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Die Stalin-Note eine Chance auf Wiedervereinigung? Diese Unterrichtsmaterialien geben dir Einblick in eine politische Situation im Jahr 1952, aus der heraus sich ein menschenverachtendes Kapitel der DDR-Geschichte entwickelte: die „Aktion Ungeziefer“ und die „Aktion Kornblume“ sind hierzu die zentralen Ereignisse und Begriffe: Geschichtlicher Hintergrund Im Winter und Frühjahr 1952 verhandelte die BRD mit den Westalliierten über die Bildung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Zu diesem Zweck musste die BRD ihre staatliche Eigenständigkeit (Souveränität) von den Westalliierten zurückbekommen, die nach 1945 das besiegte Land besetzt hatten. Dies sollte im sogenannten Deutschlandvertrag (auch Generalvertrag) nun unterschrieben werden. Die Sowjetunion wollte die Westintegration der BRD verhindern. Am 10. März 1951 unterbreitete der sowjetische Diktator Josef Stalin deshalb einen Vor- schlag, wie Deutschland mit einem Friedensvertrag wiedervereinigt werden könnte. Die hierfür notwendigen Vertragsbedingungen beinhalteten zwar ein demokratisches Staatssystem, allerdings auch das Verbot von zwischenstaat- lichen Militärbündnissen und Koalitionen. Die Sowjetunion wollte also ein neu- trales Deutschland. Dieser Vorschlag wurde später als „Stalin-Note“ bekannt. Zu diesem Zeitpunkt war Konrad Adenauer der erste Bundeskanzler der noch jungen Bundesrepublik. Zusammen mit seinen Ministern musste er die Frage beantworten, ob die BRD die „Stalin-Note“ annehmen oder ablehnen soll? Dringend wurden Informationen aus unterschiedlichen Perspektiven benötigt. Arbeitsschritte: Teilt eure Klasse in zwei Gruppen, in Minister und in Agenten der Bundesrepublik Deutschland. Stellt euch dann vor, ihr befindet euch im Frühjahr 1952: – Die Minister lesen und beraten den Brief von Josef Stalin („Stalin-Note“) und wägen ihre Erkenntnisse mit den Argumente von Bundeskanzler Konrad Adenauer ab. Benutzt hierzu die „Unterlagen für Minister“. – Die Agenten sind an Unterlagen der DDR-Führung gelangt. Diese werden nun ausgewertet, um herauszufinden welche politischen Ziele die DDR- Führung verfolgt. Benutzt hierzu die „Unterlagen für Agenten“. I Die Stalin-Note 1

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Die Stalin-Note – eine Chance auf Wiedervereinigung?

Diese Unterrichtsmaterialien geben dir Einblick in eine politische Situation im Jahr 1952, aus der heraus sich ein menschenverachtendes Kapitel der DDR-Geschichte entwickelte: die „Aktion Ungeziefer“ und die „Aktion Kornblume“ sind hierzu die zentralen Ereignisse und Begriffe:

Geschichtlicher Hintergrund

Im Winter und Frühjahr 1952 verhandelte die BRD mit den Westalliierten über die Bildung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Zu diesem Zweck musste die BRD ihre staatliche Eigenständigkeit (Souveränität) von den Westalliierten zurückbekommen, die nach 1945 das besiegte Land besetzt hatten. Dies sollte im sogenannten Deutschlandvertrag (auch Generalvertrag) nun unterschrieben werden.

Die Sowjetunion wollte die Westintegration der BRD verhindern. Am 10. März 1951 unterbreitete der sowjetische Diktator Josef Stalin deshalb einen Vor-schlag, wie Deutschland mit einem Friedensvertrag wiedervereinigt werden könnte. Die hierfür notwendigen Vertragsbedingungen beinhalteten zwar ein demokratisches Staatssystem, allerdings auch das Verbot von zwischenstaat-lichen Militärbündnissen und Koalitionen. Die Sowjetunion wollte also ein neu-trales Deutschland. Dieser Vorschlag wurde später als „Stalin-Note“ bekannt.

Zu diesem Zeitpunkt war Konrad Adenauer der erste Bundeskanzler der noch jungen Bundesrepublik. Zusammen mit seinen Ministern musste er die Frage beantworten, ob die BRD die „Stalin-Note“ annehmen oder ablehnen soll? Dringend wurden Informationen aus unterschiedlichen Perspektiven benötigt.

