz. Ent-sprechend bieten wir unseren Kundinnen und Kunden innovative Anlagen an, die in nachhaltige Mikrofinanz-institute investieren.

56_Bildungsinitiative 60_Investment 62_Muhammad Yunus

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Ursprünglich zur Vergabe von Kleinkrediten an ungesicherte Grup-pen von Unternehmern konzipiert, hat sich die Mikrofinanz zu einer Industrie mit einem kompletten Retail-Banking-Angebot entwickelt, einschliesslich Darlehen, Sparkonten, Versicherungen und Trans-ferleistungen. Erfolgreiche und nachhaltige Mikrofinanzinstitute erreichen oftmals Rückzahlungsquoten von 97 Prozent, und viele von ihnen richten sich ausschliesslich oder vorwiegend an Frauen.  Die Mikrofinanz verfügt über das Potenzial, ein äusserst effektives Instrument zur weltweiten Armutsbekämpfung zu werden.

 Die Credit Suisse engagiert sich seit 2001 im Mikrofinanzsektor. Sie nimmt eine führende Rolle bei der Unterstützung der Kapital-marktaktivitäten von Mikrofinanzorganisationen ein und ist Mitbe-gründerin der responsAbility Social Investments AG. 2003 gründe-te die Credit Suisse den responsAbility Global Microfinance Fund, der  seither bei  sozial  verantwortungsbewussten Anlegern  reges Interesse findet. Ausserdem wissen wir um das beträchtliche wirt-schaftliche Potenzial an der Basis der Wohlstandspyramide und unterstützen die Mikrofinanz als Teil unserer Aktivitäten im Invest-ment Banking. In den letzten Jahren verzeichnete der Mikrofinanz-sektor ein exponentielles Wachstum. Leider konnten die Kompe-tenzen des Sektors nicht mit dem Zugang zu Kapital in Höhe von hunderten Millionen Dollar und mit der anhaltenden Nachfrage nach Dienstleistungen Schritt halten. 

Initiative Microfinance Capacity Building

Um unsere Rolle als Branchenführer und Vordenker zu unterstrei-chen und der Bedeutung der Mikrofinanz als strategischem Finanz-sektor, der die Lebensqualität von Millionen verbessert, gerecht zu werden, hat die Credit Suisse eine  langfristige philanthropische Mikrofinanzplattform aufgebaut. Mit der Initiative Microfinance Capa-city Building will sie tausenden Mitarbeitenden in Mikrofinanzinsti-tutionen zu einer erstklassigen Ausbildung verhelfen und Millionen armer Menschen und Kleinunternehmen  in den Entwicklungslän-dern den Zugang  zu Finanzdienstleistungen erleichtern. Darüber hinaus  fördert  die Credit Suisse  zusammen mit  ihren philanthro-

pischen Partnern die Forschung, Innovation und den konstruktiven Dialog, um Best Practices zu verbreiten und neue Lösungen zur finanziellen Einbindung zu entwickeln. 

Die  finanzielle Unterstützung von vier kompetenten Partner-organisationen bewirkt Folgendes: Stärkung der Kompetenz und Ausbildung von Mikrofinanzinstituten; Förderung der Forschung und Innovationstätigkeit  im Mikrofinanzbereich; Kanalisierung von Be-geisterung und Fachwissen der Credit Suisse Mitarbeitenden auf innovative Weise (ab 2009).

Die vier Partnerorganisationen der Credit Suisse

ACCION  International  setzt  sich  für  die Armutslinderung  durch  Mikrofinanzinstrumente ein. Die Credit Suisse leistet einen wich-tigen Beitrag zu zwei innovativen Programmen:

Zum einen ist die Credit Suisse Gründungsmitglied des Center for Financial Inclusion, eines einzigartigen Versuchslabors, wo Mikro-finanzinstitute, die Privatwirtschaft, Politiker und Praktiker zusam-menarbeiten. Das Zentrum konzentriert sich auf drei Bereiche, die für die Weiterentwicklung der Mikrofinanz entscheidend sind: 

1. Investitionen in Inclusive Finance: Der wachsende Zufluss von Privatinvestitionen in die Mikrofinanz stösst bei anlagebereiten Instituten auf begrenzte Aufnahmefähigkeit. Die Anleger müssen Standards und Best Practices erarbeiten, während die Mikrofinanz-institute  aufgefordert  sind, ihre Aufnahmefähigkeit  für Private - Equity-Kapital und Verbindlichkeiten zu verbessern.

2. Doppelte Rendite: Während sich der Mikrofinanzbereich zu-nehmend für gewinnorientierte Unternehmen öffnet, will das Zen-trum sicherstellen,  dass die neue Fokussierung der  finanziellen Rendite mit der ursprünglichen Absicht der Industrie, eine starke gesellschaftliche Rendite zu erzielen, in Einklang steht.

3. Verbindung zwischen Kunden und Produkten: Neue Tech-nologien – Debit-  und Bankkarten, Kreditwürdigkeitsprüfungen, biometrische Geräte und Mobiltelefone – können Kosten senken und die Marktdurchdringung von Finanzdienstleistungen erhöhen. Zusätzliche Dienstleistungen wie Konsumkredite, Sparkonten, 

Die Bildungsinitiative stärkt die weltweite MikrofinanzbewegungDie Credit Suisse möchte Mikrofinanzinstitute (MFI) auf der ganzen Welt durch Ausbildung, Forschung und Innovation in ihrem Bestreben, die Armutzu bekämpfen, unterstützen.

Text: John Tobin und Dawn Emling, Credit Suisse Public Policy – Sustainability Affairs

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Dossier Mikrofinanz

1 bis 4   «Hilfe zur Selbsthilfe für Millionen von Menschen – Die Kunst der Mikrofinanzierung.» So lautet der Titel einer sehenswerten Wander-ausstellung von ACCION International mit Aufnahmen des renommierten amerikanischen Fotografen John Rae. Dieser besuchte dafür Mikrofinanzprogramme in Indien, Nigeria und Brasilien. Erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde die Ausstellung vom 28. Oktober bis zum 13. November 2008 im Lichthof der Credit Suisse am Paradeplatz in Zürich.

