'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie...

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00049tJ06 "Die Vögel des Himmels haben ihn begraben" •• Uberlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes von Christfried Böttrich Göttingen . Vandenhoeck & Ruprecht· 1995

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"Die Vögel des Himmels

haben ihn begraben"

• •

Uberlieferungen zu Abels Bestattung

und zur Ätiologie des Grabes

von

Christfried Böttrich

Göttingen . Vandenhoeck & Ruprecht· 1995

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Die Deutsche Bibliothek - C I P-Einheitsallfnahme

Bö/trich, Chrislf ried: .. Di e Vögel des Himm~.l s haben ihn begraben": Überl ie ferungen

zu Abels Bestattung und zur Atiologie des G rabes I von Christf ried BÖttrich.­Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht . 1995

(Sch riften des Institut um ludaicum Delitzschianum ; Bd. 3) ISBN 3-525-54203-8

NE: Inst itutum Judaicum Dclizschian um <Münster. Westfahlen>: Schriften des Institutum ...

() 1995 Vandcnhoeck & Ruprecht. 37070 Götlingen Printed in Germany. - Das Werk einschl ießlich all er se iner T eil e

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MÜIlchen

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Vorwort

Die Geschichte des Brudermordes, wie sie in Gen 4 erzählt wird , gehört zu den eindrucksvollsten Passagen der biblischen Urgeschichte. Ln ihrer dramatischen Konzentration und ihrer sprachlichen Dichte hat sie die theologische Reflexion der Ausleger sowie die Phantasie frommer Leser mehr als andere Erzählungen beschäftigt.

Was der biblische Bericht selbs t offenließ oder nur andeutete, das trug die

Auslegung schon baJd in denselben ein. Unter anderem richtete sich das Interesse nun auch stärker auf das SchicksaJ Abels, des ersten Toten der urzeitiichen Menschheit. Damit war zugleich ein geeigneter Haftpunkt gegeben, um über die Frage der Beslauung nachzusinnen. Aus verschiedenen Motiven der frühjüdischen Literatur entwickelte sich in der Folge eine relativ feste Überlieferung, welche die Bestattung Abels aJs Atiologie der Erdbeslattung geslaltete und vor allem im Osten Allgemeingut jüdischer, islamischer und christlicher Legende bis in die mündli che Volksüberlieferung zu Beginn dieses Jhs. hinein wurde.

Die vorliegende Untersuchun g jener nachbi blischen Überlieferun gen zu Abels Bes latlung erwuchs zunächst aus meiner Beschäftigung mit dem sogen. s lav ischen Henochbuch. Hier gaJt es, eine kurze Anspielung im Text durch den Vergleich mit weiteren Analog ien näher zu bestimmen. Was dabei jedoch als kleiner Aufsatz begann , entwickelte sich schon bald zu einer Entdeckun gsfahrt in die Welt der Haggada, der Koranauslegung, chri stlicher Exegese und volkstümli ­cher Legende. Das MateriaJ wuchs un versehens an und machte an verschiedenen Stell en nun auch eine genauere Betrachtung der jeweiligen Zusammenhänge erforderlich. Am Ende liegt ein differenzierteres Ergebnis vor, als ursprünglich beabsichtigt: neben einer genaueren Beurteilung jener Passage im s lavischen Henochbuch ergeben s ich konkretere Bestimmungen der Traditionen zur Kain­und-Abel-Geschichte, wie sie im Koran (und der anschließenden Koranexegese),

in der kirchenslavischen Literatur sowie in verschiedenen volkstümlichen Texten verwendet worden ist. Darüber hi naus fällt auch ein neues Licht auf d ie Umset­zung des Motives in der bildenden Kunsl.

Die Arbeit hat dabei wiederholt über die Grenzen meines Fachgebietes hinausgeführt. Viele Texte waren mir nur aus zwei ter Hand zugänglich. Bei aJlem Bemühen um Vollständigkeit ist dabei sicher auch manches noch unberücksichtigt gebliebe n - gerade im Blick auf die islamische Überlieferung ließe sich das Bild von fac hkompetcnter Sei te zweifel los noch vervolls tändigen. Dennoch verb indet

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6 VorwOrt

sich mit dieser Untersuchung die Hoffnung. durch d ie Sammlung und Aufberei­tung weit auseinander liegender Überlieferungen bereits einen repräsentativen Überblick bieten zu können und zugleich eine Grundlage für weitere Ergänzungen und Korrekturen geschaffen zu haben. Zudem wird hier wohl auch auf exem· plarische Weise die Wanderung alter j üdischer Überlieferun gen s ichtbar. die sich in den drei großen Religionen ganz unterschiedlichen Kontexten einfügten und so die Jahrhunderte überdauerten.

Manche der hier aufgefühnen Überlieferungen waren nur in englischer oder französischer Übersetzung zugänglich. In dieser Gestalt sind sie auch zitiert worden, obgleich dies der Lesbarkeit des Textes Abbruch lut Eine Übersetzun g der Übersetzung aber hätte wiederum Verlus t an Zuverlässigkeit bedeutet. so daß mir letztlich die Einfügung fremdsprachiger Zitate als die bessere Lösung er­schien. Alle Abkürzungen in Anmerkungen und Literaturverzeichnis folgen S. Schwertner. Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsver.leichnis. BerlinfNew York 1976.

Zu Dank bin ich angesichts der vorliegenden Arbeit vielfach verpflichtet. Herr Dr. Th. Amdt half mir mit Rat. Literatur und viele n Gespräche n beim Auf­suchen und Übersetzen der haggadischen Texte. Herr Prof. Dr. H. Preißler wies mich auf einige der islamischen Fassungen hin und stellte mir dafür seine Über­setzungen zur Verfügung. Die Finnische Literaturgesellschaft in Helsinki und das Kirjandusmuuseum in Tartu überließen mir freundlicherweise Abschriften der entsprechenden Überlieferun gen aus dem Schatz ihrer bislang noch un veröffent­lichten handschrifthchen Sammlungen. Frau S. Liedke schließlich brachte in der Dunke lkammer die Fotografien auf ein passendes Format. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken.

Ein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. H. Lichtenberger, der mit seiner freundlichen Befürwortung die Aufnahme des Manuskriptes in die Reihe der "Schri ften des Institutum Judaicum Deli tzschianum " ermögli cht ha t. Den Mit­arbeitern des Verl ages danke ich für die gute Betreuung in allen techn ischen Fragen.

Christfried Böttrich Leipzig, Jan uar 1995

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Inhalt

I. Einleitung ........ . ...................... . ........ . . 9 2. Frühjüdische Überlieferungen um Abels Bestattung und

ihre Nachwirkungen . ... . ... . .. . ... .. . .. .. . .. . ........ 11 2.1. Typisierungen der Person Abels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I1 2.2. Enählerische Ausschmückungen zum Tod Abels .... ..... .. 15 2.2.1. Das Moti v des Bestauungsaufschubs .. . .. . .. . . . .. ........ 15 2.2.2. Das Moti v der Trauer der Voreltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Uberlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel

zweier Vögel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1. Haggadische Überlieferungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1.1. Midrasch Tanchuma ..... . .. . .. . .. .• • .. . . .. . . . . . ... . . . 34 3. 1.2. Midrasch Genesis Rabba . . . . . . . . . . • . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.1.3. Tosefta der Kai roer Geniza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • . . . . . . . 45 3. 1.4. Jakob ben Ascher und Schahin . .. . ... .. . . . .. . ....... . .. . 46 3.1.5. Pi rke de Rabbi Eliezer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Exkurs: Die "Grausamkeit" des Raben und Gottes Fürsorge für die Rabenj ungen .... . .......... .. ................. 56

3. 1.6. Jalkut Schim 'oni und Midrasch ha-Gadol . ... ... . .... .. . . . . 61 3.2. Islamische Überlieferungen ..................• • ........ 65 3.2.1. Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.2.2. Ibn Hishäm ................. . ... ..•• .. . .. . .. . . .... .. 67 3.2.3. aJ -Tabari .................... . . ........... . ......... 70 3.2.4. aJ-Kisä' i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . 7 1 3.2.5. al-Tha' labi . . .. . . ... . . .. . .. ... . . . •. •. . . .. . .. . ...... .. 73 3.2.6. a1-Baidäwi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3.2.7. Weilere Überlieferungen .. . . .. . .. . . ... ... . .. . ... . . . . . . . 75 3.2.8. Ibn Turail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.3. Griechi sche Überlieferungen in georgischer und

türkischer Ubcrsetzung ........ . .. . ......... . .......... 78 3.3. 1. Das georgische Märchen von "Jungfrau und Jüngling" ....... 79 3.3.2. Fragen und Antworten in einer türkischen Sammelhandschrift . 84 3.4. Kirchcnslavische Überlieferungen ... . .. .. .... . . .... . .. .. 86 3.4.1. "Nestorchronik" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

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3.4.2. 3.4.3. 3.4.4. 3.5. 3.5.1. 3.5.2. 4. 5. 6.

Inhalt

Tolkovaja Paleja . ... . ................. . ... ... ...... . . Offenbarungen des Pseudo-MeLhodios ...... . ........ . ... . Fragen und Antworten . . . . ... . ........................ . Finnische und estnische Volksüberlieferungen .... " . . . . . .. . . Finnische Sagen ...................... . .. . . .. . . . .... .

Estnische Sage . ................ ..... .. . .. . .. .. .. . .. . . Schlußfolgerungen zur Datierung von slHen 7 1,36 ..... . . .. .

Theologische Überlegungen zur Ätiologie des Grabes . .... .. . Anhang: Abels Bestattung in der bildenden Kunst . .... . . . .. .

9 1 95 98

102 102 107 111 11 5 121

Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Abbildungsverz.eichnis. .. . . .... . . . . ..... . . .. . . .. . . . .. . . . . . ... . 141 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . 145

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I. Einleitung

Im slavischen Henochbuch findet s ich im driuen Te il (68-73), der u.a. von der wunderbaren Geburt des MeJchisedek berichtet, I eine kurze Anspielung auf die

Bestallung Abels. Der Tatbes tand wird dabei offe nbar als bekannt vorausgesetzt "Und über diesen Hohenpriester [MeJchisedekJ ist zuvor geschrieben, daß auch er don begraben werden wird, wo die Mitle der Erde ist, wie auch Adam seinen Sohn Abcl dort begrub, den sein Bruder Kain erschlug; denn er lag 3 Jahre unbegraben, bis er einen Vogel sah , der Dohle genannt wird, wie dieser sein Junges begrub." (slHen 7 1,36)2

Das In teresse der ganzen Passage ist auf die Bedeutung des Erdmiuelpunktes gerichtet, der hier un ter dem Namen "Achuzan" Ort typologischer Entsprechungen ist. J In diesem Zusammenhang d ient der Verweis auf Abels Bes tattung lediglich einer weiteren Ulustration desselben Ortes , ohne eigenes Gewicht zu bes itzen. Immerhin gibt die Anspielung - bei aller Knappheit - doch auch einige Moti ve zu erkennen, die mit jener Überliefemng von Abels Bestattung verbunden sind: es ist Adam, der seinen Sohn begräbt; der Körper Abels bleibt eine Zeitlang unbegra­ben; Adam begräbt seinen Sohn nach dem Beispiel eines Vogels. Daß die Bestattung am Erdminelpunkt (in JerusaJem) stattfindet, ist offensichli ich dem Kontex t zuzuschreiben und gehört wohl nicht zur ursprünglichen Überlieferung hinzu.

Als Quelle dieser Bemerkung läßt sich nun eine Überlieferung bestimmen, die aus der jüdischen Haggada hervorwuchs. vom Koran und seinen Kommentatoren aufgegriffen und schließl ich in der kirchenslavischen Literatur wei t verbreitet

1 Die ursprüngliche Zugehörigkeit dieses Tei les zum slHen stand lange in Zwei fel - nach dem Beispiel der ersten Ausgabe des Buches durch CIIARLESIMORALL 1896 wurde er gewöhnlich als Späterer Zusatz von chri stlicher Hand bewertet. Eine genauere Untersuchung zeigt jedoch. daß er einen integralen Teil des ganzen Werkes darstellt. Zu den ein7,clnen Argumenten vgl. BOn·RlCH 1992. 43-48. 196-209.

l Der Passus wird allein von der Hs. R (16.117. Jh .• südslavisch) geboten. Text bei SOKOLQV 19\ 0. I \·80, spcz. 77; ebenso V AllLANT 1952. \ 14-11 7 (Anhang). Übersctzungen bei CIIARLESI M ORFILL 1896 (Anhang); BONWETSCII 1922 (Anhang). ANDERSEN 1983. SANTOS On::RO 1984.

) Der Ort ·' Achuzan"" wird mehrfach genannt (64 ,2; 68.5; 69.3; 70,17) und fungiert aus

url.Citlicher Perspektive als Pscudonym ftir Jcrusalem. Vgl . dazu BOTTRICU 1992, 196.

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10 Einleitung

wurde. Vereinzelte Spuren belegen ihre Kenntnis auch in Persien, Kleinas ien,

Georgien sowie im finnischen und estnischen Sagen schatz. Das slHen greift diese Überlieferung in einem Abschniu auf, der deutlich als

Interpolation von chrisLlichcr Hand zu erkennen ist (7 1,32-37)," Verschiedene Beobachtungen legen es nahe, hier etwa an die Zeit des 4.-7 . Jh . zu denken. ~ Für

eine genauere Beurteilung ist es indessen erforderlich, alle Belege dieser Über­lieferung, die erhalten geblieben sind , zusammenzustellen und zu vergleichen. Sollte sich dabei die vermutete Datierung bestätigen, so läge mit der Anspielung in s lHen 71,36 das älteste christliche Zeugnis jener Überlieferung vor. lhre Kenntnis ließe sich dann auch bei christlic hen Theologen schon zu einer Zeit nachweisen. in dcr sie sich bei Juden und Muslimen gerade zu verbreiten b~gann .

Die folgende Untersuchung. die zunächst von meinem Interesse am slHen bestimmt ist, setzt deshalb bei slHen 7 1 ,36 ein und soll schließlich mit einer Über· prüfung der genannten Hypothese auch wieder dorthin zurückführen .

• Vgl. dazu BÖTIRlCH 1992. 83f. 118- 122; weiterhin s. unten 4.

J Nach einer anfänglichen Bearbeimng im Interesse der jUdischen Mystik scheint das sl Hen dann

von chrisllicher Hand mit einigen Einschüben und Veränderungen versehen worden zu sein; vgl . dazu BöTllUCH 1992. 114· 122 .

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2. Frühjüdische Überlieferungen um Abels Bestattung und ihre Nachwirkungen

In der biblischen Ert.ählung vom Bruderm ord (Gen 4 ,2- 16) wird die Figur Abel s

gerade nur angedeutet. Der knappe Bericht über den Mord selbst, der ohnehin hinter die langen Redeteile des Abschnittes zurücktritt. ste llt vor allem Kain in den

Miuelpunkt.6 Auf ihn und seine Tat konzentrien sich das theologische Interesse

des Erzählers. Abels Rolle hingegen erschöpft sich in ihrer Polarität zu Kain.

Eingefühn und dargestellt wird er aJ s Karns Bruder; in den nachfolgenden

GeneaJogien taucht e r nicht wieder auf. Auch sein Name (":ln - HauchlNichtigkeit)

scheint aus der Geschichte heraus gebildet zu sein , um die Vergänglichkeit und Begrenzthei t des Menschen (Ps 39,6) zu ilIustrieren.7

So lag es nahe, daß sich in der Auslegungsgesehichte dieser Ert.ählung das

fromme Interesse schon bald der Person Abels zuwandte und auszufüllen ver­

such te. was im biblischen Bericht offen blieb. Dabei lassen sich im wesenllichen

zwei Tende nzen erkennen: zum einen erfolgte eine Typisierun g Abels, zum anderen begann eine vielgestaltige erzähle rische Ausschmückung der Gescheh­

nisse um seinen Tod.

2.1. Typisierungen der Person Abels

Für e ine Typisierun g Abels boten sich verschiedene Möglichkeiten an. a) Im Zuge des e thischen DuaJismus' von Gerechten und Frevlern in frühjüdischer

Zeit wurde Abel zunächst zum Typos des Gerechten: Tesüsaak 3, 15 e twa läßt die

Reihe aJle r Heiligen bei Abel beginnen; nach JosAnt I 2,1 "pflegte Abel die Gerechtigkeit", bei Philo steht Abel für "die gottliebende Anschauung", "die

gougefaIlige Tugend" oder "das Gute" überhaupt - sein Name wird gedeutet auf:

& Vgl. dazu WESTERMANN 1975; WESTERMANN 1985, 1388-392. 1 SO WESTERMANN 1985, 1398.

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12 Frühjüdische Überlieferungen um Abels Bestattung und ihre Nachwirkungen

"der [allesl auf Gott Beziehende".' Ein Textfragment aus Qumran ( llQMeich) rechnet Abcl zu den "erwählten Ersllingen Adams", weiche den Menschen Offenbarungen enthüllen.9 lm NT spricht Mt 23,35 (par Lk 11 ,5 1)10 vom "Blut des gerechten Abci"; in Hebr 11,4 bringt Abcl Gott ein besseres Opfer dar "durch den Glauben"; in IJoh 3,12 heißen die Werke Abels "gerecht"; auch einige neu­testamenlliche Apokryphen apostrophieren Abel al s einen der Gerechten." Es scheint , als habe diese Typik Abcls auf christlicher Seite schließlich zu seiner Verherrlichung und zu der Annahme seiner VersetzunglHimmclfahrt direkt ins Paradies geführt.12 So wird auch die Zurückhal tung der älteren haggadischen Überlieferung im Judentum verständlich. ftir die der sittliche Charakter Abels zunächst kaum eine Rolle spielte. 13 In dieses Spannungsfeld gehört auch die in der sog. Adversus-Judaeos-Literatur von den frühen christlichen Apologeten an bis hinein in das späte Miuelalter zu findende Deutu ng Abcls als Präfiguration des guten Hirten Jesus, Kains dagegen als Präfiguration der Juden, die Jesus töleten.14

Zu einer Typisierung auf jüdischer Seite trugen wiederum alle jene Schilderungen

• So in Sacr 3-5 und 51. Zur Deutung des Namens vgl. Sacr 2 und Det 32 - hier wird die Etymologie von '''':lil '' aJs Zusammensetzung aus ":ln·r.lJ~lmp.) = darbringen" und "~." verstanden (Hinweis bei COHNfHEiNEMANN 3/1962. 215). Zu einer weiteren Deutung in Migr 74 s. unten 2.2.2.

9 Vgl. dazu SCHENKE 1980. 11 9. 10 Lk 11 ,5 1 bc7"cichnet Abel nicht ausdrückl ich aJs "gerecht". reiht ihn aber analog zu Mt 23.35

in die Reihe aller Propheten ein. deren Blut unschuldig vergossen wurde. 11 Nach den Kerygmata Petrou 6.3 (par . PS.-Clememinen 15.3) stammen von Adam "als erster

der ungerechte Kain. aJs zweiter der gerechte Abel ab." In der AscJes 9,8. 28 sieht der Prophet Abcl unter den versammelten Gerechten, ebenso Paulus in ApkPaul 51.

11 Die chrisUiche Theologie nahm vor allem die IdeaJi sierung Abcls bei Philo und Josephus auf. Daß allein Abcl und Henoch unter den Gerechten im Paradies erwähnt werden (AscJes 9.7-10) sowie die Polemik Ephraems gegen die Anschauung einer Versetzung Abels ins Paradies (sie wird Kain als Lüge in den Mund gelegt, um das Verschwinden Abels gegenüber Adam und Eva zu erkJären - vgl. BKV 27/1842, 154) bewertete APTOWITZER 1922 (25-26) als Indizien rur ei ne christliche Traditi on der Entrückung Abcls.

n Nach APTQwrrZER 1922 (23-26) begegnet hier das gleiche Phänomen wie bei der rabbini­schen Ignorierung oder Abwertung Henochs. nachdem sich die christliche Theologie seiner bemächtigt halte. Erst in späten Texten und möglicherweise unter Rückwirkung islamischer Überlieferungen wird Abcl dann ebenfaJls ausdrilcklich unter die "Gerechten" gezählt - so z. 8 . in Tanch (8 ) 16: weiteres bci RApPAPORT 1930, 7 (83 Anm. 28). Vgl. dazu die Krit ik von HELLER 1926 (478). nach der sich die Haggada lediglich nicht zu der gleichen Unbefangenheit gegenüber außcrjüdischen Frommen habe erheben können wie die hlg. Schrift selbst.

I' VgJ. dazu SCIIRECKENBERG 1990. Register zu Abel.

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Typisierungen der Person Abels 13

bei, die Abels Vorzüge vor dem dunklen Hintergrund der Bosheit Kains aus­malenl ~ oder die Bevorzugung Abels durch Gott zu ergründen suchen.' 6

b) In älhHen 22,5-7 wird Abel als Typos des Anklägers gezeichnet - aus der Scheal heraus dringt die Stimme seines Geistes bis zum Himmel und führt Klage gegen Kain und seine Nachkommenschaft. 17 Das TestAbr s tellt Abel dann als crsten Märtyrer und Richter im endzeitlichen Gericht vaL"

c) Auch als Typos pricsterlichen Charakters wurde Abel häufig verstanden. Bereits Philo führt in Sacr 52- 139 aus, daß Abel sein Opfcr (im Gegensatz zu Kain) in Übereins timmung mit den Vorschriften der Tara darbrachte. Die hellenistischen Synagogen gebete der Apostolischen Constituti anen bezeichnen Abel als den ersten, der priesterliche Herrschaft ausübte ' 9 bzw. al s ersten Priester übcr­haupt. 20 Die Adversus-ludaeos-Literatur deutete Abels Opfer voraus auf das

IS Dies geschieht vor allem in Phi los all egori scher Auslegung von Gen 4,2-4 (Oe Sacri ficiis Abclis et Caini) und Gen 4.8- 15 (Quod Deterius Potiori insidi ari soleat), die nachhal tig auf die christliche Theologie einwirkte. In ApkSedr 1.18 (2.-5. Jh.) heißt es: "Die Liebe wohnte in Abc1s Her/.cn." In der rabbinischen Literatur werden besonders die Ursache des Bruderl.wistes (Tei lung des Besitzes. Streit um die Stätte des Heiligtums, Streit um die Zwillingsschwester Abels, Strei t um die erSte Eva) sowie das den Mord auslösende Ereignis (die Ablehnung von Kains Opfer) brei t entfal tet - vgl. dazu APTOWITlER 1922, 10-43. Die armenische "Erzählung von den Söhnen Adams. Abcl und Kain " ( PREUSCUEN 1900. 195-198) schmückt die unterschied lichen Charaktere der Brüder durch zahlreiche Detai ls aus.

16 Nach TestIsaak 3. 15 (2. Jh. ) hat GOIt den Abcl mit seinen eigenen Händen gemacht. Daß Gott gerade Abcls Opfer annimmt. wird teils auf dessen Qualität und Intention, teils aber auch aufGoltcs freie Entscheidung zurilckgeftihn (vgl. APTOWlr/..ER 1922, 14-18.37-4 1).

11 In äthH en 22 begegnet erstmals in der jüdischen Literatur eine Schilderung der Scheol mit ihren Abteilungen. In ihr be fi ndet sich aus der UJ7.ei llichen Perspekti ve Abels Geist fo lglich auch als erster. Vgl. auch GenR 2.4. Seine Klage weist indessen darauf hin. daß er auch in der Unterwelt keine Ruhe findet und weder zu den Gerechten noch zu den Sündern gerechnet wird (vgL dazu ausrtihrlich WACKER 1982, 184- 188: Abcl und die "KJ agenden").

11 TestAbr (1.12. Jh.) A 13 schildert Abcl als "furchterregenden Mann au f dem Thron". der seinen Platz eingenommen haI. um die ganze Schöpfung zu richten. Test Abr B 11 form ul iert knapper und bezeichnet jenen Richter als "Abcl. der am Anfang Zeugnis ablegte." Auch in der slav. Frage- und An\wortl iteratur erscheint Abcl gemeinsam mit Henoch in richterlicher Funktion beim endzeitlichen Gericht (vgl. NACHnGALL 1901-04, 90 und 336).

19 Vgl. OTPs H. 684 = 6,4 und 693 = 12.53; dies entspricht ConstAp V1l 37,2 (FuN K 1905. 436) und VJII 12.21 (FuNK 1905, 502).

20 ..... der sich von Anfang an Priester ausersehen hat zur Aufsicht über sein Vol k, Abcl zuerst. Sem .. :. - VIII 5.2 .

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14 FrühjUdische Überl ieferungen um Abels Bestattung und ihre Nachwirkungen

geisti ge Opfer der Christen, Kains hingegen auf das irdische der Juden; besonders

im Rahmen der PassaJamm· Typologie ist Jesus selbst in Abcl vorabgebildet.21

d) Eine Typisierung Abels ist zudem in einer Reihe von gnostischen Tex ten zu

beobachten, wobei sich jedoch die Vort..eichen umgekehrt haben: in der Regel wird

Abel gegenüber dem favoris ierten Kain abgewertet; mitunter erfolgt auch eine

gemeinsame Absetzung beider Brüder von dem jüngeren Seth. 22

11 Vgl. SCIiRECKENBERG 1990. Register zu Abel. Schon der Bezug vom "Blut d(.'f" Besprengung" auf das Blut Abcls in Hebr 12,24 steht vor dem Hintergrund einer kultischen Typologie. Die formclha ne Wendung "'ch beschwöre euch bei dem reinen Blut Habel's ..... in der syr. "Schatzllöh· le" (vgl. dieselbe auch im äth. Adambuch, DILJ..MANN 1853. 83ff und MALAN 1882, 119fr) hat rituelle Gewichtigkeit. Im römischen Meßkanon wird Abcls Opfer neben jenem des Abraham und des Melchisedek liturgisch au fgenommen: "Supra quae propitio ac scrcno vultu rcspicere digneris et acccpt3 habcrc, sicuti accepta habere dignalus es muncra pueri tui justi Abcl et sacri ficium patriarchae nostri Abrahae, et QUod tibi obtul it summus sacerdos tuus Melchiscdech, sanctum sacrificium, immaculatam hostiam." • zitien nach CABROL 1903, 63. Abcls Fest wird nach der kopt. Liturgie am 28. 12., nach der römischen am 30.7. und nach der irischen am 22.4. begangen (vgl. DANII'?LOU !958. 33).

U Vgl . die Belege bei BETIIGE 1980, spez. 9()..92 (" Kain und Abci "). Kain stammt nach Ansicht einiger Gnostiker von der "oberen Macht" ab. Abc! hingegen vom Demiurgen. Eine gemeinsame Abwertung findet sich in der sethianischen Gnosis. Bei den Mandäern kommt Abe! (Hibil) dan n wiederum eine positive Rolle zu.

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2.2. Erzählerische Ausschmückungen zum Tod Abels

Von der zweiten Tendenz einer erzähleri schen Ausschmückung sollen im folgenden nur jene Züge betrachtet werden, die sich mit dem Problem der Bestattung Abels auseinandersetzcn.

2.2.1. Das Motiv des Bestattungsaufschubs

Unter den erzählerischen Ausschmückungen begegnet als vorherrschendes Motiv das eines Aufschubes von Abels Bestattung. da die Erde die Aufnahme seines Körpers verweigert.2J In der biblischen Urgeschichte ist Abcl der erste Tote, sein Blut das erste von Menschenhand vergossene. Die Verse Gen 4,10-11 mochten dabei in besonderer Weise mythologische Assoziationen erwecken, sofern in ihnen nicht ohnehin eine ältere, stärker mythologisch geprägte Form der Erzählung hindurchscheint.2A Die Integrität der Erde wird durch das menschliche Blut verletzt - wie ein lebendes Wesen sperrt der Erdboden sein Maul auf, verschlingt das Blut des Erschlagenen und verweigert dem Täter fortan bei der FeldbestelJung den Ertrag seiner Arbeit. In der Antike war der Mythos von der Erde als der Mutter allcn Lebens wei t verbreitel. lS In abgewandelter Form und verbunden mit der Geschichtc vom Brudermord begegnel er schon früh in der christlichen Theologie: Die Erde sei die jungfräuliche Mutter Adams gewesen. so wie Mafia die jung­fräuliche Mutter Christi (des neuen Adam) war; sie sei dies gewesen, solange sie weder von Regen befruchtet und von Menschenhand bearbeitet worden sei noch Blut ge trunken und einen Leichnam geborgen habc.26 Es scheint . daß Vorstellun-

n Hiervon mag auch eine spätere haggad. Vorstellung abhängen, nach der die Erde es ablehnt. den Körper eines Sünders au fzunehmen; vgl. dazu GIN"lBERG 1925. VI 204 .

loI Vgl. dazu WESTERMANN 1985, 416f; BROCK-UTNE 1936; BOKLEN 1907. 113-117 (dessen Annahme eines alten "Mondmythos' " freilich mehr in die Gc.schichte hineinzulesen als tatsächlich freizulegen scheint).

;rj Er hat in Dichtung und Brauchtum bis weit in die Neuzeit hineingewirkt - vgl. dazu die 7.ahlreichcn Belege bei DIETERlC!-1 1925. Ähnlich auch der Mythos vom "Mütterchen feuchte Erde". der in Rußland noch lange nach der Zeit der Christianisierung im Volksglauben lebendig blieb -vgl. dazu SINJA WSKIJ 1990, 198-207_

16 Die Belege sind gesammelt worden von KOBILER 1900. Sie beginnen bei Irenäus (contra omnes haercticos 111 .3), Tertul1ian (advers. judacos 13; de carne Christi 16), Firmicius Maternus (de errore profanarum religionum 25), Joh_ Darnascenus (de tide orlhodoxa IV .24) und ersU'ecken

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16 Frühjüdische Überlieferungen um Abels Bestattung und ihre Nachwirkungen

gen dieser Art weiter verbreitet waren, als sie in schriftlichen Zeugnissen erhalten geblieben sind .21 Offenbar waren sie auch dem frühen Judentum bekannt. In Sir 40, I wird die Erde "unser aller Mutter" genannt. Josephus deutete den Namen Adam als "rot", "weil er aus roter weicher Erde gemacht ist, die die jungfräuliche und wahre Erde darstellt. .. 28

Jub 4 ,29 konstatierte noch schlicht, daß Adam als erster im Lande seiner Erschaffung begraben worden sei, ohne dabei über den Verbleib des zuvor erschlagenen Abcls zu reOektieren.29 Dies aber geschieht dann ausführlich in der jüdisch·christlichen Adamliteratur. 30 Es wird von der Weigerung der Erde berichtet, den Körper Abels aufzunehmen. was einen Aufschub der Bestattung bis

sich dann über mittelalterliche lat. Autoren bis hinein in die älteste dL Dichtung; vgl. z.D. das dl. Adambuch bei VOU,MER 1908 (18): "do das pluet auffdy rainen erden viel, do was ir maglumb verfarn, ... ". Weilere Belege aus der mal. Literatur bei SCUOL TE 1934.

11 Auch in der der rabbinischen Literatur fi ndet sich ei ne ähnliche Überlieferung: vom Zeitpunkt des Mordes an verschlechtert sich der Boden; er bringt Disteln und Dornen hervor; die Früchte verlieren den Geschmack, den sie einst im Paradies hatten; die Bäume in Abels Gebiet weigern sich aus Trauer, Früchte hervorzubringen und erblühen erst wieder nach der Geburt des Seth; keine der Früchte aber erlangt ihre ursprüngliche Artenvielfalt wieder - dies bleibt der messianischen Zeit vorbehalten. Vgl. dazu GINZBERG 1909. I 112 (Nachweise V 141-142); ApTOWITZER 1922.55.

11 Ant11.2; Übers. nach CL.EMENT'Z 1990, 19. Vgl. dazu NÖLDEKE 1905; VOLLMER 1909. Zur Vorstellung bei den Rabbinen vgl. BtLLERBECK III, 25Oc; RJ\PPAPORT 1930, 2 (75 Anm. 7).

l'I Nach GtNZBERG 1925 (V 125) spielt diese Aussage bereits auf die später inder ApkM os (s. unten 7-8) ent faltete Tradition an. In der syr. "Schatzhöhle" wird Adam ausdrücklich als "der erste Gestorbene auf Erden" bezeichnet - er selbst gibt zuvor noch genaue Anweisung über die Behandlung seines Leichnams (BElOLD 1883. 9). Seine Bestattung erfolgt in jener Schatzhöhle auf dem Berg, in der von da an die verstorbenen Patriarchen beigeseut werden, ohne daß dabei jedoch auch Abel erwähnt würde. Das äth. Adambuch ist hier genauer: "Und Adam war der eTSIe. der einen natürlichen tod starb im lande Eden, in der schazhöhle. Und niemand war überhaupt vor ihm gestorben, als sein sohn Abel, der durch rache (mord) umkam ." (DtU.MANN 1853, 82; vgl. auch MAl.AN 1882, 1170. Belege für die Aufnahme jener Vorstellung aus Jub 4,29 (Adam wird als erster in die Erde gelegt. aus der er genommen wurde) in der byz. Chronographie hai MU .. IK 1971. 545 zusammengetragen.

)0 Als deren wichtigste Zeugen si nd die griech. "Apoka1ypsc des Mosc" und die laI. "Vita Adae et Evae" anzusehen. denen möglicherweise eine hebr. Überlieferung vorausgeht. An ihre Seite treten die kirchenslav .. armen. und georg. ÜberselZung. die weitgehende Übereinstimmung zeigen. Besonders die anllen. und georg. Überlieferung haben daneben eine umfangrcichere Adamlitcratur bewahrt, die mehrere eigenständige, von der Tradition der ApkMos und VilAd unabhängigc Schriften enthllil. Einen ganz anderen, vor allem von christlicher Typologie durchdrungenen Charalcter haben die syr. "Schatzhöhle" und das äth. Adambuch. denen sich wiederu m ein weiterer Kreis von Adamschriften zuordnen läßt . Zur Übersicht über die Viel falt der Texte vgl. vor allem DENIS 1970. 3-14; zu den armen. und georg. Texten $TONE 198 1. V-XX: STONE 1989. Die um fangreichste Zusammenstellung der Adamliteratur (einschließlich spätcrer poetischer Bearbeitungen) mit reichen bibliographischen Angaben bietet ERFFA 1989, 1255-334.

Page 15: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

Erzählerische Ausschmückungen zum Tod Abels 17

zum Tode Adams erforderlich macht. Die grundlegende Fassung findet sich in der ApkMos (I. ih .):

"Damach sprach Gott zum Erl.Cngel Michael: Breitet Linnen aus und bedeckt ldamit] Adams Leichnam ; bringt vom wohlriechenden Öl herbei und gießt es auf ihn! Da beschickten ihn die drei großen Engel. Als sie aber mit Adams Beschickung fertig waren, befahl GOLt, auch Abels Leichnam herbeizubringen. Da brachten sie andere Linnen herbei und beschickten auch ihn; denn er war unbeschickt geblieben seit dem Tage, da sein böser Bruder Kain (ihn) erschlagen hatte. Dama1s versuchte ihn Kain auf mancherlei Weise zu verbergen, vermochte es aber nicht. Denn sein Leichnam sprang aus der Erde wieder heraus,ll und eine Stimme drang aus der Erde, die sprach: In der Erde soll kein anderes Gebilde verborgen werden, bis das erste Gebilde, das aus mir entstand, mir den Staub läßt, (mir,) von der es genommen ward. Die Engel aber nahmen ihn damals und legten ihn au f den Stein, bis sein Vater Adam begraben wurde. Und nach Adams Beschickung befahl Gott, ihn in den Bereich des Parad ieses zu tragen, an den Ort, wo Gott den Staub gefunden hatte, daraus er Adam bildete. Und er ließ den Ort Hir zwei [Leichen) aufgraben und sandte 7 Engel ins Paradies; die brachten viele Wohlgerüche herbei und legten sie in die Erde. Dann nahmen sie beide Leichen und beerdigten sie an dem Ort. den s ie aufgegraben und (aus)gebaul hatten ." (ApkMos 40)"

Knapper formuliert die VitAd ( I . Jh .), in der die Vorstellung eincr zwischenzeitli­ehen Aufbahrung Abels wohl vorausgesetzt wird:

"Und abermals sprach der Herr zu den Engeln Michael und Uriel: Bringt mir drei Byssuslinnen her und breitet sie über Adam aus und andere Linnen über seinen Sohn Abcl; begrabt dann Adam und seinen Sohn. Und alle Engel-Kräfte ?Ogen vor Adam her. So wurde der Toten Schlaf geweiht. Und die Engel Michael und Urie! begruben Adam und Abe! im Bereiche des Paradieses. Das sah SeLh und seine Mutter, sonst aber niemand. Da sprachen Michael und Une!: Wie ihr es gesehen, also begrabt eure Toten." (VitAd 48)lJ

Näher am Tex t der ApkMos, jedoch um einiges ausführlicher als diese, steht die Fassung des armenischen "Leben Adams und Evas":

I I Eine andere Usan schwächt dies ab zu: "[)cnn die Erde nahm den Körper nicht an, indem sie sagte: .....

II Übers. nach FUCHS 1900, 527. n Übers. nach FUCHS 1900.527.

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18 Frühjüdische Überlieferungen um Abcls Bestattung und ihre Nachwirkungen

"U nd als Gott dies Won zu Adam gesprochen hatte, sagte er zu dem Erzengel Michael gewandt: "Gehe in das Reich, das im Himmel ist und nimm von dort drei feine Tücher von weissem und purpurfarbenem Stoff und bringe s ie hierher. " Und er ging hin und fühne aus, was ihm von dem Herrn befohlen war. Und Gott gebot dem Erzengel Michael den Leib des Adam einzuhüllen, indem er also sprach: "Breitet dies Leinentuch aus und bringt Öl der Salbe des Wohlgeruches [wohlriechendes Salböl] und giesst es aus über ihn ." Und es thaten die Erzengel Michael und Uriel, wie ihnen der Herr geboten hatte. Und als sie den Leib Adams eingehüllt hatten, befahl Gott den Leib Abels des Gerechten herbeizubringen und s ie brachten ihn und legten ihn vor Gott. Und Gott befahl Leinentücher herbeizubringen und den Leib Abels des Gerechten ebenso einzuhüllen. Denn sein Leib war nicht mit solchen eingehüllt worden an dem Tag, an dem ihn sein Bruder Kain erschlagen hatte. Denn Kain selbst hatte dies beobachten wollen, aber es nicht vermocht. Denn die Erde nahm seinen Leib nicht an, sondern es geschah eine Stimme eines Wortes zu ihm : "Nicht kann ich den Leib jemandes empfangen vor dem Leibe des Erstgeschaffenen, der aus mir geschaffen wurde." Und ein Engel brachle den Leib des Abcl und legte ihn auf einen Stein , bis sie den Leib des Adam begraben hatten. Da befahl Gau den Engeln seinen Leib wegzuneh­men und ihn in die Gegend des Gartens zu bringen, an den Ort. von dem Gott den Staub genommen und den Adam gebildet haue. Und er gab den Befehl , die Erde zu öffnen und s ie zusammen zu begraben. Und der Herr gab den sieben heiligen Erlengeln den Befehl , hinzugehen und aus ihrem Reich vielfäl tige Wohlgerüche zu holen. Und die ErLCngel gingen hin und holten, wie der Herr ihnen befohlen hatte, und brachten die Wohlgerüche an den Ort, wo der Herr befohlen haue, ihren Leib niederzulegen. Und nun nahmen sie die Leiber der beiden und brachten sie an den On, wo sie ein Grab ausgeworfen hatten und sie bedeckten sie mit Erde." (Leben des Adam und der Eva 40)304

Die gleiche Tradition liegt auch dem georgischen "Leben Adams und Evas"

zugrunde: "Et apr~ ccla, Dieu donna un ordre ~ Michel et (celui-ci) ramcna (Adam) au paradis, qui est dans le trois ierne ciel. Us saisiren t trois suaires de toile (1) pli~s, et Dieu dit a Michel et a Gabriel: « Dt ployez ces suaires CI

enveloppez le corps d ' Adam e t prenez de I' onguent de I' arbre d 'oli ve et versez en sur lui». Et trois anges l'(en) reveti rent ct quand ils (en) eurent

)01 Übers. nach PREUSCHEN 1900. 183f.

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Er/..ählerische Ausschmückungen zum Tod Abels

revetu le corps d ' Adam, Dieu leur dit: « Prenez aussi le corps d ' Abel ,

saisissez d ' autres suaires e l revelez l'en, lui aussi, car il esl reste gisant a nu depuis le jour ou le m&:hant Cai"n I'avait tue». Or, il avait voulu

I' ensevelir dans la te lTe et il ne I'avait pu, paree que son corps ressortait

de la terre. Car une voix s'etail faitentendre depuis le e ie l e llui avait dit : « li ne pourra pas etre enfoui dans la lerre, a moins que celui qui a e te

e ree lout d 'abord nc reloume a la telTe dont il a e le cree». A10rs ill ' avail

transporte s ur un roe c l il y etait reste elendu jusqu'a la mort d ' Adam.

Ains i les anges le prirent elle revetirent comme son pere. Dieu ordonna

de les transporter tous les de ux en direction 11 du paradis, du cöte de

l' orient, dans le lieu ou Dieu avait pris de la te lTe c t avai1 cree Adam. El Dieu ordonna a Michel de creuser. El Dieu envoya sept anges au parad is:

ils ramasserent beaucoup d ' aroma1es du paradis e t ils les apporttrcnt pros

d ' eux . Puis ils envelopperent les deux corps, les deposerent au lombeau

e l les recouvrirent (de terre)." (Le livre d ' Adam georgien XLVIII 40)3S

19

Weithin identisch mil dem Tex t der ApkMos lautet die Passage in der armenischen

Schrift "Thc Penilcnce of Adam", obglcich diese ansonsten gegenüber der armeni­

schen Übersetzung des griechischen Textt".s e in eigenständ iges Werk darstellt:

"After this, God spoke to Michael and said, "Go 10 the Garden of the lhird heaven and bring me threc linen c1oths". When he had brought them, G od

said LO Michael and LO Orel and to Gabriel , "Bring these linen c loths and

cover Adam 's body, and bring sweet oil ". They brought them and sel

the rn aro und hirn and wound hirn in thai garmenl. When lhey had finished

everything, God ordered the rn 10 bring Abel's body. They brought still <other> linen c10ths and dressed hirn . For he had remained from <thai>

day upon which Cain the lawless one had killed hirn and had wished to hide hirn , and had been unable. For, as soon as his body was in the dust,

a heavcnly vo ice came and said , NIL is nOl penniued to hide hirn <in> the

earth <before> the first c realure has re turned to the earth from which he came". Thenceforth , they look hirn into thal same cave where he was until

Adam died. Then, after !his. lhey broughl hirn and treated hirn jus l as tbey

bad trealed his fa ther Adam . Afte r the dress ing, God commanded that

both of the m be taken to the region of tbe Garden and bc brought to thc place from whic b!he dust had been taken and Adam crealcd. God causcd

lS Übers. nach M Alle: 1981, 259. Die russ. Übers. bei D'lANASvILi 1901 (31) ist an dieser Sielle k.napper; in dieser Form hat sie LÜDTKE 1919-20 (160) dt. wiedergegeben. Nach MAllE 198 1 (227) stellt die russ. Übers. DtANASVILIS eine ziemlich nachl äsSige und gekürzte Paraphrase des georg. Textes dar. Zur Weigerung der Erde in der georg. Literatur vgl. noch LDOll(E 1919-20, 156 (4).

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20 FrilhjUdische Überlieferungen um Abels Bestattung und ihre Nachwirkungen

them to dig in that place and sent them (0 bring sweel incenses and iris

incense and he caused them to put oils upon the dust and to cover the

spices. Then after this, they took the bodies of both of them and put them

in the place in which he had fashioned them. They exchanged and made a sepulchre over them. " (Tbe Penitence of Adam 48/40)(0

Auf sehr drastische Weise hat das äthiopische Adambuch die Weigerung der Erde

gegen eine Aufnahme von Abcls Körper weiterentwickelt:

"Kain aber fing an , seinen bruder in die erde zu verscharren , da ihn

plözlich zittern und furcht überkam, als er sah, wie die erde darob bebte. Und er warf seinen bruder in ein loch und bedeckte ihn mit staub, aber die

erde wollte ihn nicht aufnehmen, sondern sprudelte (schaffte) ihn wieder

herauf. Kain grub nun wieder ein loch und bedeckte seinen bruder mit

erde, aber die erde sprudelte ihn wieder herauf: und ebenso sprudelte die

erde den le ichnam Abels zum drittenmal herauf. Zum erstenmal sprudelte

ihn die erde herauf aus le id darüber, weil er nicht das erste geschöpf war; und das zweitem al sprudelte sie ihn herauf und nahm ihn nicht auf, weil

er gcrecht und gut und umsonst getödtet war; und das drittcmal sprudelte

sie ihn herauf und nahm ihllllicht auf, weil vor seinem brudcr kein zeuge

gegen ihn übrig war. Und so spottete sic scin bis das wort des Herrn zu Kain kam." (äthiopisches Adambuch)H

In einer Reimfassung des deutschen Adambuches aus dem 15. Jh . klin gt die ge­

meinsame Bestattung Adams und Abels noch ganz verhalten nach, wenn Gott zum

Er a ngel Michael spricht: "nu var hin vnd pring vii sneU deiner genou,cn vii an die statl vnd aueh

von pfeil drei seiden watl die prait vber AdamenJ vnd vber all seinen samenI ... ,,}8

Daß es Engel waren, die Abel auf Gottes Geheiß hin bestatteten, weiß dann

immerhin auch noch Hans Sachs zu bcrichten.J9

l6 Übers. nach STONE 1981. 19r. Nach Stone ist die Schrift ein armen. Adamtext. der sich von der schon bekannten armen . Version der gricch. Apokalypse des Mosc unterscheidet. Die gleich­wohl engen Beziehungen sind u.a. dw-ch die Angabe der entsprechenden Kapitel der VitAd und der ApkMos verdeutlicht .

» DIU,MANN 1853. 72f; vgl. dazu MALAN 1882, 101. Über die Vermittlung der ·· Historia Scholastica" des Peuus Comestor (11 72n3) ist das Moliv. daß die Erde den Körper immer wieder zUrilckgibt. bis in die al tenglische Literatur gelangt - vgl. EMERSON 1906. 855f und D ORRSOIMIDT

1919.92. )a Text bei VOI.I .. MER 1908, 35 (Anm. a). l'I ln der Comedia '"Die ungeleichen kinder Eve, wie sie Gott, der Herr, anredt" von 1553 heißt

es: "Der Herr spricht: lrengel . geht! begraben thull Den Abcl und bringt her den Set,! Auffdas er

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ErLählerischc Ausschmückungen zum Tod Abels 2 1

Die Zeitspanne zwische n Abel s Tod und seiner gemeinsame n Bestattung mit

Adam wird in der ApkMos und den ihr verwandten Te xte n mit der Erwähnung

jenes Steines überbrückt, auf den die Engel Abels Körper betteten. Daß es sich bei

diesem Ste in um das Mordwe rkzeug Kains handeln saUte, läßt sic h weder belegen

noch recht vorste lle n.40 Eher könnte de r Stein den Bode n e iner Felshöhle assozi­

ieren. wie sie die syrische "Schatzhöhle" als nahe dem Paradies gelegenes Sanktu­

arium und gleichzeitige Begräbniss tätte der verstorbenen frommen Sethiten be­

sc hreibt. H ier ruhte zuerst Adams Körper, bevor er in der Arche ge rettet und

schließlic h nach de r Flut von Sem und Melchisedek am Mittelpunkt der Erde be­graben wird.4L W as man in der syrische n "Schatzhöhle" erwartet, findet sich im

äthi opisc he n Adambuc h dann ausgesprochen:

" Und sein IAbelsl körper wegen seiner reinheit roch balsamähnlich; und

Adam trug ihn, während ihm die thränen über die wangen rollten, zu der

schazhöhle und legte ihn in derselben nieder, und bestatte te ihn mit

bals am und myrrhe n." (äthiopisches Adambuch)42

In der armenische n "Pe nitence of Adam" hat sich dies offe nbar in der We ndung

"they took hirn into that same cave" niedergeschlagen (s. oben). Auc h eine Passage

von mir werd bcsletl Für Abel, den sie habn verlorn!! Sct soll nun sein der ersl-geborn ." (K.EJ...LER 1870. 85 ; das Ganze 53-87).

00 So FuOIS 1900, 527g. Der Stein als Mordwerkzeug wird des öfleren genannt - so in Jub 4,31 (gefolgt von Gcorg. Ccdrenus und Georg. Monachos); in der syr. "Schatzhöhle" (BEZOlD 1883. 8); im davon abhängigen syr. "Buch der Biene" (B UDGE 1886, 26) und im lith. Adambuch (DILLMANN 1853, 72 ; MALAN 1882. 101 ) - dem folgt auch die syr. exegetische Tradition (U "VINE 1976, 72); in den armen. (PREUSCIIEN 1900. 197 und 204) und georg. (LODTKE 1920. 156 und 159) Adamschrißcn ; in griech. (KRAsNosa'Q."v 1891b, 454; 1898. 133) und slav. (NArnTIGAU.. 1901 . 64) Frage- und AntwonbUchem; dazu in der allruss. "Nestorchronik" ("fRAUTMANN 1931 , 62) sowie in der 'T olkovaja Paleja" (PoRFtR'1!1I 1877, 100 und P ALEJA TalKOll AJA 1892196, 95 ) und bei Ps-Melhocli os (T1CUONRAIIOII 1863 11, 248). In der jüdischen Haggada gibt es eine breite Diskussion um die Mordwaffe und eine umfangreiche Palette von Vorschlägen (Stein, Rohr, Stab, Eisen, Sichel. Knüppel, Kinnbacken. Biß, Wilrgen), wobei der Schl ag bzw. Schnitt mit ei nem Stein favorisiert werden - vgl. APTo wlrlER 1922,44-52; weitere Belege aus der patristischen und mal . Literatur bei ERI'FA 1989, 1370-372.

01 Vgl. BI!1..oIJ) 1883, 21 -29. Abcl wird bei den wiederholten Beschreibungen an keiner Stelle erwähnt.

02 DII.J..MA. .... N 1853, 74; vgt. dazu MALA.N 1882, 104. Wenig spll ter heißt es. daß sie don ein Licht ansteckten, ..... dass es bei tag und bei nacht leuchte vor dem leichnam Abcls." (75). Die ÜberfUhrung von Adams Leichnam in der Arche und seine Bestallung am Erdmiltelpunkt wird dann ganz parallel zur syr. "Schatzhöhle" erlählt; nach der Rut stellt sich der Engel des Herrn dem Kainan vor als der, ..... der die sech~ Abcls des gerechten aufgenommen hat ... " (BEZOU) 1883. I I I ).

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22 Frühjüdische Überlieferungen um Abels Bestattung und ihre Nachwirkungen

der griechischen "Palaea historica" (8.19. Jh .) berichtet von der Aufbewahrung (und dem Verfall) Abels in einer Höhle:

"Adam aber, da er den Abcl ennordet sah und [noch] nicht wußte, welcher Art die Erscheinung des Todes sei, saß drei Tage neben dem Körper Abcls , bis der Engel des Herrn zu ihm kam und sprach: "Was sitzt du neben einem toten Körper? Denn lautlos und un beweglich wird Abel von heute an sein, Denn dies ist der Fluch, den du gehört hast: Erde bist du, und in die Erde wirst du hingehen." Als Adam dies von dem Engel hörte,

bcgann er heftig zu weinen. Da er aber einen Fels in Gestalt einer Höhle fand, legte er den Körper Abels unten hin und, indem er täglich kam, betrachtete er den Körper Abels, und wie er ihn nach kurzer Zeit verwesen sah , erhob er noch größere KJ age, daß er [nun] den bitteren Kelch des Todes trinken sollte," (palaea historicat3

In der kirchenslavischen Übersetzung44 kehrt dieser Passus dann sehr getreu wieder:

"Adam sass über dem Leichnam Abels drei Tage, ohne zu wissen, was er anfangen sollte. Da kam der Engel des Herrn, sagte Adam, dass Abel von nun an todt und lautlos sei, und dass sich an ihm das Verdammungsurtheil voll ziehe: 'Erde bist du und in Erde wirst du gehen.' Adam fin g darüber zu weinen an, fand eine Steinhöhle. legte dort den Leichnam nieder und kam täglich um zuzusehen, wie der Körper sich allmählich zersetzte, worüber er Wehklagen erhob." (paleja istoriceskaja)4~

Der Gedanke einer Weigerun g der Erde gegen die Bestattung Abcls spielt hier keine Rolle. Die grundsätzlichen Belehrungen Adams durch den Engel gelten allein dem bis dahin noch unbekannten Phänomen des Todes selbst (unter Verweis auf Gen 3,19). Daß die Höhle als Aufbewahrungsort dabei eine ältere Über· lieferung aufnimmt, liegt nahe. Nüchterner und konkreter wird diese Passage in der gckürtten Fassung russischer Redaktion der "Paleja istoriceskaja" wie· dergegebcn:

"Als aber der Schöpfer aller (Dingcl, der Erschaffer von Himmel und Erde, Gott der Herr, dem maßlosen Kummer unseres Vorvaters Adam und unserer Vormutter Eva sah, sandte er se inen Engel zu Adam, der sprach: 'Warum bekümmerst du dich über den Tod deines Sohnes Abcl? Von der Erde ist er genommen, und zur Erde, seiner Mutter, kehrt e r zurück,

4 ) Griech. Text bei V ASIL'EV 1893, 195; vgl . dazu auch FLUSSER 197 1 und TURDEANU 198 I . ~ Der Text liegt vor bei PoRFIR'EV 1877, 207 nach der Paleja Nr. 866 der Bibliothek des

Solovcdij Klosters sowie bei PoPOv 1881 , 12 . • , Übers. nach JAGle 1893 (52), der die Paleja bei PoRFIR 'IN 1877 (207) 'Zugrunde liegt.