Arbeitsschritte:

Teilt eure Klasse in zwei Gruppen, in Minister und in Agenten der Bundesrepublik Deutschland. Stellt euch dann vor, ihr befindet euch im Frühjahr 1952:

– Die Minister lesen und beraten den Brief von Josef Stalin („Stalin-Note“) und wägen ihre Erkenntnisse mit den Argumente von Bundeskanzler Konrad Adenauer ab. Benutzt hierzu die „Unterlagen für Minister“.

– Die Agenten sind an Unterlagen der DDR-Führung gelangt. Diese werden nun ausgewertet, um herauszufinden welche politischen Ziele die DDR-Führung verfolgt. Benutzt hierzu die „Unterlagen für Agenten“.

" I Die Stalin-Note1

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Unterlagen für Minister

1952. Ihr übernehmt die Rollen von Ministern der Regierung Adenauers. Die BRD steht vor der Wahl, die Stalin-Note anzunehmen oder abzulehnen.

Phase 1: Analyse der Stalin-Note

Als Minister der Regierung trefft ihr wichtige Entscheidungen, weshalb ihr die Stalin-Note (Quelle 1) besonders aufmerksam lesen müsst.

a) Bearbeitet Quelle 1 in Einzelarbeit. Tragt stichpunktartig in die Tabelle A ein, was Stalin Deutschland vorschlägt. Welche der Inhalte der Stalin-Note kommen Deutschland zugute und welche schränken es ein?

b) Tauscht euch mit einem Partner über den Inhalt der Stalin-Note aus. Wie bewertet ihr die Stalin-Note? Formuliert 2-3 Sätze in Tabelle B?

c) Lest Quelle 2 und besprecht nun mit eurem Partner, wie Adenauer die Stalin-Note einschätzt. Welche Zielsetzung verfolgt seiner Meinung nach die Stalin-Note und welche (langfristigen) Folgen könnte sie für Deutschland haben? (Tabelle C)

d) Diskutiert nun in der Gruppe der Minister: Soll die Bundesrepublik die Stalin-Note annehmen? Formuliert einen kurzen Bericht über den Inhalt der Stalin-Note und eurer Haltung als Bundesregierung in Tabelle D.

Phase 2: Teilnahme an der Kabinettssitzung (im Plenum)

a) Informiert eure Agenten über den Inhalt der Stalin-Note. b) Lasst eure Agenten ihre Ergebnisse vortragen. c) Diskutiert mit euren Agenten die Haltung Adenauers zur Stalin-Note und

versucht zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.

Phase 3: Entscheidungsfindung (Hausaufgabe) Nach der Diskussion: Erörtere nun abschließend die Frage, ob die BRD die Stalin-Note annehmen und unterzeichnen soll. Nimm Stellung und begründe!

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Quelle 1 für Minister

Auszüge aus der Note der sowjetischen Regierung an die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs vom 10.3.1952 („Stalin-Note“). Die Veröffentlichung erfolgte am folgenden Tag in der russischen Tageszeitung „Prawda“. Die Note enthält sowjetische Vorschläge für einen Friedensvertrag mit Deutschland:

Politische Leitsätze: 1.Deutschland wird als einheitlicher Staat wiederhergestellt. Damit wird der Spaltung

Deutschlands ein Ende gemacht, und das geeinte Deutschland gewinnt die Möglichkeit, sich als unabhängiger, demokratischer, friedliebender Staat zu entwickeln.

2. Sämtliche Streitkräfte der Besatzungsmächte müssen spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Friedensvertrages aus Deutschland abgezogen werden. [...]

3. Dem deutschen Volk müssen die demokratischen Rechte gewährleistet sein, damit alle unter deutscher Rechtsprechung stehenden Personen ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion die Menschenrechte und die Grundfreiheiten genießen, ein-schließlich der Rede- , der Pressefreiheit, des Rechts der freien Religionsausübung, der Freiheit der politischen Überzeugung und der Versammlungsfreiheit.

4. In Deutschland muß den demokratischen Parteien und Organisationen freie Betätigung gewährleistet sein; [...]

5. Auf dem Territorium Deutschlands dürfen Organisationen, die der Demokratie und der Erhaltung des Friedens feindlich sind, nicht bestehen.

