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Die Tiere in den Kampfkünsten Im 6. Jahrhundert nach Christus zog der Mönch „Bodhidharma“ (ca. 440 bis 528 n. Chr.), ein Nach- folger Buddhas, als Pilger aus dem südlichen Indien ins Shaolin-Kloster im nordöstlichen China. Die- ser lehrte den Chinesen gymnastische Kampfübungen zur Meditation und körperlichen Ertüchtigung. In den folgenden Jahrhunderten wurden diese ursprünglich einfachen und auf 18 beschränkte Boxübungen erweitert, verfeinert und ausgebaut. Die alten Meister der Kampfkunst in China beobachteten dazu die Tiere bei ihren Jagd- und Fluchtverhalten und erkannten sehr schnell, dass die Rektion in Abwehr, Verteidigung sowie im Angriff denen der Menschen überlegen ist. Aus diesem Grund versuchten sie es, den Tieren gleich zu tun und entwickelten in den Kata viele Kombinationsabläufe, die denen der Tiere ähnlich sind. Die Tierformen wurden kombiniert, da sich Kampfstile, die nur ein einzelnes Tier nachahmten, nicht behaupten konnten. Nur die Kombination machte den dauerhaften Erfolg einer Kampfkust aus. Von den traditionellen Tierstilen und Methoden der Kampfkunst haben sich folgende Tierformen bis heute in den Karate-Kata erhalten: Schlange, Tiger, Kranich, Leopard und Drache. Dabei beinhalten die großen Stärken der einzelnen Tiere zugleich auch immer dessen jeweilige Schwäche. So kann es passieren, dass sich der Drache mit seinen vielen Möglichkeiten im Kampf ver- zettelt und dass der Tiger im Vertrauen auf seine große Kraft und mit seiner direkten Art in die Falle gelockt wird. Falls ein Tier in Bedrängnis kommt, ruft es sich ein anderes zu Hilfe. Das zeigt sich in den Kata als Wechsel der einzelnen Techniken bzw. der Kampftaktiken. Der Drache Der Drache ist ein Fabel- und Glückstier. In China ist er auch das Symbol des Kaisers, weshalb dieser auch als „Himmelssohn auf dem Drachenthron“ bezeichnet wird. In der Rangfolge der Tiere ist der Drache am höchsten und wird dem Himmel zugeordnet. Er steht für geistige Stärke, Konzentra- tionsvermögen, Mentaltraining und die Ausbildung der Sehkraft. Er wird symbolisiert durch den Daumen einer Hand, er kontrolliert die übrigen Fin- ger, die für die körperlichen Fähigkeiten stehen. Ohne ihn geht nur wenig, weil ohne geistige Koordination alle körperlichen Aktivitäten ziel- und fruchtlos bleiben müssen. Dem Drachen ist es gegeben zu fliegen, zu laufen, zu schwimmen, er macht sich groß und klein. Er passt sich an die Situation an, je nachdem was er gerade benö- tigt. Er besitzt nahezu alle, d.h. sechs Waffen, die er auch beliebig einsetzen kann: Feuerspeien, Schwanzschläge, Schläge und Stöße mit Vorder- und Hinterbeinen. Der Drache ist ein gefährlicher, schlauer und starker Kämpfer, er kämpft mit dem Kopf auch gegen mehrere Gegner. Er fürchtet weder Tod noch Teufel und kennt alle Atemi-Punkte des Gegners. Der Drache bestimmt den Kampf, führt ihn an und gewinnt ihn. Er springt oder stürzt sich auf den Gegner (Tobi-Geri), reißt und faucht (Kiai). Seine Stöße und Schläge führt der Drache oft rund, geschwungen oder aus drehenden Bewegungen heraus aus, um ihnen die nötige Wucht zu verleihen. Er kennt viele Stellun- gen und nutzt sie alle: Zenkutsu-, Kokutsu-, Sanshin-, Heiko-, Neko-ashi-Dachi uvm. Diese Vielfalt ist auf der einen Seite seine Stärke, auf der anderen Seite hat er die Qual der Wahl, welche Technik für ihn gerade die sinnvollste ist. Dann ruft er sich ein anderes Tier zu Hilfe: Sein Freund ist die Schlange. Wandlungsphase (Element) : Feuer Waffen : Drachenkopffaust (Nakadaka Ippon Ken), Ausweichbewegungen, Tritttechniken (Drachen- schwanz)

