Die Topinterviews des Jahres 2017 - AutomotiveIT...land seit 2011 wieder einen breiten...
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Die Topinterviews des Jahres 2017
Vorwort 3
Liebe Leserin, lieber Leser,
Der Aufbruch ins digitale Zeitalter hat für die
Automobilindustrie mit der Umsetzung des
autonomen Fahrens, der Elektrifizierung des
Antriebs, von Connectivity, neuen Mobilitäts-
konzepten sowie der Verbindung von Online
und Offline lange stattgefunden und ist heute
Common Sense. Vordergründig wird dies noch
immer als technische Aufgabe gesehen, dabei
handelt es sich primär um eine kulturelle Trans-
formation. Während verkaufte Stückzahlen bis
auf Weiteres ihre Relevanz behalten, entstehen
parallel neue Ansätze und damit Wachstums-
perspektiven, die eine Abrechnung per Fahrt
oder Kilometer vornehmen. Dabei müssen
Branchenneulinge keine Rücksicht auf tradi-
tionelle Technologien, bestehende Strukturen
und Geschäftsmodelle nehmen. Wenn in die-
ser Umbruchphase das Vertrauen in etablierte
Unternehmen erschüttert wird, sei es durch
Dieselgate oder vermeintliche Absprachen
deutscher Hersteller, dann steigt zusätzlich der
Druck auf eine schnelle Transformation. Trotz
weiterhin guter Absatzzahlen ist die „burning
platform“ für Veränderung sichtbar.
Entsprechend ist gerade in den IT-Bereichen
der Unternehmen ein Umdenken spürbar:
Agilität, Task Boards und Scrum Sprints haben
die IT-Abteilungen von OEMs und Zulieferern
erobert. Kleine cross-funktionale Teams nach
dem agilen Vorbild von Spotify, ING-DiBa und
Google ermöglichen klaren Kundenfokus und
Ergebnisorientierung. Prototypen entstehen
innerhalb kurzer Zeit sowohl in Innovation
Labs, Startup-Garagen, Data Hubs als auch in
der klassischen Linie. Diese Entwicklung geht
mit dem Aufbau von Softwarekompetenz der
Automobilindustrie einher, in der heute ein
wichtiger Teil der Wertschöpfung liegt. Das
Differenzierungsmerkmal der Hersteller bleibt
das Produkt, das jetzt mit Software für mobile
Dienste zum ultimativen mobilen Device aus-
zubauen ist. Entscheidend ist, ein unverkenn-
bares Portfolio zu formen. Erst dann ergeben
sich aus der Verbindung von Digitalisierung
und Auto neue, höchst attraktive, kundenfo-
kussierte Angebote, eine starke Marktposi-
tionierung für die Zukunft, eine verbesserte
Risikosteuerung und vor allem langfristige
Perspektiven. Die Herausforderung: Wie las-
sen sich Entwicklungszyklen von Produkt und
Software in Einklang bringen? Wie werden
Planungsprozesse, die sich traditionell an der
Entwicklung von Fahrzeugen orientieren, agil
und mehrschichtig? Wie passen Einkaufspro-
zesse und regulatorischer Rahmen mit dem
Ideal der agilen Entwicklung zusammen? Ge-
rade für Supportbereiche wie Einkauf, Perso-
nal, Marketing, Finanzen und Planung ist die
Digitalkultur eine große Herausforderung.
Zwei Zukunftstechnologien zeichnen sich
ab: zum einen die Einsatzfelder für künst-
liche Intelligenz und Machine Learning. Sie
sind für autonomes Fahren, Unfallprävention
oder auch dem Erkennen von Emotionen des
Fahrers unabdingbar. Zum anderen werden
Blockchain-Technologien die Automobilher-
steller und -zulieferer stark verändern. Ihre
Einsatzmöglichkeiten in der automobilen
Logistik werden in unserem Fachartikel zu
Beginn dieses Buches diskutiert. Mein Dank
geht an dieser Stelle an alle Interviewpartner:
Der Dialog mit Ihnen hat dieses Buch erst er-
möglicht!