6. Allen ehemaligen Angehörigen der deutschen Armee, einschließlich der Offiziere und Generale, allen ehemaligen Nazis, mit Ausnahme derer, die nach Gerichtsurteil eine Strafe für von ihnen begangene Verbrechen verbüßen, müssen die gleichen bürgerlichen Rechte wie allen anderen Bürgern gewährt werden zur Teilnahme am Aufbau eines friedliebenden, demokra-tischen Deutschland.

7. Deutschland verpflichtet sich, keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen irgendeinen Staat richten, der mit seinen Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat.

Das Territorium: Das Territorium Deutschlands ist durch die Grenzen bestimmt, die durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz der Großmächte festgelegt wurden.

Wirtschaftliche Leitsätze: Deutschland werden für die Entwicklung seiner Friedenswirtschaft, die der Hebung des Wohl-standes des deutschen Volkes dienen soll, keinerlei Beschränkungen auferlegt. Deutschland werden auch keinerlei Beschränkungen in Bezug auf den Handel mit anderen Ländern, die Seeschiff-fahrt und den Zutritt zu den Weltmärkten auferlegt.

Militärische Leitsätze: Es wird Deutschland gestattet sein, eigene nationale Streitkräfte (Land-, Luft- und Seestreitkräfte) zu besitzen, die für die Verteidigung des Landes notwendig sind. Deutschland wird die Erzeugung von Kriegsmaterial und Ausrüstung gestattet werden, deren Mengen oder Typen nicht über die Grenze dessen hinausgehen dürfen, was für die Streitkräfte erforderlich ist, die für Deutschland durch den Friedensvertrag festgesetzt sind.

_______ Quelle: Europa-Archiv, 1952, 7. Folge, S. 4832-4833.

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Quelle 2 für Minister

Aus dem Wortprotokoll des Presse-Tee-Gesprächs von Bundeskanzler Konrad Adenauer mit 13 Chefredakteuren bundesdeutscher Zeitungen vom 2. 4. 1952. Zu derartigen Teegesprächen lud Adenauer hand-verlesene Journalisten ein, auf deren völlige Diskretion er setzte, um über die Haltung der Regierung zu informieren. Zu Beginn äußerte sich Konrad Adenauer zum Inhalt der Stalin-Note. Hier das Wort- protokoll in Auszügen:

Adenauer: Ich danke Ihnen sehr, daß Sie gekommen sind. Ich hatte den Wunsch, mit Ihnen zusammenzutreffen wegen der außenpolitischen Debatte, die wir morgen im Bundestag haben werden [...] Ich würde sehr gern Ihnen meine Gedanken darlegen über die gegenwärtige außenpolitische Lage […].

Was mir für die gegenwärtige Lage heute, um ein richtiges Urteil zu bekommen, sehr wichtig scheint, das ist die Tatsache, daß Sowjetrußland jetzt aus sich heraus diese Note an die drei Westmächte gerichtet hat [...] Der Inhalt der Note hat mich wenigstens in keiner Weise überrascht. Ich bin seit Jahr und Tag bei meiner ganzen Politik davon ausgegangen, daß das Ziel Sowjetrußlands ist, im Wege der Neutralisierung Deutschlands die Integration Europas zunichte zu machen, [...] um damit die USA aus Europa wegzubekommen und im Wege des kalten Krieges Deutschland, die Bundesrepublik und damit auch Europa in seine Machtsphäre zu bringen [...].

Das Wesentlichste der Sowjetnote [...] ist [...] der Vorschlag einer Neutrali-sierung Deutschlands. Beachten Sie bitte dabei, daß damit Deutschland [...] ein Staat minderen Rechts bleiben würde auf eine von uns gar nicht zu schätzende Zeit […].

Eine gesamtdeutsche Regierung [...] würde ja [...] niemals [...] in der Lage sein, ihre Neutralisierung wirklich zu wahren, denn der russische Vorschlag auf Ge-währung einer nationalen Wehrmacht ist ja nur Bluff [...] In der Sowjetnote ist doch sehr klar zum Ausdruck gebracht, daß dieses (wiedervereinigte) Deutschland nicht das Recht haben sollte, nun eine Wehrmacht sich zuzulegen, so groß, wie es will, sondern so groß, wie es ihm gestattet wird, und daß auch die Bewaffnung einer solchen Wehrmacht nicht so sein soll, wie Deutschland es will, sondern so, wie es ihm gestattet wird.