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Er.lählerische Ausschmückungen zum Tod Abels

wohin alle eingehen [müssen], die von dir kommen werden. Und bei der zweiten Ankunft werden s ie wiederum aus der Erde aufers tehen.' Den Abcl aber befahl er, zu begraben." (Paleja istoriceskaja, gekürzte Fas­sung)46

23

- Auch hier kJän der Engel Gottes den trauernden Adam über das Phänomen des Todes auf, we is t ihn aber zugleich noch auf dessen menschheits- und weltge­schichtliche Dimension hin. Ganz lapidar erfolgt dann - anders als in der längeren Fassung - der Befehl zur Bestattung. Es wäre denkbar, daß dies bereits unter dem Einfluß jener anderen Überlieferung geschieht, die das Bestattungsverfahren durch zwei von G ott gesandte Botenvögel dem Adam exemplarisch übermitteln läßt (s.

unten). Interesse verdient auch ein weiterer Zug, der gelegentlich mit der Tradition der

gemeinsamen Bestattung Abels und seines Vaters Adam im Paradies verbunden is t. Die Szene - das erste Begräbnis in der Menschheitsgeschichte - wird hinsicht­lich der Anweisungen G ottes und der Verrichtungen der Engel so detailliert geschildert, daß sie bereits exemplarischen Charakter erhält,47 Einige Texte

schließen den Passus nun auch mit der direkten Aufforderung ab , künftig bei der Totenbes latlung in g!eicher Weise zu .... e rfahren. In der VitAd wenden sich die Erl.engel Michael und Uriel nach Adams Tod an Seth und seine Mutter Eva mit den Worten: "Wie ihr es gesehen, also begrabt eure Toten." Die ApkMos läßt diese Worte erst nach Evas Bestattung an den allein zurückgebliebenen Seth ergehen:

"Da kam der Erzengel Michael und belehrte Seth , wie er Eva beschicken sollc. Und es kamen drei Engel, nahmen ihren Leichnam und begruben ihn dort, wo de r Leichnam Adams und Abels war. Darnach sprach der Ert.cngel Michael zu Seth : Also beschicke alle Menschen, die da sterben , bis zum Tage der Auferstehung ! Nachdem er ihm dies Gesetz gegeben,

sprach er zu ihm : Uber sechs Tage fhinaus] sollt ihr nicht trauern , sondern am 7. Tage ruhe und freue dich seiner; denn an ihm freuen sich Gott und wir Engel mit der gerechten von der Erde abgeschiedenen Seele." (ApkMos 43)"

Alle weitercn Zeugnisse machen ebenfalls Seth nach dem Tode Evas zum all einigen Adressaten - so etwa die armenische "Penitence of Adam":

' 6 Slav. Text bei PoPOV 1881. Anhang 6; diese Fassung folgt der Hs. Nt . 1448 der Novgoroder Sophienbibl iothck ( 16. Jh.).

47 Auch die syr. "Schatzhöhle". die eine Bestallung Abels übergeht, läßt Adam (den "ersten Gestorbenen") noch auf dem Stcrbelager selbst genaue Anweisungen zu seiner Bestattung geben .

.. Übers. nach FuOIS 1900.528. Vi lAd 51 Hißt nach Evas Bestattung ganz analog noch einmal den Enengel M ichael auftreten, der nun auch die Anweisung zur zeitlichen Begrenzung der Trauer nachholt.

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24 Frilhjüdische Überlieferungen um Abels Bcstallu ng und ihre Nachwirkungen

"After this, Michael spoke to Selh and said , "Thus shaU you dress every human being who dies, until lhe day of Lhc end , lhrough lhe resurrcc­lion"." (penitence of Adam 48143t9

Ganz ähnlich formuliert das georgische "Leben Adams und Evas": "Apres quoi, l' ange Michel lui disait: « Revctcz dc ceUe sorte tout mort qui mourra, jusqu '~ la mort de tous les hommes» ." (Le livre d' Adam georgien)so

Der ApkMos am nächsten steht die Aufforderung an Seth in der kirchenslavischen Fassung des Adambuchcs:

"Und der Er.l..engel Michael kam zum Selh und belehrte ihn, wie er seine Mutter bestatten wird. Und drei Engel kamen, nahmen den Leichnam Eva's und begruben ihn, wo auch der Leichnam Adams und ihres Sohnes Abel begraben war. Und der Erzengel sprach zu SeLh: So sollst du jeden sterbenden Menschen begraben bis zum Tage der Auferstehung. AbermaJs sprach er zu ihm : Veranstaltet Erinnerungsfeier am dritten Tag und am neunten und am zwanzigsten und am vierzigstcn, und alles ordnungs­gemäss, damit wir Engel mit den Seelen der Gerechten eine Freude daran haben." (kirchenslavischcs Adambuch 49-50)j'

Die ätiologische Tcndenz der ursprünglichen Überlieferung wird mit der konkreten Aufforderung an SeLh zu einer Ätiologie der Bes tattung sowie dcr TrauerlCi t ausgebaut und schließlich zu r Legitimation des in der bY7..antinischen und slavi­sehen Orthodoxic üblichen Brauches des Totengedächtnisses genutzt.

Zugleich gab es jedoch Traditionen, in denen das Problem einer Bestattung Abcls vor Adam offenbar nicht empfunden oder auf andere Weisc gclöst wurde. Joscphus etwa bemerkt knapp:

"Kars aber crgrimmtc über diese BevorLugung scines Bruders. tötete Abcl und verbarg seinen Leichnam in dem Wahne, die That werde so geheim bleiben." (Jos Ant J 2,1)~2

In Ephracms Erklärung der Genesis findet sich folgender Gedanke: " ... denn daß Abcl zwischen aufgewachsener Saat erschlagen wurde, wo der Leichnam durch Aufhäufung von Erde leicht konnte begraben werden,

•• Übers. nach 5TONE 1981. 21. j(I Übers. nach MAHn 1981 . 260. 51 Übers. nach JAGtC 1893. 40. 51 Übers. nach nEMENTl 1990. 22. Die Bcstattung durch Kain ist damit allerdings merkwürdi g

unklar ausgesprochen · im gricch. Text heißt es: "Ka\ 'tov VEKpOV o:VtoU 1Wltlao:t.; ci+aviVsci nen Leichnam machte er unsichtbar".

Page 23: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

Ertähleri schc Ausschmückungen zum Tod Abels

scheint die Schrift anzudeuten durch folgende Worte : 'und als sie auf dem Felde waren ... '. " (Comm. in Gen. 3,5)Sl

25

Ähnlich fonnuliert Procopius von Gaza in seinem Kommentar zur Genes is (5.16. Jh .):

"Jemand mag wohl sagen , daß s ie (die Schrift] deshal b das Blut erwähnt,

weil er [Kain] den Körper verbarg. Das Vergießen (des Blutes] aber erwähnt sie und wie die Erde ihren Mund auftat um das Blut aufzuneh­

men. Und sie (erwähnt) ständig den Bruder, um die Tat hervonuhebcn

[wörtl. großzumachenl und den HartherLigen zu verurte ilen." (Cornm. in

Gen. 4)" Dem enlSpricht auch eine in PRE 2 1 (8J9. Jh.) enthaltene Tradition:

"Rabbi Jochanan said : Cain did not know that the secrets are reveaJed

bcfore the Holy One, blessed be He. He took the corpse of his brother

Abcl and hid it in the field ." (PRE 21)" In gleicher Weise erzähh der "Scfer ha-Jaschar" (11./12. Jh .):

"26) And after this Cain repented having slain his brother, and he was sadly grieved, and he wept over hirn and it vexed him cxccedingly. 27)

And Cain rose up and dug a hole in the fjeld , whcrcin he put his brother's body, and he tumed the dust over it." (Sefer ha-Jaschar I ,26-27)~

Schl ießlich enthält auch d ie mittelalterliche Frage- und AntwortJiteratur vom Typ

der sogen. "Joea monachorum" den Topos, daß Kain seinen Bruder Abc1 begraben

habe. Ei ne dcuL~che Fassun g vom Jahre 1475 schreibt:

"5) Ber mailigt sein anen, dy noch ein maid was'! - Kaym dy erd . 6) Wie

s lug er in, wan er het waffens nil ? - Mit den zcnden pais er in und grub in in dy erden zwelff fues teuff. " (Joca monachorum)l7

Eine lateinische Fass ung aus dem 15. Jh. zieht heide Fragen zusammen:

' 1 Übers. nach BKV 27/1842, 154 ; vgJ. auch APTOWITZER 1922, Anm. 224. S. 156. 501 Gricch. Text bei MIGNE PG 87, 242. )) Übers. nach FlUEDL.ANDBR 1916, 155; dl. bei RAPPAPORT 1930.6 und ROGER 1981, 43. R.

Jochanan gilt als Garant ältester Überlieferungen: das "Lchrhaus" in Jabne soll auf seine Gründung zurückgehen (vgl. dazu STRAcKlSlEMßERGER 1982. 75). Diese Tradi tion steht unausgeglichen neben jener anderen in PRE 21. nach der es Adam und Eva waren . die Abel nachdem Beispiel der Raben bestatteten.

,c; Übers. nach NOAH 1972 .3. ROGER 1981 (43) Obcrseru: .' ... und Ober diesem kehrte der Staub (an seine ursprüngliche Stelle) zurück,'· Der "Sefer ha-Jaschar" en..!thlt die aU. ~hichte von Adam bis zum Exodus nach, wobei er sich biblischer, jüdischer und auch nichtjUdischer Tra.ditio­nen bedient (vgl. dazu STRACK! STI:.MBERGER 1982, 3(0). Die Erwähnung der Reue Kains erinnert hier an die islam. Fassung der Geschichte (s. unten 3.2.).

J1 Text bei SUCIl!ER 1955. 128. Zur Verbindung dieser Frage mi t der Vorstellung von der Erde als reiner Jungfrau s. oben .

Page 24: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

26 Friihjüdische Überlieferungen um Abels Bestauung und ihre Nachwirkungen

"4) Qui a[viam] suam virginem violavit? ~ R. Cain occidit fratrern suum Abel, qui in terra positus est; ipse eam violavit." (Joca monachorum)s,

Auch die meisten kirchenslavischen Texte des Adambuches gehen hinsichtlich der Bestattung Abels eigene Wege. Zwar kommen Adam und Eva zum Tatort und finden dort den toten Abel - es ist jedoch weder von einer Bestattung noch von deren Aufschub die Rede. Die Schilderung von Adams Bestattung im Paradies läßt Abel unerwähnt. Erst bei der Bestattung Evas heißt es, daß Engel sie da begruben. " ... wo auch der Leichnam Adams und ihres Sohnes Abel begraben war. "S9 Eine der längeren Hss. spielt noch direkter auf die gemeinsame Bestattung im Paradies an - der Beschreibung von Adams Begräbnis sind hier die Worte Christi an den Erzengel Michael hinzugefügt: "Ebenso setze auch den Leichnam Abels neben ihm bei."6O Doch diese Bemerkungen erwecken eher den Eindruck. spätere Eintragung zu sein . Die kürzere und ebenfalls überarbeitete Redaktion des Textes läßt Adam allein auf einem Esel zum Schauplatz des Mordes reiten. wo er selbst Abcl bestattct.61 Nach einer anderen Lesart bringt er ihn an den Ort "EreonlReon" (vermutlich Hebron) und bestattet ihn da.62 Schon im samaritanischen "Asatir"

~ Text bei $UCHIER 1955, 130. YI S. oben - in dieser Randbemerkung klingt die Bekanntschaft mit der Trad iti on einer

gemeinsamen Bestauung der ersten beiden Toten immerhin an . Kl arer ausgesprochen wird sie in einer Reihe von Fragen und Antworten, die sich in der gleichen Hs. wie der Hauptzcuge des kirchcnslav. Adambuches bei JAGte 1893 (Nr. 794 des Moskauer Sergius KJosters, 16. Jh.) finden: "Frage: Wicvic1e Jahre lag Abels Körper unbegraben? Antwort: Es si nd 9 Jahre, bis Adam starb. Da wurde auch Abel im Gerusia-See begraben. aber Eva in Eden ." (kirchenslav . Text bei JAGte 1893, 98). Nach dem kirchenslav. Adambuch (45-46, JAGte 1893. 38f) wird Adam vor seiner Bestallung im Paradics drei mal im Gerusia-See gewaschen; die kümre Fassung macht "den On. welcher Gerusia-See genannt wird" zu dem On, an dem die Engel das Grab ausheben. Die gleiche Frage findet sich auch im Überlieferungszusammenhang des "Gesprä.chs dreier Heiliger" (so unten 87) wieder, wobei die Antwort abweicht: "Antwort: 930 Jahre, bis Adam, sein Vater, begraben wurde." bzw. "Antwort: Neunhundert Jahre, bis Adam starb, da wurde auch Abel bei Adam und Eva in Eden begraben ." (NAOffiGAU.. 1902,334 nach 2 Hss. des 18. und 16. Ihs.).

60 Der Text findet sich kirchenslav. und laI. bei JAGte ) 893 , 98. Zwei Varianten lesen stau Abcl noch ei nmal Adam bzw. Abraham - bcides ergibt im Kontext keinen Sin n, macht jedoch die Unsicherheit der Telltübcrlicferung gerade an dieser Stelle deutlich.

61 Vgl . dazu JAGIC 1893, 6. 8. 20. 52 (JagiC bietet nicht den Text selbst. sondern referien ihn). 621n einem Zweig der rabbinischen Tradition sucht man das Grab Adams in Hebron, wobei der

Name "~,.. n.,," als "Stadt der 4 (Paare)" im Blick auf das Erbbegräbnis in der naregelegcnen Höhle Machpela (Gen 23) gedeutet wird (= AbrahamlSarah, JsaaJcJRebckka, JakoblLea. und nach der Legende Adam/Eva). Vgl. die Belege bei GRONßAUM 1893,77; GIN"LBERG 1899, 70; dazu auch LAGARDE 1966,84, 9-13. APTOWtTLER 1922 verweist auf eine weitere Tradition, nach welcher der Mord an Abel zwei Tagereisen von Hemon entfernt geschehen sein soll (44). Von einer Bcstattung Adams und Abe1s in Hcbron wissen auch die laI. "Joca Monachorum" (9. Jh.) - vgl. WÖLF1-1 .. IN-

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Erzä.hlcrischc Ausschmückungen zum Tod Abels 27

3,3-7 wird von Adams Bestattung in der Höhle von Machpela berichtet, ohne daß Abel allerding dabei Erwähnung fande.61 Es ist zumindest der Überlegung wert, ob nicht die spätere christliche Tradition von der "SchatzhöhJe" an eine solche Vorstellung angeknüpft haben könnte. Denn auch die haggadische Überlieferung hat noch an mehreren Stellen die Bestattung Adams in MachpeJa aufgegriffen und er7..äh1t, wie er selbst den Fels ausgehauen habe und wie sich dann mancherlei Wunder an diesen Bestattungsort heflCten.64 In der armenischen "Erz.ählung von den Söhnen Adams, Abel und Kain" kommt der Gedanke der Unverweslichkeit Abels und der gemeinsamen Bestattung mit Adam in einer ganz eigenständigen Weise zum Zuge:

"10) Als Adam und Eva die Ermordung Abels erfahren, weinen sie lange Zeit. Als man ihn begräbt, fährt sein Geist auf. Sein Leib aber bleibt unverweslich und ohne von den Würmern zerfressen zu werden auf Erden zurück. Er musste aber sterben wegen seiner Nachkommenschaft. Bis auf Abel war niemand gestorben, niemand zu Erde geworden und das Lebensblut war von niemand gewichen. Der Tod hatte niemand angerührt ausscr im Schlaf. 11 ) Als Adam starb, wurde er zu Abcl ins Grab gelegt." (Erzählung von den Söhnen Adams ... 10-11 )6S

Eine ähnlich interessante Variante, die noch einmal auf die Tätigkeit der Engel verweist. findet sich in der armenischen "Erzählung von der Busse des Adam und der Eva ... ":

"Und Adam ging hin. um Eva zu sagen, dass sie käme und sie zusammen den Abcl beweinten und sie ihn einscharrten und begrüben. Und als er Eva nahm und sie dorthin kamen, da fand er nicht den Leib des Abel; denn er war bereits von den Engeln Goues eingescharrt. Und die Erde

TROLL 1872, 116; ebenso die irische Dichtung "Sal tair na Rann" (10. Jh.) - vgl. SEYMOUR 1922. 124. Im dt. Adambuch heißI es: "vmb den hel Adam grosse klag in ainem laI pcy Ehron . ... " (VOLLMER 1908, 23 ). Eine Verwechslung mil dem "Gerusia-See" scheint im georg. "Leben Adams und Evas" vQrLuliegen, wonach Adam von den Cherubim 3 mal im Flusse "Chevron" (vennutlich: Hebron) gewaschen wird (D2ANASVILl 1901 , 30).

61 GASTER 1927.210-212 und 203 . Im beigefügten späteren Kommentar heißt es dann zum Schicksal Abcls lediglich: "!he earth eried out and would not reccive the blooo of Hebelto drink it until commanded byGod; ..... (189).

60 Vgl. oben Anm. 61; dazu BIN GoRIQN 11 913,161-164 und 356. Nach dem Midrasch Rulh ist es dabei Eva, um deretwillen Adam die Höhle aushaut. da er die Nähe des Gartens und dcssen lieblichen Geruch verspUrt - auch dies erinnert auffällig an die Lokalisierung der "Schatzhöhlc" nahe bei dem Parad ies.

M Übers. nach PREUSCHEN 1900, 198. Auch die irische Dichtung "Saltair na Rann " (10. Jh.), die sich hinsichtlich Abels Bestattung sonst eng an die ApkMos anSChließt, läßt Adanl "bcside Abel's scpulchre" in Hebron begraben werden - vgl. SEn.1OUR 1922, 124.

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28 Frühjüdische Überlieferungen um Abels Bestattung und ihre Nachwirkungen

hatte sein Blut verschlungen, dass es sich gar nicht mehr zeigte." (ErL.äh­lung von der Busse des Adam und der Eva ... 4)66

Das äthHen 22,5-7 hatte von dem Geist Abels gesprochen, der sich in der Scheol befinde und von da aus Klage gegen Kain und dessen Geschlecht führe. Als Erschlagener gehört er in der Unterwelt weder zu den Gerechten noch zu den Sündern und vermag solange keine Ruhe zu finden , bis der Mord gerächt ist.67

Die spätere Haggada hat dann auf ihre Weise über die Unbehausthei t Abcls reOektiert, indem sie seine ruhelose Seele thematisierte. In GenR 22,8 heißt es:

"Nach oben konnte sie (die Seele) nicht steigen, da noch keine Sccle hinaufgestiegen ist, nach unten konnte sie nicht hinab, da noch kein Mensch dort begraben wurde, (deshalb) lag sein Blut auf Hölzern und Steinen ... 68

C. Albeck hat an dieser Stelle einen Nachklang jener Überlieferung aus ApkMos 40 vernommen, nach der Abel eben nicht vor Adam bestattet werden konnte, was vor allem aufgrund der Doppelbedeutung von C," als "Mensch" und als Eigenname des Erstcrschaffenen naheliege. Doch auch die Seele Abels kann vor der Seele Adams keinen Ruheplatz bei Gott finden; das Blut Abels, in dem nach Lev 17, 11 die Seele ist, bleibt gleich dem unbestaueten Leichnam auf der Erdoberfläche verspritzt und haftet an Hölzern und Steinen. Damit aber stünde im Midrasch GenR die alte frühjüdische Tradition in unmittelbarer Nachbarschaft zu der jüngeren haggadischen, nach der nun die Vögel des Himmels und die reinen Ticre den Abel bestaLleten (s. unten).

2.2.2. Das Motiv der Trauer der Voreltern

Als zweites wichtiges Motiv erscheint das der Trauer über den tOlen Abel. Es erwächst aus der Konfrontation der Eltern mit dem Leichnam ihres Sohnes. Die Tiersymbolapokalypsc des äthHen erwähnt zunächst nur ganz allgemein die Trauer Evas:

"6) Aber jene Kuh. jene erste. entfernte sich aus der Gegenwart jenes ersten Bullen, um jenen roten Bullen zu suchen, aber sie fand ihn nicht; und sie stimmte seinetwegen ein großes KJagegeschrei an und suchte ihn

66 Übers. nach PREUSCHEN 1900.204. 61 VgJ. diese Deutung bei WACKER 1982, 184-188. 61 Übers. nach AI.BECK 1939. 165 (insgesamt: 2. Die ruhelose Seele Abels. 165· 166): vgl. auch

GINZBERG 1909. I 110 und 1925, V 140.

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Erzähleri sche Ausschmückungen zum Tod Abels 29

(weiter). 7) Und ich sah, bis daß jener erste Bulle zu ihr kam und sie beru­higte, und von dieser Zeit an schrie sie nicht (mehr)." (äthHen 85 ,6-7)tß

Jub erl..ählt von der Trauer beider Eltern, die dabei auch zeitlich bestimmt wird: "Und Adam und seine Frau trauerten wegen Abcl vicr Jahrwochen. Und im vierten Jahr der fünften Jahrwoche wurden sie fröhlich." (Jub 4,7)10

Dabei resultiert die zeitliche Bestimmung der Trauer aus dem chronologischen System der Jub, das nach der Zahl 7 konstruiert iSt.

71 Eine andere Zeitangabe findet sich etwa in der syrischen " Sc hatzhöhle~:

~Und Adam und Heva trauerten um Habel hundert Jahre lang." (Schatz­höhle)n

Offenbar ergeben sich diese 100 Jahre aus der Differenz zwischen MT und LXX hinsichtlich der Altersangabe Adams bci der Geburt des Seth.n In der anneni ­sehen "Er71ihlung von der Busse des Adam und der Eva ... " sind es 120 Jahre.14

Es scheint, daß sich mit der Zahl 120 die Vorstellung einer feststehenden Bußzeit verband. 75 Die Überlieferung der "Palaea historica" spricht sowohl in ihrer griechischen Form als auch in der kirchens1avischen Übersetzung (s. oben) von 3 Tagen. Daß hierfür der in der Ostkirche geübte Brauch des Totengedächtnisses im Hintergrund steht, wird aus dem oben zitierten Passus des kirchenslavischen Adambuches deutJich.16 Ganz allgemein von Trauer sprechen die ApkMos 3,3;

&9 Übers. nach UIILlG 1984,679. 10 Übers. nach BERGER 1981 .340. Diese Passage findct sich auch in der Chronik des Georgios

Synccllos: "Und die Erstellern belIauerien ihn 4 Jahrwochen , nämlich 28 Jahrc. Im 127. Jahre legten Adam und Eva ihre Trauer ab," (zitiert nach BERGER 1981 . z,SI.).

11 Vgl. dazu Koc1l 1978. 7l BElAD 1883. 8. Die gleiehe Zeitspanne findet sich im syr. "Buch der Biene" (13. Jh.)

(BUDGE 1886. 27). Auch die Offenbarungen des Ps·Methodios. die v~mutlich in Syrien entstanden. nennen 100 Jahre (vgl. den gricch. Text bei IS11llN 1897 11 , 6). In einer gricch. Hs. des 16. Jhs. wird die Frage "Wie viele Jahre weinte Adam um seinen Sohn , den Abel ?" ebenfalls mit p :: 100 beantwortet (grieeh. Text bei KRASNOSEL'CEV 1899. 138). Auch im dt. Adambueh klagt Adam 100 Jahre um Abcl (VOLLMm~ 1908. 23).

n Vgl. dazu KLUN 1978. 155. Im äth. Adarnbueh sind daraus 100 Tage geworden (Dil.LMANN 1853. 74; MALAN 1882. 104: 140Tagc).

10 Vgl. PREUSCHEN 1900.204. n Die Haggada deutet die 120 Jahre in Gen 6.3 als Bußfrist - eine Tradition. die aueh von

Ephraem und Hieronymus aufgenommen wurde (vgl . AYT'OWlTI..ER 1922. 92 und 174l). 16 Nach jüdischem Brauch dauerte die Trauer mindestens 7 Tage (vgl. Gen 50,10: Sir 22.19) ­

ApkMos 43 und VitAd 51 legen die Anordnung cinerTrauerwoche naeh Evas Tod dem Erl.Cngel Michael in den Mund, worin ihm das dl. Adarnbuch folgt (VOLLMER 1908. 37) und worauf sich wohl auch der jidd. Ausdruck "Schiwe sitzen " (tOll = sieben) rur die siebentägige Trauerwoche bezieht (vg1. aueh KOEP 1954, 194-2(0) - oder 30 Tage (vgl. JOSEPlt 1922. 1 f1l7 -1031). Die Rede von ein oder i'.wei Trauertagen in Sir 38.nf will zum Maßhalten raten und kann nicht als Regel

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30 Frilhjüdische Überlieferungen um Abels Bestattung und ihre Nachwirkungen

die armenische "Penilence of Adam " 23/3 oder das armenische "Leben des Adam

und der Eva" 3. Auf ähnliche Weise ist die Trauer Adams und Evas da zum Ausdruck gebracht, wa von einer bestimmten Zeit ihrer Trennung (also sexueller Askese) bis zur Zeugung des Seth berichtet wird . Dieser Gedanke klingt bereits in der syrischen "Schalzhöhle" an ,n begegnet dann abcr vor allem in der rabbini ­

schen Tradition: "Es sagle R. Sima n: 130 Jahre sonderte sich Adam von seinem Weibe Eva ab. Als Abcl gelötet wurde, da sprach Adam : Wozu soll ich Kinder zeugen, die zu Grunde gehen we rden ... " (Tanch B 26)78

Aus dem Motiv der Trauer scheint auch das Wortspiel um die Deutung von Abcls Namen hervorgegangen zu sein. Philo leitet in Migr 74 (anders als in Sacr 2 und

Det 32)79 den Namen "~n offenbar von "~M = Trauer oder "~n = schmerzen ab und kommt so zu der Deutung "das Sterbliche beklagen, das Unsterbliche glücklich preisen" .80 Bei Josephus ist d ie Bezeugung der Namensetymologie in Ant I 2,1 nicht eindeutig. Ein Teil der Hss. bietet hier: ..... A߀Ä.O~B€ 6 ÖEU'tEpo~, GTlJ.1UlWl

bE nEv9o~ TOm-O." Eine andere Lesart setzt an diese Stelle jedoch das dem hebräischen Wortsinn entsprechende "O"fUlalVEl öE cru9EV ToUTO ".81 Ähnlich erfolgt die De utung in griechischen und latein ischen Glossarien, die weithin "Abci" mit "Trauer" erkl ären, aber "Nichtigkeit/Rauch" und "Trauer" auch

verstanden werden; als Regel wird hingegen die 7tägige Trauer in Si r 22,19 angesprochen. Seit Tertullian ist die Si tte bekannt, außer dem Jahresgedächtnis auch den 3 .• 7. und 30. Tag zu begehen (so in dcn ConslAp VIII. 42 - vgl. dazu WAAL 1886. 884). Zur weileren Diskussion in dcr byl.. und kirchcnslav. kanoni stischcn Literatur vgl. JAGle 1893. 102.

77 Vgl. BEZOLD 1883. 8. Erst nach jenen lOO Jahren der Trauer erkennt Adam wieder seine Frau und sie gebiert den Seih . Das älh. Adambuch spricht ebenfal ls von 100 Tagen, fUgt aber hinzu, daß Adam sich der Eva erst nach 210 (ob Jahren oder Tagen - das bleibt offen) genähen habe. Auch im samar. Asatir 1.26 wird von einer 100jährigen Absonderung Adams berichtet; erSt danach kommt er erneut zu Eva und zeugt den Seth (GASlER 1927, 194-196).

71 Übers. nach APTQWITLER 1922,2. VgJ. auch GINZBERG 1909, 11 18 und 1925. V 148 (Anm. 46 - don weitere Belcge); ferner das armen. "Evangelium von Scth" (PREUSCHEN 1900. 198-202. 1981). in dem Adam ähnlich argumentiert. Zugleich finde t sich jedoch auch eine Tradition. dic Adams Enthal tsamkeit mit seiner Buße CUr den Sündenfal l nach der Vertreibung aus dem Paradies begründet.

1'J Vgl. o. Anm. 8. 10 Übers. und Hinweis nach COHNIHEINEMANN 511962, 172; vgl . dazu auch STE!N 1931 , 1()..12. '1 VgJ. den Apparat der Ausgabe von NIESE 1955, 'l.st.; die Bezcugung beider Lesanen scheint

relativ ausgewogen zu sein , so daß ei ne klare Entscheidung schwierig ist. Vgl. dazu ausrllhrlich RAPPAPORT 1930, XXXIII.

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Erzählerische Ausschmückungen zum Tod Abels 3 1

nebeneinanderzustellen vermögen.a2 In den "Kerygmata Petrou" (Anf. 3. Jh .) wird die Gabe des prophetischen Vorherwissens bei Adam mit dem Verweis auf die Namensnennung seiner Söhne belegt:

" I ) Der Unter-de n-Menschensöhnen besitzt eine e igene, der Seele angeborene Prophetie und kündet als männliches Wesen mit deutlichen Worten d ie Hoffnungen der zukünftigen Welt. Daher benannte er seinen Sohn mit dem Namen Abel , was ohne jeden Doppelsinn mit 'Traue r' übersetzt wird . 2) Denn seine Söhne weist er an , über die getäuschten Brüder zu trauern . Er verspricht ihnen ohne Falsch Trost in der zukünfti­gen WeIl." (H m 26, 1-2)"

Diese Tradition lebt in den Ps-Clementinen (3. Jh .) fort und fügt sich in den Kontext einer Disputation des Petrus mit Simon Magus ein:

"Petrus: Wie konnte Adam, wenn er nicht in die Zukunft zu sehen vermochte, seinen Söhnen be i ihrer Geburt Namen nach ihren zukünftigen Taten beilegen? Denn seinen ersten Sohn nannte er Kain , das bedeutet Eifersucht ; aus Eifersucht erschlug dieser nämlich seinen Bruder Abel, dessen Name Trauer bedeutet, trauerten doch um ihn , den ersten Ermorde­ten, seine Eltern ." (H 1II 42 ,7)&4

Über die VeTn1iulung der griechischen "Palaea hislorica" (8.19. Jh.) gelangte di ese etymologische De utung des Namens Abel schließlich in die kirchenslavische Literalur. 8S In dem armenischen "Tod Adams" heißt es knapp:

"Und darnach gebar sie den Abcl , das ist übersetzt "Trauer", und eine Tochtcr namens Ema. Und danach gcbar sie den Seth , das ist übersetzt "Tröster" wegen des Todes Abels ... " (Tod Adams 1)86

n Vgl. L AGARDE 1966,2,18: "Abelluctus siue uanitas aut uapor uel miscrabili s.""; 31,15: "" Abcl luctus ud conmittens."; 60.17; "Abcl luctus aut uapor siue uanitas." ; 77.26: ""Abcl Juctus. "; 177,67: .,.. AJkA cx-qJ.lt; ~ 1tt.v9o<; ~ dvo:~tpc.ov ~ exOt vtO'~.""; 185.87 : .~ Aflll .n aT~lC; ~ Uv9O<j." Ebenso deutet ein gricch. Frage- und Antwortbuch (16. Jh.): "'Ep. ~AJkl. Tl EpJl1'lWUE::'(al ; 'An: . n i \'9oC;." (M otULSKIJ 1900,245).

I) Übers. nach HENNECKElSCIINEEMELCIIER 1964. 11 72 . Eine Fülle von Belegen aus der rabbin. und patr. Literatur über die dem Adam ganz al lgemein zugeschriebenen prophetischen Fähigkeiten finden sich bci Ginzbcrg 1925, V 83.

~ Übers. nach HENNF.t.:KE/SOINEEMELCIIER 1964. 11 386. Im Gegensatz zu dieser Tradition steht eine Bemerkung in der georg. "Erzählung vom Auszug Adams und Evas aus dem Paradiese" : "Nach 8 Jahren und 2 Monaten ging Adam ein zu Eva. welche emp fing und gebar einen andern Sohn, den die himmlische M acht Abcl nannte." (vgl. LOoTKE 1919-20. 159). Auch hier ist die Namensnennung eine bewußte, liegt j edoch nicht in der Verantwortung Adams.

U ",. Alk)... Ö EpJlfl\'clt:Tal1tt.v9O<j ... " (V AS1L 'EV 1893. 192); " ... ase n b HMeaoy eTc ,,- , e lle Cl( a3aeTC ,,- nna~b/ der Abcl genannt wurde. was Weinen bedeuteI. " (PoPOv 1881.7).

16 Übers. nach PREUSO IEN 1900, 186; engl. Übers. bei STONE 1966. 2&4 .

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32 FrtihjOdische Überlieferungen um Abels Bestattung und ihre Nachwirkungen

Ähnlich wie der Ert..ähler in Gen 4,2- 16 den Namen ":ln aus der Geschichte heraus

gebildet zu haben scheint (s . oben), so hat ihn die spätere Überlieferung aus der

Geschichte heraus gedeutet. Indem aber neue Motive in den Vordergrund traten,

mußte sich auch die Deutung gegenüber der ursprünglichen Intention verschieben. Als die zentralen Motive der frühjüdischen Tradition von Abels Bestattung

sind somit die Weigerung der Erde, Abels Körper vor dem des Adam aufzuneh­

men (woraus ein Bestatwngsaufschub und die spätere gemeinsame Bestattung mit

Adam im Paradies folgen) sowie die Trauer der Eltern um ihren Sohn anzusehen.

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3. Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

3.1. Haggadische Überlieferungen

Neben jener frühjüdischen Tradition, die durch die Jhh. bis in das christliche Miuelalter hinein nachwirkte, erwuchs nun aus der jüdischen Haggada eine weitere und eigenständige.17 Kern dieser haggadischen Tradition sind die beiden Vorstellungen, daß a) die Bestauung Abels die erste überhaupt darstellte und b) die Kenntnis dieses für die Menschheitskultur so wichtigen Rituals von Gou selbst durch Botcnvögel übermittelt wurde. Im Verlaufe ihrer Entwicklung zog auch diese Tradition Motive und Elemente aus den vorausliegenden frühjüdischen Überlieferungen an sich. So erscheint das Motiv des Bestaltungsaufschubs etwa in der Gestalt, daß Abcls Körper so lange unbestattet bleiben mußte, bis Kain bzw. Adam die Kenntnis der Bestattung erlangt hatten. Damit verbindet sich wiederum das Motiv der Trauer Adams und Evas, die nun deshalb über dem Leichnam Abels klagen, weil sie ihm hilf- und ratlos gegenüberstehen. Vor allem aber erhält die ätiologische Tendenz im Bericht von der gemeinsamen Bes tattung Adams und Abels bzw. die mit Evas Bestattung verknüpfte Ätiologie des Bestattungsrituals von nun an ein ganz neues Gewicht - die ganze Ert.ählung ist von vornherein bewußt als eine Ätiologie der Erdbestattung ges taltet." Anders al s in der frühjüdischen Tradition, in der niemand geringeres als die Erzengel selbst die Bestattung vornehmen und LeinenWeher samt Spcl..ereien aus dem himmlischen Paradies herbeitragen, konzentriert sich die Erzählung nun aber auf den schlichten und alltäglichen Vorgang, ein Grab auszuheben und einen Leichnam mit Erde zu

I'l Mein Dank fUr alle Hil fe beim Nachprüfen und Übersetzen der rabbinischen Texte gilt Herrn Dr. T. Amdt. Leipzig.

U Nach Rahncr (Art. Ätiologie, in: L ThK I, tOll f) ist eine Ätiologie im weitesten Sinne "die Angabe eines Grundes, einer Ursache fUr ei ne andere Wirklichkeit", im engeren Sinne "die Angabe eines früheren Geschehens als Grund eineserfahrcnen Zustandes oder Vorkommnisses im mensch!. Bereich". Bei einer genaueren Fonnbestimmung muß die im fo lgenden zu betrachtende Über­lieferung als "ä.tiologische Sage" bezeichnet werden; zur Problematik einer Defi nition der Gattung Sage sowie zu den Querverbindungen zwischen ihren ei nzelnen Gruppen in der Volkspoe.sie vgl. BAUSINGER 1980, 179- 195, spez. 186f (SChematische Darstellung).

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34 Überlieferungen um Abels Bestallung nach dem Beispiel zweier Vögel

bedecken . Daß s ich dabei auch an die Botenvögel eine zusätzliche ätiologische Überlieferung heftet, ist ein Nebenzug, der aus der Geschichte herauswächst.

Von einer Ätiologie des ersten Grabes wissen auch die Mythen anderer Völker zu erLählen.89 Wann sie sich in der jüdischen Haggada gebildet hat, läßt sich nicht feststellen. Zweifellos haben haggadische Stoffe ein langes mündliches Stadium durchlaufen, wenngleich auch häufig mit einer großen Beständigkeit einzelner Überlieferungen zu rechnen ist.90 Ihre schriftliche Fixierung in Talmud und Midrasch geschah aus einem lebendigen Umgang mit den Stoffen heraus und schuf mit der Eingliederung in den jeweiligen Kontext neue Bezüge.

3. 1.1. Midrasch Tanchuma

Der älteste Beleg rur die haggadische Überlieferung von Abels Bestattung findet sich im Midrasch Tanchuma, einem Homilienmidrasch zum Pentateuch, der in seinem materialen Gehalt.etwa bis 4QO vorgelegen haben wird.91 Die meis ten seiner Proömien führen die dargebotenen Traditionen auf R. T anchuma bar Abba zurück, der in der 2. Hälfte des 4. Jh . lebte.92 Mit großer Wahrscheinlichkeit

• 19 So z.B . bei den Maidu·lndianern im NO Kaliforniens (vgl. DIXON 1902, 39-45): Bei einem Wettl auf wird Coyotes Sohn , der weit vom liegt, von der KJapperschlange durch einen Biß in den Fußknöchel getötet - alle lachen, bis sie auf CoyOles Geschrei hin allmählich etwas von dem bislang unbekannten Tod zu ahnen beginnen ('This was lhc fi rs t deaUt .... These were Ute first tears." ). 5 Tage später, nach einem mißlungenen Wiederbelebungsversuch, bestattet Coyote seinen Sohn: "He laid Ute body on a bear-ski n, dressed it, and wrapped it up carefull y. Then he dug a grave, put the bady into it. and covered it up. Then he told the people, ' From now on, this is what you must da. This is the way you must da tilllhe world shall be made over.''' Ein weiterer Hinweis auf eine vergleichbare Überlieferung bei den Ekai in Zeßlralafrika (THOMPSON 1932, 175 = A 159 1 "Origin of burial"), läßt sich nicht bestätigen - allein der Brauch, bei jedem Sterbefall eine Ziege zu opfern. wird mit der Geschichte einer sich vor ei ner Geisterfrau in der Erde verbergenden Ziege begründet (vgl. TALBOT 1912, 226).

911 Nach Stemberger unterlag die Haggada z.B. nicht einem ständigen Adaptierungsprozeß wie die Halacha (SnACK/STEMBERGER 1982, 26).

fI Die Vorschläge zur Datierung umspannen eißen weiten Zeitrawn: Zunz - 1. Hälfte 9. Jh .; Epstein - 5. Jh; Böhl - um 400. Eine frühe Datierung scheint die besseren Argumente rur sich zu haben , auch wenn der Text später noch lange Zeit Überarbeitungen und Veränderungen erfahren hat (vgl . STIlACKlSTEMBERGER 1982,279-282). Aus traditionsgcschichtl ichcn Gründen häl t ROGER 1981 (430 die Passage zu Abels Bestattung ftir spät; sie sei ..... in der vorliegenden Fassung kaum vor dem 9. Jahrhundert anzusetzen." - vg!. dazu unten 3.1.2.

92 Tanchuma bar Abba nennt als seine Meister, deren Lehre er tradiere Hu na, Pi nchas und Jehuda b. Scha10m. Er selbst gehön in die 5. Generation der Amoräer und beschließt die Reihe der bedeutenden palästinischen Haggadisten (vgl. dazu BAomR 1965, 111465-514 ).

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Haggadische Überlieferungen 35

entstand er in PaJästina. wo er zunächst in den LesezykJl1S der Synagoge eingebun­den war. Hier begegnet die Überlie ferung nun in folgender Gestalt:

n'~n ,~ 10! n"''''' m 1'P lrn' n'i' M'>1 ,'nno n.." ~n MN 1'P ,.,.,Ii :wl!i:l" ,~? ,,~~, ''''Op' ,...,,~ 'ElMl ,"~n MM V'~ ,nM "1'1l D'OW'U:I M'D'P ')W

".10' nM n,o~~ n'~'Dn ,~! ,~,~~ ~~n nM '~P' '~m 1'P "ln der Stunde, da Kain den Abel getötet haue, war er [Abel] hingewor­fen, und Kain wußte nicht, was er tun sollte. Der Heilige, er ist gesegnet. bestellte ihm zwei reine Vögel, und einer von ihnen tötete seinen Gefahr­

ten und scharrte mit seinen Krallen und begrub ihn. Von ihm lernte Kain und scharrte und begrub den Abe!. Daher werden die Vögel gewürdigt, daß ihr Blut bedeckt wird ." (Tanch Ber § 10)93

Diese Überlieferung setzt ein mit der Unwissenheit Kains.94 Noch ist der Brauch

der Erdbestattung unbekannt. Seine Erfindung oder Etablierung s tellt eine Herausforderung dar, die Kain allein überfordert. Damit tritt die ätiologische Absicht der Erzählung bereits von Anfang an klar zutage: Es soll die Entstehung bzw. der Beginn jener durch die Jahrtausende hin geübten Praxis der Erdbestattung erklärt und durch ihre Verankerung in der Urzeit legitimien werden. Gott selbst ist es, der ihre Kenntnis dem ahnungslosen Kain vermittelt. Interessanterweise bed ient er s ich dabei nun zweier Mittler. die aJs "reine Vögel" vorgestellt werden. Lcv 11 ,13-23 und Dln 14.11 -20 ruhren in einer LiSlC auf. welche Vögel als rein und als unrein anzusehen sind . Unter den reinen Vögeln nehmen Taube und Turteltaube noch einmal eine hervorgehobene Stellung dadurch ein. daß sie allein

auch als Opfertiere dargebracht werden konnten.95 In der Fassung der slavischen "Tolkovaja Paleja" werden bcide Vögel auch direkt als Turteltauben bczeichnet.96

" Hebr. Text bei : GINZBERG 1899.294·; APTOWJTlER 1922. 156; SPEYER 1931 . 86: SIDERSK Y 1933. 18; SnLLMAN 1974,236. Dt. Übers. bei : GIN'lBERG 1899.294'; BIN GoRION 1913, 144; APTOwrr/..ER 1922,53; SPEYER 1931. 86; PARET 1977. 119f. Franz. Übers. bei : SIDERS KY 1933. 18. Eng!. Übers. bei: Sn LLMAN 1974. 236 .

.. HIRSCIiBERG 1975 bezeichnet die Ursache rur Kains Ahnungslosigkeit als "fehlende SOi'jalisation" (1430.

" Vgl. dazu den Traktat Qinnim (2. Hä.lfte 2. Jh.), der Anweisungen zum Vogelopfer enlhält. Ursprünglich scheinen Vögel nicht zum Kreis der Opfertiere gehön zu haben. Taube und Tuneltaube bürgenen sich aber wohl im l aufe der Zeit als Ersatz im Falle von Armut ein . So wurde ihre Opferung zur vielleicht volkstümlichsten An des Privatopfers (s. z.B. Mk 11,15; Mt 21.12f; Joh 2.14.16). Vgl. turn Gan7.en HOL lZMANN 1931 . spez. 3-9: RENDTORFF 1967. 111 -11 3 .

.. Zum Text vgl. unten 3.4.2. Bereits GIIIo'ZBERG 1899 (294~) Stellte eine Beziehung zwischen jenen "reinen Vögeln" und der Taube als bevorzugtem Opfertier her: "Es ist daher nicht unwahr· schein lich. dass man diese BevorLugu ng der Tauben mil ihrer Dienstleistung beim Begraben des frommen Abel begründete." ROGER 1981 (42) hat diese nach JAGlt 1893 (52) i'.itierte Passage irrtümlich als Fassung der "Gracca Palaea historiea" betrachtet und so auf ihr Fehlen bei V ASIL'EV

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36 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

Dem steht nun freilich entgegen, daß beim Vogelopfer das Blut an den Altar

gesprengt werden mußte - die Anweisung zum Bedecken des Blutes (s . unten) aber gehört in den Bereich alltäglicher Schlachtungen.97 Die assoziative Verbindung zwischen Abels Tod (als einem Opfer) und den Tauben als reinen Opfertieren wäre auch zuletzt in einem jüdischen Midrasch des 5. Jhs. zu erwarten.98 Wohl vertraut war hingegen die Vorstellung, daß dieses Paar reiner Vögel in der Funktion von Boten Gottes auftritt. Vögel als Boten erscheinen gelegentlich schon im A T.99 O . Keel hat nun durch eine umfangreiche Sammlung von Material nachgewiesen, daß diese Vorstellung im alten Orient weitverhreitet und in verschiedenen Aus­prägungen geläufig war. 100 Aus dem syrischen Raum sind etwa seit dem 2. Jht. Darstellungen bekannt, die eine Göttin mit einer Taube zeigen und beider Funktion als das Überbringen froher Botschaft vermuten lassen.101 Wohlbekannt ist der Gebrauch von Vögeln als Orientierungshilfe in der Schiffahrt. I02 In Ägypten begegnen Vögel zudem als Krönungs- und Siegesboten.\Ol Von besonderem

Interesse ist jedoch die Vorstellung, daß Vögel (vielleicht aufgrund ihrer Be­weglichkeit und gelegentlicher sprachlicher Fähigkeiten) als Kollaborateure von

1893 hingewiesen; die "Tolkovaja Paleja" aber meim ei n eigenständiges. von der griech. "Palaea historica" unterschiedenes Werk und emstand erst auf slav. Boden.

91 Vgl. dazu RENOTORFF 1967, 97-101 und 11 1-11 3. 91 Es ist die christ.l iche Theologie, die Abels Tod als Opfer (welches das Opfer Christi

vorabbi ldet) immer wieder deutet. In der Lehre von den SyqgienlGegensatzpaaren (Kerygmata Peuou und Ps-Clementinen H 11 16; vgl. HENNECKl'1SCHNEEMF..LCHER 1964, 11 76 und 382) findet sich eine interessa nte Analogie zwischen den Paaren KainlAbel und Rabclfaube - das Schwächere geht jewei ls dem Stärkeren voraus. In der Haggada wird Abel allerdings nie symbolisch, sondern stets sehr realistisch und mit kräftigen Farben gezeichnet - er streitet mit Kain, kämpft. überwindet ihn und unterliegt schließlich nur einer List (so z.8. Gen R 22.8 - vgl. APTOWITZER 1922. 10-28. 52). Auch die armen . "Erzählung von den Söhnen Adams ... " malt diese Szene breit aus (PREU­SOlEN 1900. 196f).

" So z.8 . in Gen 8,6-1 2 (Rabe und Taube erkunden das Ende der Sintnut) und IReg 17,2-6 (Raben versorgen den Elia).

10;1 KEEL 1977 . 101 VgL den Exkurs zu Ps 56,1 von U. Winter bei KEEL 1977 (37-78). 102 So z.B. schon in Gen 8,6-12 . Weitere literarische und ikonographische Belege für diese

Praxis (ftlr die vor al lem der Rabe bevorzugt wurde) finden sich bei Km . 1977. 79-91 . Nach seiner Ansicht könnte in Gen 8 die in Syrien-Palästina als Tier der AnatlAstarte so beliebte Taube den einer :ilteren Schicht der Erlähl ung angehÖfCnden Raben verdrängt haben (90). Zu weiteren antiken Berichten vgl. KELt.ER 1893, 9. 12.

l ill Vgl. dazu KFFl . 1977, 109-142. Dies könnte nach Kccl auch den Hintergrund fUr die schwierige Passage von Ps 68, 12-14 abgeben - diese spielte dann auf die geschmückten Botentau­ben an , welche die Siegesnachricht in alle Welt tragen.

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Haggadische Überl ieferungen 37

Geheimnissen fun gieren. Dies klingt ganz allgemein in Koh 10,20 an 11)4 und wird

z.B. in den Metamorphosen des Ovid von einem Raben erLähh, der dem Apollon die Untreue seiner Ge liebte n hinterbringt. I O~ Auch die Sage von den Kranichen des lbykus oder eine Reihe mittelalterl icher Heiligenlegenden (in denen ebenfal ls der Rabe auftritt) gehören in diesen Zusammenhang,I06 wobei hier die Mitteilung des Vorgefallenen durch das aufnillige Verhalten der Tiere erfolgt. Vom Altertum bis in das Mittelalter hinein begegnet dabei in besonderer Weise immer wieder der Rabe al s Inbegriff des weissagenden und gelehrigen Vogels. dessen unheimliches Krächzen und schwarzes Gefieder ihn zugleich mit Magie. Unheil und bösen Vor/..eichen in Verbindung bringe n (s. unten 3. 1.5.).

Im Midrasch Tanchuma lernt Kam die Bestattung nach der Vermittlung zweier Vögel. Daß der Eine zum Zweck der Demonstration den Anderen tötet, mag zu den reinen Tieren nicht recht passen, erklärt sich aber möglicherweise aus einer ganz analogen Überlieferun g zu einem vergleichbaren Vorgang. Auch der Mord war ja bis dahin unbekannt - woher also wußte Kain, wie er seinen Bruder töten konnte? Nach dem Fragmententargum (1./2. Ih .) geschah dies folgendermaßen : "Kain wußte nicht, auf welche Weise er den Abcl erschlagen könnte. Er wandte s ich hin und her, bis er zwei Vögel erblickte, die mitcmandu stritten. Einer von ihnen fiel über seinen Genossen her und schlug auf ihn mit dem Schnabel los, dessen Blut vergießend bis er tot wurde. Von diesem lernte Kain und tat so seinem

100 "Fluche dem König auch nicht in Gedanken und nuche dem Reichen auch nicht in deiner Schlaflcammer; denn die Vögel des Himmels tragen die Stimme fort, und die Fittiche haben, sagen's weiter ," Vgl. dazu vor allem KEEt 1977,93- 102. In KohR ist dem Vers 10,20 noch hinzugef1.lgt: "Das ist der Rabe und die Kunst der Vogelschau."; vgl. GRONBAUM 1901. 235. Die Vorstellung, daß Vögel mehr als andere Geschöpfe wUßten, wird etwa auch in Hiob 28,21 angedeutet. Sie ist dann in der späteren Haggada weit verbreitet; vgl. dic Beispiele bei GRONBAUM 1901,235-237.

105 OVID 1952, 70-77, Metamorphosen lJ (s. unten 3. 1.5.). Er wird gewarnt von "der schwatzhaf­ten Krähc", die cbenso aufgrund ihrer Plauderei von Minerva verstoßen wurde: "Meine Strafe, sie könnte Vögel gemahnen. sich nicht mit der Zunge Gefahr zu beschwören ." Eine Reihe von antiken Berichten über sprechende Raben bzw. Krähen bietet KEl I.ER 1893, 12-13.

106 In der Legende von den hlg. Eremiten Antonius und Paulus bringt ein Rabe heiden Brot (BENZ 1925, 112; vgl. auch den Holzschnitt von Dürcr); dcn hlg. Bcncdict von Nursia warnt cin Rabe vor vergiftetcm Brot (BI-::NZ. 1925, 239f); der Leichnam des hlg. Vincentius wird von Engeln und von einem Raben verteidigt (SENZ 1925. 140). Zur Ibykussage und zur Legende des hlg. Meinrad (in der Raben die Mörder des Hlg. anzeigen) vgl. KEEL 1977, 99-102. Ein Rabe fungiert auch als Brautwerber des hlg. Oswald und wird zum Wappentier der ungarischen Hunyaden (Matthias Corvinus) - vgl. daw BRAUNf"ELS 1971, 488; des weiteren KEll..ER 1893. 13-14; zahlreiche volkstümliche Überlieferungen auch bei GUBERNAllS 1874, 526-54 1.

