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EUR 7,00 JANUAR - MÄRZ 2019 GL BAL INVESTOR by DIE WELT DER INVESTMENTFONDS 24 BIOTECHNOLOGIE Investitionen in Krebs-Therapien 48 KLIMASCHUTZ Climate Investing gegen CO 2 - Emissionen 60 MUSIK Mehr als Bowie-Bonds MEHR ALS PANDA-DIPLOMATIE China – Gigant der Zukunft 8 ABSOLUT RESEARCH* DEZEMBER 2017 »�DIE AKTUELLE KAPITAL- MARKTSITUATION STELLT INSTITUTIONELLE INVESTOREN VOR GROSSE HERAUSFORDERUNGEN.�« Institutionellen Anlegern bieten wir ein für ihren Bedarf maßgeschneidertes Anlagekonzept. Unser Top-Down sowie Bottom-Up getriebener Investmentprozess wird durch die hauseigene digitalisierte Research-Datenbank unterstützt. Als deutschsprachiger Vermögens- verwalter verstehen wir die Sprache unserer Kunden. Erfahren Sie mehr unter www.dje.de *Absolut Research, Michael Busack, Neue Perspektiven im Assset Management – Märkte im Wandel, Seite 21: http://www.absolut-report.de/AR100-1.pdf Alle veröffentlichten Angaben dienen ausschließlich Ihrer Information und stellen keine Anlageberatung oder sonstige Empfehlung dar. Aktienkurse können markt-, währungs- und einzelwertbedingt relativ stark schwanken. Auszeichnungen, Ratings und Rankings sind keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen. Frühere Wertentwicklungen sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Weitere Informationen zu Chancen und Risiken finden Sie auf der Webseite www.dje.de. Der Verkaufsprospekt und weitere Informationen sind in deutscher Sprache kostenlos bei der DJE Investment S.A. oder unter www.dje.de erhältlich. Verwaltungsgesellschaft der Fonds ist die DJE Investment S.A. Vertriebsstelle ist die DJE Kapital AG. »�FÜR INSTITUTIONELLE ANLEGER SIND WIR DER PARTNER MIT MASSGESCHNEIDERTEN LÖSUNGEN.�« MICHAEL SCHNABL Leiter Institutionelles Geschäft | DJE Kapital AG

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EUR 7,00 JANUAR - MÄRZ 2019

GL BAL INVESTORby

DIE WELT DER INVESTMENTFONDS

24BIOTECHNOLOGIEInvestitionen in Krebs-Therapien

48KLIMASCHUTZClimate Investing gegen CO2-Emissionen

60MUSIKMehr als Bowie-Bonds

MEHR ALS PANDA-DIPLOMATIE

China – Gigant der Zukunft

8

ABSOLUT RESEARCH* DEZEMBER 2017

»� DIE AKTUELLE KAPITAL-MARKTSITUATION STELLT INSTITUTIONELLEINVESTOREN VOR GROSSE HERAUSFORDERUNGEN.�«

Institutionellen Anlegern bieten wir ein für ihren Bedarf maßgeschneidertes Anlagekonzept.

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*Absolut Research, Michael Busack, Neue Perspektiven im Assset Management – Märkte im Wandel, Seite 21: http://www.absolut-report.de/AR100-1.pdf

Alle veröff entlichten Angaben dienen ausschließlich Ihrer Information und stellen keine Anlageberatung oder sonstige Empfehlung dar. Aktienkurse können markt-, währungs- und einzelwertbedingt relativ stark schwanken. Auszeichnungen, Ratings und Rankings sind keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen. Frühere Wertentwicklungen sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Wert entwicklung. Weitere Informationen zu Chancen und Risiken fi nden Sie auf der Webseite www.dje.de. Der Verkaufsprospekt und weitere Informationen sind in deutscher Sprache kostenlos bei der DJE Investment S.A. oder unter www.dje.de erhältlich. Verwaltungsgesellschaft der Fonds ist die DJE Investment S.A. Vertriebsstelle ist die DJE Kapital AG.

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01 2019 GL BAL INVESTOR 3

~ EDITORIAL ~

Keine Nibelungen mehr

Liebe Leserin, lieber Leser,

Global Investor hat den Iran vor einiger Zeit als lohnendes Investitionsziel vorgestellt. Nicht nur die Größe des Marktes und der Nachholbedarf in den Bereichen Konsum und Technologie waren als Pluspunkte genannt, auch der besonders hohe Bildungsgrad der Bevölkerung.

Anlass der Analyse war, dass sich der Iran in Form des Atomabkommens mit der übrigen Welt ausgesöhnt hatte. Heute müssen wir erkennen, dass sich die Vorzeichen völlig verändert haben. Die Vereinigten Staaten sanktionieren das Land erneut und drohen allen Staaten und Unternehmen bei Zuwiderhandlung ebenfalls mit Strafmaßnahmen.

Eines hat sich in diesem Zusammenhang zudem geändert; die Vereinigten Staaten haben die Nibelungentreue enger Verbündeter verspielt. Die Briten standen bisher in der arabischen Welt fest an amerikanischer Seite, auch bei Waffengängen. Heute aber gehen sie in Bezug auf den Iran auf Distanz – sie opponieren sogar.

Regierungschefin Theresa May will den Handel mit dem Iran ausdrücklich vorantreiben, sie ermuntert britische Unternehmen sogar zum Ausbau des Engagements. Andere europäische Länder wollen die Strafaktion ebenfalls untergraben und arbeiten an einem Finanzsystem jenseits des US-Radars. Überdies dürften China, Indien und Russland ebenfalls Schleichwege finden.

So wird der Wall, den Donald Trump um den Iran ziehen will, sehr löchrig sein. Am Ende erreichen die Amerikaner nur, dass sie als Gesprächspartner entbehrlicher denn je sind, denn niemand sucht bei Tisch die Gesellschaft praktizierender Egomanen.

Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre!

Ihr Josef Depenbrock, Herausgeber

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8 Inhalt3 EDITORIAL

CHINA8 GIGANT DER ZUKUNFT

Warum der Handelskrieg das Land nicht zu Fall bringt

14 FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG

Wie China den technischen Fortschritt fördert

16 DER BESTE WEG

Wie internationale Anleger in den Markt einsteigen

18 AUF DER ÜBERHOLSPUR

Chinas Versicherungsbranche wächst stetig

INTERNET OF THINGS20 RIESIGE DATENMENGEN

Welche Branchen besonders davon profitieren

BIOTECHNOLOGIE24 ALZHEIMER UND KREBS

Das große Potenzial neuer Therapien

30 KLEINE UND MITTLERE UNTERNEHMEN

So strukturiert man sein Portfolio

VALUE INVESTING36 VIELVERSPRECHENDE FAMILIENUNTERNEHMEN

Warum das Geschäftsmodell entscheidend ist

SOCIAL IMPACT INVESTING40 IMMOBILIEN

Wie man sie sozial und ökologisch bewirtschaftet

43 STROM FÜR ALLE

Crowdinvesting erleichtert Dorfbewohnern das Leben

46 MENSCHEN MIT BEHINDERUNG

Die Wirtschaft profitiert von einer inklusiven Gesellschaft

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58

48

CLIMATE INVESTING48 CO2-EMISSIONEN

Warum Investoren dringend versuchen sollten, zu ihrer

Senkung beizutragen

SMALL CAPS52 NEBENWERTE

Sie performen besser als die Großen und sollten in keinem

Portfolio fehlen

AKTIVE UND PASSIVE STRATEGIEN54 FLEXIBEL UND GÜNSTIG

Warum eine Kombination sinnvoll ist

SMART CITY56 PARKHÄUSER

Mit dem richtigen Konzept sind Parkplätze mehr als

reine Stellflächen

MUSIK58 HISTORISCHE STREICHINSTRUMENTE

Wie man als Mäzen und als Investor doppelten Gewinn

machen kann

60 URHEBERRECHTE UND MUSIKKATALOGE

Was man von Michael Jackson hätte lernen können

CLUB DEALS62 ZUSAMMEN STÄRKER

Nicht nur kleinere Investoren profitieren davon

PROGNOSETECHNIKEN64 KÜNSTLICHE STIMMUNGSBAROMETER

Computer lernen, natürliche Sprachen zu verstehen; dies

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Der Gigant mit dem stillen Lächeln

China öffnet durch fortschreitende Liberalisierung seiner Wirtschaft, strengere Finanzregulierung und neue Handelswege seine Tore zur Welt. Bis 2050 will das Reich der Mitte ein globaler Wirtschafts- und Handels- riese werden.

~ CHINA ~

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Seit Monaten sorgt der Handels-konflikt zwischen den USA und China mit seinen Strafzöllen für Unsicherheit an den Märkten.

Autor: Robert Horrocks, San Francisco

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~ CHINA ~

10 GL BAL INVESTOR 01 2019

Vor rund zwei Jahren hielt ich eine Rede über China und die Globalisierung. Mein Hauptargument war, dass sich China nach der Ansprache von Staatsprä-sident Xi Jinping auf dem Weltwirtschaftsforum in

Davos im Januar 2017 in einen globalen Champion des freien Handels zu wandeln schien – genau zu dem Zeitpunkt, als sich die USA und Europa von dieser Idee verabschiedeten. Diese An-sicht nahmen einige Zuhörer skeptisch auf.

Man sollte sich aber daran erinnern, dass noch vor 50 Jah-ren der Großteil der chinesischen Bevölkerung in Haushalten mit einem Tageseinkommen von 1,90 US-Dollar oder weniger lebte – heute beträgt deren Anteil unter zehn Prozent. Dieser Rückgang der Armut ist eine unglaubliche Errungenschaft, un-abhängig davon, was man von der Politik der chinesi-schen Regierung hält.

Wenn die Chinesen Globalisierung, Kapitalismus, private Unternehmen und alles annehmen, was damit zu-sammenhängt, dann tun sie das vollends. Nein, China ist kein zu 100 Prozent freier Markt. Ja, auch die Zustimmung für uneingeschränkte wirt-schaftliche Freiheit wankt in China, wie überall auf der Welt. Der chinesische Staat bietet aber größere Anreize, um seine offene Haltung dem Handel gegen-über durchzusetzen.

Bisher gab es 2018 drei be-deutende Ereignisse, die Chinas Haltung zum globalen Handel un-terstreichen. Im April hatte eine der führenden globalen Anleihenindizes-Fami-lien, die Bloomberg-Barclays-Global-Aggregate- Indizes, damit begonnen, Staats- und Zentralbankanlei-hen aus China aufzunehmen. Nur zwei Monate später nahm der Anbieter weltweiter Aktienindizes, MSCI, erstmals 234 Aktien vom chinesischen Festland (A Shares) in seinen MSCI-Emerging- Market-(EM)-Index auf. Dieser Schritt könnte dazu führen, dass China eines Tages 50 Prozent der gesamten EM-Allokation aus-machen wird.

Schließlich verdeutlicht der ausgewachsene Handelsstreit zwischen China und den Vereinigten Staaten von Amerika Chinas globale Bedeutung. Dieser Handelskrieg mag zugleich Beweis für Chinas gewachsene Reife im Welthandel sein.

Anfang Juli genehmigte US-Präsident Donald Trump die ers-te Runde der 25-Prozent-Strafzölle auf bestimmte chinesische Importe in die USA mit einem Gesamtwert von 34 Milliarden US-Dollar. Im August folgte die zweite Welle mit 25-Prozent-Zöl-len auf Güter im Wert von weiteren 16 Milliarden US-Dollar. Und im September schlug die Trump-Regierung noch einmal zehn Prozent auf chinesische Waren mit einem Gegenwert von knapp 200 Milliarden US-Dollar – damit betrafen die Zölle

quasi die Hälfte von allem, was China in die USA verkauft. Pe-king ergriff seinerseits Vergeltungsmaßnahmen mit Tarifen auf US-Waren im Wert von 60 Milliarden US-Dollar. Weitere Zölle könnten folgen.

Trotz dieser Riesenzahlen ist Chinas Wirtschaft von diesen Maßnahmen bislang relativ unbeeindruckt geblieben. Die ma-kroökonomischen Daten für das zweite Quartal 2018 weisen darauf hin, dass die Wirtschaftsdaten und die Unternehmens-gewinne in China stark geblieben sind. Denn bei allem Gerede um „Handelskriege“ sollte man nicht vergessen, dass der Anteil der Exporte in die USA 2017 nur 19 Prozent aller chinesischen Ausfuhren betrug und dass die Nettoexporte Chinas heute nur noch zwei Prozent des Bruttosozialproduktes ausmachen, von

einstmals neun Prozent in der Spitze 2007.Man sollte auch Chinas wirtschaftliche Schlag-

kraft nicht unterschätzen. Schließlich steht das Land mittlerweile für 31 Prozent des

weltweiten Wirtschaftswachstums, verglichen mit einem Anteil der

USA von neun Prozent 2017. Und obwohl die Wirtschaft Chinas nicht mehr vom Export getrie-ben wird – heute macht der In-landskonsum den Großteil des Wirtschaftswachstums aus und mehr als die Hälfte des Bruttosozialproduktes – ist das Land fester Bestandteil globa-

ler Handelsketten, dank seiner Investitionen in der Vergangen-

heit und Produktionsfähigkeiten. Werden Trumps Zölle zu einem

Wiedererstarken der Fertigungsfähig-keiten in den USA führen? Oder werden

Unternehmen ihre Produktion von China in andere Entwicklungsländer verlagern?

Selbst wenn man sich dem Widerstand der USA stellt, so ist die breitere Handelspolitik Chinas immer noch darauf ausge-richtet, sich an zwei Fronten zu öffnen – bei der Infrastruktur und den Finanzmärkten.

Bis 2017 hatten ausländische Investoren nur eingeschränk-ten Zugang zu Chinas Aktienmarkt – durch B Shares. Das sind Aktien, die in Fremdwährung ausgestellt und in Shanghai sowie Shenzhen an der Börse zugelassen waren. Oder sie nahmen an Programmen teil wie dem „Qualified Foreign Institutional In-vestor“ (QFII) oder dem „Renminbi Qualified Foreign Institu-tional Investor“ (RQFII), die direkten Zugang zum Wertpapier-markt des Giganten Asiens boten.

2017 veränderte die Einführung des „Stock and Bond Connect”-Programms die bislang gleichen Wettbewerbsbe-dingungen. Diese Programme boten internationalen Anlegern nämlich einen erweiterten Zugang und vereinfachte Eintritts-prozeduren zu Chinas heimischem Aktien- und Anleihenmarkt.

Es gibt viele Gründe, warum China seinen Markt geöffnet hat. Der unwichtigste Grund war, den Anspruch des Renmin-

MAN SOLLTE CHINAS WIRTSCHAFTLICHE

SCHLAGKRAFT NICHT UNTER-SCHÄTZEN. SCHLIESSLICH STEHT

DAS LAND MITTLERWEILE FÜR 31 PROZENT DES WELTWEITEN

WIRTSCHAFTSWACHSTUMS.Mit gigantischen Infrastrukturprojekten wie der Konstruktion der Hongkong-Zhuhai-Macao-Brücke im Perflussdelta versucht China, zu Industrienationen wie den USA aufzuschließen.

bis zu stärken, eine Weltreservewährung zu sein. Chinesische Finanzwerte im Ausland gefragter zu machen, ist dagegen ein Schlüsselelement. Noch im März 2018 hielten ausländische An-leger chinesische Aktien und Anleihen in einem Wert von ledig-lich 2,6 Billionen Renminbi (394 Milliarden US-Dollar), also nur knapp zwei Prozent der gesamten Kapitalisierung des Aktien- und Anleihemarktes Chinas.

Ein weiterer Anreiz besteht darin, die Kapitalzuteilung zu verbessern. Die Erträge können steigen, wenn den Kapitalmärk-ten die dringend erforderliche Disziplin gegeben wird und sie ausländische Einflüsse erhalten, da sich das Land mehr auf die Qualität als das Tempo des Wachstums konzentriert.

Vor allem aber ist dies ein Schritt zur Demokratisierung des Finanzwesens – der Wunsch, Kapitalmärkte zu entwickeln, die die Bedürfnisse der Bürger Chinas nach stabilen und vertrau-enswürdigen Instrumenten zum langfristigen Sparen erfüllen.

Bei der Infrastruktur ist Chinas ungemein ehrgeiziges Zehn-Jahres-Entwicklungsprojekt, die „Belt-and-Road Initiati-ve“ (BRI), darauf ausgerichtet, Chinas Status als Handelsnation zu verbessern. Es soll den Handel steigern, das Wirtschafts-wachstum stimulieren und die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Asien und darüber hinaus fördern, indem es eine Infrastruk-tur errichtet, die China mit Ländern auf der ganzen Welt verbin-

den soll. Über zwei Handelswege wird die BRI Chinas Südküste auf dem Seeweg mit Ostafrika und dem Mittelmeerraum verbin-den, und auf dem Landweg wird China über Zentralasien und den Mittleren Osten an Europa angeschlossen.

Mit dieser Initiative positioniert sich China im Zentrum des globalen Handels. Historisch betrachtet hat jedes Land in ei-ner solchen Position wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fortschritt genossen, gleich in welchem Jahrhundert oder mit welcher Religion. Es hat zwar Rückschläge durch Regierungen anderer Länder gegeben, und manche von ihnen haben, wie die USA, China den Rücken gekehrt. Andere Lander hingegen begrüßen die BRI. Vietnam beispielsweise erfährt steigende Auslandsinvestitionen, und seine Wirtschaft modernisiert sich, während es dem chinesischen Reformpfad folgt.

Die BRI hat allerdings auch Kritiker. Viele hinterfragen die Kosten des Projektes und den zu erwartenden Gewinn. Und welche Verschuldung wird dadurch auf China und seine Part-nerländer zukommen?

„China“ und „Schulden“ scheinen heutzutage Hand in Hand zu gehen. Vor der globalen Finanzkrise war Chinas Verschul-dungsquote, die öffentlichen Schulden im Verhältnis zum Brut-tosozialprodukt (BSP), relativ niedrig und stabil. Während der Finanzkrise wies der Staat die Banken unter seiner Kontrol- ›Fo

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~ CHINA ~

12 GL BAL INVESTOR 01 2019

le an, Geld an Firmen im Staatsbesitz zu verleihen. So sollten öffentliche Infrastrukturprojekte finanziert werden, die das Stimulus-Programm bildeten, und die Auslastung in Industrie-zweigen erhöht werden, die mit diesen Infrastrukturvorhaben zusammenhingen. Als Resultat sprang Chinas Verschuldungs-quote von 141 Prozent im Jahr 2008 auf über 256 Prozent 2017.

Chinas tatsächliches Problem aber ist die Verschuldung der Unternehmen. Das Verhältnis von Unternehmensschul-den (ex Finanzunternehmen) zum Bruttosozialprodukt stieg in den drei Jahren nach Auflage des Stimulus-Programms von 97 auf 127 Prozent und nimmt seitdem weiter zu. Heute liegt die Verschuldungsquote der Unternehmen bei 170 Prozent und ist damit eine der höchsten weltweit. Man muss allerdings verste-hen, dass zwei Drittel der Unternehmensschulden Firmen im Staatsbesitz gegenüber Banken im Staatsbesitz haben. Seit 2015 bemüht sich China deshalb, die Schulden abzubauen.

Das wiederum bedeutet, dass sich die Zusammensetzung der Kredite dramatisch verändert hat. Vor fünf Jahren standen klassische Bankdarlehen noch für 51 Prozent des gesamten Kre-ditvolumens, der Rest kam von Schattenbanken, wie Invest- mentgesellschaften und treuhänderischen Darlehen. In diesem Jahr hingegen machen Bankdarlehen mehr als 90 Prozent der gesamten Kreditvergabe aus.

In dem Maße, in dem systemische Risiken verringert wur-den, haben Unternehmen, die auf alternative Kreditquellen an-gewiesen waren – also vor allem kleine und mittelgroße Firmen – Mühen, Zugang zu Krediten zu bekommen. Erst vor Kurzem hat die Zentralbank Chinas zugegeben, dass die Kreditklemme für kleine Unternehmen in der Tat ein Problem ist, und weitere Maßnahmen zur Risikoverminderung verschoben.

Die Veränderungen in den weltweiten Anleihe- und Akti-enindizes, die fortschreitende Regulierung von Chinas Finanz- industrie, die Deregulierung der chinesischen Wirtschaft und seine Bemühungen, ein globales Handelsnetz auf- und auszu-bauen: Das alles deutet daraufhin, dass China bereit ist, eine

wichtigere Rolle auf der Weltbühne zu spielen. Und während sich die USA vom freien Handel verabschieden, tritt China auf, um die Lücke zu füllen.

Nicht zuletzt hat sich China zum Ziel gesetzt, das Land bis 2035 in eine starke Handelsnation zu verwandeln und bis 2050 ein Wirtschafts- und Handelsriese zu werden. Reformen und der Feinschliff von Handelsstrukturen sollen den Weg dahin ebnen, inklusive der verbesserten Qualität von Waren und Dienstleis-tungen, die auf dem Heimatmarkt verbraucht werden. Parallel dazu fördert die chinesische Regierung ein besseres Manage-ment von Unternehmen, während sie zugleich stärker kommer-zielle Firmen und Organisationen im Privatbesitz pflegt.

Was bedeutet das nun für Investoren, wenn man in Betracht zieht, dass der Inlandskonsum zwei Drittel des Wirtschafts-wachstums Chinas ausmacht und mehr als die Hälfte des Brut-tosozialproduktes?

Chinas derzeitige wirtschaftliche Struktur strebt danach, langfristig nachhaltiges, stabiles Wachstum zu fördern, indem es sich auf die Qualität dieses Wachstums konzentriert. Ein sol-ches Qualitätswachstum bedarf eines großen, von Konsumen-ten getriebenen Marktes; Unternehmen, die ihr Kapital effizient einsetzen; und Beschäftigte, die sich als Teil eines Systems ver-stehen, das die Chance zum Aufstieg bietet. Ein solcher Ansatz für Wachstum kann die Lebensqualität von Chinas Bürgern ver-bessern und bietet zugleich globalen Investoren unwiderstehli-che Gelegenheiten.//

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Der Autor ist Chief Investment Officer und Portfoliomanager des Fonds Asian Growth and Income bei Matthews Asia.

CHINAS ANTEIL AM WELTWIRTSCHAFTSWACHSTUM STEIGTProzentualer Anteil am Weltwirtschaftswachstum (auf USD- und Kaufkraftparität-Basis)

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RMB in Milliarden Renminbi

Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E)

in Prozent

F&E-Ausgaben gesamtBIP (RHS)

der Faktor ist zudem Chinas Größe. Sie befähigt und ermutigt Unternehmen dazu, Risiken einzugehen, und hilft, die Produk-tionsstückkosten zu senken. Sie fördert außerdem Investitionen in Forschung und Entwicklung, da neuen Unternehmen mög-licherweise große potenzielle Märkte zur Verfügung stehen. Hochgeschwindigkeitszüge und Telekommunikationsausrüs-tung sind zwei Musterbeispiele dafür, wie China im internati-onalen Vergleich bei Weitem die höchsten Ausgaben tätigt und davon entsprechend profitiert.

Chinas Umbau von einer klassischen industrie- und export-gestützten Wirtschaft hin zu einem innovationsorientierten Wachstumsmodell bietet Investmentchancen, insbesondere bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Um diese Anlagemög-lichkeiten zu identifizieren, ist es wichtig, dass in diesen Märk-ten Research-Analysten vor Ort anwesend sind und die Sprache und die Kultur der Region kennen. Wir teilen das Thema Inno-vation in drei Kategorien ein: Die erste Kategorie umfasst Unter-nehmen mit disruptiven Technologien, Produkten oder Dienst-leistungen – dazu gehören Biotech- und junge Internetfirmen.

Die zweite konzentriert sich auf ständige Innovationsleistungen für eine bessere Performance und mehr Effizienz – vorwiegend in den Bereichen technologische Ausrüstung und Autoteile. Die dritte Kategorie besteht aus neuen Geschäftsmodellen, die von technologischen Trends profitieren.

Der chinesische Innovationstrend dürfte noch dynamischer werden – beflügelt von einer unterstützenden Regierungspoli-tik, einem Markt von mehr als einer Milliarde Menschen und Branchenclustern, die sich weiterentwickeln und fortschrittli-cher werden. //

Auf seinem Weg zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt war Chinas Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren geprägt durch gering qualifi-zierte Industriearbeit und den Export von Gütern

des täglichen Bedarfs wie Kleidung und Schuhe. Diese Bereiche sind für die Ökonomie der Volksrepublik weiterhin wichtig, doch ihre Bedeutung sinkt. China fokussiert sich stattdessen vermehrt darauf, Innovationen und geistiges Eigentum zu för-dern. So entsteht ein Ökosystem aus neuen, schnell wachsen-den Unternehmen mit entsprechenden Chancen für Investoren.

Im Rahmen der Initiative „Made in China 2025“ tragen staat-liche und private Investitionen zu bedeutenden Fortschritten in Bereichen bei wie Informations- und Produktionstechnik, Software, automatisierten Werkzeugmaschinen und Robotik, moderner Schienenverkehrstechnik, umweltschonenden Fahr-zeugen, Batterietechnik, Biotechnologie und moderne Medizin-produkte.

Zwar wird es noch einige Zeit dauern, bis China das Niveau weit entwickelter Industrieländer erreicht hat, doch das Land ist dank seiner Innovationstätigkeit anderen Schwellenländern weit voraus. In den Bereichen mobile Zahlungen, Online-Gaming, E-Commerce, Hochgeschwindigkeitszüge, Smartphones, Über-wachungskameras, Telekommunikationsausrüstung und sozia-le Medien hat das Land eine führende Rolle eingenommen. Auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz (KI) fordern chinesische Internetunternehmen wie Baidu, Alibaba und Tencent US- Giganten wie Google, Microsoft, Amazon und Facebook he-raus. Diese Entwicklung wird durch die chinesische Regierung, Ingenieure, private Investoren sowie die voranschreitende Digi-talisierung der Industrie unterstützt. Die für die Weiterentwick-lung der künstlichen Intelligenz so wichtigen Halbleiter werden allerdings noch aus dem Ausland bezogen. Bei Smartphones haben chinesische Unternehmen einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent in China, Indien und vielen anderen Schwellen-ländern.

Durch die stark steigenden Private-Equity- und Venture-Ca-pital-Investitionen, die zum Teil durch das Wagniskapital der Technologiegiganten Alibaba und Tencent angetrieben werden, wächst in China die Zahl der „Einhörner“ – private Unterneh-men mit einer Marktkapitalisierung ab einer Milliarde US-Dol-lar, von denen viele im Internetgeschäft tätig sind. In China ist der E-Commerce-Anteil am gesamten Handelsumsatz mittler-weile größer als in den USA. Auch wird immer mehr Geld für digitale Werbung ausgegeben. Der technologische Wandel des Landes wird auch an der Entwicklung des Technologiesektors deutlich: Die Gewichtung, mit der die Branche im MSCI-Chi-na-Index vertreten ist, hat sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre von drei Prozent auf 41 Prozent im Mai 2018 erhöht.

China gibt für Forschung und Entwicklung (F&E) mehr Geld aus als Europa und beinahe so viel wie die USA. Die Ausga-ben des asiatischen Schwellenlandes werden hauptsächlich von Unternehmen – und nicht der Regierung – getätigt. Konkret sind sie zwischen 2000 und 2016 von 0,9 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 2,12 Prozent gestiegen; in den USA waren es 2,74 Prozent. Eine Studie von Merrill Lynch fand

Mehr Geld für Forschung und Entwicklung

Die Digitalisierung treibt die Wirtschaft in China voran und dank beträchtlicher Investitionen gibt es immer mehr Einhörner im Reich der Mitte.

Autor: Justin Thomson, London

JUSTIN THOMSONLONDON 51° 30 ‘ N, 0° 7 ‘ W

Der Autor ist Chief Investment Officer and Lead Manager des Bereichs International Small-Cap Equity Strategy bei T. Rowe Price.

China gibt viel Geld für Forschung und Entwicklung aus und fördert so den technischen Fortschritt auf der ganzen Welt.

INNOVATIONSTREIBER CHINA

zudem heraus, dass die chinesischen F&E-Ausgaben gemessen am BIP in den letzten 20 Jahren mit einer jährlichen Wachs-tumsrate von 6,8 Prozent zugelegt haben, während es in den USA lediglich 0,6 Prozent waren. Darüber hinaus bringt Chi-na jedes Jahr weltweit die meisten graduierten Wissenschaftler und Ingenieure hervor. 2016 bis 2017 waren 40 Prozent der rund 350.000 Chinesen, die zum Studieren in die USA gekommen sind, in den Studiengängen Naturwissenschaft, Technik, Ingeni-eurwesen und Mathematik eingeschrieben. Diese Hochschulab-solventen und jene, die in der Technologie- und Pharmabranche gearbeitet haben, lockt China mit finanziellen Anreizen wieder nach Hause.