_______ Quelle: Gesprächsprotokoll des Bundeskanzlers Adenauer, in: R. Morsey, H.-P. Schwarz (Hrsg.), H. J. Küsters (Bearb.), Konrad Adenauer, Teegespräche 1950 - 1954 (Rhöndorfer Ausgabe), Berlin 1984, S. 226 ff.

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Eure Rolle: Minister der Bundesrepublik Deutschland – Tabellen für die Auswertung

A Positive Aspekte der Stalin-Note für Deutschland Einschränkungen für Deutschland in der Stalin-Note

B So bewerte ich die Stalin-Note:

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D Formuliert hier nun euren Bericht über die Stalin-Note und eure Empfehlung: Soll die Bundesregierung die Stalin-Note annehmen?

C So bewertet Adenauer die Stalin-Note : a) Zielsetzung, b) Folgen bei einer Annahme:

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Unterlagen für Agenten

1952. Ihr übernehmt die Rollen von Agenten der Bundesrepublik Deutschland. Die BRD steht vor der Wahl, die sogenannte Stalin-Note anzunehmen oder abzulehnen.

Phase 1: Informationsauswertung

Als Agenten seid ihr an Unterlagen der DDR-Führung gelangt (Quellen 1 bis 3). Ihr sollt nun die Quellen auswerten und der Bundesregierung helfen, eine Ent-scheidung zu finden: a) Setzt euch in Kleingruppen zusammen, in denen jeder eine andere Quelle

hat. Analysiert eure Quelle zunächst in Einzelarbeit mit Hilfe der Tabelle A. b) Tauscht euch nun in der Gruppe über den Inhalt der Quellen aus und ver-

vollständigt eure Tabelle A. c) Diskutiert nun in der Gruppe: Soll die Bundesrepublik die Stalin-Note an-

nehmen? Berücksichtigt dabei auch, welche (langfristigen) Folgen die Entscheidung haben könnte.

d) Formuliert eine gemeinsame, begründete Empfehlung für die Regierung in Tabelle B.

Phase 2: Teilnahme an der Kabinettssitzung (im Plenum)

Legt den Ministern des Kabinetts eure Gründe für die Annahme oder Ablehn-ung der Stalin-Note vor. Bezieht dabei die aus den Quellen gesammelten Infor-mationen mit ein und weist auf langfristige Folgen der Entscheidung hin.

Phase 3: Entscheidungsfindung (Hausaufgabe)

Nach der Diskussion: Erörtere nun abschließend die Frage, ob die BRD die Stalin-Note annehmen und unterzeichnen soll. Nimm Stellung und begründe!

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Quelle 1 für Agenten

Notizen des VP-Oberkommissars Heidenreich (21. Mai 1952) von einer Besprechung bei Chefinspekteur König, der von einer Chefberatung in der Volkspolizei-Hauptverwaltung in Berlin berichtet.

Chefinspektor König führt aus: Amtsleiter wurden heute kurzfristig zur Landesbehörde bestellt, um informatorisch über einzelne Maßnahmen unterrichtet zu werden, die sich auf-grund des Abschlusses des Generalkriegsvertrages1 für die VP2 er-forderlich machen. Befehle wurden schriftlich noch nicht mitgege-ben, da sich aufgrund der jüngsten Veränderungen der Situation (vergangene Nacht) Veränderung derselben erforderlich machte – werden in Kürze nachgereicht. Generallinie aber bleibt, so dass alle Vorbereitungen getroffen werden können; die nachstehenden Ausführungen sind vertraulich zu behandeln: Die Unterzeichnung des Generalvertrages kann bereits in den aller-nächsten Tagen erfolgen und seitens der DDR wird Unterzeichnung dieses Schanddokumentes mit wissenschaftlicher Exaktheit beant-wortet werden (W. Ulbricht). Zur Erhöhung der Sicherheit im Gebiet der D-Linie werden folgende Maßnahmen getroffen. Es wird geschaffen eine 10-Meter- Zone: Dieser Streifen wird umgepflügt und darf von Zivilisten nicht betreten werden. 500-Meter-Sperrzone: Diese darf nur betreten werden von Per- sonen, die in ihrem DPA3 je einen Stempel der Landesbehörde und einen Stempel der zuständigen Grenzkommandantur haben. In diesem Gebiet dürfen keine Kulturveranstaltungen, Kino usw. abgehalten werden, auch keine Parteiversammlungen. Zivilisten dürfen die Straße nur von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang betreten. 5-km-Sperrzone: Darf nur betreten werden von Personen, die in ihrem DPA den Stempel der LBdVP4 Thür. haben. Interzonenpässe bzw. Aufenthaltsgenehmigungen werden für diese Zone nicht mehr er-teilt. Alle Veranstaltungen, auch Parteiversammlungen, bedürfen der Genehmigung der zuständigen Orts-Volkspolizeibehörde, der Ge-nehmigung der zuständigen Grenz-Volkspolizeibehörde, der Geneh-migung des zuständigen Batl. Kdr. der RA5; Anmeldung hat 24 Stun-den vorher zu erfolgen. Grenze ist seit 16 d. M. selbstständige Hauptabteilung, arbeitet engstens mit MfS zusammen. Personen, die in der 5-km-Sperrzone ihren Arbeitsplatz haben, brauchen diese Stempel ebenfalls – auch wenn sie außerhalb des Sperrgebietes wohnen. Um Registrierung der Menschen in der Sperr-zone vorzunehmen (muß kurzfristig durchgeführt werden), macht sich Bereitstellung zusätzlicher Kräfte notwendig. Ferner muß sich jeder Besucher der 5-km-Sperrzone innerhalb von 12 Stunden auf der Grenzkommandantur an- und auch abmelden. Damit erhalten wir einen Überblick, welche Menschen sich in dieser Sperrzone bewegen.