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38 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

Bruder Abel. "IOl Ein weitere r Targumtext aus der Kairoer Geniza ergänzt diese

Passage dann interessanterweise um das anaJoge Beispiel der darauffolgenden

Bestattung Abels (s. unten 3 . 1.3.). In GenR 22,8 wird erzählt, daß Kain sich der

Stelle e rinnerte, an der sein Vater den Opferstier geschlachtet haue, woraufhin er dann Abel am HaJse töte te. lOS Besonders in der georgischen und armenischen

Adamüberlieferung wird die Motivation zum Mord durch ein Beispiel vermittelt:

der Teufel e rscheint in Ges talt eines Rabcnpaares, um Kain de n Mord zu leh~

ren;l09 Kain tötet Abcl mit e inem spitzen Stein, wie es ihm zwei Teufel in

Rabcnges talt vormachen;lIo zwei Teufel erscheinen vor Kain und Abel, nehmen

deren Gestalt an und fUhren den Mord exemplarisch vor;1I1 Satan erscheint mit

einem schwarzen Wolf und mit einem anderen Tier, die mit einer Steinwaffe kämpfen , wobci e ines das andere tötet;1I2 mitunter wird ganz schlicht die Frage

gestellt, nach welchem Vorbild Kain den Abcl gelötet habe. tI3 Auch dem syri~ sehen "Buch der Biene" (13. Jh. ) ist diese Überlieferung bekannt.1I4 In der

islamischen Legende tritt IblislSatan auf dem Felde vor Kain hin , hebt e inen Stein

auf und zerschmetten damit den Kopf e ines Wolfes, woraufhin Kain in gleicher Weise mit Abcl verfähn. IU Die lllustration des Bruderm ordes in e iner pers i ~ sehen Hs. (um 1300) zeigt Kain , der mit einem Stein zum Schlag ausholt, während

in dem Baum über ihm ein Vogel den anderen bei der Kehle gepackt hält (s. Abb. 1). Die Raben erscheinen auch aJs Beglei tm otiv zum Brudermord in einigen

skandinavischen Kirchen des MiuclaJters.1I6 Bei Ps~Athanas ius findet sich die

1(17 Übers. nach APTowlrLER 1922, 154; hebr. Text bei GINSBURGt!R 1899,71,f · ebenfalls abgedruckt bei APTOWlrLER 1922, 154.

101 Unmittelbar danach heißt es dann, daß die Vögel des Himmels und die reinen Tiere Abel bestattet haben · auch dies kann als Beispiel verstanden werden. Im Gegensatz dazu steht die Vorstellung in Tanch Ber §9 (vgl. auch Mischna Sanh 37a), daß Kain · da er die Stelle nicht kannte, an der die Sccle dem Körper entweicht · wahllos und immer wieder au f Abel einschlug, bis diesen dann ein Schlag zufällig am Hals töd lich verletzte.

109 So referiert bei CIlAOtANOV 1895, l66f nach der En:ählung vom "Mord Abels durch Kain" (Hs. von 1864, wahrscheinlich Übers. aus dem Armen .).

11 6 So im georg. "Leben Adams und Evas", LOOn<E 1919·20, 156. 1 11 So in der georg. ··Erzählung vom Auszug Adams und Evas aus dem Paradiese·', LODTKE

1919·20, 159; auch bei D1.ANASvILl 1901, 28f und MMI~ 1981, 238. m So in der armen . "Erzählung von den Söhnen Adams, Abcl und Kain", PREUSCHEN 1900,

197. 11 ) So in der armen . "Erzählung von der Buße Adams und der Eva ... ", PREUSCHEN 1900, 204 . 11 - " •• . others say!hat Satan appcared to him in the form of wild beasts that fight with one

anOlher and slay each other:' (BUDGE 1886, 26). 11$ Vgl. dazu WEIL 1&45, 38f; APTOWTT"lER 1922, SO. 116 Vgl. den Hinweis bei ERFFA 1989, 1372 .

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Haggadische Überlieferungen 39

Bemerkung, daß der Teufel dem Kain im Traum gezeigt habe, auf welche Weise

er Abel umbringen sollell7 - ein Ged~e, der vor allem in griechischen Frage­

und Antwortbüchern wieder auftaucht. lI8 Das Neue also muß Kain erst lernen. Wollte man beide Überlieferungen einander zuordnen , ergäbe sich folgendes Bild: Den Mord lernte Kain durch die Einflüsterung oder Vorführung Satans nach dem Beispiel unreiner Tiere - die Bestattung aber lehrte ihn Gott nach dem Beispiel zweier reiner Tiere. Es hat sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich, daß das eine in Analogie zu dem anderen gebildet wurde. Entscheidend ist der Gedanke, daß eine Tat des Vorbildes bedarf. Er begegnet auch da, wo die Strafmilderung Gottes gegenüber Kain gerade mit dem Umstand begründet wird, daß Kain eben ohne Vorbild gewesen sei und die Tragweite eines Mordes noch gar nicht habe einschätzen können.11 9 Daß die Haggada bereits vor ihrer schriftlichen Fixierung (und damit Auswahl, Anpassung und Modifizierung) eine Analogie zwischen dem Vorbild für den Mord und dem Vorbild fur die Bestattung Abels kannte, könnte der bereits genannte Targumtext aus der Kairoe r Geniza bestätigen, der nun in der Tal die Vorführung sowohl des Mordes als auch der Bestattung durch zwei Vögel direkt miteinander verbindet. 120

Der Schlußsatz der Passage lenkt noch einmal auf ein neues Thema hin : Für ihren Dienst wurden die Vögel gewürdigt, daß ihr Blut bedeckt werden solle. Dies spielt auf die Vorschrift in Lev 17,13 an: "Das Blut von geschlachtetem Wild und Geflügel soll mit Staub oder Asche bedeckt werden. " Sie steht bei Lcv im Zusammenhang mit dem Verbot des Blutgenusses . Nach der Vorstellung vom Blut

111 Griech. Text Ix!i APTOWITLEM. 1922. 153 (= MJGNE PG 28, 632); latein. bei FABRICIUS 1722, 1113. Nach dem äth. Adambuch erscheint Satan dem Kain bei Nacht sowie offen am Tage. schürt dessen Eifersucht auf die bcgehnere Zwi llingsschwcster und rät ihm, Abcl zu töten (DILLMANN 1853. 69; MALAN 1882, 97fl).

11I Vgl. dazu KRASNosa'cEv 1891b, 454 ; CHACIIANOV 1895. 1661; NAClmGALL 1901. 64 ;

IIElNRlCI 1909, 85 1; HEIN RICl 19 11 , 37 Nr. 2. Nach der syrischen "SchatzhöhJc" ... .. fuhr der Satan in Cai n, dass er Habel, seinen Bruder, töden solle ..... (BEZOLD 1883, 8).

119 Vgl. Philo, Quacst in On I §77: ..... Cain, ... bccausc he did not know thc magnitude of the foul decd, since he had nevcr encountered death. paid lhc simpler penalty ..... (zitiert nach MARCUS 1953,47); ebenso GcnR 22. 15: "R. Nechemja sagte: Nicht wie das Recht des Mörders ist das Recht Kains. Kain brachte um und hatte niemand, von dem Cf es lernen konnte, von jetzt an aber, wer Kain umbringt. wird auch umgebracht werden." (WÜNSCHE 1967, I 105).

IXI Gemäß dem vielzitienen Diktum M. Gildemanns - "Schmetterlinge zu dressieren, aus Sonnenstrahlen ein Haus zu bauen und die Agada in ein System zu bringen, sind Versuche, die dem Unternehmer gleich sicheren Erfolg versprechen." - ist es müßig, die verschiedenen Über. lieferungen in Einklang bringen zu wollen. Doch gerade die volkstümliche Erzählung baut auf einfachen Strukturen auf, so daß sich eine solche Entwicklung des Stoffes am ehesten vorstellen läß\.

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40 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

als dem Träger des Lebens war diesem aUein die Funktion eines rituellen Sühne· mittels vorbehalten. Bei der Schlachtung aber mußte es "wie Wasser auf die Erde ausgegossen werden." (Dtn 12,24). Das so ausgegossene Blut mit Erde oder Staub zu bedecken haue wohl ursprünglich den Sinn, seinen weiteren Genuß unmöglich zu machen, könnte aber auch einen alten apouopäischen Brauch darstellen.121

In Tanch Ber § 10 wäre nun eine dritte, ätiologische Begründung dieser Vorschrift gegeben · das Bedecken des Blutes erscheint als Vorzug und Lohn flir einen Botendienst im Auftrag Gottes. Doch dies ergibt sich nicht ohne weiteres aus der vorausgegangenen Erl.ählung. Das Bedecken des Blutes gih nach Lev 17,13 allen reinen Tieren und taugt somit kaum als eine besondere Belohnung der Vögel allein. Hinzu kommt, daß das ätiologische Interesse der ganzen Passage zuerst der Erdbcstallung gih . eine Ätiologie des Umganges mit dem Blut bei der SchIaeh· tung reißt ein neues Thema an und läßt den Satz als einen Nebenzug erkennen, der aus einer anderen Überlieferung stammt und dem Text im Midrasch Tanchuma lediglich aufgrund des Stichwortes "reine Vögel" sowie der Assoziation "Begraben . Blut bedecken" angefügt wurde.

3.1.2. Midrasch Genesis Rabba

Eine solche Überlieferung, wie sie der Schlußsatz der Passage in Tanch Ber § 10 aufgreift, findet sich im Midrasch Genesis Rabba. Dieser Midrasch bietet eine Vcrs·um· Vers-Auslegung zur Genesis und ist etwa auf die gleiche Zeit zu datieren wie der Midrasch Tanchuma . vennutlich wurde er in der 1. Hälfte des 5. Jhs. abgefaßt, ebenfal ls in Palästina.122 In ihm sind eine Fülle vorausliegender Tradi­tionen relativ locker aneinandergereiht. 123 Hier ist nun auch eine weitere Über­lieferung zur Bestattung Abels bewahrt geblieben, die sich auf R. Elea-,~r b. Pedal

III So ELUGER 1966, z.SI. (227·229). BERTIlOLET 1901. z.SI. (60) vermutCl animistische Vorstellungen und zieht Gen 4,10 heran· das Blut muß mit Erde bedeckt werden, sonst schreit es zum Himmel.

In Vgl . STRAOOSlEMBERGER 1982, 257-263. 1D Vom Midrasch Rabbolh insgesamt hat 1. Fürst (WONSCIIE 1967, 1 IX) gemeint, man könne

ihn , .... ei n Reservoire nennen, in welches sich fast das ganze Suomgebiet der midraschischen Überlieferung ergossen hat," GcnR als sein ältester Teil steht am Anfang dieses Sammlungs· prozesses. An verschiedenen Stelten lassen sich hier Paral lelen 7.U Phito. Joscphus und zur frilhjlldischcn Literatur überhaupt finden, die durch mOndliche Tradition vermi ttelt sein könn ten (SntAcKiSlEMBERGER 1982. 2.59).

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Haggadische Überlieferu ngen 41

(3. Jh.) beruft. 12001 Sie läßt die Bes tattung Abels durch die Vögel des Himmels und

die re inen Tie re e rfolgen und nennt als Lohn jene Segenssprüche, die bei ihrer

Schlachtung und beim Bedecken ihres Blutes zu sprechen s ind:

1m, .1rn,:;)p n",rn~ m'Ml c'~rm mEn» n,I'J 1:;) "1'''M ' ''M ":;)p "0'" ".c Gi 'TJ~~ 111 1'IIO'M1V':> 11 .p1">u c~"'üDIZI nO"1:l "' )"0<1 ;,-~~ 1"~ "Und wer begrub ihn [Abel]? Es sprach R. Eleazar ben PedaL: Die Vögel

des Himmels und die reinen Tiere begruben ihn . Und es gab ihnen der

Heilige, er sei gesegne t, ihren Lohn: 2 Segenssprüche, mit denen man

über ihnen segne t: e inen zur Schlachtung, und e inen zum Bedecken des Blutes." (GenR 22,8)'"

Anders als im Midrasch Tanchuma richte t sich das ätiologische Interesse nicht auf die Erdbestattung • diese klingt allenfalls in der Wendung ",rn~p" mit an. Vielmehr

geht es um eine Ätiologie der Segenss prüche, die für e ine koschere Schlachtung

erforderlich sind . Auf diese T radition nimmt der Schlußsatz in Tanch Ber § 10 Bezug. Das heißt jedoch nicht, daß GenR 22,8 auch die Quelle fur den ganzen

Pass us in Tanch Ber § 10 darste llte. 126 Einc solche literarische Beziehung ist

allerdings von H.P. Rüger vertre ten worden und bedarf deshalb einer genaueren

Prüfung. Nach Rüger entstand Tanch Ber § 10 · lraditionsgeschichtlich betrachtet · aus e iner Kombination von PRE 2 J und dem textus receptus von GenR 22,8. 127

Es steUt sich die Frage, warum gerade die PRE für diese Kombination her·

angezogen werden und nicht der dafür viel passendere Text aus dem Pentateuch·

kommentar des Jakob ben Ascher (s. unten 3. 1.4.), den Rüger entdeckt und a ls das

äl teste Traditionss tück bes timmt haue : u Leitet man aber das Auftreten von 2 Vögeln bei Abels Bestattung nicht von PRE 21 , sondern von e iner vorkoranischen

jüdischen Uberliefcrung ab, dann gibt es (wie oben gezeigt) näherliegende

l lA Eleazar b. Pedat war gebürtiger Babyionier, wanderte aber später nach Palästina aus und erlangte seine größte Geltung als Schulhaupt in Tiberias (von den Babyioniern zuweilen als "Herr dcs Landes Israel" be'l.cichnet). Seine Lehrer waren Rab und SamueL Er selbst gehört zu dcn palästinischen Amoräcrn der 3. Generation und starb im Jahre 279. Vgl. BAOIER 1965, 11 1-87.

IlS Hebr. Text: Ausgabe Wilna 1896f. Nachdr. JerusaJem oJ . Dt. Übers.: WÜNSCHE 1967. 103; BtN GoRION 1913. 138; APTOWITZER 1922, 54 . Der Text taucht völlig gleichlautcnd wieder im Jalkut Schim 'oni §38 (13. Jh.) auf - s. unten 3.1.6.

llll Eine umgekehnc Abhä.ngigkeit des Midr. GenR vom Midr. Tanch wird gelcgenllich flir die letzten (und wohl auch späteren) Paragraphen vermutet. in denen es ei nige auffal lendc Parallelen gibt . vgl. dazu STRACKlSlCMBERGElt 1982 , 26Of.

1:!1 VgL RÜGElt 198 1, 44 . ll:1 Der Beitrag der PRE bestündc in dieser Kombination lediglich darin . daß sie von 2 Vögeln

(Raben) sprechen. Sie nennen jedoch auch Adam und Eva als Adressatcn jener Vorfli hrung, die in Tanch Ber §IO dann wieder auf Kain hätte übertragen werden müssen. Der Tcxt bei Jakob ben Ascher aber nennt knapp Kain und die beiden Raben.

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42 Überlieferungen um Abels Beslauung nach dem Beispiel zweier Vögel

Vorbilder. Daß schon 2 Vögel Kain den Mord vorfUhren , iSI durch das Fragmen­

tentargum (1./2. Jh .) ausreichend früh belegt Beide Vögel lassen sich aus einer

Analogie bzw. Korrelation zu dieser Überlieferung viel einfacher als aus einer

Beziehung zu den PRE (8.19. Jh .) oder dem eben ers t so spät fixienen Tex t des

Jakob hen Ascher ( 13J I4. Jh.) erklären . Es wäre zudem schwer verständlich, daß

Tanch Ber § 10 die heiden Benediktionen aus GenR 22,8 wieder auf die schon

biblisch belegte Vorschrift zum Bedecken des Blutes reduzien und (unsachgemäß)

auch noch auf die reinen Vögel begrenzt hälte . Der Schlußsatz der Passage in

Tanch Ber § 10 nutzt eher die schon vorliegende Ätiologie der Erdbestaltung für

die Anfügung eines ätiologischen Nebcnzuges zu Lev 17,13; GenR 22,8 greift die

Vorschrift zum Blutbedecken wiederum von einer ganz anderen Seite aus auL 129

Eine direkte literarische Beziehung zwischen heiden Tex ten kann m.E. jedenfalls

nicht festgesteUt werden. Tanch Ser § 10 und GenR 22,8 stehen wohl eher für zwei voneinander unabhängige ältere Überlieferungen, die der Schlußsatz in Tanch Ber

§ 10 dann mehr oder weniger geschickt mi teinander zu verbinden suchte.

Kern der Überlieferung in GenR 22,8 ist die Vorstellung, daß die Sorge um

das Geschick Abels in der Zuständigkeit der Tiere liege. Denn auf der urlCitJichen

Szene agieren nur Kain (bei dem man eine Fürsorge für den toten Bruder nicht erwarte t) sowie Adam und Eva (d ie von dem Mord noch nichts wissen). Zeugen

der Tat aber sind die Tiere des Feldes. die s ich nun mit Abel solidarisieren, Diese

Vorstellung begegnet in sehr verschiedenen Zusammenhängen. Bereits Philo weiß

von ihr.1JO Bei Josephus spricht Kain gegenüber Gott die Befürchtung aus, " ... e r möchte beim Umherirren auf der Erde eine Beute wilder Tiere werden ... ". 111

Kain fürchtet , daß die Tiere den Mord an Abcl rächen könnten. Auch Ambrosius

deutet die Furcht Kains als Furchl vor den wilden Tieren. wobei ihn vor allem der

Gedanke beschäfti gt, daß das Beispiel des einmal begangenen Mordes Schule

machen wird: "Sed a quo timebat occidi , qui solos parentes habebat in te rris? Potui l quidem el incursus bestiarum timerc. qui legis di vinae jura violaverat ; nec

praes umere de subjectis animalibus caeteris . qui hominem docuerat occ idi . POluit

e l parcntes parricidas timerc . qui docuerat parricidium posse committi . Potuerunt

119 Die Vorschrift des Blutbcdeckens wird in GenR 22.8 als selbstverständlich vorausgesetzt -eine ätiOlogische Begründung erfähn die damit verbundene Benediktion.

1)0 In Quest in Gn I §74 erfolgt auf die Frage: "What is the meaning of the words. 'Every one who li nds me will kill me.' inasmueh as therc wcre no other people but his parentsT' u.a. die Antwort: .. ... bccause he fearcd the attaclcs of beasts and reptiles. for nature produced thesc for lhe punishment of unjust men.'· (zitiert nach MARCUS 1953. 470.

1)1 l os Ant I 2.1 - Übers. nach Q.EMENTt 1990. 23; vgl . noch RAPPAPORT 1930, 6 (85f Anm. 37).

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Haggadische Überlieferungen 43

enim cL parenLes de filio discere, quod didicerunt postcri de parente."m In GenR

22, 15 heißLes dann ganz direkt: "Darauf antwortete R. Jchuda: Es waren die Tiere,

und die Vögel , die Rache forderten für das vergossene Blut Abcls; Levi hingegen meint, die Schlange habe das Blut Kains gefordert."m Die Parallelität dieser

Ubcrlieferung zu jener von der Bestattung Abels durch die Vögel des Himmels und die reinen Tiere kurz zuvor liegt klar auf der Hand. Interessanterweise ist sie

auch in Tanch Ber §9 enthalten: "Da sprachen die Tiere zueinander: Wir wollen

zu ihm hingehen und ihn fressen. Sie versammelten sich auch und kamen zu ihm hin ." IJoI Ähnlich kehrt dies bei dem jüdisch-persischen Dichter Schahin ( 14. Jh.)

wieder. In Von der Klage der Tiere um Abcl berichtct ebenso das äthiopische

Adambuch.ll6 Dem korrespondiert wohl auch die antike Praxis, als grausamste

und demütigendste Art der Strafe den Täter wilden Vögeln und Raubtieren zum Fraß zu überlassen. m Im Hintergrund jener Überlieferung vom Komplott der

Tiere gegen Kain scheint ein Motiv der frühjüdischen Adamlilcratur zu stehen: Als

Seth sich mit seiner Mutter auf dem Weg zum Paradies befindet, um Öl vom Baum

des Lebens für den todkranken Adam zu holen, wird er von einem wilden Tier

angefallen. Auf Evas Intervention hin öffnct das Tier seinen Mund und beschuldigt

s ie, daß erst durch ihre Verfehlung die Natur der Tiere eine aggressive geworden sei:38 Auch die Väter haben dieses Motiv übernommen, wie z.B. die Ausftihrun-

In "De Cain CI Abci " tI 9.33; Text bei MIGNE PL 14,357. m Übers. nach WONSOfE 1967,105; vgl. auch APTOW!17..ER 1922. 47. Nach AplOwitzer stcht

im Hintergrund des Disputes beider Rabbinen der Gedanke der Talio. wonach die Strafe der Tat entsprechen muß: Der Tod durch wilde Tiere entspräche nach rabbin. Recht einem Mord an Abel durch Stein/Steinigung. der Tod durch den Biß der Schlange entspräche einem Mord durch Erdrosselung. Unstreitig ist. daß die Tiere Hir die VOllstreckung der Talio aufstehen .

1)00 Übers. nach APTOWITZER 1922. 149. 1)' "Kai n ftirchtete. daß ihn die Tiere ob sei ner Mordtat zerreißen werden."; so referiert BAO{ER

I 1907.84. Schahin fügt hinzu, Gott habe dem Kai n daraufhin einen Bart wachsen lassen. vor dem sich die Tiere nun rtlrchleten und flohen (BACHER 11 1908. 145).

1)6 "Und sie IAdam und Eva] gingen hinaus. dem ort zu. wo Abct gelödlet worden war. und fanden ihn auf der erde hingestreckt. getödtel. und rings um ihn her thiere. welche weinten und schrieen über jenen gerechten."' (DtLLMANN 1853.74; vgl. dazu MALAN 1882. 1(4).

1)7 HENGEL 1977 hat gezeigt. daß vor allem die SLIafe der Kreuzigung häufig mit dem Brauch der Grabverweigerung verbunden war; der Leichnam blieb dann Beute aasfressender Tiere (vgl. zu den Beispielen 9; 51 f; 70; 76; 871).

1)1 Vgl. dazu ApkMos 10-12: ein Tier; VitAd 37-39: ein Tier, die Schlange ; kirchenslav. Adambuch § 11 -15: das Tier hat in verschiedenen Hss. verschiedene Namen - Kotur/Kuturl Gorgoni/Krokodil (JAG te 1893. 22f und 50); armen. Pcnitence of Adam 37/10-39/ 12: a wild bcast (STONE 1981 . 91); armen. Leben des Ad am und der Eva 12: ein wi ldes Tier (PREusOiEN 1900, 17 11); armen . "Erzählung von der Busse des Adanl und der Eva" 10: die Bestie Behcmot (PREUSCt'IEN 1900. 206f). Am deutlichstcn wird der Vorwurf gegen Eva in der armen. Über-

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44 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

gen des Theophilus von Antiochien zeigen: "Die wilden Tiere aber haben ihren Namen von ihrem wilden Wesen, nicht als ob s ie von Anfang an als bösanig oder giftig erschaffen worden wären , denn nichts ist von GOlt im Anfang böse er­schaffen worden, sondern alles ist gut, und sehr gut ; sondern die Sünde des

Menschen hat sie böse gemacht. Denn indem der Mensch vom Wege abwich, folgten auch sie ihm."m Von diesem Motiv aus ist es nur ein kleiner Schritt zu der Vorstellung, daß die Tiere auch in dem ersten Mordfall Partei ergreifen.

Für die Tierwelt hat sich die Lage mit dem Auszug aus dem Paradies grundle­gend verändert. Die Tiere dienen den Menschen fortan zur Nahrung. Die vielfälti­gen Bestimmungen hinsichtlich einer koscheren Schlachtung haben u.a. den Sinn, dabei die Würde des Tieres als eines Geschöpfes Gottes zu wahren und bewußt zu mac hen. Bei ihrer Schlachtung und bei dem Bedecken des Blutes sind jeweils Benediktionen zu sprechen. 140 Ihr voller Wortlaut findet sich etwa im Schulchan Arukh (1554) des Josef Karo: I. "Der Schächter muß zuvor benedizieren: Gesegnet bist Du, Herr unser Gou, König der Welt, der uns gehei ligt hat mit seinen Verpflichtungen und uns verpfl ichtet hinsichtlich der Schächtung." - 2. "Wer wildes Tier oder Geflügel schächtet. muß sein Blut bedecken, sei es, daß er

lieferung formuliert : "In uuth, our insolence is because of you . for the example came from you." (STONE 1981, 10); "Nicht durch uns kam der Anfang der Begierde, sondern durch dich . ... und du assest und übertratest das Gebot GOIICS, da wurde unsere Natur 1.1Im Ungehorsam gegen die Menschen veriindcrt." (PREUSCHEN 1900. 172). Eine eigenständige Variante bietet die gcorg. "Ert.ählung vom Auszug Adams und Evas aus dem Paradiese" (LODTKE 1919-20. 159; auch D1.ANASvIU 1901 . 30 und MAH f'3 1981 .2420: Seth und Eva begegnen aufdern Weg zum Parad ies einem Menschen [wem?), der von einem Raubtier angegriffen wird. Nachdem dieses genohen ist, klagt der Verwundete nun Eva an, daß sich die Tiere aufgrund ihrer Sünde nicht mehr dem Menschen fUgten . Im lth. Adambuch klagt Adam nach der Vertreibung: "Aber jell 0 Gott. da ich deinen befehl übertreten habe, werden al le die lhiere gegen mich aufstehen, um mich und deine magd Eva 1.11 fressen , und werden mein leben wegraffen von dem angesicht der erde." (DIlJ..MANN 1853. 17; vgl. dazu MAlAN 1882, 20). In einem anderen Zusammenhang sagt GOII zu Adam: " ... nachdem du meinen befehl übertreten haltcst, si nd alle creaturen gegen dich aufgestanden ." (DILLMANN 1853. 40; vgl. dazu MAlAN 1882. 480. Weitere Belege bei GINZBERG 1925, V 119f. Zum ursprünglichen paradiesischen Tierfrieden vgl. Philo Op 83; nach TestNaph 8,6 ist es ein Zeichen der künftigen Heilszeit, daß die Frommen nicht mehr von wilden Tieren bedrängt werden .

IM MAn AutolykusM 11 17; Übers. nach BKV 14. 47f. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch die bereits in TeslBen 5,2 geäußerte Ansicht, daß die wilden Tiere den Menschen fUrchten , wenn t.'f Gutes tut.

100 Vgl. dazu LEVITA1"S 1974, 1338f: "For birds and undomesticated animals (hayyot) the blood must be covered after thc shehitah. Thi s is done by placing sand or soil undernealh. slaughtering. and then spreading more soil over the split blood. at which time a special benediction is pronoun­ced. Ooe of the reasons given for this procedure is that these animals owe nothing tO mcn (as opposed tO domesticated animals) and thus Iheir slaughter is morc shameful."

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Haggadische Überlieferungen 45

sie gejagt hat, oder sei es, daß sie in seiner Hand aufgehoben waren . Er ist

verpflichte t, zu benedizieren , bevor e r bedeckt: Gesegnet bist Du. Herr unser Gott.

König der Welt, der uns geheiligt hat mit seinen Verpflichtungen und uns ver~ pflichtet hat hinsichtlich der Bedeckung des Blutes mit Staub. "141 Diese schon

im Talmud belegten Benediktionen l42 datiert GenR nun zurück in die UrL.eit und

erklärt sie zu e inem Vorzug, der den Vögeln des Himmels und den re inen Tieren

aufgrund ihres Verdiens tes bei der Bestattung Abels zuteil geworden sei. Darauf liegt in GenR 22,8 der Akzent.

3.1.3. Tosefta der Kairoer Geniza

Zu einer frühen Stufe der Überlieferung gehört auch ein Toseftatext aus der

Kairoer Geniza, der in die Tradition der paJästinischen Targumim hineingehört.

Das Beispiel der Vögel rur den Mord korres pondiert darin dem Beispiel rur die

Bestatlung. Der Passus schließt sich an e ine relativ breite Schilderung des Streites beider Brüder an:

"Und er (= Kain) wußte nicht. wo er ihn erschl agen könnte. Er wandte

sich dahin und dorthin , bis er zwei Vögel sah , (die) sich schlugen. Und der

eine erhob sich gegen den anderen und schlug auf seinen Schnabel. so daß

sein Blut floß (wörtlich: vergossen wurde), bis cr tot war. Daraus lernte

Kain , und e r tat ebenso mit seinem Bruder AbeL Als er sah. daß er tot war, fürchtete c r sich vor seinem Vater, daß er (Abel) von ihm fordern

würde, und e r wußte nicht, was er machen sollte. Da sah e r, (daß) jener

Vogel. der den anderen getöte t haue, seinen Schnabel in die Erde steckte

und (ein Loch) grub und den anderen tOlen (Vogel) verbarg (= begrub) und Erde auf ihn tat. Da (wörtlich: in diesem Augenblick) tat Kain ebenso

mit Abel , so daß [sein Vate r] ihn nicht fand." (Tosefta Geniza Ms X zu Gen 4,8)143

1.1 Hebr. Te"t bei KARo 0.1 ., lore Dca 19.1 und 28,2. loser Karo (1 488·1575) gehörte zur mystischen Schule von Safcd. Berühmt wurde er vor allem durch den "Schulchan Arukh/Gedcckter Tisch". der eine Kurlfassung und Zusammenstellung der wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen für das Alltagsleben bot und zu einer An offiziellem Kode" des Judentums avancierte (vgl. STI;MBERGER 1977, 114).

1. 1 Vgl. pBerakoth l3a; bPesachim 7b; TBerakoth 7. 11 (Zuckermandcl I5f); Machzor Vitry· diese Belege sowie eine dt. Übers. bei ROGER 1981 , 38. Zur formaJen Struktur der Bened iktionen vg!. ARNDT 1991 , 10· 15.

141 Aram. Tc"t bei KLEIN 1986, 1 13; eng!. Übers. 12; dt. Übers. nach NAUMANN 1991. 95.

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46 Überlieferungen um Abcls Bestallung nach dem Beispiel zweier Vögel

Mit Tanch Ber § 10 stimmt überein, daß Kain der Akteur der Bestattung is t, wenngleich s ich dies wohl vor allem aus der Analogie in der Vorführung von Mord und Bestattung ergibt. Hier hat der Text sein besonderes Charakteristikum . Es scheint jedoch, daß er die ursprünglich getrennt überlieferten Vorftihrungen in der Gestalt eben derselben heiden Vögel vereint und daher auch deren Bezeich­nung als "rein" sowie die einst gegensätzlichen Auftraggeber auszulassen gezwungen ist I"" So wird aus der Szene ein Vorgang, den Kain schlicht in der

Natur beobachtet. Die Natur wiederum hat mit dem Sündenfall ihre Hannonie verloren und ist dem Menschen an Aggressivität bereits ein Stück voraus. 1 4~ Zudem wird Kain durch die Furcht vor Adam motiviert, dem Beispiel der Vögel

zu folgen und Abel zu bestatten.l46 Die genaue Übereinstimmung des ersten Teiles (des Beispieles für den Mord) mit dem oben zitierten Abschnitt aus dem Fragmententargum ( I J2. Jh. ) legt es nahe, hier eine sehr alte Tradition anzuneh­men, wenngleich die Hs. selbst erst in die Zeit des 11.- 14. Jhs. fällt. 141 Es scheint eine Besonderheit der targumischen Überlieferung zu sein , das Beispiel für den Mord mit dem Beispiel für die Bestattung Ahels erzählerisch zu verbinden. Vor allem aber gesChieht dies in großer Nähe zu jener ursp rünglichen Fassung der Überlieferun g, wie sie in Tanch Ber § 10 vorliegt.

3. i .4. Jakob ben Ascher und Schahin

Eng an die Fassung von Tanch Ber § 10 schließen sich auch zwei weitere Texte an , die jedoch sehr viel später niedergeschri eben worden sind. Auf einen alten Midrasch, den Jakob hen Ascher (1270- 1340) in seinem Pentateuchkommentar aufgriff, hat erstmals H.P. Rüger hingewiesen:·' Jakob hen Ascher, der 1303 mit seinem Vater aus Deutschland nach Toledo kam und bis an sein Lebensende

I" Die zeitliche Abfolge ist eine andere als in Tanch Ber § 10 - dort erscheinen die Vögel erst nach dem schon ausgemhrten Mord ; und daß einer den anderen tötet. ist nur mehr die unumgäng­liche Voraussetzung rur die VorfUhrung der Bcstallung. Im Targum hi ngegen erschei.nen die Vögel vor dem Mord, und Kain lernt Mord und Bestattung in ei nem. Dann aber können die Vögel auch nicht zugleich auf Anstiftung Satans und im Auftrage Gottes agieren.

1" Vgl. dazu oben 3.1.2. 106 Daß Kain "die Spuren verwischen" will . ist seit los Ant I 2. t alte Tradition (s. oben 2.2.1.;

vgl. auch ULKJe!! 1981b. 521). Die Furcht vor Adam wird jedoch nur hier genan nt; sie kehrt lediglich in der Chronik des al-Tabari (9.110. Jh.) noch einmal wieder - s. unten 3.2.3.

H1 Vgl. zur Datierung NAUMANN 199 1. 9f (der sich auf KJ..EtN t 986 bezieht). Kl..EJN 1986 (XXXVII) folgt mit der Bestimmung 11 .· t4. Jh. wiederum B. k if.

'" ROCF..R 1981. ULRIO I 198tb tritt dann in die Diskussion mit H.P. RUger ein.

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Haggadische Überlieferungen 47

in Spanien blieb, erwarb sich vor allem Geltung als halachische Autorität. 149 In

seinem Pentateuchkommentar folgte er einer am Wortsinn interessierten Aus­legung und stützte sich dabei auch auf zahlreiche Kommentatoren. ISO ZU Abels Bestattung heißt es:

o7uo f'M M7m ~1JJrn, 11>'> "'ID'lM , 11 IM ?I rP .", ~ rP'> »., '>"U = v./;I) ltI I UD"

an l' 1<tM 11 11' l'T'M ""'l\J '11 '1"'>11 ""IIl» 1'M'l ~'> noC! I ""'11 ')I)m Q\,CU "'m T'P I iIIlTl 'r" lCl ~ Q "I I 1'Jn '>11 "'aTIM'r I:nHTt DU /xi ~"'1W' ":11, IM lZi "'W

. "1~ M1n Cl "Im Midrasch lehrt einer, daß Abel den Kain niederwarf und Kain zu ihm sagte: Warum s innst du, mich zu tölen? Ist denn jemand auf der Welt außer uns zweien? Und er erbarmte sich seiner und ließ ihn aufstehen, und da kam er über ihn und tötete ihn und wußte nicht, wie er ihn töten sollte, bis er zwei Raben miteinander kämpfen sah und einer über seinen Gefahrten kam und ihn tötete und ihn in der Erde begrub. Und es handelte auch Kain ebenso." (Perusch al ha-Tora)lsl

Rüger nimmt in dem Text eine Konjektur vor und liest statt "und er wußte nicht, wie er ihn tÖlen sollte" " ... wie er ihn begraben sollte." Dies hat zweifellos eine bessere Logik in der Abfolge des Geschehens fü r sich, ist jedoch nicht zwingend. Die ältere Tradition kannte eben auch schon ein Beispiel fü r den Mord, was zudem auch durch jenen Toseftatext zum Targum aus der Kairocr Geni za bestätigt wird.

Eine weitere Passage bei dem jüdisch-persischen Dichter Schahin ( 14. Jh .) s timmt damit auffällig gcnau überein. Schahin lebte in der Stadt Schiraz und war mit seinem epischen Werk bemüht, seiner Umwelt die Kenntnis der jüdischen Geschichte zu vermitteln . ' ~2 Stili stisch knüpfte cr auf hohem literarischem Niveau an die klassische pers . Poes ie an und zeigte sich dabei zugle ich wohl

149 Vgl. die Artikel von Horodezky in: EJ(D) 8. 804-810 und Kupfer in EJ 9, 1214-1216. Horodezky gibt die Lcbensdaten mit 1269· 1343 an. Jakob stand zu Begi nn unter dem Einfluß der Mystik in Deutschland. Sein Haupt werk ., Arba' ah Turim" wurde durch die Benutzung Joscf Karos und Mosc Isserles schließlich zum allgemein angenommenen gel tenden Recht.

I~ Dies sind 7..B . Saadja Gaon, Raschi. Abraham ibn Ezra, Kimchi , vor allem aber Moses ben Nachman. So muß zumindest erwogen werden, ob Jakob bcn Ascher nicht auch eine schriftliche Tradition benutzt haben könnte.

ISI HebT. Text bei ÄSCHER 1838,58. Dts. Übers. auch bei ROCER 1981 (44), der nach M.M. Kashcr. Thora Shelemah 1I , Jcrusalem 1929,321 Anm. 78, zitiert.

Ul Vgl. die grundlegende Arbeit von BACHER 1907-08, Biographisches 7-34; dazu auch Fischet in : EJ 14, 1258: ASM USSEN 1965; MOREEN 1991.

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48 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

vertraut mit deren Inhalten. L~l In seinem Werk zur Genesis bietet er die Über­lieferung von Abels Bestattung in der folgenden Form:

"Kain wußte nicht. wie er mit der Leiche Abels zu verfahren habe; da sah er, wie ein Rabe im Streite mit dem Weibchen dieses erschlug und dann mit dem Schnabel im Boden verscharrte. K. befolgte das Beispiel und begrub die Leiche Abels." (Genesisbuch 28, t4_27)LS04

In beiden Texten tritt das ätiologische Interesse durch die Unwissenheit Kains deutlich hervor. Zwei Vögelliefem das Beispiel, dem Kain auch ausdrücklich folgt. Es sind jedoch Raben, die nun die Bestattung vorführen. Interessanterweise fungieren sie dabei nicht aJs Boten Gottes. H.P. Rüger hat nun den Passus bei Jakob ben Ascher aJs den ältesten haggadischen Beleg für die Überlieferung von Abels Bestallung nach dem Beispiel der Vögel sowie aJs Quelle für Sure 5,3 1 im Koran betrachtet. Tanch Ber § IO aber wäre nach Rügers Auffassung dann eine Kombination von PRE 21 und GenR 22,8. m Daß Jakob ben Aschers Penta­teuchkommentar erst rund 700 Jahre nach dem Koran abgefaßt wurde, sagt in der Tat noch nichts über das Alter der darin aufgenommenen mündlichen Tradition aus. m Der Passus bei Schahin könnte dafür eine Bestätigung darstellen. L57

IJ) In $chiraz haue z.B . auch al -Baidllwi (13 . Jh.) gelebt, dessen Korankommentar ebenfalls Abels Bestattung enthäit (s. unten 3.2.6.). Mit al-Baidllwi uno al-Taoari stimmt bei Schahin das Detail ilbcrein. daß der Rabe mit seinem Schnabel die Erde aufgräbt - Jakob ben Ascher SChweigt ilbcr die Art und Weise, wie der Rabe vorgeht. BACHER 1907 (21) weist au f die Tatsache hin, daß Schahin " ... unterschiedslos neben der jüdiSChen Traditi onslitleratur muhammedanische Quellen zur Erweiterung des Erzählungstoffes benützte." So fUgte er z.B. auch die Gründungslegende der Kaaba in sein Genesisbuch ein. Vgl. noch MOREEN 1991, 156.

Isa DI. nach BACHER 1907 I 108 - Bacher hat den Text referierend wiedergegeben und bietet keine exakte Übersetzung; zitiert auch bei APTOWITLER 1922, 54.

I" Es leuchtet niCht ganz ein, daß gerade der zeitlich viel näher liegende Passus aus Tanch Ber §10 nun aus li terarischen Traditionen abgeleitet wird, anstatt ihm in gleicher Weise ältere mündliche Tradition zuzugestehen.

I 50S ROGER 198 1 hat diesen Ei nwand SChon im Vorhinein entkräftet (44 0: "Denn die Tatsache, daß es sich bei der Haggada in erSter Linie um mündliche Tradition handelt, hat fast notwendiger­weise zur Folge, daß einzelne Überlieferungen von nicht jüdischen AUloren aufgezeichnet werden, bevor sie von den jüdischen Tradenten schriftlich fixicn werden können . Filr diesen immer wieder zu beobachtenden Sachverhalt ist Sure 5.31 ein besonders markantes Beispiel. "

1$7 Denkbar sind immcrlLin verschiedene MögliChkeiten: a) Schahin griff die gleiche mündliche Tradition auf, b) Schahin kannte Jakob ben Aschers Pentateuchkommentar, c) Schahin redigierte die Tradition von Tanch Ber § 10 unter dem Einfluß der ihm bekannten islamischen Texte. BACHER 1907 (I 80-83-124) hat nun an zahlreichen Beispielen naChgewiesen, daß Schahin sowohl mit der Haggada als auch mit der islam. Literatur wohl vertraut war und beide gleichermaßen verarbeitete. Die Episode von Abels Bestallung rechnete Bacher unter die Rubrik: "Muhammedanisches·' im Werk Schahins.

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Haggadische Überlieferungen 49

Dennoch ist im Verlaufe eines so langen Überlieferungsweges der islamische Einfluß auch auf die mündliche jüdische Tradition kaum auszuschließen, zumal wenn man bedenkt, wie populär und weit verbreitet die koranische Fassung gerade in der islamischen Literatur war. Sowohl Jakob ben Ascher als auch Schahin schufen ihre Werke nun gerade im Kontex t einer islamischen Welt. Außer jener späten Fixierung und kuhureUen Einbindung erheben sich m.E. aber noch weitere inhaltliche Bedenken. Auch diese beiden Texte vermögen (wie A. Ulrich für den Passus bei Jakob ben Ascher gezeigt hat) 'SB Sure 5,3 1 noch nicht vollständig zu erkJären.139 Ihre knappe und straffe Fonn muß nicht unbedingt ein Zeichen größerer Originalität sein. Wenn am Anfang der Überlieferung ein ätiologisches Imeresse stand und das Beispiel der Bestattung in Korrelation zu dem Beispiel des Mordes gebildet wurde, dann stellte die Seauftragung der Vögel durch GOlt einen nur schwer verzichtbaren Bes tandteil dar, den immerhin auch noch Sure 5,3 1 bewahrt hat. Eine Beauflragung des nach Lcv 11 ,15 und Dtn 14,14 ausdrücklich unreinen Raben mochte dabei aber für arabisches Empfinden weit unproblemati­scher gewesen sein als fü r jüdisches, in dem die Unterscheidung zwischen rein und un rein eine so gewichtige Rolle bis ins Alltagsleben hinein spielte. 160 Daß Mohammcd angesichts einer Überlieferung von Botenvögeln gerade den Raben assoziierte, liegt nahe und braucht als schöpferische Gestaltung nicht notwendig in der von ihm benutzten jüdischen Tradition gesucht zu wcrden: 61 War aber der Rabe einmal gegen die reinen Vögel eingetauscht, so erübrigte sich auch der ohnehin sekundäre Nachsatz in Tanch Ser § 10 mit seinem Bezug auf die Vor-

15t ULRICl I 1981b. Der Beitrag versucht, Rügers These vorsichtig zu relativieren. 1}9 Aus einer synoptischen Zusammenstellung (vgL ULRJClI 1981 b. 481) ergibt sich. daS der Text

Jakob ben Aschers gemeinsam mit Tanch Ber §1O die folgenden Unterschiede zu Sure 5.31 aufweist : I. die Unwissenheit Kains wird in Sure 5.3 1 nicht erwähnt (wodurch der ätiologische Zug verblaSt), 2. aus zwei Vögeln ist in Sure 5.31 einer geworden, 3. so gibt es auch keinen Kamp f -der eine Rabe scham in Sure 5,31 nur auf dem Boden, 4. ob Kain dem Beispiel auch folgt. bleibl in Sure 5.31 offen. Den ei nzigen wirklichen Vorzug hat der Text Jakob ben Aschers gegenüber Tanch Ber §IO darin. daß er wie Sure 5.31 den Raben nennt. Daftlr aber weiß Tanch Ber § 10 wiederum gleichlautend mit Sure 5.31 von ei nem Botenauftrag zu berichten , der bei Jakob ben Ascher feh lt Weniger zutreffend scheint mir A. Ulrichs Bemühung all jener Texle zur Erklärung von Sure 5.31 zu sein, nach denen Kain seinen Bruder beiseite schaffen wollte. um die Tat zu verbergen - ein solches Vorhaben hätte nach der Intention von Sure 5.31 Allah wohl kaum durch die Entsendung jenes Raben noch gefbrdert.

1110 Allein in IIReg 17.3-6 ist der Rabe im Auftrag Gottes gewürdigt. den Propheten Elia zu versorgen.

161 Vgl. dazu die im Anschluß an PRE 21 sowie Sure 5.31 gemachten Ausflihrungen zum Raben.

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50 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

schrift des Blutbedcckens.161 ln PRE 21 (819. Jh.) begegnet schließlich der dritte jüdische Text. der (wohl ebenfalls unter islamischem Einfluß) den Raben auftreten läßt (s. unten 3.1.5.). Auch hier wird ein Botenauftrag Gottes wohlweislich ver­schwiegen. Wenn dieser aber zur ursprünglichen Überlieferung hinzugehörte, so kann er bei Jakob ben Ascher, Schahin und in den PRE eben nur um des Raben willen als unpassend empfunden und ausgelassen worden sein. Der Rabe aber

•• wurde aus der islamischen Uberlieferung übernommen, rur die seine Unreinheit kein Hindernis darstelJte, ihn als Gottesboten zu akzeptieren. So liegt den beiden verwandten Texten des Jakob ben Ascher und des Maulana Schahin ganz sicher eine alte Überlieferung zugrunde, die aber doch wohl jünger als Tanch Ber § 10 sein wird und die in ihrer Kürze sowie in der Einsetzung der Raben unter Verl.icht auf deren Botenrolle schon den Einfluß islamischer Tradition verrät. In jedem Falle aber gehört sie einer frühen Zeit an und steht Tanch Ber § 10 traditions­geschichtlich näher als den im folgenden zu betrachtenden Texten.

3.1.5. Pirke de Rabbi Eliezer

Die ältere Haggada kannte also zwei Fassungen: a) Kain bestattet Abcl nach dem Vorbild zweier Vögel, und b) die Vögel und die reinen Tiere selbst bestatten Abc!. Seide Fassungen sind in der rabbinischen Literatur fortan nc;beneinandcr über­liefert worden. wie spätere Midraschim (s. unten 3. 1.6.) 7..cigen. Größere Populari ­tät und eine Wirkung bis weit über die Gren7..cn des Judentums hinaus erl ebte allerdings nur die Fassung a), deren Ätiologie des ersten Grabes zweifellos die faszinierenderen und universelleren erLählerischen Momente bot. Sie begegnet nun in einer überarbeiteten und veränderten Gestalt wieder in den Pirke de Rabbi Eliezer, jenem großen erzählenden Haggadawerk, das vermutlich im 819. Jh . in Paläs tina ents tand und sich in der Folge7.cit großer Beliebtheit und weiter Verbreitung erfreute.16

) Die Zuschreibung an R. Eliezer ist zweifellos eine pseudepigraphe, wobei die benutzten Traditionen jedoch von der Hand einer

I~ Im islam . Bereich halte er keine Geltung; im jUdo kam eine Schlachtung rur Raben nicht in Frage.

1ft) Der Form nach gehört diese Schrift nicht mehr zur Gattung der Midraschim. sondern erdhit biblische Geschichte nach und flilh sie mit neuem Material (ähn lich dem Buch der Jubiläen oder dem Genesis-Apokryphon). VgJ. STRACKISTEMBERGER 1982. 298-299 sowie die ausführliche EinleilUng zur Übersetzung bei FRIEDLANDER 1965.

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Haggadisc.he Überlieferungen 51

SchriflStellerpersönlichkeit geprägt zu sein scheinen. L64 Die Überlieferung von Abels Bestattung läßt eine bewußte Ausgestaltung deutJich erkennen:

'''1'1' .C~ ')WD' mm n"MD mWi ~ M\" ~n "Iri WO' ~ ~Iri :l":m" ":ln" n,~1''' nD CI'P"'" ,"'n M'" , .. ,,1' CI''':lMM' D~'\:l' C':lVl" "'1" C.,M m,M np~ "'':1nD ,nM ,~ no~ ,nM ~"P ~ m,~p~ C'l'nl ,'n M~1Ii ~~n ~~ ,n~:ll np~ ''1) .nlL'lp 'lM ~"P~ C,M 'OM c.''l'p~ ,1Il=, r~ 1I)n, Cln" ,m ~ M, l"np:l CI~'W" ~~ -o1r1 n'~n CI"tf1 .rnr.l~' r-.ao 1!1n1

'l~ cnlli C'"1"'O' cn'l~O C'","', C'l~~ 1"'M 1'11" CM'l~ MN l'"1'~'O 1n~ ~p ~o 1""> C'M1;:' C~ M~M "11l> Mo" .10," M~ Cl no cn~ )I11l n'~m 111m

",'IM"Ip'"/!iM ~"1'Il> ~~ nom m~~ )I11l "VlMllli J!11M l'C1l) l'I'~m l'"'M-' "Der Hund. der Abels Herde bewacht hatte. der bewachte ihn auch vor den Tieren des Feldes und den Vögeln des Himmels. Und Adam und seine Gehilfin saßen und weinten und trauerten über ihn. Und sie wußten nicht. was sie mit Abeltun sollten, denn sie kannten das Begräbnis [noch] nicht. Da kam ein Rabe. dem starb einer von seinen Gefahrten. Er nahm ihn und grub in die Erde und verbarg ihn vor ihren Augen. Adam sprach: Wie der Rabe will ich es (auch) tun. Sogleich nahm erden Leichnam Abels. grub in die Erde und verbarg ihn. Der Heilige, er sei gesegnet. gab den Raben einen guten Lohn in dieser Welt. Welchen Lohn gab er ihnen? Wenn sie ihre Jungen gebären, sehen sie, daß sie weiß sind und fliehen vor ihnen, weil sie denken, daß sie Schlangenkinder seien. Und der Heilige, er sei gesegnet, gibt ihnen ihre Nahrung ohne Mangel. Und nicht nur das , sondern auch wenn sie rufen. daß er Regen auf die Erde gebe. erhört sie der Heilige, er sei gesegnet, wie gesagt is t: Er gibt dem Vieh sein Brot. den Rabcnkindem. die ru fen (Ps 147.9)." (PRE 2 1 ) 1 6~

164 R. Eliezer b. Hyrkanos gehört zur 2. Generation der Tannaiten (I .n . Jh. ) - von ihm handeln die ersten beiden (sicher erst später angefUgten) Kapitel. wodurch wohl das gan7.e Buch dann seiner Autorität unterstell t wurde. Vgl. STRACK/SlEMBERGER 1982. 298f.