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Credit Suisse  Bulletin 5/08

Versicherungen  und Baukredite  können  den Kunden  ebenfalls Mehrwert bieten.

Die Credit Suisse ist zum anderen ein führender Partner bei der Gründung  von Ausbildungszentren  in  Indien und China,  um Mit- arbeitenden auf allen Ebenen eine Förderung ihrer Fähigkeiten in den Bereichen Kreditmethoden, Management und Best Practices anzubieten. 

Die Zentren von ACCION stellen Ausbildungsmöglichkeiten für drei Zielgruppen über einen dreijährigen Zeitraum bereit:  interne Mitarbeitende, angeschlossene Mikrofinanzinstitute  sowie Regu-lierungsbehörden, Regierungsbeamte  und Bankmanager. Ange-boten werden interaktive Lernmodule, Unterrichtsaktivitäten sowie praktische Ausbildung.

Swisscontact

Swisscontact, gegründet 1959, unterstützt die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Ländern des Südens und Ostens durch Förderung des privatwirtschaftlichen Wachstums zugunsten der Armen. Der Schwerpunkt liegt auf kleinen und mittleren Unter-nehmen (KMU). 

Swisscontact entwickelt die Kompetenz von Finanzintermediären, um Finanzdienstleistungen zur Förderung des Wachstums von KMU bereitzustellen. Die Credit Suisse  unterstützt  länderspezifische Programme:

Das «Training in Financial Management Program» in der Ukraine bietet Workshops für Mitarbeitende von Bankinstitutionen und KMU, die von erfahrenen Schweizer Bankexperten durchgeführt werden. In  den Ländern  der  früheren Sowjetunion  erfordert  der  schnell wachsende private Finanzsektor griffige Finanzmanagementsys-teme. Angesichts des rasch expandierenden Handels mit der Eu-ropäischen Union müssen sich die ukrainische Privatwirtschaft und insbesondere der Banksektor  den neuen Regeln des Nachbarn hinsichtlich Finanzprodukten und -verfahren anpassen. Bedauer-licherweise ergab  sich  in der postsowjetischen Zeit  ein Mangel  an gut ausgebildeten Spezialisten mit praktischer Erfahrung, und  das auf Russisch verfügbare Material lässt praktische Fallstudien vermissen.

Swisscontact  nutzt  die Unterstützung der Credit Suisse,  um pensionierte Schweizer Bankfachleute als freiwillige Lehrkräfte im Bereich Finanzmanagement einzusetzen. An vier  lokalen Ausbil-dungsinstituten  in Charkow, Kiew und Kirowograd werden diese Coaches aufgrund ihrer praktischen Erfahrung Workshops durch-führen.

In der südafrikanischen Provinz Gauteng will Swisscontact den Zugang  zum Finanzsektor, die wirtschaftliche Leistung  und  die Wettbewerbsfähigkeit der KMU verbessern. Das Programm besteht aus drei Teilen: Förderung des Bewusstseins von Kleinunternehmern für verfügbare Kreditprodukte und geschäftliche Dienstleistungen; geschäftliche und finanzielle Betreuung für ausgewählte KMU, die formell eingetragen sein müssen, durchschnittlich  fünf Personen beschäftigen und mindestens zwei Jahre Betriebserfahrung haben; Verbesserung des Dialogs  im Finanzsektor  in Bezug auf die Be-dürfnisse von KMU.

Opportunity International

Opportunity International betreibt zurzeit 17 regulierte Mikrofinanz-institute als Mehrheits- oder Alleinaktionär und plant, in den nächs-ten fünf Jahren  jährlich zwei weitere regulierte MFI zu eröffnen. 

Neben diesen regulierten MFI hat Opportunity 28 gemeinnützige Partnerorganisationen  aufgebaut,  die  heute  dem  Opportunity- International-Netzwerk angehören. 

Die Credit Suisse ist ein führender Partner für das von Oppor-tunity  International  ins Leben gerufene «Programm der elektro-nischen Brieftasche» in Ghana und Ruanda. Die meisten Armen der Welt haben nicht nur zu wenig Bargeldautomaten, sondern es fehlt ihnen auch am Zugang zu einem Finanznetzwerk, um lokale oder internationale Überweisungen zu empfangen oder zu senden, Spar-konten zu nutzen und andere Bankdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Diese Programme zielen darauf ab, gering verdienenden Kunden neue Zugangsmöglichkeiten zu Finanzinformationen und   -dienstleistungen zu verschaffen. Bei der elektronischen – oder virtuellen – Brieftasche gelangen moderne Technologien und ver-schiedene Übertragungskanäle zum Einsatz, um eine bargeldlose, elektronische Abwicklung von Zahlungen, Bezügen und Transfers zu ermöglichen und die Transaktionskosten zu drücken.

FINCA

FINCA International stellt ihre Finanzdienstleistungen über 21 Part-nerorganisationen in Afrika, Eurasien, im Grossraum Mittlerer Osten und in Lateinamerika bereit. Im Hinblick auf die Erreichung ihres gesellschaftlichen Ziels, mehr arme Unternehmer mit verbesserten Finanzprodukten und -dienstleistungen zu erreichen, erachtet FINCA International die Umwandlung der Partnerorganisationen  in  regu-lierte Finanzinstitute als einen der vielversprechendsten Ansätze.

Um den Anforderungen der Transformation zu genügen und in den  nächsten  drei  Jahren  weiterhin  Wachstumsraten  von  über 25 Prozent pro Jahr zu erzielen, sieht FINCA vor, die Kompetenz von hochqualifizierten Mitarbeitenden zu verbessern, damit sie innerhalb der Organisation verantwortungsvollere und wertmehrende Funk-tionen übernehmen können. Dazu implementiert FINCA Internatio-nal mit Unterstützung der Credit Suisse die Global Leadership and Development Initiative, deren Ziel es ist, den Ausbildungsbedarf von FINCA International auf allen Ebenen zu ermitteln, den Aus-tausch von Best Practices unter den Partnerorganisationen zu för-dern, einheitliche Standards für die Rekrutierung und Bindung von erstklassigen Mitarbeitenden im gesamten Netzwerk zu gewähr-leisten  und  die Überwachung und Bewertung  der Ausbildungs-programme zu unterstützen.  <

Nähere Angaben zur Initiative Microfinance Capacity Building der Credit Suisse finden Sie unter www.credit-suisse.com/responsibility.