Während chinesische Unternehmen früher Wert darauf leg-ten, möglichst viel Kapazitäten zu schaffen, sind die Manager heute eher darauf bedacht, diese zu verkleinern. Jetzt geht es nicht mehr darum, das größte, sondern das profitabelste Unter-nehmen zu sein. Außerdem gibt es Bestrebungen, die langfristi-gen Kapitalrenditen und den Kapitaleinsatz zu optimieren, was die freien Cashflows steigen lässt. Ein nicht zu unterschätzen-

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formance ihres Unternehmens darzustellen. Dieses Bild trügt, daher sind Anleger, die einen bestimmten Fondsmanager auf Grundlage seiner Erfolgsbilanz aussuchen, oft von der tatsächli-chen Performance ihres eigenen Portfolios enttäuscht.

Zudem tendieren chinesische Fondsmanager zu hohen Portfolioumschlägen von durchschnittlich 325 Prozent, die bis auf 700 Prozent ansteigen können. Das liegt an der Branche, die noch jung und stark vom Einzelhandelsmarkt mit seiner kurz-fristigen Perspektive geprägt ist; angesichts des Marktcharak-ters, der weniger Wert auf die langfristige Performance legt und Rotation bevorzugt, fühlen sich Fondsverwalter dazu gedrängt, exzessiv zu handeln. Der hohe Umschlag lässt die Handelskos-ten steigen, was letztlich die Performance verschlechtert.

Drittens wechseln die Fondsmanager oft ihre Strategien. Der chinesische Markt ist auf ein absolutes Peer-Ranking aus-gerichtet, und die meisten Teilnehmer ringen darum, als bester Fondsverwalter Ruhm und Prämien einzu-streichen. Deshalb nehmen sie häufig wenig Rücksicht auf risikobereinigte Renditen, Ri-sikokontrolle und Handelskosten.

Im Gegensatz zu chinesischen Inves-toren sind globale Anleger mit den Be-sonderheiten des chinesischen Marktes weniger vertraut. Durch die Wahl eines inländischen Fondsmanagers können diese Fallstricke umgangen werden.

Die Vorteile von WFOE sind klar: Sie verfügen über einen integrierten Unter-nehmens- und Anlageprozess, eine fundierte Anlagephilosophie und eine nachgewiesene Er-folgsbilanz. Meist sind sie Gips-konform (Global In-vestment Performance Standards) und ihre ausgewiesene Per-formance entspricht weltweit anerkannten Standards. Globale Fondsmanager wenden auch internationale Best Practices an, solide Methoden der Portfoliokonstruktion sowie Maßnahmen zur Risikokontrolle. Dadurch, dass sie zu 100 Prozent Eigentü-mer ihrer Unternehmen sind, handeln sie engagierter, da ihr Prestige von ihren Anlageentscheidungen abhängt.

WFOE scheinen die beste Wahl für globale Anleger zu sein, allerdings werden sie vor allem bei Research-Ressourcen be-hindert und beim Zugriff auf Chinas riesiges Informationsnetz-werk benachteiligt.

Ausländische Fondsmanager setzen in China meist kleine Teams ein, was einen Nachteil darstellt. Im Vergleich zu inländi-schen Fondsgesellschaften verwalten sie eher kleine Vermögen. Deswegen können sie nicht so viele Analysten beschäftigen, wie sie müssten. Um die ständigen Veränderungen der chinesi-schen Branche zu beobachten, kann sich jeder Analyst mit ma-ximal 25 Aktien adäquat befassen. Ein Team von zehn Analysten kann bestenfalls 250 Unternehmen in China beobachten – damit decken sie Märkte wie Shenzhen und Shanghai mit über 3500 Aktien kaum ab.

Ein zweiter Nachteil, den kleine ausländische Fondsgesell-schaften haben, ist ihr fehlender Zugang zum Management der Unternehmen, in die sie investieren. Sie verwalten ein kleineres

Vermögen und handeln für gewöhnlich seltener, so erzielen Ma-kler mit ihnen geringere Provisionen. Die Makler ermöglichen aber üblicherweise den Zugang zu den Geschäftsleitungen.

Es ist eine häufige Fehlannahme, dass ein ausländisches Team einfach in wichtige chinesische Städte wie Shenzhen oder Shanghai versetzt werden kann. China nutzt eine völlig andere IT-Infrastruktur. Ausländische Fondsgesellschaften, die nicht vollständig an den Binnenmarkt angeschlossen sind, können nicht auf das Informationsnetzwerk zugreifen, um über unab-hängige Kanäle Unternehmenszulieferer, Kunden und Wettbe-werber zu überprüfen – eine Möglichkeit, die sich inländische Fondsgesellschaften hingegen längst aufgebaut haben.

WFOE sind also trotz der neuen chinesischen Liberalisie-rung nicht die beste Lösung. Eventuell eignen sie sich für späte Markteinsteiger, die frühere Matchmaking-Runden verpasst ha-

ben oder deren JV vor Ort nicht erfolgreich waren. Auf diese Weise können auch sie noch in den Markt

eintreten. Die dritte Möglichkeit für globale Investi-

tionen in China ist die Beauftragung eines ausländisch-chinesischen JV-Vermögens-verwalters. So können Anleger sämtliche Fallstricke vermeiden und alle Vorzüge vereinen: die Zugänge und Kapazitäten inländischer Fondsverwalter auf der einen sowie die weltweit gültigen Best

Practices eines renommierten ausländi-schen Asset Managers auf der anderen Seite.

Um diese Vorteile tatsächlich nutzen zu können, muss man die kulturellen Unterschie-

de kennen. Ein Schwerpunkt sollte eine Beziehung sein, die auf Respekt und Dialog beruht. Ein solcher Zusam-menschluss, in dem ein ausländischer Markteinsteiger seinem inländischen Partner hilft zu wachsen, erfordert viel Zeit und Engagement. Durch den ständigen Austausch von Research-Ide-en mit seinem inländischen Partner erhält der ausländische Marktakteur lokale Einblicke und Zugriffe. Das nutzt globalen Investoren bei ihrer Anlage am meisten.

Indem die chinesische Vermögensverwaltungsbranche libe-ralisiert wurde, können globale Anleger sich besser auf dem flo-rierenden Markt engagieren. Sowohl in- als auch ausländische Fondsverwalter haben ihre Vorteile: Erstere kennen die lokalen Gegebenheiten gut, Letztere verwenden international bewähr-tere Anlageprozesse. Mit einer Allianz beider in einem JV kann eine funktionierende interkulturelle Partnerschaft kreiert wer-den, die das Beste aus beiden Welten vereint. //

Die jüngsten Maßnahmen der chinesischen Regie-rung zur Liberalisierung der Fondsmanagement-branche erregten Aufmerksamkeit. Seit Juni 2016 bietet die Asset Management Association of China

ausländischen Finanzinstitutionen die Möglichkeit, an Chinas Fondsverwaltungsgeschäft für private Wertpapiere teilzuhaben, wenn sie zuvor Wholly Foreign-Owned Entities (WFOE) oder Joint Ventures (JV) gründen. Über eine 100-prozentige Toch-tergesellschaft erhalten sie Zugang zum Binnenmarkt. Seit 2017 können ausländische Unternehmen sogar Mehrheitsbeteiligun-gen an Gesellschaften halten, die Publikumsfonds verwalten (FMCs). Viele Analysehäuser und Berater rechnen mittelfristig mit einem starken Wachstum der Asset-Management-Branche, wodurch China bis 2019 das meiste Kapital nach den USA ver-walten wird. Bis 2020 soll der Sektor völlig liberalisiert sein.

Vor allem die neuen Bestimmungen begeistern internati-onale Anleger, denen zufolge nur WFOE in China mandatiert werden können. Weltweit etablierte Fondsmanager haben dann eine neue Möglichkeit, in den entstehenden Markt einzutreten.

Internationale Investoren können dank der neuen Regelun-gen auf drei Arten am chinesischen Binnenmarkt partizipieren: Sie können einen einheimischen Fondsverwalter ohne inter-nationale Expertise beauftragen; sie können einen versierten WFOE beauftragen, der jetzt nach den neuen Regelungen tätig werden darf; sie können ausländisch-chinesische JV beauftra-gen, bei denen sich ein chinesischer Fondsmanager und ein aus-ländischer Partner zusammentun.

Die jeweiligen Funktionsweisen der drei Optionen ha-ben Vor- und Nachteile. Unserer Einschätzung nach eröffnen WFOE zwar eine neue Option, JV haben jedoch das Potenzial, das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen: die Kenntnis des Binnenmarkts einerseits und die weltweit institutionalisier-te Expertise im Portfoliomanagement andererseits.

Globale Anleger, die einen chinesischen Fondsmanager en-gagieren, können über Offshore-Unternehmen und verschiede-ne Quotenprogramme investieren. Durch das „Stock Connect Program“ können sie jetzt auch inländische Fondsmanager mit

der Verwaltung ihres A-Aktien-Portfolios beauftragen.Der Vorteil lokaler Fondsverwalter sind ihre Research-Res-

sourcen. Aufgrund des enormen, stetig wachsenden verwalteten Vermögens steigen die Gebühreneinnahmen. Dadurch verfügen lokal ansässige Gesellschaften über die Ressourcen, große Rese-arch-Teams zu unterhalten, die sich im riesigen Universum von Unternehmen des chinesischen A-Aktienmarkts auskennen.

Sie brauchen große Teams, weil der Markt riesig ist. China ist zudem ein heterogenes Land mit 22 Provinzen, fünf autono-men Regionen und vier regierungsunmittelbaren Städten; jede davon mit einer Lokalverwaltung, unterschiedlichen Regelun-gen und Steuerbudgets. Außerdem ist China noch immer ein Schwellenland, in dem sich die makroökonomischen, branchen- und unternehmenspezifischen Regelungen ständig ändern. Ein Vorteil der meisten inländischen Fondsmanager sind ihre vielen Analysten, die solche Entwicklungen genau beobachten.

Das Verhalten der meisten inländischen Fondsmanager ist aber auch riskant. Häufig verfolgen sie zu viele Strategien, manchmal 20 bis 30. Das ist eine Herausforderung für internati-onale Anleger, die nach dem passenden Produkt suchen. Außer-dem tendieren die Fondsgesellschaften dazu, die Strategie mit der besten Performance als repräsentativ für die Gesamtper-

Der beste Zugang zum Asset Management

Investoren können auf verschiedene Weisen in den chinesichen Markt eintreten, doch sie sollten sich der Risiken bewusst sein und die richtige Strategie wählen.

Autor: Eng Teck Tan, Singapur

ENG TECK TANSINGAPUR 1 ° 21 ‘ N, 103° 49 ‘ O

Der Autor arbeitet als Senior Portfolio- manager für asiatische Aktien beim Vermögensverwalter Nikko AM.Q

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Wertpapierfirmen

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Änderungen der Assets Under Management

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teilen können. Für jede Police, die darüber abgeschlossen wird, erhalten sie eine Prämie. Über das Tochterunternehmen Zhong An Technology baut das Insurtech auch das Firmenkundenge-schäft aus. Ende August gab die japanische SoftBank bekannt, dass sie die Mehrheit an einem Joint Venture hält, das Zhong Ans Technologie an Finanz- und Gesundheitsunternehmen im asiatisch-pazifischen Raum vertreiben wird. In der ersten Jah-reshälfte 2018 nahm Zhong An Gesamtprämien in Höhe von 5.148,2 Millionen Yuan ein, was etwa 756,4 Millionen US-Dol-lar und einem Wachstum von 106,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Damit klettert das Insurtech nach eigenen Angaben auf Platz 13 der größten Anbietet von Schadens- und Sachversicherungen in China nach Prämienvolumen.

Auch traditionelle Versicherer erkennen zunehmend die Vorteile des Online-Geschäfts. Sie profitieren dabei von ih-rer Erfahrung und den Daten ihrer Kunden. Branchenschwer-gewicht Ping An etwa baut eine eigene Online-Struktur und setzt dabei auf künstliche Intelligenz und Big Data. Im Mai 2018 brachte es mit Good Doctor seine Gesundheitssparte für etwa eine Milliarde US-Dollar an die Börse in Hongkong. Die App bietet Nutzern unter anderem ärztliche Online-Beratung und einen Shop für freiverkäufliche Medikamente, Wellness- und Beautyprodukte. Einnahmen aus Beratung, Online-Handel und Werbung stiegen 2017 um 200 Prozent auf 300 Millionen US-Dollar. Gewinn wirft Good Doctor jedoch noch nicht ab.

Auch branchenfremde Unternehmen steigen ins Online-Ge-

schäft ein: So experimentiert das E-Commerce-Unternehmen Alibaba mit diversen Modellen. Im April 2017 integrierte es für einige Kunden eine kostenlose, einjährige Krankenversiche-rung in seine Bezahl-App Alipay. Um Risiken zu prüfen, greift es auf seine riesige Kundendatenbank zurück. Auch der größ-te Konkurrent JD.com will in der Branche Fuß fassen. Im Juli 2018 gab die Aufsichtsbehörde ihre Erlaubnis für eine 30-Pro-zent-Beteiligung am chinesischen Ableger der Allianz. Von dem Deal sollten beide Parteien profitieren: JD.com erschließt einen neuen Absatzmarkt, während die Allianz mit ihren Produkten 300 Millionen Kunden des Online-Händlers erreichen und ihren Marktanteil unter den in China tätigen ausländischen Versiche-rern ausbauen könnte.

Letzteren lässt die ansässige Konkurrenz, vor allem China Life, Ping An und China Pacific, allerdings kaum Platz. Laut Bloomberg Intelligence haben sie einen Marktanteil von 6,7 Prozent im Leben-Geschäft und zwei Prozent bei den allgemei-nen Versicherungen. Der Marktzugang ist streng reguliert und noch ausschließlich über Joint Ventures mit einem chinesischen Partner möglich. Doch China lockert derzeit auch die Vorgaben für Versicherer. Seit Juni 2018 dürfen sie einen Mehrheitsanteil von 51 Prozent an Joint Ventures halten.

Zu den Gewinnern der Liberalisierung könnte die Aia Group gehören. Dank seiner Wurzeln in Shanghai darf der seit 2010 in Hongkong gelistete Lebensversicherer ohne Partner in China agieren. Diese Sonderstellung ist geografisch begrenzt, doch mit der angekündigten Marktöffnung könnte Aia landes-weit tätig werden. Das Unternehmen wächst in China schon jetzt: Die Summer der neuen Prämien stieg von 2016 bis 2017 von 621 Millionen auf 968 Millionen US-Dollar. Auch der bri-tische Lebensversicherer Prudential setzt auf den chinesischen Markt. 2017 stieg der Gewinn um 38 Prozent, das Neugeschäft verdoppelte sich. Um seinen Marktanteil auszubauen, plant das Unternehmen, den Anteil am lokalen Joint Venture Citic-Pru-dentical zu erhöhen und weitere Filialen zu eröffnen.

Anleger können über die Börse in Hongkong vom Potenzial der chinesischen Versicherungsbranche profitieren. Allerdings wird der Versicherungsmarkt weiter von der Regierung über-wacht, die nicht zögert, Vergehen zu ahnden. So stellte sie im Februar 2018 den drittgrößten Versicherer Anbang unter ihre Kontrolle und verurteilte den Vorsitzenden Wu Xiaohui im Mai zu 18 Jahren Haft, weil er Milliarden veruntreut hatte. Der Sek-tor stabilisiert die Finanzen des ganzen Landes, deswegen dürf-te er trotz der Öffnung der Märkte weiter strikt kontrolliert wer-den. Doch letztlich möchte die Regierung den Markt stärken. Die wachsende Mittelschicht wird dazu beitragen. //

Die Versicherungsbranche in China hat große Pläne: Berechnungen der MunichRe zufolge könnte das weltweite Prämienvolumen bis 2030 um 3,7 Billi-onen Euro steigen, davon allein 1,2 Billionen Euro

aus China. Der chinesischen Regulierungskommission zufolge nahm die Versicherungswirtschaft 2017 bereits 541 Milliarden US-Dollar ein, 2018 könnten es 680 Milliarden sein. Die wirt-schaftliche Entwicklung des Landes stützt diesen Trend; 2017 stieg das verfügbare Jahreseinkommen pro Kopf um neun Pro-zent auf umgerechnet etwa 7100 Euro. Vor allem in den Met-ropolen steigt der Lebensstandard und die Bedürfnisse der Menschen ändern sich entsprechend. Insbesondere die chi-nesischen Millennials konsumieren wie keine Generation vor ihnen; sie kaufen Autos und Immobilien, reisen und sparen. Dieses Verhalten birgt neue Risiken und junge Chinesen wollen sich absichern, deshalb werden Reise-, Kranken- und Autoversi-cherungen, die Altersvorsorge sowie die Absicherung der Fami-lie wichtiger. Zudem fördert die Regierung die private Renten-versicherung, denn nach Jahrzehnten der Ein-Kind-Politik altert die Bevölkerung rapide und belastet das schlecht ausgebaute staatliche Rentensystem. Auf das Leben-Geschäft entfallen fast 60 Prozent aller Prämieneinnahmen. Es wuchs allein 2017 um etwa 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch Krankenversi-cherungen legten dank politischer Unterstützung zuletzt um 8,6 Prozent zu, Tendenz steigend.

Nicht nur der demografische Trend befeuert den Markt, sondern auch der digitale Vorsprung des Landes. Schätzungen zufolge hat bereits jeder vierte Chinese eine Versicherung on-line abgeschlossen. Das liegt vor allem an der weiten Verbrei-tung und vielfältigen Nutzung von Smartphones: Social Me-dia, Online-Shopping, Überweisungen, Arzttermine und eben der Abschluss von Versicherungen – alles geschieht mobil und meist innerhalb einer einzigen Anwendung, die für eine Milliar-de Menschen eine zentrale Rolle in ihrem Alltag spielt: WeChat.

Die App des Internetgiganten Tencent ist für Insurtechs wie Zhong An der wichtigste Vertriebspartner. Chinas erster reiner Online-Versicherer hat sich darauf spezialisiert, Risiken neuer Konsum- und Lebensgewohnheiten abzudecken. Das Insurtech ist ging 2017 in Hongkong an die Börse, bietet aber schon seit 2013 Retourversicherungen für Online-Shopper. Gegen eine Ge-bühr von durchschnittlich 0,40 Yuan, etwa fünf Cent, können sich Kunden absichern, falls sie ihre Bestellung zurückschicken wollen. Der Versand kostet meist etwa 12 Yuan. Der Bedarf im E-Commerce ist groß: Allein am Singles’ Day am 11. November verkaufte Zhong An 2017 über 200 Millionen Retour-Versiche-rungen. Diese Datenmengen sind für das Insurtech kein Prob-lem, das eigenen Angaben zufolge 13.000 Policen pro Sekunde verarbeiten kann.

Seit den Anfangsjahren hat sich die Produktpalette erwei-tert, etwa um eine Flugverspätungsversicherung, die einen Schadensfall automatisch über Echtzeitflugdaten feststellt. Zhong Ans Krankenversicherung ist zudem ein gutes Beispiel für die Bedeutung der sozialen Medien für den Versicherungs-vertrieb in China. Nutzer der Anwendung IYunbao erhalten bei Abschluss einen QR-Code oder Link, den sie mit anderen

Versicherungs-branche auf Überholspur

China wird zur Dienstleistungsgesell-schaft und die Versicherungsbranche profitiert davon.

Autor: Brian O’Rourke, Dublin

BRIAN O’ROURKEDUBLIN 53° 20 ‘ N, 6° 15 ‘ W

Der Autor ist Fondsexperte bei der Gamax Management AG, die mit ihrem aktiven Asia-Pacific-Fonds diesen Markt abdeckt.

Die Aia Group könnte zu den Gewinnern der Liberalisierung gehören.

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Geschätzte Anzahl der weltweit verbundenen Geräte (ohne PCs, Tablets und Smartphones)

Business-Sektor

Automobil-Sektor

Verbraucher-Sektor

Das Internet der Dinge beflügelt seit geraumer Zeit die Fantasie der Menschen. Nicht zu Unrecht, denn das „Internet of Things“ (IoT) kann die Wirtschaft und unser Privatleben so gravierend beeinflussen

wie zuletzt das Internet. Im IoT werden Geräte und Systeme miteinander verbunden, sodass sie barrierefrei und automa-tisch kommunizieren sowie Daten austauschen können. Kon-zepte wie die künstliche Intelligenz (KI), autonomes Fahren, vernetztes Shoppen mit mobiler, bargeldloser Bezahlung oder Smart-Home-Anwendungen für Wohnung und Haus; sie alle sind ohne das IoT undenkbar. Die Technik beschränkt sich da-bei nicht auf elektronische Objekte; auch Menschen könnten beispielsweise mit medizinischen Chips ausgestattet werden, die Blutdruck, Puls, oder Blutzuckerspiel digital erfassen und zur Analyse an eine externe Software senden.

Der neue Mobilfunkstandard 5G ermöglicht das IoT erst. Er verspricht Datenraten von bis zu 20 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) – LTE kommt auf höchstens ein Gbit/s – sowie höhe-re Frequenzkapazitäten und Datendurchsätze. Nur so können IoT-Systeme reibungslos miteinander kommunizieren und Technologien wie autonomes Fahren sicher umgesetzt wer-den. Ein weiterer Vorteil von 5G gegenüber herkömmlicher LTE-Technik ist der geringere Energieverbrauch, wodurch die Nutzung von IoT-Systemen im Nanobereich erst denkbar wird. 5G bereitet damit den Weg für das IoT, was Infrastrukturgebern wie Telekommunikationsunternehmen und anderen Dienstleis-tern zu neuem Wachstum verhelfen wird.

Bereits jetzt werden immer mehr Geräte miteinander ver-netzt, ob in Unternehmen zur Intensivierung der automati-sierten Fertigung oder in Privathaushalten im Smart Home zur effizienten Steuerung des Stromverbrauchs, der Elektrotechnik oder dem Staubsauger, der saugt, wenn die Bewohner nicht zu Hause sind. So beeinflusst das IoT Unternehmen und Privatnut-

zer schon heutzutage erheblich. Deswegen versprechen viele sich von der Entwicklung einen Boom neuer Geschäftsmodelle – und gleichzeitig eine Renaissance älterer Ansätze.

Die KI ist dabei besonders wichtig; schließlich ermöglichen erst autonom operierende, selbstlernende Strukturen die effizi-ente Verarbeitung des riesigen Datenvolumens im IoT. Mensch-liche Arbeitskraft wird nicht mehr ausreichen, das äußerst kom-plexe und schier unermesslich große Datennetzwerk, auf dem das IoT fußt, zu beherrschen und zu organisieren.

Wie bei allen Tätigkeiten, Ablauf- und Produktionsprozes-sen, die sich auf Onlineleistungen stützen, ist Sicherheit auch im IoT entscheidend, wenn es um die erfolgreiche Implemen-tierung in Unternehmen und die Akzeptanz in der Bevölkerung geht. Deshalb ist wichtig, dass dem Thema von Anfang an ein hoher Stellenwert beigemessen wird.

Das IoT senkt die Gefahr für Unternehmen nicht, durch Schwachstellen in ihren Anwendungen oder durch zugekauf-te Software, DoS-Angriffe, oder den Download von Malware (Schadsoftware) gehackt zu werden. Im Gegenteil, denn die Mil-liarden vernetzter Geräte bedeuten auch Milliarden potenziel-ler Sicherheitslücken für Anwender. Von denen wird es viele geben, denn Schätzungen gehen bis 2020 von über 50 Milliar-den Systemteilnehmern im IoT aus. Hinzu kommt, dass clou-dbasierte Speicher und Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS) wichtiger werden, um die großen Datenmengen zu sichern. Diese Technologie bietet ungewollt Lücken für Manipulationen, sodass Sicherheitstechniker auf die Absicherung dieses Bereichs größten Wert legen müssen.

Darüber hinaus entwickelt sich die Informations-Technolo-gie derzeit rasend schnell weiter, sodass die Sicherheitssysteme nicht mithalten können. Deshalb fehlen Standards, wodurch Einfallstore für unbefugte Dritte entstehen. Die Gefahr haben jedoch Experten innerhalb und außerhalb der Unternehmen

Endlose Möglichkeiten

Das Internet of Things eröffnet Unternehmen und Investoren neue Perspektiven – auch wenn noch ungewiss ist, wie es sich entwickeln wird.

Autor: Konrad Wolfenstein, München

Geschätzte Anzahl der weltweit verbundenen Geräte (ohne PCs, Tablets und Smartphones)

INTERNET OF THINGS WIRD 2020 ALLTÄGLICH

Die vielen Möglichkeiten im Internet der Dinge

beflügeln die Fantasie der Nutzer.

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KONRAD WOLFENSTEINMÜNCHEN 48° 8 ‘ N, 11 ° 34 ‘ O

Der Gründer von Xpert.Digital ist Experte für digitale Transformation, Global Business Development und Künstliche Intelligenz.

bereits erkannt. Mithilfe zahlloser Maßnahmen soll ihr begegnet und auf diese Weise für ein sichereres IoT gesorgt werden. Dazu zählen Bausteine wie eine stets verschlüsselte, kryptografische und deshalb fälschungssichere Authentifizierung der IoT-Teil-nehmer, aktuelle Sicherheitssysteme und laufend durchgeführ-te Analysen, die Schwachstellen und Sicherheitslücken im IoT aufdecken und beseitigen. Firmen, die sich auf derlei Dienste spezialisieren, dürfen sich in den nächsten Jahren auf eine kon-tinuierlich wachsende Nachfrage einstellen.

Losgelöst von künftigen Geschäftsmodellen profitieren auch klassische Branchen vom IoT. Diese Entwicklung ist nicht neu und begann schon mit dem zunehmenden Einsatz von Ro-botern in der Fertigung. Im Zuge des Reshorings – im Gegensatz zum Offshoring – haben seit den Neunzigern immer mehr Un-ternehmen Produktionskapazitäten aus Billiglohnländern wie China abgezogen. Die Idee dahinter: Je automatisier-ter Firmen sind, desto weniger Personalkos-ten haben sie und desto niedriger sind die Vorteile billig verfügbarer Arbeitskräf-te in anderen Ländern. Das macht die Fertigung in Deutschland für diese Unternehmen wieder interessant, denn neben den gesunkenen Personalkosten hat die Herstellung im Inland viele Vorteile; einige davon sind direkter Kontakt, kur-ze Wege, hoch qualifizier-tes Personal und fehlende Sprachbarrieren. Aus diesem Grund sind inzwischen Be-triebe aus so unterschiedlichen Branchen wie Elektrotechnik, Maschinenbau oder auch der Kon-sumgüterindustrie wieder dazu über-gegangen, ihre Kapazitäten hierzulande auszuweiten oder neue Standorte zu eröffnen. Ein Beispiel ist die neue, eine Milliarde Euro teure In-vestition von Bosch in eine Chip-Fabrik in Dresden.

Im internationalen Vergleich ist Deutschland bei der Robo-tik sehr gut aufgestellt und liegt bei einer Dichte von 31 Robo-tern pro 1.000 Beschäftigte mittlerweile weltweit auf Platz drei hinter Südkorea mit 63 und Singapur mit 49. Die USA dagegen bringen es lediglich auf 19 Roboter pro 1.000 Beschäftigte. Der Trend des Reshorings wird sich durch die Verbreitung des IoT noch verstärken, denn die Automatisierung und der Einsatz von Robotern in Smart Factorys gehen einher mit der Vernetzung der physischen und digitalen Bestandteile dieses Systems. Des-halb lohnt sich für Investoren der Blick auf heimische Unter-nehmen, die in diesem Bereich erfolgreich sind. Ihre Erfahrun-gen dürften ihnen bei der zukünftigen Umsetzung von weiteren IoT-Projekten dienlich sein.

Doch auch unabhängig von Robotern und Smart Factories dürfte das IoT unser gesamtes Leben umkrempeln. Es wird ein-gesetzt, um wirtschaftliche Arbeitsprozesse zu beschleunigen

und es verändert unser Privatleben, indem es viele Dinge ein-facher und komfortabler gestaltet. Deswegen sind die Anwen-dungsgebiete der Technologie so vielfältig; betreffen sie doch beinahe alles, was Menschen beruflich und privat tun.