IM Der Texi ist vielfach zilien und abgedOlckl worden. Hebr. Text: Wilna 1838, 32; Warschau 1852 o.S.: GEIGER 1833, 103f und 11902, 101: APTOWlTlER 1922, 156. LaI. Übers. bei: FABRJO US 1722, 1114 und 1723. IJ 45-48. Dt. Übers. bei: GEIGER 1833. 103fund 11902.102: WEIL 1845,39; EHRMANN 1880 und 11882. 62f (bei falscher Quellenangabe); GRONBAUM 1893. 83-84: DÄHN­HARUT I 1907. 249; BtN GoRION 1913. 146-1 47; AP'TOWIl7.ER 1922. 54 ; nacherzählt bei KANNER 1976. 35f (als Quellenangabe steht flüsch licherweise Midra.sch Rabba. Bercschit 22). Engl . Übers. bei: 1)SI>AU. 1905, 63f; Gli'Io'ZBERG 1909, I 113: FRIEDLANDER 1965. 156(. T'ENDLAU 11845 (179· 180) hat die Geschichte in Reime gefa&.. die es verdienen. hier noch einmal wiedergegeben zu werden: "Das erste Grab. Schon ein'ge Zeit lag Abel da) Von Bruders Hand erschJagenJ Doch ward das Elternpaar nicht mUd') Zu weinen und zu klagen} Es saß bekümmert bei der Leich' I Und ließ die Thtäne rinnen) Sie wußten nicht, was mit dem Sohn! Sie sollien nun beginnen} Sie hatten ja noch nicht gelernt.! Das Todte zu versenkenl Und von dem Grab hinweg den Blick! 1n's Leben

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52 Überlieferungen um Abcls Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

In der einleitenden Bemerkung, daß der Hund von Abels Herde (offenbar bis zum Eintreffen Adams und Evas) den Körper Abels vor den Tieren des Feldes und den Vögeln des Himmels bewache, klingt noch einmal die in GenR 22,8 enthaltene aJte Haggada an, nach der die Fürsorge für den erschlagenen Abel von den Tieren übernommen wird.IM Die erste entscheidende Veränderung besteht nun darin , daß nicht Kain , sondern Adam und Eva mit dem Problem der Bestattung kon­frontiert sind und daß die Belehrung Gottes mittels der Botenvögel ihnen gilt. Als nächstliegende Erklärung dieses Austausches bietet sich an , daß der Autor das in der frühjüdischen Überlieferung geläufige Motiv der Trauer Adams und Evas (s. oben 2.2.2.) aufgriff und mit der Bestallung Abels verband. Zur gleichen Zeit etwa läßt auch die griechische "Palaea historica" (8.19. Jh.) den Adam um Abels Leichnam bemüht sein und verbindet dies ebenso mit dem Motiv der Trauer. 167

Ob sich daraus ein gemeinsames Vorbild oder gar gegenseitige Abhängigkeit schlußfolgern lassen oder ob eine solche Verbindung eben einfach nahelag, ist nicht zu entscheiden. Des weiteren sind aus den reinen Vögeln des Midr. Tan­chuma Raben geworden, die nach Lev 11 ,15 und Dm 14,14 ausdrücklich zu den unreinen Vögeln gerechnet werden.l68 Nach Aptowitzers Meinung stehen die

--------------_.

fri sch zu lenken . -11 Da endlich nog ein Rabe her! Und legte sei nen Sprossen.! Der gleichfalls ihm gestorben war) Vor beide Leidgenossen} Und grub ei n Grab und legte drein! Mit Sorgfalt seinen Todten ) Und scharrte wieder drüber hinl Den aufgewühlten Boden}/ "Wir wollen:' sagte Adam jetzt) "Es machen. wieder Rabc) Und unsern hingcschicd' ncn SohnJ Vertrauen auch dem Grabe:" Sie gruben nun ein tiefes Grab/ In die noch neue ErdcJ Und legten ihren Sohn darein} Daß Ruh' im Grab ihm werde.ll Dem Raben aber hat der Herr} Wei l Adam er belehreIl In seiner All­barmher.ligkeit! Auch seinen Lohn gewähret.1 Wann sei ne Brut er schnell verläßt! In AngSt und innerm Bangen) Weil er voll Schreck sie weiß erblickt! Und meint, es seien Schlangen,! Dann nimmt der Herr sich ihrer an) Auf seine gnäd'ge Weise) Und gibt derselben ihren Trunk) Gibt reichlich ihr die Speise. -11 Und wenn der Rab' zum Himmel schreit! Und Regen laut begehret) Dann ist cs wieder Gott, der ihn/ Im Himmel gleich erhöret."

IM Hier muß al lerdings der Hund (als Haustier) den Leichnam gerade gegen die Gefräßigkeit der wilden Tiere schUtzen. Immerhin sind sie als die einzigen Zeugen des Mordes und die einzig möglichen Konkurrenten bei der Bcstallung vorausgcsctzt. Eine merkwürd ige Varianie bietet die spätere islamische Legende: Hier trägt der ahnungslose Kain ein Jahr lang den Leichnam Abels (in einem Sack) au f seinem Rücken mit sich herum, um ihn vor den Vögeln und den wilden Tieren zu schülZen , die ihn belauern · bis dann die bekan nten beiden Raben erschei nen und ihn eines Besseren belehren (so al-Tabari und al-Tha' labi - s. unten 3.2.3. und 3.2.5.; vgl. auch EISENBERG 1913. 198; BASSIIT 1926.20; HFI HR 1928,2 13).

167 Zudem wird auch eine zeitliche Beslimmung der Trauer vorgenommen (3 Tage). was auf aller Tradition beruht - vgl. dazu oben 2.2.2.

lo!II In älhHen 90,2-19 symbolisicn der Rabe vermutlich die Syrer unter den Seleukiden.

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Haggadische Überlieferungen 53

PRE " ... hier, wie so oft, unter dem Einnuß der muhammedanischen Tradition ••• " .169 Denn im Koran Sure 5 sowie in der nachfolgenden islamischen Legende ist es ebenfalls der Rabe. der den Kain die Bestaltung lehrt. Eine Rückwirkung ist also sehr wahrscheinlich. Dazu gibt es jedoch auch noch eine Reihe weiterer Gründe, die für den Autor der PRE den Raben der islamischen Tradition als den angemesseneren Boten erscheinen lassen konnten. Schon die schlichte Naturbeob­achtung mußte die besondere Affinität des Raben zu Grabstätten und allem Toten nahelegen - kaum ein anderer Vogel verLChrt e twa in gleichem Maße Aas und ist

somit an allen Orten zugegen. wo sich solches findet. 11O Zugleich raUt seine Klugheit und Gelehrigkeit auf, die ihn nicht umsonst in verschiedenen Legenden als Verräter von Geheimnissen oder Aufklärer von Mordtaten auftreten läßt. l71

Der Kolkrabe (der "eigentliche" Rabe) unterscheidet sich außerdem von anderen Rabenvögeln dadurch, daß er - bei aller Frechheit, Gewandtheit und Kraft eines Räubers par excellence - mit den verwandten Arten nur selten friedlich zusammen­lebt und von diesen stark angefeindet wird.112 Mehr noch aber bOl der Rabe in

169 APTOWIT.lER 1922. 54. HELLER 1925 ist den Beziehungen zwischen PRE und isl amischer Traditi on in einem Aufsatz nachgegangen und kommt zu dem Ergebnis, daß der Verfasser den Koran sowie die islamische Legende kannte und sein Werk in islamischer Umgebung schuf. Nachgewiesen wird dies anhand der Abschnitte in den PRE über die Ismaellegende, den schweben­den Sarg Aarons und das goldene Kalb. Für ei nen islamischen Einfluß auf die PRE hinsichtlich der Überlieferung von Abels Bestattung plädiert auch STIu..MAN 1974. 236; vgl. weiterhin HELLER 1928.214.

110 Der Rabe ist bekannt als der "Galgenvogel " (was schon die Kinder wissen: ..... nu ll er in den Graben. fressen ihn die Raben.") Auch kranke, verletzte oder tote Vertreter der eigenen Art pflegt er zu ver/,chren - vgl. dazu BREIIM 1896. un 433 444 . KEEI. 1978 hat in seiner Auslegung zu Hi 38,39-39.30 Ubeneugend dargelegt. daß im Hi ntergrund dieser Rede die Vorstellung von einer dem Menschen feind lich entgegentretenden Tierwelt steht. die ihm das Kulturland streitig macht. Auch der Rabe in Hi 38.41 7.ählt dabei zu den Tieren . die jene Gegenwelt repräsentieren (KFFJ . 1978.61-86). Zum Raben als Aasfresscr in der patrisL sowie mal. dL Literatur vgl. MESSELKEN 1965.31-35; auch Roon~ 1962,227-233.

111 Vgl. oben 3.1. 1. Bei Homer schon fungiert der Rabe als Wetterprophet, Zukunftsweiser und Prodigienvogel (vgl. RIOrrER 1972. 13270. In den Tiergeschichten des Römers Ä1ian (213. 1h.) wird die Klugheit des Raben beschrieben (ÄLIAN 1980.340. Biologen bestäti gen. daß der Rabe tatsächlich über ein großes. gut entwickeltes Gehirn verfUgt. Ihm werden ein ausgeprägtes Lernvermögen und große Anpassu ngsfähigkeit beStätigt. Sein hochentwickeltes Orienlierungs· system empfahl ihn den antiken Seefahrern in besonderer Weise als Hilfe bei der Navigation - vgl. BREIIM' s NEUE TtERENZYKLOPÄDIE 6/1975. 9f. Zahlreiche antike Belege bielet KELLffiI. 1893 .

171 Zur Familie der Rabenvögel gehören etwa 100 Arten· in Israel gibt es 4 (vgl. f'ELtKS 1972. 1581 0. Der Kolkrabe räubert mitunter auch unter fremder Brut und wagt sich sogar an die Brut von Säugetieren. die größer sind als er. Von seinen Verwandten si nd ihm Krähe. Dohle und Elster besonders feind (vgl. BREIIM'S NEUE TIERENZYKLOPÄDtE 611975, 41-43). Ein Kampf zwischen zwei Rabenvögel n ist also ein Schauspiel, das sich hin und wieder beobachten läßt.

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54 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispi el zweier Vögel

dieser Geschic hte dem Autor der PRE schließlich die Möglichkeit, eine mit Ps 147,9 und Hi 38,4 1 verbundene Auslegungstradition an die Stelle jenes in Tanch

Ser § 10 angehängten Schlußsatzes zu setzen , der von einer Auszeichnung der reinen Vögel fUr ihren Botendienst sprach. Sie eignet sich freilich nur bedingt, den

Lohn Gottes fü r einen Botendienst zu beschreiben, da es in ihr vielmehr um die von ihren Eltern verlassenen Rabenjungen geht. In dieser Auslegungslradition ist zunächst eine antike Vorstellung aufgegriffen worden, nach welcher der Rabe ursprünglich weiß gewesen sei, sein schwarzes Gefieder dann aber als Strafe erhalten habe. In Ovids Metamorphosen hinterbringt der Rabe dem ApolIon die Untreue seiner Geliebten Coronis - im ersten Zorn tötet Apollon daraufbin die Geliebte. bereut aber bitter (als er zu spät ihre Schwangerschaft entdeckt) und bestraft dafür den Raben: "Aber dem Raben , der Lohn sich erhofft, da nicht fal sch seiner Zunge Zeugnis. verbot er, hinfon zu den weißen Vögeln zu 7..ählen.,, 17) Vor diesem Hintergrund wird etwa in der griechischen Literatur das schwarze Gefieder gerade zum Wesens merkmal des Raben, mit dem er den weißen Tauben

zur Illustration eines größtmöglichen Gegensatzes gegenübergestellt wird. l 74 Für eine Adaption dieser Vorstellung boten s ich nun im Judentum jene alttes tamentli­chen Passagen an, die ausdrücklich vom Raben sprechen. In Gen 8 is t er der erste Bote Noahs, der offensichtlich aber nicht zurückkehrt. m Bereits im mesopOla­mischen Flutbericht war dieses Moti v bekannt, enthielt jedoch noch die knappe Bemerkung, der Rabe sei umhergeflogen und habe gefressen.17t Daraus erwuchs

l1J OVID, Metamorphosen 11 , 71 -77, Einleitend heißt es zu dieser Passage: " ... wie neulich dir. du schwatzhafter Rabe, der weiß du warest, auf einmal die Farbe der FlUgel in Schwan sich gewandelt. Glä.nzte doch dieser Vogel wie Silber mit schneeigen Federn einst. daß Tauben, die frei von jedem Makel. er gleichkam. daß er den Gä.nsen nicht wich, die bestimmt, zu reuen die Feste Roms mit wachem Schrei, nicht dem Schwan, dem Freunde der Flüsse. Schädlich die Zunge ihm ward. ob der schwatzhaften Zunge ist heute Weißem entgegengesetzt seine Farbe, die ehemals weiß war." Ovid greift hier eine ältere Tradilion auf, vgl. KEU..ER 1893, 12 .

11. Als Sprichwort ist die Wendung "JC6pwca ÄEuJCov l&1v" im Sinne von "etwas Unmögliches sehen wollen" Uberl iefert. Bei Juvenal heißt es: "Doch solch ein Glückspilz ist seltner sogar als ein schneeweißer Rabe." (Satiren 7,202). Weiterhin heißt es vom Raben, daß scin Kopf weiß werde, wenn er falsch weissagt (vgl. GosSEN 1914, 19-23). Dazu. daß "schwarz" und "Rabe" vielfach als Synonyme gebraucht werden, vgl. KEUER 1893, 16; Belege aus der mal . dl. LiteralUr bei MESSELKEN 1965, 41-44; einige Sprichworte bei ROOTIt 1962.218-220.

m In Gen 8,6 heißt es vom Raben: ..... der nog hinaus und hin und her. bis das Wasser von der Erde weggelrocknel war," (Übers, nach WESTERMANN 1985.525). Noah muß nun zweimal die Taube aussenden, die auch jeweils zurückkehrt - das erstemal erfolglos. dann aber mit einem Ölblatt im Schn abel.

116 "Der Rabe nog weg, sah, daß sich die Wasser (nun ) verlaufen hatten. fand Fraß. natter1e umher m. krä.chzte (?) und kehrte nicht mehr zurllc k." (zitiert nach BEYERLlN 1978, 122),

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Haggadische Überlieferungen 55

dann wohl die Vorstellung von dem Raben, der seine Gefräßigkeit an auf den Wassern treibenden Leichnamen stillt und darüber seinen Auftrag vergißt. In einer ausführlichen Studie hat A.B. Rooth nachgewiesen, daß dieses Motiv ("the raven and the carcass") im Zusammenhang der Flutenählung die jüdische, islamische, christlich· patristische sowie die mittelalterliche europäische Literatur durchzieht, ein fes tes Element in der Ikonographie der Noahgeschichte darstellt und selbst in den indianischen Mythen Nordamerikas wiederkehrt. m Für die Strafe des säumigen Boten aber lieferte nun die antike Vorstellung vom ehemals weißen Raben ein passendes Vorbild. In einer arabischen Übersetzung des Pentateuch kommt die Verschmelzung beider Motive klar zum Ausdruck: Auch der Rabe sei ehemals von weißer Farbe, schlanker Gesta1t und schönem Aussehen gewesen; auf Noahs Fluch hin aber sei er unrein geworden und habe von Gott seine schwarlC Farbe erhalten, so daß er verac htet unter den Vögeln wurde.178 Noch in dem altenglischen Dialog "Adrian and Ritheus" hat sich diese Vorstellung erhalten: "2 1) Tell mc why thc raven is so black, that before was white. I tell thee, because he returned not again to the ark from which he was dispatched."179 Obgleich m.W. kein direkter Beleg erhalten ist, könnte eine solche Fusion schon in der vorislarnischen Haggada stattgefunden haben, in der eine eng verwandle Über· lieferung von Noahs Fluch über seinen Sohn Harn begegnet: Ham habe durch den

In ROOTlt 1962. Die Studie präsentiert neben einer Fülle von Texten 41 Abb. sowie eine reichhaltige Bibliographie. Auch das syr. "Buch der Bi ene" berichtet davon und fUg t hinzu: "For this reason people have made a proverb about Noah's raven." - ohne dasselbe dann jedoch auch mitzuteilen (B UDGE 1886, 32). Zahl reiche Belege für die Tradition bei den Vätern, in denen der säumige Rabe zum Bild fUr die Synagoge oder für den Sünder allgemei n geworden ist, hat ERJ-rA 1989. I 474ff verzeichnet, vgl. auch MESSELKEN 1965, 173-203 und SCHMID"IXE 1968, 38 1f.

171 Vgl. GRÜNBAUM 1893, 83; dazu auch GINZBERG 1909, I 38ff. Dafilr , daß der Rabe auf Noahs Fluch hin schwarz wurde, hat DÄHNIIARDT spätere volkstümliche Varianten gesammelt (1907, I 283-287), die sich in der arab., syr. und rumänischen Legende finden . Bekannt sind daneben auch andere Strafen, die der Rabe fur sei ne Unbotmäßigkeit erhält. Nach einer Tiroler Legende wurde der Rabe schwarz, weil er den Bach tJilbte, aus dem das Christuskind trinken wollte. Eine ungarische Legende ruhrt die schwar.~e Farbe auf einen Fluch lesu zurück: Als Jesus seinen Häschern entkam. habe der Rabe "Schade!" geru fen . Beide Legenden (DÄIINHARDT 1907, I 286') sctl,.Cn die ehemals weiße Farbe voraus, ebenso je eine Sage aus Kärnten und von den Berbern Nordafrikas (DMINIIARDT 111 1910, 59) sowie eine esmische Sage (DÄHNHARDT 111 1910, 517). Eine ungar. Sage hat den Farbwechsel in einen kosmogoni schen Kontext eingeftigt: der schnee­weiße Rabe soll die Größe der mittlerweile entstandenen Erde ausmessen, fri ßt aber unterwegs und wird dadurch schwarz (DÄHNIIARDT I 1907,64). Weiteres zum Urteil über den Raben Noahs bei GRONBAUM 1901 , 183-185. Ei ne dt. Sagenüberlieferung schreibt auch der Elster ein ehemals weißes Gefieder zu, das seine Farbe zurückerhalten werde, wenn der Kaiser Barbarossa von seinem Schlaf erwacht (REINSBERG-DORtNGSFELD 187 1, 210).

'1'9 Altengl. Text und moderne Übers. bei KEMBLE 1848, 202f.

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56 Überlieferungen um Abcls Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

F1uch seines Vaters eine sehwarte Hautfarbe erhalten und sei der Knecht seiner Bruder geworden.110 Von hier aus ergab sich dann eine weitere Verbindung mit eben jenen beiden alttestamentlichen Passagen. die von der Fürsorge Gottes flir die Rabcnjungen sprechen (Ps 147.9 und Hi 38,41). Die bereits genannte arabische Übersetzung des Pentateuch fahrt unter Berufung auf den syrischen Kirchenvater Ephräm fort, daß sich die fruhere weiße Farbe des Raben noch bei den Jungen zeige. die mit einem weißen Gefieder zur Welt kämen: " ... sobald der Rabe das sieht. schreit er dreimaJ. fliegt davon und kehrt erst nach 40 Tagen zurück. Während dieser Zeit hahen die Jungen ihre Schnäbel offen; Mücken fliegen in ihren Mund und dienen ihnen zur Nahrung 40 Tage lang. Wenn dann der Rabe zuruckkchrt und sicht. dass die Jungen ein schwarzes Gefieder haben. freut er sich sehr, ruft die anderen Raben herbei , nimmt die Jungen auf seine Flügel und lehn sie Oiegen. ,,1 11 Offenbar war die Erklärung der Fürsorge Galtes für die Rabcn­jungen mit Hilfe der antiken Vorstellung vom ehemals weißen Raben bereits sehr früh bekannt und weithin akzeptiert. Wegen ihres Zusammenhanges mit PRE 21 sollen die bekannten Belege hier noch einmal zusammengestellt werden.

Exkurs: Die "Grausamkeit" des Raben und Gottes Fürsorge

für die Rabenjungc.::n

Konsequent auf die Auslegung beider Schriftstellen bezogen ist die Tradition im Midrasch Tanchuna (B) 'eqäb §3 (5. Jh .): "Und woher (lässt es sich erweisen), dass der Rabe grausam ist gegen seine Jungen? Weil es heisst: "Wer bereitet dem Raben seine Speise. wenn seine Jungen zu Gott schreien, aus Mangel an Nahrung umherirren?" (Hi 38,41 ). Und es heisst: "Den jungen Raben, die zu ihm schreien" (Ps 147.9). Wenn der Rabe zeugt. zeugt er wcisse (Junge). aber das Männchen sagt zum Weibchen. dass ein anderer Vogel es begattet habe, und sie verach ten und verlassen sie (seI. die Jungen). Was tut der Heilige, g.s.er!? Er verschafft ihnen ihre Speise, Mücken, und sie fliegen gegen sie, und sie fressen sie. Das ist. was geschrieben steht: "Wer bereitet dem Raben seine Seise" usw. (Hi 38,4 1)." 112 In

I" Vgl. die jüd .• syr. und arab. Belege bei GRONBAUM 1893, 85-87; D ÄIINIIARDT J 1907. 29Of; ein goorg. Beleg bei LODTKE 1919-20, 168 (= C IIAOIANOV 1895. 178 Nr. 20). In äthHen 88.9 werden die Söhne Noahs noch relativ wcnfrci mit bestimmten Hautfarben in Verbindung gebracht ; weiß rot und schwarz sind hier offenbar noch nicht symbolisch (wie in 85,3). sondern real gemei nt.

111 GRONBAUM 1893, 83. 112 Übers. nach BIE I ENIIARD 1982. JJ 462.

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Haggadische Überlieferungen 57

dem hebräischen" Alphabet des Ben Sira" (etwa 8. Jh .) dient u.a. diese Tradition

als Antwort auf die Frage, warum die Eintagsfljegen geschaffen worden seien: H ".

and also for the sake of the fledglings ofthe raven . When they are hatched they are

white and thc parents fly away and leavc them. Then they cry to God, as it is

written, "The young of the raven which cry unto Hirn and He brings to Lhcm flies

and !.hey are fcd thereby." After three days they become dark ; then the parents

return to them. Thus the Lord, blessed be He, prepares the eure before the illness." 183 Auch Raschi (11. Jh.) weiß von den Raben zu berichten: "Wenn sie

groß werden , werden sie schwarz, und dann lieben die alten sie. aber am Anfang sind sie weiß, u. da hassen sie sie." I84 Ähnlich schreibt Kimchi (12J I3. Jh. ):

"Weil sie weiß geboren werden, verlassen die Mütter sie und bringen ihnen keine

Nahrung. Denn s ie erkennen sie nicht als die ihren an, weil sie weiß sind. Darum

schreien sie. daß sie von Gott ihre Nahrung erbitten. Und Gott selbst bereitet ihnen Mücken, von denen sie sich nähren ."18s Im Jalkut Schim 'oni (13. Jh .) wird die

Tradition mehrfach aufgegriffen. Neben der Verarbeitung von PRE 2 1 in Jalkut

Job §925 findet sich die Tradition auch als Erklärung zu Prov 30, 17 in Jalkut Schim'oni n §936,186 deckt sich hier aber weitgehend mit der Fassung in Tanch

(B) 'eqäb §3. Als Indiz fü r das hohe Alter und für die weite Verbreitung dieser

Tradition ist auch ihr Vorkommen im karäischcn SchriJuum zu werten · im

"Eschkol ha· Kofer" des Jehuda ben Elijja Hadassi ( 12. Jh .) e twa heißt es: "Wie der

Rabe, der auf seinen Eiern s itzt und sie in seinem Schatten ausbrütet. Und sie

brechen durch und kommen weiß heraus. Und wenn er sie sicht nimmt er an, sie

seien vertauscht. und nicht in deine Weil . "Er öffnet seine Hand und sättigt alles Leben wohlgefall ig." bringt dann Kot und Schwärme um Schwärme von Mücken.

Und er läßt sie in ihre Schnäbel fallen, wenn sie mit geöffneten Schnäbeln

dasi tzen, bis sie groß werden und (nun( von gleicher Gestalt sich (wieder] mit ihren Ehern verbinden und leben in deinem Lande."187 In einem italienischen

Tugendbüchlein des 15. Jhs. symbolisiert der Rabe die Trauer: "Und Trauer könnte

dem Raben ankommen, der, als er aus seinem Gelege kleine weiße Raben

schlüpfen s ieht, sich so sehr grämt, daß er sich von ihnen trennt und sie verläßt.

11) Fot. 24a der Ausgabe Venedig 1544 - Übers. nach GASTER 1915. 357. I" SO Raschi zu Ket 49b, zitiert nach BItl.ERBECK 1924, 11 191. las Hebr. und lat. bei BOOIART 1663. 205 . 116 Einen weiteren Beleg in JalkU11 §846 nachzuprüfen war mir leider nicht möglich (Blinddruck

in dem mir vortiegenden Exemplar). 1f1 Hebr. Text im EsOIKOI.. IIA- KoFER. Blatt 24a. Nach FORST 1865 (11 211) mündeten "alle

Bächeder damaligen karäi schcn Kultur" in das große Werk des in Konstantinopcllebenden Jchuda bcn Elijja Hadassi ei n. Der "Eschkol ha-KoferlStrauß von Cyperblumen" entstand zwischen 1148-1150 und bewahrte viele inzwischen verlorene Überlieferungen.

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58 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

denn er glaubt nicht, daß sie seine Jungen sind, weil sie nicht schwart sind wie er. Und bis sie nicht beginnen, ein schwarzes Gefieder anzulegen, nährt er sie nicht, sie leben ja vom Tau, der vom Himmel fallt."!" (vgl. dazu Abb. 2). Bereits bei den Kirchenvätern war bekannt, daß der Rabe seine Jungen verläßt und Gott diesen Mücken oder kleine Tierchen zur Speise bereitel. S. Bochart zitiert die entsprechenden Passagen bei Gregorios (4. Jh.), ChrysosLOmos (4. Ih.), Olympio­daras (6. Ih.), Cassiodorus (6. Ih.) und lsidor von Sevilla (7. Jh .) - wobei al ­lerdings nur letzterer die Grausamkeit der Alten mit der Farbe der Jungen begründet 119 Eine späte Nachwirkung begegnet schließlich in Fr. Spees "Trvtz­NachtigaI" (1634): "Er speist die jungen RabenkindJ Wan d' Alten sie verhasscnl Vnd, weils noch vngeferbet sindJ Die zarte Frucht verlassen.! Er speiset Mensch ­vnd alles Vieh ,! Last Kraut, vnd Fruchten wachsen:1 Gibt wolfeyl alles dort, vnd hie,! Gar traglich seind die Taxen." I90 So hat die alte an tike Vors tellung vom ehemals weißen, nun aber mit einem schwarten Gefieder bestraften Raben eine Wendung genommen. die sie in einen Unterschied zwischen Eltern und Brut aufteilt und dabei der allgemeinen Vorstellung von der Grausamkeit des Raben gegenüber seinen Jungen l9

! ein fUgt. Doch damit geschieht den sonst so unheim-

'" 1Ia1 . Text bei LEIIMANN·BROCKIIA US 8; dt. Übers. von Frau U. Moritz. Leipzig. Die sog. "Hori oi Virtu" entstanden im 13J 14. Jh. untl verbreiteten sich balo in ganz Europa. Nach tlel Defini tion einer Tugend bzw. ihres Gegenteiles Steht jeweils ein Tiervergleich: dann rolgen Zitate biblischer und auBcrbiblischer Autoritäten sowie eine Beispielgeschichte. Besonders die Tierver­gleiche berülven sich häufig mit der Trad ition des "Physiologus" (seit dem 2. Jh.). der freil ich Ober den Raben schweigt. Interessanterweise erwähnt der "Physiologus" dann aber bei der Krähe den Raben mit in einem Nebensatz: Beide bleiben allein. wenn der Gatte stirbt. und gesellen sich keinem anderen wieder zu. Dies paßt durchaus zur Sorge um die Bestattung des Gefährten in der haggadischen Tradition. zumal der "Physiologus- Gleiches auch von der Twteltaube berichtet. Eine franz. Bearbeitung des "Physiologus" aus dem 13. Jh. fUgt dann zum Abschnitt über den Phönix noch relativ unvermittelt eine Bemerkung über den Raben an . ..... dass er seine Jungen erst dann al s die sei nigen anerkenne und fUttere. wenn ihnen dic Federn wachsen ..... (lAUOIERT 1889. \42): die FUrsorge Gottes rur die Rabtnjungen erwähnt eine mittelgriech. Bearbeitung aus dem 12. Jh. (LAUCIIERT 1889. 102).

'I' BOCIIART 1663. 203-208; dazu auch GRONBAUM 1893.84-85: MESSELKEN 1965.44-47. ltel Zitat nach SPEE 1985. 138 (Strophe 8 des Gedichtes "Anders Lobgesang. darinn die

GcschöpfrGoltcs zu seinem Lob ermahnct werden". 136-139). Spee scheint mit der Väterlitcratur wohh'crttaut gewesen zu sein, wie der Titel einer Dissertation von K.M. Honedcr (Biblische und Patristische Vorbilder in drei anonymen geistlichen Liedern von Friedrich von Spee von Langen­feld. Diss. Rom 1982) vermuten 11ßt.

19 ' Bereits bei den Griechen glaubte man. daß der Rabe seine Jungen aus dem Nest werfe und sie gelegentlich auch fresse (vgl. GosSEN 1914. 19). Bei dem Römer Älian (2,ß . Jh.) heißt es: "Seine Jungen pnegt der Rabe aus sei nem Nest zu verbannen. kau m daß sie erwachsen si nd. Deswegen suchen sich die Jungen ihr eigenes FUlter. und später sorgen sie nicht flir den Unterhalt

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Haggadische Überlieferungen 59

lichen T ieren zweifellos Unrecht, indem d ie Naturbeobachtung wohl zugunsten einer festen Überlieferung zurücktritt. l92 In naturwissenschaftl ichen Werken ist von einer weißen Färbung der Jungen keine Rede,l\l:l viel weniger noch von der Grausamkeit der mittlerwe ile sprichwörtlich gewordenen "Rabeneltern" , 194 Hingegen wird immer wieder betont, daß die Rabenvögel ihre Jungen auf das innigste verteidigen, sie reichlich und un ablässig fü tlern. ihre Brut außerordentlich lieben und niemals verl assen , 1 9~ Möglicherweise hat hier eine mißdeutete Natur­beobachtung diesen in das allgemeine Bild vom Raben passenden Vorwurf ents tehen lassen. l96 der - einmal in die Schriftauslegung eingeführt - von nun an s tereoty p weitergereicht wurde,

ihrer Eltern," (ÄLIAN 1980,35), Zur Grausamkeit der Rabenellcrn fi nden sich in der rabbi nischen Literatur im Anschluß an Ps 147,9 und Hi 38,41 auch über die Geschichte von der weißen Brut hinaus Belege · vgl. dazu FOHRER 1988 (511 ) sowie den Kommenlar zu Hiob von TUR-StNAl 1957 Z,SI. (der mir leider nicht zugänglich war; Hinweis bei FOHRER 1988, 511), Belege aus chrisU" jüd, und arab. Autoren auch bei BOCHART 1663. 203-208 und GRÜN BAUM 1893.83-84, Zur Vorstellung in der dl. Literatur vgl. GRIMM 14/1984, 5-7 (Rabe), In Konrad von Megenbcrgs enzyklopädischem "Buch von der Natur" (14, Jh,) heißtes: "die raben werfen etleicheu k.int auzdem nesl, wenn si der arbeit verdreuzt mit in, daz si in nicht genuog speis pringen mügent" (zitierl nach FOHRER 1988, 511 7°); weilere Belege aus der mal , Literatur bei SCl-IMIDTKE 1968, 382,

191 So auch UWYSOUN 1858 (172), nach dem die Lieblosigkeit der Raben gegen ihre Jungen auf "einer alten, aber irrigen Vorstell ung" beruht.

I ~] Allenfalls der Verweis auf eine aschgraue. schmutzigere Farbe der jungen Krähen und Dohlen läßt sich finden , Vielleicht ist mit "weiß" auch das noch fehlende Gefieder gemeint -BILLERBECK 1924 (11 191 ) interpreticn das "weiß" der Rabenjungen bei Raschi als "ohne Gefieder", GRONBAUM 1893 (84) spricht die Vermutung aus, daß der Überlieferung von den zunächst weißen Rabenjungen ein Wortspiel mit Ps 147,9 zugrundeliegen könnte: " l~'" wäre dann von ":l"P 'J~':'" angeregt worden , Möglicherweise hat auch SPEE diese Tradition so verstanden, wie ein weiterer Vers von ihm vennuten läßt (Trvtz-Nachtigal 59,46): "ausz deiner (Gottes) hand ja prasset! die nackend rabenzucht",

Iq,o Vgl, dazu GRIMM 14119&4,9-12; ebenso KELLER 1893,4: "Auch die böse 'Rabenmutter' scheint im wirklichen Leben nicht vorzukommen , und es ist erfreulich, dass wir dem classischen Alterthum keine Schuld an diesem Mythos aufbürden können , 1m Gegcntheil ist eine griechische Fabel erhalten, wo die Rabenmutter ihr Junges mit z.ärtJichster Liebe pnegl."

19S Vgl. BREIIM 1886, un 431-466 (Rabe, corvus) und BREUM'S NeUE nERENZYK.LOPÄOIE 611 975, 9-48 (Rabenvögel), Davon weiß immerhin auch schon ironischerweise die Pes l13b (5, Jh.): "1l1rce love one another, proselytcs, slaves, and ravens," (zitiert nach F'ELIKS 1972, 15810 , Vgl. auch LEWYSOIIN 1858, 172-174.

196 Die Rabcnjungen verlassen sehr zeitig das Nest, ohne sich indessen schon selbst behel fen zu können - die Alten schaffen inzwischen unermüdlich Nahrung herbei , Das unablässige Krächzen, das dabei von der Unersättlichkeit der Jungen herrtihrt, kann leicht als Klage gedeutet werden ,

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60 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

In den PRE erhält diese Auslegungs tradition, die die alte antike Vorstellung vom ehemals weißen und seine Kinder grausam verstoßenden Raben mit dem alttcsta· mentlichen Bild von Gottes Fürsorge rur die unentwegt kräch7..enden Rabenjun­gen L97 verbindet, eine neue Begründung: Gou lohnt dem Raben den Botcndienst bei Abels Bestattung mit der Erhaltung seiner Brut. L98

Die Popularität der Fassung, wie sie in den PRE vorliegt. wird noch einmal durch eine jiddische Variante derselben illusuien. die in einer Amsterdamer Bibel von 1755 enthalten ist Sie findct sich untcr den jiddischen Glossen, die hier dem hebräischen Text eingefügt sind. Im Anschluß an Gen 4,12 werden die PRE 21 direkt zitiert:

"Der 'l'U von ;:&n is auf der erden gelegen, un ' der hund der da die schaf von ":&Ii pflegt 1ll hülCn is bei ihm gestanden, 1ll hülCn ilun vorn,,," un' n'Enu, un' eilt un ' 111n seinen gesessen un ' haben um ihn geweint un ' getrauert, un ' haben nit gewusst was sie mit den nD thun sollen; is da ein rab gewesen, dem sein i:&n abgestorben is; der gedacht : Sich! ich will Ci" lernen wie cr thun soll, un' hat gegraben in der erd, un ' hat sein i:&n begraben; da gedacht cr (Adam): Sich! Als der gethan hat so wil1 ich ach thun un ' hat ihm begmben. Darum hat :r~n auch den .",11/ an die rabcn bel>hl~ denn wenn die raben junge haben, denn sennen sie weis, denn laufen die eltern von sie weg, da beschert sie n":&pn ihr nmm, darum sagt der i''IOEt iRiM :&i'lU 'l:&"

'IM""Ip' "zu die junge raben die ihm anrufen" (Ps i47,9)." I9'J

I~ Dieses Krächzen fällt besonders zu Beginn des Sommcrs (wenn die Rabenjungen das Ncst verlassen, ohne noch für sich selbst sorgen zu können) läStig und verlangt nach einer Deutung, da die auf Futtersuche ausgeflogenen Eltern den Hunger der Jungen kaum zu st illen vermögen . Die rumän. VolksUbcrlieferung kennt ei ne En.ählung, nach welcher Reiher oder Gabelweihe zu GOII um Regen schreien: Nach der Schöpfung gebot GOtt allen Vögeln, mit ihren Krallen Quellen aufzugraben - der Reiher bzw. die Gabelweihe aber machten nicht mit und dürfen seither zur Strafe fUr ihre Faulheit nur Regenwasser trinken, weswegen bei Trockenheit ihr Gesdvei vor GOII dringt (vgl. GASTER 1915. 176-178; weitere Analogien bei GRONBAUM 1901 . 43. 183-187). J Hinweise auf eine Überlieferung vom Raben und seinen Jungen im rumAn. Sagenschalz finden sich auch bei SCItUlJ..ERUS 1928. 90.

I. Zu dem Motiv des Lohncs (aber auch der Strafe) ftir Tiere in der jüd. Litcratur vgl. APTOWlrlER 1926, 131-140.

I" GRONBAUM 1882, 181 f. Die Punktierung und die von Grtlnbaum eingeftigten Erläuterungen sind hier weggelassen worden.

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Haggadische Überlieferungen 61

3. 1.6. lalkut Schim'oni und Midrasch ha·Gadol

Die späten midraschischen Sammelwerke des Mittelalters haben die frühen Überlieferungen dann von neuem aufgegriffen und gleichberechtigt nebeneinander ges tellt. Zuerst ist hier der Jalkut Schim 'oni zu nennen, der in das 13. Jh. gehört und einen "midraschischen Thesaurus" zum Pentateuch und zu den übrigen biblischen Schriften darstellt.2

°O In §38 (Genesis) wird hier die auf R. Eliezer ben Pedat zurückgeführte Fass ung aus GenR 22,8 wiedergegeben:

cn" 1m, .1m':lp n"1i1t!1 mTl' o'olZiii n'l!:l'p n'Ell:1 'lp"M , .... ,,:11' '0'" ".o.,n .,o~~ 111 n~."IZi~ 11 ln'~v 1"'''~olZi n'l:>'~ .,,~ 1'~~ n"~pn

"Und wer begrub ihn IAbelJ ? Es sprach R. Eleazar ben Pedat: Die Vögel des Himmels und die reinen Tiere begruben ihn. Und es gab ihnen der Heilige, er sei gesegnet. ihren Lohn: zwei Segenssprüche, mit denen man über ihnen segnet: einen zur Schlachtung, und einen zum Bedecken des Blutes." (Jalk Gen §38)""

An einer späteren Stelle (§925 zu Hi) bietet die Frage nach der Fürsorge Gottes rur die Raben den Anknüpfungspunkt für ein Zitat der Fassung aus PRE 2 1:

0'='''0' o'~Irh" "t», CiM n'i'1 ,'nM ":In" 1'1' l,nIZ11'~ 'i~ ::l,,»:' 1':1' '0" 'i"W' nM n"on, inM ::l"P M::l .,:1 nWlp" no C'ln,' '''l'1 M'" , .. ,,1' C'~MM' Ci'M~ Y"'tC ""I!:Im TUM At ~~ nw M l"1lt1P" M CiMn nt iO'm "lM ..oM

,"'O~1 r,lQ '~m ~"~!!i m:ll nM ~~l niM M~ rnn ~,~ C"1M "lDM .'~p' 0"''''10 ",.,~ llöl~ lre"1:l~ m1 ;1In 0'>1v~ o"'."v~ ~"e ~~ n'~n 0~1h n":l1''''' m~ "'):1 cnlZ1 D"'::lO~ on" C'tf1',:1 C',:I" cmM C'M", cn"')::l nM M"M i,p M'" ,'i'l. ::l"P" 1'=" '0 'OMlR? "o'n ''':1 cm/) on" 1ml ,!!iM ~"v 'l~~ "MllZI on1M nl1V n"~pn1 r'Mn ~v ,~o ln'~ O'M"P ''':11' PU:I i"':lU 11' ":11' :1"1' in Mon ,11'0'1' n'n 'O"~' .'M'1" nn~ .1'''' Mn~n l1n'''M~ v!!iM1 Mn.,n M""P~ 1"",n., 1"",ol .1"''''~M 1'lhn' nM1~ M"~U1 nM1~ l"'~v" ~IZIM .1"'~v 1"'M n~ V"'O~ l,n~M~

" . l'n~ 1'~~M1 "'Wer bereitet dem Raben seine Speise? ' Als Kain seinen Bruder Abcl erschlagen hatte. saßen Adam und seine Gehilfin und weinten und trauerten über ihn und wußten nicht. was sie mit ihm tun sollten. Da kam ein Rabe und tötete seinen Gef<ihrten. Er sprach: Ich will Adam lehren, was zu tun iSl Was tat er? Er nahm seinen Gefährten und grub in die Erde

200 Vgl. dazu STRACKlSlEMBERGER 314.315. 201 Hebr. Text: nach einem Nachdr. Jerusalem oJ . EURMANN 11882, 62·63 bietet einen dt. Text.

Hir den er als Que11e den Ja1kut Schim 'oni §38 angibt· vielmehr handelt es sich jedoch um ei ne sehr freie Wiedergabe des Textes aus PRE 21 bzw. dessen Zitat in Jalkut Schimoni (JOb) §925.

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62 Überlieferungen um Abels Bcstattung nach dem Beispiel zweier Vögel

vor ihren Augen und begrub ihn. Da sprach Adam: Sollten wir nicht wie

dieser Rabe tun? Er nahm den Leichnam Abels und grub in die Erde und

verbarg ihn. Und es vergalt der Heili ge, er sei gesegnet, mit gutem Lohn

den Raben in dieser Welt. Und was fur einen Lohn gab er ihnen? Wenn sie ihre Kinder zur W elt bringen und sehen, daß sie weiß sind , fliehen sie

vor ihnen. weil sie annehmen, daß s ie Schlangenkinder s ind. Und der

Heilige, e r sei gesegnet, gibt ihnen ihre Nahrung ohne Mangel. Wie

gesagt ist: 'We r bereitet dem Raben seine Speise, und nic ht nur das,

sondern gibt ihnen Regen auf die Erde, wenn sie rufen. und der Heilige, er sei gesegnet. erhört sie, wenn sie rufen, wie gesagt ist: Den Raben­

kindern, die da rufen .(Ps 147)' Rabbi Jose war ein Experimentator. Eines

Sommers baute ein Rabe ein Nest, legte Eier und brütete Kücken. Er

nahm sie und brachte sie in einen Topf und er achtete auf sie drei Tage

lang. Dann öffnete er den Deckel. um zu erfahren, was sie tun. Und er

fand. daß sie Kot hervorbrachten. Und aus dem Kot kamen Mücken, und die fraßen sie." (lall< Job §925)202

Einen Zusatz s te llt der Bericht von Rabbi JoselAssi20J dar, w ie dieser der Fürsorge Gottes für die .Rabenjungen experimentell auf den Grund zu gehen

versucht. Daß Rahen mit Vorliebe auch Mücken und lnsekten aller Art verzehren .

ist dabei wohl zweifellos zutreffend beobachtet.2B4 Allein - bei allem Respekt vor

dem naturwissenschaftlichen Interesse des Rabbi Jose - auch hie r s teht wohl am

Anfang die auch anderen Orts begegnende Überlieferung, daß Gott den Rabenjun­gen Mückenschwärme zu ihrer Nahrung zutreibt (s. oben Exkurs), deren Nachweis

die Experime nte dann erst nachträglich auf recht kuriose Weise zu erbringen habcn.205

Etwa zur gleichen Zeit entstand im 13. Jh . der Midrasch ha-Gadol , die wohl umfangreichste Midraschsammlung, geschrieben von David ben Amram von

Aden.206 Hier werden nun in IV 16 die Fassung der Überl ieferung von Abcls

Bestattung aus Tanch Ber §IO und PRE 21 nebeneinanderges tellt, worauf

schließlich noch ein Verweis auf die Grausamkeit der Rabeneltern gemeinsam mit dem Bericht von Rabbi Ass is Experimenten folgen :

lOl Hebr. Text nach einem Nachdr. Jerusa[em 0 .1 .

20) Rabbi lose (auch R. Assi - s. ußlen im Midrasch ha-Gadol) war aus Babylonien nach PaläStina gekommen und gehörte in die 3. Generation der paläStinischcn Amoräer. Diese Zuweisung könnte ein Hinweis auf eine alte Tradition sein.

lOO Neben Aas bevorzugt der Rabe Insekten, Würmer. Schnecken oder kleine Wirbeltiere · vgl. dazu BREIIM ' S NEUE nERENZ.YKLOPÄDIE 6/1975.9.

70S Vgl. dazu auch LEWYSOUN 1858.337 (= § 470. Die KOimade). 10& Vgl. dazu STRACK/STEMßERGER 1982. 3 [6-318.

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Haggadische Überlieferungen

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","'''lI :>,'v~ 1~' 'D n",p l'"1n 1,n'~v M~' l""'M "Als Kain den Abel erschlagen hatte, war er lAbel) hingeworfen, und Kain wußte nicht. was er mit ihm tun so llte. Der Heilige. er sei gesegnet, bestellte ihm zwei reine Vögel, und e iner von ihnen tölelC seinen Gefähr­ten und scharrte mit seinen Kralle n und begrub ihn. Von ihm lernte Kain und scharrte und begrub den Abc!. Rabbi Elic7.cr sagt: Der Hund, der Abels Vieh zu seinen Lebze iten bewacht haue, der bewach te seinen Leichnam nach seine m Tode. Und Adam und seine Gehilfin saßen und weinten und wußten nicht, was sie tun saUten , denn sie kannten das Begräbnis [noch] nicht. Da s tarb ein Rabe. Sein GeHihrte sprach: [Wer) wenn nicht ich soll dem Adam zeigen, was er tun soll? Daraufhin nahm er seinen GeHihnen und grub in die Erde vor ihnen und begrub ihn. Da sprach Adam : Wie dieser Rabe will ich auch an Abcltun. Und er nahm seinen Leichnam und grub in die Erde und begrub ihn. Und welchen Lohn haben die Raben deswegen? Daß er [Gott] ihre Kinder e rnährt. Wieso dies'! Wie geschrieben steht: Er gibt dem Vieh sein Brot und den Rabcn­kindern, die da rufen (Ps 144.9). Und er sagt Wer bereitet dem Raben seine Speise? Denn seine Kinder schreien zu Gau. wenn sie ohne Speise umherirren (Hi 38,4 1). Man sagt: Der Rabe ist grausam, denn wenn er seine Kinder zeugt und sieht. daß sie weiß s ind und er schwarz. verläßt er sie und geht. Und der Heilige, er sei gesegnet, bestellt ihnen ihre Nahrung. Rabbi Ass i war ein Experimentator. Eines Sommers baute ein Rabe ein Nest, legte Eier und brütete Junge. Er brachte sie in einen Topf und

63

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64 Überlieferungen um Abcls Bcstattung nach dem Beispiel zweier Vögel

achtete auf sie drei Tage lang. Und am Ende von drei Tagen öffnete er ihren Brutkasten, um zu erfahren, was sie machen. Er fand, daß sie Kot hervorbringen. Und aus dem Kot kommen Mücken. Und die gediehen prächtig und sie fmßen diese. Und er las über ihnen den Schriftvers: Wer bereitet dem Raben seine Speise'!" (Midrasch ha-Gadol IV, 16)207

Damit ist nun die Überlieferung von Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel als Ätiologie der Erdbestattung überhaupt zu e inem in der jüdischen Haggada wohlbekannten Stoff geworden, der auch über die Grenzen des Juden­tums hinaus wahrgenommen und aufgegriffen wurde.

207 Hebr. Text bei SCIIEC~ITER 1902. 11 6- 11 7.

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3.2. Islamische Überlieferungen

3.2. 1. Koran

Unter den alttestamentlichen Stoffen, die von Mohammed im Koran aufgegriffen wurden, befindet sich auch die Geschichte von Kain und Abel. Sie zieht Gen 4, 1-16 jedoch nur sehr selektiv heran und verbindet damit weitere nachbiblische jüdische Traditionen, wobei der Höhepunkt der Passage offensichtlich in der abschließenden Belehrung zum Thema "Leben nehmen und Leben erhalten" liegt. Abcl und Kain werden namentlich nicht genannt, sondern nur als die "zwei Söhne Adams" vorgestellt. '2Ol Nach einem kUf7..en Bericht von dem Opfer beider Brüder, ihrem Wortwechsel und dem Mord selbst folgt nun auch die Szene von Abcls Bestattung nach dem Beispiel der Raben:

"5,3 1) Gott schickte nun einen Raben, der in der Erde scharrte, um ihm zu zeigen, wie er die Leiche seines Bruders verbergen könne. Er sagte: 'Wehe! War ich (denn von mir aus) nicht imstande, (so klug) zu sein wie dieser Rabe und die Leiche meines Bruders zu verbergen?' Und er empfand nun Bedauern (und Ärger über das, was geschehen und nicht mehr zu ändern war) (w. er wurde einer von denen, die bereuen (etwas

verkehrt gemacht zu haben» . 32) Aus diesem Grund (d.h. aufgrund dieses Brudermordes) haben wir den Kindern Israel vorgeschrieben, daß, wenn einer jemanden LöLet, (und zwar) nicht (etwa zur Rache) für jemand (anderes, der von diesem getötet worden is t) oder (zur Strafe für) Unheil (das er) auf der Erde (angeric htet hat), es so sein soll , als ob er die Menschen alle gelötet hätte. Und wenn er jemanden (w. ihn) am Leben erhält (w. lebendig machO, soll es so sein, als ob erdie Menschen alle arn Leben erhalten (w. lebendig gemacht) hätte." (Sure 5.3 1-32134-35)209

XlII "Und verlies ihnen der Wahrheit entsprechend die Geschichte von den heiden Söhnen Adams ... " (5,27130). Ihre Namen werden nirgends im Koran erwähnt und erst von den nachfolgenden Kommentatoren al s "Hlbi l und KIbi]"' eingeführt. Diese Namensform entspricht in ihrer Lautangleichung anderen Namenspaaren der islamischen Tradition wie etwa Talut und Dschalut (= Saul und Goliath), ladschudsch und Madschudsch (= Gog und Magog) oder die beiden Engel Harut und Marut · vgl. HEl.! ER 1928, 211 . Von Interesse ist auch, daß heide Namen später nicht als Eigennamen von Personen begegnen, also möglicherweise tabuisiert gewesen sein könnten.

lO9 Übers. nach PARET 1985, 82. Die Verszählung differiert in den verschiedenen Koranausgahen je nachdem, welche der 7 kanonischen Lesarten zugrundegelegt ist. Paret folgt der heute weithin üblichen Kairoer Zählung· viele europäische Ausgaben (wie auch die von HENNING 1980 bei

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66 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

Im Hintergrund dieser Passage steht jene Fassung der haggadischen Uberlieferung von Abels Bestattung, wie sie in Tanch Ber § IO enthalten ist. 210 Übereinstim­mung besteht in den beiden wesentlichen Momenten. daß a) Kain der Akteur der Bestattung ist und b) das Beispiel von einem ausdrücklich auf Gottes Befehl hin entsandten Vogel gegeben wird . Allerdings bestehen auch einige markante Unterschiede: so tritt stall der beiden Vögel nur ein e inzelner auf, der mit seinem Scharren auf dem Boden die An der Bestattung eher andeutet als vorfUhrt; an die Stelle der reinen Vögel ist der unreine Rabe getreten;111 sein Beispiel schließlich führt zur Reue Kains (auf der angesichts des folgenden Satzes wohl besonderes Gewicht liegt),212 ohne daß die Bestattung selbst dann noch berichtet würde. Dieser großzügige Umgang mit der jüdischen Tradition wirft die Frage nach der

Reclam) bieten hingegen diejenige der Schule von Basra, die G. AUgel 1834 mit seiner arabJdt. Ausgabe dem Abendland vermitlelte und die hier nach dem Schrägstrich angegeben ist.

110 ZunächSI zogen GEIGER (1833, 103-105 bzw. 1902, 101-103) und T1SDALL 1905 (62-66) -wohl Unler dem Eindruck des im Koran auftretenden Raben - PRE 21 als Quelle heran (so auch noch die Anm. z.SI . in der Reclam-Ausgabe). was nun auch bei beiden Erörterungen darilber erforderlich machte. daß statt des Kain don Adam und Eva den Abel bestatten . Viel wahr­scheinlicher ist hingegen. daß genau umgekehrt die PRE den Raben aus der islamischen Tradition übernommen haben (s. oben). Bei SPEYER 193 1 (84-88), SIDERSKY 1933 (16-18). SnUMAN 1974 und PARET 1977 (1 19f) wird dann der l:iezug aufTanch Ber §IO kJarherausgestelh (Dei $IDERSKY 1933 mit Kri tik an GEIGER und T1SDALL). WER. 1845 (390, der nicht den Koran, sondern die spätere Legende referien, ruhrt in ei ner Fußnote den Jalkut (wohl zu Hi 925) an, woft1r ihn DMINHARDT 1 1907 (249) der falschen Quellenangabe rügt und auf PRE 21 verweist - zu Unrecht, da der Jalkut an dieser Stelle die PRE aufgenommen hat (s. oben 3. 1.6.). Zuletzl hat dann schließlich ROGER 1981 (s. oben 3.1.4.) jenen Passus im Pentateuchkommenlar des Jakob ben Ascher als Quelle bestimmt, Tanch Ber § 10 aber einer späteren Zeit zugeordnet. Diesen Vorschlag grein auch ULRlCJI 1981b auf. jedoch mil mehr Zurückhaltung: "Sure 5.3 1 ist in sich nicht schlüssig, SO daß die Frage erlaubt sein dürfte, ob dem Korantext verschiedene Vorlagen zugrunde lagen." (54). Dazu, daß der Text Jakob ben Aschers wohl eher umgekehrt schon islamischen Einfluß erkennen läßt, s. oben 3.1.4.

