Die Unterteilung der Bronchuscarcinome

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]~te Unterteilung der Bronchuscarcinome. Von Dr. Rudoli Pohl~ Wien. (Eingeganffeu am 10. Juni 1940.) Es gilt heute als feststehende Tatsache, dab unter den Lungen- tumoren des Erwachsenen weitaus die meisten Formen als Bronchus- carcinome anzusprechen sind. Es ist auch nicht abzuleugnen, dab diese Tumoren im Laufe der letzten Jahrzehnte in aller Welt an Zahl wesent- lich zugenommen haben (frfiher 1--2% aller Carcinomf/~lle, jetzt bis anni~hernd 15%). Damit riicken die Fragen fiber die Entstehungs- ursache dieser Tumoren, ihre Frfihdiagnostik, die M~iglichkeit einer erfolgversprechenden Behandlung usw: in den Mittelpunkt unseres Interesses. Es ist naheliegend, dab eine Erkrankung, die nach so vielfacher Rich- tung unsere Aufmerksamkeit verlangt, nach den versehiedensten Gesichtspunkten nnterteilt und gruppiert wurde. Da die histogenetische Ableitung der Bronchialkrebse trotz vielfacher Bemfihungen noch auf wesentliche Schwierigkeiten st6Bt, wird der makroskopischen Grup- pierung noch meist der Vorrang gegeben. Man hat sich bemfiht, nach dem verschiedenen grob anatomischen Aussehen, naeh einem mehr knotigen oder infiltrativen Wachstum zu unterscheiden, andererseits ~tiologische Gesichtspunkte (wie Bronchiektasienkrebs) oder lokali- satorische Momente (mediastinale Form, pleurale Form, Hiluscarcinom) zu verwenden. Wie besonders W. Fischer und Len/c hervorheben, ist es nicht so leicht, bestimmte charakteristische Typen aufzustellen. Denn wie bei allen Gruppierungen gibt es fliel~ende Uberg~ngc, deren anatomi- sches Bild durch die groBe Anzahl der meist vorhandenen Komplika- tionen (Atelektasen, Abseel~, Metastasen usw.) noch an Eindeutigkeit verliert. Nach dem Gesagten kann es nieht wundernehmen, dab die Bearbei- ter dieses Gebietes zu recht verschiedenen Unterteilungen kommen. Schon die Anzahl der Untergruppen ist weitgehend verschieden. So unterscheiden W. Fischer 3, Huguenin 7, Kau/mann 3, Len/c 6, Letulle 5, Maxwell und Nicholson 4 verschiedene Formen. Zur besseren ldbersicht seien hier die einzelnen Einteilungen an- geffihrt : W. Fischer: 1. Knotige massive Form, vorzugsweise der Hilnsgegend. 2. Diffus infiltrierende, mehr pneumonieartige Form. 3. Medullgre, miliare Form. Huguenin: 1. Umschriebene Form. 2. Lobi~re oder vielmehr pseudelob~re Form. 3. Massive Form, racist yore Hilus ausgehend. 4. Pleurale Form. 5. Media- stinopulmonale Form. 6. Medullgre Form. 7. Hilus- oder Bronchialform. 28*

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]~te Unterteilung der Bronchuscarcinome. Von

Dr. Rudoli Pohl~ Wien.

(Eingeganffeu am 10. Juni 1940.)

Es gilt heute als feststehende Tatsache, dab unter den Lungen- tumoren des Erwachsenen weitaus die meisten Formen als Bronchus- carcinome anzusprechen sind. Es ist auch nicht abzuleugnen, dab diese Tumoren im Laufe der letzten Jahrzehnte in aller Welt an Zahl wesent- lich zugenommen haben (frfiher 1--2% aller Carcinomf/~lle, jetzt bis anni~hernd 15%). Damit riicken die Fragen fiber die Entstehungs- ursache dieser Tumoren, ihre Frfihdiagnostik, die M~iglichkeit einer erfolgversprechenden Behandlung usw: in den Mittelpunkt unseres Interesses.