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Credit Suisse Bulletin 5/08

Dossier Mikrofinanz

Der Finanzdienstleistungsmarkt für arme Kunden verfügt über ein enormes Potenzial und bietet beträchtliche Wachstumschancen. Deshalb findet er zunehmend das Interesse internationaler Anleger. Indem sie die Methoden von Geschäftsbanken übernehmen und sich den entsprechenden regulatorischen Kontrollen unterziehen, können Mikrofinanzunternehmen eine Reihe von Produkten anbie­ten, die weit über den traditionellen Mikrokredit hinausgehen. Hier­zu gehören Versicherungsprodukte, Sparkonten und persönliche Kredite an arme und wenig verdienende Familien, die ansonsten keine Chance hätten, Bankkunden zu werden. Im Gegenzug gene­rieren diese Produkte Einlagen, die das Mikrofinanzinstitut zur Kre­ditvergabe an neue Kunden nutzen kann.

«Für eine NGO gab es zahlreiche Beschränkungen», erklärt Kurt Koenigsfest, CEO der bolivianischen BancoSol S.A., die 1992 in eine Geschäftsbank umgewandelt wurde, nachdem sie zuvor acht Jahre lang als NGO agiert hatte. «Eine Beschränkung betraf insbe­sondere den Zugang zu Finanzierungsmitteln.» Nach der Umwand­lung in eine Bank konnte BancoSol Einlagen entgegennehmen und Obligationen ausgeben, sodass sie über Mittel verfügte, um Kredite an weitere arme Kunden zu vergeben. Heute sucht BancoSol lokale Partner, um nach Brasilien und Argentinien zu expandieren. «Wir haben nie vergessen, dass wir ein soziales Unternehmen sind, aber wir wussten, dass wir uns vergrössern müssen, um etwas zu bewir­ken», sagt Koenigsfest. «Man kann beides tun: die Armut bekämp­fen und ein tragfähiges Unternehmen führen.»

Jährliches Wachstum von 50 Prozent

Während ein Mikrokreditinstitut seine geschäftlichen Bedürfnisse mit kleineren Kreditnehmern decken kann, steigt mit zunehmender Grösse der Institute die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich auch ausserhalb ihres Heimmarktes umsehen müssen. BancoSol, die zurzeit ein jährliches Wachstum von 50 Prozent verzeichnet, über­flügelte die Finanzierungsinstitute in New York und London, die üblicherweise ihre Bedürfnisse abdeckten. «Wenn wir das gegen­wärtige Wachstum fortsetzen, benötigen wir nächstes Jahr Kredite in Höhe von rund 150 Millionen US­Dollar », sagt Koenigsfest und fügt hinzu, dass dies zum Teil auf den internationalen Kapitalmärkten aufgenommen werden müsste.

Langfristige Expansionspläne erfordern einen soliden Kapital­stock. Deshalb muss sich die neue Generation von Mikrofinanzun­ternehmen auf den internationalen Kapitalmärkten gegen die Kon­kurrenz anderer Institute behaupten. Mikrofinanzinstitute müssen tragfähig sein und den Anteilseignern bei minimalem Risiko attrak­tive Renditen bieten, um neue Anleger für die Sache zu gewinnen.

Die meisten Mikrofinanzexperten wie beispielsweise Bunmi Lawson, CEO und Managing Director der ACCION Microfinance Bank Ltd. in Nigeria, versuchen, «starke gesellschaftliche Renditen» mit einem «bescheidenen» Gewinn zu verbinden. «Wer über Nacht reich werden will, sollte nicht in die Mikrofinanz einsteigen. Wir bei ACCION haben uns für den Mittelweg entschieden», meint Lawson, deren Bank ein neues Geschäftsmodell mit einer breiten Produktpalette für gering verdienende Kunden eingeführt hat. «Das Institut muss selbsttragend sein und die finanziellen Mittel bereitstellen, um mög­lichst viele Leute zu erreichen. Wer ausländische Anleger anziehen will, muss eine angemessene Rendite in Aussicht stellen.»

Vermehrt Ausbildungs- statt Betriebskredite

Das Ziel von ACCION ist es, von traditionellen Modellen mit Fokus auf Kleinstkrediten und Kleinstunternehmen zu einem kommerzi­elleren Modell überzugehen, das auf arme, aber nicht notleidende Haushalte abzielt. Zu den Produkten gehören Ausbildungskredite und Überweisungsdienstleistungen anstelle von Betriebskapital­krediten, wie sie in der Mikrofinanzindustrie bevorzugt werden. Das neue Modell beruht auf einer zentralisierten Struktur und auf stär­ker spezialisierten Funktionen für das Kredit­Underwriting. «Sobald sich die Mikrofinanz in der breiten Masse etabliert hat, dürfte sich die Frage, ob man aus dem Geschäft mit Armen Gewinne erzielt, nicht mehr stellen», so Lawson. «Wenn wir gering verdienenden Leuten mehr Wert bieten, als das, was wir verlangen, sollten wir froh darüber sein und kein schlechtes Gewissen haben. Wer nicht rentabel arbeitet, kann die Armen nicht erreichen.» <

Auf Banking setzenMikrofinanzinstitute wie BancoSol und ACCION sind überzeugt: «Man kann beides tun: die Armut bekämpfen und ein tragfähiges Unternehmen führen.»

Text: Tom Armitage

Mikrofinanzinstitute Kommerziell orientierte Mikrofinanzinstitute unterstützen den Aufbau von trag-fähigen und rentablen Unternehmen, indem sie Finanzdienstleistungen für gering verdienende Kunden in den unerschlossenen Märkten Latein- amerikas, Afrikas, des Nahen Ostens und Asiens anbieten.