111 Dazu. daß ein solcher Austausch nahelag, gilt das meiste von dem oben schon Gesagten. Außerdem waren rur arabisches Denken die mit den beiden reinen Vögeln verbundenen Segens­sprüche fremd - vertraut hi ngegen war sicher der an den Karawanenwegen zu findende Rabe. Der arab. terminus ftlr Rabe (,8:wllob) kehn in einer Reihe von Ortsnamen wieder; in der allarabischen Dichtung ist er der am häufigsten erwähnte Vogel (JACOB 1895. 32). Ein Midi aniterrurst mit dem Namen "~iP" wird in Jdc 7.25 erwähnt. In sprichwörtlichen WendungCll erscheint der Rabe auch hier ambivalent - teils geschätzi als scharfs ichtig. vorsichtig. prächtig oder sauber; teils abgetan als ruchlos und Unheil bewirkend.

m Von einer Buße Kains berichtet bereits Josephus Ant I 2,1 ("Durch ein Opfer des Kars und sein Aehen um Verl.eihung wurde nun GOI! zwar bewogen, ihm die Strafe rur den Totschlag zu erlassen. aber ... " ü.EMENT.l. 1990, 22), dann auch einige spätere JUd o Texte - so z.B. Targum Ps­Jonathan zu Gen 4,24: LevR 10.5; DtnR 8,1; PRE 21: vg!. dazu RAI'PAPORT 1930, 85 Anm. 35.

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Islamische Überlieferungen 67

Art ihrer Vermittlung auf, die aller Wahrscheinlichkeit nach eine mündliche war.2Il Die Sure 5 gilt als die letzte, die in Medina entstand.214 Bei seiner An­kunft in Medina 622 fand Mohammed dort eine starke jüdische Bevölkerung vor,m die nicht nur einen realen Machtfaktor darstellte, sondern auch durch ihr

Brauchtum und ihre Frömmigkeit einen großen Einfluß ausübte.216 Nachdem er bereits in Mekka fundamentale jüdische Glaubenssätze aufgenommen haue, konnte er auch in Medina die moralische und religiöse Unterstützung der jüdischen Be völkerung zunächst nicht enlbehren. 2I1 Hier waren also zahlreiche Berüh­rungspunkte gegeben. Aus dem reichen Repertoire jüdischer Überlieferungen um Kain und Abel fiel die Wahl jedoch nur auf einige wenige,218 wobei die Über­lieferung von Abels Bestattung zweifellos die erzählerisch interessanteste darstellt. Gerade s ie vennochte als Ätiologie der auch bei den Arabern üblichen Erdbestat­tung ein weiteres Mal jüdische Tradition als Kronzeugin der geoffenbanen Wahrheit dienstbar zu machen in einem neuen Kontext. in dem jene Ätiologie nur eine untergeordnete Rolle spielt.

3.2.2. Ibn Hisham

Die nachfolge nde is lamische Literatur hat die Geschichte des Brudermordes und der Bestattung Abels. die im Koran nicht viel mehr als einen knappen Auszug der reichen jüdischen Tradition bietet, unter Aufnahme 7..ahlreicher we iterer Über­lieferungen neu erzählt und ausgeschmückt Sie begegnet von nun an als fester Bestandteil der Koranexegese, in Werken einer universalen Heilsgeschiehts -

111 Vgl. die Diskussion und die Argumcntc fUr eine mündliche Übcrmiulung bei R UDOI..PII 1922, 9·25.

11' SllLL.MAN 1974: "What we have here, therefore, is a chaptcr of rcvelations from a rather advanced stage ofMuhammed' s psycho-religious development after he had experienced a diverse variety of influcnces."

m Jüdische Stllmme hattcn vormals in Medi nadas Übergewicht und waren erst allmählich von arabischen Stllmmen zurückgedrängt worden (vgl. BOUMAN 1990, 59).

116 Vgl. BOUMAN 1990,59-63; dazu HIRSO~BERG 1939, 11-40.

m Vgl . Boup,.iAN 1990.60. Dabei ging es Mohammedjedoch vorrangig um d ie Gewinnung der

arabischen Stllmme - die Juden spielten dabei eher eine Nebenrolle. Schon bald darau f wurden sie aus Mcdina vertrieben bzw. ausgerottet.

m Neben Abels Bestattung greift der Abschnitt zurück auf das Opfer beider Brüder, ihrcn

Disput, Kains Buße und die Auslegung vom PluraJ bei dem Won Blut auf "wie ciner, der die ganze Menschheit erschlagen hat .. ... - vgl. dcn Nachweis der einzelnen Quellen am besten bei SPEYER 1931. 84-88.

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68 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

schreibung und in den mehr volkstümlich populären Prophetengeschichten.lI9

Als Gewährsmänner für die früheste nachkoranische Überlieferung gelten zunächst 'Abd Allah ibn 'Abbäs (7. Ih.)'" und Wahb ibn Munnabih (718. Ih.),''' auf die - häufig wohl unter Formzwang - auch viele später aufgezeichnete Traditionen zurückgeführt werden. Dies geschieht etwa in dem "Buch der Kronen" des Ibn Hishäm (Anf. 9. Jh .),2'22 dessen Fassung der Überlieferung somit Anspruch auf ein höheres Alter erheben kann. Nach einem Bericht über den Streit der Brüder um die schönere der beiden Zwillingsschwestern, den das Opfer nach Kains Vorschlag dann als ein Gottesurteil entscheiden soll ,22J folgt die ErL.ählung vom Mord und von der Bestattung:

"Wahb sprach: Ibn 'AbMs sprach: Qäbil tötete ihn mit einem Stein, mit dem er seinen Kopf zerschmetterte. Öubair Ibn Mut' im sprach: Er tötete ihn vielmehr mit einem Dachsbeil , das er bei sich trug und womit er das Haus gebaut hatte. Wahb sprach: Als Qäbil ihn tot sah , nachdem cr ihn getötet hatte, trat er auf ihn zu und rief '0 Häbil , 0 Habil!' Als der ihm nicht antwortete, drehte er ihn um, um ihn zu bewegen. Als er merkte. daß Habil tot war, sich nicht bewegte, keine Antwort gab und nichts sah , bereute Qäbil. Furcht packte ihn und er erkannte. daß Habil tot war. Todesangst ergriff ihn. Er wußte, daß er Galt gegenüber ungehorsam gewesen war. Nun suchte er nach einer List rur ihn, wußte aber nicht, was er tun soHte. Die Erde wurde ihm zu eng. Da schickte GOll zwei Raben.

119 Daß die Überlieferung vom Beispiel der Raben auch in einem philosophischen Werk auftaucht (s. unten 3.2.8.). belegt einmal mehr ihre Verbreitung und ihre durch den Koran gesicherte Autorität.

:w , Abd AJlMl ibn ' Abbäs (gest. 687) fUhrte ei n politisch a1ctives und bewegtes Leben. Seines umfangreichen Wissens wegen (er benutzte auch Mitteilungen konvertiener Juden) galt er als der "Doktor" der Gemeinde und erhielt den Beinamen "das Meer" • vgl. EI(D) I, 20-21.

III Wahb ibn Munnabih (656·728) war persischer Herkunft und lebte in Südarabien. Späteren Gerüchten zufolge soll er vom Judentum zum Islam UbergetJeten sein . Grund ftlr diese wenig wahrscheinliche Nachricht ist wohl seine gen aue Kenntnis jUdischcr und christlicher Quellen. Viele der Zitate bei Ibn Hisham greifen eine verlorengegangene Schrift Wahbs zur Urgeschichte auf. Vgl. dazu EI(D) 4, 1173· 1175.

l:tl lbn Hishlm (gest. 834), der vor allem als arab. Grammatiker wirkte, wurde in Basra geboren und starb in Ägypten. Neben einer Überarbeitung der Biographie des Propheten iSl eine Sammlung biblischer und SÜdarab. Legenden erhalten.

lD Die Geschichte vom Streit um die Zwillingsschwestern ist jüdischen Ursprungs (GenR 22: später dann PRE 21 . vgl . insgesamt APToWTTLER 1922, 19·23) und wird vor allem in der syr. "Schatzhöhle" (BEZOl.D 1883, 70 sowie den von ihr abhängigen Schriften (äth. Adambuch, DILLMANN 1853. 67·70; MALAN 1882, 91·97: "Buch der Biene", BUOOE 1886, 24·26) brei t entfallet. Für arab. Empfinden war sie sicher besonders plausibel. Neu ist jedoch der Gedanke, daß das Opfer in diesem Konnikt als Gottesurteil fungieren soll.

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Islamische Überlieferungen

Sie kämpften miteinander. Einer tötete den anderen. Als der tot war, suchte der lebende Rabe so lange, bis er in der Erde eine Furche gezogen hatte. Dann zog er den toten Raben dorthin und legte ihn in die Furche. Qä.bil meinte: 'Der Rabe weiß, was er mit seinem Bruder tun muß! Was soll ich anderes tun , als meinen Bruder gleichfalls in der Erde zu ver· bergen.' Als er gegraben haue, um ihn zu verbergen, kam Hauwä, um beide zu suchen. da sie ihr aus den Augen geraten waren. Sie sah. wie er ihm ein Grab gegraben hatte, und fand Häbil als Toten. Sie nahm ihn, brachte ihn zu Ädam und sprach zu ihm: '0 Ädam ! Das ist Häbil! Ich habe ihn angesprochen, doch er spricht nicht zu mir. blickt nicht und bewegt sich nicht!' 'Was hat er?', fragte Ädam . Da sagte Qäbil zu ihm: ' Ich habe das mit ihm gemacht! ' Ädam sprach daraufhin : 'Verlaß mich! Du hast dich gegen Gott gewendet. Hüte dich, mir zu begegnen! ' Qäbil ging davon, ohne Ädam danach wieder zu begegnen. Adam sagte zu Hauwa: 'Das ist der Tod, von dem ich dir Kunde gegeben habe. Lerne von ihm ! Du wirst ihn [Habil] bis zum Tage des Gerichts nicht sehen, wenn er zu der Erde zurückkehren wird, aus der wir geschaffen worden sind.' Als sie sicher war, daß sie sich von ihm trennen mußte und sie ihn nicht mehr sehen würde, wurde das Leid groß, sie erhob die Hände zum Himmel und schrie. Deshalb fUhrt jede Frau auf Erden, wenn sie Unheil trifft, von da an die Hand zum Kopf und schreit, wie es Hauwä getan hat. "U o!

69

Beide Brüder werden nun auch namentlich benannt. Die Diskussion um die Mordwaffe läßt die Kenntnis der vergleichbaren Diskussion unter den Rabbinen vermuten.m Besondere Ausschmückung erfahrt das Moli v der ersten Kon· frontation Kains mit dem Phänomen des Todes überhaupt. das sich bei Eva wiederholt - allein Adam weiß dasselbe (offenbar in Erinnerung an Gen 3,19) zu deuten.tl6 Mittlerweile sind es auch zwei Raben geworden, die miteinander kämpfen und die Bestattung schließlich vollständig vorfUhren.l21 Von einer Reue Kains wird hingegen nichts gesagt· er beginnt un verzüglich, das Grab auszuhe· ben. Neu ist auch der Zug, daß Kain die Bestattung nicht mehr ausführt, da Eva

UI Arab. Texi bei Ibn Hish1m. Kitäb at·1igln. $anaa 11979. 23. Für den Hinweis auf diesen Text und rur seine Übersetzung gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. H. Preißler von der Universiläl Leipzig.

llS Vgl. dazu APToWITl.ER 1922, 44-52 und oben Anm. 36.

1:» Es fi ndel sich m. W. sonst nur in der chri stlichen "Palaea historica" (8.19. Jh.), s. oben 2.2.1 .. dort ist es Adam. der von einem Engel belehn und auf das Wort aus Gen 3.19 verwiesen werden muß.

l7I Tanch Ber § 1 0 iSt hier getreuer als im Koran Sure 5 aufgenommen worden .

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70 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

das Geschehen zuvor entdeckt und den toten Abel zu Adam bringt.2:2I Es scheint, daß Abel daraufhin von den Eltern bestattet wird , nachdem Kain von Adam vers toßen worden ist. Die Ätiologie der Erdbestattung wird auf diese Weise noch mit einer Ätiologie des Trauergestus' und der Totenklage der arabischen Frauen verbunden. Wahb Ibn Munnabih hat hier ~ anders als im Koran ~ den Akzent vom Gedanken der Buße und der Achtung menschlichen Lebens wieder stärker auf den ätiologischen Charakter der Überlieferung gerückt und sich dabei des reicheren haggadischen Materials bedient.

3.2.3. aJ-T.bari

Eine weitere Fassung der Überlieferung von Abels Bestattung findet sich bei dem arabischen Historiker al~ Tabari (9.1 10. Jh.), dessen " Annalen" eine Kompilation der Weltgeschic hte von der Schöpfung bis zur Hidschra im Jahre 622 darstellen und die Fülle aller vorausliegenden is lamischen Traditionen gesammelt haben.229

Dieses gewaltige Werk in 13 Bänden ist von späteren Koranauslegem und Historikern dann häufig benutzt worden und hat eine breite Wirksamkeit entfaltet. Auch al~Tabari setzt in der Geschichte von Kain und Abcl mit dem Streit um die schönere der Zwillingsschwestern ein. läßt abcr seinerseits Adam das Opfer als Gottesurteil vorschlagen. Ober die Darstellung bci Wahb hinaus malt er noch die unterschiedliche Qualität der Opfergaben aus und greift damit wiederum haggadi~

sche Vorbilder auf,2X1 die jedoch in den Zusammenhang eines Gottesurteils nicht recht passen wollen . Mord und Bestattung habcn dann folgende Gestalt

"Or, un jour, Abcl ttai t endormi sur une montagne; Ca"in y alb, prit une grande pierre, la lan~a contre la tete d ' Abel elle tua. 11 prit sur san dos le cadavre, dans la crainte d ' Adam, et se mit A parcourir le monde, le portant toujours sur son dos. Cai'n ne savail que faire du corps d ' Abcl, cl il rcsta slupefail Alors Dieu inspira A deux corbeaux d'aUer devant earn el de combattre (' un contre l'aulre . Un de ces corbeaux tua I'autre, ensuite il

va Diese Wendung eröffnet die Möglichkeit. auch die Trauer der Eltern über dem leichnam zu schildern . In späteren Überlieferungen erfahren Adam und Eva durch das Beben der Erde von dem Mord, und Adam findet den leichnam schließlich beim mugen (s. unten 3.2.7.).

ut Al-Tabari (ca. 839-923) aus der Provi nz Tabaristan erwarb sein Wissen auf ausgedehnten

Reisen . 877 ließ er sich in Bagdad nieder und zog dort als lehrer eine große Schar von Schülern an . Unter vielen Werken sind die " Annalen " das bedeutendste . Vgl . dazu EI(D) 4. 625.{i27 sowie die Einleitung bei GoElE 1902.

1)0 Vgl. dazu AP'roWlrt.ER 1922 . 37-4 1; schon bei Phil0 (Sacr 52-139) wird d ieses Motiv

ausgeffihrt.

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Islamische Überlieferungen

creusa un trou avec son bec et cacha sous la telTe le corbeau mort Caln

dit: Je n 'ai pas tant d ' inteUigence que ce corbeau. Moi aussi je d~poserai

mon frere sous la terre. Ensuite il enteITa Abel. Le premier homme qui tua

son semblable fut CaIn, et le premier homme qui fut mis au tom beau fut Abc!." (Annales I, 30)'"

71

Eigentümlich ist der Zug, daß Kain den Abel im Schlaf erschl ägt (vgl. auch Abb.

1). Die Hilflosigkeit Kains wird daraufhin mit der Furcht vor Adam verbunden und führt zu dem ebenfalls neuen Motiv, Kain habe den Leichnam nun auf seinem

Rücken mit sich herumgeuagen.232 Davon erlöst ihn erst das von Gott gesandte

Rabenpaar, das nun in der bekannten Weise verfahrt. Kain begreift und fuhrt die

Bestattung aus. Daraufhin aber wird die vorrangig ätiologische lntention der

ganzen Passage noch einmal betont zum Ausdruck gebracht: Kain ist der erste, der

seinesgle ichen e rschlug; Abel ist der e rs te, der in e in Grab gelegt wurde. Es

scheint, al s ob al-Tabari die Geschichte unabhängig von Wahb ibn Munnabih

erzählt und aus e igener Kenn tnis jüdischer Quellen geschöpft habe.m

3.2.4. al- Kisä' i

In den populären Prophetengeschichten des persischen Dichters al-Kisä'i (10. Jh.)2l-4 begegnet die Überlieferung von Abels Bestattung in einer Mischun g von

Koran-Zitaten und freier , auf verschiedenen jüdischen und chri stlichen Quellen

beruhender Erzählung. Auch s ie setz t mit dem Opfer der Brüder e in , das jedoch nicht ei n Gottesurteil im Konnikt um die schönere Schweste r e rkennen lassen,

sondern ganz allgemein auf Adams Betre iben hin die Gunst Gottes ergründen soll .

So wird e in regelrechter Wettbewerb geschildert, bei dem he ide das Beste geben -Abels Opfer aber wird allein angenommen. Das Motiv Kains für den Mord ist nun

die Furcht, es könnten in Zukunft die Kinder des bevorzugten Abels über die

seinen herrschen, worauf der Beginn der Geschichte im Koran Sure 5,28-29/30-3 1 zitiert wird. Darauf folgen Mord und Auftritt der Raben:

III Übers. nach ZOTENBERG 1867, I 90. m Dies geschieht also offensichUich nicht zum Schutz vor wilden Tieren (wie bei aI Tha' labi -

s. unten 3.2.5.; vgl . auch EISENBERG 1913 und HA .I .ER 1928), sondern zur Verheimlichung der Tat vor Adam.

m Das Vorgehen , die Erken ntnis Kains und die Beslattung geben Tanch Ber § 10 sehr getreu wieder mit dem einzigen Unterschied, daß hier eben Raben auftreten und die Segenssprüche fehlen. Der Passus zur Qualität der Opfergaben verrät ebenfalls eigenständige Qucl lenkenntn is. Die neuen MOIive Jassen sich am ehesten als eigene Gestahung a1 -Tabaris verstehen.

lJoO AI-Kisll ' i (953-1002) gehört mil seinem Werk in die erste Periode der persischen Poesie.

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72 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

" As they were headed back from Mina, the place of sacrifice, to the dwelling of their father Adam, Abel walked in front of Cain. Cain took a large rock, struck his brother on the head and killed hirn . Then he paced around hirn , sorry for what he had done, as He hath said: ' But his soul suffered hirn to slay his brother, and he slew hirn ; wherefore he beeame of the number of those who perish (5.30).' Then there appeared Lwo ravens, who fought together; and one slew the other. The vietOT scratched the earth with its feetto dig a hole, into which it dragged the dead one and buricd it. Thus Cain said Lo hirnself, "'Woc is me! am I unable 10 be like this raven, that I may hide my brother' s shame?" and he beeame one of those who repent (5.31).' When the two were late in retuming, Adam set out LO look fOT them, faund Abel slain and was stricken with grief. The earth was drenched with Abel's blood, and the trees and Oowers of the surrounding area had withered . ... Then Adam carried his son Abel over his shoulders, his eyes weeping and his heart full of sorrow. He and Eve wept over hirn for forty days, until God spoke to hirn , saying, "Cease your weeping, for I shall give you another child as pure as Abel, who shall produce prophcts and apostlcs." So their sorrow passed away, and they came togelher in the TabernacJe of Glad Tidings, where Eve eoneeived Seth ." (The Tales of lhe Prophets 33)235

Offcnsict:llich wird das Beispiel der Rahen also gar nicht befGlgt und die Erzäh· Jung fährt in der Tradition der syrischen "Schatzhöhle" fort. Dies verrät eine gen aue Kenntnis der jüdischen und christlichen Überlieferun g. Unmittelbar neben einem korrekten Koranzitat etwa wird das vorausgehende Beispiel der Raben gerade nicht nach dem Koran , sondern sehr viel genauer nach Tanch Ber § 10 erzählt ;236 daß Adam den Abel findet, entspricht christlicher Tradition;137 die Veränderung der Erde nach dem Mord is t ein jüdischer TOpOS;238 die Bestattung in der Schatzböhle folgt wieder der christl ichen Tradition.2)9 Überdies fUgt aJ· Kisa' j auch noch einen Disput Adams mit Gott an , in dem eine grundSätzliche Aufklärung über das Phänomen des Todes erfolgt.240 Und schließlich wird

m Übers. nach THACKSTONE 1978, 77f. 1)6 Präziser als bei aI ·Tabari scham der Rabe z.B. mit den Krallen statt mit dem Schnabel . Darm

fehlt bei aI -Kisä'i ein Hinweis darauf, daß GOII die Raben gesandt hat. lJ1 Vgl. das äth. Adarnbuch (DILl.MANN 1853,74; MALAN 1882, 104). l3ll V gl. die Belege bei GtNZBERG 1909, 1 112 (Nachweise V 141 -142) und APTo wrrLER 1922.

55. 2)9 Vgl . das äth. Adambuch (DtLLMANN 1853, 74; MALAN 1882, 104). lM) Damit wird Wahb ibn Munnabih wieder aufgenommen (s. oben 3.2.2.)· vgt. dazu auch die

griech. "Palaca historica" (s. oben 2.2.1.).

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Islamische Überlieferungen 73

Adams Tod ganz ähnlich der frühjüdischen Überlieferung einer gemeinsamen Bestattung von Adam und Abel im Paradies durch die Hand der Engel berichtet. Als Adam von seinem Sterbebett aufblickt, sieht er den Himmeloffenstehen:

"His child Abel was represented to hirn standing between heaven and earth and crying. "Hasten! Hasten! Greatly have I longed for you, father!"

Then the Angel of Death gave hirn the Nectar of Separation. He drank it and departed this life .... Then Gabriel washed Adam's body with water of Paradise and wrapped hirn in shrouds from Paradise. When hc had finished, Gabriel told Seth to come forth and pray over his father, so he carne forward and prayed, with Gabriel , Michael, Israfel and all the innumerable hosts of angels standing behind hirn . It is said that he pronounced the Great Exaltation over his father seven limes. Then the angels of heaven prayed and after them the beasts of the earth, standing in rows. They laid hirn in a grave, his head at the sile ofthe Kaaba and his feet stretched out." (The Tales of the Prophets 36)241

Abel findet dabei allerdings keine Erwähnung mehr, wenngleich seine Worte vom

Himmel herab das alte Motiv des Bestattungsaufschubs ahnen lassen. Wenig später wird Eva an Adams Seite beigesetzt. wobei auch hier Anklänge an die frühjüdische Tradition zu spüren sind.242 So bietet die Überlieferung von Abels Bestattung im Werk al-Kisä' is ein Beispiel für den regen Austausch zwischen jüdischer, is lamischer und christlicher Kultur im Persien des 10. Jhs.

3.2.5. al-Tha ' lab;

Ebenfalls im Rahmen der Prophetengeschichten fmdet sich die Überlieferung auch bei dem Theologen und Koranexegeten al-Tha 'labi (10.1 11. Jh .)24l:

"Muhammed b. Garir at-Tabari erzähhe folgendes: Ga 'far as-Sädiq sagte in Basra an der Stelle der Großen Moschee: Nachdem er ihn getötet hatte, ließ er ihn liegen und wußte nicht, was er mit ihm tun sollte, weil es der erste Tote auf der Erdoberfläche von den Kindern Adams war. Doch die wi lden Tiere kamen zu ihm . Da nahm er ihn in einem Sack auf den

2011 Übers. nach TUACKSTONE 1978, 83f. loH Ihre Töchtct hüllen sie ebenso in cin Leichentuch vom Paradies. Zuvor wird ein interessanter

äti ologischer Zug mit der Nachricht von Adams Tod verbunden: "Eve ren! her clothing, cried out and beat her face and breast (a habit she bequeathed 10 her daughters until thc Day of Resurrection). Then she remained by Adam's tomb for forty days, never tasting sleep." (1)IACKSTONE 1978. 85)

;Wl AI -Tha ' labi (gest. 1035) erlangte Bedeutung vor allem durch sei nen Korankommentar _ Popularität jedoch durch seine weit verbreiteten und häufig gedruckten Prophetengeschichtcn.

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74 Überl ieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

Rücken für ein Jahr, um herumzuziehen. Vögel und wilde Tiere hefteten

sich an ihn, um zu sehen, wo er ihn hinwarf und ihn dann zu fressen. Da

schickte Gott zwei Raben . Sie kämpften miteinander. Einer tötete den anderen. Dann grub er mit seinem Schnabel und seinen Füßen [ein Loch],

damit er ihn in der Erde lunterbringenl konnte. Dann warf er ihn in eine

Grube und beerdigte ihn. Qä.bil schaute dem zu. Als er das gesehen hatte,

sagte cr: 'Weh mir! Kann ich nicht wie dieser Rabe sein und den Leich­nam meines Bruders beerdigen?' Von da an gehörte er zu den Reumüti­

gen, d.h. weil er ihn getragen, nicht weil er ihn getötet hatte. "244

Offensichtlich hatte aI-Tha ' labi die Fassung der Überlieferung bei aI-Tabari vor

Augen. Bereits im ersten Satz kommt dessen ätiologisches Interesse betont zum

Ausdruck - Abcl ist der erste Tote auf Erden. Der merkwürdige Zug, daß Kain den Abcl mit sich herumgetragen habe, wird präzisiert (in einem Sack, ein Jahr lang),

jedoch anders begründet: Kain verbirgt den Leichnam nicht vor Adam, sondern

muß ihn gegen die wilden Tiere schützen.1A5 Der Passus, der dann vom Beispiel

der Raben und der Reue Kains erzählt, schließt sich wiederum sehr eng an die

Fassung des Korans an, wobei die Reue eben in der Fürsorge Kains um den

Leichnam Abels eine neue Erklärung finde t.

"6 I B ·ct- . .). 4 .. a - aJ aw!

Bei dem Korankommentator al-Baidäwi (13. Jh.)246 wird die Geschichte dann "noch ums tändlicher" 2A7 erLählt ; e in kurzes Zitat bei N.A. Stillman läßt das

Beispiel der Raben in folgender Gestalt e rkennen:

"Als er ihn gelötet hatte, war er verwirrt und wußte nicht. was er tun sollte, denn es war der erste Tote von Adams Kindern. Da schickte Gott

zwei Raben. Die kämpften miteinander. Einer tötete den anderen. Dann

1M Arab. Tex! bei Al-Tha 'labi, Qisas al anbiyl\, Beirut 0 .1 ., 38f. Auch den Hinweis auf diesen Tex! sowie seine Übersetzung verdanke ich Herrn Prof. Dr. H. Preißler von der Universität Leipzig.

lA~ Darin klingt wiederum jUdo Tradi tion an . Nach PRE 21 bewachte der Hund von Abels Herde den Leichnam seines Herrn vor den wilden Tieren (s. oben 3. 1.5.). In der älteren Überl ieferung aber gilt das Interesse der wilden Tiere nicht dem Leichnam Abels. sondern der Person Kains, an dem sie den begangenen Mord rächen wollen .

206 Al -Baidäwi (Mitte 13.1h. - 1282/129111316) lebte in Persien; er verwaltete zei tweise das Richteramt in Schiraz. Sein Hauptwerk ist der große Korankommentar, dct häufig gedruckt und seinersei ts wieder mehrfach kommentiert wurde. Zudem verfaßte al-Baidl\wi noch eine Weltge­schichte von Adam bis 1275 in persischer Sprache.

lA7 So GRONBAUM 1882, 182.

Page 73: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

Islamische ütx.'I' lieferungen

grub er ihm mit seinem Schnabel und seinen Füßen (eine Grube). Dann warf er ihn in die Grube." (Anwär al· Tanzil 1,255)2048

75

Erst bei Vorlage des ganzen Textes wäre hier e ine ge nauere Bestimmung der von

al · Baidäwi aufgenommenen Traditionen möglich. Der kura. Ausschnitt zeigt

nächste Verwandtschaft zu der Fassung bei al ·Tha' labi, wobei jedoch die

vorheri ge Sorge Kains um den Leichnam zu fehlen scheint.

3.2.7. Wei tere Überlieferun gen

Als Bestandteil des Korans hat die Geschichte in der islamischen Literatur e ine

breite Wirksamkeit entfaltet und ist offensichtlich vielfach ausgeschmückt worden.

Sie wird in den Werken von WElL und von BASSET zusammenfassend refe·

rien .2A9 ebenso in den Lexikonartikeln von EISENBERG, HELLER, V AJOA und

KRAEM ER. In Fußnoten und bibliographischen Angaben finden sich dabei die folgenden Namen weiterer Tradenten: Ibn Sa 'd (8./9. Ih .); der arabische Schrift­

stelle r Ibn Kutaiba (9 . Ih.); der arabische Historiker und Geograph al· Ya' kiibi (9.

Ih .); der arabische Schri ftste ller, Historiker und Geograph a] · Mas' iidi (9./ 10. Ih.);

der Historiker Ibn al· Ath ir (12./13. Ih .); der arabische Geschichtsschreiber Ibn

Kathir ( 14. Jh .); der arabische Chronist Ibn Iyäs (1 5./16. Jh.).2S0 Eine Nach·

prüfung all dieser Belege - so aufschlu ßreich sie sicher wäre · kann hier nicht

erfolgen. Ihre Aufspürung in meist entlegenen und zudem in der Regel arabischen

Veröffentlichungen würde die Möglichkeiten dieser Arbeit übersteigen und mu ß

somit einer fachkompetentercn Untersuchung vorbehallen bleiben.IS I Soweit die genannten Zusammenfassun gen erkennen lassen, verdient freilich noch ein Zug

der weiteren Legende in diesem Zusammenhang Erwähnun g: Da Kain dem Beispiel der Raben folgte, erfuhr Adam lange nichts vom Schicksal seines Sohnes

Abcl und schrumpfte vor Kummer zusammen. Eines Tages, als er den Boden

201.1 Arab. Text bei $11LLMAN 1974, 237 1• Die Übersctzung des Zitates verdanke ich Herrn Prof.

Dr. H. Preißler. 2ot9 WEIL 1845, 37-41; BASSET 1926, 20 (Nr. 16). 2» Vgl. die genaueren Angaben und Hi nweisc bei EISENBERG 1913, BASSET 1926, 20 und

V AIJDA 1956. Einen Überblick über jene "Weltgeschichten" im islam. Raum. die auch die jUdo Geschichte beschreiben. bietet JAIIN 1972.

III 50 weit ich sehe. ist die biblische Urgeschichte im Gewande der islamischen Legende noch nirgends umfassend dargestell t und zugänglich gemacht worden. Es scheint. daß solche volks· tüml ich-Icgendarischen 5torre eher am Rande wissenschaftli chen Interesses stehen. Ihre Auf­arbeitung könnte jedoch ei nen wichtigen Beitrag leisten, die Übcrlieferungswege jüdischer und christlicher Tradit ionen zu erhellen .

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76 Überlieferungen um Abels Bestallung nach dem Beispiel zweier Vögel

pflügte. blieb der Pflug plötzlich stecken und ließ sich trotz größter Anstrengung

nicht weiterbewegen. Daraufltin grub Adam die Erde auf und fand den noch

erkennbaren Leichnam Abels. Nun erst begann er sich zu trösten und in den Willen Gottes zu schicken.2!i2

3.2.8. Ibn Tufail

Das Beispiel der Raben bei der ersten Bestanung kehrt noch einmal in einem ganz anderen Kontext wieder. Ibn Tufail (Abu Bakr), ein berühmter Philosoph des

Maghrib im 12. Ih .. griff es in seinem Roman "Hajj ibn Jaqzan" auC. 25l Darin

wird geschildert, wie der Knabe Ha] allein auf einer e insamen Insel aufwächst und

• ohne jede Beziehung zu anderen Menschen - allein durch genaue Wahrnehmung

seiner Umwelt und entsprechende Schlußfolgerungen nach und nach die ganze

menschliche Kultur von sich aus neu entdeckt, von den elementarsten Ver­richtungen bis hin zu einem detaillierten Spezialwissen und einem entwickcllen

philosophischen System. Zu Beginn nährt ihn ein Reh (bzw. eine Ga:t..elle), das

zugleich für seine erste Erziehung sorgt. Als es alt und krank wird. versucht er es

zu behandeln und erhält durch seine chirurgischen Experimente Kenntnis vom

lebenden Organismus. Als das Reh dann stirbt und sein Körper in Verwesung

übelgtht, lern t Ha] durch die Beooachtung von Raben, wit er es be~llitte ll .!.oll :

"In zwischen fing der Körper (des Rehes] zu stinken an und verbreitete so

üble Gerüche, daß sein Abscheu gegen ihn noch mehr vermehrt wurde und er ihn gar nicht mehr sehen wollte. Eins tmals trug es sich zu, daß er

zwei Raben miteinander kämpfen sah. bis einer den anderen geLötet hatte. Der lebendige scharrte so lange in den Boden. bis er e ine Grube gegraben

hatte. worin er den Toten mit Erde bedeckte. Da sprach er bei sich: >Wie

schön is t's, daß dieser Rabe fUf das Verscharren seines tolen Kameraden

sorgt, wenn 's gleich unrecht war, daß er ihn tötete, wieviel me hr hätte ich

dies an meiner Mutter tun sollen!< Er grub daher eine Grube, warf den Körper seiner Mutter hinein und deckte ihn mit Erde zu." (Ha] ibn Jaqzan

23)'"

m Vgl. dazu ausflihrlichcr WEIL 1845. 39 .... 1. Hier wird also vorausgcsctzt. daß Krun die Bestattung bereits ausgeruhtt hat. ohne daß Adam und Eva davon Kenntni s erhalten hätten .

m IBN TUFAIL. Ausgaben 1983 und 1987; vgl. dazu EI(D) 2. 451-453. l500 Übers. nach IBN TUFAtL 1983. 31f - der Ausgabe Schreiners liegt die Übersetzung G.

Eichhorns zugrunde. Vgl. auch die neueste Übers. O.F. Bests bei IBN l'UFAIL 1987. 55 (der zugleich eine ausfUhrliche Darstellung der Geschichte dieser Schrift bietet).

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Islamische Überlieferungen 77

Mit ihrem Ausgangspunkt bei Tanch Ber § 10 · sanktioniert durch die Fassung des Korans ~ hat die gesamte islamische Überlieferung konsequent Kain als den Akteur der Bestattung beschrieben. Ebenso hat der Rabe einen festen Platz als Bote Gottes in allen is lamischen Belegen. Die späteren christlichen Zeugnisse scheinen hingegen geschlossen jener Kombination zu folgen, die in PRE 21 vorliegt: Adam bzw. Adam und Eva bestatten den Abcl nach dem Vorbild zweier Vögel, wobei jedoch gerade der Rabe wieder zurücktritt.

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3.3. Griechische Überlieferungen in georgischer und türkischer Übersetzung

Erstaunlicherweise ist von der Uberlieferung einer Bestattung Abels nach dem Beispiel zweier Vögel im griechischsprachigen Bereich des christlichen Ostens bislang kein Zeugnis bekannt geworden. Wohl nahm man von christlicher Seite aus jüdische Überlieferungen sehr genau wahr, wie die Adaption zahlreicher Apokryphen zeigt - flir die vorliegende Überlieferung aber scheint es an einem geeigneten literarischen Kontext gefehlt zu haben. Der "Physiologus", der sich seit dem 2. Jh. zunehmender Beliebtheit erfreute und Raum für die mit dem Verhalten der heiden Vögel verbundene Geschichte hätte bieten können , nahm diese nicht auf. Seine Deutungen zielen auch ausnahmslos auf das Neue Testament, und eine tYPOlogische Beziehung der Bestattung Abels auf Christus legt sich nicht ohne weiteres nahe.m Das schon früh bei den Vätern ausgelegte Bild von Gottes Fürsorge für die Raben haben offenbar erst die PRE im 8./9. Jh. mit der Bestattung Ahels verbunden (s . oben 3.1.5.). Unbeachtet blieb diese Überlieferung ebenso in der etwa zeitgleichen griechischen "Palaea historica", deren Aneinanderreihung biblischer und apokrypher alttestamentlicher Begebenheiten besonders geeignet gewesen wäre.256 Angesichts der weiten Verbreitung, die jene alte Haggada von Abcls Bestattung dann in der kirchenslavischen Literatur gefunden hat, kommt der Existenz einer griechischen Vorlage allerdings große Wahrscheinlichkeit zu.m

m Vgl. zum Text sowie zur Überl ieferungsgeschichte LAUClIERT 1889: dazu auch PoUVKA 1892-96. Der Rabe findet im Physiologus keine Erwlltlnung. Krähe und Turteltaube werden um ihrer Witwen treue und ihrer liebe zur Einsamkeit willen genan nt - vor allem ersteres hätte einen Haftpunkl fllr das Vorbild bei der Bestattung bielen können. Kuriosa finden sich ansonsten zur Genüge. Zur späteren Einftigung des Raben in einer mal. Bearbeitung vgl. oben Anm. 188.

ß6 S. oben 2.2.1. Die "Palaea historica" schilden die Verwesung Abels in einer Felshöhle; das Phänomen des Todes erläutert ein Engel als Gottesbote. Die kirchenslav. "Tolkovaja Paleja" haI dann die Bestattung nach dem Vorbild der Vögel aufgegriffen - s. unten 3.4 .2.

m Die kirchenslav. Literatur ist lange Zeit vorwiegend Übersetzungsliteratur aus dem Gricch. gewcscn. Erst seit dem 14. Jh. gib! es in geringem Umfang auch Übersetzungen aus dem Hebräischen. Die lange Diskussion um eine hebr.-kirchenslav. Übersetzungsliteratur zur Zeit der Kiever Rus' wird heute nur noch sehr zurückhaltend geruhr! - vgl. dazu den Überblick bei PoDSKALSKY 1982. 78-80 und A1...EKS EEV 1987.

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Griechische Überlieferungen in georgischer und türk.ischer Übersetzung 79

3.3.1. Das georgische Märchen von "Jungfrau und Jüngling"

Wie eine solche griechische Vorlage nun ausgesehen haben könnte, zeigt ein georgischer Text, der die Überlieferung von Abels Bestattung in einen ganz neuen Kontext eingebettet hat. Es handelt sich um die Erzählung von "Jungfrau und Jüngling", die - neben ihrer handschriftlichen Verbreitung - 1893 bereits in 14. AuOage gedruckt vorlag .2.SS Diese in Georgien offenbar sehr populäre Erzählung berichtet von einem reichen Ehepaar, das in die Ausbildung des langersehnten Sohnes alles Vermögen investiert und darüber verarmt. Um das Elend zu wenden, verläßt der mittlerweile an einer philosophischen Schule hochgebildete Sohn mit seinen Eltern die Heimat, verpfändet Vater und Mutter einem fremden König al s Sk.laven und zieht - von dem Erlös mit Pferd, Mantel und Waffen ausgerüstet - auf der Suche nach se inem Glück davon. Unterwegs begegnet er einem Boten, der ihm, nachdem er die Geschichte des Jünglings gehört hat, aus Mitleid einen Brief an eben jenen König samt dem für seine Ausrichtung zugesagten Lohn überläßt. Von Durst geplagt öffnet der Jüngling den Brief. um mit dessen Wachstuchhülle für sich und sein Pferd Wasser zu schöpfen - und entdeckt dabei, daß der Inhalt des Schreibens die HinriChtung des Überbringers fordert. Dem Tode entronnen gelangt er in eine Residenzstadt, in der ihn ein altes Mütterchen aufnimmt. Sie erzählt ihm von der Königstochter, die aufgrund eines Gelülx1es nur jenen Mann heiraten wilJ. der sie an Weisheit übertrifft - wer aber unterliegt, verliert sein Haupt. Der Jüngling tritt den Wettstreit an, der sich über vier Tage ers treckt. Drei Tage lang stellt die Prinzessin dem Jüngling eine lange Reihe von Rätselfragen, die sein philosophisch gebildeter Verstand sofort löst; am vierten Tag gibt er ihr ein Rätsel auf, das verschlüsselt nach seiner eigenen Geschichte und seiner glückl ichen Errettung vom Tode fragt. Die Prinzessin erbittet Aufschub, besucht ihn des Nachts mit zwei Dienerinnen und entlockt ihm bei starkem Weingenuß und Zärtlichkeiten sein Geheimnis. Tags darauf vermag sie die Frage zwar zu lösen, doch der Jüngling erbittet eine letzte Chance, fragl wiederum verschlüsselt nach dem Besuch der letzten Nacht und erwähnt als Beweisstück den von der Prinzessin versehentlich zurückgelassenen Schleier. So muß sich die Schöne geschlagen

2Sf "Dcvica i Junob" _ cine russ. Übers. des ganzen Textcs veröffcntlichtc DUMBAOZE 1892, Studcnt am Transkaukasischcn Lehrcrseminar. nach einer (hsl.?) Überlicferung aus Kartalinja. CIiAOtANOv 1894 bezog sich in seincm Artikcl über die georg. Apokryphenlitcratur auf dic 14. georg. Druckauflagc (Tbilissi 1893) der Erzählung (38), dic cr dann 1895 in seinem "Abriß der georgischcn Litcraturgeschichtc" noch ein mal zusammenfassend referierte und in ihrcm Rätseltcil YOll ständig wiedcrgab (175-182). Vgl. dazu LODTKE 1919-20, 167-168. Eine Übersctzung des gan?cn Textes mit allen bekannten Varianten im Fragentcil befindet sich in Vorbercitung (Chr. BÖttrich. Biblische RälSelfragen in dem Märchen von "Jungfrau und Jüngling").

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80 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

geben, und die Geschichte nimmt mit Hochzeit, Einsetzung in die Regierung und Auslösung der Eltern ein glückliches Ende.

Von besonderem Interesse sind nun die Rätselfragen der Prinzessin , die neben

Allgemeinem oder Spitzfindigem hauptsächlich biblische und apokryphe alttesta­mentliche Stoffe zum Inhalt haben .:z.~9 Eine davon greift die Überlie ferung von Abels Bestattung auf. Sie hat nach der Druckfassung die folgende Gestalt:

"KTO 61iJTh TO'1"h (Btcrlmrh), 10T0par<J Don nOCJIBlTh X'b AIlBYY?

- BOPOH'h, npaßeTtBmiA: I:'h AnsldY , XOTOPHä no y6ieuiH

KSIilHOVb ABeJHI, Ue3RBJI'h tITO ntnsTb. IIpHßeTt,.nH UM BOIXlHS ,

OnHU'h y6HJI'h npyrsro, pS3pfilß'h 3eldßD H noxopORaß'h ero.

YBHIDI 3TO, AnSYb Y3HSß'b , l.lTO ew.y ntnHTb: BI:lpHß'h ldoMmy H

noxopOHHß'h ABeßSI ."

"Wer war der (Bote) , den Gott zu Adam sandte? - Ein Rabe, der zu Adam herbeigeflogen kam, der nach der Ermordung Abels durch Kain nicht wußte, was zu tun sei. Es flogen zwei Raben herbei , einer tötete den anderen , grub die Erde auf und begrub ihn. Als Adam dies sah , erkannte er, was er zu tun hatte: Er hob eine Grube aus und begrub Abel. ,,260

Davon weicht die Fassung Dumbadzes geringfügig ab: "KTO 6Hß'h TOT'b , I:OTOpSro DOr'h nOCßHJI'b HH 3e:unD , HO

nOCßHHHfilA: 6fi1JI'b He H3'b SHreßOB'b, He H3'b JIDne A: H He H3'b

nbSlBOJIOB'b? - 3TO BOPORH , npHneTtBllIHSI X'b AnHldY , I:orne.

K8.HH'h y6HlI'b ABenR : Anfl},{'b He 3UM'b, l.lTO CnMHTh eh TPynOU"b

ABellSl ; Tarne. npHJIeTtne UBt BOPOHH ; onRS H3'h HHX'b

3HXlIeBSlIS npyrYD H 3HI:ODe.lIH ee B'b 3eldJID ; AnHu'b YBHntn'b

3TO H nocTynHJI'b Da npHldtpy BOPOHfiI, - BHXODHß'b SlUY H

nOXOpORHJI'b ABelISI . "

"Wer war der, den Gott auf die Erde sandte, doch der Gesandte war weder von den Engeln, noch von den Menschen, noch von den Teufe ln? - Das war eine Krähe, die zu Adam herbeigeflogen kam, als Kain den Abel getötet hatte: Adam wußte nicht, was mit dem Leichnam Abels zu tun sei; da kamen zwei Krähen herbeigeflogen; eine von ihnen hackte die andere

nv D UMBAOZES Text enthält 20 Fragen; die von CHACHANOV zi tiene 14. Druckaunage hat 32 Fragen. Von den 32 Fragen beziehen sich 18 au f atl. 1bemen, wovon wiederum 7 apokryphe Motive aufnehmen. Die Ubrigen sind Fragen des Allgemeinwissens.

u.o Russ. Text bei C HACHANOV 1894, 38; C UACIIANOV 1895. 161 und 178 (Frage Nr. 18); dt. Übers. bei L DOTKE 1919·20, 168 (verlcUrzt); die Übers. basiert hier auf C IIACIIANOV 1895.

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Griechische Überl ieferungen in georgischer und türkischer Übersetzung 8 1

zu Tode und verscharrte s ie in der Erde; Adam sah dies und verfuhr nach dem Beispiel der Krähe, er hob eine Grube aus und begrub Abc!. "261

Die Frage, die als Rätsel mehr an einer geschickten Verschlüsselung als an der ursprünglichen ätiologischen Intention der Überlieferung interess iert ist, konzen­triert sich ganz auf die Vögel in ihrer Funktion als Gonesbolen. Sie scheint in Dumbadzes Variante ursprünglicher zu sein - die Frage bei Chachanov formuliert hier recht allgemein?62 Nach der ers ten Auflösung erfolgt jedoch eine Erläute­rung, die kurz und knapp die jüdische Überlieferung wiedergibt. In ihrer Struktur

steht sie Tanch Ber § 10 am nächste n - an der Stelle Kains und der beiden reinen Vögel werden allerdings Adam und zwei Rabenlbzw. Krähen genannt.261

Aufgrund dieser Rätselfragen hat Chachanov die ganze Erzählung von H Jungfrau und Jüngling" unter die georgischen Apokryphen gerechnet - zu Unrecht freilich, da diese zunächst nur einen weitverbreiteten Märchentyp aufnimmt und variiert. 264 Das Schema vom Rätselwettkampf als Brautwerbung. bei dem das Haupt zum Pfande steht. ist so alt wie die griechische Überlieferung von der Sphinx im thebanisehen Sagenkreis. 26~ In zahlreichen Varianten können dabei

l~' Russ. Text bei DUMBADZE 1892. 52 (Frage Nr. 13). l6l Die Frage nach den Boten hat eine Analogie in der in beiden Varianten enlhaltenen Frage

nach Rabe und Taube Noahs: "Wer sandte diejenigen. die weder von den Engctn, noch von den Teufeln . noch von den Menschen waren? • Rabe und Taube. Noah sandte sie ..... (CIIACHANOV 1895. 179 - Frage Nr. 29); "Zwei Boten sandte man; sie waren weder von den Engeln, noch von den Teufeln - wer waren sie'! - Das waren Rabe und Taube. die Noah aussandte ... " (DUMBAlY/E 1892, S3 · Frage Nr. 19).

l6) Ob hier islamischer Einfluß oder das Vorbi ld der PRE wirksam sind, läßt sich nicht feststellen. Wie oben gezeigt. lagen heide Auswechslungen auch ohne literarisches Vorbi ld nahe. Rabe und Krähe (die beide zu den Rabenvögeln gehören) si nd im Russ. lediglich durch die mask. bzw. femin . Endung unterschieden und daher leicht austauschbar.

l.6O CHACIIANOV widmete der Erzählung ei nen ganzen Abschnitt in seiner Darstellung georg. Apokryphen (1895, 175-182). Vor allem dem "Gespräch dreier Heiliger" (NACII11GAll. 1901-(4), ei nem in der kirchenslav. Literatur wcitverbreitetcn Frage- und Antwonbuch, sah er die Er-Lählung nahcstehen (1894, 38; 1895, 177~) . Die Rätselfragen gehören jedoch gerade zum variabelsten. variantenreichsten und dem jeweiligen Lokalkolorit am leichtesten angleichbaren Teil des ansonSten relativ konstanten Märchenstoffes. So hat auch T ARCUNISvn.t 1955 in seiner "Geschichte der kirchlichen georgischen literatur" dieses MlIrchen, das in seinen RliIsclfragen nur Spuren apokrypher Überlieferungen enlhält, unter dem Referat der georg. Apokryphen mit keinem Wort erwähnt (328·355).

)6l Nach der ältesten Form der Sage wird das land von einem Untier geplagt, so daß schließlich Thron und Hand der Königstochter dem Retter versprochen werden, der es wohl zunächst physisch überwindet. Die Hand dcr Königswitwe und der Rätselwettkampf sind dann mit der Ödipussage sekundär hi nzugewachsen. Vgl. Herbig, An. Sphinx. in: RECA 2/6. 1703·1749, SpC"l . 1716-1726.

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82 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

auch andere Proben an die Stelle des Rätselwettkampfes trelen .266 Doch gerade die Verbindung von Brautwerbung und Rätsel (wobei der Held seine eigene Geschichte als Rätselfrage vorträgt, die Prinzess in dieselbe durch List und Verführung des Nachts abzulauschen versteht, sich jedoch am Ende durch ein zurückgelassenes Kleidungsstück verrät) hat in nahezu allen orientalischen und europäischen Sprachen ihren Niederschlag gefunden.267 Durch Schillers "Tu­randot" ist der Stoff dann in der europäischen Literatur bekannt geworden.268

Es zeigt sich nun, daß die georgische Märchenfassung in engster Verwandtschaft zu jener Entfaltung des Turandot-Stoffes steht, wie sie in Persien vor der Gestal­tung in "Tausendundein Tag~ stattgefunden hat.269 Weitere Analogien lassen sich diesem Typos zuordnen.270 M. Lidzbarski etwa hat eine neu-aramäische Variante des Märchens veröffentlicht, in der 22 Fragen vorwiegend biblischen Inhaltes begegnen, von dencn wiedcrum 7 mit der georgischen Fassung weithin übcrein­stimmcn.27 1 Auch der ukrainische Märchcnschatz kennt eine Variantc untcr dem

l66 Weitverbreitet ist etwa die Aufgabe. sich vor der mit einem Zauberspiegel ausgerüSteten Prin1essin zu verstecken. wobei dann die vorher ZU Freunden gewonnenen Tiere behi lfl ich sind ­vgl. BOl.:n:'/pOllVKA 311918. 365·369. Im griech. Märchenschalz kann der eifersüchtige Vater die Freier z.B. auch durch eine Wettfahrt abschrecken · vgL BOL TE1POt..IVKA 4/ 1930. 113.

)6'l VgL dazu das reiche Material. das bei BOl..TEIPOuVKA 111913 (188-202) zu dem Märchen "Das Rätsel" (Grimms Märchen, 1819 /'IIr .22) zusammengetragen ist. Die gt:org. Erlählung von "Jungfrau und Jüngling" wurde dabei nur kn app verzeichnet (202 "Grusinisch: Sbornik Kavkaz. 13.2.46 nr. 3").

W Schillers Drama ( 1802), das eine fre ie Übersetzung des italieni schen Stückes des Grafen Gozzi (1762) darstellt, geht auf eine persische und erstmals 1710 franz . veröffcnl lichte Fassung zuruck: sie findet sich in der Sammlung 'Tauscndundei n Tag" des Derwischs MokJes, die der französische Orientalist F. petis de la Croix 1675 aus Isfahan mitgebracht haue; vgl . BOlTEl PoLrvKA 111913. 198- 199. Von den drei Rätseln der Prinzessin stimmt immerhin das erste (das im Symbol des Baumes nachdem Jahr mit sei nen Monaten sowie Tagen und Nachlen fragt) mit einer der allgemeinen Fragen in der georg. Erzählung übercin: "Nenne mir den Baum, der Bl ätter und Zweige hal, und auf dem schwarze und weiße Fruchte (wachsen 17 • Di eser Baum ist das Jahr, die Zweige sind die Monate, die FrUchte aber sind Tag und Nacht." (russ. Text bei CIIACIIANOV 1895, 177 • Frage Nr. 16; bei DUMBAD7E 1892 fehlt diese Frage) .

.. Vg!. dazu MEIER 1941. 170 Eine vollständige z,'sammenstellung des TurandotSloffes in allen seinen Ausprägungen unter

besonderer Berücksichtigung der RlilSel fragen befindel sich in Vorbereitung (ehr. BOnrich. Turandoc. in Georgien. Ein Beitrag zur Tradition biblischer Rälsclfragen, voraussichlJich in; Georgica 17/1994),

711 "Geschichte der Kahramineh. ihrer Dolmetscherin und des jungen Prinzen" (LIDZBi\RSKI 1896, U 267·279). Die Frage nach dem Jahr im Symbol des Baumes findet sich auch hier (Frage X). jedoch präziser und mit Zahlenangaben . Ganz auffällig sti mmen mit der georg. Fassung die Fragen nach dem wandernden Grab (". Fisch des Propheten Jona), dem nur ein einziges Mal von der Sonne beschienenen Land (: Boden des Roten Meeres), dem Stab Moses in seinen Eigen.