Es ist naheliegend, dab eine Erkrankung, die nach so vielfacher Rich- tung unsere Aufmerksamkeit verlangt, nach den versehiedensten Gesichtspunkten nnterteilt und gruppiert wurde. Da die histogenetische Ableitung der Bronchialkrebse trotz vielfacher Bemfihungen noch auf wesentliche Schwierigkeiten st6Bt, wird der makroskopischen Grup- pierung noch meist der Vorrang gegeben. Man hat sich bemfiht, nach dem verschiedenen grob anatomischen Aussehen, naeh einem mehr knotigen oder infiltrativen Wachstum zu unterscheiden, andererseits ~tiologische Gesichtspunkte (wie Bronchiektasienkrebs) oder lokali- satorische Momente (mediastinale Form, pleurale Form, Hiluscarcinom) zu verwenden. Wie besonders W. Fischer und Len/c hervorheben, ist es nicht so leicht, bestimmte charakteristische Typen aufzustellen. Denn wie bei allen Gruppierungen gibt es fliel~ende Uberg~ngc, deren anatomi- sches Bild durch die groBe Anzahl der meist vorhandenen Komplika- tionen (Atelektasen, Abseel~, Metastasen usw.) noch an Eindeutigkeit verliert.

Nach dem Gesagten kann es nieht wundernehmen, dab die Bearbei- ter dieses Gebietes zu recht verschiedenen Unterteilungen kommen. Schon die Anzahl der Untergruppen ist weitgehend verschieden. So unterscheiden W. Fischer 3, Huguenin 7, Kau/mann 3, Len/c 6, Letulle 5, Maxwell und Nicholson 4 verschiedene Formen.

Zur besseren ldbersicht seien hier die einzelnen Einteilungen an- geffihrt :

W. Fischer: 1. Knotige massive Form, vorzugsweise der Hilnsgegend. 2. Diffus infiltrierende, mehr pneumonieartige Form. 3. Medullgre, miliare Form.

Huguenin: 1. Umschriebene Form. 2. Lobi~re oder vielmehr pseudelob~re Form. 3. Massive Form, racist yore Hilus ausgehend. 4. Pleurale Form. 5. Media- stinopulmonale Form. 6. Medullgre Form. 7. Hilus- oder Bronchialform.

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Kau]man~: 1. Bronchialer Wandtumor, nahe dem Hilus. 2. Diffua in/il- trierende Form. 3. Cireumseripter Tumor in einem Lungenlappen.

Lenk: 1. Die rein intrabronehialen Tumoren. 2. Die krebsige Pnemnonie. 3. Die tIiluseareinome. 4. Lappeneareinome. 5. Lymphangitis eareinomatosa. 6. Die intralobgren Careinomknoten.

Letulle: 1'. Die bronehopulmonale Form - - tlilustylous. 2. Massive Krebse. 3. Latenter Krebs - - krebsige Paehypleuritis. 4. Bronehiektasienkrebs. 5. Medul- lgre (multizentriseh beginnende) Krebse.

Maxwell und Nicholson: 1. tIilustumor. 2. Lungentumor. 3. MediastinM- tumor. 4. Kombinationsform.

Bei der Grtindliehkeit und Vielseitigkeit der einzelnen Einteilungen wird ein Moment wenig in den Vordergrund geriiekG wenn aueh mehr- faeh erwghnt (Kau[mann, Lenk), die Unterseheidung zwischen zentralen und per@l~eren Tumoren. Unter zentral wird der Ausgangspunkt vom Haupt- oder Lappenbronehus verstanden, unter peripher die kleineren bronehialen Verzweigungen. Es ist damit keine neue anatomisehe Fest- stellung verbunden, sondern es soll nur ein bekanntes Detail heraus- gehoben und dessen Bedeutung fiir die praktisehe Arbeit erlgutert wet- den. In j~hrelanger r6ntgendiagnostiseher Arbeit und dureh Vergleieh mit dem pathologiseh-anatomisehen Substrat war ieh bemtiht, in vivo die Trennung zwisehen zentralen und peripheren Tumoren durehzu- ffihren und ieh konnte sehen, dab dies in den meisten F/illen gelingt. Nieht selten ist diese Trennung naeh den klinisch-r6ntgenologisehen Beobaehtungsreihen sogar wesentlieh leiehter als naeh dem patholo- giseh-anatomisehen Bild, da bei d e n versehiedenen Komplikationen und Metastasen die Grundziige oft verwiseht sind. In diesem Zusam- menhang soll nieht unerwghnt bleiben, dab ein ursprtinglieh typiseh peripherer Tumor in den Endstadien dureh sekundgres zentrales Waehs- turn das Bild des zentralen Tumors vortguschen kann.

Bevor ieh den Zweek und die praktisehe Bedeutung dieser Gruppie- rung ngher begriinde, soil die bei den eigenen Beobaehtungen angewandte Gruppierung kurz d argestellt werden.