Welche Branchen oder Unternehmen letztendlich vom IoT profitieren, hängt davon ab, inwieweit sie die Technologie für ihre Zwecke einsetzen können, um einen Mehrwert für sie zu schaffen. Prinzipiell muss jedes Unternehmen, egal aus wel-cher Branche, zumindest Einzelelemente des IoT integrieren, um künftig konkurrenzfähig zu sein. Wer das sein wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar. Es ist jedoch absehbar, dass sich deutsche Unternehmen beeilen müssen, wollen sie nicht den Anschluss zu ihren amerikanischen oder asiatischen Wettbewerbern verlieren, bei denen das Thema IoT schon seit Langem einen viel höheren Stellenwert besitzt.

Wer bereits jetzt auf den IoT-Trend setzen will, sollte weniger die IoT-Innovations- und Ad-

aptionsfähigkeit von Unternehmen und Branchen analysieren, sondern statt-

dessen die Sektoren betrachten, die direkt von der Technologie profi-

tieren. Ähnlich wie bei dem be-rühmten Beispiel der Goldsu-cher und der sie versorgenden Händler, die letztendlich am stärksten vom Boom profi-tierten, sollte sich der Blick deshalb auf die Protagonis-ten richten, die dafür sorgen, dass die Infrastruktur des IoT

reibungslos funktioniert. Hier stehen insbesondere die folgen-

den Bereiche im Fokus: Anbieter von Speicherlösungen, Servicepro-

vider, Softwareentwickler, Sicherheits-software, IoT-Hardware, Zahlungssyste-

me sowie Servicetechniker und -berater.Der Boom bei Onlinediensten, Industrie 4.0 und

vernetzten Systemen führt bereits heute zu einem gigantischen Datenvolumen, das täglich erzeugt und übertragen wird. Der-zeit werden schätzungsweise 2,5 Milliarden Gigabyte (GB) an Daten pro Tag produziert. Etwa 80 Prozent davon sind unorga-nisiert; sie entstehen als Bilder, Logfiles, oder Chatprotokolle, die erst aufbereitet werden müssen, damit sie analysiert wer-den können. IoT dürfte dieses Datenvolumen vervielfachen. Deshalb werden leistungsfähige Speicherlösungen gesucht, in denen die Daten sicher lagern und schnell abgerufen werden können. Hier haben Anbieter einen Vorteil, die ausreichende Kapazitäten in Deutschland haben, gerade in Zeiten von Hacks und der wachsenden Angst vor Datendiebstählen. Die kurzen Wege garantieren schnellen Zugriff und eine Sicherheit vor ex-ternen Zugriffen durch Unbefugte oder auch fremde Regierun-gen, wie sie bei ausländischen Servern nicht gegeben sind.

Unabhängig von ihrem Sitz werden Betreiber von Cloud-Speichern und SaaS-Lösungen profitieren, denn ein

Merkmal des IoT ist seine Globalität. Wenn die Systeme für ihre Kommunikation mobil und von überall aus auf Daten zugreifen, können sie das über ein Cloud-System erledigen, welches zentral mit den benötigten Informationen gespeist wird. Ein E-Com-merce-Gigant wie Amazon hat das längst erkannt: Inzwischen tragen die Cloud-Lösungen des Unternehmens einen wachsen-den Anteil zu den Umsätzen des Konzerns bei. Doch auch hier gilt für die Anbietet, dass sie umfassende Sicherheit garantieren können müssen, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.

Doch die Technologie hätte keine Chance, wenn es keine leistungsfähigen Verbindungen gäbe, um sie zu übertragen. Die Übertragungsraten, die für die kommende IoT-Generation erforderlich sind, können nur durch modernste mobile Daten-leitungen wie die neue 5G-Technik gewährleistet werden. Ver-glichen mit LTE ist 5G um ein Vielfaches schneller und stellt sicher, dass die über das IoT ablaufende Kommunikation der autonomen Einheiten in Echtzeit erfolgen kann. Telekommu-nikationsunternehmen mit der nötigen Infrastruktur gehören deshalb zu den Profiteuren der Entwicklung; ganz egal, wer oder was sich am Ende durchsetzt.

Die große Vielfalt der IoT-basierten Anwendungen erfordert viele qualifizierte Programmierer und Anbieter von Software-lösungen. Ob national oder international – Unternehmen, die sich auf die Schaffung von skalierbaren Lösungen für diese Be-dürfnisse spezialisieren, dürften bald eine boomende Nachfrage erfahren. Aufgrund der vielen Anforderungen ist wahrschein-lich, dass sich neue Anbieter am Markt profilieren werden. Da-bei ist die Nähe zu Kunden entscheidend, und das Potenzial zur Rekrutierung qualifizierten Nachwuchses. Deshalb dürfen Spe-zialisten aus Deutschland auch Staaten wie USA, Indien oder China in den Fokus von Investoren rücken, die in diesem Be-reich Kapital anlegen wollen. Auch Entwickler in der KI dürfen sich auf florierende Geschäfte einstellen, schließlich wird es der KI zufallen, die riesigen Datenmengen der IoT auszulesen, zu verarbeiten und in die richtigen Befehle umzusetzen.

Mit der Vernetzung wächst auch die Gefahr von Missbrauch und Manipulation durch unbefugte Dritte. Auch wenn Anbie-

ter von SaaS- und Cloud-Lösungen sowie Datenspeichern und -leitungen viel tun, um ihre Kunden und deren Daten zu schüt-zen, wird der Bedarf an zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen signifikant steigen. Weil derartige Lösungen gut skaliert werden können, haben Entwickler gute Chancen, in ihren Segmenten den Markt zu beherrschen. Potenzielle Investoren müssen die Favoriten frühzeitig identifizieren.

Es gibt einen großen Bedarf an digitaler Infrastruktur, aber auch an Anbietern von Technik, die die kommunizierenden Einheiten mit ihrer Hardware ausstatten können. Hierzu gehö-ren beispielsweise RFID- (radio-frequency identification) oder andere Mikro-Systeme, die die Vernetzung der Geräte ermög-lichen. Geht man davon aus, dass irgendwann auch kleinste Einheiten im Nanobereich Bestandteile des IoT werden, sind Spezialisten für die Herstellung mikroskopisch kleiner Daten-transmitter oder Funkchips gefragt. Da der Bedarf für diese Pro-dukte in die Milliarden gehen wird, dürften sich erfolgreiche Anbieter auf hohe und sichere Absatzzuwächse einstellen.

Das IoT ist vor allem deswegen so effektiv, weil die Syste-me einander autonom kontaktieren, verhandeln und Verträge abschließen, ohne dass der Mensch eingreifen muss. Um Ver-träge abzuwickeln und Leistungen zu bezahlen, eignen sich Blockchain-basierte Systeme wir Kryptowährungen. Dabei sind es nicht Bitcoin mit ihrem größtenteils auf Zahlungsabwicklung beschränkten Anwendungsspektrum, sondern Systeme wie Ethereum oder Neo, die neben der reinen Zahlungsfunktion mithilfe von sogenannten Smart Contracts den Marktteilneh-mern ermöglichen, untereinander eigenständig Verträge ab-zuschließen, die dem IoT den Weg ebnen. Deshalb dürfte das Ende der Kryptowährungen nach dem Boom Ende 2017 samt dem folgenden Absturz verfrüht ausgerufen worden sein.

Vorherrschendes Merkmal des IoT ist die Autonomie der Geräte. Doch auch in Zukunft wird es Menschen geben, die die Systeme kontrollieren, warten, austauschen, oder die Unterneh-men darin beraten, welche Systemlösung sich für sie am besten eignet. Deshalb dürfte der Bedarf an Anbietern steigen, die auf diese Leistungen spezialisiert sind.

Unternehmen und Investoren haben viele Möglichkeiten, bestehende Geschäftsmodelle zu sichern, neue zu entwickeln und lukrative Anlageformen zu identifizieren. Obwohl noch nicht absehbar ist, wie sich das IoT weiterentwickeln wird, ist bereits sicher, dass sie unsere Auffassung über Arbeits- und Pro-duktionsprozesse sowie die Art, wie wir es zu leben gewohnt sind, von Grund auf ändern wird. Ob Unternehmer, Privat-mensch oder Kapitalanleger – es ist an der Zeit, sich nach den Möglichkeiten umzuschauen, die sich bieten. //

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Umsatz in Milliarden US-Dollar

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950Prognose zum weltweiten Umsatz mit vernetzten Geräten nach Sektor im Jahr 2020

Derzeit werden jeden Tag etwa

2,5 Milliarden GB Daten erzeugt.

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Denken wie ein Arzt

Biotechnologie-Unternehmen stehen für Innovation und wissenschaftlichen Fort-schritt. Die Branche entwickelt erfolgreich Medikamente gegen bisher unheilbare Krankheiten wie Alzheimer und Krebs. Um abzuschätzen, welche Medikamente Potenzial haben, braucht es jedoch Ein-zelwertspezialisten mit weitreichenden medizinischen Kenntnissen.

Autor: Rudi Van Den Eynde, Brüssel

~ B IOTECHNOLOGIE ~

Demonstranten protestieren gegen die Abschaffung von Obamacare.

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schen an der unheilbaren Krankheit und die jährlichen Kosten werden auf etwa 250 Milliarden US-Dollar geschätzt. Viele Bio-techunternehmen arbeiten hart an einer Heilung für die Krank-heit. Für sie sind klinische Studien der einzige Weg zum Erfolg. Letztlich ist es der ehrgeizige Kampf um ein Heilmittel, der den Sektor antreibt, um Millionen Betroffenen und ihren Familien helfen zu können.

Das bessere Verständnis der Ursachen und der Physiolo-gie vieler Krankheiten schafft die Grundlage für besser entwi-ckelte und erfolgreichere Medikamente. Besonders positiv ist ein Trend in der Onkologie: Bis heute haben Patienten bei der Krebsbehandlung kaum andere Optionen als die Chemothe-rapie. Doch auch hier entwickeln Forscher Medikamente, die die Tumorauslöser direkt angreifen und das Immunsystem der Kranken reaktivieren. So kann der Tumor besser kontrolliert werden und die Behandlung ist weniger giftig, wo-durch die Lebensqualität der Patienten ganz erheblich steigt. Wissenschaftler stehen hier am Beginn einer Entwicklung, bei der Krebs eine kontrollierbare chronische, im besten Fall sogar heilbare Krankheit wird.

Die fortschreitende Medi-zintechnik und das genauere Verständnis der Krankheits-ursachen machen Medika-mente wirksamer. Dadurch gibt es immer mehr Neuent-wicklungen. Diese Faktoren beeinflussen die Aktienkurs- entwicklung; für Anleger hat das den Vorteil, dass der Bio-technologiesektor relativ schwach mit dem Gesamtmarkt korreliert. Konjunkturschwankungen sind am Ende weitgehend irrelevant für den Erfolg oder Misserfolg eines neuen Medikaments.

Zwar gibt es in einigen Bereichen durchaus Wett-bewerb, aber die Unternehmen unterliegen nur selten densel-ben Risiken. Der komplexe Biotechnologiesektor ist deshalb vorwiegend ein Sektor für Einzelwertspezialisten, denn die Auswahl der Titel erfordert medizinische Kenntnisse. Um zur richtigen Zeit zu investieren, muss man die entsprechenden Entwicklungsphasen der jeweiligen Medikamente beachten. Wartet man zu lange und investiert erst nach erfolgreichem Abschluss aller Testphasen, verpasst man möglicherweise eine große Gewinnchance.

Die Entwicklungsphasen einzelner Medikamente sind da-her ausschlaggebend, um die richtigen Einzelwerte zu wählen. Damit Medikamente überhaupt an Menschen erprobt werden, muss man sie in vorklinischen Tests auf Toxizität prüfen. In die-ser Phase liegt die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs bei 80 bis 90 Prozent. Ist diese Phase erfolgreich, testet man die Pro-duktsicherheit an gesunden Freiwilligen oder in kontrollierten Patientengruppen. Er danach wird die Dosierung festgelegt, so-

dass die Wirksamkeit der Medikamente geprüft werden kann. Danach wird das Medikament an etwa 20 bis 400 betroffenen Patienten erprobt. Wenn diese klinische Phase erfolgreich abge-schlossen wurde, ist der optimale Zeitpunkt, in ein Medikament zu investieren. Zuvor ist es zu riskant.

Die richtige Biotechnologieaktie zu wählen und ihre Ertrag-schancen einzuschätzen, gelingt vor allem, indem man klini-sche Tests genau auswertet. Die Bewertung ist dabei weniger wichtig. Arzneimittel werden von Ärzten entwickelt, zuge-lassen und verschrieben. Um stabile Mehrerträge zu erzielen, müssen Investoren deshalb denken wie Ärzte und sowohl die Anforderungen an ein Medikament als auch die medizinische Praxis verstehen. Aber die komplexen wissenschaftlichen Zu-sammenhänge erfordern Erfahrung und spezielle Kenntnisse, die man weder schnell noch einfach erwerben kann.

Candriam analysiert für seine Anlagen aktuelle klinische Tests in vielen Ländern und viele

unterschiedliche Krankheiten. Das In-vestment-Team besteht unter ande-

rem aus zwei promovierten Bio-technologie-Analysten, die als

Postdoktoranden an Instituten wie dem MIT in Boston oder am Max-Planck-Institut mit-forschten. Anders als man vermuten könnte, sind die Ergebnisse klinischer Tests nicht einfach nur gut oder schlecht. Um die Daten in-terpretieren zu können, muss

man das Krankheitsprofil ge-nau kennen. Nur Fachkräfte mit

medizinischen Kenntnissen und Berufs- beziehungsweise Branchen-

erfahrung können komplexe Studien bewerten und daraus die richtigen Anlage-

entscheidungen ableiten.Dies könnte auch die Frage beantworten, ob man

lieber in einen Biotechnologie-Index als in einen oder mehrere Biotech-Fonds investieren sollte. Die Aktienperformance des sehr technischen Sektors wird weitgehend durch Daten aus der klinischen Entwicklung der Medikamente bestimmt. Sie sind oft entscheidend für Erfolg oder Misserfolg eines Unterneh-mens. Das führt zu einer hohen Streuung im Sektor, mit Ak-tien, die sich weit unter dem Cash-Wert bewegen, oder deren Wert sich innerhalb kürzester Zeit multipliziert. Dies ist in der Regel die Umgebung, in der aktiv verwaltete Fonds auf Basis klinischer Daten und anderer wissenschaftlicher Erkenntnisse auf lange Sicht am erfolgreichsten sind.

Biotechnologie-Indizes können von den positiven Aussich-ten des Sektors profitieren, denn bei den sektorspezifischen Risiken und wissenschaftlichen Komponenten sind sie blind. Sie haben den Vorteil geringer Kosten und können kurzfristig gehandelt werden – dennoch eignet sich Letzteres eher für Spe-kulanten und nicht für langfristige, strategische Investitionen.

Biotechnologie ist ein Sektor, der für Investoren mit langfristigem Anlagehorizont interessant ist. Der Sek-tor ist so besonders, weil Wissenschaftler der Bio-technologie lebende Zellen, Enzyme und Organismen

nutzen, um daraus Medikamente herzustellen. Ein Vorteil des Sektors ist seine Fähigkeit, neuartige therapeutische Lösungen für die unterschiedlichen Gesundheitsbedürfnisse der Bevöl-kerung zu entwickeln. Die Forschung ist dabei so kostspielig wie verheißungsvoll. Im Gegensatz zu Generika, also Nachah-mungsprodukten, müssen Neuerscheinungen im Biotechno-logie-Sektor differenzierter sein. Nur so können sie die hohen Preise im Vergleich zu günstigeren Generika oder älteren Medi-kamenten rechtfertigen.

Ein Beispiel ist die Pharmaindustrie mit ihren „klassischen“ biochemischen Tabletten. Das Hatch-Waxman-Gesetz von 1984 fördert die Generika-Industrie und deren Verbreitung. Über die Jahre mussten Pharmaunternehmen darauf reagieren; statt also ihre Ausgaben für Forschungsprojekte und Entwicklung zu verringern, setzten die Unternehmen stattdessen auf Innovati-onen. Denn nur neue Medikamente erzielen adäquate Preise, die mit Generika konkurrieren können. Infolgedessen müssen Unternehmen neue Medikamente auf den Markt bringen – ver-

säumen sie das, stehen sie vor dem Ruin.Die Biotechnologie-Branche unterscheidet sich vom Phar-

ma-Sektor im Wesentlichen durch die Herstellung der Medika-mente: Klassische Pharmaunternehmen entwickeln vor allem chemisch hergestellte Arzneimittel. Die Unterscheidungsmerk-male sind jedoch über die Jahre durch den Zukauf von Biotech-nologie-Unternehmen größtenteils verschwunden.

Für Pharma- und Biotechunternehmen gelten daher ähnli-che Bedingungen. Allerdings konzentrieren sich Letztere seit je her stärker auf High-End-Innovationen. Der Fortschritt bei wissenschaftlichen Instrumenten und ein besseres Verständnis von Krankheitsverläufen stimuliert die Forschung beständig. Basierend auf einem fundierten Wissensschaftsschatz können Wissenschaftler daher Medikamente entwickeln und Unterneh-men müssen ausschließlich gute Medikamente entwickeln. Es ist also wichtig, langfristige Regeln für die Vergütung von Me-dikamenten zu haben. Unternehmen brauchen die Sicherheit, dass gute Medikamente ein angemessenes Preisniveau errei-chen. Politische Diskussionen über Medikamentenpreise halfen in der Vergangenheit daher wenig dabei, Forschung zu fördern.

Ein klassisches Forschungsgebiet der Biotechnologie ist Alz-heimer. Allein in den USA leiden rund sechs Millionen Men-

WISSENSCHAFTLER STEHEN AM BEGINN EINER

ENTWICKLUNG, BEI DER KREBS EINE KONTROLLIERBARE

CHRONISCHE, IM BESTEN FALL SOGAR HEILBARE

KRANKHEIT WIRD.

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Candriam Equities L Biotechnology Class 3 USD Cap

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Dr. Scott Gottlieb, Kommissar der FDA,

spricht beim National Press Club

in Washington.

~ B IOTECHNOLOGIE ~

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Anleger können also davon ausgehen, dass die etwas höheren Kosten eines gut verwalteten Fonds perspektivisch durch eine bessere Performance ausgeglichen werden.

Insgesamt litt der Biotechnologiesektor die letzten drei Jahre unter schwierigen Rahmenbedingungen. Auslöser dessen war unter anderem die Diskussion zur Einführung von Preiskon- trollen von Medikamenten durch die US-Regierung, die 2016 im US-Präsidentschaftswahlkampf losgetreten worden war. Die Auswirkungen auf den gesamten Sektor wären immens, sieben der größten zehn Biotech- und Pharmakonzerne sind in den USA ansässig.

Der Gesetzesentwurf konzentriert sich jedoch hauptsäch-lich darauf, regulatorische Hürden für die Medikamentenin-dustrie zu senken. Das ermöglicht erhebliche Einsparungen im Gesundheitssystem, weil es Genehmigungsverfahren für „Bio-simulationen“ erleichtert; das sind generische Versio-nen von teuren biologischen Medikamenten. Das gilt jedoch nicht, wenn Preise für neu-artige Medikamente bestimmt werden sollen. Hier gelten weiter bestehen-de Verfahren. Das ist ein wichtig für junge Biotechunternehmen, die darauf spezialisiert sind, innovative Medikamente auf den Markt zu bringen.

Auch die Anstrengungen des US-Präsidenten und der Republikaner, Obamacare aufzuheben oder zu ersetzen, werden sich wenig auf den Biotechsektor auswirken, denn jeder potenzielle Druck auf das Budget der Medicaid, der Krankenversicherung für gering verdienende Amerikaner, wurde be-reits von den Analysten mit eingepreist. Zudem bleibt die Vergütung für vielverspre-chende Medikamente, die eine starke Wertentwick-lung versprechen, hoch.

Zudem hat sich der Biotechsektor während der letzten drei Jahre verhalten entwickelt, weil andere Anlagethemen populä-rer waren, etwa Robotics oder Zuflüsse in Milliardenhöhe für Tech-Giganten wie Amazon, Facebook oder Google. Im Jahr 2000 gab es noch mehr als 30 dezidierte Biotech-Fonds, heute sind es noch etwa 15 Angebote, die zusammen auf ein Volumen von etwa acht Milliarden Euro kommen. Trotzdem haben sich von allen Sektoren, die noch während der Dotcom-Blase in den höchsten Tönen gelobt wurden, nur Biotechnologieunterneh-men als dauerhaft erfolgreich erwiesen.

Für den dauerhaften Erfolg gibt es gute Gründe: Derzeit stammen sechs der zehn umsatzstärksten Arzneimittel weltweit aus dem Biotechsektor, darunter auch das erfolgreichste, der Entzündungshemmer Humira. Auch können die Unternehmen weiter hohe Preise fordern. Wie schon erwähnt, ist insbeson-dere der Biotechnologiesektor weniger anfällig für den Wettbe-

werb durch Generika, weil er wissenschaftlich anspruchsvoller ist und von kostspieligen klinischen Tests abhängt. Hinzu kom-men Übernahmen und Fusionen: Kapitalstarke Unternehmen interessieren sich für kleinere Biotechnologiefirmen, um so schneller wachsen können.

Der wichtigste Performancefaktor sind medizinische Neue-rungen. Beispielhaft ist das Feld der Gentherapie, das sich rasant entwickelt und vielversprechende Ergebnisse vorzeigen kann. So hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde im Oktober 2017 die „Car-T-Zell-Therapie“ zugelassen, eine Gentherapie, bei der künstlich hergestellte Zellen von Patienten Krebszellen eliminieren. Darüber hinaus haben mehrere Gentherapien in klinischen Studien ermutigende Ergebnisse erzielt, die die Ur-sachen von genetischen Störungen beheben wollen. Dazu gehö-ren Krankheiten wie Hämophilie (Bluterkrankheit) oder spinale

Muskelatrophie (Muskelschwund). Insgesamt war der Führungswechsel der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde

im Jahr 2017 positiv. Seither wurden mehrere Medikamente zugelassen,

die schneller entwickelt wurden als gedacht. Dazu gehört auch

das Mittel Migalastat gegen Morbus Fabry, eine seltene genetische Stoffwechselstö-rung, die die Organe der Be-troffenen und somit deren Lebensqualität beeinträch-tigt. Im Jahr 2016 wurde die Zulassung des Medikaments

noch von der alten Behörde gestoppt; die neue US-amerika-

nische Gesundheitsbehörde än-derte 2017 den Kurs und nahm die

Einreichung von Migalastat mit Prio-rität an. Insgesamt beeinflusst die neue Riege der

Behörde den Sektor positiv. Anleger hoffen, dass in den kommenden Jahren mehrere Heilmittel gegen genetische Krankheiten zugelassen werden. Letztlich will kein Politiker die derzeitige Innovationswelle stoppen. Deshalb werden sich Investitionen in die Entwicklung wirksamer Medikamente im-mer lohnen. Für kompetente Einzelwertspezialisten bleibt Bio-technologie daher ein chancenreicher Sektor, denn die Medizin wird stets Fortschritte machen. //

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Biotechnologie bleibt chancenreich, denn die Medizin entwickelt sich

stets weiter.

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Kleine Hersteller, großes Potenzial

Die Biotechnologiebranche ist komplex, doch wer sich mit ihren Zusammenhängen auskennt, kann gute Renditen erwirtschaften.

Autoren: Thomas Heimann, Zug; Dr. Ivo Staijen, Zug

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Die Biotechnologiebranche, zu denen junge und auf-strebende Medikamentenentwickler gehören, zählt zu den am stärksten wachsenden innerhalb des weltweiten Gesundheitsmarktes. Die Branche ist

das innovative Rückgrat der Pharmaindustrie. Diese Innovati-onskraft scheint ungebrochen – Ärzten und Patienten stehen seit Kurzem viele neue und innovative Arzneimittel zur Ver-fügung. Daneben besteht ein kontinuierlich hoher Bedarf an neuen Therapien, denn bis heute kann erst ein kleiner Teil von Krankheiten behandelt, geschweige denn geheilt werden. Es sind interessante Opportunitäten, die sich dem Anleger bieten, auch wenn gerade im derzeitigen Umfeld höhere Kursschwan-kungen in Kauf genommen werden müssen. Ein genauerer Blick sollte sich jedoch lohnen.

Aktien von Biotechunternehmen und solchen aus dem Gesundheitssektor haben den Weltaktienmarktindex trotz der jüngsten Verwerfungen über längere und kürzere Perioden übertroffen. Der Leitindex MSCI-World Health-Care-Sector-In-dex erzielte in den vergangenen fünf Jahren eine Überrendite von 2,4 Prozent gegenüber dem MSCI-World-Index (neun ver-sus 6,6 Prozent). Die Papiere von kleineren und mittleren ka-pitalisierten Biotechgesellschaften (Smid Caps) haben gemessen am SPRD S&P Biotech ETF (XBI) in der gleichen Periode so- ›

gar eine dreimal höhere Zusatzrendite erzielt beziehungsweise absolut gesehen mehr als eine doppelt so hohe Rendite erwirt-schaftet (14 Prozent versus 6,6 Prozent). Der Nasdaq-Biotechno-logy-Index (NBI) – mit einem starken Übergewicht an großen Biotech-Gesellschaften – stieg um 7,9 Prozent pro Jahr (Über-rendite: 1,3 Prozent). Über die letzten drei Jahre jedoch konnten die großen kapitalisierten Werte nicht mehr mit der Entwick-lung Schritt halten – es resultierte ein Performance-Minus; die Gründe sind vielfältig. Der XBI hingegen steht mit 6,6 Prozent im Plus. Das Umfeld begünstigte insbesondere die Sektorspe- zialisten mit Anlagen in Smid Caps, die durch ihre Expertise das Potenzial künftiger Produkte früher und eher einschätzen kön-nen sowie oftmals etwas mehr Risiko in den einzelnen Titeln auf sich nehmen.

Mehr als ein Viertel der weltweiten Verkäufe von Arznei-mitteln, rund 230 Milliarden US-Dollar, werden heute mit Me-dikamenten biotechnologischen Ursprungs erwirtschaftet. Es handelt sich dabei nicht nur um Arzneimittel mit kleinerem Umsatzpotenzial, das zeigt sich beim Marktanteil von Biotech-präparaten an den hundert meist verkauften Produkten. Beina-he die Hälfte stammen aus den Biotechlaboren – 2010 waren es noch ein Drittel. Beispiele finden sich in der Immunonkologie: Die Mittel mit den größten Marktanteilen stammen alle aus den

Forschungslabors der kleinen Biotechnologieunternehmen und gelangten durch eine Übernahme in die Pipeline der „Großen“: Keytruda wird heute vom Pharmakonzern Merck hergestellt und vertrieben, erfunden wurde es von der kleinen holländi-schen Firma Organon. Das Gleiche gilt auch für Opdivo (heute Bristol Myers) von Medarex und Imfinzi (heute AstraZeneca) von MedImmune.

Die USA sind mit rund 50 Prozent der weltweit größte Ab-satzmarkt für biopharmazeutische Produkte. Ein Blick dorthin ist notwendig, um die aktuellen Entwicklungen einzuordnen und adäquate Schlussfolgerungen zu ziehen. Seit Trumps Amts-antritt als US-Präsident versuchte seine Administration mehr-mals, grundlegende Aspekte des US-Gesundheitssystems zu reformieren. Bisher blieb es mehrheitlich bei Versuchen und politischer Rhetorik, denn konkrete Pläne fehlen bisher. In ers-ter Linie wollte er die Gesundheitsreform «Obamacare» wider-rufen. Trotz republikanischer Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses waren die Meinungen selbst bei den Republikanern zu unterschiedlich, ob die obligatorische Krankenversicherung für alle US-Bürger abgeschafft werden sollte. Nachdem er mit diesem Vorhaben nach mehreren Anläufen vorerst gescheitert war, kritisierte Trump die großen Pharma-Unternehmen für ihre überhöhten Medikamentenpreise und dass die USA im

Vergleich zum Rest der Welt und insbesondere zu Europa mehr für Forschung und Entwicklung zahlen müsste. Tatsächlich tragen die USA insgesamt 42 Prozent der weltweiten Gesund-heitsausgaben bei nur vier Prozent der Weltbevölkerung. Jeder US-Amerikaner bezahlt im Schnitt dreimal mehr für dasselbe Arzneimittel als ein Bürger in den fünf größten Absatzmärkten Europas: Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Groß-britannien. In der Ökonomie nennt man dieses Phänomen auch Free Riding. Die USA steckt jedoch in einer Zwickmühle. We-gen der Größe und Bedeutung der Industrie kann die USA, im Unterschied zu einem Land mit kleinerem Marktanteil, nicht so einfach eine drastische Preissenkung hinnehmen, ohne das durch höhere Preise anderswo zu kompensieren. Die Innovati-onsaktivitäten der gesamten Industrie könnten so substanziell eingeschränkt werden. Die kostspieligen Folgen aufgrund feh-lender Therapien für die gesamte Gesellschaft müssten in Kauf genommen werden. Außerdem gibt es anders als in den meisten Industrienationen in den USA keine staatliche Preisregulierung, die Kosten kontrolliert. Möglichkeiten zur Einflussnahme hätte der Staat über Preisverhandlungen durch die staatlichen Kran-kenversicherer Medicare und Medicaid, die immerhin für mehr als 40 Prozent aller Medikamentenausgaben aufkommen. Aller-dings wurde das dem Staat faktisch verboten. An seiner Stelle

Die chinesische Pharmaindustrie gilt bereits jetzt nach den USA als die zweitgrößte weltweit und soll in den kommenden Jahren stark wachsen.