Ihr Rainer Mehl
INHALT
www.automotiveIT.eu
Nahtlose Supply Chain: Brüche an den Firmengrenzen müssen der Vergangenheit angehören
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Blockchain-Technologie
Die Wertschöpfungskette wird künftig nicht mehr ohne Blockchain auskommen. 6
Die Topinterviews des Jahres 2017
Martin Hofmann
CIO Volkswagen. 12
Sabine Pfeiffer
Arbeitssoziologin der Universität
Hohenheim. 30
Mattias Ulbrich
CIO Audi. 48
Oliver Zipse
Produktionsvorstand BMW. 24
Renata Jungo Brüngger
Vorstand für Recht und Integrität
bei Daimler. 54
Mamatha Chamarthi
CDO ZF Friedrichshafen. 18
Ola Källenius
Leiter Daimler Konzernforschung
und Mercedes-Benz Cars
Entwicklung. 42
Johann Jungwirth
CDO Volkswagen. 60
Im Interview
Die Automobilindustrie im Gespräch mit automotiveIT. 12
Raman Mehta
CIO Visteon
Markus Schupfner
Entwicklungschef Visteon. 36
12 Volkswagen · Martin Hofmann
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18 ZF · Mamatha Chamarthi
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»Wir definieren genau, wo unser digitaler Fixstern liegt«
Digitalisierung hat bei ZF Friedrichshafen immensen Einfluss aufs Business. Im
Interview beschreibt Chief Digital Officer Mamatha Chamarthi das hohe Tempo
beim Kulturwandel und skizziert das enge Zusammenspiel mit der Konzern-IT.
Erklärtes Ziel: ZF will als Tier-0,5-Zulieferer verstärkt für die Software- und
Systemintegration verantwortlich zeichnen – nicht nur in der Automobilindustrie.
24 BMW · Oliver Zipse
automotiveIT 2017
_ Herr Zipse, die BMW Group hat letztes
Jahr die „Strategy Number One Next“
vorgestellt. Ein zentrales Element bildet
die Digitalisierung. Welche Aufgaben
leiten sich für Sie als Produktionschef
daraus ab?
Digitalisierung ist zunächst einmal ein Überbegriff, der neue Gestaltungsmög-lichkeiten in der Produktion durch digitale Durchdringung beschreibt. Bei der BMW Group unterscheiden wir zwei grundle-gende Aspekte: einerseits den Teil, bei dem sich alles um Daten dreht – beispielsweise Big Data und Data Analytics, eine intelli-gente Verwaltung großer Datenpools oder ihre Integration in dynamische Cloud-Plattformen. Andererseits den Teil, bei dem Digitalisierung mit physischen Objek-ten verbunden ist, etwa bei der kooperati-ven Automatisierung oder additiven Fer-tigungsverfahren. All das begreifen wir in der Produktion als große Chance. Schon in der Vergangenheit haben wir viel automa-tisiert und vernetzt, aber heute bieten sich
neue Möglichkeiten, die weit über den Sta-tus quo hinausgehen. Das Schöne ist: Der technische Aufwand und die Umsetzungs-kosten sind deutlich geringer als früher. Alle BMW-Fahrzeuge sind an ein leistungs-starkes Backend angeschlossen. An diese Infrastruktur können wir uns mit unserer Produktions-Cloud dranhängen.
_ Verstanden. Aber welche konkreten
Anwendungen fahren Sie in dieser
Umgebung?
Wir wollen zum Beispiel sämtliche sicher-heitsrelevanten Prüfdaten in der Cloud er-fassen und dokumentieren. Das Spektrum entlang der Prozesskette ist breit, fast täg-lich kommen neue Use Cases hinzu. Unsere Spielregeln sind, dass immer ein konkreter Nutzen erkennbar sein muss. Wir sammeln Daten nicht um der Daten willen, sondern nur dann, wenn wir mit ihrer Analyse einen Mehrwert generieren können. Also zum Beispiel eine Verbesserung der Qualität, eine Optimierung der Durchlaufzeit, eine
»Die Flexibilität, die wir am Band brauchen, beherrschen nur Menschen«
Alle Werke der BMW Group halten am Prinzip Fließfertigung fest.
Produktionsvorstand Oliver Zipse will die Digitalisierung nutzen,
um den Durchsatz in der getakteten Montage zu steigern.