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Page 1: Die Tiere in den Kampfkünsten - karate- · PDF fileDie Tiere in den Kampfkünsten Im 6. Jahrhundert nach Christus zog der Mönch „Bodhidharma“ (ca. 440 bis 528 n. Chr.), ein Nach-folger

Die Tiere in den Kampfkünsten

Im 6. Jahrhundert nach Christus zog der Mönch „Bodhidharma“ (ca. 440 bis 528 n. Chr.), ein Nach-

folger Buddhas, als Pilger aus dem südlichen Indien ins Shaolin-Kloster im nordöstlichen China. Die-

ser lehrte den Chinesen gymnastische Kampfübungen zur Meditation und

körperlichen Ertüchtigung. In den folgenden Jahrhunderten wurden diese

ursprünglich einfachen und auf 18 beschränkte Boxübungen erweitert, verfeinert und

ausgebaut. Die alten Meister der Kampfkunst in China beobachteten dazu die Tiere

bei ihren Jagd- und Fluchtverhalten und erkannten sehr schnell, dass die Rektion in

Abwehr, Verteidigung sowie im Angriff denen der Menschen überlegen ist. Aus

diesem Grund versuchten sie es, den Tieren gleich zu tun und entwickelten in den

Kata viele Kombinationsabläufe, die denen der Tiere ähnlich sind. Die Tierformen

wurden kombiniert, da sich Kampfstile, die nur ein einzelnes Tier nachahmten, nicht

behaupten konnten. Nur die Kombination machte den dauerhaften Erfolg einer Kampfkust aus.

Von den traditionellen Tierstilen und Methoden der Kampfkunst haben sich folgende Tierformen bis heute in den Karate-Kata erhalten: Schlange, Tiger, Kranich, Leopard und Drache.

Dabei beinhalten die großen Stärken der einzelnen Tiere zugleich auch immer dessen jeweilige

Schwäche. So kann es passieren, dass sich der Drache mit seinen vielen Möglichkeiten im Kampf ver-

zettelt und dass der Tiger im Vertrauen auf seine große Kraft und mit seiner direkten Art in die Falle

gelockt wird. Falls ein Tier in Bedrängnis kommt, ruft es sich ein anderes zu Hilfe. Das zeigt sich in den Kata als Wechsel der einzelnen Techniken bzw. der Kampftaktiken.

Der Drache

Der Drache ist ein Fabel- und Glückstier. In China ist er auch das Symbol des Kaisers, weshalb dieser auch als „Himmelssohn auf dem Drachenthron“ bezeichnet wird.

In der Rangfolge der Tiere ist der Drache am höchsten und wird

dem Himmel zugeordnet. Er steht für geistige Stärke, Konzentra-

tionsvermögen, Mentaltraining und die Ausbildung der Sehkraft. Er

wird symbolisiert durch den Daumen einer Hand, er kontrolliert die übrigen Fin-

ger, die für die körperlichen Fähigkeiten stehen. Ohne ihn geht nur wenig, weil

ohne geistige Koordination alle körperlichen Aktivitäten ziel- und fruchtlos bleiben müssen.

Dem Drachen ist es gegeben zu fliegen, zu laufen, zu schwimmen, er macht sich

groß und klein. Er passt sich an die Situation an, je nachdem was er gerade benö-

tigt. Er besitzt nahezu alle, d.h. sechs Waffen, die er auch beliebig einsetzen

kann: Feuerspeien, Schwanzschläge, Schläge und Stöße mit Vorder- und Hinterbeinen. Der Drache ist

ein gefährlicher, schlauer und starker Kämpfer, er kämpft mit dem Kopf auch gegen mehrere Gegner.