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Die Jahrhunderte alte Grundidee der Mikrofinanz erlebt dank Frie-densnobelpreisträger Muhammad Yunus und seiner Grameen-Bank in Bangladesch eine Renaissance (siehe Interview auf Seite 64). Beim Mikrokreditmodell geht es darum, Kapital für Menschen – hauptsächlich Frauen – bereitzustellen, die keine Sicherheiten haben und als hohes Risiko gelten, also nicht kreditfähig sind. Das Konzept rief zunächst Spendengeber, Entwicklungsagenturen und sonstige Nichtregierungsorganisationen (NRO) auf den Plan. Diese machten gleich zu Beginn wichtige Erfahrungen: Erstens betrug die Rückzahlungsquote fast 100 Prozent, zweitens meldeten die Kreditnehmer weitere Bedürfnisse nach Finanzdienstleistungen wie Sparkonten an, und schliesslich erwies sich der weltweite Kapitalbedarf als derart gross, dass er von der Spendergemeinde alleine gar nicht getragen werden kann.

Beim Übergang vom Mikrokredit zur Mikrofinanz stiessen die NRO deshalb von ihrem Know-how, aber auch von ihrer hauptsäch-lichen Zielsetzung her an ihre Grenzen.

Weiterentwicklung zu regulierten Finanzinstituten

Relativ schnell führten diese Faktoren zur Entstehung von Instituten, die über spezifische Finanzkompetenzen verfügen. Die besten von ihnen wurden in einem nächsten Schritt mit dem kommerziellen Sektor – den Kapitalmärkten – verbunden. Als regulierte Finanz-institute konnten sie nicht nur das Kreditvolumen und die Reich-weite vergrössern, sondern auch ihre Angebotspalette um Produkte wie Versicherungen, Sparkonten oder Transferdienstleistungen erweitern. Aus diesen Gründen gibt es heute zunehmend gut ge-führte Mikrofinanzinstitute (MFI), die eine Vielzahl an Produkten für Millionen von Menschen anbieten. Darunter finden sich zahlreiche

MFI, die profitabel sind, gute Renditen erzielen und inzwischen auch in der Lage sind, verschiedene Kapitalmarkttransaktionen wie die Portfolioverbriefung und die öffentliche Emission abzuwickeln.

Die bisherige Bilanz ist erstaunlich. Muhammad Yunus hat vor drei Jahrzehnten mit einem Kredit in der Gesamthöhe von 27 US-Dollar 42 Kleinunternehmerinnen unterstützen können. Mittlerweile erreichen alle Mikrofinanzinstitute zusammen rund 100 Millionen Menschen.

Da jedoch weltweit 1,4 Milliarden Menschen mit weniger als 1,25 US-Dollar und 4,5 Milliarden mit weniger als 4 US-Dollar am Tag (kaufkraftbereinigt) auskommen müssen, ist klar, dass das Ziel noch lange nicht erreicht ist. Es gilt, in eine neue Dimension vorzustossen. Dementsprechend muss das heutige Mikrofinanz-modell ständig ausgebaut und weiterentwickelt werden. Die Um-setzung erfordert viel Innovationskraft – nebst der Entwicklung und effizienten Bereitstellung neuer Lösungen.

Von der Einbindung ins Finanzsystem profitieren alle

Die Einbindung ins Finanzsystem ist einer der Gründe, weshalb sich die Credit Suisse in der Mikrofinanz engagiert, wie Arthur Vayloyan, Mitglied Private Banking Management Committee, be-tont. Weil die Credit Suisse für sich den Anspruch erhebt, «eine der weltweit führenden und angesehensten Banken zu sein, erachten wir es als unsere Pflicht, auch in diesem Bereich aktiv zu sein». Die Credit Suisse ist überzeugt, dass sich durch die Unterstützung von Kleinstunternehmen ein beträchtliches globales Wachstums- und Wohlstandspotenzial erschliessen lässt.

Die Mikrofinanz beziehungsweise die Bereitstellung von Finanz-dienstleistungen für Leute mit niedrigen Einkommen in unter-

Mikrofinanz: Anlagen mit finanzieller und sozialer RenditeMikrofinanz stellt in der Bekämpfung der Armut ein wirksames Instrument dar. Da der weltweite Bedarf an Mikrofinanzgeldern riesig ist und das Interesse der Kunden an Inves­titionen mit sozialer Komponente zunimmt, geht die Credit Suisse seit 2001 neue, innovative Wege und bietet Anlagen in nachhaltig operierende Mikrofinanzinstitute an.

Text: Andreas Schiendorfer

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Credit Suisse Bulletin 5/08

Dossier Mikrofinanz

versorgten Märkten ist eine Voraussetzung für die Mobilisierung von unternehmerischer Energie an der Basis der Pyramide, um die Armut und viele ihrer Begleiterscheinungen zu mindern.

Hier sieht Vayloyan die Rolle der Credit Suisse als Finanzinter-mediär – als natürliches Bindeglied bietet sie sozial motivierten Anlegern eine Plattform, um ihr Kapital Mikrofinanzinstituten zur Verfügung zu stellen. Damit ermöglichen sie Menschen in Entwick-lungsländern, ihr Geschäft zum Wachsen zu bringen. Als eines der führenden global tätigen Finanzinstitute ist es für die Credit Suisse ein logischer Schritt, ihr Engagement in entstehenden und auf-strebenden Märkten zu vertiefen. Investitionen in die Mikrofinanz sollen neben der finanziellen Rendite stets auch eine soziale Wir-kung erzielen. Die Credit Suisse und viele ihrer Kunden betrachten dies als sozial verantwortungsvolle Investition (Socially Responsible Investment). Wohltätigkeit führt fast immer zu Abhängigkeit, wäh-rend die Mikrofinanz die Eigenverantwortung fördert.

Im Gegensatz zu isolierten, einmaligen Wohltätigkeitsveranstal-tungen oder Spenden geht es also um die Bereitschaft, durch An-lagen, die dem finanziellen Kreislauf erhalten bleiben, die «Hilfe zur Selbsthilfe» zu fördern. Der Zugang zu Finanzdienstleistungen bewirkt bei den Kleinunternehmern eine bessere Verankerung in der Gesellschaft und sichert sie auch besser gegen verschiedene Risiken ab.

