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1 Die Situation der Schweiz im nationalen und internationalen Steuerwettbewerb Prof. Dr. Gebhard Kirchgässner Universität St. Gallen, Schweizerisches Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung (SIAW-HSG), CESifo and Leopoldina Ordentlicher Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Appenzell Ausserrhoden Trogen, 24. Februar 2007 SIAW-HSG University of St. Gallen

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Die Situation der Schweizim nationalen und internationalen Steuerwettbewerb

Prof. Dr. Gebhard Kirchgässner

Universität St. Gallen,Schweizerisches Institut für Aussenwirtschaft undAngewandte Wirtschaftsforschung (SIAW-HSG),

CESifo and Leopoldina

Ordentlicher Parteitag derSozialdemokratischen Partei Appenzell Ausserrhoden

Trogen, 24. Februar 2007

SIAW-HSGUniversity of St. Gallen

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1 Einleitung: Diskussion über ‚schädlichen‘ Steuerwettbewerb

Diskussion auf mehreren Ebenen:

Europäische Union: Seit den Verträgen von Rom (1957) verschiedeneVorstösse in der EU

– Mindestharmonisierung bei der Mehrwert-steuer

– Vorschläge zum Informationsaustausch bei derKörperschaftssteuer und der Besteuerung vonZinseinkünften

OECD: Diskussion über ‚Harmful Tax Competition‘

Schweiz: Verschärfter Steuerwettbewerb zwischen denKantonen (Obwalden)– Unternehmenssteuern– persönliche Einkommensteuern– Erbschaftssteuern

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1 Einleitung: Diskussion über ‚schädlichen‘ Steuerwettbewerb (2)

Politisches Problem: Abwanderung von Steuersubstrata) internationalb) innerhalb der Schweiz:

Unterscheidung: (i) Verlust von Wirtschaftskraft(Abwanderung von Produktionsfaktoren)

(ii) Steuerverschiebung– Belgien, Irland– Zug, Liechtenstein

Auswirkungen auf: (i) Allokation(ii) Verteilung

a) Theoretische Betrachtungb) Empirische Evidenz

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Die Situation der Schweizim nationalen und internationalen Steuerwettbewerb

Übersicht

1 Einleitung

2 Theoretische Überlegungen zum Steuerwettbewerb:Effizienz versus Verteilung

3 Empirische Ergebnisse zum Steuerwettbewerb in der Schweiz

4 Abschliessende Bemerkungen

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2 Theoretische Überlegungen zum fiskalischen Föderalismus:Effizienz versus Verteilung

Allokative Wirkungen:

Ausgangspunkt: Tiebout-Modell– Wanderung der Stimmbürger zur ‚optimalen Gemeinde‘– Übereinstimmung von Entscheidern, Zahlern und Nutzern

(Korrespondenzprinzip, W.E. Oates) Erhöhung der gesellschaftlichen Wohlfahrt

– Kapitalisierung der Steuerunterschiede

Problem: Bereitstellung öffentlicher Güter (H.W. Sinn) / räumliche Spillover Zu geringes Angebot an öffentlichen Gütern(Race to the Bottom)aber: – Verstopfungsprobleme

– Verhandlungsprozesse Stadt-Umland

Dagegen: Milderung politischer Externalitäten (G. Brennan/J.M. Buchanan)– Zwang zu grösserer Sparsamkeit der politischen

Körperschaften– Möglichkeit von Experimenten und gegenseitigem Lernen

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3 Theoretische Überlegungen zum fiskalischen Föderalismus :Effizienz versus Verteilung (2)

Verteilungswirkungen:

Aussagen: (i) ‚Arme Individuen‘ wandern dorthin, wo die Sozialleistungen(und deshalb auch die Steuern) hoch sind.(Transferwettbewerb)

(ii) ‚Reiche Individuen‘ wandern dorthin, wo die Steuern (unddamit auch die Sozialleistungen) niedrig sind.(Steuerwettbewerb)

Unmöglichkeit dezentraler UmverteilungBeispiel: New Yorkaber: Auch ‚Reiche‘ stimmen für etwas Umverteilung

(Versicherungsmotiv)

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3 Theoretische Überlegungen zum fiskalischen Föderalismus :Effizienz versus Verteilung (3)

Folgerungen aus der theoretischen Analyse:

Drei zentrale Thesen:

(i) Die Mobilitätsthese besagt, dass niedrige Steuern und/oder ein hohes Niveauöffentlicher Leistungen mobile Produktionsfaktoren attrahieren.