Er fürchtet weder Tod noch Teufel und kennt alle Atemi-Punkte des Gegners. Der Drache bestimmt

den Kampf, führt ihn an und gewinnt ihn. Er springt oder stürzt sich auf den Gegner (Tobi-Geri),

reißt und faucht (Kiai). Seine Stöße und Schläge führt der Drache oft rund, geschwungen oder aus

drehenden Bewegungen heraus aus, um ihnen die nötige Wucht zu verleihen. Er kennt viele Stellun-gen und nutzt sie alle: Zenkutsu-, Kokutsu-, Sanshin-, Heiko-, Neko-ashi-Dachi uvm.

Diese Vielfalt ist auf der einen Seite seine Stärke, auf der anderen Seite hat er die Qual der Wahl,

welche Technik für ihn gerade die sinnvollste ist. Dann ruft er sich ein anderes Tier zu Hilfe: Sein Freund ist die Schlange.

Wandlungsphase (Element): Feuer

Waffen: Drachenkopffaust (Nakadaka Ippon Ken), Ausweichbewegungen, Tritttechniken (Drachen-schwanz)

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Der Tiger

Der Tiger hat Kraft, er steht für die Kräftigung und Stärkung von Knochen, Gelenken und Muskeln. Er kämpft mit dem Herzen und fürchtet keinen Gegner. Fähigkeiten, die

den Tiger auszeichnen sind Kraft, Mut, Wildheit, Zielstrebigkeit

und seine Stärke. Der Tiger gilt als stärkstes Tier auf Erden und

ist demzufolge auch dem Element Erde zugeordnet.

Er geht direkt, ohne Umwege, auf sein Opfer zu, greift von vorne an und geht

durch jede Deckung. Er wartet nicht auf eine Schwachstelle, er reißt sie sich

selbst. Er stößt, reißt, greift und packt von vorn und von oben. Der Stil des Tigers

lehrt einen geradlinigen machtvollen Kampfstil aus der Katzenstellung und aus

tiefen Stellungen und ist die stärkste Tierform. Alle fünf Finger werden verwendet,

um in einer Art greifenden und pressenden Aktion zu agieren. Das Handgelenk

wird fest gemacht, um die Kraft in die Finger zu übertragen. Geschlagen wird zur

Kehle, zum Gesicht und zu den Seitenteilen des Körpers.

Die Stellungen des Tigers sind Zenkutsu-, Kokutsu- und Neko-ashi-Dachi.

Ausdauer, Kraft, Stärke und Schnelligkeit des Tigers sind zu bewundern. Sei immer freundliche und

reize ihn nicht, sonst ist dein Leben schnell vorbei! Nur beim Drachen muss er vorsichtig sein, er stellt dem Tiger oft eine Falle. Er holt sich dann den Leoparden zu Hilfe.

Hat der Schüler die Fähigkeiten der vorigen Bewegungsformen gemeistert, so bietet ihm der Tigerstil

die Möglichkeit, die innere Kraft nach außen zu wenden, unterstützt durch das kräftige Eindrehen der

Hüfte, in den kurzen und langen Stößen sowie in den Kratzbewegungen der Tigerkralle zu entfalten.

Der Wechsel zwischen den kurzen und langen Handstößen fördert die Ausbil-dung einer differenzierten Armkraft.

Wegen der starken und geradlinigen Angriffe ist der Tiger das Symbol des Shotokan-Karate-Stils.

Wandlungsphase (Element): Erde

Waffen: Tigermaul (Kumade, Teisho)

Finger: Mittelfinger

Der Leopard

Der Leopard greift als kleines, aber mutiges Tier nicht direkt an sondern kontert

geschickt. Der Leopard sucht vielmehr die Verteidigungslücken beim Gegner oder öff-

net die Verteidigung. Er schlägt, stößt und packt schnell zu. Er weicht

auch zu den Seiten aus, um dann schnell wieder in die Lücken zu sto-

ßen, schlagen oder zu greifen. Der Leopard ist wesentlich kleiner als

der Tiger und nicht mit so viel Kraft ausgestattet. Eben wegen dieser

fehlenden Kraft, kann sich der Leopard nicht auf eine oder wenige Techniken verlas-

sen, sondern benötigt eine Vielzahl, um den Kampf für sich entscheiden zu können.