Aufgrund der beträchtlichen Gründungs- und Anlaufkosten sind Mikrofinanzinstitute anfänglich oft auf Unterstützung angewiesen. Vielfach fehlt es auch am erforderlichen Know-how. Damit die Zahl der nachhaltig operierenden Mikrofinanzinstitute weiter ansteigt, hat die Credit Suisse 2008 die Initiative Microfinance Capacity Building ins Leben gerufen (siehe Seite 56). Diese wird in Zusam-menarbeit mit ACCION, FINCA, Opportunity International und Swiss-contact realisiert. Diese Institutionen spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Förderung der Mikrofinanz.

Viele Mikrofinanzinstitute werden durch diese Unterstützung profitabel und haben dadurch einen besseren Zugang zu Kapital. Das verbessert wiederum ihre Tragfähigkeit, eine Voraussetzung für eine exponentiell grössere Wirkung. Die Credit Suisse ist der Ansicht, dass die Kompetenzentwicklung von lokalen Finanzinter-mediären sowie die Förderung von starken und effizienten Finanz-märkten – als zentrale Voraussetzungen für nachhaltiges Wirt-schaftswachstum – am besten über gewinnorientierte Mikrofinanz-institute stattfinden können.

Erfolgreicher responsAbility Global Microfinance Fund

Allein schon aufgrund des Wachstums und des Erfolgs des respons-Ability Global Microfinance Fund stellt die Credit Suisse fest, dass viele Leute ihre Einstellung teilen. Anleger jeder Form und Grösse sind daran interessiert, in die Mikrofinanz zu investieren.

Arthur Vayloyan zieht eine positive vorläufige Bilanz: «Die Mikrofinanz verzeichnet nicht nur ein rasantes Wachstum, sondern zieht auch das Interesse von professionellen Managern, Banken und Entwicklungsfachleuten an und wird dadurch transparenter. Immer strengere Rechnungslegungs- und Berichterstattungs-standards, Wettbewerbsdruck auf Margen und neue Instrumente zur Messung der Sozialverträglichkeit kommen schliesslich den Endkunden zugute. Viel wurde in den letzten Jahren erreicht. Der Bedarf ist aber gigantisch. Die Credit Suisse fühlt sich verpflichtet, Mikrofinanz einem immer breiteren Kundenkreis zugänglich zu machen.» <

Kleinunternehmerinnen in Nigeria. Die Aufnahme stammt aus der Bilderausstellung «Hilfe zur Selbsthilfe für Millionen von Menschen – Die Kunst der Mikrofinanzierung», einer Wanderausstellung von ACCION International mit Fotografien von John Rae.

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Credit Suisse Bulletin 5/08

Die Idee, Geld an nicht kreditwürdige Arme auszuleihen, ist nicht neu. Aber es dauerte lange, bis die Banken überzeugt waren, dass sie funktionieren konnte, ja funktionieren musste. Die Credit Suisse hat das Feld der Mikrofinanz im Jahr 2001 – und damit früher als die meisten anderen Finanzinstitute – betreten. Arthur Vayloyan, Mitglied des Private Banking Management Committee, der sich als Verwaltungsrat der responsAbility AG ganz besonders engagiert, erklärte am 30. Oktober den Gästen des Credit Suisse Salon, dass er früher die Hälfte seiner Redezeit gebraucht habe, um grundsätz-lich zu erklären, was Mikrofinanz sei und wie sie funktioniere. Mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Professor Muhammad Yunus und seine Grameen-Bank im Jahr 2006 sei dies nicht mehr nötig. Nun könne er sich auf die Darlegung von innovativen Weiter-entwicklungen konzentrieren oder erklären, was die Microfinance Capacity Building Initiative beinhalte.

Muhammad Yunus zieht alle in seinen Bann

In der Tat hat der bengalische Wirtschaftswissenschafter Muhammad Yunus den Mikrokredit durch seinen jahrzehntelangen Einsatz salonfähig gemacht. Unermüdlich berichtet er, wie alles begonnen hat, damals, als er mit 27 US-Dollar 42 Bewohnerinnen des Dorfes Jobra aus der Abhängigkeit der Geldverleiher herauslöste und ihnen die Chance gab, als Kleinunternehmerinnen der Armut zu entrinnen (siehe Interview Seite 64).

In Zürich sprach Muhammad Yunus gleich an drei verschiedenen Events; zunächst am Freitag, 31. Oktober 2008, vor rund 350 be-geisterten Mitarbeitenden der Credit Suisse, unmittelbar danach am zweiten Credit Suisse Salon und anderntags schliesslich anlässlich der Annual Reunion der Young Investors Organization, beide Events mit Teilnehmern und Gästen aus aller Welt. Besonders interessant waren seine offenen Antworten auf Fragen, die ihm von Maria Lamas, Head of Financial Products & Investment Advisory, als Moderatorin, aber auch von den aufmerksamen Zuhörern gestellt wurden.

Und irgendwann kam sie unweigerlich, die Frage, wie denn sein Verhältnis zu den gewinnorientierten Mikrofinanzinstituten und zu

den Renditen anstrebenden Mikrofinanzinvestoren sei. Entschei-dend, betonte Muhammad Yunus, sei die Einstellung. Im Zentrum müsse das Bestreben stehen, den Kreditnehmern die Möglichkeit zu bieten, der Armut zu entrinnen.

Tatsächlich ist auch seine Grameen-Bank rentabel, nur ist es eben nicht «seine» Bank und auch nicht die einiger weniger Aktionäre, sondern die Bank der mittlerweile 7 Millionen Kreditnehmerinnen; diese werden durch ihre Zinszahlungen automatisch zu Mitbesitze-rinnen, die ihren Besitzanteil aber nicht verkaufen können und ihn verlieren, wenn sie kein Geld mehr ausleihen.