~ B IOTECHNOLOGIE ~

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können das private Versicherer tun, auch wenn ihre Macht zur Preissetzung beschränkt ist. Geplant ist unter anderem, neue Preisprogramme für Medikamente zu erproben, die unter Me-dicare Part B fallen.

Innovation hat ihren Preis und muss entsprechend finan-ziert werden, zudem haben das US-Gesundheitssystem und die Medikamenten-Wertschöpfungskette einige Besonderheiten im Vergleich zum europäischen System, die es zu beachten gilt. Die Ausgaben für Medikamente gelten oft als einer der Haupt-verursacher der steigenden Gesundheitskosten. Die Realität sieht jedoch anders aus: Lediglich zehn Prozent der gesamten US-Gesundheitsausgaben entfallen auf verschreibungspflichti-ge Medikamente; der Anteil blieb während der letzten 15 Jahre stabil. Auf innovative Medikamente zur Krebstherapie oder zur Behandlung seltener Krankheiten entfallen nur drei Prozent. Innovation erzielt einen höheren Preis, muss aber durch ein Alleinstellungsmerkmal gerechtfertigt werden, beispielswei-se eine höhere Wirksamkeit. Anderfalls droht ein Preisverfall: Wenn ein Medikament seinen Patentschutz verliert, steigt die Konkurrenz durch sogenannte Generika (Nachahmerprodukte) und die Preise des Originalpräparats fallen in kurzer Zeit um 90 Prozent und mehr. Kein anderer OECD-Staat stellt mehr Re-zepte für Generika aus als die USA: der Volumen-Anteil an den gesamten Pharmaverkäufen beträgt derzeit 84 Prozent. In den letzten fünf Jahren wurden im Durchschnitt pro Jahr mehr neue und innovative Arzneimittel für den Vertrieb auf dem US-ame-rikanischen Markt zugelassen als in der Vergangenheit. Dane-ben stieg die Zahl der zugelassenen Nachahmerprodukte, so- genannter Generika, auch auf Rekordniveaus.

Die Kostenexplosion ist dem ineffizienten US-Gesund-heitssystem geschuldet. Die Wertschöpfungskette, vom Her-steller bis zum Endverbraucher und vom Arzt zum Patienten, ist komplexer und hat mehr Akteure als in Europa. Sei es der Großist, der Arzneimittel-Berater, der Apotheker oder der Ver-

sicherer; jeder dieser Akteure ist gewinnorientiert. Was bei den Medikamentenherstellern von den oft monierten Preiser-höhungen hängen bleibt, ist ein wesentlich geringerer Anteil. Laut IQVIA Institute (vormals IMS Health) waren es 2017 nur 1,9 Prozent.

Die Struktur der Wert-schöpfungskette ändert sich. Unter den Arzneimittel-Bera-tern (Pharmacy Benefit Mana-ger) findet derzeit eine starke Konsolidierung statt. Im Auf-trag der Unternehmen und de-ren versicherten Mitarbeitern kaufen sie Arzneimittel. Nur noch drei Anbieter dominie-ren den Markt und zwei da-von sind in den Händen der

US-Krankenversicher, die versuchen, selbst mit den Herstel-lern über Preise für Arzneimittel zu verhandeln, anstatt sie den Arzneimittel-Beratern zu überlassen. Ihre zunehmende Größe gibt den Anbietern mehr Verhandlungsmacht gegenüber den Herstellern, doch die Optionen werden für die versicherten Unternehmen zunehmend kleiner, wodurch sie entsprechend abhängiger werden. Sogar die Arzneimittel-Entwickler machen einen Schritt vorwärts und beabsichtigen, mit der Einführung von neuen Preismodellen der Rabattthematik zu begegnen und so den Umsatz anzukurbeln. Der schleppende Verkauf der so-genannten PCSK9-Hemmer, biotechnologisch hergestellte Cho-lesterinsenker, die zusätzlich mit Statinen verabreicht werden, ist ein Beispiel dafür. Amgen reduzierte kürzlich den (Brutto-)Listenpreis für seinen Cholesterinsenker um 60 Prozent. Ein Preis, der kaum noch für Rabatte zulässt. Regeneron und Part-ner Sanofi erhöhten stattdessen den Rabatt, der an den Arznei-mittel-Berater Express Scripts fließt. Inklusive Rabatt sind die Preise für die zwei Wirkstoffe ungefähr gleich. Gilead reagierte beispielsweise auf die kontinuierlich steigenden Rabatte von bis zu 60 Prozent, die das Unternehmen für sein Hepatitis-C-Prä-parat aufgrund der wachsenden Konkurrenz letztlich gewähren musste, indem es eine generische Version einführte, die um etwa 60 Prozent tiefer liegt als der vormalige Listenpreis. Oft basieren die privaten Kostenbeteiligungen (Co-Payments) auf den Listenpreisen, womit die Medikamente generell erschwing-licher werden.

Die Ankündigung des US-Onlinehändlers Amazon, in den Gesundheitssektor einzusteigen, hat viel Aufmerksamkeit er-regt. Der Gesundheitssektor war bisher eine der Bastionen, in der Amazon noch nicht Fuß fassen konnte. Noch ist unklar, welche Pläne Amazon genau hat. Jedoch scheint klar, dass Amazon zu einem Konkurrenten für die Großisten werden und den Arzneimittelherstellern schon bald ein mächtiger Verhand-lungspartner gegenüber stehen könnte. ›

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In den letzten Jahren hat sich eine Tendenz zur Abwägung des Kosten- und Nutzenfaktors bei der Beurteilung von The-rapien in der Gesundheitsversorgung beziehungsweise in der Kassenrückerstattung entwickelt. In diesem Umfeld sind Aktien von Unternehmen mit innovativen Medikamenten für Krank-heiten zu bevorzugen, die bisher nur unzureichend oder gar nicht behandelt werden konnten. Einzelne Anlagen in Biotech-aktien sind wegen der Ausfallrisiken nicht empfehlenswert, be-sonders bei Unternehmen mit Arzneimitteln in ausschließlich klinischer Entwicklung. Ein Biotechportfolio sollte diversifi-ziert sein. Bei der Gewichtung der einzelnen Positionen muss man den Risikograd und das Kursverlustrisiko stets im Auge be-halten. Der geografische Fokus liegt sicherlich auf den USA, als mit Abstand größtem Absatzmarkt, jedoch werden Europa und China immer interessanter.

Investitionen in größere kapitalisierte Unternehmen bilden den Schwerpunkt einer Biotechstrategie, sollten aber vorzugs-weise mit Anlagen in Aktien von Smid Caps ergänzt werden. Diese Gesellschaften sind bereits in einer etwas späteren Ent-wicklungsphase und klassische Entwicklungsrisiken betreffen sie daher weniger. Sie zeichnen sich oft durch einen klaren Fo-kus in einem Innovations- oder Nischengebiet aus. Aus diesem Segment sind beispielsweise Vertex (zystische Fibrose), Neu-rocrine (Nervenerkrankungen), Galapagos (rheumatoide Arthri-tis) und Argenx (seltene Autoimmunerkrankungen) interessant. Die Aktien von Vertex stiegen in den letzten Jahren nach Be-kanntgabe von positiven Phase-drei-Studien zur Kombinations-therapie von Tezacaftor (VX-661) und dem bereits im Markt ver-triebenen Kalydeco (Ivacaftor) zur Behandlung der zystischen Fibrose. Tezacaftor überzeugte mit einem klar differenzierten Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil im Vergleich zum bereits zugelassenen Orkambi (Lumacaftor/Ivacaftor) von Vertex. Der Markt spekuliert, dass sich die Kombination von Tezacaftor und Ivacaftor als Standard für die angestrebte Dreifach-Kombinati-onstherapie mit einem zusätzlichen Korrektor (VX-659) etab-lieren könnte, die eine bisher kaum behandelbare Gruppe von Patienten mit spezifischer Genmutation ansprechen könnte.

Damit könnten über 80 Prozent aller Patienten mit zystischer Fibrose behandelt werden, mehr als doppelt so viel wie heute. Analysten trauen dem Medikament ein jährliches Um-satzpotenzial von einigen Milli-arden US-Dollar zu.

In den kommenden Jahren darf man einen großen Wachs-tumsschub im Biotechnologie-bereich aus China erwarten. China gilt bereits heute als zweitgrößter Pharmamarkt der Welt. Nicht nur bereits zugelas-sene Arzneimittel, vertrieben durch internationale Konzerne, sollen im chinesischen Markt

verfügbar sein, auch chinesische Biotechgesellschaften selbst entwickeln beispielsweise innovative Krebstherapien, unter an-derem in Partnerschaften mit US-Gesellschaften. Ein erfolgrei-ches Beispiel ist Beigene.

Die Bewertungen sind attraktiv und die Wachstumsaussich-ten interessant. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für die nächsten zwölf Monate liegt bei 10,6x für die großen Biotechgesellschaften im Vergleich zu Pharma mit 13,9x oder 15,4x für den S&P 500. Mischt man dem Portfolio noch Biotechaktien der Smid Caps bei, profitiert man von Umsatz- und Gewinnwachstumsraten für die kommenden zwei Jahre (2018 bis 2020) von über neun bezie-hungsweise 14 Prozent pro Jahr laut Konsensschätzungen von Bloomberg, die deutlich über dem breiten Markt liegen. Auch innerhalb des Gesundheitssektors gehört der Biotechsektor zu den derzeit am schnellsten wachsenden Industrien.

Die Biotechnologiebranche ist fundamental gut aufgestellt und überzeugt durch Innovationskraft. Die derzeitigen Aktien-preisschwankungen basieren mehrheitlich auf makroökonomi-schen und politischen Unsicherheiten sowie auf der gestiege-nen Risikoaversion. Dabei kommen High-Beta-Aktien der Smid Caps mehr unter Druck. Wer jedoch etwas Geduld aufbringt, dürfte langfristig belohnt werden.//

THOMAS HEIMANNZUG 47° 9 ‘ N, 8° 30 ‘ O

Der Autor ist seit 2011 bei der HBM Partners AG und betreut den Bereich Analyse und Risikomanagement.

DR. IVO STAIJEN, CFAZUG 47° 9 ‘ N, 8° 30 ‘ O

Der Autor leitet die Abteilung Public Equity bei HBM und ist Portfolio Manager des HBM Global Biotechnology Fund.

San Felice del Benaco (Gardasee, Italien), März 2018 – Neubau und Konzepterweiterung: Die Lefay-Gruppe kündigte Anfang Februar 2018 den Spatenstich für das zweite Wellnessresort der ehemaligen Air Dolomiti Be-

sitzer Leali an. Gleichzeitig erweitert die Familie ihr Hotelkon-zept um ein weiteres Modell, das in Italien bisher noch nicht vertreten ist: hochwertige Wohnungen, die als Eigentumsim-mobilien direkt an das Resort angeschlossen sind. Eigentümer profitieren von den Fünf-Sterne-Services sowie dem Vermie-tungsservice von Lefay, der es erlaubt, Mieteinnahmen zu ge-nerieren Das Lefay Resort & SPA Dolomiti

Das Fünf-Sterne-Resort wird mitten im Wald errichtet und integriert sich mit der natürlichen und nachhaltigen Bauweise perfekt in die Landschaft: Ganz gemäß der Philosophie der Mar-ke, interpretiert das Lefay Resort & SPA Dolomiti die traditio-nelle lokale Architektur neu und nimmt die typischen Design- elemente des Gebirges auf. Natürliche Materialien wie Holz und Stein sowie die schlichte Oberflächengestaltung spiegeln die Naturschönheit der Dolomiten wider. Die Anlage des Resorts umfasst insgesamt 86 Suiten ab einer Größe von 57 Quadratme-tern sowie als eine Neuerung im Lefay-Hotelkonzept auch 23 Wellness Residences, die zum Verkauf stehen werden.Die neuen Lefay Wellness Residences

Lefay Wellness Residences sind eine Neuerung auf dem ita-lienischen Immobilienmarkt. Die exklusiven Lefay Wellness Re-sidences sind Eigentumssuiten, die gleichzeitig Zugang zu allen Fünf-Sterne-Services des Lefay Resort & SPA Dolomiti bieten. Die Erfahrung des italienischen Marktführers im Bereich der Wellnesshotellerie garantiert eine optimale Führung der Resi-dence, sodass der Eigentümer eine Atmosphäre wie zu Hause vorfindet, ohne sich selbst ständig darum zu kümmern. Im Ein-klang mit der Natur der Dolomiten wurden auch im Wohnraum verschiedene Hölzer wie Eiche und Kastanie sowie Tonalit oder Travertinstein verwendet. Großzügige Fensterfronten lassen die Innenräume mit der Natur verschmelzen und sorgen gleich-

Wohneigentum in Italien Suiten im Fünf-Sterne-Resort zum Verkauf: Lefay Resort & SPA Dolomiti

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zeitig für ausreichend Tageslicht. Das Interiordesign wurde von dem Projektteam des Lefays in Zusammenarbeit mit dem Archi-tekturbüro Alberto Apostoli Architecture & Design entwickelt. Eigentümer der Wellness Residences werden ankommen, sich wohlfühlen und in moderner Ästhetik eine perfekte Auszeit in den Dolomiten genießen. Vorteile für Eigentümer der Lefay Wellness Residences

Eigentümer der Lefay Wellness Residences kommen neben dem exklusiven Zugang zu den Resortservices wie dem 5.000 Quadratmeter großen SPA oder den unterschiedlichen Restau-rants auch in den Genuss aller anderen Services wie Wellnessbe-handlungen, Zimmerservice, Babysitting oder Wäscheservice. Zusätzlich wird Eigentümern ermöglicht, an einem Vermietser-vice teilzunehmen. Während die Residences nicht selbst genutzt werden, organisiert Lefay die Vermietung an andere zahlende Gäste. Dadurch ist eine weitere Einnahmequelle garantiert, die die Investition in die Immobilie maximiert. Administration, Instandsetzung und Garantie übernimmt dabei das Resort. Als besonderes Highlight nehmen Eigentümer der Lefay Wellness Residences automatisch an dem Lefay-VIP-Programm teil: zahl-reiche Benefits in allen Resorts der wachsenden Lefay-Gruppe sowie Zugang zu exklusiven Angeboten.

Die 23 Lefay Wellness Residences werden ab einer Größe von 100 Quadratmetern entworfen und der Kaufpreis startet bei 1.191.900 Euro.Über die Lefay-Gruppe

Lefay Resorts wurde 2006 aus der Vision von Domenico Al-cide und Liliana Leali, den Gründern der Air Dolomiti Airline Transport Company, welche im März 2003 an Lufthansa ver-kauft wurde, gegründet. Die neue Hotelgruppe entstand aus der Idee, mit einem ökologischen Resort und der Kombination von elegantem Luxus und italienischem Stil eine italienische Refe-renzmarke für die internationale Wellnessbranche zu schaffen. Mit Lefay Resort & SPA Dolomiti bestätigt die Marke ihre Expan-sionsstrategie. Die Strategie verfolgt zum einen die Fertigstel-lung des Portfolios an Hotelimmobilien in Italien (ein weiteres Resort ist bereits in der Toskana geplant) und zum anderen die Expansion nach Zentraleuropa. Mit Partnern, die die Werte der Lefay-Gruppe teilen, wird die Expansion zukünftig auch in Form von Management- oder Pachtverträgen durchgeführt werden. //

www.lefayresorts.com

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groß kapitalisierte Biotech (Median) groß kapitalisierte Pharma S&P 500

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„Das Bauchgefühl entscheidet“

Wer einen Value-Investing-Ansatz verfolgt, sollte sich nicht länger allein auf klassische Kennzahlen verlassen. Warum der Ansatz sich dennoch lohnt, erklärt Dr. Carl Otto Schill im Interview.

Interview: Lisa Sußner, Frankfurt am Main

Wie definieren Sie Value Investing?Dr. Carl Otto Schill: Es gibt ein schönes Zitat von Warren Buf-fett: „Kaufe einen Dollar für 50 Cent.“ Die Grundlage ist also einfach, man soll sich den inneren Wert einer Anlage ansehen; wenn dann der Marktwert tiefer ist als der innere Wert und eine entsprechende Sicherheitsmarge existiert, darf man investieren. Value Investing begrenzt sich nicht nur auf Aktien, es gibt auch gute Value Investoren im Anleihen- oder Immobilienbereich.

Welche Vorteile bietet Value Investing?Im Aktienbereich vermeidet man, dass man zu teuer in Unter-nehmen einsteigt, weil man sich von irgendwelchen Trends mitreißen lässt und folglich zu viel bezahlt. Letztlich ist bei In-vestment alles eine Frage des Preises, selbst die tollsten Unter-nehmen können zu teuer sein. Bei Value Investing hinterfragt

man ständig seine Anlageentscheidungen, um das zu vermeiden.

Welche Risiken birgt Value Investing?Als Value Investor muss man oft eine ei-

gene Meinung abseits des Mainstreams vertreten. Dabei hat man beim Inves-tieren eine andere Wertvorstellung von dem Unternehmen als der Markt. Wenn Investoren mit einem zu kurz-

fristigen Horizont einsteigen, sind sie vielleicht enttäuscht, wenn der Kurs

sich erst mal nicht so entwickelt wie das darunter liegende Investment. Das hat aber

oft nichts miteinander zu tun. Riskant ist dann eher, sich kurzfristig wieder aus dem Investment zu

verabschieden. Value Investing erfordert oft einen langen Atem. Dabei muss man sich sicher sein, das die eigene Analyse stimmt.

Wie kontrollieren Sie Risiken?Bei Mifid II hat man oft Bereiche, in denen Risikomanagement

als Portfolio-Diversifikation definiert wird und vielleicht auch die entsprechenden Liquiditätspositionen; das Ganze läuft also auf der Makrofondsebene ab. Wir schauen zusätzlich auf die Mikroebene, auf jedes Unternehmen: Wir achten darauf, dass die Unternehmen robuste Geschäftsmodelle haben, die auch im Konjunkturzyklus insgesamt stabil sind und deren Produkte beziehungsweise Dienstleistungen sie stabilisieren. Gleichzeitig müssen sie auch eine sehr hohe Bonität haben. Das sind zwei Bereiche, die für uns sehr wichtig sind. Das Hauptrisiko ist der permanente Verlust von Kapital. Das versuchen wir immer auszuschließen. Wir versuchen auch, keine Klumpenrisiken in einzelnen Industrien oder Branchen zu haben. Wir versuchen auch, uns regional zu diversifizieren; dabei achten wir weniger darauf, wo die Firma gelistet ist, sondern eher darauf, wo die Wertschöpfung stattfindet und wo die Kunden der Unterneh-men sitzen.

Warum eignet sich Volatilität für Sie nicht als Risikomaßstab?Volatilität zeigt ja nur die Schwankungen von Börsenkursen. Wir sind manchmal sogar dankbar für Volatilität. Wenn also Märkte – wie derzeit – abgestraft werden und wir meinen, dass unsere Investments davon nicht betroffen sind, aber die Kurse nachgeben, dann können wir uns günstig an Unterneh-men beteiligen. Wenn auf der anderen Seite eine Hausse ist und die Leute meinen, die Kurse steigen weiter, dann verkau-fen wir dementsprechend. Volatilität hilft uns also, in dieser Hinsicht erfolgreich zu sein, aber sie ist kein wesentlicher Maßstab, um den Erfolg des Fonds dem Investor zu zeigen. Unser Fonds war in den letzten drei Jahren sogar weniger vo-latil als die meisten Indizes. Das hängt auch damit zusammen, dass wir stärker im Small-Cap-Bereich sind. Bei Large Caps gibt es zurzeit sehr viele Derivate, wie etwa ETFs, die stark gehandelt werden. Daher waren die Indizes die letzten Jahre immer volatiler als unser Fonds. Das ist gut für uns, aber wir investieren aus anderen Gründen; wir investieren in Unter-nehmen, die attraktiv sind.

Warum nutzen Sie keine Benchmark-Indizes?Das lenkt ab von der Anlage. Einige Fondsmanager orientieren sich sehr an der Benchmark. Wenn sie ihrer Benchmark hinter-herhinken, versuchen sie, ihr Depot mehr nach der Auswahl der Benchmark zu gestalten, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dabei werden sie abgelenkt vom eigentlichen Investment. Das bringt den Investoren nichts. Wir haben klare Investmentziele, unabhängig von Benchmarks. Wir möchten eine Überrendite aus eingesetztem Kapital erzielen; bei unserem Fonds möchten wir nach Kosten im Jahresschnitt mindestens zehn Prozent ha-ben. Wenn wir das nach sieben oder zehn Jahren erreichen, ist das in Ordnung. Wo dann die Benchmark liegt, ist uns egal.

Warum investieren Sie vor allem in Familienunternehmen?Es gibt natürlich schlecht geführte Familienunternehmen, aber gut geführte sind Untersuchungen zufolge die mit Abstand er-folgreichsten Unternehmen am Kapitalmarkt. Wenn der Kapi-talmarkt sieht, dass ein Unternehmen schlechte Quartalszahlen hat, wird es abgestraft. Aber wir schauen genau hin und sehen, dass sie schlechte Zahlen schreiben, weil sie in ihre Zukunft investieren und beispielsweise eine neue Software entwickeln. Dann schreiben sie eben die nächste Zeit schlechte Zahlen. Das interessiert uns genauso wenig wie die familiengeführten Un-ternehmen. Das ist die Chance, sich an ihnen zu beteiligen.

Lehnen Sie Large Caps kategorisch ab?Nein, für uns ist entscheidend, dass wir das Geschäftsmodell verstehen und davon überzeugt sind. Large Caps sind oft zu stark diversifiziert, in unzähligen Branchen und Produkten. Das können und wollen wir nicht greifen, weil es zu kompliziert ist. Wir möchten klare Geschäftsmodelle haben und mit einer entsprechenden Sicherheitsmarge, in sie investieren können. Das ist bei Large Caps oft nicht der Fall. Wir haben aber gern ein paar Prozent unserer Beteiligungen in Large Caps, weil wir auch ein bisschen auf die Fondsliquidität achten wollen. Wenn die Situation schwierig wäre wie 2008, könnte man Micro und Small Caps schlecht handeln. Deswegen haben wir ein Liquidi-tätskonzept, denn wir möchten in der Lage sein, notfalls 30 bis 40 Prozent des Fonds liquidieren zu können, um ihn dauerhaft liquide zu halten. Das ist auch Teil unseres Risikomanagements.

Wie handhaben Sie Ihre Sicherheitsmarge? Wir analysieren das Unternehmen mit einem Ansatz, der sich aus der Columbia Business School heraus entwickelt hat. Zu-erst bewerten wir das Anlagevermögen; dabei interessiert uns vor allem sein Wiederbeschaffungswert. Dann ermitteln wir die aktuelle Ertragskraft und stellen diese dem Widerbeschaf-fungswert gegenüber. Ist die Ertragskraft größer, gibt es meist Wettbewerbsvorteile – für uns die Voraussetzung für jede An-lage. Drittens versuchen wir zu prognostizieren, ob das Unter-nehmen seine Wettbewerbsvorteile beibehalten und ausbauen wird, oder ob es sie verlieren könnte. Diese Unternehmensbe-wertung stellen wir dem Börsenwert gegenüber. Wir kaufen also keine Aktien, sondern gehen wie ein Private-Equity-Investor vor. Wenn ein Unternehmen 150 Millionen Euro inneren Wert hat und der Börsenkurse vielleicht nur 100 Millionen beträgt, dann beträgt die Sicherheitsmarge 50 Millionen. Es ist natürlich letztlich eine Schätzung, und wir verschätzen uns auch mal, gerade wenn Zukuftsannahmen mit einfließen. Aber bei einer Sicherheitsmarge um die 50 Prozent sind wir uns relativ sicher, dass wir auf der richtigen Seite sind. Ich kritisiere bei anderen Anlegern öfter, dass sie Unternehmen genaue Kurse geben, bei-spielsweise in Höhe von 93,80 Euro. Das ist eine Scheingenauig-keit, die keiner garantieren kann.

Wie häufig schätzen Sie Unternehmen falsch ein?Eigentlich würde es reichen, wenn 60 bis 70 Prozent der Ent-scheidungen richtig sind, da liegen wir drüber. Wenn wir keine Fehler machen würden, wäre das klasse. Das ist zwar nicht der Fall, trotzdem haben wir in den letzten 20 Jahren durchschnitt-lich zweistellige Renditen erwirtschaftet. Wir versuchen, keinen Fehler zweimal zu machen. Daher haben wir im Feinscreening eine Checkliste entwickelt wie im Private Equity. Wir prüfen bei jedem Unternehmen etwa hundert Punkte.

In Value steckt auch immer ein bisschen Growth. Inwieweit stim-men Sie dieser Aussage zu?Ich unterscheide da nicht. Die klassischen Value-Investoren kaufen mit einem günstigen Kurs-Buchwert-Verhältnis (KGV)

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~ VALUE INVESTING ~

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DR. CARL OTTO SCHILLOSTHOFEN 49° 42 ‘ N, 8° 19 ‘ O

Der Geschäftsführer der Value Partnership GmbH hat über 25 Jahre Erfahrung in der Industrie als Manager, Aufsichtsrat,

Beirat und geschäftsführender Gesellschafter.

„Wir sind manchmal sogar dankbar für Volatilität.“

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ein. Die weitere Entwicklung des Ansatzes können sie an War-ren Buffett sehen, er hat auch so angefangen und ist dann dazu übergegangen, sich immer stärker um Wachstumsunternehmen mit einem guten Geschäftsmodell zu kümmern. Das Entschei-dende bei Value ist hier die Sicherheitsmarge. Value Investing ist mittlerweile generell schwieriger, weil Unternehmen heute eher auf Basis ihrer Prognosen analysiert werden und weniger auf Basis ihrer Assets. Das ist bei allen Anlagen so. Heute sind oft Dienstleistungsunternehmen mit Asset-Light-Modellen er-folgreich, die also kein großes Anlagevermögen mehr brauchen. Unternehmen in der Plattformökonomie beispielsweise wachsen dauerhaft, ohne zusätzliches Kapital zu investieren, weil einfach immer mehr Leu-te die Plattform nutzen. Immer mehr Unternehmen werden in diesem Be-reich interessanter.

Warum reichen traditionelle Value-Investing-Kennzahlen wie das KGV nicht mehr aus?Als Benjamin Graham in den 1940er- und 1950er-Jahren Value Investing begründete, gab es an der New York Stock Exchange viele Werte, die mit einem Kurs-Buchwert-Verhält-nis (KBV) von 0,5 oder mit ei-nem einstelligen KGV bewertet wurden; man musste nur warten, bis das Eigenkapital ein Verhältnis von eins zu eins erreichte und hatte damit 50 Prozent verdient. Das ist heute nicht mehr der Fall und das klassische Value Investing wird seltener. Wenn man heute ein Unternehmen mit sehr niedriger Bewer-tung findet, hat es oft ein Problem im Geschäftsmodell oder in der Kapitalstruktur, was ein entsprechendes Risiko birgt. Wir suchen nach Wachstumsunternehmen; die meisten Firmen in unserem Portfolio wachsen fünf bis 15 Prozent pro Jahr. Das zeigt auch, dass sie gute Geschäftsmodelle haben und sich im Markt durchsetzen. Dazu sind sie noch moderat bewertet. Viele Wachstumsunternehmen waren jedoch nie profitabel, und da stellt sich die Frage, ob sie jemals profitabel werden, oder ob sie sich immer wieder erneuern und neu investieren müssen, um noch am Markt zu bleiben, aber nie richtig Geld verdienen. Solche Firmen haben wir nicht; Wachstum ja, aber nicht um jeden Preis.