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Griechische Überlieferungen in georgischer und türkischer Übersetzung 83

Titel "Der weise Jüngling", in der die Prinzess in 16 Fragen steUl. 2n 5 davon entsprechen wiederum der georgischen Fassung und lassen damit die Zugehörig­keit zu e iner gemeinsamen Tradition klar erkennen.l13 Schon früh wird dabei im Orient ein Aus tausch zwischen islamischer und christlicher Kultur stattgefunden haben. Dies läßt nun den Schluß zu, daß das Märchen von Brautwerbung und Rätselwettkampf im christlichen Orient in seinem flexibelsten Teil - den Rätsel ­fragen - eine Ausgestaltung mit wohl als besonders schwierig empfundenen apokryphen Überlieferungen zu alttestamentlichen Begebenheiten erfuhr.21

• Was an einzelnen Traditionen bekannt war, gerann dabei zu dürren Fakten bzw. zu Topoi pfiffigen Wissens, die sich wie im Quiz abfragen lassen. Gelöst aus ihrem ursprünglichen Kontext gerieten sie somit zu leicht versetzbaren Bausteinen. Gerade in griechisch-byzantinischer Zeit entfaltete sich die Literaturgauung der Frage- und Antwortbücher zu neuer Blüte.21S In den zahlreichen griechischen

Exemplaren dieses Typs findet sich nun genau jene Art biblischer und apokrypher Fragen aufgereiht, die auch in der georgischen ErL.ählung von "Jungfrau und Jüngling" enthalten sind. Besonderes Interesse verdienen dabei jene weiteren Fragen, die ebenfalls die Urgeschichte betreffen: . "Wessen Blut wurde l.um ersten Mal vergossen'! - Das Blut Abels, des von Kai:l erschlagenen. "276 . "Nenne mir drei, die tranken, aßen, die aber nicht von einer Mutter geboren wurden'! - Adam, Eva und das Lamm, das dem Vater Abraham von Gott gegeben wurde.',m . "Wer war derjenige. bei dessen Nahen die Mutter ausrief, daß sie jungfräulich sei'! - Das war der Körper Abcls: als s ie ihn in das Grab hinabsenkten, rief die Erde

schaften als Ho17.stock und als Schlange (auch hier gleich 2x!), nach denen, die nicht geboren wurden (= Adam und Eva) und denen, die nicht starben (= Elia und Henoch). sowie nach den Feinden, die einander lieben (= Tag und Nacht) überein.

171 FRANKO 1894. m FRANKO 1894 (1 42) hat vermutet, daß das Märchen noch vor dem 18. Jh. aus griech.

Überlieferung in die Ukraine gelangte bzw. schon zu byzantinischer Zeit über Serbien oder Bulgarien vermittelt worden sein könne.

lU Das vollständige AT war in griech.-bYlant. Zeit nur wenig verbreitet.. weshalb etwa auch eine Auswahlsammlung wie die "Palaea historica" so populär werden konnte. Atl . Einl..elkenntnisse, 7.umal apokryphen Charakters, mochten somi t leicht als Zeichen besonders gelehrten Wissens erscheinen.

llJ Vgl. dazu DöRRIEIOORRIES 1966 sowie HEINRlCI 1911 . 176 Bei CHACHANOV 1895 Nr. 4 (176). m Bei CUACUANOv 1895 Nr. 5 ( 176); bei DUMBAD7E 1892, Nr. 4 (51). Griech. Analogien bei

MOCULSKIl 1900, 225 . 229. 236 . 249 (jedoch knapp und nur:w Adam); dazu HEINRIO 1911 , 58 .

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84 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

aus: Ich bin jungfräulich 1"218 . "Finde heraus: Der Hahn gebar die Henne? Adam gebar die Eva ... 279 Hier griffen die christlichen Bearbeiter des Märchen­stoffes offensichtlich auf schon geläufige, sprachlich geprägte Rätsclfragcn zucück.280 Neben einer volkstümlich - mündlichen Überlieferung belegen die griechischen Frage- und Antwortbücher auch die Existenz schriftlicher Samm­lungen, aus deren Reservoire beliebig geschöpft werden konnte.1St So dürfte es sehr wahrscheinlich sein , daß die RälSelfragen in der georgischen Erzählung von "Jungfrau und Jüngling" eine griechisch-christliche Tradition bewahrt haben.282

3.3.2. Fragen und Antworten in einer türkischen Sammelhandschrift

Vor diesem Hintergrund steht auch ein weiteres Zeugnis der Überlieferung von Abels Bestattung, das N.Th. Krasnosel'cev 1898 verzeichnet hat. In eine r türkischen Sammclhandschrift des 18. Jhs., die sich in der Bibliothek des Pante­lejmonklosters auf dem Athos befindet, sind u.a. 35 Fragen und Antworten unter dem Titel "Die erforderlichen Antworten auf die Fragen des Kaisers Leo von seinem weisen Lehrer, auf der Grundlage des dem Mose gegebenen Fünfbuches. Sinn des Fünfbuches - die 10 Gebote" enthaJten.23J Unmittelbar neben schlichten Wissens fragen zur Bibelkenntnis stehen echte RälSelfragen; vorherrschende Themen sind die Uneil und die Flut. Unter Ne. 32 wird nun nach dem ersten auf Erden Begrabenen gefragt:

"B . KTO 6liflb npelKne BctXb norpe6eH'b B'b 3el.mt? O. KeHub y6Hn'b ABeflSl ; OH'h n epBHA npomm'h X:POBb H8 (rrHu,e ) 3eMJIH :

:m Bei CI IACIIANOV 1895 Nr. I1 (177). In dieser Frage kehr! die oben bereits erwähnte und in der patristischen Literatur geläufige Vorstellung von der Erde als der jungfräulichen Mutter Adams wieder (vgl. die Belege bei KOEIlLER 1900).

m Bei CHACIIANOV 1895 Nr. 21 ( 178); bei DUMBAOZE 1892. Nr. 16 (53). llIO Zum Phänomen biblischer Rätsclfragen im allgemeinen, das in vielen verschiedenen

Literaturen begegnet. vgl. die Bibliographie von TA YLOR 1939. 142- 145. 211 Auch die 7.ahlreichen Frage- und Antwortbüchcr der kirchens1av. Literatur, deren wichtigsten

Typ das bereits erwähnte ··Gespräch dreier Hei liger" darstellt. haben in großem Umfang griech. Vorbilder aufgegriffen (vgl. die vielen Einzclbelege bei NACIiTIOAu.. 1901-04 ), wenngleich auch das einfache Modell zur eigenständigen Bildung weilerer Fragen geradezu herausgefordert haben wird.

ltl Nach einer georg. Druckauflage soll die ganze ErJ".ählung im 17. Jh. von König Teimur3Z aus dem Griech. übersetzt worden sein (LOOTKE 1919-20, 167).

m Russ. Text bei KRAsNOSEL 'CEV 1898. 128-132. KRASNOSEL 'CEV schlägt eine Datierung der Fragen in das 9. Jh. vor.

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Griechische Überlieferungen in georgischer und türkischer Übersetzung 85

onn8 nK1C8.st ropnHU8 38pl:lB8na (B'h 3eWnIl) c:soero nTeUU8 , 0T'b

"eS!: (R OB'h) B3.stll'h npKwtp'b ."

"Frage: Wer wurde zuerst auf Erden begraben'! Antwort: Kain erschlug Abel; er war der erste. der Blut auf (dem Angesicht) der Erde vergoß: Eine wilde Turteltaube vergrub ihr Junges (in der Erde), an welcher (auch er) sich ein Beispiel nahm ... 284

Die Formulierung der Frage verrät wieder das Hauptintercsse an einer Ätiologie der Erdbestattung. Neu präsentieren sich in der äußerst knappen Antwort die beiden Vögel. deren Beispiel eher zufallig zu sein scheint und einen Botenauftrag jedenfalls nicht notwendig voraussetzt. Es ist nun eine Turteltaube. welche die reinen Vögel aus Tanch Ber § 10 zum Vorbild haben könnte.28

.5 Interessanterwei­

se gibt sie wicderum Kain ein Beispiel. Auch darin klingt eine Überlieferung an , die der älteren Haggada nahezustehen scheint. Anstelle des tödlichen Kampfes beider Vögel findet das Verhalten der Turteltaube jedoch eine ungezwungenere Erklärung darin , daß eine Vogelmulter eben für eines ihrer auf der Strecke gebliebenen Jungen sorgt.

Dieser Text gehl nun eindeutig auf eine griechische Vorlage zurück. Die ganze Sammelhandschrift enthält verschiedene griechische Werke in türkischer Sprache. wobei die Ubersetzung in griechischer Umschrift ausgefUhrt ist. Sie wurde vermutlich für Christen angefertigt, die sich die türkische Sprache ihrer Umwelt angeeignet hatten (wie dies nach Krasnosel' cev an verschiedenen Orten Klein­asiens der Fall war). Es scheint. daß die Übersetzung mit ihrer Vorlage großzügig yerfuhr - doch die Gcstall der Überlieferung yon Abcls Bestattung zeigt auch darin noch eine große Nähe zu ihrer ursprünglichen Fassung in Tanch Ber § 10. Vor allem aber stützt sie die Annahme, daß diese Überlieferung von der griechisch­byzantinischen Literatur im Kontext volkstümlicher Fragen und Antworten bzw. RälSelfragen zur alttestamentlichen Geschichte aufgegriffen und tradiert wurde.

2a' Russ. Text bei KRASNOSE1:crv 1899. 13 1 (Frage Nr. 32). Di ese ÜbersclZung wurde auf seinen Wunsch hin yon einem des Türkischen kundigen Mönch des Pantelejmonkl osters angefertigt.

:zu In der frühen christlichen Kunst etwa der Katakomben ist die Taube auch als GrabsymboJ bekannt - im Zusammenhang der Autgeschichte symbolisiert sie Frieden und die Hoffnung auf Errettung (vgl. RooTii 1962. 24(1). Es wäre denkbar. daß vor diesem Hintergrund in der griech.­chri sti . Überlieferung aus den beiden Vögeln Tauben - oder wie hier: eine wilde Turtellaube -wurden .

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3.4. Kirchenslavische Überlieferungen

Von Abels Bcstallung wird in der kirchenslavischen Literatur auf so vielfaltige Art und Weise cnählt, daß man nahezu alle der bereits genannten frühjüdischen und

frühen christlichen Überlieferungsstränge wiederfindet: eine gemeinsame Bestat­

tung Abels mit seinem Vater Adam im Paradies durch die Hand der Engel Goues

begegnet in den Texten des kirchenslavischen Adambuches; die kirchenslavische

Übersetzung der "Palaca historica" berichtet in gleiche r Weise wie ihre griechische

Vorlage von der allmählichen Verwesung des in einer Felshöhle aufgebahrten Abels • ihre gekürzte Fassung läßt den Befehl zur Bestattung durch einen Engel Gottes an Adam ergehen; als besonders verbreitet und populär aber erweisen schließlich e ine Reihe von Be legen eben jene haggadische Überliefe rung von

Abels Bes tattung nach dem Beis pie l zweier Vögel. Das alte Motiv de r Trauer

Adams und Evas, die auch zeitlich bestimmt wird, tritt nun als fester Bestandte il

zu der Überlie ferung hinzu .

Ein Blick auf die jeweiligen Kontextmanuskripte ergibt, daß diese Über­

lieferung vor allem in der Chronographie, in de r "Paleja T olkovaja" sowie in

verschiedenen Frage- und Antwortbüchem beheimatet ist. Ge rade hier s ind jedoch

gegensei tige Abhängigkeiten nur schwer feslStc llbar. Im Meer de r kirehensla­

vischen Literatur, die lange Zeit vorwiegend Ubersetzungslitc ratur war und dabei

manches mehrfach übernommen haben oder die mitunter auch in jünge ren Hss .

ältere Traditionen bewahrt haben mag, ble ibt das Bemühen um die Rekonstruktion

gemeinsamer Quellen bzw. Vorlagen in der Rege l e in Abwägen von Wahr­

scheinlichkciten - ein Problem, das im vorliegenden Fall besonders deutlich wird .

3.4.1. "Nestorchronik"

Den gewichtigsten Platz nimmt die Überlie ferung von Abels Bes tattung wohl

zunächst im Rahmen der sog. altrussischen "Nestorchronik" e in, de ren grundlegen­

de Konzeption wie auch zahlreiche De tails in den nachfolgenden chronographi­

schen und chronologischen Werken breiteste Wirksamkeit entfalteten.2ll6 Über­

lie fert in 5 Hss. des 14.- 16. Jhs. ist ihre Entstehun g am Anfang des 12. Jhs.

1M Vgl. zu den neueren Editionen und Untersuchungen die Literarur bei PosOKALSKY 1982. 208: zur russ. Chronographie vgl. TVOROCOV 1975: zur "Neslorchronik" selbst GUDZIJ 1959, 53-96.

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Kirchenslavische Überlieferungen 87

anzunehmen.287 Nach den grundlegenden Untersuchungen A. Sachmatovs

könnte sie hervorgegangen sein aus der Kiever Höhlenklosterchronik und der

Urchronik von Novgorod, die ihrerseits wieder lokale Aufzeichnungen sowie die

mit der Errichtung der Kiever Metropolie im Jahre 1039 anzusetzende Urchronik von Kiev in sich aufgenommen hätte.288 Unstrittig blieb in der weiteren For­

schung, daß die Urschrift der Chronik noch in die Zeit Jaroslavs des Weisen ( 10 15- 1 054) gehöre; um deren ursprünglich griechischen Charakter oder ihre

original russische Bodenständigkeit aber entzündete sich eine lange Debaue.2ti

Besonders im ersten Teil , der die Ereignisse auf russischem Boden in den Rahmen

der Weltgeschichte einspannt (begonnen mit der Völkertafel aus Gen 10), lassen

s ich e inige griechische Werke konkret als Quelle bestimmen.290 In der Vor­

geschichte zur Taufe der Rus' findet sich dann unter dem Jahre 986 der bekannte Bericht über die Darlegung des islamischen, römisch-katholischen,jüdischen und

schließlich griechisch-byzantinischen Glaubens durch jeweils vor Vladimir auf­

tre tende Missionare. Darunter stellt nun letztere, die "Rede des Philosophen", e ine

auffaJ lig geschlossene Textcinheit dar.·291 Nach der e inleitenden Polemik gegen

11'1 Es handelt sich dabei um die Lavrentij-Chronik (1377). die Radziwill-Hs. (Ende 15. Jh), die Akademie-Hs. (15. Jh.), die Hypatios-Chronik ( 1425), die Chlebnikov-Hs. (16. Jh.) und die Troica· Hs. (14J 15 . Jh.) - vgl. dazu SCIIEFFLER 1977, I-IV (don befindet sich auch ein Schema der Überl ieferung).

/.A Sachmatov hat diese Theorie in einer ganzen Reihe von Arbeiten entwickelt - vgl. vor al lem SACIlMATOV 1908; dazu auch das Referat bei PoOSKALSK Y 1982, 202f.

lt'l Eine ursprOnglich griech. Chronik nahm vor allem V.M . Istrin an; N.K. Nikolskij postulierte gegen die "probY7.antinische'· Forschung eine mährisch·pannonische Quelle; D.S. Lich~ev suchte nach den eigenständigen russ. Wurzeln · vgl. dazu den Forschungsüberblick bei GRABMOllER 1977.

190 Darüber hinaus, daß insgesamt das Schema der byzantinischen Weltchroniken Pate gestanden hat (die allerdings schon mit der Welt.schöpfung beginnen), lassen sich direkte Bezüge z.B. auf die Werke des Georgios Monaehos. Johannes Malalas, Nikephoros Patriarches, Ps-Methodios, Epiphanius von Kypros eKler die Vita des Basileios Neos feststellen· vgl. dazu vor al lem SACftMA TOV 1940.

1'1 "Die Predigt des ' griechischen Mi ssionars' ist ein selbständiges li terarisches Werk," - so TsCH tZEWSKlJ 1969. 303. PoOSKALSKY 1982 bezeichnete sie als das "theologisch gehaltvollste Stück" der Chronik (211 ). In dem Bericht über die Taufe der Rus' und ihre Vorgeschichte hat der Chronist verschiedene Überlieferungen l usam mengefllgt und auszugleichen versucht · neben der werbenden Missionspredigl der großen Religionen bzw. Konfessionen stehen die Gesandtschaft Vladimirs zur Erkundung des Glaubens bei den Nachbarn sowie die Ereignisse um die Eroberung der Stadt Korsun • vgl. zu ihrer Verflechtung sowie zu ihrem historischen Gehalt MOll.ER 1987,

96·116. Die "Rede des Philosophen" hebt sich wohl nicht al lein um ihres inhaltlichen Gewichtes willen von den anderen Darlegungen des Kontextes ab - sie geht überhaupt weil über das historisch Mitteilenswerte hinaus und entfaltet den christl ichen Glauben auf eine systematisch wohl

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88 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

Moslems, Lateiner und Juden beantwortet der Philosoph die Frage Vladimirs "Warum ist denn G ott auf die Erde gekommen und hat solches Leid auf sich genommen'!" in einem großen Abriß der Heilsgeschichte von der Weltschöpfung

bis hin zum jüngs ten Gericht.292 In der relativ ausfLihrlieh dargestellten alttesta­mentlichen Geschichte begegnet nun auch die Erzählung vom Brudennord und von der Bestattung Abels:

"AnaM'b:xe H EBre. nnaQDlll8C.A 6ilcT8. H nbl-8BOlI'h panoB8wec.A

pbXa. : ce ero)J(e B'h nOt:lTH 83'h cTBopHn e lCj OlTnaCTH 08 . H ce

HHHt nn8llh eMY H8nt30X'b. H nn81C8C:I8CA Da ABeJIH JItT J1 . H Be

C'brBH Timo ero, H He 0YllACT8 e rD oorpeCTH . H oOBe n"hBbe ub

BhWb UTeRU8 .B . npHneT"hcT8 . e nHH'h en oYldpe, e nHH'b ze

HCIC008 1-8:t.ly H BnOIH 0Yllpmro H norpe6e H . BHn"hBw8 ze ce

An8M'b HEBra , HCI008CT8 1-8MY H BnOll(HCT8 ABenA . H

norpe60CT8 H C'h OnaQe M'b."

"Adam und Eva weinten , der Teufel aber freute sich und sprach: 'Siehe, den Gott ehrte, machte ich von GOll abfallen, und siehe, jetzt habe ich ihm das Weinen gefunden.' Und sie weinten bcide um Abcl30 Jahre lang, und seine Leiche verweste nicht. Und sie verstanden nicht, ihn zu begraben. Da flogen auf Gottes Befehl 2 Vögel herbei: einer von ihnen starb. der andere machte eine Grube und legte den Toten hinein und begrub ihn. Als Adam und Eva di~ sallen. ITla~hten s ie eille Grube und legh!n Abel hinein und begruben ihn unter Weinen." (Nestorchronikyn3

Diese Fassung der Überlieferung hai verschiedene Motive miteinander kombiniert . Zunächs t sind es nun Adam und Eva, die dem Leichnam Abels hilflos gegenüber­s tehen und der Belehrung bedürfen - dies findet sich so allein in PRE 2 1.194 Neu

durchdachte Weise. Vgl . auch den Forschungsbericht zu diesem Textabschn iu bei NIKOL'SKIJ 1906,6-1 6.

m Breiten Raum nimmt die Darstellung von Schöpfung, Fal l, Brudermord, Aut, Patriar­chengeschichte und Exodus ein; nur halb so lang ist der nll . Pan, dem noch ein mal eine Blütenlese aus den all . Propheten vorausgeht. Die Argumentation wird vom Aufweis typologischer Ent­sprechungen bestimmt, unter die sich immer wieder antijüdi sche Polemik mischt. Nach TSCJII­ZEWSKIJ 1969 (303) trägt der Philosoph in manchen Hss. den Namen Kirill , was die Rede mit der Legende von der Bek.ehrung des bulgarischen Zaren Boris durch den Slavenapostel in Verbindung brächle.

:19) Russ. Text bei SACIIMATOV 1940. 134f und 140; lJO IAt'EV 1950. 63; TsCHlZEWSKIJ 1969, 88; MÜLLER. 1977,90 - zitiert nach MOu.ER. Dl. Übers. nach TRAIJTMANN 193 1, 63 .

2'JoI In der "Palaea historica" war es lediglich Adam , der den toten Abcl in der Felshöhle aufbahrte. Nach den gcorg. Rätselfragen wurden die Raben allein zu Adam gesandt der hier an die Stelle Kai ns tral. Die Anwesenheit beider Eltern verband sich aber seil Jub 4,7 (nahelicgeooer­weise) fesl mit dem Motiv der Trauer oder Beweinung. Von hier aus schei nen Adam und Eva als

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Kirchenslavische Überlieferungen 89

tritt das Motiv hinzu, daß Adam und Eva (im Kontrast zur Freude des Teufels) 30 Jahre lang in Trauer bei dem toten Abel verweilen. Eine solche konkret bezifferte Trauerzeit war bereits in der frühjüdischen sowie der späteren christlichen Überlieferung bekannt.29S Die Zahl 3 begegnet jedoch erst in der griechischen "Palaea historica" im 8. Jh . Sie scheint den orthodoxen Brauch des Totengedächt­nisses am 3., 7. und 30. Tag aufzunehmen; die Angabe von 30 Jahren in der "Rede des Philosophen" ließe sich also ebenfalls als eine in die Urzeit zurückdatierte Frist des Totengcdächtnisses verstehen, die hier jedoch den anderen zeitlichen Dimen­sionen entsprechend in Jahren angegeben würde.196 Daraus resultiert nun auch der Gedanke eines Bestaltungsaufschubes. der jedoch anders als in den frühjüdi­schen und christlichen Texten begründet wird. Nicht mehr der Vorrang Adams in der Abfolge der Bestattungen gibt dabei den Ausschlag, sondern vielmehr der schlichte Mangel an Erfahrung der ersten Betroffenen. Anders als bei der Auf­bahrung in einer Felshöhle macht sich dabei das Wunder erforderlich, das nun einer besonderen Betonung bedarf: " ... und sein Körper verweste nicht. " Ganz neutral und ohne nähere Bezeichnung erscheinen die beiden Botenvögel. Es hat wohl mehr Wahrscheinlichkeit rur sich, daß der unheimliche Rabe bewußt ausgelassen wurde. als daß hier noch die ursprüngliche Unbestimmtheit der frühen Haggada nachklingen könnte.297 Schließlich bestatten auch Adam und Eva ihren Sohn gemeinsanl . Für den weiteren Kontext verdient noch erwähnt zu werden, daß der Mord ebenso wie die Bestattung erst durch ein Beispiel vermittelt werden muß

Akteure bei dem Bestauungsgeschehen dann auch schon in die spätere islamische Legende eingedrungen zu sein. die gelegenUich Kain (der nach dem Beispiel der Raben das Grab aushebt) mit Adam und Eva (die herbeieilen und sich des Toten annehmen) verbindet.

19' S. oben 2.2.2. -die Palette umfaßte4 Jahrwochen, 100 Jahre (bzw. Tage), l20 Jahre und 130 Jahre.

- Vgl. dazu oben Anm. 76. Gerade in der gricch. und slav. Überlieferung (also im Kontext orthodoxen Brauchtums) begegnet die 3 .. besonders häufig: so in der "Palaea hislOrica" (3 Tage); in der "Ncstorchronik" (30 Jahre); in der "Paleja Tolkovaja" (30 Jahre bzw. 3 Jahre in der Hs. NOV IClW'S 1892 - s. unten Anm. 3(9); in der '" K.ratkaja Paleja" (30 Jahre - s. unlen 3.4.2.); in Frage- und Antwortreihen (3 Tage, 300 Jahre - s. unten 3.4.4 .); schließlich auch in slHen 71.36 (3 Jahre). Bereits die Angabe von Jahren sowie jede weitere Null scheint eine spätere Steigerung darLustellen . An anderen Orten begegnet allerdings in der Chroni stik auch eine Trauert..cit von 1 Jahr bzw. 100 Jahren (bekannt aus der syr. Überlieferung, s. oben 2.2.2.) - vgl. dazu SAOIMA TOV 1940, 127 und 129. Nach L'vQV 1968 (372) könnte es sich dabei auch um die Verschreibung des Zahlenwertes aus einem ursprünglich glagolitischen Text handeln .

297 In Tanch Ber § 10 waren es "zwei reine Vögel '", in GcnR 22,8 "'die Vögel des Himmels und die reinen Tiere"' . Der Rabe kommt auch in der weiteren kirchenslav . Überlieferung au ffäl ­ligerweise nirgends vor.

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90 Überlieferungen um Abcls Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

- nur gibt hier der Satan verbale Anweisung, anstatt in der Geslalt von Tieren den Mord exemplarisch vorzuftihren.198

So stellt sich die Frage, auf welche Vorbilder der Chronis t an dieser Stelle zurückgegriffen hat Die Spannweite der Vorschläge zur Herkunft der "Rede des Philosophen" reicht von einem jüdischen Vorbild299 über eine unabhängige griechische Erzähiung lOO bis hin zu einem auf russischem Boden verfaßten Werk.lOt Wo und wann immer die "Rede des Philosophen" nun auch entstanden sein mag - die darin enthaltene Überlieferun g von Abels Bestattung lag auch ihrem Kompilator schon vor. Die Motivkombination läßt dabei an die Zeit der PRE und der "Palaea historica" - also des 8./9. Jhs. - denken und verweist auf den grie­chisch-byzantinischen Kulturkreis, in dem jüdische und christliche Traditionen noch in einem lebendigen Austausch standen.102 So scheint die "Nestorchronik" eine Fassung wiederzugeben, die fur eine chris tliche Adaption der jüdischen Haggada von Abels Bestattung steht.

l'III Auch dies steht in langer Tradition - vgl. oben 3.1.1. 299 Diese These hat SARAC 1927 (112 . 585-594) vertreten. In einer Arbeit über die bibl.-haggad.

PMailelen zur Erzählung über Vladi mir (Bib1ejsko-agaditcskija PMailcli Ictopisnym skazanijam o Vladimire svjatom, ursprtlngl. Kiev 1908, nachgedr. in: BARAC 112. Paris 1927, 541-684) vcrsw.;hte Barac mit Hil fe einiger Welldungen und Ausdrtlcice des Textes zu zt:igen, daß die missionarischen Bemtihungen um Vladimir einschließlich der "Rede des Philosophen" "mit völliger Gewißhcit" jenen Bericht über die BekehnlDg des Chazaren-Kagan s Bulan (Mitte 8. Jh.) überarbeitet haben, wie er in drei jüdischen Quellen vorliegt. Barac, selbst ein konvertierter Jude. widmetc sein ganzes Werk dem Nachweis eines jüdischen Einnusses auf die altrussische Literatur; zu seinen methodischen Mängeln und den von der weiteren Forschung relativ einmütig abgelehnten Resultaten vgl. PoOSKAI..5KY 1982,78; zum Problem selbst ALEKSEEV 1987. Hinsichtlich dcr Überlieferung von Abels Bestattung in der "Rede des Philosophen" verweist BARAC dann erstaunlicherweise nur knapp auf PRE 21 (l1l, 593; 11 180), und auch dies lediglich unter Aufnahme einer entsprechenden Beobachtung SUCHOMUNOV'S ( I 908, 63-66), der PRE 21 nach FABRICtUS 1722,144 zitierte.

lOO So Sreznevskij , referiert bei NIKOL.'SKIJ 1906, 6f; TRAIJTMANN 1931. XIV . )()l So SUQ{OMLlNOV 1908,63-66; NJKOL'S KIJ 1902 und 1906; SAOtMATOV 1940. 122-149;

LlOIAL"EV 1950, 330-332 (Zur Bestattung Abels bemerkt letzterer lapidar. daß diese Erzählung apokryph sei .); L 'vov 1968 postulierte au fgrund sei ner genauen spraChlichen Analyse eine a11S1av. Urschrift der "Rede des Philosophen".

lO2 Ob sie _ wie die oben genannten georg. und türk. Rätselfragen nahclegen könnten - ebenfalls einer Sammlung von Fragen und Antworten entstammte oder eher einen erLählerischen Über­liefcrungszusammenhang verrät. läßt sich nicht entscheiden. Hier ist der Text doch zu stark von dem Kompilator gestaltet worden. Interesse verdient, daß die "Rede des Philosophen" noch einige weitere apokryphe Überlieferungen bewahrt haI: so den Fall des obersten Engels Satanaei, einen Seruch als Urheber der Götzcnverehrung. einen Eber als Stammvater der Hebräer sowie einen Bruder Abrahams namens Aron, der den Götzen dient und dabei umkommt.

Page 89: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

Kirchenslavische Überlieferungen 9 \

3.4.2. Tolkovaja Paleja

Enge Verwandtschaft mit der Fassungjener Überlieferung in der ~Nestorchronik ~

zeigt eine Passage aus der "Tolkovaja Paleja". Diese Kompilation nimmt die Struktur der griechisch-byzantinischen "Palaea historica" auf, indem auch sie alttestamentliche Begebenhei ten in der Abfolge der kanonischen Bücher anein­anderreiht. JO

) Ein ne ues Charakteristikum stellen jedoch die in den Text einge­fügten Kommentare ("Tolkovaja P. = Kommentierte P. ") dar, d ie das AT typolo­gisch auf das NT hin auslegen und darin zugleich eine antijüdische Polemik: betrei ­bcn.104 Daß sich dabei zahlreiche Haftpunkte rur apokryphe Überlieferungen boten, liegt auf der Hand.~ Nach einer langen Diskussion um die Entstehung der "Tolkovaja Paleja" gilt inzwischen als sicher, daß sie nicht aus dem Griechi ­schen übersetzt, sondern erst auf slavischem Boden zusammengestellt wurde.306

Ihr Material bezog sie dabei wohl aus bereits übersetzten Werken der ältesten Zeit , was sie in eine immer wieder bemerkte Nähe zur frühen russ ischen Chronographie rückt. Doch es sind c her gemeinsame Quellen. die zu verschiedenen Paral lelen im Tex t führen, als daß die "Tolkovaja Paleja" e twa der "Nestorc hronik" als Quelle

lOl Die "Palaea" (von griech. 1taAtul6uxeftKTl) scheint aus dem BedUrfnis heraus entstanden zu sein. eine fehlende Vollbibel durch die Sammlung des atl . Erz.ählstofTcs zu ersetzen, wobei zum Zweck der erbaulichen Lektüre auch apokryphe Stoffe eingereiht werden konnten. Erst zur Unterscheidung der später im slav. Bereich entstandenen 'Tolkovaja Paleja" wurde sie als "Palaea historica" bl.W. " I storj~eskaja Paleja" bezeichnet. Den griech. Text hat VA$ IL' EV 1893 nach dem Vergleich von 7 Hss. des 9.- 16.1hs. herausgegeben. Ihre lcirchenslav. Übersetzung veröffentlichte PoPOV 1881 - zu deren weiler Verbreitung und hsl. Überlieferung neben der inzwischen ent­standenen "Tolkovaja Paleja" vgl. TuRDEANU 1964/1981.

lOO Auch der Kommentar greift häufig auf vorausliegende Quellen zurUck. Seine AbselZung vom ursprünglichen Text läßt sich bei genauer Beobachtung in der Regel noch erkennen. Versuche. die antijUdische Tendenz des Kommentars historisch auf die Ausei nandersetzung mi t der Häresie der "l udaisierenden" in Rußland seit dem 14. 1h. zu beziehen, si nd nicht zwingend - sie erklären lediglich die Popularität des Werkes gerade im Norden Rußlands gerade in dieser Zeit. Vgl. zum Ganzen SANTOS OTERO 1989.

)M Neben verschiedenen apokryphen Legenden betrifft dies vor al lem so gewichtige Texte wie die 'Testamenle der 12 Patriarchen", die "Apokalypse Abrahams" oder die "Jakobsleiter". Allerdings zeigt ein Vergleich mit den wenigen unabhängig überlieferten Hss. der genannten Apokryphen. daß ihre Eingliederung in die 'Tolkovaja Paleja" um den Preis von Kürzungen und Überarbeitungen geschah. Zu Einzelheiten vgJ. S"N'TOS OTElO 1989.

)06 Die umfangreiche Literatur kann hier nicht aufgefUhrt werden. Sie finde t sich zum größten Teil vel7.eichnct und referiert bei S"Nl'OS O1'ERO 1989. Zum Überlieferungsweg vgl. vor allem die grundlegende Arbeit von ISTR1N 1905106 sowie den ForschungsüberbJick bei MIQ IAJLOV 1927.

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92 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

gedient hätte - oder um gekehrt . .J07 Vie le Ein zelhei ten ihrer Text- und Über­

Jiefcrungsgeschichte liegen noch immer im Dunkeln und bed ürfen nach den

anHinglichen Arbeiten um die Jahrhundertwende noch intensive r Untersuchun­

gen. lOS Nach den bishe r bekannten Texten ste llt s ich die Überlieferung von

Abels Bestattung in folgender Gestalt dar:

"R nopunoBBc A CUTOHB R peQ B3 'h J.eCUb J.e uy COTBOPHX'h RCD

Do ponH H3rHuHY 6HTR . R ce oy.e 6onwe J.e 3no B'hBe prOX'h H

DJIBQb HUB HBJIt30X'h : : H DnBJ:B .e CA BnBU'h H J.e BrB HBnb

BBe JIe Ub .JI . ntT , H He C'hrBH Ttno J.e ro , H He OYUtJ.BCTB J.e ro

norpeCTH . H DOBe ntHbJ.e U'h 6HlIU'h npHntTtcTB nBt rOpJIHUH,

J.e nHHU :Ire J.e D oy:t.lpe, H npo yrSJ.B :lCe HCJ:ODBB'hWH J.B:t.lOY H

BDO:JC.H B UD 0Y:t.lpm.DD H lIorpe6e. TO BHntB'h 6llB:t.l'h H J.eBru H

lIo rpe60cTB BBe nA H 0 Y CTB CHH DnBQh:: "

"Ocr Satan aber freu tc sich und sprach: Ich bin es, der ihn aus dem

Paradies vertrieben sein machte. Und siehe, noch größeres Übel habe ich herbeigeführt, und Weinen habe ich ihnen beiden gefunden. Und es

weinten Adam und Eva 30 Jahre [lang] über Abe!, und sein Körper

verweste nicht, und sie verstanden nicht, ihn zu begraben. Und auf Gottes

Befehl flogen zwei Turteltauben herbei, e ine von ihnen s tarb, die andere

aber hob eine Grube aus und legte in sic die Gestorbene hinein und begru b

[siel . Als Adam und E"a d ies sahen, hegl1..lben auch sie Abc: und beerlde­tcn ihr Weinen." (Tolkovaja Pa!eja)309

1O7 Diese gegenseitigen Beziehungen sind vor allem bei SUQIOMUNOV 1908 (58-70) Gegenstand einer eingehenden Untersuchung. Die These einer gemeinsamen Quelle hat dann SACIlMATOV 1940 (122-149) anhand eines Vergleiches der "Rededes Phi losophen" mit den entsprechenden Passagen der 'Tolkovaja Paleja" aufgestellt und übcmugend nachgewiesen.

JOt Die bislang einzigen vollständigen Ausgaben sind die große Edition der PAl.EJA TOLKOV AIA 1892196 aus Kolomna vom Jahre 1406 durch die Schiller Tichonravovs (die in ihrem lextkri Lischen Apparat die zugrundcl iegende Hs. Nr. 38 der Bibl iothek der Drei fai tigkeits-Sergius·Lavra mit weiteren 8 Hss. des 14.-17. Jhs. vergleicht) sowie die Edition einer Paleja von 1477 durch NOVICKU 1892. Nach ISTRlN 1905/06 gehören beide zur ursprünglichen Redaktion. Für die oben genannten Apokryphen bieten jedoch andere Paleja- Hss. wiederum zuverlässigere Textformen. Weitere kritische Ausgaben , die ihrerseits erst genaue inhal tl iche Untersuchungen zuließen. stehen imml..'r noch aus.

)09 Russ. Text bei PALEJA TOLKOVAJA 1892196, 96 (15. Jh.); NOVICKJJ 1892, BI. 54r und v (15. Jh.), PoRflR'EV 1877, 106 (nach der Paleja Nr. 653 der Bibliothek des Solovcckij-Klosters, 16J 17.

Jh.); SACl IMATOV 1940. 134f (der die Editi on der Schüler Tichonravovs zitien ). Hier ist der Text zitiert nach PALEJA TOLKOVAJA 1892196. 96; der Text bei NOVICKlJ 1892 ist damit weitgehend identisch - abweichend heißt es allerd ings: "Adam und Eva weinten drei Jahre lang übet dem Körper Abels ... ", wobei die 3 als Wort ausgeschrieben ist; der Text PoRFlR'EV'S dockt sich

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Kirchenslavische Überlieferungen 93

Die Übereinstimmungen mit der Fassung in der "Rede des Philosophen" sind so groß, daß eine literarische Beziehung unabweisbar scheint Ganz analog wird die Trauer der Voreltern mit der Freude des Satans kontrastiert, womit die Episode zugleich einen festen Platz im Ablauf der Urgeschichte erhält: Nach dem vor­zeitlichen Sturz Satanaels gelingen diesem nun mit der Verführung Evas und der Anstiftung Kains zwei Siege über den Menschen, deren er sich zu rühmen vermag. Die Zeit der 30jährigen Trauer Adams und Evas,310 ihre Hilflosigkeit vor dem nicht verwesenden Leichnam Abels sowie ihre gemeinsame Befolgung des Beispiels der Botcnvögel entsprechen detailliert der Fassung in der "Rede des Philosophen". Einzig die Bezeichnung jener Vögel als Turteltauben unterscheidet die beiden Texte voneinander. Damit wären die "reinen Vögel" par excellence benannt, wie sie auch in Tanch Ber § 10 gedacht sein konnten.lU Wie die oben genannte türkische RäLSelfrage :reigt, scheint die Turteltaube jedoch viel eher in der griechischen Tradition beheimatet gewesen zu sein.3Il Es ist sehr wahr­scheinlich, daß sie in der Überlieferung von Abels Bestattung auch vor dem Hintergrund einer Christlich-typologischen Deutung des Todes Abels auf den Opfertod Christi verständlicher erschien.lIl Gerade die so stark an einer Über-

ebenfalls mit der Edition der Schüler Tichonravovs - es fehlt lediglich die Wendung "und Weinen habe ich ihnen beiden gefunden." (dt. Übers. bei JAGtC 1893, 52). Nach ISTlI.IN 1898 (I 1381) gehören alle diese Fassungen zur ersten , ursprtinglichen Redaktion der "Tolkovaja Paleja": neben jener Hs. aus Kolomna, die von den Schülern Tichonravovs Un!cr Bcrticksichtigung weiterer 8 Hss. ediert wurde, zählte ISllUN 1898 noch 3 Hss. (I : Bibliothek des Solovcckij-Klosters Nr. 653 - von PoRFlR'E\' benulZt; 2: Hs. aus Volokolamsk, BibliQlhck der Moskauer Geistlichen Akademie - wäre noch zu prüfen; 3: Hs. im Besitz der Ob~estvo ljubitelej Drevnej Pis' mennosti Nr. 190 - von NOVICKJJ 1892 edien), die sich von den Hss. des Kolomnaer Typs lediglich in der Darlegung der Abrahamsgeschichte (sie enUlaltcn die "Apokalypse Abrahams") unterscheiden.

' 10 Bemcrkenswen ist hier, daß die ''Tolkovaja Paleja" nach der Edition NOVICKU' s 1892 auch eine 3jährige Trauerleilkennt - 3 Jahre kommen sonst (außer sl Hen 71,36) in der slav. Über­lieferung nirgends vor. Es könnte sich dabei (in Anbetracht der zu beobachtenden Tendenz einer zunehmenden Steigerung) um die ursprtlngliche Angabe jener Quelle von "Tol kovaja Paleja"" und "" Rede des Philosophen"" handeln .

) 11 GINZBERG 1899 (294·) gab der Fassung der Paleja, die er nach dem Text PoRFIR'EV'S (in der Übersctzung JAGtC'S) kannte, auch den Vorrang vor jener aus PRE 21, da sie neben der Erwähnung von Adam und Eva eben die "reinen Vögel " als ''Turteltauben'' benenne: "Sogar die genaue Be:stinunung der 'rm'nO n'G'IP' des Mkhasch als Tauben vaTä1h noch eine midraschische Moovierung dieser Sage." Eine direkte Kenntnis jüdischer Quellen ist hier freil ich kaum anzunehmen.

)Il FOT ei ne Auslassung der Turteltaube in der "Rede des Philosophen" läßt sich kein rechtcs Motiv erkennen - dies wäre eher hinsichtlich des Raben denkbar. Gerade an dieser Stelle wird die jeweils eigenständ ige QuellenbenulZung in der Chronographie und der Zusammenstellung der "Tolkovaja Paleja"" deutlich.

m Vgl. oben Anm. 21; zur Taube als Grabsymbol vgl. oben Anm. 285.

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94 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

führung der "ungläubigen Juden" interessierte "Tolkovaja Paleja" griff hier möglicherweise auf eine solche Tradition zurück. Nach einem eingehenden Vergleich beider Fassungen gelangte Sachmatov nun zu dem Schluß. daß sowohl die "Rede des Philosophen" als auch die "Tolkovaja PaJeja" aus dem von ihm postulienen russ ischen Chronographen schöpften, wobei die "Rede des Philoso· phen" dem Kompilator der "ToLkovaja Paleja" zugleich als Hilfs· oder Neben· quelle gedient habe.J I

• Über die Vorgeschichte der Überlieferung von Abels Bestattung im gricchisch·byzantinischen Bereich ist damit freilich ebensowenig gesagt; allein die Einbindung derselben in er.tählerische Zusammenhänge im älteren slavischen Schrifttum wird dabei an einem weiteren Beispiel sichtbar.

Von hier aus wäre nun die Ausgestaltung der Überlieferung zu verfolgen, wie sie in den zahlreichen Redaktionen sowohl der russ. Chronographenm als auch der "Tolkovaja Paleja"116 zu erwarten ist. Dies führt freilich beim gegenwärtigen Forschungsstand in ein nur schwer überschaubares Feld entlegener Editionen und Verweise, so daß hier nur wenige eher zufallige Belege genannt werden können. In einer von Istrin als "Kratkaja Paleja" bezeichneten Redaktion der "Tolkovaja Paleja" erscheint die Überlieferung von Abels Bestattung etwa in gestraffter Gestalt:

''IInaxa. I e CSl A.nw.rb H EBlH mTb 30 lI8JI'b ABerrellb H neoyl.dcra

erD norpeCTH, H nOBe nt,HieM'h 6oIHeM'h npHJIeTt,CTH nBt,

DTHU.H. H e.aMH6 eD aYllpe. H npoy rtlH 1l0rp86e D . k1: Ta Bldl.(H.B·b

Ar18M'b H EBB6.H Darpe60cT6 ABeßR ."

"Es weinten aber Adam und Eva 30 Jahre über Abcl und verstanden nicht. ihn zu begraben, und auf Gottes Befehl flogen zwei Vögel herbei . und einer von ihnen starb. und der andere bcgrub ihn. Und als Adam und Eva dies sahen, begruben auch sie AbcI." (Kratkaja Paleja»)]7

Auch in dieser knappen Form enthält der Text alle wesentlichen Elemente bcider oben genannten Fassungen. Allein die Botenvöge! treten (gemäß der "Rede des Philosophen") wieder als ein nicht näher bestimmtes Vogelpaar auf. In einem unabhängigen Artikel unter dem Titel "Slovo 0 bytii vsego miral Wort über die Erschaffung der ganzen Welt" bzw. "Slovo iz palej vyvedeno na zidyl Wort aus der Paleja entnommen gegen die Juden" liegt ein eigens tändiger Text vor, der die

" . SAOIMATOV 1940, 138. m Vgl. dazu den Überblick über das Material bei TVOROGOV 1975. lI6 Vgl. vor allem ISTRJN 1905/06. )17 Russ. Text bei SACIiMATOV 1940. 140 (nach einer Hs. Sreznevskijs aus dem 16. Jh.). Nach

IsTRJN 1905106 ist diese Redaktion ats die dritte zu betrachten· von ihr si nd 2 Hss. und 2 Fragmente bekannt Vgl. zu ihrer Beschreibung ISTItiN 1905106. 11 96-203 .

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Kirchcnslavische Überlieferungen 95

"Rede des Philosophen" mit den entsprechenden Passagen der "ToLkovaja PaJeja" verbunden hat. m Davon sind bislang 6 Textzeugen bekannt, bei denen noch zu prüfen wäre , inwiefern auch sie die Überlieferung von Abels Bes tattung enthaJ· ten.319 Ocr breite Strom von Chronik· und Paleja·Hss. sowie das Auftreten dieser und ähnlicher Artikel in verschiedenen Sammelbänden lassen vermuten, daß auch die Überlieferung von Abels Bestattung in größerem Maße bekannt und verbreitet gewesen ist. 320

3.4.3. Offenbarungen des Pseudo·Mcthodios

Ein ähnlich chronoraphischer Zusammenhang liegt auch in einer Schrift vor, die freilich erst in ihrer spätesten russischen Redaktion und (angesichts der breiten handschriftlichen Überlieferung ihres Textes) ganz singulär die Überlieferung von Abcls Bestattung aufgenommen hat. Die "Offenbarungen des Methodios von

Palara" t die dem kleinas iatischen Bischof aus dem 3.14. Jh. fälschlich zugeschrie· bcn wurden,)2I e ntstanden vermutlich im 7. Jh . in Syrien.J22 In griechischer, kirchenslavischer und lateinischer Übersetzung erlangten sie weite Verbreitung und außerordentliche Popularität im Osten und Westen.m Ein mit Holzschnitten von Sebastian Brandt versehener Druck von 1498 in Basel veranschaulicht den

m Einer der 6 hsl. Belege entbehrt einer Überschrift. ein anderer formu liert dieselbe eigen. ständig. Zu der genannten BeurlCilung vgl. ~AClIMATOV 1940, 124-126.

JIt Vgl. Nikol'skij 1906. 15·16. NIKOt.'SKJJ verweist auch auf Beziehungen dieses Textes zu einigen Frage· und Antwortteihcn . Von den 6 Hss. des 15.- 16. Jhs. war 1940 noch keineedicrl ' vgl. SACIIMATOV 1940. 124·126.

UD Von Interesse wären hier besonders die von ISTRIN 1905106 (1 139-195) genannten und beschriebenen 5 Hss. der zweiten Redaktion der 'T olkovaja Paleja" C'Polnaja Paleja"). Eine Nachprüfung kann hier leider nicht erfolgen. sie mUßte vor Ort und von kompetenterer Seite geschehen. Ob sie zudem entscheidend Neues einbrächte. bleibt fraglich, wenngleich auch einige weitere Belege zu erwarten wären.

)11 Methodios war Bischof von Patara in Lykien . 1m Jahre 311 erlitt er unter Diokletian in Chalkis das Manyrium.

122 Die letzten historischen Ereignisse. die sich mit Sicherheit ausmachen lassen, liegen um das Jatv 655; um das Jahr 674 schein! die Schrift dann noch einmal erweitert worden zu sein. wie sich aus einem größeren Zusatz vermuten läßt . V gl . dazu LOLOS 1976, 22 . Dart.lber, daß das Original syr. abgefaSt war, herrscht Konsens; der syr. Text (obgleich erhalten) ist allerdings bislang noch nicht veröffentlicht worden ; vgl . dazu KMOSKO 1931 .

3U Vgl. die slav. Texte bei l)CltONRAVOV 1863 U. 213·281; dazu die grundlegende Unter­suchung und Edition der griech .. slav. und eines lat. Textes bei ISTII.IN 1897; die lat. Überlieferu ng bei SACKUR 1898; eine neue kritische Edition der griech. Überlieferung bei Lows 1976 und 1978.

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96 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

volkstümlichen Charakter der Schrift auf besonders eindrucksvolle Weise. l2A Für

ein solches reges Interesse waren zweifeUos jene Partien verantwortlich, die einen

Sieg der Christenheit über die Türken voraussagten.

Ein erster Teil der Schrift bietet zunächst einen großen Abriß der Weltge·

schichte, der mildem Auszug Adams und Evas aus dem Paradies beginnt und dann

über e ine Reihe von vaticinia ex evenlu in den zweiten, prophetischen Teil

übergeht. Die Urgeschichte wird dabei äußerst knapp und in großen Zügen

behandelt. wobei das Vorbild der syrischen "Schatzböhle" deutlich hindurch· scheint. m Der Brudermord findet nur e ine knappe Erwähnung. In einer späten

russischen Hs. aus dem 18. Jh}26 die zu der von V. Istrin in seiner gründlichen Untersuchung des Textes so bezeichneten "interpolierten Redaktion "127 gehört.

wird die Geschichte dann aber viel breiter enählt. Und dabei begegnet wiederum

die Überlieferung von dem Beispiel der beiden Vögel. Sie folgt ganz offensichtlich

jener Fassung. wie sie in Chronik und Paleja vorliegt, ergänzt dieselbe jedoch um

einige charakteristische Details: "Damals freute sich der Teufel über das Verderben des menschlichen Geschlechtes ; Adam und Eva aber fanden den toten Abel liegen und

weinten bitterlich 30 Jahre lang. Der Herr Gott aber verOuchte den Kain :

'Gehen und zittern sollst du auf Erden!' Und damals zeigte der Herr Gau

Adam und Eva ein Wunder: 2 Vögel kamen vom Himmel herab und begannen, miteinander zu kämpfen, und der e ine erschlug den anderen,

und er begann in die Erde zu graben, und er legte ihn [hineinl und grub

zu . Als aber Adam und Eva dies sahen, sprach Adam zu Eva: 'Uns hat der

Herr dieses Wunder geze igt. ' Und Adam und Eva begannen, in die Erde zu graben , um ihren Sohn Abel hineinzulegen. Und der Teufel kam herzu

und sprach zu Adam : 'Unser soll die Erde sein. Gib mir eine Unterschrift

)lI Vgl . SACKUR 1898. 3f. Die Baseler Ausgabe enthielt neben den Illustrationen noch einen ausführlichen Kommentar; ein erster Druck war bereits 1475 in Köln erfolgt.

)2:1 $0 z.B. in der Erwähnung der beiden Zwill ingsschwestern Kains und Abels oder in der Schilderung der frommen Sethiten, die sich von den gottJosen Kainiten in der Ebene absondern und auf dem nahe beim Paradies gelegenen Berg wohnen .

)111 Sie findet sich in einem Sammelband aus Tula und gehört als Nr. 66 der Hss.·Sammlung Uvarov an . Vgl. den russ. Text bei TlOIONRAVOV 1863, 248-268.

)17 ISTRIN 1897 beschreibt eine crste und zweite slav. Übersetzung, von der er dann eine in terpolierte Redaktion unterscheideL Als Text für die letztere druckte er eine Hs. aus dem 16.117. Jh. ab (a.a.O. 11, 11 5- 131). die jedoch die betreffende Passage vermissen läßt . Die interpolierte Redaktion ist nach Istrin in Rußland au f der Grundlage des Textes der ersten Übersetzung entstanden. Den von n CUONRA vov 1863 edierten Text bezeichnete er als späle. weit verbreitete Fassung dieser Redaktion (vgl. ISTRIN 1897 1, 175·232, spcz. 175).

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Kirchenslavische Überlieferungen

mit deiner Hand: daß die Lebenden dir gehören , aber die Toten mir.' Adam gab die Unterschrift mit seiner Hand und verbarg seinen Sohn Abe!." (Ps-Melhodios)'"

97

Es ist zunächst bemerkenswert, daß im vorausgehenden Text auch hier eine Anstiftung des Teufels steht - der Teufel gebietet dem Kain, seinen Bruder zu erschlagen, und er trägt selbst den Stein als Mordwaffe herbei . Die Freude des Teufels entspricht der Einleitung der Episode in Chronik und Paleja Auch die Zeit der Trauer folgt deren Beispiel. während die übrigen Hss. ganz in der Tradition der syrischen "Schat7..höhle" die Trauerzeit mit 100 Jahren angeben.129 Neu ist die Verfluchung Kains; mit dem "Zittern" hingegen wird ein weiteres Motiv der Strafe Kains aufgegriffen. das schon die Nestorchronik erwähnt und das letztlich auf die Übersetzung von Gen 4.12 durch die LXX zurückgeht 1lO Die beiden Vögel bleiben so unbestimmt wie in der "Nestorchronik". Allerdings kämpfen sie wieder mileinander, wovon die jüdischen und islamischen Beispiele erzählen. die sla­vische Überlieferung hingegen schweigt. Ihre charakteristische Eigenheit hat diese Fassung jedoch da, wo sie den Konflikt des Teufels mit dem menschlichen Geschlecht auch nach der Bestauung Abels fortsetzt. Adam und Eva. die im Beispiel der Vögel das Wunder Gottes erkennen, werden bei der Bestattung vom Teufel unterbrochen. der Anspruch auf die Erde und ihre Toten erhebt. Hier wird jene besonders in der slavischen Litcratur wohl bekannte dualistische Legende von dem "Chirographum", das Adam dem Teufel gegeben habe, greifbar: ursprünglich verbunden mit der ersten Bearbeitung des Ackerbodens nach der Vertreibung aus dem Paradies ist sie im vorliegenden Falle nun an die Schilderung der ersten Erdbcstattung angefligl worden.'HI In dieser Kombination taucht die Überliefe­rung dann noch einmal im es tni schen Sagenschatz auf. Jn Adam akzeptiert, und die Bestallung kann erfolgen. Der Besitzanspruch des Teufels auf die Toten bleibt als Tatsache stehen; der Text fahrt mil der Urgeschichte fort, ohne (wie sonst in diesem Zusammenhang üblich) noch auf die Annulierung dieses ahnungslos geschlossenen Vertrages Adams durch den Sohn Gottes hinzuweisen. Die Passage gibt sich damit einmal mehr als Einschaltung zu erkennen. die aus einem anderen Zusammenhang herausgenommen und hier eingefügt worden ist. Sie zeigt zugleich

l !l Russ. Text bei TIO IO:>.'RAVQV 1863 ll , 248f. Auf die Wiedergabe des russ. Textes kan n hier aufg rund seines jungen Datums sowie seines Um fanges verzichtet werden.

l :!'l Vgl. dazu oben 2.2.2. Die entsprechende Angabe ist in der vorl iegenden russ. Fassung zugunSlcn der 30 Jahre getilgt.