Arthur Vayloyan sprach in diesem Zusammenhang von einer doppelten Rendite: Die Investoren begnügen sich mit einer etwas bescheideneren finanziellen Rendite, erzielen dafür aber auch eine soziale Rendite. Zudem legte er dar, dass die herkömmlichen Non-Profit -Organisationen gar nicht alle finanziellen Bedürfnisse ihrer Kunden abdecken können, wenn sie allein den weltweiten Bedarf an Mikrofinanz-Services abdecken müssten. Gegenwärtig erhalten 10 bis 20 Prozent der potenziellen Kleinunternehmerinnen einen Mikrokredit, so dass Muhammad Yunus nicht unglücklich darüber ist, dass sich Mikrofinanzinstitute, die sich ihrer sozialen Verant-wortung bewusst sind, ebenfalls engagieren. Noch lieber sind ihm allerdings Sozialunternehmen. Diese arbeiten selbsttragend, aber nicht ertragbringend, um so den grösstmöglichen sozialen Nutzen zu erzielen. Auf diesen Gedanken ging Giles Keating, Head of Research for Private Banking and Asset Management, im Referat «Social Entrepreneurship: Beyond Charity and Philanthropy» ein.

Alle verfolgen das gleiche soziale Ziel

So trafen sich an diesen beiden Tagen alles in allem rund 500 Kata-lysatoren der Mikrofinanz und des Sozialunternehmertums, die sich im Gespräch gegenseitig informierten und motivierten, um auch in Zukunft ihren Beitrag an das wichtigste Millenniumsziel der Vereinten Nationen zu leisten: an die Vorgabe, bis 2015 die Armut auf der Welt – 4,5 Milliarden Menschen verdienen weniger als vier US-Dollar am Tag – zu halbieren. <

Katalysatoren zur Bekämpfung der ArmutFriedensnobelpreisträger Muhammad Yunus besuchte Ende Oktober die Credit Suisse in Zürich und gab damit der Mikrofinanzbewegung weiteren Auftrieb. Entscheidend, so Yunus, sei nicht unbedingt die konkrete Ausgestaltung des Mikrofinanzwesens, sondern die Gesinnung der Geldgeber. Im Zentrum des Engagements habe nicht die eigene Rendite, sondern der Wille zur Bekämpfung der Armut zu stehen.

Text: Andreas Schiendorfer

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Credit Suisse Salon Am 23. April 2008 fand im Rietberg-Museum in Zürich der erste Credit Suisse Salon zum Thema «Africa – Chances Unveiled» mit Friedensnobelpreisträger Kofi Annan statt. Nun folgte am 31. Oktober 2008 im Swiss Re Centre for Global Dialogue in Rüschlikon mit Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus der zweite Salon mit dem Titel «Insights into Microfinance». Künftig findet dieser Anlass zwei- bis dreimal jährlich statt, möglichst verteilt auf die verschiedenen Geschäftsregionen der Credit Suisse.

Oben Muhammad Yunus diskutiert mit Arthur Vayloyan und Maria Lamas vor Mitarbeitenden der Credit Suisse. Unten rechts Gerüstet für den Credit Suisse Salon – Muhammad Yunus mit Walter B. Kielholz, Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse, und Arthur Vayloyan.

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Bulletin: Am 1. Oktober 1983 gründeten Sie in Bangladesch die

Grameen-Bank. Wie wurde das 25-Jahr-Jubiläum gefeiert ?

Muhammad Yunus: Ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Das Prinzip der Grameen-Bank, also die Gewährung von Mikrokrediten an die arme, zuvor als nicht kreditwürdig erachtete Landbevölkerung, geht ja bereits ins Jahr 1976 zurück. Es gibt uns also schon seit 32 Jahren. Gefeiert haben wir vor allem am 10. Dezember 2006 an-lässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises. Die öffentliche Anerkennung unseres Systems war eine grosse Freude und Ge-nugtuung für uns. Jahrelang vertraten die Finanzexperten ja die Ansicht, es könne nicht funktionieren, weil es allein auf Vertrauen und nicht auf die Hinterlegung von Sicherheiten gründet.

Die Grameen-Bank und Sie erhielten nicht den Wirtschafts-

nobelpreis, sondern den Friedensnobelpreis. Leistet Ihre Bank

einen Beitrag an den Frieden?

Davon bin ich überzeugt. Die Armut entzieht einem Menschen jeg-liche Kontrolle über sein Schicksal. Deshalb kann sie als völlige Verweigerung der Menschenrechte bezeichnet werden. Wenn nun aber die Armut die Hälfte der Weltbevölkerung ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt, so ist das eine grosse Bedrohung für den Weltfrieden. Die Armut führt in die Hoffnungslosigkeit, die den Menschen oft zu Verzweiflungstaten treibt. Sie ist meiner Meinung nach noch gefährlicher als der Terrorismus oder der religiöse Fun-damentalismus.

Unsere Eingangsfrage zielte auch auf eine Bilanz hin – wo

stehen Sie heute in Ihrem Kampf gegen die Armut ?

Die Grameen-Bank hat derzeit über 2300 Filialen mit rund 25 000 Mitarbeitenden und fast 7 Millionen Kreditnehmer. Die Rückzahl-quote beläuft sich auf 98 Prozent. Unsere Philosophie findet mitt-lerweile in den meisten Ländern der Welt Anwendung – Ende 2006 profitierten weltweit 100 Millionen Familien von Mikrokrediten. Un-sere internen Erhebungen haben ergeben, dass 64 Prozent der Kreditnehmerinnen, die mindestens fünf Jahre von uns betreut worden sind, die Armutsgrenze hinter sich lassen konnten. Was Bangladesch anbelangt, bin ich zuversichtlich, dass wir das Millen-

iumsziel der Vereinten Nationen, die Zahl der in Armut lebenden Menschen auf die Hälfte zu reduzieren, bis 2015 erreichen.

Können Sie uns kurz schildern, wie Ihr Einsatz für die Armen

begonnen hat ?