(ii) Die Effizienzthese besagt, dass bei mobilen Produktionsfaktoren fiskalischerWettbewerb dazu führt, dass die öffentlichen Leistungen eher den Wünschender Bürgerinnen und Bürger entsprechen.

(iii) Die Umverteilungsthese besagt, dass fiskalischer Wettbewerb dezentrale

Umverteilung unmöglich macht.

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3 Theoretische Überlegungen zum fiskalischen Föderalismus:Effizienz versus Verteilung (4)

Folgerungen:

(i) Umverteilung (durch progressive Steuern) sollte zentral erfolgen.

(ii) Wenn die Umverteilung zentral geregelt ist, kann die darüber hinausgehendeSteuerhoheit sowie die Bereitstellung regionaler und lokaler öffentlicher Güterdezentral erfolgen.

(iii) Wenn der Steuerwettbewerb intensiver wird, gleichen sich die Steuersätzenach unten an (Race to the Bottom).

(iv) Im internationalen Steuerwettbewerb kann ein ‚kleines Land‘ gewinnen,indem es durch niedrige Steuern Steuersubstrat anzieht und dadurch die‚grossen Länder‘ ausbeutet. (Asymmetrischer Steuerwettbewerb)Beispiel: Liechtenstein, Zug, Schwyz, Obwalden

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3 Theoretische Überlegungen zum fiskalischen Föderalismus:Effizienz versus Verteilung (5)

Die Situation in der Schweiz:

(i) Umverteilung durch progressive Steuern erfolgt auch dezentral: DieKantone besitzen Steuerhoheit bei den Steuern auf Einkommen, Vermö-gen und Erbschaften.

(ii) Der Wohlfahrtsstaat ist bisher nicht zusammengebrochen.

(iii) Aber: Der Steuerwettbewerb scheint international zuzunehmen, aber ernimmt derzeit vor allem national zu: Bei der Erbschaftssteuer ist in derSchweiz eine deutliche Erosion erkennbar, und einige (kleine) Kantonehaben eine degressive Einkommensteuer eingeführt.

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2 Theoretische Überlegungen zum Steuerwettbewerb:Effizienz versus Verteilung (6)

Fragen:

(i) Ist die Schweiz im internationalen Vergleich ein ‚kleines Land‘? Wiekann/soll die Schweiz auf den internationalen Steuerwettbewerbreagieren? Was kann sie dabei aus ausländischen Erfahrungen lernen?

(ii) Welche Auswirkungen hat der interkantonale Steuerwettbewerb in derSchweiz tatsächlich?

(iii) Wie können/sollen die einzelne Kantone auf den interkantonalenSteuerwettbewerb reagieren?

(iv) Inwieweit verletzt der Steuerwettbewerb Prinzipien derSteuergerechtigkeit?

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz

Index der effektiven Steuerbelastung der UnternehmenØ Schweiz = 100 (Quelle: ZEW Mannheim)

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

Zug

Dubl in

Nidwalden

Schwyz

Tessin Bern

Wallis

St. Gallen

Waad

tland

Zürich

Genf

Basel-S

tadt

Basel-L

andsc

haft

Lond

on

Niederlan

de

Ös terreich

Italie

n

Deutsch

land

Frank

reich

USA (Bosto

n)

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz (2)

Empirische Ergebnisse zur Standortwahl:

Zentrale Ergebnisse (L.P. Feld/G. Kirchgässner):

(i) Die Zahl der kleinen und mittleren Firmen pro Kanton (normalisiertmit dessen Grösse) hängt wesentlich von der Höhe der Steuern ab.

(ii) Die Zahl der Beschäftigten pro Kanton (normalisiert mit dessenGrösse) hängt in deutlich geringerem Masse von der Höhe der Steuernab.