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Weiter ist gründliche Säuberung dieser Sperrzone von allen aso-zialen Elementen vorzunehmen – Listen unverzüglich erstellen […] Zu diesem Zweck wird eine besondere Kommission gebildet, die sich zusammensetzt aus dem VPKA6-Leiter, einem Vertreter des MfS, des Landrats, der Partei usw. Es werden natürlich z.T. negative Stim-mungen in diesem Gebiet auftauchen, denen durch verschiedene Maß-nahmen entgegengetreten werden muß. Es kommt in jeden Ort ein Parteisekretär, Kulturgruppen werden hingeschickt, HO-Preise herabgesetzt7 u.a. Maßnahmen. […]

Was können wir aus eigenen Kräften schaffen? Sich nicht über Maß-nahmen den Kopf zerbrechen, die die Regierung durchzuführen hat, wie Evakuierung von Großbauern, Transportraum u.a. […] Schnellkommandos auf fachlich hohen Stand bringen, müssen not-falls hart zupacken. Nicht Mitarbeiter in den Grenzkreisen belas-sen, die drüben Verwandtschaft haben: Mit P-Leiter Personalakten überprüfen, ohne Geschrei darüber zu machen. Es wird niemand ent-lassen, sichern aber müssen wir uns. […]

Glossar: 1 Sprechweise im sozialistischen Lager für Generalvertrag 2 Volkspolizei 3 Deutscher Personalausweis (Personalausweis der DDR) 4 Landesbehörde der Volkspolizei 5 Bataillonskommandeur der Roten Armee 6 Volkspolizei-Kreisamt 7 1952 gab es noch Lebensmittelkarten

______ Quelle: Wagner, Manfred: „Beseitigung des Ungeziefers...“. Zwangsaussied-lungen in den Thüringischen Landkreisen Saalfeld, Schleiz und Lobenstein. 1952 und 1961. Analysen und Dokumente. Hrsg.: Landes-beauftragter des Freistaates Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Erfurt, September 2001, S. 16-17

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Quelle 2 für Agenten

Neues faschistisches VerbrechenProteste der Bevölkerung - Verteidigungsbereitschaft wächst

In dem Bestreben, den friedlichen Aufbau in der Deutschen Demokratischen Republik zu stören, benutzen die Spionage- und Sabotagezentren der imperialis-tischen Länder und der Bonner Regierung Westberlin seit langer Zeit als Basis für die Organisation von Sabotage- und Terrorakten. Wie die Agenten dieser Zentralen arbeiten, beweist erneut ein faschistischer Überfall in Anderbeck nahe der Zonen-grenze. Hier wurde der Sekretär der Ortsparteiorganisation der SED, Genosse Witt, vor kurzem von den faschistischen Provokateuren Mayer und Mundt, die als Schläger, Schieber und Gegner unserer fortschrittlichen demokratischen Ordnung bekannt sind, überfallen und niedergeschlagen. Blutüberströmt gelang es Witt zu entkommen und den Einzelposten der Volkspolizei zu alarmieren. Kurze Zeit darauf erschien Mundt auf der Polizeiwache und griff nach kurzem Wortwechsel den Volkspolizisten Brandt an, versuchte ihm die Pistole zu entreißen und schlug wild auf ihn ein. Brandt gab einen Warnschuß ab und machte, als der Faschist trotzdem weiter auf ihn eindrang, von der Schußwaffe Gebrauch, wobei er den Provokateur tödlich verletzte.