Als ich in den Vereinigten Staaten studierte, kam es 1971 zum Unab-hängigkeitskampf von Bangladesch, das seit 1947 wegen seiner muslimischen Bevölkerungsmehrheit Teil des neu gegründeten Landes Pakistan war. Bei meiner Geburt hatte das «Land der Ben-galen» übrigens noch zu Britisch-Indien gehört. Ich kehrte in die Heimat zurück, um als Wirtschaftsprofessor an der Universität Chittagong meinen Teil zum Aufbau unseres sehr armen Landes beizutragen. Mit der Frage der Armut kam ich jedoch nicht als Politiker, Lehrer oder Forscher in Kontakt, sondern weil ich überall von Armut umgeben war und die Augen nicht vor ihr verschliessen konnte: Unser Land wurde 1974 und 1975 von einer Hungerkata-strophe heimgesucht. Als ich sah, wie auf den Strassen unzählige Menschen verhungerten, realisierte ich, wie weit weg unsere Wirt-schaftstheorien von der armen Bevölkerung sind. Ich beschloss, mit meinen Studenten die Situation der Armen im Nachbardorf Jobra exemplarisch zu untersuchen, um praxisnahe Hilfsmöglich-keiten zu finden.

Waren damals die Hilfeleistungen der Industrienationen  

nicht ausreichend?

Bangladesch war und ist dankbar für jegliche Hilfe. Doch um das Problem der Armut dauerhaft zu lösen, ist Philanthropie nicht der richtige Weg. Die Entwicklungsprogramme, die auf eine Verbesse-rung der Bildung und der Infrastruktur zielen, erreichen die Bedürf-tigen ebenfalls nicht. Das grosse Missverständnis ist, dass alle davon ausgehen, man müsse den Armen helfen, neue Fähigkeiten zu entwickeln. Dabei genügt es, dafür zu sorgen, dass die bereits vorhandenen Fähigkeiten zum Tragen kommen. Jeder Mensch hat Fähigkeiten.

Was fanden Sie in Jobra heraus?

Wir trafen eine Frau, Sufiya Begum, die wunderbare Bambusstühle flocht. Trotzdem hatte sie keine Chance, der Armut zu entkommen.

Interview: Andreas Schiendorfer

Mitte der Siebzigerjahre realisierte der Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus,  dass Kleinstkredite ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Armut sind. Dafür erhielten  seine Grameen-Bank und er selbst 2006 den Friedensnobelpreis. Nun plädiert Yunus  für die Gründung von Sozialunternehmen.

«Ich möchte weltweit die Armut ins  Museum verbannen»

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Der Banker der Armen Ab 1976 baute  Muhammad Yunus (*1940) in seiner Heimat Bangladesch die Grameen-Bank auf, die  auf dem Land («Grameen» bedeutet «Dorf») Kleinstkredite an die Ärmsten vergibt und ihnen so eine menschenwürdige Existenz ermöglicht. Der ausgebildete Wirtschafts-wissenschaftler erhielt dafür zahlreiche Auszeichnungen, so 26 Ehrendoktorate und 2006 den Friedensnobelpreis. Sein neustes Buch «Die Armut besiegen», in dem er  das System der Sozialunternehmen erklärt, erhielt 2008 den Corine-Zukunftspreis.

Der Geldverleiher gab ihr den nötigen Kredit zur Beschaffung des Materials nur unter der Bedingung, dass sie die Stühle an ihn ver-kaufte, und dies zu einem Preis, den er bestimmte. Diese unfaire Vereinbarung und die Wucherzinsen sorgten dafür, dass ihr Ein-kommen bei lächerlichen zwei Pennys pro Tag blieb. Im gleichen Dorf fanden wir 42 solche Opfer der Geldverleiher. Der Gesamtbe-trag, der nötig war, um sie aus diesem Teufelskreis herauszulösen, belief sich auf 856 Teka – nicht einmal 27 US-Dollar. Ich bezahlte diese lächerliche Summe. Nun konnten die Frauen ihre Produkte frei verkaufen, den Preis der Nachfrage anpassen und damit we-sentlich höhere Einnahmen erzielen.

Bestechend einfach. Nun mussten Sie diese Erkenntnis nur

noch in ein Kreditverleihsystem überführen…

Und das war viel schwieriger, als ich es je gedacht hätte. Wir fanden keine Bank, die bereit gewesen wäre, Kredite an Arme zu gewähren, obwohl es sich nur um Summen bis zu 30 US-Dollar handelte. Es gehe nicht ohne eine entsprechende Sicherheit, hiess es, und eine solche konnte jemand, der unter der Armutsgrenze lebt, natürlich nicht geben. Immerhin erklärte sich irgendwann die Landwirt-schaftsbank bereit, zu diesem Zweck in Dobra eine eigene Filiale zu errichten, die Experimental Grameen Branch of the Agriculture Bank. Obwohl wir eine fast hundertprozentige Rücklaufquote hatten, gelang die Ausdehnung auf andere Regionen erst, als wir unsere eigene Bank, die Grameen-Bank, gegründet hatten. Zu unseren Besonderheiten gehört, dass wir nicht auf Kunden warten, sondern zu ihnen gehen, und dass wir sie ziemlich eng und mit der nötigen Geduld begleiten.

Warum profitieren von Ihren Krediten fast ausschliesslich

Frauen?

Die Motivation, den Kredit zurückzuzahlen, ist bei Frauen besonders gross. Zudem sind Frauen gewillt, den erwirtschafteten Gewinn in die Ausbildung der Kinder und zur Verbesserung der Wohnsituation zu investieren, während die Männer ihn eher für eigene Bedürfnisse einsetzen. Gleichzeitig gelang es uns damit, die gesellschaftliche Situation der Frauen zu verbessern. Wir gewähren beispielsweise nur einen Kredit, wenn sich fünf Frauen zu einer Gruppe zusam-menfinden. Dies erzeugt einen positiven Gruppenzwang, vor allem aber ein Solidaritätsdenken. Die Frauen, die vorher kaum je ihr Haus verlassen durften, beendeten ihre Isolation und haben Freundinnen gefunden. Die Frauen lernten sich zu organisieren und bewiesen darin grosses Geschick. Gemeinsam wurden «16 Grundsätze» auf-gestellt, die von unseren Mitgliedern zwingend einzuhalten sind. Darin fordern wir etwa die Abschaffung des «Fluchs der Mitgift » und der Kinderheirat sowie die Familienplanung.

Ist das Konzept bis heute gleich geblieben?