Inwieweit investieren Sie antizyklisch?Wenn Investoren sich aus dem Markt zurückziehen, weil sie Angst haben, werden die Beteiligungen günstiger und für uns attraktiver. Die Börse ist verrückt; ein normaler Konsument im Supermarkt kauft ein, wenn es Sonderangebote gibt, bei der Börse ist es genau umgekehrt. Die meisten Anleger kaufen dann, wenn die Beteiligungen am teuersten sind. Deswegen

sind antizyklische Anlagen für uns ein wesentlicher Punkt. Es ist natürlich enorm schwierig, denn wir wissen nicht, wie weit eine Korrektur geht. Daher ist es uns wichtig, noch liquide zu sein, um antizyklisch handeln zu können. Das perfekte Timing zum Handeln ist sicherlich eine Herausforderung; das bekommt kaum jemand hin.

Warren Buffett investiert mittlerweile als Quality Investor. Ist das die nächste Entwicklungsstufe von Value Investing?Ich denke ja. Die Qualität des Geschäftsmodells ist sehr wich-

tig. Ein Bereich des Value Investings, den alle Value-Anleger gern sehen, ist das sogenannte Compounding, bei

dem sie eben in den Zinseszinseffekt inves-tieren. Bei guten Wachstumsunterneh-

men mit einer cleveren Geschäfts-idee kann man diesen Effekt für

sich nutzen und die Beteiligun-gen vervielfachen. Der Markt

übertreibt nicht, sondern er begleitet so etwas. So erzielt man eine außergewöhnlich gute Performance. Wir wa-ren zum Beispiel von 1997 bis 2013 beteiligt bei Fuchs Petrolub. Ich glaube, wir ha-

ben mit dem Wert 1.800 Pro-zent gemacht, weil der Markt

eben nie übertrieben hat. 2013 ist sie dann zu teuer geworden und

wir haben verkauft, weil wir unsere Sicherheitsmarge konsequent einhalten.

Was ist das Alleinstellungsmerkmal von Value Partnership?Das ist unser unternehmerischer Ansatz.

Die meisten Investoren kommen von Banken oder Fondsge-sellschaften und sind häufig Certified Financial Analysts. Ich bin Quereinsteiger und habe lange eine Unternehmensgruppe geleitet. Diese unternehmerische Erfahrung unterscheidet sich schon deutlich von einem normalen Ansatz im Fondsmanage-ment. Drei Viertel der Zeit beschäftigen wir uns mit den Wett-bewerbsvorteilen eines Geschäftsmodells, um dann auf Basis dieser Analyse die Zukunft besser einschätzen zu können. Viele Fondsmanager gehen sehr quantitativ vor und schauen sehr auf die Zahlen. Ich habe im Jahr etwa hundert Managementgesprä-che mit Vorständen und versuche, mir ein Bild von den Men-schen zu machen und einzuschätzen, was ich ihnen zutraue. Ein Unternehmen zu führen ist noch schwerer geworden als früher. Man muss operativ gut sein, aber man muss auch enor-men strategischen Weitblick haben. Das haben meiner Meinung nach nicht so viele Leute. Letztlich entscheiden wir aus einem faktengestützten Bauchgefühl heraus. Sie können noch so viel quantitative Analysen und Kriterien haben, aber um den Erfolg eines Geschäftsmodells einzuschätzen, ist gerade im Small- und Mid-Cap-Bereich die Qualität des Managements essenziell. //

Warren Buffett entwickelte sich vom Value zum Quality Investor.

Wir gestalten Werte.Als Real Asset und Investment Manager mit mehr als 30 Jahren Erfahrung eröffnen wir institutionellen und privaten Anlegern den Weg zur hochwertigen Investitions strategie. Für unsere Anleger gestalten wir zukunftsfähige Werte in den Bereichen Immobilien, Private Equity und Multi Assets – bewusst langfristig, bewusst konkret, bewusst real.

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~ VALUE INVESTING ~

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Cric stellt einen Leitfaden für ethisch-nachhaltige Immobilieninvestments auf seiner Website bereit.

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Unabhängig davon, ob es sich um Wohn- Gewerbe- oder andere Immobilien handelt: Ihre Bedeutung für die vielen, oft grundlegenden Bedürfnisse des Menschen und ihren Einfluss auf Umwelt und Na-

tur kann man kaum überschätzen. Das zeigen diese Beispiele:Treibhausgas-Emissionen: Laut der Deutschen Ener-

gie-Agentur sind Gebäude für mehr als ein Drittel der CO2-Emis-sionen verantwortlich. Die Bundesregierung möchte sie deshalb bis 2030 um zwei Drittel gegenüber 1990 reduzieren. Das wäre ein entscheidender Schritt, um die Klimaziele zu erreichen.

Flächenbrauch: Immobilien sind genutzte Flächen. Dem Bundesumweltministerium zufolge werden in Deutschland täg-lich rund 62 Hektar als Siedlungs- und Verkehrsflächen ausge-wiesen, was etwa 88 Fußballfeldern entspricht. Das schadet den Böden und begünstigt Hochwasser. Die Bundesregierung will den Verbrauch von Flächen deshalb bis 2030 auf weniger als 30 Hektar senken. Laut der UN-Organisation Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) trägt eine schlechte Bodenqualität außerdem zu einem Verlust an Ar-tenvielfalt und Ökosystemleistungen bei; das wiederum hängt mit Ernährungssicherheit und Wasserqualität zusammen.

Bedarf an Wohnimmobilien und Urbanisierung: Vor allem in Städten benötigen Menschen weiteren Raum zum Leben – weltweit und in Deutschland, wo bis 2025 knapp 190.000 zusätz-liche Wohneinheiten gebraucht werden. Urbanisierung, Stadt- entwicklung, Wohnbedarf und Mieten wurden in der letzten Zeit zu zentralen politischen Themen – wie auch Tendenzen zur Gentrifizierung und Segregation. Sie stehen in direkter Verbin-dung mit Sozialverträglichkeit, Gemeinwohl und Integration.

Die drei Beispiele zeigen, wie groß die sozial-ökologische Dimension und die politisch-gesellschaftliche Bedeutung dieses Themas sind. Daher überrascht es kaum, dass die Vereinten Na-tionen in der Agenda 2030 als Nachhaltigkeitsziel 11 formuliert haben „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig“ gestalten zu wollen. Ein Blick in die zugeord-

neten Unterziele offenbart, dass es hierbei auch darum gehen soll, für angemessenen, sicheren und bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, die von Städten ausgehende Umweltbelastung pro Kopf zu senken und auf eine partizipatorische, integrierte und nachhaltige Siedlungsplanung und -steuerung hinzuwirken.

Woran können sich Investoren bei dieser Anlageklasse ori-entieren, wenn sie sozial und ökologisch verantwortlich han-deln wollen? Diese Frage stand am Anfang eines Prozesses, an dessen Ende die Veröffentlichung des Leitfadens für ethisch-nach-haltige Immobilieninvestments im Frühjahr 2018 stand.

Das Corporate Responsibility Interface Center (Cric), ein im Jahr 2000 gegründeter Verein zu Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage, hatte sich zuvor die Frage gestellt, welche sozialen und ökologischen Kriterien Investoren bei Immobilien beachten müssen. Die KlimaGut Immobilien AG ist ein nachhaltig ausgerichteter Immobilienentwickler aus Berlin und Mitglied von Cric. Sie erklärte sich daraufhin schnell bereit, ein entsprechendes Projekt zu unterstützen.

Ausgangspunkt des Projekts war der Lebenszyklus von Im-mobilien, der sich in mehrere Perioden gliedert:

Das Bewertungsfeld Prozess und Corporate Social Respon-sibility (CSR) ist für alle Phasen des Immobilien-Lebenszyklus relevant und umfasst Planung und Management sowie den ge-samten Investitions- und Verwaltungsprozess.

Mit Projektentwicklung und Bauherren beginnt der Zyklus. Die Phase ist die Basis für die Nachhaltigkeit der Immobilie.

Ein Immobilienprojekt beginnt mit Projektidee und Kon-zept. Die drei Faktoren Idee, Standort und Kapital werden in Übereinstimmung gebracht.

Die Wahl des Standorts ist bei Planung und Bau von Gebäu-den essenziell, da ihre Eigenschaften alle davon abhängen.

Bei Finanzierung und Investoren stehen ökonomische Qua-litäten im Zentrum.

Die Architektur und damit die qualitative und technische Gestaltung der Immobilie hat unmittelbare soziale und ökolo- ›

Viel Luft nach oben

Immobilien wird ein enormer soziokultureller, ökologischer und ökonomischer Wirkungsgrad zugesprochen. Damit birgt diese Anlageklasse Chancen für verantwor-tungsvolle Investoren.

Autor: Gesa Vögele, Frankfurt am Main

22. CSR Architekt23. Sicherheit, Komfort, Gesundheit24. Funktionalität, Nutzerfreundlichkeit25. Integrative Baukultur26. Ökobilanz27. Energiekonzept28. Boden- und Flächenverbrauch29. Flexibilität30. Innovation

31. CSR Bauunternehmen32. Ressourcenverbrauch33. Emissionen34. Baustoffe, Lieferkette35. Abfalltrennung, Recycling36. Kommunikation, Dokumentation, Kontrolle37. Innovation

38. CSR Bauunternehmen39. Nutzungs- und Betriebskonzept40. Energieverbrauch41. Ressourcenverbrauch42. Emissionen43. Mobilität, Verkehr44. Einnahmen, Nutzerfreundlichkeit45. Betriebskosten, Instandhaltung

Siehe Projektidee/Konzept

13. Eignung Standort14. Eignung Grundstück15. Erreichbarkeit, Verkehr16. Sozialverträglichkeit17. Umweltverträglichkeit18. Klimabedingungen

7. Projektidee, Konzept, Zweck8. Variantenuntersuchung9. Gemeinwohl und Integration10. Umweltkonzept11. Lebenszykluskosten12. Marktfähigkeit

19. Konzept (Finanzierung, Beteiligungsart, Konditionen)20. Mittelherkunft/CSR Unternehmen21. Investitionsstrategie

46. Nullvariante47. Recycling48. Emissionen49. Entsorgung Baustoffe

5. CSR Bauherren und Projektentwickler 6. Leitbilder Unternehmensstrategie

ARCHITEKTUR

BAU

BEWIRTSCHAFTUNG

UMNUTZUNG

STANDORT

PROJEKTIDEE/ZUKUNFT

FINANZIERUNG UND INVESTOR

RÜCKBAU PROJEKTENTWICKLUNG/BAUHERREN

SOZIOKULTURELL

ÖKOLOGISCH

ÖKO

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NACHHALTIGEIMMOBILIE

PROZESS/CSR

1. CSR A

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3. Integrale Planung

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40 GL BAL INVESTOR 01 2019

~ SOCIAL IMPACT INVESTING ~

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gische Auswirkungen. Dazu hat sie eine baukulturelle Wirkung.Während des Baus sind insbesondere die Bauunternehmen,

die Baustoffe und der eigentliche Bauprozess von Belang.Die Bewirtschaftung ist besonders bedeutsam, da sie – ab-

hängig von der Gebäudeart – meist 30 bis 80 Jahre dauert. Über eine Umnutzung soll die Immobilie abweichend vom

ursprünglichen Zweck genutzt werden. In der Regel gehen da-mit Umbau- und Sanierungsmaßnahmen einher.

Wenn der Zustand der Immobilie auch bei einer Sanierung keine nachhaltige Nutzung mehr zulässt, wird ihr Lebenszyklus mit dem Rückbau beendet.

Die Phasen eins bis sechs machen gemeinsam die Planung und Projektenwicklung aus, wobei „Prozess und CSR“ sich über alle weiteren neun Perioden erstreckt. Für jede der zehn Peri-oden hat die KlimaGut AG nun zusammen mit Cric analysiert, welche soziokulturellen, ökologischen und ökonomischen Kri-terien jeweils maßgeblich sind. Die Untersuchung hat insgesamt 49 zentrale Kriterien für den Lebenszyklus von Immobilien er-geben, die als Übersicht in der Grafik dargestellt sind.

Im zweiten Arbeitsschritt wurde untersucht, inwiefern diese 49 Nachhaltigkeitskriterien bereits in gängigen Bewer-tungsinstrumenten wie Normen oder Zertifizierungen für die Nachhaltigkeit von Immobilien berücksichtigt werden. Für diese Untersuchung wurden folgende zehn Bewertungsins- trumente gewählt, die in der hiesigen Branche bekannt sind, besonders hervorstechen, oder in anderen Ländern häufig ge-nutzt werden: BNB (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen), Breeam (Building Research Establishment Environmental As-sessment Methodology), Din EN 15643 (Nachhaltiges Bauen), DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen), Green-property, Gresb (Global Real Estate Sustainability Benchmark), Imug Nachhaltigkeitsmonitor für Immobilien, Leed (Leadership in Energy and Environmental Design), NaWoh (Nachhaltiger Wohnungsbau) und Nwert Audit.

Keines der zehn untersuchten Instrumente umfasste alle 49 Nachhaltigkeitskriterien und die genannten werden häufig nur zum Teil operationalisiert. Dabei decken die Bewertungsinstru-mente zwischen null und 37 Prozent der 49 Nachhaltigkeitskri-terien im weiteren Sinn ab. Nimmt man die weniger umfassen-de Berücksichtigung hinzu, resultieren Werte zwischen 37 und 71 Prozent. Breeam und Gresb prüfen insgesamt die meisten der 49 Nachhaltigkeitskriterien.

Mithilfe der Beispiele vom Anfang – Treibhausgasemis-sionen, Flächenverbrauch sowie Bedarf an Wohnraum und Urbanisierung – kann man feststellen, dass der Energie- und Ressourcenverbrauch sowie die Emissionen in der Bewirtschaf-tungsphase häufig im Zentrum der Betrachtung stehen. Dies bestätigt, dass Nachhaltigkeit bei Immobilien häufig nur mit dem Thema Energieeffizienz und Emissionen in Verbindung gebracht wird. Hier sind die Bewertungsinstrumente und Ana-lysen also bereits weit fortgeschritten – auch wenn sich dies re-aliter noch kaum im gewünschten Ausmaß niederschlägt.

Ein anderes Bild ergibt sich beim Flächenverbrauch, der zwar teilweise in den Bewertungsinstrumenten berücksichtigt wird, bei dem aber noch viel Luft nach oben ist. Maßnahmen

sind hier vor allem in der Phase der Planung und Projektent-wicklung möglich. Als Richtschnur kann etwa gelten, vor einem Neubau „auf der grünen Wiese“ eine bessere Ausnutzung des bereits Gebauten in Erwägung zu ziehen und in einem zweiten Schritt Neubauten innerörtlich auf bereits erschlossenem Ge-lände anzuvisieren. Der Mobilisierung von Flächenpotenzialen, etwa Brach- und Konversionsflächen sowie Baulücken im In-nenbereich kommt also eine besondere Bedeutung zu.

Die Analyse hat zudem gezeigt, dass soziale Aspekte in den Bewertungsinstrumenten vernachlässigt werden. Da das Nut-zungskonzept meist wenig berücksichtigt wird, überrascht es nicht, dass Sozialverträglichkeit selten abgedeckt wird. Dabei könnte bereits bei der Standortwahl geprüft werden, ob das ge-plante Projekt vorhandene Nutzungen verdrängt oder alterna-tive Nutzungen verhindert. Im Idealfall fügt sich das Projekt so in das vorhandene Milieu ein, es entsteht ein Mehrwert für die Nachbarschaft und das Grundstück bleibt für alle zugänglich.

Gemeinwohl und Integration werden in den meisten Fällen nur im Sinne einer barrierefreien Zugänglichkeit beachtet. Wei-tergehende Maßnahmen, etwa wohltätige Aktivitäten für die Nachbarschaft oder preisgebundener Wohnraum, werden nur von wenigen Bewertungsinstrumenten abgedeckt.

Bei der Analyse der Bewertungsinstrumente für die Nach-haltigkeit von Immobilien hat sich gezeigt, dass es mehrere blin-de Flecken gibt – insbesondere bei soziokulturellen Aspekten. Dagegen stehen klimarelevante Themen im Fokus. Es wird also darauf ankommen, auch für die anderen Aspekte ein stärkeres Bewusstsein zu schaffen und im Idealfall Good-Practice-Beispie-le und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Einschlägigen Marktdaten zufolge gewinnen nachhaltige Immobilieninvestments zumindest quantitativ mehr Bedeu-tung. Cric und die KlimaGut AG wollen hier die Entwicklung von Qualität in einem umfassenden Sinne unterstützen.

Nach ersten Diskussionen zum Leitfaden könnten sich hier zwei Strategien gegenseitig ergänzen: Zum einen könnte man die großen Investitionsvolumina mit standardisierten und detail-lierten Kriterien adressieren und zugleich mit kleineren Akteu-ren, etwa Stiftungen, experimentieren und Good-Practice-Pro-jekte umsetzen. Zudem könnte gezielt an bestimmten Kriterien und Perioden im Immobilienzyklus gearbeitet werden, denn Investoren halten eine Immobilie häufig nur während der Be-wirtschaftung. Deswegen kann es sinnvoll sein, speziell hier die Möglichkeiten zur Einflussnahme genauer herauszustellen.

Die Arbeiten am Thema sollen in jedem Fall weitergeführt werden. Schließlich birgt gerade diese Anlageklasse ein großes ökologisch-soziokulturelles Wirkungspotenzial. //

GESA VÖGELEFRANKFURT AM MAIN 50° 6 ‘ N, 8° 40 ‘ O

Die Autorin ist seit 2017 Mitglied der Ge-schäftsführung bei Cric. Sie ist Diplom-Volks-wirtin und ausgebildete Fachredakteurin.

Crowdinvesting als Social Impact Investment

Crowdinvesting verspricht Nachhaltig-keit, Rendite und vor allem Transparenz. Ist es der Schlüssel zum Erfolg?

Autor: Patrick Mijnals, Frankfurt am Main

Viele institutionelle Anleger achten vermehrt darauf, Geld sinnvoll anzulegen. Daher sind die Anforde-rungen an Geldanlagen nicht mehr rein finanzieller Natur, sogenannte Social Impact Investments spie-

len eine wachsende Rolle. Ähnlich wie bei Spenden basieren Social Impact Investments auf dem Prinzip, eine soziale, öko-logische und ökonomische Wirkung zu erzielen. Der maßgeb-liche Unterschied zu einer Spende besteht darin, dass das Geld jedoch nicht „verschenkt“, sondern vielmehr eine Rendite dar-aus erwartet und es daher auch als Geldanlage betrachtet wird. Zur Beurteilung von Investments mit sozialem Charakter wer-den häufig die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN herangezogen, welche die globalen Ziele des Projektes oder der vorliegenden Organisation verdeutlichen beziehungsweise wel-che der SDGs man mit einem Investment konkret unterstützt.

Das Angebot an Spendeninstitutionen ist groß, seien es grö-ßere Organisationen, die sich für Umwelt oder Menschenrechte einsetzen, Katastrophenhilfen zur schnellen Unterstützung vor Ort, oder aber das lokale Tierheim.

So unterschiedlich die Möglichkeiten der Spenden sind, ha-ben sie dennoch alle eines gemeinsam: Man kann in der Regel nicht detailliert nachverfolgen, wofür das Geld, das man ge-spendet hat, genau verwendet wurde. Organisationen setzen die Spenden in der Regel für Teilprojekte oder für Ausgaben ein, bei denen gerade finanzielle Mittel benötigt werden.

Einen neuen Ansatz verfolgt hier das Crowdinvesting, auch bekannt als Crowdfunding. Crowdinvesting ist eine Finanzie-rungsform, die für Projekte, Unternehmen oder Produkte ver-wendet wird. Sie zeichnet sich besonders dadurch aus, dass viele einzelne Personen einen Beitrag leisten und so den Ge-samtbetrag gemeinsam erreichen, um das Projekt anschließend realisieren zu können.

Crowdinvesting hebt sich mit Finanzierungsvolumen von bis zu 2,5 Millionen Euro von Mikrofinanzierungen ab, bei de- nen deutlich kleinere Finanzierungssummen, zwischen 100 und 25.000 Euro, eingesammelt werden. Es gibt unterschiedliche Schwerpunkte von Crowdinvesting-Plattformen, die wohl be-kanntesten Formen sind Start-up- und Immobilien-Finanzie-rungen oder aber Plattformen für Social Impact Investments.

Der maßgebliche Unterschied zwischen Crowdinvesting und anderen Social Impact Investments liegt darin, dass man sich beim Crowdinvesting Projekte gezielt aussuchen kann, in die man investieren möchte. Beispielsweise die Finanzierung von Solar-Home-Systemen, die Familien in Uganda eine dezen-trale und nachhaltige Stromversorgung ermöglicht, oder aber eine solare Wasserentsalzungsanlage, die in Kenia Menschen einen kostengünstigen Zugang zu Trinkwasser verschafft.

Die Projektinhaber erhalten über das Crowdinvesting einen Kredit, welcher mit einer vereinbarten festverzinsten Rendite an die Investoren, meist jährlich, zurückbezahlt wird. Als In-vestor begegnet man so Menschen in Entwicklungsländern auf Augenhöhe, weiß genau, in welches Projekt das Kapital fließt, wird regelmäßig über die Umsetzung informiert und schafft so-mit Hilfe zur Selbsthilfe, auch Entwicklungshilfe 2.0 genannt.

Eine Crowdinvesting-Plattform, die bereits seit mehreren ›

Strom vereinfacht das Leben in den ländlichen Gebieten Indiens.

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Jahren weltweit Projekte mit sozialem Nutzen betreibt, ist Bettervest. Die Bettervest GmbH besteht seit 2013 und hat sich auf Projekte spezialisiert, die den Ausstoß von Kohlenstoffdio-xid (CO2) reduzieren. Ziel ist es, die globale Energiewende vo-ranzutreiben und zu verdeutlichen, dass Energieeffizienz-Maß-nahmen nicht immer mit Kosten verbunden sind, sondern dass sie durchaus Geld sparen können. Um das Einsparungspoten-zial der Projekte sicherzustellen, wird jedes Projekt von einem externen, unabhängigen Energieberater geprüft.

Da die Energiewende nur erreicht werden kann, wenn welt-weit eine Veränderung eintritt, hat sich Bettervest vor einigen Jahren vermehrt auf Projekte im Ausland, im Speziellen in Afrika und Indien konzentriert. Mittlerweile ist sogar der Markteintritt in Nigeria erfolgt, wodurch nicht nur deutsche, sondern auch nigerianische Projektinhaber Projekte über Bettervest finanzie-ren können. Anlass dieser Ex-pansion war unter anderem der Kontakt zur deutschen Gesell-schaft für Internationale Zu-sammenarbeit (GIZ), woraus eine Public-Private-Partner- ship entstanden ist. Durch das Bündeln verschiedener Kräfte können so Synergien geschaffen und wirkungsvolle Entwicklungszusammenarbeit vor Ort geleistet werden.

Diese Form von Entwick-lungsarbeit ist besonders sinnvoll, denn Schwellen- und Entwicklungslän-der können so eine Entwicklung auf Basis fossiler Energieträger überspringen, indem sie direkt auf erneuerbare Energien umsteigen.

Ein solches Projekt wurde durch den Wettbewerb „Solar for All“ von der Canopus-Stiftung und dem Fraunhofer Institut ISE initiiert und wird nun auf der Website von Bettervest finanziert. Es handelt sich dabei um die Finanzierung von 24 Solar-Micro-grids zur Elektrifizierung ländlicher Regionen in Nord-Indien.

In Indien leben 1,3 Milliarden Menschen, etwa zwei Drit-tel davon auf dem Land. Etwa jeder vierte Landbewohner hat keinen Zugang zu Strom. Durch das Projekt werden 24 Micro-grids finanziert, die mit Solaranlagen Strom erzeugen, wobei ein Microgrid 40 Haushalte mit Energie versorgen kann. Sie befin-den sich in dem Bundesstaat Uttar Pradesh, hier leben knapp 200 Millionen Einwohner, die Energiearmut ist besonders groß.

Dank des Projekts können die Bewohner die Abendstunden nutzen und viele Kinder erstmals bei Dunkelheit lesen und ler-nen. Darüber hinaus spielt der Wissenstransfer eine große Rol-le, der hier durch die Anwendung der Technologie vermittelt wird. Außerdem werden durch die Umsetzung des Projektes jährlich knapp 4.500 Tonnen CO2 eingespart.

Ein weiteres aktuelles Projekt auf Bettervest soll einen Pro-jektplan zur Errichtung eines Biomasseheizkraftwerkes (BMH-

KW) auf Kuba finanzieren. Das BMHKW soll neben einer Zu-ckermühle stehen und eine alte Biomasseverbrennungsanlage ersetzen. Strom wird mit den Abfällen der Zuckerrohr-Produk-tion und dem Marabu-Busch erzeugt. Letzterer gilt in Kuba als Plage. Die Ackerflächen, die dadurch frei werden, können an-schließend zum Ackerbau genutzt werden.

Das Projekt nutzt vielen: Durch die Finanzierung werden Jobs entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammen mit einer nachhaltigen Energiequelle geschaffen, und eine lokale Pflanzenplage wird bekämpft.

Dies alles geschieht innerhalb des Ziels der kubanischen Regierung, bis 2030 ein Viertel des Stroms aus erneuerbaren

Energien zu gewinnen und so unabhängiger von Ölimporten zu sein.

Crowdinvesting-Plattformen dürfen aufgrund von Gesetzesänderungen

künftig auch Wertpapiere vermit-teln. Durch die Entwicklung der

Branche hin zu Wertpapieren wird eine Investition für Fa-mily Offices, Stiftungen und andere (semi-)professionelle Anleger noch interessanter, denn Wertpapiere lassen sich flexibler an die Finanzie-rungsbedürfnisse anpassen,

sind besicherbar und ermög-lichen kosteneffizient pros-

pektfreie Emissionen bis zu acht Millionen Euro. Insbesondere bei

Projekten im einstelligen Millionen-bereich gibt es eine Finanzierungslücke.

Eine schlanke, digitale Abwicklung und die neuen Ansätze einer digitalen Plattform können

sie schließen. Die Kombination von kleinteiligen Retail-Investments, die

die starke Digitalisierung beim Crowdinvesting ermöglicht, mit den größeren Tickets von institutionellen Anlegern verbindet das Beste aus beiden Welten; so erreichen Projekte eine Voll-platzierung, denen von Banken und anderen Investoren bislang geringe Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Das wiederum ist erforderlich, um die Social Development Goals zu erreichen, denn dafür sind nicht nur Großprojekte von staatlichen Stellen, Weltbanken und globalen Finanzakteuern notwendig, sondern künftig besonders kleinteilige und dezen-trale Lösungen. //

BEI PROJEKTEN IM EINSTELLIGEN MILLIONEN-

BEREICH GIBT ES EINE FINANZIERUNGSLÜCKE. EINE

SCHLANKE ABWICKLUNG UND NEUE ANSÄTZE EINER

DIGITALEN PLATTFORM KÖNNEN SIE SCHLIESSEN.

PATRICK MIJNALSFRANKFURT AM MAIN 50° 6 ‘ N, 8° 40 ‘ O

Der Zukunftsforscher, Gründer und CEO von Bettervest sieht Energieeffizienz als Motor für eine klimafreundlichere Wirtschaft.

44 GL BAL INVESTOR 01 2019

~ SOCIAL IMPACT INVESTING ~

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Das Handsfree Assistive Technologies Institute ist eine Non-Profit-Organisation aus Brasilien, die Technologien zur Unterstützung körperlich einge-schränkter Menschen entwickelt; darunter befindet

sich ein Kit, das es ermöglicht, Smartphones, Tablets und Com-puter mit Kopfbewegungen zu steuern. Das Kit eignet sich für Menschen, die vorübergehend oder dauerhaft mobilitätseinge-schränkt sind und bietet ihnen die Möglichkeit, ihr häusliches Umfeld zu kontrollieren und etwa das Licht einzuschalten, das Radio anzumachen, oder die Klimaanlage zu steuern.

Der Gebrauch der Ausrüstung bietet Nutzern viele Gelegen-heiten, ihre Beschränkungen zu überwinden. So können sie on-line Kontakte pflegen, oder gewisse Hausarbeiten selbst erledi-gen und sich ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit bewahren.

Die Geschichte des Instituts begann 2014, als der Mitgrün-der bei der Hochzeit eines Freundes einen Quadriplegiker traf. Diese Begegnung zeigte ihm, mit welchen Schwierigkeiten eine körperlich eingeschränkte Person jeden Tag zu kämpfen hat. Daraufhin begann Maymone, sich mit dem Thema ausei-nanderzusetzen und er fand heraus, dass es weltweit mehrere Open-Source-Projekte gab, die Hilfstechnologien entwickelten. Keine dieser Technologien entsprach seiner Ansicht nach den Bedürfnissen einer mobilitätseingeschränkten Person und so begann er, seine eigene Technologie zu entwickeln.