I. Zentrale Form. II. Periphere Form. 1. Hilusearcinom. 1. Isolier~er Rundtumor. 2. Lappene~reinom. 2. Diffus infiltrierende Form.

Unsere diagnostisehen Bemiihungen sollen dahin gehen, erst naeh Festlegung des Grundtypus des Tumors, ob zentral oder peripher, naeh weiteren diagnostisehen Einzelheiten, Metastasen und Komplikationen zu suehen. DaB diese Uberlegungen gereehtfertigt sind und ffir die loraktisehe Arbeit einen gewissen Nutzen darstellen, soll an Hand der folgenden Begriindung dargelegt werden.

1. Die Entwicklung und der Verlau/ der Bronehuseareinome sind weitgehend vom Sitz des Tumors abhgngig. Bei der zentralen Form kommt es meist friihzeitig zur Bronehostenose, Atelektase, regiongren Driisenmetastasen, Einwirkung auI das Nervensystem (Vagus, Re-

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eurrens). Bei den peripheren Tumoren treten Folgeerseheinungen und Komplikationen, wie sie gerade besehrieben wurden, in viel geringerem Ausmal3e, seltener und sparer auf. Durch das Waehstum in der Peri- pherie ist als h~ufigste und friiheste Komplikation die Beteiligung der Pleura zu finden, wghrend die geffirehteten und lebensbedrohenden Erseheinungen am Mediastinum iiberhaupt fehlen oder bei einem sekun- dgren Waehstum des Tumors zum Medias~inum auff~llig SlO~ in Er- seheinung treten. Die Lebensdauer der peripheren Tumoren ist dureh- sehnittlieh lgnger, was vielleieht auch bei der Beurteilnng yon Behand- lungsresultaten naeh den versehiedenen therapeutisehen Versuehen Beriieksiehtigung verdient.

2. Die 3ISgliehkeiten der Friihdiagnostilc sind bei den zentralen und peripheren Formen weitgehend versehieden. Naeh den angefiihrten lokalisa~orisch bedingten Waehstumsformen sind bei zentralem Tumor (Itilus- und Lappeneareinom) anamnestisch klinisehe Erseheinungen frfiher zu erwarten. Das R6ntgenbild dieser Form is~ selbst in Frfih- stadien meist typiseh. Die peripheren Tumoren fiihren viel sel~ener und spgter zu typisehen Krankheitserseheinungen. Selbst doff, wo dureh periphere Gage frfihzeitig ein Reizzustand der wandsti~ndigen Pleura auftritt, sind die Erseheinungen so wenig typiseh und bewei~end, dag man fiber einen vagen Verdacht. nieht hinauskommen kann. Im Gegensa~z zur zentralen Form is~ das l%6ntgenbild der peripheren Tu- moren nieht eharakteristiseh. Es is~ yon einer bronehopneumonisehen Herdgruppe oder einer spezifisehen Bildung in den Frfihstadien nur selten zu trennen.

In der Diagnostik des Bronchuscareinoms haben 2 IIilfsverfahren, die Bronehoskopie und die Bronehographie, wesentlieh neue braueh- bare und verl~81iche diagnostisehe Resultate geliefer~. Beiden Un- tersuehungsmethoden kommt fiir die zentralen Tumoren VerlgBlieh- keig zu, wghrend sie bei den peripheren Tumoren ebenfalls versagen mfissen. Das Bronchoskop komm~ fiber den Lappenbronehus nicht hin- aus. Die Bronehographie, die Fiillung des Bronchialsystems mit Jod61en, kann den zentralen Tumor dureh die darstellbare Stenose oder den vollkommenen VersehluB des Bronehialastes ziemlich eindeutig dar- stellen; beim peripheren Tumor fehlt eine Stenose an den grSl3eren Bronehialgsten. Eine Darstellung der kleineren peripheren Xste ist dabei meist mSglieh, die Anslegung der gewonnenen Bilder ist jedoeh ungemein sehwierig, das bronehographische Bild nur in den sel~ensten Fgllen beweisend.

Aus diesem Grunde babe ieh mir aueh zur Gewohnheit gemaeht, bei negativem Ausfall der bronehographisehen Untersuchung im Befund- ergebnis eigens darauf hinzuweisen, dag wohl ein zen~raler Tumor aus- zusehlieBen sei, aber nieht die periphere Form.