(iii) In beiden Fällen scheinen die Steuern auf das persönliche Einkommeneinen signifikant höheren Einfluss zu haben als die Unternehmens-steuern.

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz (3)

Folgerungen:

(i) Die Mobilitätshypothese wird deutlich bezüglich der Firmensitze, abernur in geringem Masse auch bezüglich der tatsächlich stattfindendenProduktion bestätigt.

(ii) Dies spricht dafür, dass trotz Steuerausscheidung vor allemSteuerverlagerung stattfindet.

(iii) Der (scheinbar) geringe Einfluss der Unternehmenssteuern könntedarauf zurückzuführen sein, dass die tatsächliche Belastunginsbesondere derjenigen Unternehmen, die sich neu ansiedeln,statistisch kaum erfassbar ist und sich darüber hinaus in vielenKantonen von den ‚eingesessenen‘ Unternehmen deutlichunterscheidet.

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz (4)

Index der effektiven Steuerbelastung hoher EinkommenØ Schweiz = 100 (Quelle: ZEW Mannheim)

0

20

40

60

80

100

120

140

160

Schwyz Zug

Nidwalden

Zürich

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz (5)

Empirische Ergebnisse zur Wohnortwahl:

0

5

10

15

20

25

84 86 88 90 92 94 96 98 00 02

Ze itliche Entwicklung des Steuerwettbewerbszwischen den Kantonen

Standardabweichungdes Index der Steuerbelastung

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz (6)

Anteil der Bezieher hoher Einkommen und ihr entsprechender Steuersatz26 Schweizer Kantone im Jahr 1997/98

0.5

1.0

1.5

2.0

2.5

3.0

8 10 12 14 16 18 20 22

Anteil der Bezieherhoher Einkommen(über SFr 200'000)

durchschnittlicher Steuersatzbei einem Einkommen vonSFr 200 '000

Zug

Genf

Zürich

JuraUri

St. Gallen

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz (7)

Zentrale Ergebnisse

(i) Die Zahl der ‚Reichen‘ in einem Kanton oder einer Gemeinde hängtwesentlich von der Höhe der Belastung des persönlichen Einkommensab: Je höher die Steuerbelastung ist, desto geringer ist dieser Anteil.Auf den Anteil der Bezieher geringer Einkommen hat die Höhe derSteuerbelastung dagegen kaum Einfluss.

(ii) Die Zahl der ‚Armen‘ in einem Kanton oder einer Gemeinde hängtwesentlich von der Höhe der Transfers ab: Je höher die entsprechen-den Leistungen sind, desto höher ist dieser Anteil. Auf den Anteil derBezieher hoher Einkommen hat die Höhe der Transfers dagegen kaumEinfluss.

(iii) Der Steuerwettbewerb ist bezüglich der Belastung der natürlichenPersonen zwischen den Kantonen in den letzten Jahrzehnten intensivergeworden: Die Varianz in der Steuerbelastung zwischen den Kantonenist angestiegen

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz (8)

(iv) Für die Steuerbelastung lässt sich ein signifikanter Einfluss auf dieMietzinsen nachweisen: je geringer die Steuerbelastung (insbesonderefür hohe Einkommen) ist, desto höher sind – ceteris paribus – dieMietzinsen in einer Gemeinde oder einem Kanton. Hier findet eineteilweise Kapitalisierung statt.

(v) Für die öffentlichen Leistungen lässt sich ein solcher Einfluss nicht(signifikant) nachweisen.

Folgerungen:

(i) Bezüglich der Wohnortwahl findet in erheblichem Umfang Steuer-wettbewerb statt: Die Mobilitätshypothese wird bestätigt.

(ii) Es findet in erster Linie Steuer- und nur in geringerem AusmassTransferwettbewerb statt.

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz (9)

Auswirkung auf die Allokation:

Zentrales Ergebnis

• Die Schweiz hat eine geringere Steuer- und Staatsquote als die meistenanderen Industriestaaten. Insbesondere die Belastung derUnternehmen ist (insbesondere in einigen Kantonen) sehr gering.