Im Grundsatz hat sich kaum etwas geändert, doch es zeigte sich, dass wir uns noch besser den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten anpassen müssen. Deshalb führten wir 2001/2002 ein flexibleres System ein. Beispielsweise unterstützen wir die Kreditnehmerinnen nun bei der Alterssicherung und schützen die Familie mit einem speziellen Sparfonds vor den negativen Folgen eines Todesfalls. Früher verlangten wir für den Unternehmenskredit einen Zins von 20 Prozent, abzuzahlen in Wochenraten, und für einen Baukredit 8 Prozent. Nun gehen wir flexibel auf die Situation des Kreditnehmers ein. 2004 starteten wir ein Programm für die Ärmsten der Armen, die Bettler, denen wir 15 US-Dollar zinsfrei ausleihen und denen wir es überlassen, wann und wie viel sie zurückbezahlen. Der Erfolg ist sensationell: Mittlerweile haben wir über 100 000 «strauchelnde

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Mitglieder », ein Zehntel von ihnen hat mit Betteln aufgehört und arbeitet ganztags als Händler.

Unterdessen ist ein Konzern von beachtlicher Grösse

entstanden…

Der Kampf gegen die Armut hat tatsächlich, ganz aus der Praxis heraus, zur Gründung von 25 Grameen-Unternehmen geführt. Gra-meen Shakti beispielsweise verschafft unseren Kreditnehmerinnen, die fernab des öffentlichen Stromnetzes leben, Solarstromanlagen. Bemerkenswert ist Grameen Phone. Das Joint Venture mit einem norwegischen Unternehmen ist führend bei der Versorgung des Landes mit Mobiltelefonen und hat sich zum grössten privaten Un-ternehmen von Bangladesch entwickelt. Rund 300 000 Telefon-Ladys stellten den anderen Dorfbewohnern ihr Mobiltelefon zur Verfügung und konnten während einiger Jahre sehr gut davon leben. Mittlerweile ist die Telefondichte so gross, dass die Telefon-Ladys sich nach neuen Funktionen, beispielsweise im Bereich Internet, umsehen müssen. Ganz deutlich hat sich gezeigt, dass die Armen sehr wohl fähig sind, sich der modernsten Technologie zu bedienen.

Nun ist der nächste Schritt erfolgt: Was sind Sozial-

unternehmen?

Sozialunternehmen werden zwar nach wirtschaftlichen Kriterien geführt, müssen also selbsttragend sein und dementsprechend kostenbewusst und effizient arbeiten; doch die Investoren erhalten keinen Gewinn, sondern lediglich ihre Investition. Das von allen angestrebte Ziel ist die Maximierung des sozialen Nutzens. Konkret versorgt Grameen Danone, ein Joint Venture mit dem grossen fran-zösischen Nahrungsmittelkonzern, die Landbevölkerung mit Jo-ghurts, welche durch Vitamine und andere Nährstoffe angereichert worden sind. Sie schafft nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern verbessert gleichzeitig den Gesundheitszustand der Kinder. Gra-meen Health Care Services baut im Land Augenkliniken auf, wobei die Behandlungstarife sich nach den finanziellen Möglichkeiten der Patienten richten.

Ein wegweisendes Experiment ?

Ich setze grosse Hoffnungen in die Sozialunternehmen, zumal ich überall eine grundsätzliche Bereitschaft spüre, solche Sozial-unternehmen zu unterstützen. Sie werden dereinst an einer spezi-ellen Sozialbörse kotiert sein und, in Ergänzung zu bereits vorhan-denen Instrumenten, einen wesentlichen Beitrag zur Beseitigung der Armut leisten.

Welches Ziel haben Sie sich persönlich noch gesetzt ?

Ich strebe eine Welt an, in der es in jedem Land ein Armutsmuse-um gibt, damit die Menschen sich an die Zeit erinnern, als die Armut weit verbreitet war. Alle werden sich fragen, wieso es so lange dauerte, bis diese Geissel der Menschheit zum Verschwinden ge-bracht werden konnte. <

Die Würde jedes Menschen ist sichtbar  Die Foto-wanderausstellung «Die Grameen Family – Die  Kraft der Würde» mit Aufnahmen von Roger Richter  erlaubt es, die Menschen hinter den Mikrokrediten kennenzulernen. Es sind dies Persönlichkeiten  mit beeindruckenden Erfolgsgeschichten, Kredit-nehmerinnen und Kreditnehmer, die mit Kraft für ein Leben in Würde kämpfen. Die Ausstellung wurde  im Rahmen des Vision Summit 2008, der unter dem Motto «Social Business – Just Try It» stand, Anfang November in Berlin erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Unterdessen ist das gleichnamige Buch erschienen, das auch ein Essay von Peter Spiegel enthält. Bereits vorher hat Peter Spiegel als einer der besten Kenner von Muhammad Yunus und der Grameen-Bank die Biografie «Muhammad Yunus – Banker der Armen» vorgelegt. Muhammad Yunus selbst hat zwei Bücher verfasst: Bereits Ende der Neunzigerjahre publizierte er mit Unterstützung von Alan Jolis die Autobiografie «Vers un monde sans pauvreté». Im neusten Buch «Creating a World Without Poverty. Social Business and the Future of Capitalism» befasst sich der visionäre Nobelpreis-träger mit Sozialunternehmen.

Literaturhinweise: Muhammad Yunus. Die Armut besiegen. München (Hanser) 2008; Muhammad Yunus. Für eine Welt ohne Armut. Bergisch Gladbach (Bastei Lübbe) 2006, deutsche Erstausgabe 1998; Roger Richter, Peter Spiegel. Die Kraft der Würde. Bielefeld (Kamphausen), Dezember 2008; Peter Spiegel. Muhammad Yunus – Banker der Armen: Der Friedensnobelpreisträger. Sein Leben.  Seine Vision. Seine Wirkung. Freiburg (Herder), 2006.  Website: www.muhammadyunus.org; www.grameen-info.org

Impressum Dossier Mikrofinanz

VerantwortlichAndreas Schiendorfer, Mandana Razavi, Daniel Huber sowie Tanja Eigenmann, Dawn Emling, Fabian Huwyler, Erna Karrer-Rüedi, Kam Punleuk, John Tobin, Thomas Werder.

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