1)0 Vgl. TRAUTMANN 1931 . 63 . Die LXX gibt das hebr. "unstet und nUchtig" des Auches aus Gen 4,12 mit "seufzend und zi tternd (otEveoV '::0.\ tpfl'mv)" wieder.

])1 Vgl. dazu JAGlt 1893, 42f: DÄJINIIARDT 11 907. 236-242; dazu unten 3.5.2. III Vgl. unten 3.5.2.

, .:1\6

St~a.;,~ ' Dllothek Mijnchen

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98 Überlieferungen um Abcls Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

die Vielgestaltigkeit der Überlieferung, die sich wohl gerade auf slavischem Boden auch mit dualistischen Stoffen verband und vorzugsweise im volkstüml ichen Milieu lebendig blieb.

3.4.4. Fragen und Antworten

Von besonderem Interesse ist nun die Tatsache, daß die Bestattung Abels nach dem Beispiel zweier Vögel auch im slavischen Bereich wiederum dem Bestand verschiedener Frage- und Antwortreihen angehört Neben der Annahme, sie seien hier aus Chronik und Paleja herausgelöst und in die Fonn des Frage- und Antwort­schemas gekleidet worden, muß dabei auch mit einem direkten Rückgriff auf griechische Rätselfragen gerechnet werden. Dies legen nicht allein die oben genannten georgischen Fragen sowie das türkische Textzeugnis nahe. sondern auch ein Blick auf die Herkunft der zahlreichen Frage- und Antwortreihen in der slavischen Li teratur überhaupt. Schon früh begegnen Übersetzungen einiger der bekannten griechischen EroLapokriseis auf slavischem Boden.m Vor allem aber die "Beseda lfCch svjatitelcjlGcspräch dreier Heiliger", die wohl populärste und am weitesten verbreitete Ausprägung eines Gcsprächsbuchcs in der slavisch-russi­schen Literatur,JJ4 geht in ihrem Ursprung auf die Übersetzung eines griechi­schen Originals im stidslavischen Raum (etwa im 13. Jh.) zurück. m Im Laufe ihrer Überlieferung und Verbreitung wuchsen ihr zahl reiche Fragen hinzu. erfolgten Umstellungen und Kombinationen, wobei der "lockere" Rahmen ideale Bedingungen für die Aufnahme apokrypher Überlieferungen bot. Zugleich scheint sie dabei in ihrer schlichten Gestalt auch auf die Volksdichtung eingewirkt zu

m So z.B. die "Queslione.s ad Antiochem durern" oder die "Questiones et responsiones" des Anastasios Sinaita - vgl. dazu SANTOS OrERO 1981, 11 196.

))01 Über die Fülle der einzelnen Editionen und Untersuchungen bietet noch immer NAomGAlJ.. 1901-04 die beste Übersicht. Den neuesten Forschungsstand repräsentiert SANTOS ÜTERO 198 1 (11 196-222), der neben einer Bibliographie der Sekundärliteratur allein 120 Hss. ver/,cichnel. Die Schrin gibt sich in einigen Eltemplaren als GesprIch zwischen Basilius dem Großen. GregOf von Nazianz und Johannes Chrysostomus. deren Fest in der 2. Hlilne des 11. Jh!. in Konstantinopel eingesetzt wurde. NaChtigall unterscheidet im wesenllichen 4 Gruppen von Fragen , deren Inhalte jedoch vielfach variieren und eltegetische. mOfalische. kosmogonische und theologisch-dogmati ­sche lhernen behandeln.

m Zahlreiche griech. TeltlZCugen finden sich bei NAOI11GAl..L 1901-04 aufgefl.lhrt und teilweise zitiert. Ihre Hss. gehen jedoch nicht vor das 14. Jh. zurilck . Daß das gricch. Original dennoch lilter sein muß. belegen indessen lat. Paral lelteltte aus dem 7.-9. Jh. Nach Rußland gelangte die Schn n dann im 15. Jh. Vgl. dazu SA/Io'TOS OrERO 1981 , 11 198-199.

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Kirchenslavische Überlieferungen 99

haben .3~ Im Rahmen der "Beseda" enthält nun ein eigener, fester Überliefe· rungskomplex vorlugsweise Fragen zur Adamgeschichle.m Auf Abels Schick· sal wird darin jedoch nur in der Weise Bezug genommen, daß seine Ennordung durch Kain sowie der Bestattungsaufschub bis zur Beisetzung Adams verhandelt werden. Letztere Frage ("Frage: Wie lange lag Abe! unbegrabcn? ·Antwort: a. 930 Jahre, bis Adam begraben wurde, sein Valer. b. 900 Jahre, bis Adam starb, da wurde auch Abc! bei Adam und Eva in Eden begraben.") hat eine Parallele in jener Hs., in der sich auch der Hauptzeuge des kirchenslavischen Adambuchcs befindet. H8 Zahlreiche Fragen nach dem Schema "Wieviele Jahre ... ?" oder "Wer wurde zuerst ... 1" wecken hier die Erwanung, auch die Überlieferung von Abels Bestattung nach dem Beispiel der Vögel zu fmden. Doch allein an einer Slelle wird von der Trauer Adams bis zur Zeugung des Seth berichtet, die einen Anklang an die Überlieferung von der Trauer beider Eltern um Abe! sowie seine Bestattung verraten könnte. ))9

Im Umkreis des komplizierten (und noch längst nicht endgültig aufgehellten) Überlieferungsweges der "Beseda" begegnen nun weitere Frage· und Antwortrei· hen, die bei manchen Entlehnungen auch eigenständige Traditionen übernommen und entwickelt haben mögen. Von Abels Bestattung berichtet dabei eine Reihe, die in verschiedenen Wendungen einen starken bogomilischen Einfluß verrät. Sie findet sich in der Hs. Nr. 188 (17. Jh .) des Zographos·Klosters auf dem Athos. Die 2. Frage enthäl t den folgenden Text:

Ho V.N. Moeutskij etwa versuchte, in der "Bcscda" Spuren ei ner apokryphen ··Volksbibcl " nachzuweisen. Obwohl ihm darin niemand folgte (vgl. Referat und Kritik bei NAOITIGALL 1901. 17·25). blieb die Nähe der "Beseda" zur volkstümlichen Dichtung doch unbeslriuen .

J)"l Sie erscheinen als .. Adamfragen'· I. und 2. Redaktion als eine der wichtigsten Gruppen im komplizierten Übcrl ieferungskomplex der "Bcscda" . eine Zusammenstellung bietet NACIITIGALL 1902,321·343 .

»)1 Vgl. auch oben Anm. 59. Russ. Text bei NAOITIGAU.. 1902. 334. Die beiden Hss. (2. Redaktion der Adamrragen) gehören in das 18. und 16. Jh. NAClmGALL vermutete, daß die Frage in anderen Hss. ausgefallen ist (76 und 332). Zur Fassung der Antwort a) vgl. noch Iv ANOV 1925, 263 (= Frage Nr. 60): franz . Übers. bei DANOO 1981. 25. Eine griech . Frage (KRASNOSF..L.'CEV 1899, 138) nennt 100 Jahre der Trauer Adams um Abcl, was cher in der Tradition der syr. "Schatl.höhle·· steht (s. oben 2.2.2.).

))9 "NacMcm aber Adam 3 und dreihundert Jahre in Klage um seinen Sohn Abcl verbracht hatte, zeugte er Seih."· russ. Text bei NAClm GALL 1902, 365: dieser Passus ist eingebettet in eine detaillierte Chronologie des Lebens Adams auf die Frage: "Wieviele Jahre verbrachte Adam, bis er Kain zeugte?" Die Zeitangabe bleibt unklar, die einer weiteren Hs. "200 Jahre und 300" ebenfalls (NACHTIGAU, 1902, 365). Immerhin· die zeitliche Begrenzung der Trauer scheint die Bestattung Abels einzuschließen.

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100 Überlieferungen um Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

"XTO npbBte norpe6eHb 6HCTb Ha 3eWIIH - erna HOCH 8n8Wb CHBa CBOeI'O B.Beß8 r. nbHH H But rpbJIHß,lt Dorpe6m llA DTIDlll B'b nkut. TOrna anallb Dorpe6e CHUa CBOerO B'b 3ellIIA ... "Wer wurde auf Erden zuerst begraben'! - Als Adam seinen Sohn Abel 3 Tage [lang] trug und eine Turteltaube einen Vogel im Sand begraben sah, da begrub lauch] Adam seinen Sohn in der Erde." (bogomilische Erot­apokrisis»)W

Diese Fassung bietet einige interessante Eigenheiten. Deutlich wird zunächst die ursprüngliche ätiologische Intention der Überlieferung durch die Formulierung der Frage zum Ausdruck gebracht. Die Beobachtung einer Turteltaube, die hier ohne konkreten Auftrag Gottes zu handeln scheint. könnte sich auf die "Tolkovaja Paleja" (bzw. direkt auf die griechische Überlieferung'! - s. oben 3.4.2.) beziehen. 3 Tage des Bestanungsaufschubs verraten zuverlässiger als alle anderen slavischen Zeugnisse Gedoch in Übereinstimmung mit der griechischen "Palaea historica") den orthodoxen Trauerritus.J.41 Für den merkwürdigen Gedanken aber, Adam habe seinen Sohn Abel 3 Tage lang getragen, läßt sich wohl nur die islamische Legende heranziehen, nach der Kain jedoch den toten Abel entweder aus Furcht vor Adam oder zum Schutz gegen die wilden Tiere auf seinen Schultern mit sich herumträgt .142

Eine andere Fassung enthält die Hs. NT. 32 1 (16.- 17. Jh.) der Belgrader Nationalbibliothek:

"B. KOUHIO ne:lKa Tilno ABeneBo uenorpt6eHo H HeTutHHo H ueBptnHl.t:o '! O .. T . UtT. BHntB :lKe anaM nTHUX 30BOMXA paXOYHIIe . 1-810 pHeTb rp06, Hne:lKe ue:lKame aBen HenorptfieH . H BHneB anal.t: H C'hTBOPH rp06 H norptfie CH8 CBoero aBen.&.. He Btneme 60 HCloyca DorpMeuiD." "Frage: Wie lange lag der Körper Abels unbegraben und unverwest und unverwundet'! Antwort: 300 Jahre. Es sah aber Adam einen Vogel, den man Rakuil nennt. wie er ein Grab gräbt, dort wo der unbegrabene Abcl lag . Und als Adam (dies I gesehen hatte. machte auch er ein Grab und

)000 Russ. Text bei RADtENKO 1903. 6 l7f - zu allen weiteren Angaben vgl. den ganzen Art.ikel. ).0 1 Vgl. oben Anm. 76. Der Begrenzung der Trauerreit entsprechen die 3 Tage der "Palaea

historica" am ehesten: alles wei tere erweckt den Eindmck späterer Übersteigemng. ).O} So in der Gestalt bei al-Tabari und al -Tha 'labi ; bei a1-Kisä' j trug Adam den Leichnam Abels

auf seinen Schultern bi s zur Schatzhöhle - s. oben 3.2 .4 .). Dies wäre dann ein Beispiel für die Rückwirkung islamischer Überlieferungen auf den chriSllichen Bereich (wenngleich auch in bogomilischer Rirbung).

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Kirchenslavische Überlieferungen

begrub seinen Sohn Abel. Denn er kannte nicht das Verfahren der Bcstattung." (Erotapokrisis)143

101

Die aus der "Beseda" bekannte Frage wird hier nicht mit dem Bestattungsaufschub um Adams willen, sondern mit der für das Bestauungsbcispiel des ersten Grabes notwendigen Frist beantwortet. 300 Jahre lassen sich leicht als sekundäre Über­steigerung der ursprünglichen 3 Tage verstehen.344 Eine eigenständige Schöp­fung auf slavischem Boden wird auch der Vogel "Rakuil" sein, der als solcher m.W. in der slavischen Ornithologie unbekannt ist. Die Vorgabe eines Botenvo­gels bleibt zwar gewahrt, doch sein Name versucht wohl die konkrete Funktion und die Beauftragung durch Gott eindeutiger zum Ausdruck zu bringen: Die Bcstandteile "paKa = IlVllJ.LElov/Grab" sowie die Nachsilbe "-HIT = -rVJ-el" zur Bezeichnung eines Wesens aus dem Hofstaat Gottes lassen hier an eine fLir die Bestattung zuständige Engelsgcslalt denken.14S Diese könnte sowohl aus der vorliegenden Überlieferung heraus gebildet als auch aus anderen volkstümlichen Vorstellungen in dieselbe eingetragen worden sein.

Die gesamte slavische Überlieferung sUmmt darin überein, daß sie statt des Raben die Turteltaube oder ganz allgemein "Vögel" nennt sowie statt des Kain den Adam bzw. beide Eltern handeln läßt. Auch der Botenauftrag Gottes wird - von den heiden Frage-Fassungen abgesehen - betont. Dies alles weist (auch angesichts der jeweiligen Kontexte) doch recht deutlich auf eine Quelle hin , die in der griechisch-christlichen Überlieferung zu suchen ist.

)OJ Russ. Texl bei SOKOLOV 1910. 11 14. Sokolov zi tierte in seiner Beschreibung des ganzcn Sammelbandes allein diese eine Frage, die ihm besonders bemerkenswert schien: I.n diesem Sammelband befindet sich auch einer der wichtigsten Texte des slavischcn Henochbuches· der einzige zudem, der jene Anspi elung auf Abels Bestattung im Zusammenhang der eingangs genannten Interpolation enthält. Eine Abhängigkeit von si Hen 71.36 von dieser Frage ist indessen ausgeschlossen . die betreffende Frage- und Antwortreihe (wr Adamgeschichte und zu Wonen lesu) wurde nach Sokolovs Auskunft von späterer Hand auf die ursprünglich leer gebliebenen lelzten 2 Seiten des 18. Heftes im Sammelband (nach der Offenbarung des lohannes und vor dem sl Hen) nachgetragen (vgl. SOKOLOV 1910, 1110-32).

}.W S. oben Anm. 296 . )Os Die "c'," '1:1" bzw. "c'n," 'l:I, " fungieren bereits im AT als Angehörige des himmlischen

Hofstaates. was auch in zahlreichen Engelnamen zum Ausdruck kommt (Michael. Gabriel, Uriel usw.). Wie in späterem christl ichen Verständni s das "·el" im Namen geradezu zum Ausweis himmlischen Ranges wird. zeigt besonders anschaulich die (griech. und slav.) Überlieferung vom obersten Engel Satanael . der nach dem Stur!. seines "-eI" verlustig geht und fortan nur noch Satan heißt.

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3.5. Finnische und estnische Volksüberlieferungen

AußerhaJb der vielfiltigen literarischen Kontexte ist die Übcrlie fenmg von Abels Bestattung auch in mündlicher Erzählung lebendig geblieben. Die wenigen Beispiele im Frage- und Antwortschema machen bereits den Übergang zu einer volkstümlichen Rezeption deutlich. Gerade apokryphe Stoffe waren wohl auch eher in der VoLksfrömmigkeit beheimatet, und von einer Thematik wie der der Bestattung, die eine so grundlegende Alltagserfahrung beschreibt, ging zweifellos

eine ganz eigene Wirkung aus. Ein Zugang zu mündlichen Überlieferungen bleibt nun freilich flir die früheren

Jahrhunderte weitgehend verschlossen. Erst das erwachende volkskundli che Interesse im 19. Jh. hat zu einer gerielten Sammlung und Aufzeichnung mündli­cher Traditionen geführt. In besonderer Weise machte sich hierbei die 183 1 gegründete "Finnische Literaturgesellschaft" verdient, die nicht nur den reichen Schatz finnischer Überlieferungen zu erschließen begann, sondern darüber hinaus auch einen maßgeblichen methodischen Einfluß auf die gesamte europäische Sagen~ und Märchenforschung gewann.

3.5.1. Finnische Sagen

Der finnischen Volksüberlieferung ist nun die Geschichte von der ersten Bes lat~

tung, deren Kenntnis dem Menschen durch das Beispiel von Vögeln vermittelt wurde, wohlbekannt. Es wäre denkbar, daß hier die enge Nachbarschaft und der kulturelle Austausch mit Rußland eine RoUe spielen,146 wenngleich sich auch im russischen Sagenschatz selbst die Überlieferung m. W. nicht nachweisen Jäßt. 141

}006 Zu den finnischen sowie den finn isch-ugrischen Märchen der Völker Rußlands vgl. BOLTEIPOLIVKA 511932, 171~176 (obgleich dort leider nichts ilbcr Wanderungen und Ab­hängigkeiten von Stoffen gesagt wird). Zu den wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Finnland und Rußland im Blick auf Volkslieder, Volksbräuche. Legenden und Sagen vgl. die Studien von OINAS 1969. ~ Durchsehen konnte ich allerdings nur die Hinweise bei RALsTONE 1873, GUBERNATIS 1874.

ÄNDREEV 1929 sowie die verschiedenen Anmerkungen zur "Beseda", die sicher nur einen sehr !deinen Einblick in den weit größeren Reichtum volkstümlicher Überlieferungen gewähren. Auch die slav. Fassungen des "Physiologus" haben die Geschichte von den Vögel n bei Abcls Bestauung nicht aufgenommen; vgl. dazu PoLIVKA 1892-96.

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Finnische und estnische Volksüberlieferungen 103

ln der großen Sammlung von Sagen und Legenden, die K. Krohn am Ende des vergangenen Jhs. nach mündlichen Berichten aus verschiedenen finnischen Landschaften zusammenLrug, ist die folgende Erlählung aufgezeichnet:

"Das Grab des Menschen. Nachdem Kain seinen Bruder Abel umgebracht hatte. waren Adam und Eva neben ihrem toten Sohn und saßen und weinten und grämten sich und fragten sich. wohin sie ihren toten Sohn legen könnten. Es stand auch ein großer Baum da. und dort war ein Rabennes l. und der Wind riß ein Junges aus dem Nest. so daß es auf die Erde fiel und starb. Das Rabenweibchen kam und nahm sein Junges. das tot war, und scharrte mit seinen KraUen ein Loch und bettete sein Junges hinein. Adam und Eva sahen daran, daß sie auch so zu tun hatten. und das war dann das erste Grab des Menschen.").43

In Übereinstimmung mitden slavischen Texten wird hier vorausgesetzt, daß Kain sein Opfer verlassen hat und die Eltern allein mit dem Toten zuruckbleiben. Doch das Beispiel der Bestattung liefert nun erneut der Rabe. der in den slavischen Texten gerade keine Rolle spielte. Einer sekundären EinfUgung des Raben liefe die Eigenart der Erzählung zuwider: sie knüpft weder an seinem schlechten Ruf an noch schildert sie den tödlichen Kampf zweier schwarzer Gesellen - vielmehr ist es die ganz natürliche Fürsorge eines Vogelweibchens für sein verunglücktes Junges, welche die Beispielhandlung auslöst. So scheint der Rabe der finnischen Sage schon vorgelegen zu haben. Deren eigene Ausschmückungen kommen dann vor allem im Lokalkolorit der rauhen Landschaft (das Nest im großen Baum, der Sturm in den Wipfeln) zum Ausdruck. Auch eine Beauftragung des Raben durch Gott wird nicht erwähnt ; allein aus der Beobachtung eines natürlichen Vorganges heraus erkennen Adam und Eva, was auch sie zu tun haben. 349 Sehr klar ist dabei

)&I Finn . Text bei KROHN 1886. 289, Nr. 315 (bibliographischer Hinweis bei AARNE 1912, 9. Nr. 41). Die dt. ~rs. dieses und der fo lgenden Texte verdanke ich der freundlichen Hilfe von Frau T. Okkola, z.Z. Leipzig. Als Gewährsmann, der die Geschichte enäh1te, nennt KROHN den Knecht Vi ktor Ullgren (40 Jahre) von dem Gut Jakkulassa aus der Landschaft Ostbottnien.

:w, In Tanch Ber § 10 wird die Beauflragung konleret ausgesprochen und resulticn wohl aus dem Gegensatz zur Bcaufttagung jener Tiere. die den Mord vorfilmen, durch Satan. Alle weiteren haggadischen Zeugnisse bringen das Handeln der Vögel im Sinne Gottes durch die Erwähnung nachttäglichen Lohnes zum Ausdruc k. Der Auftrag Gottes ist fester Bestandteil der islam .. gcorg. und slav. Belege . Allein bei Ibn Tufail fehl t er (was sich aus dem Kontext ergibt). dazu bei jenen jUdischen Autoren, die den Raben vennutlich aus der islam. Überlieferung Ubernommen und Probleme mit seiner Rolle als Gottesbote hatten sowie im Targum (der eine doppelte Beauftragung vennciden wollte) und der türkischen RätSel frage (der es kurz und knapp um den ersten Begrabe­nen geht).

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104 Überlieferungen um Abcls Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

die ursprüngliche ätiologische lntention der Überlieferung bewahrt geblieben: die Sage erlähll, wie das erste Grab in der Geschichte der Menschheit zustande kam.

Darüber hinaus gibt es weitere handschriftliche Aufzeichnungen, die im Archiv der "Finnischen Literaturgesellschaft" in Helsinki aufbewahl1 werden und die bislang noch nicht veröffentlicht worden sind.lso Zunächst verdient von diesem Material eine Fass ung besonderes Interesse, welche die Erzählung in einer knapperen Fonn enthält:

"Kain hatte Abel mit der Axt erschlagen, Adam und Eva weinten unter einem Baum. Zufillig fiel ein Rabenjunges tot aus seinem Nest. Das Rabenweibchen grub ein Loch, legte das Junge in das Loch und bedeckte es mit Erde. - Adam und Eva begruben Abel ebenso. " 351

Alle entscheidenden Elemente (Kain tötet Abel ; Adam und Eva trauern; das Rabenjunge verunglüCkt; das Rabenweibchen handelt aus Fürsorglichkeit; Adam und Eva folgen dem Beispiel) stimmen mit jener von K. Krohn aufgezeichneten Überlieferung überein. Allein die erzählerischen Ausschmückungen fehlen.

Mit dieser knappen Fassung eng verwandt ist eine weitere Überlieferung, bci der sich jedoch die erzählerische Phantasie größere Freiheiten erlaubt:

"Adam und Eva trauel1en unter einem Gummibaum um den von Kain umgebrachten Abe!. Aus dem Baum fiel ein totes Falkenjunges. Das Falkenweibchen nahm sein Junges in seinen Schnabel, scharrte mit seinen KuBen eill Loch in die Erde und bcglub sein Jur,ges. - Adam um! Eva taten ebenso. ,,)S2

Der Gummibaum soU der Geschichte offenbar das Kolorit eines femen, exotischen Landes verleihen. Der Falke wiederum entstammt wohl der heimischen Natur­beobachtung - er taucht in der ganzen Überlieferung nirgends auf, und auch die finnische Sage nennt ansonsten durchgängig den Raben.

Eine Ablösung von der Geschichte um Kain und Abcl sowie die Tendenz hin zu einer allgemeineren ätiologischen Sage macht sich in einigen anderen Über­lieferungen bemerkbar. Immerhin setzt die folgende EnähJung noch mit dem Leben der Voreltern ein:

"Als Adam und Eva noch im Paradies lebten und den Weltlauf ansahen, sahen sie eines Tages, wie ein Rabenjunges aus dem Nest auf die Erde fiel und starb. Da kam der Rabe auf die Erde, grub ein Loch, legte sein Junges

'Xl Vgl. die bibliograph. Hinweise bei AARNE 1912, 9. Nr. 41 ; AAJtNE 1920. 53. Nr. 41 (=

Ergänzung). Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle der Finnischen literaturgesellschaft. die mir die folgenden Texte freundlicherweise zur VerfUgung gestellt haI.

lS1 Der Text wurde 191 1 von 1. Tyyskä (698) in Askola aufgezeichnet . Übers. T. Okkola. m Dcr Text wurde 1910 von J. Tyyskä (611 ) in Askola aufgezeichnet. Übers. T. Okkola .

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Fin nische und estnische Volksübcrlicferungen

hinein und bedeckte es gut. - Seitdem begraben auch die Menschen ihre Toten."m

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Manches erscheint hier ungereimt: der Tod eines Rabenjungen will nicht recht zum paradiesischen Tierfrieden passen, zumal auch das Thema des Todes im Paradies noch gar nicht ansteht; Adam und Eva müßten nach der Vertreibung diese Episode wieder erinnern; das "sei tdem" läßt die erste Konfrontation mit dem Tod offen. Allein der Rabe, der die Bestattung exemplarisch vorführt, steht wieder im Mittelpunkt der Überlieferung.

Gänzlich von der biblischen Urgeschichte abgelöst präsentiert sich eine Erlählung, die nun ausschließlich auf die Rolle des Raben konzenlriert ist

"Die Lehre des Raben. Das Rabennes t war im Baum, und die Jungen waren im Nest, und ein Junges starb im Nes t und es fie l von dort auf die Erde - die lebenden Jungen waren unruhig. und das Rabenweibchen wollte nicht sein totes Junges auf der Erde liegen lassen. So grub es ein Loch, legte sein Junges hinein und bedeckte es. So haben alle zu bedecken gelernt. Die Katze bedeckt, der Hund. was er nicht frißt , das bedeckt er und scharrt Erde darauf; und daher haben auch die Menschen angefangen, ihre Toten zu bedecken. Bis dahin wurde nicht begraben. Das ist eine Weisheit, die vom Raben gelernt wurde. " )~

Wiederum ist das Beispiel des Raben Kern der ErLählung, die nun aber aus einer eher häuslichen Perspekti ve als eine allgemeine Beobachtung und Lebensweisheit gestaltet wird: auch Kat7..e und Hund lernen vom Raben, wodurch die Tiere auf breiterer Front zu Lehrmeistern des Menschen werden. Immerhin ist der Fall des Raben als Ätiologie noch erhalten geblieben.

Unter der gleichen Überschrift findet sich eine weitere Fassung, die jedoch ein ganz eigenständiges erL.ählerisches Profil aufweist:

"Die Lehre des Raben. Den ersten Menschen starb ein Kind und sie beschlossen, es aus den Augen zu schaffen, weil sie es nicht ertragen konnten, die kalte Leiche ihres lieben Kindes anzusehen. "Es paßt nicht, die Leiche in den Zimmern unterzubringen, und im Keller werden sie die Mäuse fressen - bringen wir die Leiche auf einen Berg!" schlug die Frau vor. "Dort wohnt der Adler, er wird sie seinen Jungen nehmen! " wußte der Mann. "Stellen wir sie in einen dichten Baum !" "Da wohnt der Rabe!" wußte die Frau. Und da war er auch wirklich, er wollte zeigen, wie klug er war und schlug vor: "Begrab in die Erde. begrab in die Erde! " Die

lSl Der Text wurde 1936 von V. Kolkanen (1 45) in Laihia aufgezeichnet. Übers. T. Okkola. JSoI Die Erzählung wurde 1904 von S. Paulaharju (196) aufgezeichnet die Erzählerin ist Mari

Haapanen (62 Jahre) aus Uusi kirkko Vpl. Übers. T . Okkola.

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106 Überl ieferungen um Abcls Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

Menschen entschieden - da wird die Leiche am s ichersten aufbewahrt sein ; sie schütteten das Grab zu und wälzten einen Stein darauf um zu zeigen, wo das Grab lag. Das ist der Ursprung des Grabes des Men­schen. "m

Wohl sind es die "ersten Menschen", bei denen die Erl'..ählung beginnt Doch die pauschale Bemerkung zum Tod eines ihrer Kinder macht deutlich , daß die biblische Urgeschichte hier nicht mehr im Blick ist. Ausschmückun g erfahrt vor allem das Moti v der Ratlosigkeit gegenüber dem Leichnam. Der Rabe, der schließlich die Lösung weiß, führt allerdings die Bestattung nicht vor, sondern erteilt seinen Ratschlag verbal . Dies ist immerhin e ine interessante Variante zur Deutung des Rabengekrächzes, die in der mittelalterlichen Literatur ein ver­breiteter und beliebter Topos war.l~ Zugleich wird die Erzählung genutzt, die

Ätiologie der Erdbestauung noch um die Errichtung des G rabsteines zu vervoll ­ständigen.

Interesse verdient schließlich noch eine Erzählung, die zwar (naheliegender­

weise) wieder an die Urgeschichte anknüpft, dann aber das Beispiel der Vögel ausläßt:

"Das Grab des Menschen hat seinen Ursprung darin , daß Gou im Paradies über den Menschen wütend wurde und ihm fluchte: "Erde bist du , und zu Erde sollst du werden!" Und als Kain den Abel um brachte, mußte er ihn begraben. und so werden VGn diesem Zeitpunkt an Mensche nleichen begraben und werden nicht auf der Erde aufbewahrt, so wie es ein fester Entschluß ist, daß ein Mensch sterben muß."m

Eine Verbindung zu jener Überlieferung von Abcls Bes tattung nach dem Beispiel der Vögel ist nicht zu erkennen. Den Ausgangspunkt für die Begründun g der Erd bestattung stellt Gen 3,19 dar. und der Verweis auf Kain und Abel bietet sich in diesem Zusammenhang einfach an. Hier zeigt s ich also. daß die Thematik auch zu unabhängiger GestaJtung herausforderte.l~1

m Die Erzählung wurde 1935 von H. Niemelä (KRK 216:38) in Haapavesi aufgezeichnet. Übers. T. Okkola.

)56 Die zahlreichen Belege fi nden sich versammelt bei ROOl ll 1962, MEssaKEN 1965 und SCUMIDTKE 1968; vgl. auch eine volkstümliche Variante bei DÄItNItARDT I 1907, 286.

}S"/ Die Ertählung wurde 1937 von A. Välimäki (24) in Uurainen aufgezeichnet. Übers. T. OkJcola.

nl Eine weitere Ertählung (1935 aufgezeichnet von M. Tiitinen, b) 353. nach der Erzähierin Maria Tiitinen aus Piclavesi, 75 Jahre, Übers. T. Okkola} ist wohl aus einem ähnlichen Impuls entstanden, wobei die Bestattung nun ganz direkt mi t einer Erinnerung an die Etschaffung des Menschen verbunden wird: "Das Grab des Menschen. Das Grab des Menschen wird drei Ellen lief gegraben. und es wird deswegen so tief gegraben. weil Gott die Erde, aus der Er den Menschen

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Finnische und estnische Volksüberlieferungen \07

Die finnischen Beispiele machen vor allem zweierlei deutlich: a) die Leben· digkeil apokrypher Überlieferungen im Bereich mündlicher volkstümlicher Tradition bis in unser Jahrhundert hinein,m und b) die große Freiheit und die Variantenfülle in der mündlichen Ausgestaltung des Stoffes. Das Beispiel des Raben aber e rscheint bei aUen erzählerischen Entfaltungen als Kristallisations· punkt. Dies ist nun insofern wichtig, als bei einer vermuteten Beeinflussung der finnischen Überlieferung von Rußland aus gerade der feste Platz des Raben eine ErkJärung verlangte: die gesamte slavische Überlieferung ließ den Raben auffaJ· ligerweise vermissen. Entweder lag es einem ursprünglichen finnischen Erähler eben einfach nahe, hier den schwanen Raben als angemessensten Lehrmeister einzuführen, oder es hat am Anfang der Überlieferung doch Einflüsse von jüdischer (eher als von is lamischer) Seite gegeben.

3.5.2. Estnische Sage

Einem festeren Überlieferungszusammenhang ist das Beispiel des Raben im estnischen Sagenschalz eingc:fUgt. Es findet sich in der umfangreichen hand· schrifLIichen Sammlung von J. Hurt, die heute im "Literarischen Museum" der Estnischen Akademie der Wissenschaften in Tartu aufbewahrt wird ;16O eingebet· tet in den Kontext einer dualistischen Schöpfungssage. Sagen dieses Typs sind in Osteuropa (besonders im slavischen Raum) und Asien in einer Hschier unheimli· che(n) VariantenftilleH

.)6] verbreitet Die estnische Fassung steht unter dem Tilel "Wie der Teufel geSChaffen wurde und sein Vertrag mit dem Menschen" und er/.ählt etwa folgendes : der Teufel (hier vorgestellt als der geslürl.:te En.engel Michael) ist von Gott hinab zu den endlosen Wasserflächen verbannt worden; auf

schuf, aus der Tiefe von drei Ellen nahm. Deswegen muß die Leiche auch in die Tiefe von drei Ellen gebellet werden ."

]jOI Bei so splU aufgei'.eichneten Überl ieferungen muß freilich immer in Rechnung gestellt werden, daß manches auch aus Lesebüchern. Kalenderblättern 0.1. in den Volksmund übcrgegan. gen sein könnte.

)110 Bibliograph. Hinweis bei AARNE 1918. 143 (Nr. 26). Mein herzlicher Dank gilt dem Kujandusmuuseum in Tanu rur die freundliche Übersendung einer Kopie des entsprechenden Textes. ~ DÄJINllARDT 1907.6. Folgende grundlegende Elemente hat DÄHNllARDT beschrieben; I . Gott

und Teufel erschaffen zusammen die Welt: 2. der Teufel muß auf GOttes Weisung handeln. die er indessen zu umgehen sucht; 3. die Erde wird durch des Teufels ~Ieraufholen von Meeresboden auf dem Wasser geschaffen und wächst durch Ausdehnung; 4. der Teufel begehrt die Toten. Die zahlreichen Varianten hat DÄHNIIAROT 11907 (1 ·89) gesammelt .

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108 Überlieferungen um Abcls Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel

Gottes Geheiß hin hall er Erde vom Mceresboden herauf, aus der GOlt nun das Festland schafft. Der Teufel, der dasselbe daraufhin als seinen Besitz betrachtet, versucht nun das Schöpfungswerk immer wieder zu seinen Gunsten zu stören. Als auch die Menschen erschaffen sind und es zur ersten Bestattung kommt, erhebt der Teufel einen Besitzanspruch auf die ToteJl und begründet dies mit seinem Besit7.J'echt über die Erde. Er verweigert dem Menschen die Bestattung und läßt sich nur durch die Abfassung eines Vertrages zur Übereignung aller Toten in seinen Besitz herbei,l62 zuzustimmen. Gott sendet daraufhin seinen Sohn, der den Vertrag vernichtet und den Teufel in der Hölle ankettet. Im Zusammenhang der zunächst verweigerten Erdbestauung hat nun die estnische Sage - anders als ihre zahlreichen Analogien - das Beispiel des Raben aufgegri ffen und eingebaut:

"Als Gott zum Schluß den Menschen zu seinem Helfer schuf, hatten sie zuerst keine Nachkommen. Da kam es vor, daß die Gotteskinder zu den Menschenkindern kamen und so zur Erhaltung der Menschen bei trugen. Bald wurde dem ersten Menschen ein Sohn geboren, der aber kurz nach der Geburt starb. Die Menschen wußten nicht. was sie mit dem Toten tun mußten, sie suchten hier und da nach einem Platz, doch blieb es ungewiß. welche Bleibe dem Toten gerecht wäre. Zuletzt beobachteten sie zufaJli g. wie ein Rabe mit vollem Schnabel sein Nest verließ, damit auf der Erde landete, dort etwas sehr Seltsames tat und dann wieder zurückflog. Da ging der Mensch hin , um das Geschehene zu beseht:!n und sah , daß uern Raben genauso wie ihm der Sohn gestorben war und daß es auch ihm angemessen wäre, seinen Toten in die Erde zu legen, was er auch tat.

Plötz.lich kam der Teufel zu ihm und sagte: 'Die Erde gehört mir, und keiner hat das Recht, etwas hineinzutun .' So woll te er den Menschen zwingen, seinen Toten wieder aus der Erde herauszunehmen .... "l63

Eine eigentümliche VorsteUung besteht hinsichtlich der ersten Nachkommenschaft des Menschen: hier ist die Überlieferung von den "Gottessöhnen", die die

)6! Damit eng verwandt ist die ebenfalls weit verbrei tete dualistische Episode von dem "Chirographum", das Adam dem Satan geben muß, um die Erde ackern zu dürfe n: der Satan erhält dadurch als der Besitzer der Erde das Recht auf Adam und alleseine Nachkommen überschrieben (vgl. die Belege bei JAGtC 1893, 42f: DAHNHARDT 11 907. 236-242).

J6l Die ErLählung wurde 1889 nach J. Tamm (H n 33.279-283) au fgezeichnet, als Ortsangabe steht Oudova, Sträkova/Kodavere. Alatskivi. Der zitierte Ausschnitt findet sich auf den Seiten 281 f. Nach Vermittlung durch Frau Dr. Biehl von der Universi tät Leipzig verdanke ich die Übersctzung des Textes der freundlichen Hilfe von Frau L. Kipping, Berlin.

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Finnische und cstnische Volksüberlieferungen 109

Schönheit der Menschentöchter sehen und sich mit ihnen vereinigen (Gen 6, I· 4 )364 mißverstanden auf das erste Menschenpaar bezogen worden. Der Tod des ersten Nachkommen weckt hingegen keine biblischen Assoziationen. Um so interessanter ist nun das Auftauchen des Raben, der wiederum di e Bestattung vorführt. Wie schon in den finnischen Erzählungen handelt es sich um die Beobachtung eines ganz natürlichen Vorganges. Der Tod des Rabenjungen ist ein Unglücksfall , der hier allerdings nicht durch einen SlurL aus dem Nest verursacht wird. Die Fürsorglichkeit des Raben gibt dem Menschen ein Beispiel. Obwohl nun gerade die Verwurzelung des Kontextes in der slavischen Tradition auch einen Einfluß aus diesem Bereich nahelegen könnte, scheint doch die Episode vom Raben (der in der russischen Überlieferung fehlt) eher auf die finnischen Nachbarn hinzuweisen. AuffaIlig ist wiederum jene Verbindung mit der Überlieferung vom Anspruch des Teufel s auf die Toten, die sich aus seinem Anrecht auf den Besitz der Erde herleite t · den gleichen Zusammenhang stellte bereits die interpolierte Fass ung der slavischen Offenbarungen des Methodios von Palara her. Eine direkte

Beziehung scheint dabei jedoch eher unwahrscheinlich zu sein . Hier zeigt sich vielmehr noch einmal die gestaltende Kraft der alten dual istischen Schöpfungs· lege nden ,)6~ wie sie in Os teuropa bis in die jüngste Vergangenheit hinein um· liefen und sowohl auf schri ftli che als auch auf mündliche Überlieferungen einwirkten.

Es bleibt zu vermuten, daß diese glücklich erhaltenen Zeugnisse einer mündl i· ehen Volksüberlieferung nur zufällige Reste eines viel breiteren und längeren Stromes sind, der offenbar neben den literarischen Überl ieferun gen einhergeflos· sen ist. Se ine auffa lJ igsten Merkmale sind die Dominanz des Raben und die schlichte Schilde rung eines Naturvorganges . Ein Auftrag Gottes wird nicht erwähnt. Die slav. Tex te bieten s ich hier als Vorbilder kaum an , so daß · will man kei ne unabhängige Schöpfung annehmen · die Überlieferung woh.! aus entfern teren Quellen gesChöpft und ihren Weg bis in den Nordosten Europas gefunden haben muß.

}6.1 Diese Geschichte ist in äthHcn 6-36 (u.ö.) brcit cntfaltct und spielt insgesamt in dcr frühjüdischen Litcratur durch zahlreiche Rcferate und Anspielungen eine große Rolle: auch die Kirchenväter haben die Geschichtc vom Engcl fall immer wieder aufgegri ffen.

)6' Auch anderc Zusätze jencr "intcrpol icrtcn Redaktion" der Offenbarungen des Melhodios von Patara (s. oben 3.4.3.) tragen deutlich du alistische Züge - so z.B. die Erlählung von Noah und dcm Bau der Arche. der vom Teufel immer wieder gCStört wird (vgl. dazu DÄIINIIARDT 11 907. 258).

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4. Schlußfolgerungen zur Datierung von slHen 71 ,36

Damit ist der lange Gang durch die verschiedenen Phasen und Ausprägungen, wel­

che die Überlieferung von Abels Bestattung während eines Zeitraumes von e twa

1500 Jahren in jüdischer, christliche r und islamischer Auslegung erfahren hat,

zunächst e rst e inmal beende t. Sicher lassen sich die Belege hie r und da noch

vervollständigen. Doch die vorausgegangene Zusammenstellung dürfte bereits ge­nügen, um die wichtigs ten Linien und Eigenarten der Überlieferung sichtbar zu

machen. Vor allem aber muß nun auch der eingangs zitierten knappen Anspielung

in slHen 71 ,36 e in genauerer Platz im Verlaufe des langen Überlieferungsweges

zugewiesen werden können. A. Vaillant ha tte 1952 in seiner Edition des slHen den Passus von slHen

7 1,34-36 (gemäß dem Textbefund der von ihm favorisierten Hs. U) a1s Inter­polation bewenel und einem von ihm posLUlierten slavischen Redaktor in der Zeit des 13.- 16. Jhs. zugeordnel. l66 Daß cs sich bei diesen Versen um einen späteren Einschub handelt, ist unschwer zu erkennen. Doch eine genauere BelTachtung der Hs. R führt zu einer anderen Abgrenzung und einer anderen zeitlichen Bestim­mung der fraglichen Verse. Der ganze Einschub umfaßt die Verse 71 ,32-37 und versucht (analog zu dem Einschub in 72,6-7), die himmlische Melchisedekgcslah der Kap. 7 1-72 mit dem irdischen Melchiscdek aus Gen 14 sowie mit der späteren Legende zu verbinden und typologisch auf Christus zu beziehen.36

' Bei der Re­dakLion der Hs. U aber, die auf slavischem Boden erfolgte und mit Hilfe von Kür­zungen und Straffungen das slHen in einen chronographischen Kontex t einfüg­te, 168 fielen allein die besonders auffaJ ligen Verse 34-36 wieder aus, während die Verse 32-33 und 37 verräterischerweise stehen blieben. Der vollständige Einschub weist nun aber gemeinsam mit dem (vermutlich von gleicher Hand stammenden) Zusatz in 72,6-7 eine Reihe von Merkma1en auf, die seine Datierung in das 4.-7. Jh . wahrscheinlich machen.J69

l66 Vgl. V AlLLANT 1952, XV-XXII ("L,e premier r~viseUI"). )6'1 Vgl. zu den einzelnen Argumenten BOlTR1Cll 1992. 83f und 118-122. )61 Vgl. dazu BonR1Cil 1992.69-73. spez. 70f. ~ Weitere Interpolationen und Korrekturen lassen insgesamt ei ne behutsame christI. Über­

arbeitung des Buches erkennen , die vor allem ihrer kalendarischen Angaben wegen in die Zeit der Ausbildung des christlichen Osterkalenders (4.-7. Jh.) zu datieren ist. Die Verse 72 .6-7 greifen die

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112 Schlußfolgerungen zur Datierung von sl Hen 71.36

Wenn nun die These eines slavischen Redaktors an dieser Stelle abgelehnt werden muß. so ist zu fragen. ob überhaupt die einzelnen Elemente bzw. die Kombination der Motive in slHen 71.36 einen EinHuß der übrigen slavischen Zeugnisse zur Überlieferung von Abels Bestattung erkennen lassen. Zu diesem Zweck soll der Text noch einmal in seiner ursprünglichen Gestalt aufgeführt werden:

"H IDTOllh BpX iepeH DPODHCBHO ecT lBXO H Tb norpe6eT CA TOY Hlle cptn 3el.lnH . lBXOlle H AnBl.l CIlBB CBoero TOY Dorpe6eHß ABerr8, erolle oy6a 6p8T ero K8HHh , 3Boe rre:a::8 .r . rrtTß oenorpe6eH,noanelle BHlrt.TH nTHllll rrr8rorrAl.lll I'8JID , JIH IBXO

Dorpe6e CBon DTtoeUh." "Und über diesen Hohenpriester [Melchisedek] ist zuvor geschrieben, daß auch er dort begraben werden wird, wo die Mitte der Erde ist, wie auch Adam seinen Sohn Abc! dort begrub, den sein Bruder Kain erschlug; denn er lag 3 Jahre unbegraben, bis er einen Vogel sah, der Dohle genannt wird, wie dieser sein Junges begrub." (s lHen 71,36)370

Die auffaIligste Analogie stellt zweifeUos die Angabe eines Zeitraumes von 3 Jahren dar, die Abel unbegraben bleibt. Wie oben gezeigt, wird allein in der slavischen Überlieferung eine solche Zeitangabe geboten, wobei gerade die 3 .. als fester Bes tandteil der Überlieferung etabliert zu sein scheint. Ihr Ursprung liegt jedoch sehr wahrscheinlich in der Aussage der griechischen "Palaea historica" , die Adam nach orthodoxem Brauch 3 Tage lang bei dem toten Abel sitzen läßt, bevor ihm ein Engel erscheint und ihn über das Phänomen des Todes unterrichteL Ge· genüberden Angaben von 30 odcr gar 300 Jahren, die als eine Übersteigerung der Trauerzeit zu betrachten sind, stehen hier die 3 Jahre der ursprünglichen griechi · schen Zcitbestimmung noch am nächsten.31I Sie liegen damil in dem gleichen

apokryphe MeJchiscdeklegende auf. wie sie etwa seit dem 4J5. Jh. Athanasius zugeschrieben wurde. In den beiden Einschüben 71.32-37 und 72.6-7 wird völlig neu die Melchi scdekfigur aus Gen 14 eingeflihrt und typologisch auf Christus bezogen. Dabei scheint es, als ob diese Deutung auch bewußt gegen die häretische Lehre der sog. Melchisedekianer (2.-5. Jh .) gesichert würde. Auch die gelegentliche Bezeichnung des Erzengels Michael als ei nes "Archistrategen" könnte auf die erst im 4.15. Jh. aufKommende Michaelslegende von Chon! Bezug nehmen . Vgl. zum Ganzen BOlTRiCH 1992, 114-125.

170 Russ. Text bei SOKOLOV 1910, I 77 ; VAILLANT 1952. 116-117. Übersetzungen bei CIIARLES/MORALL 1896, 91; BONWETSOi 1922. 118; ANDERSEN 1983 z'st.; SA/'lTOS ÜTERO 1984. 200r.

}71 Diese Zeitspanne wird gleichlautend auch von der "Tolkovaja Paleja" nach der Edition NOVICKU 's (1892) geboten, die ISTRlN'S (1898) Beurteilung zufolge zur ältesten Redaktion der 'T olkovaja Paleja" gehört (s. oben Anm. 309). So scheinen beide Texte jene Gestalt der Über­lieferung zu repräsentieren, wie sie ursprtinglich in den slav. Bereich gelangte.

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SChlußfolgerungen zur Datierung von slHen 71 ,36 11 3

Strom, mit dem die Überlieferung vom griechischen in den slavischcn Bereich überging, ohne jedoch zwangsläufig von einer der slavischcn Fassungen abgcleitet

werden zu müssen.

Ebenso auffallig ist der Umstand , daß in slHen 71 .36 eine Dohle als Botenvo·

gel genannt wird.311 Der zoologischen Klass ifikation nach gehört auch die Dohle

zu den Rabenvögeln; beide (Rabe und Dohle) sind Vögel mit völlig schwarzem

Gefieder. Ob nun in der griechischen Fassung des slHen tatsächlich das (in der

ganzen Überlieferung singuläre) "lCO).,01.0<; = rall'bIa , rallHua , rallSlfDohle"

stand oder ob der Übersetzer zwar "lC6~ bzw. lCOpolV1'1 = BopoH'b/Rabe bzw.

BopoHa/Krähe" las, den schwanen Raben dann aber durch die weniger anrüchige,

jedoch ebenso schwarte Dohle ersetzte, wird s ich kaum entscheiden lassen.31l

Während nun die ganze slavische Überlieferung den Raben ausläßt und stattdessen

lediglich von "zwei Vögeln" oder von "zwei Turteltauben" spricht, begegnet der

Rabe bzw. die Krähe gerade in jenen georgischen Rätselfragen, die eine griechi­

sche Herkunft verraten könnten. In der jüdischen Haggada ist der Rabe seit PRE

2 1 im 8. Jh . bekannt; die mündliche Tradition, wie sie in den finnischen und estni­

schen Belegen vorliegt, hat ihn ebenfalls favoris iert. Da jedoch jene türkische Rätselfrage, die ebenfalls griechischen Ursprunges is t, wiederum die Turteltaube

nennt, läßt sich in der zu rekonstruierenden griechischen Überlieferung ein

Nebeneinander von Rabe (bzw. Krähe oder Dohle) und Taube vermuten.l74 wo­

bei eben nur le tztere in die slavische Übersetzung gelangte. Die Dohle jedenfalls kann aus dem slavischen Bereich nicht abgeleitet werden und weist vielmehr in die

griechische Tradition zurück.

Von Interesse mag weiterhin die Beobachtung sein , daß in slHen 71 ,36 von

einer konkreten Beauftragung der Dohle durch Gott nichts gesagt wird , während

der Botenauftrag in den slavischen Belegen einen festen Bestandtei l der Über­lieferung darstellt. Auch die ursprüngliche ätiolog ische Intention der Überlieferung

m ''rHruJ/Galj a''. SOKOLOV 1910 hat dies in seiner latein. Begleitübersetzung zutreffend als "moneduta" wiedergegeben. BONWETSCII 1922 beließ (mißverstanden)die Akk .·Fonn ''ranD '' mit der nachfolgenden Partikel "DH " als Eigennamen "Galjuli ", CUARLESIMORFlU. 1896 und ANDERSE ..... 1983 überscIZen "Jackdaw", VAD.LANT 1952 "choucas" , SANTOS ÜTERO 1984 "cucrvo".

m Beide Namen sind auch im Griech. deutl ich unterschieden und haben ihre jeweils eigenen slav, Äquivalente, so daß eine Verwechslung kaum anzunehmen ist. Sachlich ist die Unter· scheidung viel weniger scharf; eine "Abmilderung" des Raben zur Dohle wäre gut vorstellbar, sowohl bereits im griech. als auch erst Später im slav. Bereich.

)10 Bereits in Gen 8 fu ngienen Rabe und Taube ja nebeneinander als Botenvögel , so daß sie keinc striktc Alternati ve darstellen mußten.

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114 Schlußfolgerungen zur Dalicrung von slHen 71.36

kommt hier nicht zum Zuge. Angesichts des knappen Verweischarakters der An­spielung lassen sich daraus allerdings ke ine zu gewichtigen Schlüsse 7jehcn. m

Schließlich wird in slHen 71 ,36 allein Adam als derjenige genannt. dem das Beispiel der Dohle gilt und der daraufhin die Bestattung ausführt. Relativ deutlich ist zu erkennen, daß in der späteren Entwicklung Adam die ursprünglich Kain zugedachte Rolle übernommen hat, und daß in e inem weiteren Stadium dabei aus dem Motiv der Trauer bzw. der Beweinung heraus auch Eva mit hinzugezogen wird. Die Anspielung in sJHen 71 ,36 bewegt s ic h also mehr in der Mitte zwischen

früher jüdisch-islamischer sowie später slavischer Uberlieferung und leg1 somit auch hier die Zuordnung zu einer griechischen Tradition nahe.