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3. Auch bei den {}berlegungen fiber die Therapie eines Bronchus- carcinoms sind die lokMisatorischen Momente weitgehend zu beriiok- sichtigen. Abgesehen yon den seltenen kMnen Tumoren, die intra- bronohiM nach Art eines Polypen waehsen und endoskopisch zu errei- chen sind, evtl. auch auf dem endoskopischen Wege mit Radium ange- gangen werden k6nnen, sind erfolgverspreehende operative Eingriffe bisher nur bei den peripheren Tumoren m6glich. Die Trennung zwischen zentral und peripher ist deshalb vor einem operativen Eingriff yon be- sonderer Bedeutung. Die Erfolge der R6ntgentherapie scheinen bei den peripheren Tumoren besser zu sein, wobei allerdings zu beriicksiehtigen ist, dab die peripheren Tumoren fiberhaupt durch das spgtere Eintreten yon Komplikationen langlebiger sind.

Der eben angeffihrten Begrfindung kommt genfigend Beweiskraf~ zu, da die grundlegende Trennung in zentrale und periphere Tumoren nach anatomischen Gesichtspunkten gerechtfertigt, ffir die praktische Arbeit m6glieh und wertvoll ist. Es ist nun denkbar, dab nach der Trennung in zentrale und periphere Form yon weiteren festgelegten Untergruppen abgesehen wird und der Einzelfall nach seinem ngheren Aussehen, ob mehr knotig oder streifig usw., beschrieben wird. Will man ~r Untergruppen aufstellen, so sollen diese klar sein und sieh nieht in Details verlieren. Ieh habe bisher mit je 2 Untergruppen das Auslangen gefunden. Es war mSglieh, die beobaehteten Fglle fast rest- los in vivo naeh dem R6ntgenbild in diesen Gruppen unterzubringen. Ieh habe nun welter an 50 Fgllen yon Bronehuseareinomen, die zur autoptischen Kongrolle gekommen waren, vergMehende Untersuehun- gen zwischen l~6ntgenbild und anatomisehen Befund vorgenommen und weitgehende Ubereinstimmung feststellen k6nnen. Dabei hat sich wiecler gezeigt, dal3, wie bereits bekannt, die zentrale Form, der Tumor des Stamm- oder Lappenbronehus an Zahl weifaus iiberwiegt. Eine Bevorzugung einer Seite lieg sieh nieht erkennen.

Nach Assmann und W. Fischer stellt das Hiluseareinom die hgufigste Form dar. Naeh Lenlc und Otten soll das Lappeneareinom 6fret beob- aehtet werden. Ieh finde in diesen Beobachtungen keinen Gegen- satz, da es sieh bei beiden Gruppen um einen zentralen Tumor handelt. Ob der Tumor seinen Ausgang vom Haul)t- oder Lappenbronehus nimmt (die Teilungsstellen sind besonders betroffen) ist in den Frfih- formen und aueh spgter nut selten mit roller 8ieherheit festzustellen. Das I~6ntgenbild zeigt in den Frfihstadien des zentrMen Tumors eine geringe Verbreiterung des Nilus und sehazf konfurierte streifige oder fingerf6rmige Verdichtungen knapp um den tIilus, welehe der neo- plastisehen Infilfration der perivaseulgren und peribronehialen Lymph- gef~ge entspreehem Spgter, wenn die Stenose zunimmt, der grSgere Bronehial~st verschlossen wird, kommt es zur Lappenatelektase, se-

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kundi~ren entzfindlichen Anschoppul?gen usw., die das Bild der dichten Verschattung eines ganzen Lappens oder selbst einer ganzen Lungen- hglfte geben. In den meisten F~llen ist eben das typische Lappencarci- nora als eine spgtere Entwicklungsphase des Hiluscarcinoms anzu- sprechen. Aus diesem Grunde m6chte ich auch auf die scharfe Tren- nung zwisehen diesen beiden Untergruppen keinen besonderen Weft legen. Wie bereits friiher erwi~hnt, kann das Sp~tstadium eines peri- pheren Tumors die Lunge so weitgehend und ausgef/illt haben, dag eine Trennung yon der zentralen Form nicht m6glich ist.

Literaturverzeichnis. Assmann, Die ~ klinische RSntgendiagnostik der inneren Erkrankungen. - -

Fischer, W., Handbuch der speziell, pathol. Anatomie 3 (1931). - - Huguenin, Arch. m~d.-chir. Appar. respirat. 6, 580--596 (1931). - - Kau[mann, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. - - Lenk, Die RSntgendiagnostik der intrathorakalen Tumoren und ihre Differentialdiagnose: Letulle, siehe W. Fischer. - - Maxwell u. Nicholson, Quart. J. Med. ~3.