30 Uni Hohenheim · Sabine Pfeiffer
automotiveIT 2017
_ Frau Pfeiffer, Sie erforschen als Arbeits-
soziologin an der Universität Hohenheim
den Wandel der Arbeit. Welche Beob-
achtungen stechen Ihnen dabei beson-
ders ins Auge?
Erfreulicherweise pflegen wir in Deutsch-land seit 2011 wieder einen breiten öffent-lichen Diskurs über Arbeit. Wir reden auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen darüber, wie Arbeit aussieht und sich in Zeiten der Digitalisierung verändert. Dafür hat sich viele Jahre kaum jemand interes-siert.
_ Welche Themen dominieren die aktu-
elle Debatte?
Der Diskurs wird oft als sehr technisch wahrgenommen. Vielleicht liegt das an den Themen, die unter der großen Überschrift Digitalisierung 4.0 subsumiert sind: Künst-liche Intelligenz, Robotik, Wearables, So-cial Media – die Liste ist lang und sie zeigt, vor welchen Herausforderungen Unter-
nehmen in allen Branchen stehen. Es geht nicht mehr darum, eine einzelne Techno-logie strategisch zu bewerten und sie dann bestmöglich in die betrieblichen Abläufe zu integrieren. Es steht vielmehr gleich ein ganzes Bündel neuer Möglichkeiten vor den Werktoren und Bürotüren.
_ Gibt es Patentrezepte? Wie sollten
Betriebe damit sinnvollerweise um-
gehen?
Anders als in den letzten 20 Jahren. Zu lange hieß die Strategie: Wir gehen auf Nummer sicher und wagen keine Expe-rimente. Viele warteten erst mal ab und orientierten sich daran, was andere Un-ternehmen gemacht haben. Kam dann das Gefühl auf, den Anschluss zu verpassen, wurden eilige Kaufentscheidungen getrof-fen. Zulieferer taten grundsätzlich nichts ohne Vorgabe der Hersteller, mit denen sie zusammenarbeiteten. Dadurch kam vielen Unternehmen die Fähigkeit abhanden, auf
»Klassische Fahrzeugtechnik spielt nur noch die zweite Geige«
Tragen Kompetenzträger einen Blaumann, spielen sie im digitalen Diskurs
von Unternehmen keine Rolle. „Das ist ökonomisch sträflich und der Motivation
für die nächsten Digitalisierungsschritte abträglich“, warnt Arbeitssoziologin
Sabine Pfeiffer und wirbt für ein breites Kontextwissen rund um industrielle
Fertigung und technische Innovationen. „Die Kompetenz, intelligente Algorithmen
zu programmieren, ist nicht ausschlaggebend.“
36 Visteon · Raman Mehta, Markus Schupfner
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»Wir werden Mitarbeiter und Technologie näher an den Leistungspunkt bringen«
Der auf Cockpitsysteme spezialisierte US-Autozulieferer Visteon hat sein
Führungsteam neu zusammengestellt und eine umfangreiche Transformation
gestartet. Am Hauptsitz außerhalb von Detroit sprachen Entwicklungschef
Markus Schupfner und CIO Raman Mehta mit automotiveIT über die Strategie
ihres Unternehmens und die neue Rolle der Corporate-IT.
42 Daimler · Ola Källenius
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»Wir fahren derzeit die höchsten Entwicklungsinvestitionen unserer Firmengeschichte«
Im globalen Entwicklungsverbund von Daimler verfügt jeder Standort über seine
Kernkompetenz und ist eng mit den Fachbereichen vernetzt. Im Interview spricht
Ola Källenius, Leiter Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung,
über die aktuelle Aufgabenverteilung und anstehende Herausforderungen auf
dem Weg zur Null-Emissions-Mobilität.
Mattias Ulbrich · Audi 49
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54 Daimler · Renata Jungo Brüngger
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60 Volkswagen · Johann Jungwirth
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»Ich spüre keine Widerstände«
Volkswagen wandelt sich zum Mobilitätsanbieter. Der Chief Digital Officer
des Volkswagen-Konzerns, Johann Jungwirth, erläutert im Interview,
wie er das Unternehmen und seine zwölf Marken mit hohem Tempo auf das
neue Zeitalter ausrichten will.
Dr. Rainer Mehl
Executive Vice President,
Automotive Digital
Sven C. Dahlmeier
Principal, Automotive Digital