Gegen diesen und die laufenden Überfälle und Provokationen durch westdeutsche Söldner protestieren Tausende von Einwohnern in den Grenzgemeinden Oschersleben und Haldensleben, die empört zusehen mußten, wie in den letzten Tagen in dem zehn Kilometer tiefen Sperrgürtel auf der Westseite der Demarkationslinie Schützengraben gezogen, die Streifen verstärkt und Beobachtungsstände errichtet wurden.

Wie notwendig der Schutz unserer Heimat ist, erkannte auch der Kollege Franz Preiß vom Institut für Lehrerbildung in Meiningen, indem er sich bereit erklärte, jederzeit in den Reihen der Volkspolizei den Schutz unserer Republik zu übernehmen...

______ Quelle: Der totgeschwiegene Terror – Zwangsaussiedlung in der DDR, Heft 82, Hrsg.: Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM), Bad Berka, 2003, S. 31

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Artikel aus der Zeitung „Das Volk“ vom 24. Mai 1952, Seite 3. – Auszug:

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Quelle 3 für Agenten

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Auszug:Verordnung

über Maßnahmen an der Demarkationsliniezwischen der Deutschen Demokratischen Republik

und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands.Vom 26. Mai 1952

In Befolgung ihrer Kriegspolitik haben die Bonner Regierungen und die westlichen Besatzungsmächte an der Demarkationslinie einen strengen Grenz- und Zolldienst ein-geführt, um sich von der Deutschen Demokratischen Republik abzugrenzen und dadurch die Spaltung Deutschlands zu vertiefen.Das Fehlen eines entsprechenden Schutzes der Demarkationslinie seitens der Deutschen Demokratischen Republik wird von den Westmächten dazu ausgenutzt, um in immer größerem Umfange Spione, Diversanten, Terroristen und Schmuggler über die Demar-kationslinie in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zu schleusen. Diese haben nach Ausführung ihrer verbrecherischen Aufgaben bislang leicht die Möglichkeit, ungehindert über die Demarkationslinie nach Westdeutschland zurückzukehren.Auf diese Art versuchen die feindlichen Agenten die Erfolge des friedlichen wirtschaft-lichen und kulturellen Aufbaus der Deutschen Demokratischen Republik zu untergraben, die weitere Hebung des Wohlstandes der Deutschen Demokratischen Republik zu er-schweren und die demokratischen Ordnung und Gesetzlichkeit, die Stütze des deutschen Volkes im Kampf für frieden, Einheit und friedlichen Aufbau zu erschüttern.Durch diese Handlungen der amerikanischen, englischen und französischen Besatzungs-mächte und der Bonner Regierung sieht sich die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, die die Verteidigung der Interessen der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik zum Ziele haben und die ein Eindringen von feindlichen Agenten in das Gebiete der Deutschen Demokratischen Republik unmöglich mache.

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik verordnet:

§1Das Ministerium für Staatssicherheit wird beauftragt, unverzüglich strenge Maßnahmen zu treffen für die Verstärkung der Bewachung der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen, um ein weitere Eindringen von Diversanten, Spionen, Terroristen und Schädlingen in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zu verhindern.

______ Quelle: Der totgeschwiegene Terror – Zwangsaussiedlung in der DDR, Heft 82, Hrsg.: Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM), Bad Berka, 2003, S. 36

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Eure Rolle: Agenten der Bundesrepublik Deutschland – Tabelle zur Auswertung der Quellen

A Quelle 1 Quelle 2 Quelle 3

Textsorte

Verfasser

Adressat

Welche Maßnahmen der DDR werden genannt?

Welche Gründe für die Maßnahmen werden angegeben?

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Eure Rolle: Agenten der Bundesrepublik Deutschland – Empfehlung an die Bundesregierung: Soll die Bundesrepublik die Stalin-Note annehmen?

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