Den ersten Prototyp führte er der Perrone Foundation vor, die sehr interessiert daran war, mithilfe der Technik Kinder zu unterstützen. Dann traf er sich mit Freunden und bat sie dar-um, ihm ihre Expertise zur Entwicklung von Computersystem zur Verfügung zu stellen. Sie willigten ein und entwickelten den Großteil der Technologie, die heute im Kit genutzt wird. Einer von ihnen ist Filipe Silva, der später zum ersten Technology Director des Instituts wurde. Ein weiterer Freund Maymones ist Philippe Magno. Er wurde Marketing Director und mit sei-ner Hilfe wurde das Institut professioneller und gewann meh-rere nationale und internationale Auszeichnungen, wie Recife Award for Social Entrepreneurship, oder den Laureate Brazil Award. 2017 war das Projekt unter den Finalisten des Creati-ve Business Cups in Dänemark, wo es sein Land repräsentier-te. Mittlerweile nutzen mehr als 30 körperlich eingeschränkte Menschen die Ausrüstung.

Eine Partnerschaft mit der Stadtverwaltung von Jaboatão dos Guararapes in Pernambuco ermöglichte 2017 das Ho-me-School-Projekt. Es besteht aus einer Online-Lernplattform in Echtzeit und dem Handsfree-Kit und befähigt mobilitätsein-geschränkte Kinder, die nicht in die Schule gehen können, trotz-dem in Echtzeit am Unterricht teilzunehmen und vollumfäng-lich mit dem Lehrer und der Klasse zu interagieren.

Die World Health Organization (WHO) schätzt, dass es welt-weit mehr als eine Milliarde Menschen mit Behinderungen gibt, das entspricht etwa 15 Prozent der Weltbevölkerung. Einer von sieben Menschen auf diesem Planeten hat also irgendeine Form der Behinderung. Dem Zensus des Brasilianischen Instituts für Geografie und Statistik (IBGE) zufolge gibt es in Brasilien schät-zungsweise 45,6 Millionen Menschen mit Behinderung, das ist eine der höchsten Zahlen weltweit.

Unicef zufolge schließen nur fünf Prozent aller Kinder mit Behinderung die Grundschule ab. Die WHO sagt, dass die Hälfte aller Menschen mit Behinderung keinen Zugang zum jeweiligen Gesundheitswesen haben und in Schwellenländern sind laut der UN 80 bis 90 Prozent dieser Menschen im erwerbsfähigen Alter arbeitslos. Diese Statistiken zeigen, wie groß die Heraus-forderung ist, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, in der menschliche, kulturelle und sozioökonomische Vielfalt genauso respektiert wird wie eine körperliche Einschränkung. Eine Ge-sellschaft, die dieser Vielfalt offener gegenüber steht, hinterfragt Segregationsmechanismen eher und arbeitet daran, Minderhei-ten einzubeziehen.

Der Einfluss einer Behinderung auf eine Person ist schwer abzuschätzen und führt manchmal zu einem drastischen Bruch zu ihrem Leben vor ihrer Behinderung und dem Leben danach. Sie muss erst lernen, damit umzugehen, wenn sie nicht schon damit geboren wurde. Hilfstechnologien können ihr Leben sehr erleichtern, aber sie sind nicht sehr verbreitet und häufig sehr teuer; deswegen sind die Technologien meist wohlhabenden Menschen vorbehalten. Alle anderen müssen sich auf ihre Fami-lie oder auf die jeweilige Regierung verlassen und sind ihr Leben lang abhängig von anderen. Diesen Menschen muss geholfen werden, indem man ihnen ein Stück Unabhängigkeit zurück- gibt und ihnen den Zugang zu Bildung erleichtert.

Die Nutzer des Handsfree-Mouse-Kits beispielsweise kön-nen selbstständig ihren Computer bedienen und eigenständig

lernen. So qualifizieren sie sich für den Arbeitsmarkt und kön-nen mit ihrem eigenen Einkommen ihre Lebensqualität verbes-sern und ihre Familien entlasten.

Die Zielgruppe für die Handsfree-Technologien setzt sich aus Menschen mit einer körperlichen Behinderung zusammen, die mit Bettlägerigkeit oder amputierten Gliedmaßen verbun-den sein können. Sie benötigen technologische Unterstützung, um in ihrem Alltag unabhängiger zu sein. Sie haben viele Be-dürfnisse, die der Markt mit der Entwicklung weiterer Techno-logien befriedigen kann.

Das Geschäftsmodell des Instituts basiert auf Ressourcen, die durch private Sponsoren beziehungsweise Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Sie spenden monatlich einen gewissen Betrag, um die Herstellung und Verteilung der Aus-rüstung zu finanzieren und die Kommerzialisierung des Ho-me-School-Projekts über Direktverkäufe und Bedarfsträger wei-ter zu fördern. //

Die Möglichkeit, Computer und Smartphones per Sprachsteuerung zu bedienen, gibt Quadriplegikern mehr Freiheit.

Eine inklusive Gesellschaft

Haben Sie je vom Handsfree-Institut gehört? Mit seiner Hilfe können Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen und Investoren können sie dabei unterstützen.

Autor: Pedro Guimarães, São Paulo

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PEDRO GUIMARÃESSÃO PAULO 23° 33 ‘ S , 46° 37 ‘ W

Der Autor ist Regional Director des Hands-free-Instituts und Partner bei Insyst Master Data Establishment Brasil.

~ SOCIAL IMPACT INVESTING ~

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Der Lac Des Brenets in der Schweiz ist im Sommer 2018 nahezu ausgetrocknet.

Daran kommt kein Investor vorbei

Der Klimawandel wird Staaten, Unternehmen und Gesellschaften entscheidend prägen. Um seine Folgen zu begrenzen, müssen mehrere Billionen Euro investiert werden, und so nehmen auch kohlenstoffarme Investitionen Fahrt auf.

Autor: Frédéric Samama, Paris

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Handelt es sich um einen normalen Sommer oder ein Zeichen des Klimawandels? Diese Frage beschäf-tigte hierzulande viele Menschen während der Hit-zewelle 2018. Der Klimawandel ist real, nicht nur

für Bewohner der untergehenden Inseln im Südpazifik; er wirkt sich auf alle Menschen aus und besonders auf Investoren.

Die Menschen stehen an einem Wendepunkt. Sie müssen mehrere Billionen Euro aufbringen, um den Risiken des Kli-mawandels zu begegnen. Einige Pioniere arbeiten bereits seit Jahren an Low-Carbon-Investments und entwickeln zusammen mit institutionellen Investoren Lösungen, um die Wirtschaft kohlenstoffarm (Low Carbon) zu machen. Noch ist es schwierig, das gesamte Portfolio auf Low Carbon auszurichten. Führen-de Investoren wollen jedoch entsprechende Investments zum Mainstream machen. Alle relevanten Akteure bemühen sich, die Risiken des Klimawandels in die Anlageprozesse zu integrieren. Dazu zählen insbesondere Regierungen, Zentralbanken, Börsen und institutionelle Anleger.

So fordert die französische Regierung beispielsweise mit dem Artikel 173 des Energiewendegesetzes, dass institutionelle Investoren Umweltaspekte und vor allem die Risiken des Klima-wandels berücksichtigen sowie darüber Rechenschaft ablegen. Die französischen Unternehmen arbeiten derzeit intensiv dar-an, das Reporting weiterzuentwickeln. Inzwischen übertreffen die Investoren einander mit Ideen für das beste Reporting, das früher oder später zu einem Standard verdichtet werden und als Richtschnur für internationale Regelwerke dienen kann. Ein weiteres Beispiel ist das kalifornische Gesetz SE-185, das die zwei größten staatlichen Pensionsfonds CalPERS und CalSTRS verpflichtet, alle Investitionen aus Kohle abzuziehen.

Auch die Zentralbanken machen Fortschritte. Nachdem Emmanuel Macron im Zuge der Weltklimakonferenz COP 21 den One Planet Summit organisiert hatte, haben diverse Zen-tralbanken Ende 2017 mit dem Central Banks and Supervisors Network for Greening the Financial System (NGFS) begonnen, das Finanzsystem zu ökologisieren. Das Netzwerk will Erfah-rungen austauschen, für die Bereiche Aufsicht und Makroöko-nomie Best Practices zum Umgang mit Klima- und Umweltri-siken erarbeiten und den Anteil von Green Finance erhöhen.

Zudem steigt auch das Engagement an den Börsen. Einige haben mit eigenen Handelssegmenten, der Entwicklung ent-sprechender Indizes sowie Transparenz- und Informationsini-tiativen wichtige Schritte zur Förderung dieses Marktsegments getan. Ein Beispiel dafür ist die 2016 gegründete Luxembourg Green Exchange, die erste Plattform, die ausschließlich grünen, sozialen und nachhaltigen Finanzinstrumenten gewidmet ist.

Den Zahlen auf der Website des Carbon-Disclosure-Projekts (CDP) vom Oktober 2018 zufolge beachten Investoren mit ei-nem Anlagevermögen im Wert von 100 Billionen US-Dollar kli-mabedingte Finanzrisiken. Selbst in den USA hält der positive Trend an, woran auch politische Hürden nichts geändert ha-ben. Die Folgen des Austritts aus dem Pariser Klimaabkommen durch Donald Trump und diverse weitere Ankündigungen, wie beispielsweise die Beschränkungen der CO2-Emissionen von US-Unternehmen zu lockern, hatten kaum Auswirkungen auf ›

~ CLIMATE INVESTING ~

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das Verhalten von Investoren. Wenn, dann scheinen die Aktio-nen von Trump eher das Gegenteil zu bewirken. So haben sich Low-Carbon-Investments weiter aus der Nische heraus entwi-ckelt und sind Investoren bei Projekten eingesprungen, bei der die Regierung den Rotstift angesetzt hat. Das US-SIF (Sustain-able Investment Forum) schätzt, dass in den USA bei Anlagen im Volumen von 8,7 Billionen US-Dollar auch ESG-Kriterien be-rücksichtigt werden. 2017 war dies dem Finanzdienstleister S&P Global zufolge immerhin jeder fünfte US-Dollar. Ein Teil davon kann auch als Low-Carbon-Investitionen eingestuft werden.

Was aus europäischer Perspektive oft übersehen wird, ist das starke strategische Engagement Chinas. So hat die Chine-sische Zentralbank eine „grüne“ Bankbewertung auf Makro-ebene eingeführt und es gibt ein Offenlegungsgesetz. Diesem zufolge müssen chinesische börsennotierte Unternehmen kli-marelevante Informationen publizieren. Seitdem die China-UK Green Finance Taskforce ihr Pilotprogramm zur Offenlegung klimabezogener Informationen bei Finanzinstituten angekün-digt hat, haben sich bereits zehn Institutionen aus China und Großbritannien freiwillig gemeldet. Chinesische institutionelle Investoren waren anfangs bei Klimainvestments zurückhaltend. Heute gibt es laut „Syntao Green Finance Report 2017“ jedoch 50 grüne Investmentfonds in China. Dank ihrer attraktiven Rendi-ten finden sie inzwischen auch die Beachtung institutioneller Investoren. Interessant ist zudem, dass Chinas Nationaler So-zialversicherungsfonds, der über ein Gesamtvermögen von 82 Milliarden US-Dollar verfügt, verantwortungsbewusste Anlagen jetzt als eines seiner vier Kernanlageprinzipien auflistet.

Gleichzeitig arbeiten Investoren und Asset Manager auf der ganzen Welt in diversen Initiativen zusammen, um Low-Carbon- Investments zu fördern. Damit wollen sie den Wissenstransfer und die Datengrundlage verbessern sowie Standards entwi-ckeln. So versucht beispielsweise das Montréal Carbon Pledge, den CO2-Fußabdruck von Aktienportfolios transparenter zu

machen und ihn langfristig zu reduzieren. Weitere wichtige Ini-tiativen sind die Portfolio Decarbonisation Coalition (PDC) und die Climate Action 100+, um nur einige zu nennen.

Darüber hinaus gewinnt auch das Aktionärsengagement an Bedeutung – sei es bei der Wahrnehmung von Stimmrechten auf der Hauptversammlung oder im Rahmen eines intensivier-ten Unternehmensdialogs. Immer wichtiger werden zudem Ak-tionärskoalitionen, die Beschlüsse zur Klimaschutzpolitik von Unternehmen unterstützten. Ein Beispiel ist die Aiming for A Coalition. Dieser Zusammenschluss von Aktionären versucht, die größten Versorger zu höheren Standards bei der Offenle-gung klimarelevanter Daten zu bewegen. Bemerkenswert ist auch eine Aktionärsinitiative auf der diesjährigen Hauptver-sammlung von Royal Dutch Shell. Dort wurde beschlossen, dass Shell die Führung innerhalb der Branche bei der Energiewende übernehmen und ein emissionsfreies Geschäftsmodell entwi-ckeln soll, das im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen und dem Zwei-Grad-Erwärmungsziel steht. Ergebnis ist, dass Shell die CO2-Emissionen bis 2050 halbieren und den Anteil er-neuerbarer Energien ausbauen will.

War der Klimawandel lange das Aktionsfeld von Umwelt-schützern, sollten sich jetzt auch Anleger für die Beschlüsse in-teressieren – und zwar nicht nur aus Imagegründen. Mindestens genauso wichtig ist, dass der Klimawandel nicht nur ökologi-sche und soziale Risiken birgt, sondern auch finanzielle. Gerade langfristig ausgerichtete Anleger sollten sich also mit Begriffen wie der „Kohlenstoffblase“ oder „Stranded Assets“ vertraut ma-chen, entsprechende Parameter in ihre Modelle einfließen las-sen und die Klimarisiken ihrer Anlagestrategie senken. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Verbrauch fossiler Energieträger weiter reguliert und teurer wird. Firmen, die viele Treibhaus-gase ausstoßen und über keine Strategien zu deren Reduktion verfügen, büßen früher oder später Erträge ein.

Vor allem drei Gründe sorgen dafür, dass Low-Carbon-Indi-zes an Bedeutung gewinnen. Erstens hat sich das Reporting von Unternehmen zu Klimarisiken und CO2-Emissionen verbessert. So können Indexanbieter, Asset Manager und Investoren die CO2-Effizienz von Unternehmen berechnen und in den Anla-geprozess einfließen lassen. Zweitens ist der Klimawandel ein finanzielles Risiko und auch CO2-Risiken beeinflussen Vermö-genspreise. Im Fokus stehen physische Risiken, wie Naturka-tastrophen, die immer häufiger auftreten. Zurückzuführen ist dies vor allem auf das Wetter. Naturkatastrophen führten im vergangenen Jahr zu rekordhohen Schäden im Volumen von 330 Milliarden US-Dollar, von denen ein großer Teil Munich-Re zufolge nicht versichert ist. Zweitens gewinnen Risiken an Bedeutung, die mit dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zusammenhängen. Wie eine Studie im Rahmen des World Economic Forum zeigt, verschieben sich auch die Präfe-renzen der Konsumenten. Der „Global Shapers Survey 2017“ zu-folge glauben besonders Millennials, dass der Klimawandel das wichtigste globale Problem ist und dass der Einzelne für dessen Lösung entscheidend ist. Drittens ergriff die Politik einige Maß-nahmen zur besseren Preisgestaltung für CO2. 40 Staats- und 25 Landes- beziehungsweise Regionsregierungen, die für 15 Pro-

zent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind, berech-nen inzwischen Preise für Kohlenstoff. Das zeigt ein Bericht der World Bank Group von 2017. Dass die Wirtschaft noch nicht auf höhere CO2-Preise vorbereitet ist, belegen folgende Zahlen: Von 500 Unternehmen, die von der Regulierung der CO2-Preise und Steuern betroffen sein werden, prognostizieren nur 15 Prozent einen steigenden CO2-Preis. Nachdem die Preise für CO2-Emis-sionszertifikate seit Mai 2017 um 310 Prozent und seit Jahresbe-ginn um 120 Prozent gestiegen sind, zeigt dies, welche Risiken bei den Unternehmen außer Acht gelassen werden.

Bisher bremsten drei Faktoren die Berücksichtigung von Klimarisiken. Erstens materialisieren sich Klimarisiken länger-fristig, während viele Anleger eine eher kurz- bis mittelfristige Perspektive haben. Zweitens erfordert das Management der Ri-siken eine entsprechende Expertise und drittens gab es bisher kaum skalierbare bedarfsgerechte Anlagelösungen. So ist es für professionelle Investoren selten möglich, CO2-intensive Bran-chen völlig auszuschließen, da sie dadurch erheblich von den gängigen Vergleichsindizes abweichen würden, an denen die Manager letztlich gemessen werden. Gesucht sind also Lösun-gen, die Vorteile haben, wenn neue Klimaziele festgeschrieben werden, und die auch kurz- und mittelfristig keine Nachteile ha-ben, wenn der Verhandlungsdurchbruch schleppend verläuft.

Man kann Aktien gegen Klimarisiken absichern, ohne zu stark von klassischen Benchmarks abzuweichen, das zeigt eine Kooperation von Amundi, dem schwedischen Pensionsfonds AP4, dem französischen FRR und MSCI. Das Ergebnis ist eine Low-Carbon-Indexfamilie auf Basis klassischer MSCI-Indizes, die sich auf den CO2-Ausstoß und Stranded Assets konzentriert. Durch den Ausschluss besonders belasteter Titel und die Neuge-wichtung werden CO2-Emissionen und die Intensität der fossi-

len Rohstoffreserven in den Bilanzen rund halbiert. Beim MSCI World Carbon Leaders Index werden beispielsweise die 20 Pro-zent der größten CO2-Emittenten ausgeschlossen und gleichzei-tig ein Maximum von 30 Prozent pro Branche nicht überschrit-ten. So wird eine zu starke Abweichung vom Standardindex vermieden. Bis zu einem Maximum von 50 Prozent werden zudem Unternehmen mit den größten fossilen Rohstoffreser-ven ausgeschlossen. Trotz der eher längerfristigen Ausrichtung der Low-Carbon-Strategien haben sie sich bisher etwas besser entwickelt als ihre traditionellen Indizes. Der Tracking Error zu vergleichbaren Standard-Indizes liegt unter einem Prozent.

Die Index-Methode vereint einige Vorteile. Erstens unter-scheiden sich die Renditeerwartungen im Vergleich zu entspre-chenden herkömmlichen Indizes nicht – und zwar so lange, bis die CO2-Verschmutzer effektiv aufgrund neuer Regularien oder sonstiger Entwicklungen an den Kapitalmärkten unter Druck geraten. Sollte sich das Klima wider Erwarten doch nicht wei-ter ändern, weicht die Renditeerwartung dank des minimalen Tracking Errors kaum von der der klassischen Benchmark ab. Andernfalls sollten die Investoren mit einer Outperformance rechnen können. Gleichzeitig erreichen die Anleger eine Sen-kung der CO2-Intensität ihres Portfolios von rund 50 Prozent.

Zweitens bezieht sich diese Methode auf alle Unternehmen, die von Klimarisiken betroffen sind. Sie steht damit im Gegen-satz zu Ansätzen, die sich nur auf die nächste grüne Technologie konzentrieren. Alles in allem unterscheidet sich die Low-Car-bon-Methode von kapitalisierungsgewichteten Indizes nur da-rin, dass der Risikofaktor CO2 reduziert wird. Branchen- und Ländergewichtungen bleiben unverändert. Für professionelle Investoren ist zudem wichtig, dass die Low-Carbon-Methode mit einem zugrundeliegenden Markt von 14 Billionen US-Dollar skalierbar ist. Dank der Transparenz des Ansatzes werden au-ßerdem bei den Unternehmen innerhalb ihrer Branche Anreize für Innovationen beim Klimaschutz und dessen Risikomanage-ment gesetzt. Welches Unternehmen möchte schon aufgrund einer unzureichenden Klimastrategie aus dem Index fallen?

Low-Carbon-Investments mögen nicht die Wunderwaffe gegen den Klimawandel sein. Sie drehen aber an den richtigen Stellschrauben und fördern die Innovationskraft vieler Unter-nehmen. Zudem können Investoren von Fehlbewertungen mit Blick auf den Klimawandel profitieren.

Die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten ist einer der vier Grundpfeiler der Amundi-Geschäftsstrategie. In-vestmentprodukte in allen Anlageklassen, also Aktien, Renten und Sachanlagen, sollen verbessert und verschiedene Stakehol-der sollen mit Investoren zusammen gebracht werden. //

Seit Mai 2017 sind die Preise für CO2-Emissionszertifikate um 310 Prozent gestiegen.

FRÉDÉRIC SAMAMAPARIS 48° 51 ‘ N, 2° 21 ‘ O

Der Autor ist Co-Head of Institutional Clients Coverage bei Amundi. Zuvor arbeitete er unter anderem bei JP Morgan.

DER PREIS FÜR EMISSIONSZERTIFIKATE STEIGT DYNAMISCH

CO2-EMISSIONEN

Steuern: Die Zahl der Länder,

die Steuern auf CO2-Emissio-

nen erheben, steigt. Zudem

wurde die europäische Emissi-

onshandelsrichtlinie Anfang

2018 mit dem Ziel höherer

Emissionspreise novelliert.

Subventionen: Fossile

Energien werden mit einem

dreistelligen Milliarden-Euro-

Betrag subventioniert. Die

Streichung dieser Subventi-

onen würde den Energiever-

brauch senken.

STRANDED ASSETS

Bewertung: Die Bewertung

von Energieunternehmen

stützt sich vor allem auf deren

Energiereserven.

Budgetverletzung: Das in den

Energiereserven gebundene

CO2 übersteigt das durch das

Zwei-Grad-Erwärmungsziel

vorgegebene Budget. Da nicht

alle Reserven genutzt werden

können, sind Abschreibungen

die Folge.

ZWEI KLIMARISIKEN IM FOKUS

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1/2017 7/ʼ2017 7/2018 10/20181/2018

~ CLIMATE INVESTING ~ ~ CLIMATE INVESTING ~

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Wir haben alle unsere Vorstellung vom „Hid-den Champion“: Im schwäbischen Hinterland tüftelt er an Produkten bester Qualität und vertreibt sie unter dem Radarschirm der allge-

meinen Wahrnehmung höchst erfolgreich in alle Welt. Es gibt sie nicht nur im süddeutschen Raum, sie sind in ganz Europa zu finden. Immer wieder einmal trauen sich einige von ihnen und gehen an die Börse. Dann werden sie interessant für Investoren.

Die wenigsten Anleger kennen diese Unternehmen, obwohl sie in ihrer Branche häufig Marktführer sind; wie der finnische Spezialist für Anlagenbau zur Mineralförderung, der Produzent von Hightech-Oberflächen aus dem Saarland, oder der norwe-gische Entwickler von Pfandautomaten. Europäische Small und Mid Caps bilden zusammen ein investierbares Universum von

mehr als 1.000 Einzeltiteln – und bieten damit die Chan-ce, wirklich diversifiziert zu investieren. Allein

der Sektor „Industrial Goods and Services“ innerhalb des Marktsegments setzt sich

aus vielen unterschiedlichen Seg-menten zusammen – vom klassi-

schen Werkzeugmaschinenbau-er über Bezahldienste bis hin zum Verpackungshersteller für die Systemgastronomie.

Ihre klaren Geschäfts-modelle steigern die Perfor-mance vieler Small und Mid Caps. Als Marktführer in ihrer Nische haben sie eine

gute Verhandlungsposition, sind weniger dem Preiswett-

bewerb ausgesetzt und erzielen daher gute Margen. Zudem sind

Small und Mid Caps sehr flexibel. Das ermöglicht ihnen, schnell auf Markt-

trends und konjunkturelle Schwankungen zu reagieren. Nicht zuletzt profitieren viele dieser

Nischenplayer von Megatrends, also großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen, die sich immer stär-ker ausbreiten. Im Gegensatz zu den USA, wo Großkonzerne wie Facebooks, Amazon und Apple die Zukunftstechnologien dominieren, werden in Europa Technologietrends vor allem von spannenden Nebenwerten getrieben – beispielsweise im 3D-Druck, bei der Elektromobilität, in der Robotik, aber auch in der personalisierten Medizin, beim autonomen Fahren und im Internet der Dinge. Oft sind es kleine bis mittelgroße Unterneh-men in Europa, die hier eine führende Rolle einnehmen.

In den Depots vieler Investoren haben Nebenwerte jedoch bei Weitem nicht den Stellenwert, den sie haben könnten. Das belegt eine Axa-Umfrage von 2017: Demnach investieren zwar 80 Prozent der weltweit befragten Anleger in Small- und Mid-Cap-Aktien. Doch die Allokation liegt mit sechs bis zehn Prozent deutlich unter dem 20-Prozent-Anteil dieses Segments an der Kapitalisierung aller europäischen Aktien. Zu ihrem Vor-teil ist das nicht, denn die Beimischung von Nebenwerten ver-

bessert das Rendite-Risiko-Profil eines breiten Aktienportfolios. So lag die durchschnittliche jährliche Rendite der Nebenwerte gemessen am Stoxx Europe TMI Small zwischen Januar 2000 und August 2018 bei 7,34 Prozent. Der Stoxx Europe 50 konn-te gerade einmal mit 0,64 Prozent aufwarten. Zwar waren die Kursverluste bei Small und Mid Caps in Krisenzeiten wie den Jahren 2008 und 2011 häufig stärker als bei Large Caps. Ein Blick auf die weitere Entwicklung zeigt aber auch, dass sich die Ne-benwerte danach wieder schneller erholt haben.

Entgegen einer verbreiteten Annahme müssen Small und Mid Caps dabei auch den Vergleich der Volatilität nicht scheu-en: Diese lag in dem gleichen Zeitraum seit Anfang bis Ende August 2018 bei 16,67 Prozent jährlich sogar deutlich unter der Large-Cap-Volatilität von über 20 Prozent pro Jahr. Anleger soll-ten sich also überlegen, strategisch vorzugehen und langfristig Nebenwerte als festen Bestandteil in ihr Depot aufzunehmen.

Das Alpha-Potenzial der Marktführer aus der zweiten Rei-he liegt vor allem in der Informationsineffizienz ihres Börsen-segments. Je niedriger die Marktkapitalisierung einer Aktie ist, desto weniger Analysten und Investoren beobachten sie und desto weniger Informationen zu den Titeln sind verfügbar. Ak-tive Manager können die Ineffizienz des Nebenwerte-Segments nutzen und ihre Stärken ausspielen, indem sie zum Beispiel das Management der Unternehmen regelmäßig treffen und sich ein direktes Bild von den Vorgängen in den Unternehmen und der Branche machen.

Aktives Management profitiert darüber hinaus davon, dass sich die Kurse der Einzeltitel im Nebenwerte-Universum sehr unterschiedlich entwickeln. Diese Eigenschaft einer Assetklasse nennt sich auch Dispersion. Je höher die Dispersion ist, des-to größer ist das Potenzial, mit aktiven Anlageentscheidungen Überrendite zu erzielen. Nur Anlagestrategien mit einem hohen Active Share sind in der Lage, die Vorteile der Informationsinef-fizienz und der hohen Dispersion bestmöglich zu nutzen. Der

Active Share zeigt, wie stark ein Portfolio von seinem Vergleichs- index abweicht. Je stärker der Portfolio-Manager Freiheitsgra-de nutzt und seinen Überzeu-gungen folgt, desto größer ist diese Abweichung. Ein wesent-licher Performance-Faktor ist nicht zuletzt die Kompetenz des Asset Managers bei der Einzel-titelauswahl. Um der Größe des Anlageuniversums, der gerin-gen Informationseffizienz so-wie den vielfältigen Geschäfts-modellen gerecht werden zu können, erfordert es erfahrene Manager, spezialisierte Prozes-se und ausreichend Ressourcen.

Aus Anlegerperspektive freilich ist die Entscheidung für eine strategische Assetallokati-

on in Small und Mid Caps der wichtigste Performancetreiber. Mit einem mittel- bis langfristigen Anlagehorizont investiert zu sein, verspricht einen weitaus größeren Wertbeitrag, als sich in Market Timing zu versuchen und den vermeintlich günstigsten Einstiegszeitpunkt abzuwarten. Das zeigt eine einfache Rech-nung: Wer bei europäischen Nebenwerten zwischen Januar 2000 und August 2018 nur die zehn besten Börsentage verpasste, kam in dieser Zeit auf eine Wertentwicklung von 127 Prozent. Wer hingegen dauerhaft investiert war, erzielte insgesamt 276 Prozent und damit mehr als doppelt so viel. In der Praxis hat sich daher die Kombination aus strategischer Allokation und aktivem Portfolio-Manager als die erfolgversprechendste Vari-ante erwiesen, um Investoren das Alpha-Potenzial der Hidden Champions dauerhaft zu erschließen.