Über die Ges talt, in der die Überlieferung dem christlichen lnterpolalor von slHen 71 ,32·37 vorlag. lassen sich freilich nur Mutmaßungen anstellen. Die Formulierung "denn er lag 3 Jahre unbegraben" läßt eher an ein Frage- und Antwortschema nach dem Muster "Wie lange ... ?" als an einen erz;ählerischen Zusammenhang denken. Tatsäc hlich fmdet sich in einer griechischen Reihe eine Fmge, die s!Hen 71 ,36 relativ nahe kommt: "'Ep. Ttv6~ <I> aGi!1abcEL<o ch,,*ov

yij~ ln] 1C<X' 0'''< clI~EOEV oUOE t~uiveT]; 'An . • Al\EAl Frage: Wessen Körper lag (einige] Jahre unbegrabcn auf der Erde und stank nicht und verdarb nicht? Antwort: Abels . M176 Wenn aber im griechisch-christl ichen Bereich die Über· lieferung von Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel ihren Haftpunkt gerade nicht in Werken wie e twa dem "Physiologus" . der exegetischen Väterli tcra­tur oder der "Palaea historica", sondern in einem so ausgesprochen volkstümlichen Genre wie dem biblischer Rätselfragen hatte, dann wäre auch das Fehlen eines direkten griechischen Beleges der Überlieferung zumindest verständlich.

Da nun die Anspielung in slHen 7 1,36 nicht aus den slavischen Zeugnissen der Überlieferung von Abels Bestattung abgele ite t werden kann und stattdessen Merkmale au fweist, die einer zu rekonstruierenden griechischen Überlieferungs­

phase nahestehen. so bie te t rur ihre Datierung der nähere Kontext den sichersLen Anhaltspunkt: Abels Bes tattung nach dem Beispiel der Dohle wurde demnach in s lHen 71 ,36 von christlicher Hand in der Zeit des 4.-7. Jhs. eingetragen. Diese Anspielung s tellt damit den älLesten Beleg für eine christliche Adaption der Überlieferung im griechischsprachigen Osten dar.

m Immerhi n formulieren auch die georg. Rätselrragen so, daß sie ausdrücklich nach "Boten" Gottes fr agen. Die lltiologische Intention der Überlieferung konnte hier kein eigenes Gewicht beanspruchen und mußte hinter die slHen 71.35-36 besti mmende Beschrei bung des Erdmittei­punktes zurücktreten.

116 Griech. Texl bei MoCULSKlJ 1900. 227. Frage Nr. 78 (nach ei ner Hs. des 13. Jhs.).

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5. Theologische Überlegungen zur Ätiologie des Grabes

Unter alt den Bestattungsformen, die sich im Verlauf der MenschheilSgeschichte in verschiedenen Kulturen entwickelt haben,ln kann die Erdbes tallung wohl als

die verbreitetste angesehen werden. Namentlich in der jüdisch-christlichen Tradition hat sie den Vorrang; erst im 19. Jh . setzt hier eine Diskussion um die Kremation als Alternative ein.373

Im biblischen Schrifttum findet sich dafür jedoch kaum eine eindeutige Begründung,J19 Israel übernahm den Brauch aus seiner Umwelt, ohne eine eigene Erläuterung zu liefern.}SO Für die chris tliche Praxis war wohl das Beispiel der Grablegung Jesu maßgeblich, so daß sich eine besondere Begründung ebenfalls erübrigte. Erst in den AuseinanderselZungen mit Feuerbestattungen der nichtchristlichen Umwelt finden sich dann gelegentlich auch bei den Vätcrn Uber~

legungen, dIe vor allem (wie in der modemen Diskussion) um die Rolle des Leibes bei der künftigen Auferstehung der Toten kreisen. l8 1 Das theologische Interesse an diesen Fragen scheint aber eher gering gewesen zu sein .

So sind es vor allem die Apokryphen, die jüdische Haggada, die islamische und christliche Legende (i n verschiedenen Kontex.ten) und ausgeprägt volks~ lüml iche Genres. in denen eine ätiologische ErkJärung des im täglichen Leben so allgegenwärtigen Bestauungsritual s wur.lCln und blühen konnte. Das verständliche Verlangen, die "Lücke" im Bibeltex t zu füllen und in die Urgeschichte nun auch

}Tl Dies sind neben der Erdbcstauung vor allem die Feuer-. lu ft- und Wasserbe$tauung; vgl. dazu H. Wißmann, TRE 5. 730-734.

m Karl der Große haUe 785 die Feuerbestattung sogar mit der Todesstra fe bedroht. Das erste Krematorium in Deutschland entstand 1878 in Gotha; erst nach der Jahrhundcnwende erlangLC die FeucrbestaHung dann auch al lmählich kirchliche Billigung. Vgl. dazu H.-H. Jenssen. Handbuch der Praktischen Theologie 11 . I 78f.

n9 Von Bestattungen wird im AT nur nebenbei und nicht um ihrer selbst willen er.lählt. Zum ersten Mal geschieht dies in Gen 23 . als Abraham mit der Höhle von Machpela eine Art Familien­gruft erwirbt und don seine Frau 5ara beisetzt. In Gen 35 ist dann von ei ner Erdbestauung im unmittelbaren Sinne die Rede, wobei nun auch der Grabstein Erwähnung fi ndet; sie wird durch Jakob ausgefiihrt und gilt der auf der Reise verstorbenen Rahel.

:110 Vgl. die Darstcllung bei ZENGER 1990. Eine dicckte Polemik gegen die Feuerbcstauung klingl in Am 2,1 an.

311 Vgl. F. Mcrkel, TRE 5, 743f.

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11 6 Theologische Überlegungen zur Ätiologie des Grabes

einen Bericht über die erste Bestattung einzufugen, ist jedoch nicht allein der Lust am Fabulieren oder einer Neigung zu dubiosen Spekulationen zuzuschreiben. Eher wäre hier noch auf jene Tendenz der SchriftaUSlegung in den Apokryphen und in der Haggada zu verweisen. die B. Heller als "Scheu vor Unbekanntem und Unbenanntem" charakterisiert hat. Ja2 Ln jedem Falle sind diese Überlieferungen das Ergebnis theologischer Renexion und bringen Anschauungen zum Ausdruck. die den Tod und seine Bewältigung durch den Menschen betreffen. Form und Charakter der Überlieferungen lassen dabei freilich von vornherein keine systema­tische Durchdringung der Thematik erwarten. Sie zeigen ein buntes Mosaik einzelner Gedanken. die zudem sehr stark von bild lichen Vorstellungen bestimmt werden. Gerade sie sind es jedoch wert, in ihrem theologischen Gehalt noch einmal wahrgenommen und benannt zu werden.

Der Gedanke liegt nahe, zwischen den Überl ieferungen zum ersten Grab und den Berichten der biblischen Urgeschichte über die ersten Errungenschaften der menschlichen Kultur383 eine engere Verwandtschaft anzunehmen. Dagegen spricht freilich, daß die Erdbestauung in den genannten Überlieferungen nicht al s "Erfindung" oder "Kulturleistung" des Menschen geschildert wird. Noch eher könnte man sie hier als eine aus der Not geborene Tugend betrachten. Vielmehr ist jedoch Gott selbst ihr Urheber, auf dessen Befehl hin der Mensch lediglich Kenntnis von der Bes tattung erhält. Die Vermittler bleiben dabei strikt an ihren Auftrag gebunden.J8..I

Biblischer Haftpunkt ist zunächst Gen 3, 19: " ... bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden." Der Fluch Gottes beinhaltet die Rückkehr des Menschen zur Erde und schließt damit den Kreis von seiner Erschaffung bis zu seinem Tode. Die Einbeuung des Toten in den Erdboden legt sich von daher als eine ganz natürliche Praxis nahe. Und dennoch handelt es sich um ein Geschehen, das der Erklärung bedarf. Denn der Fluch betrifft etwas Zukünftiges und übersteigt die Vorstellungskraft der gerade aus dem Paradies vertriebenen Voreltern . Erst der Tod Abcls schafft sozusagen den notwendigen "Präzedenzfall ", an dem ein Engel Gottes nun dem verständnis-

1Il Vgl. HElLER 1939. Vor al lem Personen. die im Bibcltext anonym bleiben. werden benannt und mit einer Genealogie versehen; fehlende Zeit- und Ortsbestimmungen werden nachgetragen; ganze Begebenheiten werden eingefUgt. um Zusammenhllnge zu erklären. Die gleiche Tendcnz läßt sich nach Heller auch in der Koranauslegung beobachten.

)f:J Vgl. dazu WESTERM ANN 1985.77-86. )1.0 Darin unterscheiden sich diese Überlieferungen auch von jenen Passagen in äthHen 7-9 und

69, nach denen die gefal lenen Engel als Lehrer oder Kulturbringer der Menschen gerade gegen Gottes Willen handeln. Geheimnisse preisgeben und deshalb dem ~richl verfallen.

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Theologische Überlegungen zur Ätiologie des Grabes 117

losen Adam die Augen rur den Sinn des Fluches öffnen kann (so in der "Palaea

his torica"). Der Tod gehört fortan zu den Bedingungen der menschlichen Ex.istenz.

Seit der biblischen Urgeschichte wird der Tod als das Ergebnis menschlicher

Auflehnung geschildcrt. Gottes Auch gi lt dabei zunächst Adam und kündigt ihm

eine zeitlich begrenzte Lebensdauer an . Der Brudennord aber bringt eine neue Steigerung der Auflehnung in die Geschichte hinein und greift damit auch der

Erfüllung des Fluches vor. Selbst die Erde als Gottes Geschöpf ordnet sich - anders

als der Mensch - unter. Sie fühlt sich an den Wortlaut des göttlichen Fluches

gebunden und weigert sich, einen anderen Körper als den des Ersterschaffenen

aufzunehme n. Der Mensch iSl es, der hier zum zweiten Mal aus dem Rahmen von

Gottes Gebot heraustritt. Jene frühjüdischen Überlieferungen , die von einer

Aufbahrung Abels bis zum Tode Adams sprechen, bringen damit zum Ausdruck:

Es ist dem Menschen nicht gestattet. Gottes Wort "Lügen zu strafen" und den

Allmächtigen (selbst durch e in Handeln im Affekt) zur vorzeitigen Ausführung seines Planes zu nötigen . Dennoch befindet sich der Tote in der besonderen Obhut

Gottes. Denn anders als bei Adam, dessen Schuld offen zutage liegt, ist Abcl ein

Opfer fremder Willkür. Dies macht ihn zugleich zum Typos des Märtyrers und fordert Deutunger. seiner Person heraus, die ihn in seiner Gerechtigkei t z.B. als

Richter oder Priester empfehlen.

Die GrundvorausselZung aller Überlieferungen um Abels BesL'lttung liegt in der Gewißheit, daß Gott, der Schöpfer aller Dinge. auch weiterhin für den

Menschen sorgt. Die Bestattung erfolgt nicht wie in anderen Kulturen zuerst aus

Liebe oder Pietät gegenüber dem Toten oder aus Angst vor seinem bleibenden

Einfluß,185 sondern einzig und allein aufgrund des göulichen Willens. Immerhin

wird dieser Wille nun durch Mittler kundgetan. Wenn in der biblischen Urge­

schichte G Olt noch direkt zu Adam und auch zu Kain sprach, so 7..cigl s ich jetzt eine wachsende Distan:l. Darin könnte das Empfinden zum Ausdruck kommen,

daß mit der Auflehnung des Menschen gegen Gott auch ein Verlust der ursprüng­

lichen Unmittelbarkcit einhergeht. In den frühjüdischen Überlieferungen sind es

noch die Erzengel als die engsten Vertrauten Goues, die mit der ersten gemein­samen Bestaltung Adams und Abcls betraut werden. Sie holen die notwendigen

Utensilien direkt aus dem Paradies und gestalten die erste Bestattung mit all ihren

begleitenden Riten al s e in vollkommenes Geschehen , dessen endgülliger Ort dann

wiederum auch nur das Paradies sein kann . Die Härte des Fluches wird gemildert

durch die Aus7..cichnung , die der Mensch bei dicser exemplarischen Rückkehr zur

Erde erfahrt . Schon in der Haggada aber übernehmen dann Vögel die Botenrolle,

,.., Beide grundsätzliche Haltungen bestimmen die konkrete Ausformung derjenigen Riten. die

jeweils mit der Bestattung verbunden sind.

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I I 8 Theologische Überlegungen zur Ätiologie des Grabes

und ihr Auflrag reduziert sich auf eine schlichte VorfLihrung des Geschehens. Der Lohn, den sie im Gegensatz zu den himmlischen Boten erhalten, belegt sowohl die Übereinstimmung ihres Handeins mit Gottes Willen al s auch eine stärkere "Alltäglichkeit" der Bes tattung. Nicht mehr die Auszeichnung des dennoch geliebten Menschen steht im Mittelpunkt, sondern der Gedanke seiner Einbindung in die Gesetzmäßigkeiten von Natur und Welt. Die erste Bestattung hat s ich aus der paradiesischen Vollkommenheit gelös t und findet auf der Ebene natürlicher, irdischer Bedingungen slaU. Es is t von Bedeutung, daß gerade Vögel dieses diffizilen Botenauftrages gewürdigt werden: eine Verweigerung des Grabes lieferte den Menschen den Vögeln und Tieren zum Fraß aus und galt daher auch nach alttestamentlichem und antikem Verständnis als schändlichste Art der Slrafe überhaupLl86 Die Vögel müssen hier also gegen ihre eigenen Interessen handeln und im Auftrag Gottes den Menschen lehren, seine Toten eben vor Vögeln und Tieren zu schützen.)87

Tod und Bestattung sind Ereignisse, die nicht auf den Menschen beschränkt bleiben. Das Tun des Menschen hat viel weiter reichende Konsequenzen. Es steht in einem Zusammenhang bzw. in einer Wechselwirkung mit der ganzen Schöp· fung. Als erste reagiert die Erde mit ihrer Verweigerung auf den Mord. Das äLh . "Adam buch" macht sie zur Trauernden, zur Verteidigerin und zur Anklägerin. Sie wehrt dem fortgesetzten Unrecht Kains, der den Toten verscharren und die Tat verheimlichen wilL Der Mord hat die Integri i:ät der Schöpfung ver! t:(zt; die Erde ist befleckt worden; die Tiere haben vom Menschen die Aggression gelernt Den ursprünglichen Frieden gibt es nicht mehr; stattdessen fallen die Geschöpfe nun in Parteien auseinander. Angesichts des loten Abels trelen sie als Anwä1te und Rächer oder als Widersacher auf. Die ganze Schöpfung hat Teil am Schicksal des Menschen, der sie in sein Verschulden mil hineinreißt. Vor der Anklage der Erde und der Tiere muß er verstummen und sich der Verantwortung für sein Tun stellen. Die späte finnische Sage hat diesen Zug dann weiler "säkularisiert". Ohne den Auftrag Gottes ist das Geschick des Menschen nun ganz in die Gesctzmäßigkeiten der Nalur eingebunden. Ihnen muß er sich fügen · bis hin zu jener Erzählung, nach der Adam und Eva sich in ihrem Versuch·lrrtum· Bemühen um die Versorgung des Leichnams schließlich vom rauhen Rabengekrächz belehren lassen müssen.

»6 Vgl. die atJ . Belege bei ZENGER 1990. 133. Zu einigen anti ken Belegen vgl . HENGEL 1977 (9; 51 f; 70; 76; 870.

:Jfl Inwiefern hier bei den gefiederten Vögeln auch noch die Erinnerung an jene Überlieferungen wirksam sein mag. bei denen die geflügelten Engel die Bestattung ausruhren, muß wohl offen­bleiben .

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Theologische Überlegungen zur Ätiologie des Grabes 119

Auch im Blick auf den Menschen, seine Möglichkeiten und Grenzen, sind manche nachdenkenswerten Überlegungen zu erkennen. Besonders betont werden seine Unwissenheit und leichte Verführbarkeit. Er folgt dem Beispiel, dem er einerseits erliegt, dessen er andererseits bedarf. Wohl trägt Kain den Haß auf seinen Bruder schon in sich; die AusfUhrung des Mordes aber benötigt das Beispiel bzw. die Einflüsterung Satans. Dies bedeutet Haftbarkeit und Entlastung zugleich. Doch ebensowenig gelangt Kain aus eigenem Vermögen zum Guten. Er bleibt nach begangener Tat hilflos zurück und kann sie allein nicht bewältigen. Vögel müssen ihm zeigen, was zu tun ist.

Die Folgen der Tat betreffen zuerst den Täter. Auf Kain nillt die Verantwor­tung fUr den Leichnam zurück. Es entspricht zunächst einem ganz natürlichen Bestreben, die eigene Schuld zu verheimlichen und zu verbergen. Verschiedene Gründe kommen hier noch hinzu. Zum einen ist es die Angst vor dem Vater oder vor der Rache der Tiere. Zum anderen ist es (seit der Fassung des Korans) die Reue: jeLzt erst gehen Kain - ganz analog zum Sündenfall seiner Eltern - die Augen auf; die Tat erweist sich als Affekthandlung; mit der Bestattung versucht Kain zu einem kleinen Teil zu mildem, was er verschuldet hat. Besonders die islamische Lcgenrle hai die Lasl der bösen Tat durch das Rild von Kain zum Ausdruck gebracht, der den Leichnam nun auf seinen Schultern trägt, buchstäblich von ihm in Angst und Sorge niedergedrückt.

Was bei dem Täter Angst und Reue sind, das äußert sich bei den Angehörigen und bei der ganzen Schöpfung in Trauer. Die biblische Er7..ählung hatte auf alle Emotionen ver,Jchtet. Deren Einführung und Schilderung in den nachbiblischen Überlieferungen machen das Geschehen nun wärmer, der Alltagserfahrung vertrauter. Von verschiedenen Begrenzungen der Traucrl..eit ist die Rede: auch GefUhle. auch Trauer bedarf der Hilfe des RituaJs. Adam tröstet seine Frau und verstößt seinen Sohn. Die Polarisierung von Liebe und Haß greift aus.

Beachtung verdient noch, was an Vorstellungen über den Ursprung des Bösen sichtbar wird. Viel farbiger als in der biblischen Urgeschichte ist der Satan aJs der Gegenspieler Gottes ausgemalt. Er vermittelt das negative Beispiel des Mordes. wobei er ebenfalls über Tiere als Boten oder Animateure verfügt. Er ist es, der den ersten Zug fuhrt; darauf erst folgt Gott mit seinem Auftrag an die Vögel. Diese Konstellation weist eine größere Nähe zu duaJistischem Dcnken auf. wie es in der Volksfrömmigkeit schon von jeher viel stärker als in der Theologie beheimatct war. Diese Tendenz ist auch zu verspüren. wenn der Satan etwa nach dem Brudermord über die Trauer Adams und Evas triumphiert und Gou diesem Triumph erst dadurch ein Ende setzen muß, daß er für die Bestattung Abels sorgt (so in der sJavischen Literatur). GOlt scheint vorrangig bemüht zu sein, das von Satan im Vorlauf angerichtete Übel zu begrenzen. Die Realität und die Macht des

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120 TheologiSl.:he Überlegungen zur Ätiologie des Grabes

Bösen wird darin sehr deutJich empfunden. Reiner Dualismus liegt dann bei Ps· Methodios und in der estnischen Sage vor. in der es um den Anspruch auf die

Toten gehl. Wem gehört die Erde, bei wem sind die Verstorbenen aufgehoben? Zunächst wird diese Frage zugunsten des Teufels beantwortel. Hier bricht die alte Angst vor dem Tod und der Ungewißheit jenseits der Grenze wieder auf. Und erst Gottes Sohn vermag den gefährlichen Widersacher dann zu besiegen und das Vertrauen auf die Fürsorge Gottes im Leben und im Tod wieder herzustellen.

Die Ätiologie des Grabes. wie sie s ich in der nachbiblischen Auslegung der Kain· und-Abel-Geschichte entwickelt hat, stillt nicht nur den Wissensdurst des aufmerksamen Bibcllesers. Sie vermag zugleich auch eine Reihe wichtiger theologischer Überlegungen zur Beziehung zwischen Gott und Mensch, Mensch und Schöpfung, zur menschlichen Verantwortung und e iner Bewältigung des Bösen zum Ausdruck zu bringen.

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6 . Anhang: Abels Bestattung in der bildenden Kunst

Kaum eine Episode der biblischen Urgeschichte hat so zu künstlerischer Gestal­

tung herausgefordert wie die des ersten Bruderm ordes. Sowohl um ihrer prototypi­

schen Bedeutung als auch um der ihr innewohnenden Dramatik willen ist die Kain­

und-Abel-Geschichte von den Anfangen der christlichen Kunst an immer wieder

aufgegriffen und gestaltet worden .J88 Die Erwartung. unter den zahlreichen, die

Jahrhunderte durchziehenden Bildwerken auch Zeugnisse ftir die Überlieferung von Abels Bestattung zu finden. bestätigt sich freilich nur in einem eher bescheide­

nen Maße. Zweifellos boten das Opfer der beiden Brüder (in seinen typologischen

Deutungsmöglichkeiten) sowie der Mord selbst die interessan teren und somit

bevorzugten Motive. Dennoch s ind einige wenige Belege erhalten , die im

Zusammenhang der vorausgegangenen Untersuchung Interesse verdienen. Sie

sollen hier noch einmal zusammengetragen und ausgewertet werden, ohne daß

dabei jedoch eine erschöpfende Darstellung erfolgen kann. Es geht allein darum,

die wichtigsten Linien der ikonographischen Entwicklung in bezug auf die Texte

sichtbar zu machen. Ein relativ seltenes Bildmoti v zeigt zun ächst den Körper Abels, der sich zur

Hälfte aus einem frisch aufgeworfenen Grab herausreckt und die Hände zu Gott

hin ausbreitet:

- Sacra Parallela des Johannes Damascenus (9. Jh .). Paris. Nalionalbiblio­thek, Cod.gr. 923, [0 1. 69"'; angelsächsisches Caedmon-Ms .• Genesis-Paraphrase (11 . Jh .), Oxford ,

Bibliotheca Bodleiana - s. Abb. 3; Kapite ll der Kathedrale von Salisbury ( 13. Jh .)390.

Diese Darstellung wird in der Regel mit dem Motiv "das Blut Abels schreit um

Rache" in Verbindung gebracht , das eine Personifikation des Blutes Abels in

)U Vgl . dazu die entsprechenden Überblicke bei EllREN5rnIN 1923: MOLSOORF 11926: REVGERS

1937; MAU UJ I 1956; PlGLER 1956/1974; AUREN II A..1,.1MER 11967: HENDERSON 1968. Reiches Bildmaterial bietet die Monographie von ULR1Cil 1984; unverlichtbar ist das umfangreiche Verreichnis von Quellen und Sekundärliteratur bei ERfFA I 1989.

}f'l Hinweis bei A URENIIAMMER 1967. 1 9. )90 Hinweis bei ERr"FA 1989, 1377.

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122 Anhang: Abcls Bestallung in der bildenden Kunst

Gestalt einer kleinen nackten roten Figur zeigt.391 M.E. aber scheint darin eher die alte frühjüdische Überlieferung zum Ausdruck zu kommen, nach welcher die Erde sich weigerte. Abels Körper vor dem des Ersterschaffcncn aufzunehmen. Denn es ist Abel selbst, der sich aus der Erde emporhebt und nach der Deutung der Väter nicht um Rache, sondern um Vergebung neheln Alle drei genannten Zeugnisse s tchen bckannlcrmaßen unter dem Einfluß östlicher griechischer Traditionen,J9J so daß hier eine Bekanntschaft mit der ApkMos als sehr wahr­scheinlich angenommen werden kann.

Als selbständiges Bildmoti v begegnet die Bestattung Abels in e inigen Bildwerken des 8.- 14. Jhs. Das älteste Beispiel dürfte ein Fresko im linken Seitenschiff von Sankta Maria Antiqua in Rom (8. Jh .) sein, das jedoch nur fragmentarisch erhalten iSLJ90t Es zeigt in der rechten unteren Bildhälfte ein offenes Grab. in dem ein in Tücher gehüllLc r Leichnam liegt. Der übrige, zerstörte Teil des Bildfeldes bietet noch Raum genug für eine Figur vor dem Grab. Eine solche Komposition legen weitere Beispiele nahe: l9s

Bamberger Bibel (9. Jh .) - s. Abb. 4: ArchivolLenrclief am Portal der Klosterkirche Santa Maria in Ripoll (12. Jh .) - s. Abb. 5: Westportal des Ulmer Münsters (um 14(0) - s. Abb. 6; Queen Mary Psalter ( 14. Jh .) - s. Abb. 7: Holkham-Bible (14. Jh .) - s. Abb. 8.

In jedem Falle ist es Kain , der (in 3 von 5 Fällen) links vor dem Grab stcht und mit einer Art Hacke bzw. mit seinen Händen Erde über den Leichnam Abels häuft. Es scheint. als läge hier e in festes Schema vor, das auf weit ä1tcre Bildquellen zurückgeht. 19(, Da ein direkter Einnuß der haggadischen Texte kaum an zuneh-

)9 1 Vgl. dazu die Belege bei RtAu 1956. 1111 97: AURENIlAMMER 1967. 19: ERfFA 1989. 1375· 379.

m Vgl . ERFFA 1989.1 377. m Dies ist besonders hinsichtl ich der Ill ustrationen des Caedmon·Ms. wiederholt festgestellt

worden . ÖStliche Ei nnüsse sind nach England über Canterbury vermittelt worden. das im 7. Jh. ein Zentrum griech. Bildung war (vgl . dazu PÄCIIT 1962, spcz. 6·7).

)9oa Vgl. WILPERT 1916. 11 703 und Tafel 192. Es erilbrigt sich hier eine Wiedergabe des stark beschädigten Bildes: eindeutig erkennbar sind allein Grab und Leichnam. Daß es sich dabei um Abel handel!. ist der Abfolge des Bildzyklus' zu entnehmen.

m WILPERT 1916 (703 ) zu dem Fragment: "Eine Ergänzung läßt sich schon deshalb nicht versuchen. weil das Bild bis jetzt nicht sei nesgleichen hat." • Es hat. wie die folgenden Belege zeigen. Sie gestatten durchaus einen Rilckschluß auf den 7.erstörtcn Teil des Bildes und lassen hier eher Kain als Adam und Eva im Gestus der Beweinung (wie Wilpen vermutete) erwarten .

)96 So auch EJU~A 1989. I 377.

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Anhang: Abcls Bestattung in der bildenden Kunst 123

men ist. )91 bietet sich am ehesten jene frühjüdische bzw. jene (freilich sehr spärlich bezeugte) patristische Tradition im Gefolge des Josephus zur Deutung an, nach welcher Kain durch die Bes tattung Abels seine Tat zu verbergen suchte. 398 Die Darstellung Kains erinnert sehr deutlich an die Bemerkung Ephräms, daß Abel zwischen aufwachsender Saat erschlagen worden sei, " ... wo der Leichnam durch Aufhäufung von Erde leicht konnte verborgen werden ." Immerhin muß aber auch die Möglichkeit anderer Einflüsse in Rechnung ges tellt werden. Das gelegentlich "mumienhafte Aussehen" Abels könnte beispielsweise einen Anklang an früh­christliche Darstellungen der Auferweckung des Lazarus verraten.3 ')9 Zudem bedarf wohl überhaupt die Annahme, daß der Täter sein Opfer beiseite schafft, weder eines direkten Textbezuges noch einer gar zu großen Erfindungsgabe. Die Rolle Kains wird auch dann verständlich, wenn man Abels Bestattung lediglich als Schlußszene eines Kain-und-Abel-Zyklus' betrachtet.400 So gibt dieses Bildmo­ti v über zugrundeliegende literarische Traditionen nur vage Auskunft.

Es wäre nun zu erwarten , daß die Vorftihrung zweier Vögel bei der Bes tattung Abels ein interessantes Bildelement darstellen könnte. Doch sein Fehlen in der christlichen Kunst belegt wohl deren Unkenntnis jener haggadischen bzw. islamischen Überlieferung. Die oben rekonstruierten geringfügigen Spuren in der griech.isch-bY7..antinischen Literatur sind offenbar nicht bild wirksam geworden; die Malerei im slavischen Raum wiederum scheint an dergleichen Details kaum interessiert gewesen zu sein.40 ' Im jüdisch/islamischen Bereich hingegen waren bild liehe Darstellungen seilen genug, um gerade hier auf eine ikonographische

m Nach ERFFA (1 377) si nd al le diese Werke von der jildischen Legeode becinn ußt. Es wäre jedoch zu fragen, auf wclchem Wege sie dem KilnstIer vermittelt worden sein sollte. Ein rur die jUdische Legende so bezeichnendes Element wie die bciden Vögel. die sich sehr leicht in die Komposition hälten einbeziehen lassen. fehlt eben gerade hier wie auch in allen anderen DM­stellungen des Mordes.

l llll Dies wären nach Jos Ant I 2, I lediglich Ephräm und Procopius von Gua (s. oben 2.2.1.); die entsprechenden Passagen in PRE 21 und im "Sefer ha-JaschM" kommen hier ebensowenig in Frage. Das frühjüdische Motiv von der Weigerung der Erde geht davon aus, daß es Kai n ist, der sich hier vergeblich um eine Bestattung Abcls bemüht.

19\1 So ERJol'A 1989, 1377 . • o,J Ei n solcher Zyklus liegt in allen genannten Beispielen vor. ' 01 Die Kain-und- Abcl-Geschichte hat in der Kunst des Ostens insgesamt eine viel geringere

Rolle gespiell. lmmerhin beschreibt das Malerbuch vom Berge Alhos in seinem zweiten Teil unter § 1 6 die Szene aus einem entsprechenden Zyklus " Adam und Eva bewei nen Abci" (vgl. die griech. Teltlausgabc von PAPi\OOPUI..OS·I(ERAMEUs 1909, 480. Doch weder hier noch bei der Be­schreibung des Mordes zuvor ist von 2 Vögeln und ihrem Beispiel die Rede. Es wäre jedoch denkbM, daß sich in dicscm wenig erschlossenen Feld (besonders der bal kan ischen Kunst) noch Beispiele einer ikonographischen Umsetzung der Überlieferu ng finden lassen.

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124 Anhang: Abels Bestattung in der bildenden Kunst

Umsetzung des Themas hoffen zu könncn.402 Dennoch haben s ich einige wenige Beispiele erha1ten. Die Parteinahme der Tiere nach dem Brudermord stellt eine Bibel aus Avila (12. Jh.) eindrücklich dar (5. Abb. 9), wobei hier wohl die

Tradition des äthiopischen Adambuches oder der Väter im Hintergrund stehen wird.4iI

) Sehr anschaulich hat eine persische Hs. (um 13(0) die islamische Legende umgesetzt, wie sie etwa al-Tabari bietet (5. Abb. 1): Kain e rschlägt den schlafenden Abel mit einem großen Stein. während im Geäst des Baumes über ihm

ein Vogel den anderen mit dem Schnabel bei der Kehle gepackt hält Noch eindeutiger illustriert ein jüdisches Gebetbuch aus ItaJien (18. Jh.) die Szene (5.

Abb. 10): im Vordergrund erschlägt Kain den Abcl mit einer Keule; im Hinter­

grund eröffnet sich eine weite Landschaft. die neben den beiden Opferaltären auch zwei Vögel zeigt, von denen der eine bereits tot auf dem Rücken liegt. der andere aber mit dem Schnabel ein Loch in die Erde gräbt. Hier wird die Fassung der Überlieferung bei TanchBcr § 10 bzw. Jakob bcn Ascher oder Schahin ganz klar ins Bild gesetzt. Nach Erffas Hinweis sollen sich Darstellungen der beiden Raben . die Kain das Töten lehren , auch als Begleitmotiv zum Brudermord in mittel­alterlichen skandinavischen Kirchen finden.404 Dies wäre zu priifen , um einen möglichen Einnuß von jüdischer Seite genauer bestimmen zu können.

An dem weitverbreiteten Bildmotiv von Abels Beweinung schließlich fand die Überlieferung von der Bestattung Abcls keinen Haftpunkt. Dieses Motiv ist insgesamt jünger als die zuvorgenannten uno wurzelt in einer typologisch!;n Deutung der Beweinung Christi , so daß es auch gan z andere Bildelemente aufnahm . Seine ältesten Belege in der "Biblia pauperum" (13. Jh .) oder im "Speculum humanae salvationis" (14. Jh.).u)l zeigen die Trauer der Eltern allein in Analogie zur Kreuzabnahme oder zum Bildtypus der Pieta (s. Abb. 11-1 3). Im typologischen Programm beider Werke s ind der Beweinung C hri sti durch die

' 0:1 Zwar wurde das Bilderverbot nie völlig strikt eingehalten, war jedoch wirksam genug, um bildliche Darstellungen kostbare Ausnahmen bleiben zu lassen .

• 01 Vgl. dazu oben 3.1.2. '01 ERFFA 1989, I 372. Als ein konkretes Beispiel wird Hablingbo auf Gotland genannt. ' 0:1 Beide Werke gelten als wichtigste Quellen mal. typologischer Schriftauslegung und haben

in ihren reichen lIIustrationen nachhaltig auf die Kunst des Abendlandes eingewirkt. Die Ursprünge der "Bibli a paupcrum" liegen möglicherweise im bened iktinischcn Mönchtum Österreichs. Die Zahl der dargestellten Szenen differiert in den verschiedenen Hss. und Ausgatxm; Abcls Bewei nung lindet sich lediglich in dem einzigen SOblällrigen Holzschniuexemplar - vgl. die Ausgabe von HEtTZ 1903 (die zugleich eine ausftihrliche Ei nlei tung enthält). Das "Speculum hUßlanae salvationis" war nicht minder verbreitet (etwa 350 Hss. sind bekannt) und entspricht in seinem typologischen Programm weithin Aufbau und Gestaltung der "Biblia pauperum" - vgL LUTLiPER­OR1Zb"T 1907-09.

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Anhang: Abels Bestattung in der bi ldenden Kunst 125

Seinen als alttestamentliche Vorbilder die Beweinung des lo ten Abel durch Adam

und Eva sowie die Trauer Naemis um ihre beiden Söhne zugeordnet.o406 Durch

seine Be tonun g des emotionalen Momentes entfaltete dieses Motiv eine lange und

breite Wirkungsgeschichte. Vor allem in der Barockzeit e rfreute es sich großer

Belicblhcil,401 wo bei nun ausschließlich die Darste llung von Schmerz und

Entsetzen die Komposi tion bestimmen. Lediglich e inige ausgewählte Beispiele

sollen dies hier veranschaulichen: J . Saenredam nach A. Bloemaert ( 1604) - s. Abb. 14;

P. Laslman (1624) - s. Abb. 15;

Rembrandl ( 1655-60) - s. Abb. 16 und 17; - P. de lla Vecchia bzw. Muttoni (17. Jh.) - s. Abb. 18;

- N. Poussin zugeschrieben (17 . Jh.) - s. Abb . 19. Die szenische Gliederung des Hintergrundes, die nun einsetzt, hätte auch Raum njr

das Beisp ie l de r Vögel geboten (vgl. etwa Abb. 10). Doch offensichtlich war das

Motiv eben unbekannt. Auch ein Künstler wie Rembrandt, de r verschiedene

Kon takte zum Amsterdamer Judentum besaß,408 macht hie r keine Ausnahme.

Vielmehr bemächtigte sich nun die schöpferische Phantasie des Themas und fügte

dem Geschehen weite re männli che Gestalten hinzu (vgl. Abb . 15 und 16) - nach

der Überlieferun g aber kämen hie r a llenfa ll s die Zwillingsschwestern Kains und

Abcls in Frage. Dem korrespondiefl. wie die Literatur im christlichen Abendland seit dem

hohen Mittelalte r die Kain-und-Abel-Geschichte gestal tcte.409 Indem sie ihr

Materi al wesentlich aus de r la te inischen "Vita Adea e l Evae" bezog,410 spie lte

in ihr das Thema e iner Besta ttung Abel s keine Rolle . Im Bereich de r Mys terien­

spiele sowie humanis tischer Bearbeitun gen des Stoffes überwog e ine moralis ieren­de Dars te llung,411 während di e Barock7..ei t in e ine r Rei he von Dramen den span­nungsgeladenen Konflikt de r Blüder in den Mittelpunkt stellte.m . Scit der

O~ Im "Spcculum humanae saJ vationis" sind die atl. Szenen der Kreuzabnahme zugeordnet; es trin noch die Kl age Jakobs angesichts von Josephs blutigem Gewand hinzu.

oW PlGLER. 1956 (I9f) ven.eichnet etwa 36 Belege; vgL auch AURE., .... IIA..\.1MER 1967, I IOfund ERf'I'A 1989. 1383-385.

O(IJ Dies hat REII.ING 1983 (A. Seghers) in ihrer Dissertation sehr anschaulich nachgewiesen. 009 Vgl. dazu EMERSON 1906; DORRSOtMIDT 1919; BRIEGER 1934; MURDOCII 1975; ERFFA

1989, 1266-274. 301-334. 0 10 Vg1 . oben 2.2, J. Eine bcsondl..'fc Wirksamkeit ging noch einmal von der Bearbeitung des

Stoffes in Pelms Comestors "Historia scholastica" (1172173) aus. Oll Vgl . vor allem DORRSCHMtOT 1919; dazu auch BRIEGER 1934. Oll Vgl. BRIEGER 1934.

Page 124: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

126 Anhang: Abels Bestattung in der bildenden Kunst

Neuzeit galt das Interesse der Autoren dann zunehmend den psychologischen Hintergründen des Geschehens,·LJ

Somit zeigt sich, daß die Überlieferung von Abels Bestattung nach dem Beispiel zweier Vögel in der Kunst des Abendlandes wohl unbekannt blieb, im christlichen Osten jedoch kein ikonographisches Thema wurde. Der jüdische und islamische Bereich aber, in dem die Überlieferung vor allem lebendig war, brachte aufgrund des Bilderverbotcs (von nur wenigen Ausnahmen abgesehen) keine künstlerische Umsetzung des Themas hervor.

m Immerhin erlosch auch das Interesse an einem Geschehen wie dem der ersten Bcslauung nicht ganz - vgl. dazu Abb. 20. 1938 schuf der jüdische Künstler Jacob Epstein d ie Bronzcplasl ik

"Burial of Abci ", von der es mir jedoch leider nicht gelang, eine Abbildung zu linden (Hinweis in : EJ 5, JerusaJem 1972, 24).

Page 125: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

Abbildungen

Page 126: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

000 49806

Page 127: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

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Abbildungen

Abb . I Kain UJlet Abel mit einem Stein. pers. Miniatur um 1298

Abb. 2 Der Rabe l'erll1ßt seine Jungen. weil sie weiß sind. ital. Tugendbiichlein aus dem 15. Jh.

129

Page 128: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

130 Abbildungen

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Abb. 3 A~ls KiJ'~' ah~bl sich aUl du Erde, Caedmon-Ms., Il . lh.

Page 129: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

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Abbildungen

Abb. 4 Kain btgrl1bt Abt l.

Bambcrgcr Bibel. 9. Jh.

131

Page 130: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

132 Abbildungen

Abb. 5 Kain /Jegr{1bt Abel. Klosterkirche in Ripoll. 12 . Jh .

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j' , , Abb. 6 Kain begrllbt Abel. Ulmcr M ünslcr. um 1400

Page 131: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

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-- .. • •

Abbildungen

Abb. 7 Ka;n begrabt Abel, Queen Mary Psalter, 14. Jh.

133

Page 132: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

134 Abbildungen

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Abb. 8 Kain begrabt Ahel. Holkham-Biblc. 14. Jh .

Page 133: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

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Abbildungen 135

Abb. 9 Die Tiere heklaget! Abel, Bibel aus Avila, 12. Jh.

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Abb. 10 Kain t(Jtet Abel, jüd. Gebetbuch, 18. Jh .

Page 134: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

136 Abbildungen

Abb. 11 Adam und Ella beweintn Abt: f, Biblia pauperum

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Page 135: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

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Abbildungen

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Abb. 13 Adam und Eva beweinen AbeJ, Spcculum hu manae salvati onis, 14 . Jh.

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Abb. 14 Beweinung Abels, 1. Saenredam, 1604

137

Page 136: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

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138 Abbildungen

Abb. 15 Beweinung Abe/s. P. Lastman. 1624

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Abb. 16 Die Klage um Abel. Rcmbrandt. 1655·1660

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Page 137: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

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Abbildungen 139

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Abb . 17 Die Klage WIZ Allel. Rembrandt. 1655-1660

Abb. 18 AlW'" /lfuJ Eva beweinen den Tod Abels. P. della Vecchia (Multoni). 17. Jh.

Page 138: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

140 Abbildungen

Abb. 19 Adamfinder den WIen Abef, N. Poussi n zugeschrieben, 17. Jh.

Abb. 20 Die erSle Beerdigung, E. Barrias, 1878

Page 139: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

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Abb. 1

Abb. 2

Abb.3

Abb. 4

Abb. 5

Abb.6

Abb.7

Abb.8

Abbildungsverzeichnis

Kai" tötet Abef mit einem Stein. Miniatur aus dem Manäfi AI-Hayawän.

einer illustriellen persischen Hs. von Ibn Bakhtishü um 1298. The

Pierpont M organ Library , New York , M.500. fol. 6v.

Der Rabe verläßt seine JI/llgen, weil sie weiß sind. Miniatur aus einem

italieni schen Tugendbüchlein des 15. Jhs" Biblioteca Riccardiana ,

Florenz, Codex r iccard. 17 11, fol . 13v (Bild aus: O. Lchmann-Brockhaus,

Ti erdarstel lungeIl der Fiori di Virlil , in : Mitteilungen des Kunsthistori­

schen Instituts in Florenz 6/ 1940-41 . 8 = Abb. 4).

Abels Körper erhebt sich alls der Erde. Miniatur in dem angelsächsischen

Caedmon-ManuskripL. einer Genesisparaphrase des 11. Jhs .. Bodleian

Library, Oxford . M s. }unius x.i, S. 49 (Bild aus: Sir I. Gollancz. The

Caedmon M anuscript o f Anglo-Saxon BibUcal Poctry Junius X I in the

Bodleian Library, Oxf ord 1927).

Kai" begräbt Abel. Miniatur der Bamberger Bibel aus der Mitte des 9.

Jhs., SlaalsbibJioUlek Bamberg. M s. Bibi . I . fol. 7v.

Kaj" IJegriibt Allel. Archi voltenrelief am Portal der Klosterkirche Santa

Mafia i n Ripoll . K atalonien. 12. Jh. (Bild aus: M . Durliat. Art Catalan ,

Pari s/Grenoble 1963, Abb. 62).

Kain begräbt Abel. Relief am Westportal des Ulmer Münsters, um 1400

(Bild aus: A. Eben, Vom Sehen zum Schauen. Bildandachten vom Ulmcr

Münster. Stuttgan o.J., 23).

Kaj" begräbt Abel. M iniatur des Queen Mary Psalters, England 14. Jh.,

111e British Library. London, M s. Royal 2B vii (B ild aus: EJ 5, Jcrusalem

1972. 22).

Kai" begräbt Abef. Miniatur der Holkham-Biblc aus dem 14. Jh" The

British Library. London, M s. Add . 47680 fol. 5v ( Bild aus: A . U1rich.

Kain und A bc1 in der Ku nst. Untersuchungen zur Ikonographie und Aus­

legungsgeschicllte, Bamberg 198 1, Abb. 153).

Page 140: 'Die Vögel des Himmels haben ihn begraben' Überlieferungen zu Abels Bestattung und zur Ätiologie des Grabes

12 Abbildungsvcn.cichnis

.tIb. 9 Die Tiere beklagen Abel. Miniatur einer Bibel aus Avila, 12. Jh. , Biblio­teca PUblica Provincial , Burgos, fol. 12 (Bild aus: A. Ulrich, Kain und Abel in der Kunsl. Untersuchungen zur Ikonographie und Auslegungsge­schichte, Bamberg 198 1, 117).

.!Jb. 10

.!Jb. 11

Ibb. 12

.bb. 1 J

.bb . 14

.bb. 15

.bb. 16

Kain tötet Aber. Miniatur aus der Harrison Miscellany, einem jüdischen Gebetbuch aus Italien, 18. Jh., Sigrnund Harri son Collection, Ardrnore Pa. (Bild aus: EJ 5, Jerusalem 1972,23).

Adam lind Eva beweinen Abef. Holzschnitt aus der 50blättrigen Ausgabe der Biblia pauperum, Biblioiheque Nationale, Pari s (Bild aus : P. Heitz, Biblia pauperum. Nach dem einzigen Exemplar in 50 Darstellungen I früher in Wolfcnbüttcl, jetzt in der Bibliotheque Nationale). Mit einer EinJeitung ... von W.L. Schreiber, Strassburg 1903).

Adam Imd Eva beweine/l Abef. Illustration aus dem Speculum humanae salvationis, Hs. aus Selestal. 14. Jh. , Bayeri sche Staatsbibli othek, München. Ms. Clm. 146 (Bild au s: J. LutzlP. Perdrizct. Speculum humanae salvationi s. Les sources CI I'influcnce iconographique principa­lernenl sur I'art alsacicn du XIV' sieclc 1. Mulhousc/Leipzig 1907.52).

Adam lind Eva beweinell Abef. Illustration aus dem Speculum humanae salvalionis. Biblioth~uc Nationale, Paris, Ms. laI. 9584 (Bild aus: M.R. James, Speculum humanac sa]vationis, beiog a reproduction of an italian manuscripl of the founeenth century, dcscri bed and prcfaccd by ... , Oxford 1926).

Beweinung Abels. Kupfersti ch von Jan Sacnrcdam nach Abraham Bloc­maen (Ausschnitt) aus dem Jahre 1604 (Bild aus: C. Müller. Studien zu Lastman und Rembrandt, in : JPKS 51l'1929, 45-83, 48 = Abb. 5).

Beweinllllg Abels. Gemälde von Pieter Lastman aus dem Jahre 1624, Am­

sterdam, Museum "hel Rembrandthuis". Amstcrdam (Bild aus: C. Müller, Studien zu Laslman und Rembrandt, in: JPKS 51l'1929, 45-83, 48 = Abb. 4).

Die Klage lun Abe/. Handzeichnung von Rembrandt aus den Jahren 1655-1660, StaaLliche Museen zu Berlin, Kupcrstichkabinelt, KdZ 1115 (Bi ld aus: W.R. Valentiner, Rembrandt. Des Meisters Handzeichnungen I, Stuugan/Lcipzig/Berlin 0.1 ., 8 = Abb. 4).

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Abb . 17

Abb. 18

Abb. 19

Abb.20

Abbildungsverzeichnis 143

Die Klage um Abel. Handzeichnung von Rembrandt aus den Jahren 1655-

1660. Staatliche Graphische Sammlungen. München. Inv. Nr. 141 6 W egner 1192 (Bild aus: W .R. Valentiner. Rembrandl. Des M eisters

Handzeichnungen I , StuuganlLcipzig/Berlin 0.J. , 9 = Abb. 5).

Adam Imd Eva beweinen den Tod Abels. Gemälde von Pietro della

Vecchia (Muttorn), Nationalgallerie. Prag, Inv. Nr. 0 87 (Bild aus: A .

Pigler , Barockthemen. Eine Auswalll von VerLeichnissen zur Ikonogra­

phie des 17. und 18. Jahrhunderts. Tafelband. Budapcst 1974. 22 = Abb.

2).

Adam jimJel den IOlen Abe/. Gemälde. imümlich Nicolas Poussin zu­

geschrieben, 17. Jh .• Mus6c d ' aJ1 et d 'hi stoire. Fribourg. Inv. Nr. MAHF

8896 (vgl. H. Rcincrs, Ein unbekanntes Bild von Poussin? in : Der Kunst­

wanderer 13/1931-32.43-45,45).

Die erste BeerdiglUlg. Marmorgruppe von Emest Barrias (1878). Ny

Carlsberg Glyptotck, Kopenhagen (Bild aus: T. Ehrenstein , Das Alte

Testament im Bilde. Ein JIlustrationswerk mit über 2000 Abbildungen

von altchristlichen, mittelalterlichen und neuzeitlichen Kunstwerken.

Wien 1923.95 = Abb. 40).

M ein Dank gilt den folgenden Institutionen, mit deren freundlicher Genehmigung die

genannten Abbildungen hier veröffentlicht werden können:

The Pierpont M organ Library (New York), Biblioteca Riccardiana (Florenz),

Bodleian Library (Oxford), Staatsbibliothek (Bambcrg). The British Library (Lon­

don). Bibliotcca PUblica Provincial (Burgos), Biblioth~ue Nationale de Francc

(Paris). Bayerische Staatsbibliothek (MUncllen), Museum "het Rembrandthuis"

( Amsterdam) , Staatli che Museen zu BerlinlKupferstichkabineu, Staatliche Graphi ­

sche Sammlungen (München), Nationalgallerie (Prag), MusOC d'aJ1 cl d'hisloire (Fri ­

bourg), Ny Carl sberg Glyplotek (Kopcnhagen).

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Hans Hübner Biblische Theologie des Neuen Testaments Band 3: Hebriierbrid, Evangelien und Offenbarung. Epilegomena 1995.322 Seiten. gebunden. ISBN 3-525-53598-8

Bei den im dritten Band behandelten Schrifte n zeigt sich erneut . daß der Bezug auf das Alte Testam ent konst itutiv für ihre theologische Aussage ist.

Die Epilegomena bündeln das Ganze unter dem Gesichtspunkt des Zeit-Raums der Gna­de. Sie zielen au f eine theologische Darstell ung Jesu von Nazareth , dessen Person von Gott her der Seinsgrund aller Biblischen Theologie ist.

Band 2: Die Theologie des Paulus und ihre neutestamenlliche Wirkungsgeschichte. 1993.451 Seiten , gebunden. ISBN 3-525-53587-2

Band 1: Prolegomena. 1990.307 Seiten, gebunden. ISBN 3-525-53586-4

Hans Hübner Vetus Testamentum in Novo Band 2: Corpus Paulinum 1995. Ca. 246 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-50\08-0

Hier entsteht die neuerarbei tete maßgebende Zusammenstellung aller alt testamentlic.he n Zitate und Anspiel ungen im Neuen Testament im Originalwortlaut.

Das Werk ist übersichtlich in vier Spalt en ange legt:

I. die neutestamentlichen Stellen in kanonischer Reihenfolge . 2. der Wortlaut in der Septuagin ta (LXX) , 3. der Wortlaut im Masoretischen Text (MT) und 4. andere E rwähnungen (z.B. in anderen alttestamentlichen Schriften a ls der unmittelbar

zitierten).

In der grafischen Darstellung wird unterschieden zwischen wörtlicher und s inngemäßer Übe reins timmung, und zwar zwischen NT, LXX und MT bzw. zwischen NT und LXX ge­gen oder ohne MT.

In Vorbereitung: Band I: Evange lie n und Apostelgeschichte Band 111: Katho lische Briefe und Apokalypse

V&R Vandenhoeck &Ruprecht

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S CHRIFTEN DES INSTITUTUM J UDAICUM D ELITZSCH1ANUMfM Herausgegeben von Hermann Lichtenbcrger

Band 1 Begegnungen zwischen Christentum und Judentum inin Antike und Mittelalter Festschrift für Heinz Schrecken berg. Unter Mitarbeit von Karina und nd Thomas Lehnardt herausgegeben von Die trich-Alex Koch und Hermannnn Lichtenberger. 1993.400 Seiten mit 10 Tabellen, gebunden. ISBN 3-525-54200-3

Die in diesem Band gesammelten Aufsätze widmen sich den vielfältigen Beziehun.un­ge n zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter. Einen SchweFer­punkt bilden Untersuchungen zur Auslegungsgeschichte bibl ischer Texte; besono n­ders geht es dabei um die Rezeption jüdischer Traditionen bei christlichen Auto' to­ren. Ei nen weiteren, mit dem Lebenswerk des Jubilars ebenso eng verbundenenen Schwerpunkt ste llen Untersuchungen zur Geschichte und Literatur des hellenisti-s ti ­sehen Judentums dar. Dabei werden die vielfältigen Wirkunge n des Judentums in in der Geschichte des Christentums deutlich.

Band 2 Ge.rbern S. Oegema Der Gesalbte und sein Volk Un tersuch un gen zu m Konzeptual isierungsprozeß der messianischenen Erwartungen von den Makkabäern bis Bar Koziba . 1994. 35 1 Se iten mi mit 3 Tabellen , gebunden. ISBN 3·525-54201 -\

Dieses Buch widmet sich den vielseitigen Beziehungen zwischen den messianischenen Erwartungen und den politischen Ereignissen in der Antike . Einen Schwerpunknkt bilden Untersuchungen zur Auslegungsgeschicht c messianische r Texte: besondeners geht es dabei um den Konzcptualisierungsprozeß der messianische n Vorste llunger,c n in palästini sch-jüdischen, hellenistisch-j üdischen und U ud en-)christliehen Schri fei f­ten. Der Verfasser hat einem oft verhandelt en Thema insofern einen neuen, er·e r­kenntnisträchLigen Aspekt abgewonnen, als er auch apokalyptische Situationen i[l in der Gesch ichte zu ermitteln versuchte, in denen jeweils ältere messianische Kon"n· zeptionen überhaupt erst rezipiert und aktualisiert werden konnten.

f.ayerlsche StaatsblbUothek

Mi.lnchen V&R Vandenhoeck &.Ruprecht