Folgerung:

Man kann die geringere Staatsquote als höhere Effizienzinterpretieren; dies ist jedoch nicht zwingend. Sie könnte auchAusdruck eines partiellen ‚Race to the Bottom‘ sein.

Zur Effizienzhypothese ist keine gesicherte Aussage möglich.

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz (10)

Auswirkungen auf die Verteilung:

Zentrales Ergebnis:

• In der Schweiz findet in erheblichem Umfang auf den Ebenen derGemeinden und Kantone Umverteilung auch mit Hilfe progressiverdirekten Steuern statt.

Folgerungen:

(i) Umverteilung mag in der Schweiz etwas schwieriger als in anderenDemokratien sein, aber sie ist dennoch möglich. Man mag dies alsBestätigung für eine ‚schwache‘ Variante der Umverteilungstheseinterpretieren.

(ii) Zumindest in ihrer starken Form wird die Umverteilungsthese in derSchweiz widerlegt: Umverteilung ist im einem föderalistischenSystem der Schweiz auch dezentral möglich.

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3 Empirische Ergebnisse für die Schweiz (11)

Frage: Wieso ist in der Schweiz dezentrale Umverteilung möglich?

Vier institutionelle Absicherungen:

(i) Das wichtigste Sozialwerk, die AHV, ist zentral organisiert. Sie istzudem sehr stark redistributiv ausgerichtet.

(ii) Die direkte Bundessteuer ist stark progressiv ausgestaltet. Siestellt sicher, dass die Bezieher hoher Einkommen sich auch dann,wenn sie in Kantonen bzw. Gemeinden mit niedrigen Steuersätzenwohnen, an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligenmüssen.

(iii) Die Quellensteuer stellt sicher, dass Kapitaleinkommen zumindestteilweise erfasst werden.

(iv) Es besteht ein Finanzausgleich, welcher all zu grosse Unterschiedebeseitigen soll. Er wird derzeit reformiert.

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5 Abschliessende Bemerkungen

Mögliche Konsequenzen für die Schweiz

a) Internationale Ebene:Die Schweiz profitiert vom internationalen Steuerwettbewerb. IhreSituation ist nach wie vor gut. Die Situation bei den Unternehmenssteuernmuss jedoch im Auge behalten werden.

b) Nationale Ebene:Auch der nationale Steuerwettbewerb hat bisher vorwiegend positiveAuswirkungen. Dennoch gilt:(i) Die Unternehmensbesteuerung sollte stärker harmonisiert werden:

Der Wettbewerb sollte über die Steuersätze erfolgen. Keine Sonderbedingungen für aus anderen Kantonen

angeworbene Unternehmen

(ii) Es besteht derzeit (noch) kein Anlass, den (fairen) Steuerwettbewerbzwischen den Kantonen einzuschränken. Dies gilt insbesondere inBezug auf die persönlichen Einkommensteuern. Problematisch istjedoch der Übergang zu degressiven Einkommensteuern inSchaffhausen und Obwalden.

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4 Abschliessende Bemerkungen (2)

Einzelne Probleme:

(i) Degressive Besteuerung:– Verstoss gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung– Verstoss gegen das Fairnessgebot der Besteuerung und damit gegen

weit verbreitete Vorstellungen von Steuergerechtigkeit Implizite Aufforderung zur Steuerhinterziehung

kein sinnvolles Element des Steuerwettbewerbs.

(ii) Pauschalbesteuerung:– Verstoss gegen das Gleichheitsprinzip der Besteuerung

aber: internationale Praxis beibehalten, aber Sätze erhöhen.

(iii) Steuerharmonisierung:– Wettbewerb über die Steuersätze bei Harmonisierung der

Bemessungsgrundlage (Unternehmensbesteuerung)

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4 Abschliessende Bemerkungen (3)

Einzelne Probleme:

(iv) Familienbesteuerung/Familienförderung:– Splitting vs. Individualbesteuerung– Konsistenz von Steuer- und Sozialpolitik– Massnahmen zur Unterstützung von Kindern– Steuerliche Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten

(v) Mehrfachbelastung von Kapitaleinkommen– Vollanrechnungsverfahren– Erfassung privater Kapitalgewinne

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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