Für ein strategisches Investment sprechen zwei weitere Per-formancetreiber: Zum einen sorgt die potenzielle Übernahme von Small und Mid Caps immer wieder für Kursfantasie, denn die von Käufern gezahlten Übernahmeprämien bewegen sich in der Regel zwischen 20 und 50 Prozent. Und zum anderen kommt es immer wieder vor, dass Small und Mid Caps im Zuge ihres Wachstums in einen Auswahlindex aufgenommen wer-den oder in einen höheren Index aufsteigen. Jüngstes Beispiel ist der Bezahldienst Wirecard, der September 2018 in den Dax aufgestiegen ist. Wer im richtigen Moment dabei sein will, muss bereits strategisch investiert sein. //

Small und Mid Caps sind häufig Marktführer in

den unterschiedlichsten Branchen – von Bezahl-

diensten bis hin zum Verpackungshersteller für

die Systemgastronomie.

52 GL BAL INVESTOR 01 2019

~ SMALL CAPS ~~ SMALL CAPS ~

01 2019 GL BAL INVESTOR 53

DR. GÖTZ ALBERTFRANKFURT AM MAIN 50° 6 ‘ N, 8° 40 ‘ O

Als Partner bei Lupus alpha leitet Dr. Götz Albert das Portfolio Management Small & Mid Caps.

Keine Frage des Timings

Mit einer strategischen Allokation und aktivem Manage- ment können Investoren das Alpha-Potenzial europäischer Nebenwerte am besten ausschöpfen.

Autor: Dr. Götz Albert, Frankfurt am Main

Europäische Nebenwerte schneiden langfristig besser ab als Large Caps.

Prozent

Que

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2016 2018

120

100

105

115

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95

PERFORMANCE VON SMALL UND MID CAPS

Stoxx Europe 50 Stoxx Europe TMI Small

201220102004 2006 20082002 20142000

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sequent die Aufteilung ihrer Vermögen in Kern- und Satelli-tenportfolios vorantreiben und weiterentwickeln. 48 Prozent sehen in passiven Lösungen eine Möglichkeit, den Kern-Satel-liten-Ansatz in der Vermögensallokation zu verbessern – mit einer klaren Trennung zwischen Alpha und Beta und ihren jeweiligen Gebührenstrukturen. Die Kernstrategien suchen dabei Markt-Renditen über passive Investmentansätze. Sie kon-zentrieren sich auf tiefe liquide Märkte, die aufgrund ihrer ho-hen Informationseffizienz kaum zu schlagen sind. Die darum herum positionierten Satellitenstrategien suchen Alpha über aktive Strategien. Sie zielen darauf ab, Managementfähigkeiten zu nutzen, um überdurchschnittliche Renditen zu erzielen. Sol-che Strategien konzentrieren sich auf Märkte, die volatil und unberechenbar sind, mit geringer Informa-tionseffizienz und Liquidität. Diese klare Aufteilung zwischen Kern- und Satelli-ten-Portfolio ist auch darauf zurück-zuführen, dass die Pensionsfonds keine Alpha-Gebühren für Be-ta-Performance mehr zahlen wollen.

Dadurch rücken die Passi-ven zunehmend ins Zentrum der Buy-and-Hold-Portfolios der Pensionsfonds und die Haltedauern verlängern sich tendenziell. Die Produktgrup-pen unterscheiden sich deut-lich: Während traditionelle Indexfonds von 80 Prozent der Befragten für mehr als zwei Jahre im Depot gehalten werden, verblei-ben ETFs nur bei 45 Prozent so lange im Bestand. Doch bei beiden dürfte die Halte-dauer einzelner Produkte wachsen, sagen 29 Pro-zent der Investoren von Indexfonds und 25 Prozent der Nutzer von ETFs. Die kürzere Verweildauer der ETFs liegt freilich an ihren Eigenschaften. Sie ermöglichen es Anlegern, das Anla-geuniversum feinteilig zu segmentieren, um bestimmte Themen über den Marktzyklus hinweg zu verfolgen. Darüber hinaus bie-ten sie die Liquidität und Transparenz innerhalb eines Tages, wodurch dynamisch angelegt und auf unvorhergesehene Ereig-nisse reagiert werden kann.

Darüber hinaus sehen 25 Prozent der Befragten in den Pas-siven ein Vehikel für eine globale Vermögensdiversifikation, um von der Wachstumsdynamik bestimmter Länder oder bestimm-ter Themen zu profitieren. Sie machen eine Managerauswahl und höhere Gebühren überflüssig und bieten gleichzeitig Liqui-dität in Stressphasen. In der Vergangenheit ging es bei der Di-versifikation vor allem um die Risikominimierung. Jetzt geht es auch um Renditemaximierung. Das Mischen von Passiven und Aktiven ermöglicht das dynamische Investieren, bei dem ver-schiedene Stile in verschiedenen Marktphasen gemischt wer-den, um Risikoprämien zu erzielen.

Nicht zuletzt begünstigt auch das wachsende Interesse an

Smart Beta, Faktor-Strategien, ESG (Environment, Social, Go-vernance) und anderen thematischen Strategien das weitere Wachstum passiver Anlagekonzepte. So sehen 48 Prozent der Befragten die Welt des Investierens nicht mehr als binär: aktiv gegen passiv. Um die Nachteile der beiden Stile zu vermeiden, favorisieren sie vermehrt einen dritten Weg: eine systematische regelbasierte Anlage, die die Vorteile beider kombiniert. Smart Beta zeigt, das die Passivität in Richtung spezifischer Faktorprä-mien wie Wert, Größe, Qualität und geringe Varianz wandert. 41 Prozent der Befragten sehen passive Produkte zudem als kos-tengünstigen Weg, Themen wie ESG in ihren Portfolios abzude-cken, die schwer zu modellieren sind, weil sie erst seit Kurzem

ernst genommen werden, etwa der Klimawandel. Es gibt derzeit eine Welle von Innovationen rund

um ESG-basierte Smart-Beta-Strategien, die das ESG-Universum nach den Be-

dürfnissen der Investoren segmen-tieren. ESG-Screens werden ins-

besondere bei Investitionen in Schwellenländern eingesetzt, in denen sich die Governan-ce-Standards deutlich unter-scheiden.

Trotz des anhaltenden Wachstums passiver Strate-gien erwarten die befragten Pensionsfonds nicht, dass

dies die Rolle der Märkte bei der Preisfindung untergraben

könnte. Um dies zu erreichen, müsste der Anteil der Passiven an

den globalen Vermögenswerten von derzeit rund 25 Prozent wohl über 60

Prozent steigen, so die aus zusätzlichen Ex-perteninterviews hervorgehende Einschätzung.

Einige der Interviewten argumentierten auch, dass es hier gar nicht auf den Anteil der Passiven ankommt. Es wird immer ak-tive Investoren auf dem Markt geben, die als Schnäppchenjäger auftreten, sobald Aktien stark über- oder unterbewertet sind. Entscheidend für die Preisbildung ist also das Handelsvolumen, nicht die Größe der Vermögensbasis – die Preise werden im Handel gesetzt. Man könnte sagen, dass aktives und passives Investieren nur gemeinsam funktioniert, als eine Art Yin und Yang der Märkte. Die eine Seite schafft durch aktives Handeln die Effizienz, damit die andere den Markt nach festen Regeln abbilden kann. //

Investoren kombinieren Aktiv und Passiv

Geht der Aufstieg passiver Fonds auf Kosten der Bedeutung aktiver Strategien? Pensionsmanager bewerten das differenziert, denn sie erkennen die Stärken beider Ansätze.

Autor: Eric Wiegand, Frankfurt am Main

ERIC WIEGANDFRANKFURT AM MAIN 50° 6 ‘ N, 8° 40 ’ O

Der Autor leitet seit 2015 die Xtrackers ETF Strategie Europa & Asien der DWS. Zuvor war er Produktspezialist bei Deutsche AWM.

Das passive Portfolio von Pensionsfonds weltweit dürfte bis zum Ende dieser Dekade mit einer jähr-lichen Rate von durchschnittlich sechs Prozent wachsen – derzeit beläuft sich der Anteil passiver

Strategien in ihren Portfolios auf rund 32 Prozent. Das ergibt sich aus einer weltweit durchgeführten Befragung des briti-schen Marktforschungsinstituts Create. In ihrem Rahmen wur-den Vertreter von 153 Pensionsfonds in 25 Ländern über ihre Haltung zu passiven Anlagen wie Indexfonds, Spezialfonds oder ETFs befragt. 42 Prozent von ihnen denken, dass passi-ve Produkte zu einem festen Bestandteil in Portfolios werden, und mehr als sechs von zehn glauben, dass passive und aktive Anlagen in einem breit diversifizierten Portfolio künftig eine gleichberechtigte Rolle einnehmen. Demgegenüber geht gerade einmal jeder zehnte Investor davon aus, dass passive Produkte aktive Anlagekonzepte gänzlich ersetzen werden.

Dieses Wachstum beruht zwar auch darauf, dass viele ak-tive Produkte im laufenden Jahrzehnt ihren Vergleichsindex nach Abzug der Gebühren übertreffen konnten, doch zugleich haben passive Fonds überproportional von der Preisdynamik profitiert, die sich aus der extrem lockeren Geldpolitik der No-tenbanken im Zuge der Finanzkrise ergeben hat. Das Funda-ment des Investierens – lange definiert durch Begriffe wie Fair Value, Zeitprämie, Risikoprämie, Diversifikation – ist mit der Liquiditätsflut an den Märkten allmählich erodiert. Doch dieser Rückenwind lässt nach. Die US-Notenbank setzt ihren Zinser-höhungszyklus fort und führt ihre Bilanz zurück. Die Europäi-sche Zentralbank und die Bank of England dürften bald folgen. Nur zwölf Prozent der Befragten erwarten, dass die Geldpolitik die Bewertungen bis zum Ende des Jahrzehnts verzerren wird.

Je nach Marktzyklus haben sich Trends in der Vergangen-heit immer wieder umgekehrt – einmal taten sich aktive Stra-

tegien schwerer, dann wieder passive. Im aktuellen Zyklus konnten aktive Fonds ihre Stärke nicht ausspielen, die sie in fallenden Märkten haben: Während sie konzeptionell Verluste begrenzen können, müssen passive Produkte jeden Marktzyk-lus in vollem Umfang mitgehen. Und so können sich immerhin 35 Prozent der von Create Befragten vorstellen, dass passive Anlagekonzepte unbeliebter werden, wenn aktive Fonds wieder besser abschneiden. Allerdings dürfte der Umschwung nicht so weit gehen, dass alle in diesem Jahrzehnt erzielten Marktanteils-gewinne wieder rückgängig gemacht werden. Die Mehrheit der Investoren geht im Gegenteil davon aus, dass der Aufstieg der Passiven anhalten wird. Es gibt diverse Faktoren, die für passive Anlagen und die eingangs prognostizierte anhaltende Wachs-tumsdynamik sprechen.

So hat die über Jahre dominante Geldpolitik zu einem Um-feld nachhaltig niedriger Renditen geführt. Mehr denn je wird die Wertschöpfung der Asset Manager deshalb von den Gebüh-ren abhängen. Das Kalkül der Investoren: In einem Marktum-feld, das fünf Prozent Rendite verspricht, entsprechen ein Pro-zent Gebühren immerhin 20 Prozent der potenziellen Rendite. Und so sehen 61 Prozent der Befragten in passiven Strategien eine kostengünstige Alternative, und 58 Prozent sehen folgerich-tig die Gebühren als einen der wesentlichen Wachstumstreiber für passive Anlagekonzepte. Passive Strategien, so sagen sie, mi-nimieren zudem die Risiken einer schlechten Managerauswahl, verbunden mit Stilabweichungen und damit einhergehend ver-steckten Kosten übermäßiger Handelsaktivität.

55 Prozent der Befragten sind zudem überzeugt, dass die Wertentwicklung überwiegend auf die strategische Asset Al-location zurückzuführen ist, und weniger auf die Einzeltitelaus-wahl. Auch diese Sichtweise begünstigt das weitere Wachstum passiver Konzepte in ihren Portfolios, weil die Investoren kon-

PASSIVE ANLAGESTRATEGIENKOSTENEFFIZIE

NZ

AKTIVE ANLAGESTRATEGIEN

FLEXIBILITÄT

~ AKTIVE UND PASSIVE STRATEGIEN ~ ~ AKTIVE UND PASSIVE STRATEGIEN ~

54 GL BAL INVESTOR 01 2019 01 2019 GL BAL INVESTOR 55

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Mobil dank Digitalisierung

Durch die Urbanisierung verdichten sich viele große Städte immer weiter. Das verursacht Probleme, doch das Konzept der Smart City kann sie lösen. Dabei spielen Parkhäuser eine besondere Rolle.

Autor: Philippe op de Beeck, Stuttgart

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Metropolen haben ein Platzproblem. Menschen, die dorthin ziehen, brauchen Wohnungen und Arbeitsplätze. Gleichzeitig werden die Einwoh-ner mobiler; neue Straßen müssen gebaut wer-

den, um den Verkehrskollaps zu verhindern. Zunächst erscheint es Stadtentwicklern plausibel, unter diesem Druck den Indivi-dualverkehr zurückzudrängen. Wo heute Parkhäuser stehen, könnten dann Wohnungen oder Büros gebaut werden und Stra-ßen würden spürbar entlastet. Der öffentliche Personennahver-kehr (ÖPNV) übernähme dann den Transport der Menschen. Dieser Ansatz ist zu kurzfristig gedacht, denn das Bedürfnis der Stadtbewohner, sich individuell fortzubewegen, bleibt bestehen. Deswegen gibt es bereits heute viele neue Mobilitätskonzepte, etwa das Carsharing. Damit ist es nicht mehr essenziell, ein ei-genes Auto zu besitzen, doch der ÖPNV ist nur ein Element von vielen, die miteinander vernetzt werden müssen. Die Digitalisie-rung ermöglicht das und gehört damit zu den Voraussetzungen der Smart Mobility, einem Aspekt der Smart City.

Bei näherem Hinsehen sind intermodale Verkehrsketten das smartere Verkehrskonzept. Pendler beispielsweise können mit dem eigenen Auto zum Parkhaus am Stadtrand fahren, die S-Bahn zu einem Verkehrsknotenpunkt in der Stadt nehmen und von dort aus mit einem Leihrad, E-Bike, oder per Carsha-ring zum Arbeitsplatz fahren. Diese Möglichkeiten können be-liebig kombiniert werden. Eine Smartphone-App hilft, das zu koordinieren. Je vielfältiger die Angebote sind und je besser die Schnittstellen verwaltet werden, desto besser werden die Be-dürfnisse der Menschen erfüllt.

Diese Überlegungen sind relevant für Immobilieninvesto-ren, denn auch Mobilität erfordert Flächen. Für den ruhenden Verkehr sind das Parkplätze am Straßenrand, Parkhäuser und Tiefgaragen. Auch eine Smart City wird diese Flächen brauchen – die Anforderungen werden allerdings höher sein, denn immer mehr Fahrzeuge werden elektrisch angetrieben und brauchen Ladestationen. Perspektivisch wird es auch immer mehr au-tonom fahrende Autos geben, die adäquate Parkplät-ze brauchen. Gerade das Carsharing braucht zentrale Stationen; das ist auch eine Voraus-setzung für das Konzept der intermodalen Verkehrsketten insgesamt. Eines Tages dürften auch Lande- und Umsteige-plätze für Lufttaxis gefragt sein. Nicht zuletzt suchen Stadtlogistiker zentrale Flächen, um den Warentransport auf den letzten Metern zu organisieren. Parkhäuser haben an dieser Stelle eine große Zukunft – als Mobility Hubs.

Investmentunternehmen haben die vielen Potenziale von Parkhäusern bereits erkannt und Fonds für diese speziellen Immo-bilien aufgelegt. Es gibt viele Möglichkeiten: Parkflä-chen gehören zu Büro- und Wohnimmobilien, Kaufhäusern, Shoppingzentren, Flughäfen, Bahnhöfen, Eventlocations, Ho-tels, oder Krankenhäusern. Mithilfe der Digitalisierung wer-den aus Stellflächen Dienstleistungsangebote, die zusätzliche Services anbieten. Beispiele dafür sind Vorab-Reservierungen oder Ladestationen für E-Fahrzeuge. Schon heute haben mo-derne Parkhäuser keine Schranken mehr, Fahrer müssen keine Tickets mehr ziehen und sich auch nicht mehr am Kassenauto-maten anstellen, denn abgerechnet wird automatisch.

Damit man diese Potenziale ausschöpfen kann, muss sich viel ändern. In Deutschland betreiben Eigentümer ihre Park-häuser meist noch in Eigenregie und wissen wenig über die pro-fessionelle Vermarktung ihres Besitzes, besonders im Hinblick auf neue Nutzungskonzepte. Im Parkhaus der Zukunft werden komplexe Dienstleistungen erbracht, hinter denen spezialisierte Anbieter und ein breites Kooperationsnetzwerk stehen müssen. Nur so können Parkhäuser sich von Garagen zu Mobility Hubs entwickeln. Partner aus der Energiewirtschaft können etwa den Ausbau von Ladesäulen für Elektroautos unterstützen; Auto-hersteller können standardmäßig RFID-Chips (radio-frequency identification-Chips) verbauen, damit Autos kontaktlos in Park-häuser einfahren und sie wieder verlassen können. Sinnvoll

sind zudem Kooperationen mit Carsharing- und Leihrad-Anbie-tern, Logistik-Dienstleistern oder dem ÖPNV.

Hinter diesen Services muss eine offene und skalierbare Plattform wie Apcoa Flow stehen. Über die Plattform können schnell zusätzliche Dienste für Parkhausnutzer eingeführt und neue Kooperationspartner aufgenommen werden. Sie ermög-licht die komplexe Koordination der vielen Anbieter und Nut-zer. Autofahrer werden heute schon zum nächsten Parkhaus navigiert und können in einigen bereits ohne Tickets ein- und ausfahren, da die Gebühr automatisch abgerechnet wird.

Die Digitalisierung kann helfen, große Parkhäuser und klei-nere Stellflächen wirtschaftlich zu vermarkten. Firmenparkplät-ze etwa können nachts oder an Wochenenden anders genutzt werden; professionelle Parkraumbetreiber wie Apcoa finden Lösungen dafür. Diese Flächen nicht zu nutzen wird in den Bal-lungsräumen künftig kaum noch vorstellbar sein.

Die Entwicklung zum Mobility Hub wird der Immo-bilienwirtschaft den Wert der Spezialimmobilie

Parkhaus noch stärker vor Augen führen; für Ballungsräume mit ihrem knappen Flächen-

angebot gilt das umso mehr. Mobility Hubs sind hier unverzichtbar und müs-sen effizient betrieben werden, da das Angebot an zentralen Flächen so knapp ist. Deswegen müssen sämtliche Mög-lichkeiten zur Monetarisierung genutzt und Services mithilfe von Datenanaly-sen laufend verbessert werden.

Ohne digital unterstützte Mobilität wird der Verkehr in den wachsenden Städ-

ten bald nicht mehr beherrschbar sein. Stadt-planer müssen sich schnell mit den Möglichkei-

ten der Digitalisierung vertraut machen – auch um die urbane Mobilität ökologischer zu gestalten und die Lebens-

qualität der Bewohner zu steigern. Es gibt bereits jetzt digitale Navigationslösungen, die die Lärm- und Luftbelastung durch den Parksuchverkehr senken. So werden weniger Emissionen ausgestoßen und die Autofahrer sparen Zeit.

Beispiele wie das Taxi-Management von Apcoa am Flugha-fen Arlanda in Stockholm zeigen schon heute, wie Verkehrsab-läufe reibungslos gestaltet und CO2-Emissionen gesenkt werden können. Anleger, die Investitionschancen rund um die Trend- themen Nachhaltigkeit und Urbanisierung suchen, sollten sich daher mit dem Investment „Parken“ beschäftigen, besonders in Verbindung mit professionellem Parkhausmanagement. //

Parkhäuser und Parkplätze werden künftig mehr sein als bloße Stellflächen.

56 GL BAL INVESTOR 01 2019

~ SMART CITY ~

01 2019 GL BAL INVESTOR 57

PHILIPPE OP DE BEECKSTUTTGART 48° 46 ‘ N, 9° 10 ‘ O

Der Autor ist CEO bei der Apcoa Parking Holdings GmbH. Vorher arbeitete er unter anderem bei der Compass Group.

PARKHÄUSER HABEN IN

DER SMART CITY ALS MOBILITY HUBS

EINE GROSSE ZUKUNFT.

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Rendite mit Stradivari

Investoren können zweifach von einer Anlage in historische Streichinstrumente profitieren – als Anleger und als Mäzene.

Autor: Christian Reister, Bedburg

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Zielorientierte Investments generieren zielorientierte Vermögen, „purpo-se-driven Investments“ ist einer der globalen Trends, der jüngst in einer

großen Studie der UBS zum Investitionsver-halten von Family Offices beschrieben wur-de. Getragen wird er im Wesentlichen von der jüngeren Mandantengeneration, die kri-tischer und bewusster mit ihren Kapitalanlagen umgeht als ihre Eltern, und zumindest Teile ihres Vermögens nicht mehr nach Renditekriterien allein allokiert.

Sustainability etwa ist ein großes Thema. Seit ge-raumer Zeit wird die Öffentlichkeit sensibler dafür und damit steigt auch die Nachfrage nach entsprechenden Anlagen. Viele Privatleute, Stiftungen und gemeinnützi-ge Institutionen lehnen es mittlerweile ab, ihr Geld in Unternehmen zu investieren, die Waffen herstellen, von Kinderarbeit profitieren, deren Produktionsprozesse Menschen und Umwelt schädigen. Da fast zwei Drittel der Erbengeneration UBS zufolge innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre über hohe Ver-mögen verfügen werden, werden ziel- orientierte Investitionen die Vermö-gensverwaltung künftig zunehmend prägen. Mehr als ein Drittel der Fa-mily Offices weltweit ist bereits in Impact Investing engagiert. Rund 40 Prozent der befragten Family Offices erwarten, dass die nächste Generation der Vermögensinhaber ihre Allokationen für Impact- und ESG-Investitionen (Environment, Social, Governance) deutlich erhö-hen wird.

Geld zu verschenken haben je-doch auch die Erben der Hochvermögen-den nicht. Purpose-driven Investments müssen sich rechnen, obwohl Rendite-maximierung nicht das Credo dieser Investmentphilosophie ist. Sie basiert vielmehr auf der Ein-sicht, dass man den Wert einer Vermögensanlage nicht nur nach ökonomischen, sondern ebenso nach ethischen Ge-sichtspunkten bestimmen kann. Insofern gehört auch eine weitere, auf den ersten Blick exotische Anlageklas-se in das Universum zielori-entierter Investments: histo-rische Streichinstrumente.

Dabei handelt es sich um eine wertstabile Sachanlage mit attraktiven Investment Cases. 2017

erschien die 17. Auflage von Albert Fuchs’ „Taxe der Streichinstrumente“. Sie dokumentiert einen durchschnittlichen Wertzuwachs hochklassiger

Streichinstrumente zwischen fünf und acht Prozent jährlich. Die Renditerechnung basiert auf einem Vergleich der Verkaufspreise seit der

ersten Auflage von 1907. Die wertvollsten Instru-mente stammen dabei aus den Werkstätten italienischer Geigenbaumeister. Antonio Stradivari und Giuseppe Gu-arneri del Gesú sowie Nicolò Amati und Giovanni Battista Guadagnini, um nur ein paar zu nennen, sind die unan-gefochtenen Meister ihrer Zunft. Ihre Produkte ähneln den Gemälden alter Meister. Sie genießen eine permanent hohe Wertschätzung in Künstlerkreisen und wurden schon zu ihrer Entstehung im 18. Jahrhundert zu Spitzen-preisen gehandelt. Heute kann man ein einzelnes Instru-ment direkt kaufen, oder sich über eine Eigentümerge-meinschaft oder mittels eines Fonds beteiligen.

Geiger, Bratschisten und Cellisten haben sich längst damit abgefunden, dass sie die Instrumente

selbst nicht finanzieren können. Vermö-gende Mäzene kompensieren das, indem

sie sich bereit erklären, Künstler zu fördern. Tatsächlich sind die meis-ten historischen Streichinstrumente heute in den Händen musikaffiner Mäzene. Das können Familien, Stiftungen oder Unternehmen sein. Von dort werden sie jungen, schon arrivierten Solisten auf Jahre und

meist kostenfrei zur Verfügung ge-stellt. Zum Mäzenatentum gehört auch die Freude, das eigene Instru-ment in Konzerthäusern weltweit

erklingen zu hören, und das Bewusst-sein, die Karriere talentierter Musiker zu fördern.

Stradivari ist und bleibt in diesem Seg-ment auf absehbare Zeit das Maß der Din-

ge. Die Instrumente werden bis heute fast genauso gebaut wie vor rund dreihundert Jahren. Das ist bemerkenswert ange-

sichts unserer Zeit, in der die technischen Innovationszy-klen manchmal nur noch Monate dauern. Wer sich nicht nur unter Anlagege-sichtspunkten, sondern auch kunsthistorisch für

das Schaffen des italieni-schen Geigenbauers interes-

siert, dem sei an dieser Stelle die jüngst ergänzte Dokumentati-

on in bislang acht Bänden „Antonio

Stradivari“ des Mitgründers von Violin Assets, Jost Thöne, emp-fohlen. Darin sind rund 300 Geigen, Bratschen und Celli abge-bildet und beschrieben, was laut Autor etwa zwei Dritteln der verbliebenen, seltenen Instrumente entspricht. Auch preislich führt Stradivari den Wettbewerb an. Es gibt spektakuläre Rekor-derlöse, wie der seiner 1721 „Lady Blunt“, die 2011 für rund 16 Millionen US-Dollar den Besitzer wechselte. Allerdings verzer-ren sie das Bild des Marktes, in dem viele wertige Instrumente auch für Preise im sechsstelligen Bereich gehandelt werden.

Noch mehr als bei anderen Anlageklassen ist der Investor bei historischen Streichinstrumenten auf die Unterstützung durch Experten angewiesen. Schon die Preise von Arbeiten desselben Geigenbauers können erheblich voneinander abweichen. Gene-rell kommt es bei der Bewertung auf mehrere Kriterien an: die Wahl des Materials, die Sorgfalt der Ausführung, den Zustand, die vorhandenen Originalteile, die Wertigkeit möglicher Repa-raturen – und natürlich auf die Qualität des Tones. Berühmte Vorbesitzer steigern den Wert meistens. Zudem ist dank neuer technischer Untersuchungsmethoden das Risiko von Fälschun-gen nahezu ausgeschlossen.

Zusätzlich zu einer klassischen Vermögensstruktur wird die Nachfrage nach zielorientierten Investitionen künftig steigen. Neben Anlagen im ESG-Bereich können auch historische Strei-chinstrumente attraktive Anlagen sein, als Direktinvestition oder über einen Fonds. Bei sorgfältiger Auswahl bieten sie eine hohe Wertstabilität und die Aussicht auf Wertsteigerung. Hinzu kommt die immaterielle Rendite, als Mäzen einen talentierten Musiker zu fördern und ein wertvolles Instrument für die Nach-welt zu erhalten. //

~ MUSIK ~~ MUSIK ~

CHRISTIAN REISTERBEDBURG 50° 59 ‘ N, 6° 34 ‘ O

Der Autor ist Geschäftsführer und Mitgründer von Violin Assets. Die Firma ermöglicht Inves-titionen in hochwertige Streichinstrumente.

Jost Thöne (r.) ist Autor des Nachschlagewerks „Antonio Stradivari“.

58 GL BAL INVESTOR 01 2019 01 2019 GL BAL INVESTOR 59

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Seit der Legalisierung von Marihuana in vielen US-Staa-ten sind die Wachstumsraten der Cannabisindustrie förmlich explodiert, auch die Blockchain-Technologie und künstliche Intelligenz erwirtschaften sehr hohe Re-

turns on Investment (ROIs). So mancher Anleger sucht da nach weiteren Branchen, die sich als ähnlich erfolgreich erweisen könnten.