Die Pfoten als Hauptwaffe (die Leopardenfaust, Hiraken) werden dazu eingesetzt

ganze Hagel von Schlägen auf den Gegner niederprasseln zu lassen. Die Kraft kommt

dabei aus den Unterarm und Ellbogen, die Techniken schnappen nach der Aktion zu-

rück. Seine blitzschnellen Angriffe, oft auch durch Sprünge, machen ihn zum

schnellsten Tierstil. Oft versucht der Leopard auch seinen Gegner zu Fall zu brin-gen, er fürchtet nicht den Nahkampf.

Dem Leoparden wird Schnelligkeit, Reaktion, Koordination, große Gewandtheit, Ausdauer und ein

starker Kampfgeist zugesagt. Der Leopard steht für Entschlusskraft und Mut.

Auch den Leopard findet man in vielen Kata. Neko-ashi-, Zenkutsu-, Kokutsu-, und Heiko-Dachi sind seine Stellungen im Kampf. Der Tiger ist oft sein Freund.

Wandlungsphase (Element): Holz

Waffen: Leopardenfaust (Hiraken), Handballen (Teisho)

Finger: Ringfinger

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Die Schlange

Die Techniken der Schlange sind geprägt durch ununterbrochen fließende Bewegun-

gen begleitet von einer rhythmischen, aber intensiven Atmung. Die Schlange trifft

schnelle scharfe, stechende, jedoch weiche, felxible Bewegungen

zur Kehle oder zu den Augen, sie vollführt die längsten Techni-

ken. Ihre Waffe ist die gestreckte Hand und stößt oder Schlägt

mit den Fingerspitzen, den Handkanten, sie bevorzugt lange Greif-

techniken wie den Schlangengriff oder das Schlangenmaul, der Würgegriff der

Schlange im Bodenkampf. Sie springt auf ihren Feind, um ihren Giftzahn in ihn

hineinzuschlagen oder sie windet sich um seinen Körper, um ihn zu erwürgen. Der Stil der Schlange ist eine Mischung aus Würge- und Giftschlange.

Der Stil der Schlange bildet die Atmung aus und erzieht zur Konzentration der Energie in den Finger-

spitzen. Die Schlage beherrscht den psychologischen Kampf sowie die Gegensätze aktiv und pas-

siv. Die Schlange ist das Symbol für die vitale Energie (Qui/Ki). Die fließenden Bewegungen der

Schlange setzen eine Konzentration auf innere Kraft voraus. Die Schlangentechnik beinhaltet tiefe

Stellungen, wobei hier die Stärke der Oberschenkelmuskulatur für die richtige Standfestigkeit aus-schlaggebend ist.

Die Schlange verträgt sich gut mit dem Drachen.

Wandlungsphase: Wasser

Waffe: Schlangenmaul

Finger: Zeigefinger

Kranich

Der Kranich ist der Einzelgänger unter den fünf Tieren. Der Kranich spielt eine große

Rolle in den Kata. Fast jede Kata der Süd-Schule (Shorei-ryu) ist geprägt von ihm. In

den Kata kann man ihn z. B. durch hohe Stellungen auf einem Bein

und weit ausholende Schlagbewegungen, die die Flügelschläge imi-

tieren sollen, erkennen (Chinto/Gangaku).

Er weicht schnell zurück und schlägt sofort von vorn oder von den

Seiten kräftig zu. Er weicht oft über Kreuz-Stellungen aus (Kosa-Dachi). Die ra-

schen Abwehr- und Ausweichbewegungen des Kranichs lehren dem Schüler,

seine bei dem Tigerstil erworbene Hüftkraft in Biegsamkeit umzusetzen. Die Angrif-

fe des Gegners sollen durch das axiale Wegdrehen um die Wirbelsäule ins Leere

laufen. Es folgen dann plötzliche, unerwartete, oft mehrere Angriffe mit den Armen und Füßen.

Der nördliche Kranich imitiert mehr die Flügelschläge, im Süden wird das Picken des Schnabels

bevorzugt. Die zum Schnabel geformte Hand schlägt blitzschnell zu und verursacht durch die Punkt-wirkung große Schmerzen.

Der Stil des Kranichs lehrt vorwiegend die Schnelligkeit der Beine, das Gleichgewicht auf einem Bein. Der Kranich steht für Flexibilität, Balance und für die Ausbildung und Dehnung der Sehnen so-wie für allgemeinen Kräftigung und Vitalitätssteigerung. Seine Stellungen sind Renoji-, Heiko-, Kosa-,

Sagi-ashi- und Neko-ashi-Dachi.

Der Kranich ist immer zum Kampf bereit. Er verträgt sich gut mit Drachen und Schlange.

Wandlungsphase: Metall

Waffe: Kranichkopffaust (Washide, Keito, Kakuto)

Finger: kleiner Finger

Der Kranich ist enthalten im Emblem der Karate-Stilrichtung Wado-ryu („Weg

des Friedens“). Das Wado-ryu legt v.a. Wert auf Bewegungen des Rumpfes mit

Ausweichbewegungen und Gewichtsverlagerungen und verzichtet auf kraftrau-bende Techniken und Stellungen.

Weitere Tiere im Shaolin-Kungfu: Adler, Affe, Panther, Gottesanbeterin, Pferd, uvm.

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Die Tiger-Rolle („Tora no Maki“)

Der Tiger im Kreis ist das Symbol des auf Meister Funakoshi Gichin zurückgehenden Shotokan-Karate-Stil.

Der Tiger stammt aus der Feder eines engen Freundes und Schüler von Fu-

nakoshi, dem japanischen Künstlers Hoan Kosugi (1881-1964), dessen

Signatur oben rechts zu erkennen ist. Da es zu jener Zeit noch keine schrift-

lichen Aufzeichnungen über Karate gab, versuchte er Funakoshi unentwegt

dazu zu überreden, ein Karate-Lehrbuch zu schreiben und versprach im Ge-

genzug, die künstlerische Gestaltung zu übernehmen. Im Japanischen wur-

den Schriften, die das gesammelte Wissen eines Meisters in einer bestimm-

ten Kunst enthielten, üblicherweise als „Tora no Maki“ bezeichnet, was

übersetzt „Tiger-Rolle“ bedeutet und worunter im übertragenen Sinne so

viel wie „Meisterwerk“ zu verstehen sein dürfte. Hiervon offenbar inspiriert

zeichnete Kosugi für die erste Ausgabe des 1935 veröffentlichten Karate-

Lehrbuches von Funakoshi mit dem Titel „Ka-

rate-Do Kyohan“ jenen, in einen Kreis einge-

schlossenen Tiger, der heute, nach über 75

Jahren zum Symbol für das Shotokan-Karate geworden ist.

Der Tiger im Kreis symbolisiert darüberhinaus die Ziele und Absichten

des Karateunterrichts.

Der Tiger verkörpert dabei das Animalische, die Wildheit, den Mut,

unbändige Kampfeslust, urwüchsige Kraft und Entschlossenheit. Wer siegreich kämpfen will, muss lernen wie ein Tiger zu kämpfen.

Der Tiger aber ist nicht frei dargestellt, sondern in einem Kreis abge-

bildet. Der Kreis wiederum steht als Zeichen der Vernunft und des

Geistes.

Wer siegreich und ehrenvoll kämpfen will, der muss seine Emotionen

kontrollieren und mit Vernunft kämpfen. Der Kreis bändigt den Tiger.

Die Vernunft und der menschliche Geist herrschen über die animali-

schen Kräfte, kontrollieren sie, um sie sich nutzbar machen zu kön-

nen.

Deutlicher als am Beispiel jenes kleinen Emblems lassen sich Wesen und Ziele des Karate-Do kaum veranschaulichen.