In den 1980er-Jahren prägte Michael Jackson mit seiner Mu-sik eine ganze Generation. Er war als Künstler so erfolgreich, dass ihm das Plattenlabel Sony Music ein unlimitiertes Recor-ding Budget zur Verfügung stellte; ein einzigartiges Ereignis in der Musikbranche. Was viele nicht wissen – Michael Jackson war auch ein guter Investor. Er wusste um den langfristigen Wert von Musikanlagen und kaufte sich mit seiner Firma ATV in verschiedene Musikkataloge ein. Darunter befand sich ein Katalog mit fast allen Songs der Beatles. Jetzt ist Sony/ATV der weltweit größte Musikpublisher mit stabilen Renditen in einer unkorrelierten Assetklasse.

Wenn man nach dem richtigen Weg sucht, um in Musik zu investieren, stolpert man über viele Geschäftsmodelle. Zu den bekanntesten gehören wohl die Celebrity Bonds, eine damals neue Verbriefungsform von künftigen Einnahmen erfolgrei-cher Künstler wie David Bowie. Dieser Finanzierungsansatz war neu, doch er zeigte, dass Finanzinvestoren die Komplexität und die Risiken im Musikgeschäft unterschätzten, denn die Bo-wie Bonds scheiterten. Um Musik erfolgreich zu vermarkten, braucht man eine gut entwickelte Infrastruktur aus Plattenla-beln, Musikpublishern und Konzertveranstaltern, die weltweit agieren können. Musik ist kein lokales Geschäft und Risiken können nur kontrolliert werden, wenn genügend Künstler und Songwriter bei einem Musikunternehmen unter Vertrag sind.

Heute tauchen neue Ideen auf, beispielsweise Investitio-nen in die Einnahmen von Copyright Collection Agencies wie die Gema, Ascap, BMI, oder die Harry Fox Agency. Die Gema überschritt 2017 die Milliarden-Euro-Schwelle und wächst seit Jahrzehnten konstant. Copyright Collection Agencies sind zwar keine Eigentümer von Musikassets, aber ihr Cashflow ist sicher und sehr diversifiziert. Eine Investition kann sich also durchaus lohnen. Auch wenn man die Non-Profit-Gesellschaften wie die Gema und Ascap weglässt und sich auf profitorientierte Unter-nehmen die BMI in den USA konzentriert, können sich vielver-sprechende Anlagemöglichkeiten ergeben.

Die Möglichkeit, in Neighbouring-Rights-Gesellschaften wie Sound Exchange zu investieren, die sich auf bestimmte Mu-sikrechte spezialisiert haben – unabhängig von Musikaufnah-men und Copyrights – wurde bisher wenig beachtet.

Jeder Investor, der sich intensiver mit der Musikbranche be-schäftigen möchte, sollte einige Grundlagen beachten. Das Mu-sikgeschäft besteht generell aus drei Bereichen mit unterschied-lichen Risikoprofilen. Der erste ist Recorded Music; Plattenlabel finden und promoten Künstler und verkaufen oder vermieten die Musikaufnahmen (Master Rights). Die Hey Days generierten 1999 mit 25,2 Milliarden US-Dollar die höchsten Umsätze aller Zeiten, dann gingen sie auf 14,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2014 zurück. Dank der Umstellung von physischen Tonträgern

über Darlehen Deals in Cashflow investiert oder eine Equity-Po-sition übernimmt, müssen Risiken abgesichert werden. Oft er-lauben die Regularien größerer institutioneller Investoren, dass nur ein kleiner Teil mit Vehikeln ohne Rating abgesichert wird.

Das Konzertgeschäft hat keine Assets und ist hoch riskant. Für Investoren mit einer höheren Risikotoleranz ist Live Nation als sehr diversifiziertes Unternehmen eine Option. Aber auch da sind die Umsätze zyklisch und abhängig von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung: Wächst das Durchschnittseinkommen und bleibt die Arbeitslosenquote unter fünf Prozent, lassen sich die Ticketpreise weiter mit dynamischen Preismodellen erhö-hen; im Falle einer Wirtschaftskrise dagegen sinken die Umsät-ze dramatisch, wie die Jahre 2008 und 2009 gezeigt haben.

Das Recorded Music Business hat zwar Assets, aber eine Musikaufnahme erzielt 90 Prozent ihrer Umsätze in den ersten zwei bis drei Jahren und sinkt dann auf zwei bis fünf Prozent in den nächsten fünf bis acht Jahren ab. Außerdem ist und bleibt das Musikgeschäft ein Hit-Geschäft. Drei Prozent der Musikauf-nahmen sind verantwortlich für 90 Prozent der weltweiten Um-sätze. Die meisten institutionellen Anleger bevorzugen dagegen langfristige Investitionen mit einer Laufzeit von zehn Jahren oder mehr, daher ist diese Sparte für sie ungeeignet.

Copyrights (Urheberrechte) eignen sich dagegen gut als al-ternative Assetklasse für institutionelle Anleger. Der langfristi-ge Cashflow mit hoch diversifizierten Einkommensarten, Ver-kaufsmultiples von acht bis 20 (Deutschland fünf bis acht), das krisenunabhängige, kontinuierliche Umsatzwachstum und der konstant steigende Wiederverkaufswert von Musikkatalogen sind Gründe, warum Pensionskassen wie ABP bereits in diese

Assets investiert sind. Google investierte 50 Millionen US-Dol-lar in den Publisher Kobalt. Der Konzern vertraut darauf, dass besseres Royalty Tracking and Collection ein überdurchschnitt-liches Wachstum zur Folge haben werden. Das Problem hier-bei ist, dass fast alle größeren Musikpublishing-Kataloge bereits aufgekauft sind. Die größte Transaktion war der Verkauf von Emi Music Publishing an Sony/ATV für 2,2 Milliarden US-Dol-lar. Der verfügbare Rest verteilt sich derzeit auf Tausende klei-nere Kataloge, die sich wegen des hohen Aggregationsrisikos nicht für Institutionelle eignen. Das Marktsegment bietet gute Chancen für Private Equity Style Deals von Publishing-Unter-nehmen, die kleinere Kataloge bis zu einer Umsatzgröße von etwa sechs Millionen US-Dollar zusammenkaufen – finanziert durch Hedge- und Private-Equity-Fonds – und dann an insti-tutionelle Investoren weiterverkaufen. Größere Musikpublis-hing-Kataloge garantieren eine hohe Diversifikation, konstante Royalty-Einnahmen von fünf bis zehn Prozent und einen deut-lich höheren Wiederverkaufswert auf Zehn-Jahres-Sicht.

Anlagen institutioneller Investoren in die Musikbranche können also gute Renditen generieren, sind aber riskant. //

Lohnt sich das Musikbusiness?

Institutionelle Investoren suchen stets nach High Performance Investments mit niedrigem Risikoprofil. Dabei stoßen sie immer wieder auf ausgefallene Sektoren – wie die Musikbranche.

Autor: Heiko Schmidt, Malibu

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ance HEIKO SCHMIDT

MALIBU 34° 1 ‘ N, 118° 46 ‘ W

Der Autor ist MD der Investment Firma Joey Capital mit Beteiligungen in Smart AI Invest-ment, AI/Healthcare und Musikpublishing.

auf den digitalen Vertrieb stiegen die Umsätze 2017 zum zweiten Mal in Folge, um 8,1 Prozent auf 17,3 Milliarden US-Dollar.

Der zweite Bereich sind Live-Konzerte. Konzertveranstalter nehmen Künstler unter Vertrag und organisieren und promoten ihre Konzerte an potenzielle Besucher. Oft gehören Merchandi-sing und Media Deals zum Vertrag. Das Tour-Geschäft wächst kontinuierlich auf der ganzen Welt. So konnten die 50 erfolg-reichsten Konzerttouren im ersten Halbjahr 2018 bereits 2,21 Milliarden US-Dollar einspielen, 12 Prozent mehr als im Vor-jahreszeitraum. Umsatztreiber sind höhere Ticketpreise dank strategischer und dynamischer Preismodelle. Aktuell kostet ein durchschnittliches Ticket 96,31 US-Dollar. Da sie für viele Fans unerschwinglich werden, sank die Zahl der verkauften Tickets von 2017 bis 2018 von 22,8 Millionen auf 19,1 Millionen.

Musikpublishing ist der dritte Bereich. Publisher nehmen Komponisten und Texter unter Vertrag und promoten deren Copyrights. Dafür erhalten die Publisher einen Teil der Eigen-tumsrechte an den Werken. Der Markt hat derzeit ein Volumen von 4,3 Milliarden US-Dollar, er wächst konstant um etwa 4,5 Prozent und der Umsatz dürfte bis 2025 auf sieben Milliarden US-Dollar steigen; ihn treiben vor allem steigende Performance Royalties (Tantiemen) durch eine bessere Royalty Traction and Collection sowie Synchronization Royalties durch Lizenzierung in immer mehr audiovisuellen Produkten und Plattformen.

Alles in allem eignet sich das Musikgeschäft nur begrenzt für institutionellen Investoren. Für die meisten Pensions- oder Endowment-Fonds haben Anlagen unter 50 Millionen Dollar zu hohe Abschluss- und Verwaltungskosten. Unabhängig von der Höhe der Anlage und davon, ob ein institutioneller Investor

David Bowie war erfolgreich, die Bowie Bonds nicht.

~ MUSIK ~

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Die expansive Geldpolitik der Europäischen Zen- tralbank (EZB) hat die Kapitalmärkte Europas fest im Griff. Zwar wird sie ihr Staatsanleihe-Kaufpro-gramm Ende 2018 beenden, trotzdem sind die Zin-

sen für Staatsanleihen aus den Industrieländern der Eurozone teilweise historisch äußerst niedrig.

Für institutionelle Investoren ist das ein Problem, denn Ver-sicherungen, Pensionskassen oder Versorgungswerke müssen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden einhalten. Traditio-nell investieren sie das meiste Kapital in festverzinsliche Wert-papiere. Mit mündelsicheren Staatsanleihen lassen sich die be-nötigten Renditen aber nicht mehr erwirtschaften. Je länger die Niedrigzinsphase dauert, desto weiter steigt der Anlagedruck.

Institutionelle Kapitalanleger müssen also anders allokieren. Die Niedrigzinsphase und die konjunkturelle Entwicklung der letzten Jahren haben dazu geführt, dass auch die Preise ande-rer Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien oder Infrastruk-tur-Anlagen gestiegen sind. Das stellt Investoren vor die Frage, ob das Potenzial mancher Märkte bereits ausgeschöpft ist.

Gerade institutionelle Investoren sind auf regelmäßige Cashflow-Renditen angewiesen, um ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Überproportionale Preisanstiege gefährden diese Ren-diten aus Zinsen, Dividenden oder Mieteinkünften. Auch mit relativ stabilen Aktienstrategien oder Immobilienobjekten wird es schwerer, eine Dividenden- oder Mietrendite zu erwirtschaf-ten, die sowohl die Verpflichtungen gegenüber Kunden als auch die eigenen Kosten decken kann.

Dennoch kann es sich für institutionelle Investoren lohnen, in deutsche Immobilien anzulegen. Mit hochwertigen Bestands- objekten in den Bereichen Wohnen und Büro in den sieben deutschen A-Städten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frank-furt am Main, Düsseldorf und Stuttgart können Anleger zwar nur noch selten Anfangsrenditen von mehr als 3,75 Prozent er-zielen; dafür stehen solche Objekte selten leer und es gibt kaum Mietausfälle. Für langfristige Investoren, die sich hauptsächlich am Cashflow orientieren, können sie sich als Anlagen eignen.

Die heterogenen Immobilienmärkte ermöglichen Investi-

tionen in Immobilienobjekte mit dem passenden Rendite-Risi-ko-Mix. Unterklassen wie Mikroapartments und studentisches Wohnen, barrierefreie Wohnobjekte, Budget-Hotels oder Su-permärkte können durchaus höhere Cashflow-Renditen bieten und weiter an Wert gewinnen; angesichts der hohen Nachfrage der Nutzer sind die Risiken meist überschaubar.

Investoren, die bereits in eine Projektentwicklung einstei-gen, können zusätzliches Renditepotenzial abschöpfen. Spe-zielle Nutzungsarten erfordern eine kompetente Vermögens-verwaltung. Deshalb ist hier eine indirekte Immobilienanlage, etwa über einen Fonds, einem Direktkauf vorzuziehen, wenn der Investor kein Experte ist und die Vorteile eines regulierten Produktes nutzen will.

Das Niedrigzinsumfeld fordert nicht nur große institutio-nelle Investoren; auch semiprofessionelle Anleger wie Family Offices, kleinere private Stiftungen oder vermögende Privatper-sonen suchen derzeit nach attraktiven Alternativen. In der Regel müssen diese Anlegergruppen nicht regelmäßig an ihre Kunden beziehungsweise Anleger ausschütten. Ein Versorgungswerk muss seinen Pensionären jeden Monat einen festen Betrag aus-zahlen; ein Family Office dagegen bemüht sich darum, sein Ka-pital über mehrere Generationen zu vermehren. Es gibt jedoch auch vermögende Familien oder Privatanleger, die auf eine re-gelmäßige Ausschüttung bestehen und denen die Aussicht auf eine langfristige Wertsteigerung nicht genügt.

Im Portfolio von semiprofessionellen Anlegern sind Im-mobilien wegen ihrer Doppelfunktion wichtig, da sie werter-haltende Anlagen sein und zudem Cashflow generieren sollen. Außerdem wollen sich viele vermögende Familien und Privat-personen mit ihren Anlagen identifizieren und achten daher auf prestigeträchtige Lagen und architektonische Ästhetik. Bei einer attraktiven Immobilie ist das eher möglich als bei einem ano-nymen Anleiheportfolio. Daher investieren viele Family Offices oder private Stiftungen direkt in Immobilien oder – bei großen Anlagen – über eine unternehmerische Beteiligung.

Semiprofessionelle Anleger können gute Gründe haben, über ein indirektes Anlagevehikel in Immobilien zu investieren,

denn ein Direktinvestment ist zeitintensiv. Über indirekte Ins- trumente können Anleger besser diversifizieren und gemein-sam mit anderen können sie auch in Objekte investieren, die für kleinere Investoren allein zu groß sind.

Family Offices, vermögende Privatpersonen und private Stiftungen haben dieselben Anlagemöglichkeiten wie andere Anlegergruppen. Geschlossene Fonds (AIF) werden in Deutsch-land und Luxemburg wieder öfter eingesetzt. Bei ausländischen Vehikeln müssen Anleger beachten, dass sie mitunter an Ver-sammlungen teilnehmen müssen. Für manche ist dies mit rela-tiv viel Aufwand und hohen Reisekosten verbunden.

Institutionelle Investoren bevorzugen offene oder geschlos-sene Fonds, die das Kapitalanlagegesetzbuch (LAGB) reguliert, um ihr Investment nicht selbst verwalten zu müssen. Die Kosten für die Verwaltung wirken sich zunächst ungünstig auf den Total Return des Invest- ments aus. Doch insgesamt kann es günstiger sein, die Kompetenz von Branchenprofis zu nutzen und professionelle Asset Manager auszuwählen, statt dafür selbst eine Abteilung zu schaffen.

Verglichen mit instituti-onellen Investoren werden semiprofessionelle Anleger weniger reguliert und kön-nen ihre Assetallokation daher freier gestalten. Club Deals sind eine Variante, die immer beliebter werden.

Ein reguliertes Produkt ist es dann, wenn ein Investmentvermö-gen nach dem KAGB vorliegt. Eine Fondslösung ist unumgänglich, wenn es sich um Organismen für gemeinsame Anla-gen handelt, die Kapital von vielen Anlegern ein-sammeln und gemäß einer Strategie anlegen und die kein Unter-nehmen sind, das außerhalb des Finanzsektors tätig ist. Wenn sie eines dieser Kriterien nicht erfüllen und es eine unterneh-merische Beteiligung ist, kommt ein nicht-reguliertes Invest- mentprodukt infrage, etwa ein Club Deal.

Mit einem Club Deal kann man in Bestandsimmobilien und in Projektentwicklungen investieren. Kleinere Bestandsinves-titionen werden meist direkt getätigt, erst für größere Investi-tionen wird bisweilen ein Club Deal eingesetzt. Meist werden sie jedoch bei Projektentwicklungsinvestitionen mit einem Volumen ab etwa zehn Millionen Euro eingesetzt oder bei der Zusammenarbeit unterschiedlicher Branchenvertreter, etwa In-vestoren, die Architekten oder andere Spezialisten aufnehmen. Nicht selten ergibt sich die rechtliche Struktur einer operativen Betriebsgesellschaft zur Entwicklung der Immobilie und einer kapitalbündelnden Besitzgesellschaft.

Club Deals bieten Spielraum zur Investmentstrukturierung. Im Gegensatz zur Fondslösung braucht man keine Service-Ka-pitalverwaltungsgesellschaft. Benötigte Leistungen wie ein Re-

porting oder das Bau- und Projekt-Controlling liefert der Asset Manager. Der Club Deal kann flexibel agieren, da er keinem Fonds- oder Investmentprofil unterliegt.

Bei Club Deals kann man die Kompetenzen zwischen den einzelnen Geschäftspartnern aufteilen; etwa in einen zentra-len Kapitalgeber mit mehreren Mitinvestoren, einen Akteur, der das Projekt steuert sowie einen Kapitalverwalter. Auch die Investmentgesellschaft, die den Club Deal strukturiert, betei-ligt sich häufig an der Anlage und hilft bei Strukturierung und Abwicklung. Das kann man oft als Bekenntnis zum Erfolg der Investition werten, als Vertrauensbeweis für alle Mitinvestoren. Zudem schätzen Family Offices und vermögende Privatanleger die Diskretion eines Club Deals.

Die Renditen bei Club Deals können wie bei allen Immobilienanlagen je nach Standort, Nutzungs-

art und Risikoklasse unterschiedlich ausfal-len. Die Rendite hängt aber auch davon

ab, wann Investoren den Club Deal auflegen. Je früher sie einsteigen,

desto höher fallen Rendite und Risiko meist aus. Bei einer Co-re-Investition in eine etablier-te Wohn-Bestandsimmobilie in einer A-Stadt ist auch bei einem Club Deal eine Net-to-Mietrendite von anfangs drei bis vier Prozent wahr-scheinlich. Bei Projektent-

wicklungen in Wohnobjekte hingegen können die Renditen

je nach Zustand und Standort bis zu 18 Prozent erreichen.Insgesamt bieten Club Deals eine

unternehmerische Lösung, die zwischen einer Direkt- und einer Fondsanlage liegt. Sie

werden weniger reguliert und sind einfacher und günstiger zu strukturieren als Fonds. Gegenüber Direktinves-titionen bieten sie steuerliche Vorteile und ermöglichen auch kleineren Investoren, in ein großes Objekt zu investieren und sich besser zu diversifizieren. Dadurch eignen sich Club Deals für Immobilien-Investitionen und besonders für semiprofessi-onelle Anleger, die meist weniger investieren als große institu-tionelle Anleger, sich aber trotzdem diversifizieren wollen und Wert auf Diskretion legen. Spezielle Investmentgesellschaften strukturieren Club Deals nach den Wünschen der Investoren, vermeiden Fehler und identifizieren geeignete Immobilien. //

Im Club investieren Institutionelle besser

Institutionelle Investoren, Family Offices, private Stiftungen und vermögende Privat-personen setzen angesichts niedriger Zinsen auf Immobilien. Club Deals bieten dabei einen Mittelweg zwischen Direktinvestitionen und regulierten Fonds.

Autor: Dr. Martin Leinemann, Fankfurt am Main

DR. MARTIN LEINEMANNFRANKFURT AM MAIN 50° 6 ‘ N, 8° 40 ‘ O

Der Autor ist Vorstand der Arbireo Capital AG, einer unabhängigen Investmentgesell-schaft mit Fokus auf deutschen Immobilien.

Club Deals werden weniger reguliert

als Fonds.

~ CLUB DEALS ~ ~ CLUB DEALS ~

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Ergebnispräsentation in der Frage-Antwort-Runde vage und un-klar antwortet, oft schlechter ab als diejenigen Unternehmen, die mit vielen Zahlen reagieren und einen klaren Ton angeben.

Ebenso ermöglicht NLP, Analystenprofile zu erstellen, aus denen sich durch eine bestimmte Wortwahl, wie z. B. „Glück-wunsch“ oder „Gutes Quartal“ ableiten lässt, ob der Analyst die Ergebnisse ähnlich oder weniger positiv als in der Vergangen-heit bewertet. So lassen sich mögliche Stimmungsänderungen frühzeitig erkennen, bevor diese Wochen oder Monate später in den schriftlichen Berichten erscheinen.

Eine weitere interessante Anwendung maschinellen Ler-nens ist die Identifikation von Verbindungen zwischen Un-ternehmen über Branchen und Ländergrenzen hinweg, sowie die Auswirkungen technologischer, makroökonomischer oder Markttrends auf Firmen. Unsere Modelle verarbeiten hierfür neben Zeitungsartikeln beispielsweise auch Informationen aus Patenten. Theoretisch kann jeder Anleger zum Patentamt gehen und diese Patente einsehen. Es gibt allerdings Millionen von Pa-tentanmeldungen und jedes Jahr kommen weitere hinzu. Die in ihnen angegebenen Liefer-, Absatz- oder Finanzierungsver-bindungen können uns frühzeitig Aufschluss darüber geben, wie sich veränderte Geschäftszahlen eines Unternehmens auf dessen Lieferanten auswirken. In ähnlicher Weise lassen sich mithilfe maschinellen Lernens auch die Auswirkungen eines

Unternehmenskonkurses auf Mitbewerber ableiten oder die Auswirkungen guter oder schlechter Presse.

Datenorientierte Technologien können aus Unmengen komplizierter Datensätze, die auf den ersten Blick nicht un-bedingt Sinn ergeben, nützliche Informationen generieren. Sie können von entscheidender Bedeutung sein, wenn andere Marktteilnehmer diese noch nicht eingepreist haben. Allerdings kann künstliche Intelligenz weder menschliches Urteilsvermö-gen noch die Erfahrung von Experten ersetzen. Es entscheiden nach wie vor Menschen, wie maschinelles Lernen im Invest-mentprozess eingesetzt werden soll. Sie müssen auch die von Computern generierten Empfehlungen kontrollieren. Wir glau-ben, dass auch in Zukunft nicht Maschinen allein, sondern nur erfahrene Investmentexperten mit der Unterstützung von Com-putern die besten Entscheidungen treffen können. //

Natural Language Processing (NLP) versucht, natürliche Sprache zu erfassen und mithilfe von Algorithmen computerbasiert zu verarbeiten.

Weltweit nutzen immer mehr Menschen digitale Technologien und generieren so mehr Daten als je zuvor. Auch im Asset Management geht die Datenflut weit über das hinaus, was ein ein-

zelner Mensch verarbeiten kann. Während strukturierte Daten wie beispielsweise Zahlen meist relativ einfach genutzt werden können, ist dies bei unstrukturierten Daten wie zum Beispiel Text, Videos oder Bildern nicht der Fall. Unser Quantitative In-vestment Strategies-Team befasst sich seit 1989 mit der compu-tergestützten Auswertung strukturierter und unstrukturierter Daten aus unterschiedlichen Datenquellen. Um verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen, nutzen die Experten moderne Ana-lyse- und Verarbeitungstechnologien.

Traditionell ist die Analyse von Unternehmen stark auf Fundamentaldaten aus Geschäftsberichten gestützt. Diese Da-ten sind zwar leicht zu erfassen, werden aber von Millionen Investoren weltweit herangezogen und sind darüber hinaus vergangenheitsbezogen. Für ein erfolgreiches Investment wird es jedoch immer wichtiger, aktuelle Trends auszumachen oder Verbindungen zwischen Unternehmen zu erkennen, bevor der Markt dieses Potenzial vollständig wahrnimmt. Wir glauben, dass man durch die Kombination traditioneller und alternativer Datenquellen einen Informationsvorsprung erlangen kann.

Beispielsweise kann mit der Auswertung sogenannter alter-nativer Daten den offiziellen Verkaufs-, Umsatz- oder Lager-statistiken mitunter um Wochen oder gar Monate vorgegriffen werden. So können Kreditkartentransaktionsdaten wichtige Erkenntnisse über das künftige Umsatz- und Gewinnwachstum eines Unternehmens bieten. Für den Einzelhandel lassen sich auch aus Webseitenzugriffen und Klickzahlen Aussagen über die Geschäftsentwicklung treffen. Wenn diese Zahlen deutlich höher liegen als bei der Konkurrenz, kann das ein Hinweis auf eine positive Aktienkursentwicklung in der Zukunft sein. Die Zunahme des Webseitenverkehrs kann also Informationen über die Entwicklung eines Unternehmens liefern, bevor sie der Markt einpreist.

Die Auswertung riesiger Datensätze ist allerdings nur sinn-voll, wenn Investmentexpertise und moderne Technologie zu-sammenkommen. So analysieren wir täglich über 13.000 Unter-nehmen und berücksichtigen dabei mehr als 150 Faktoren in unseren Modellen.

Maschinelles Lernen beschreibt die Fähigkeit von Compu-tern, selbstständig von neuen Daten zu lernen und eigenständig Lösungen für neue Fragestellungen zu entwickeln. Eine Form des maschinellen Lernens, die wir in unserem Investmentpro-zess einsetzen, ist die Natürliche Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, NLP). Computer lernen hier, Texte in un-terschiedlichen Sprachen zu lesen und diese Informationen in wenigen Sekunden auszuwerten.

Selbst sehr große Investmentteams können keine Millionen von Geschäftsberichten lesen und Tausende von Quartalser-gebnispräsentationen auswerten. Mit NLP können diese Daten nicht nur verarbeitet werden. Es lassen sich auch sprachliche Nuancen in den Berichten berücksichtigen. Beispielsweise schneiden Unternehmen, deren Management am Ende einer

Zwischen den Zeilen

Wie Stimmungsanalysen im Asset Management zum Einsatz kommen.

Autor: Javier Rodriguez-Alarcon, London

JAVIER RODRIGUEZ-ALARCONLONDON 51° 30 ‘ N, 0° 7 ‘ W

Der Autor ist Leiter der Quantitative Invest-ment Strategies (QIS)-Gruppe für EMEA bei Goldman Sachs Asset ManagementFo

to: S

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~ PROGNOSETECHNIK ~

01 2019 GL BAL INVESTOR 6564 GL BAL INVESTOR 01 2019

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~ ZU GUTER LETZT ~

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Im nächsten Heft No. 12 – 14. März 2019

JAPANWie das Land der Überalterung

seiner Einwohner entgegen wirkt

BREXITWie sich Großbritanniens Austritt

aus der EU auf Anleger auswirkt

SATELLITENTECHNIKWelche Renditechancen Raketen

und Raumfahrtsonden bieten

AFGHANISTANWas sich durch die Präsidentschafts-

wahl ändert

KRYPTOWÄHRUNGEN Wie die Sparte zugänglicher für

institutionelle Anleger wird

HEALTHCARE Warum Investitionen in das Gesund-

heitswesen sich lohnen

66 GL BAL INVESTOR 01 2019

GLOBAL INVESTOR IMPRESSUMHerausgeber/Chefredakteur: Josef Depenbrock, Redaktion/Themenmanagement: Lisa Sußner, René Neumann, Layout und Produktion: www.layoutraum.de,

Infografik: www.AxelKock.de, Titelillustration: Daniel Garcia, Lektorat: Dr. Gabriele Raudszus, Vertrieb: Sevil Babur, Media Sales: Helge Schaubode, Tel.: +49 (0)40/51444-262. Geschäftsführung Cash. Print: Ulrich Faust, Helge Schaubode,

Anschrift: Cash.Print GmbH, Redaktion Global Investor, Friedensallee 25, 22765 Hamburg, Tel.: +49 (0)40/51444-0, E-Mail: [email protected]. Redaktionsbüro Frankfurt: Hamburger Allee 45, 60486 Frankfurt am Main, Tel.: +49 (0)69/15325-8081. Ein Magazin der Cash.Medien AG. Vorstand: Ulrich Faust.

Abo- und Leserservice: Tel.: +49 (0)40/51444-251, E-Mail: [email protected]. Zeitschriftenhandel: PressUp GmbH, Postfach 70 13 11, 22013 Hamburg. Litho: MWW Medien GmbH, Hamburg. Druck: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG, Kassel. Einzelverkaufspreis (D/A): 7,00 Euro, Jahresabonnement Inland: 25,00 Euro für

vier Ausgaben inkl. MwSt. und Versand, Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Autors und nicht unbedingt die der Redaktion wieder. © 2016. Für alle Beiträge und Tabellen bei GLOBAL INVESTOR sind sämtliche Rechte vorbehalten: Nachdruck, Übernahme in elektronischen Medien oder auf Internetseiten

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