Die Zeit 11.01.1974

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REISEN 1 Insel-Ausverkauf VON Ferdinand Ranft | 11. Januar 1974 - 07:00 Uhr Eine Schreckensnachricht ging dieser Tage um den Erdball: Spätestens in 15 Jahren gibt es auf unserem alten Planeten keine Inseln mehr zu kaufen. Verbreitet wurde die Hiobsbotschaft von der in Hamburg erscheinenden Wirtdas Ausmaß der unvermeidlich näherrückendeu Katastrophe verständlich zu machen — den Hamburger Inselverkäufer Dr. Farhad Vladi als Sachverständigen hinzuzog und sagen ließ: „Inseln sind die seltensten und exklusivsten Immobilien Objekte, von denen eigentlich jeder Mensch träumt " In der Tat trifft die Inselverknappung die Menschheit just in einer Phase der größten Inselkonjunktur. Ulrich Schmidt hat die Gründe für diesen Boom in ZEIT Nummer 3773 ausführlich dargestellt und auch schlagend nachgewiesen, daß gegen die heftig kursierende Nissonostalgie, die Inselsehnsucht, kein Kraut gewachsen ist. Denn — und da geben wir dem Inselspezialisten Vladi vollkommen recht — mit einem Urlaubstrip nach Zypern, Mallorca, auf die Seychellen, selbst auf die Insel Re (siehe Seite 35) ist es eben nicht getan, die Nissonostalgie strebt nach Bleibendem; nach eigenem Inselbesitz. Dem sind freilich durch die Marktlage Grenzen gesetzt. Dr. Vladi hat, so leid es ihm tut, für Neckermann- und Touropa Kunden nichts mehr auf seiner Angebotsliste. Ein paar Etagen darüber kann er Inselsehnsucht allerdings noch kurieren. Da wäre zum Beispiel die griechische Insel Maraben sollen. Preis: drei Millionen Mark. Oder — sehr preiswert — die französische Insel Fort Bloque mit einer Burg, möbliert im Stil Ludwig XIII , für nur 950 000 Mark. Wer etwas mehr Komfort und eine entsprechende Adresse wünscht, sollte sich für Greenaway vor Long Island entscheiden: Es gibt dort Telephon, Swimming pool, Tennisplatz, Bootshaus und einen Luxus Bungalow. Das Inselchen aus dem Besitz der Rockefellers kostet 4 7 Millionen Mark. Eine Insel mit eigenem Hafen und Strand schließlich kann man in der Karibik für 14 1 Millionen Mark erwerben: Great Doch plötzlich kamen mir Zweifel. Was hatte Dr. Vladi gesagt? „Wir sind Europas einzige Agentur für Privatinseln Aber stand nicht kürzlich in der Zeitschrift high life, daß Alan Goren, Redakteur von Punch, bei Knightj Frank bote eingeholt hatte? Solchermaßen mißtrauisch geworden, las ich den Wirtschaftswochen Artikel noch einmal genau durch, und stolperte prompt über diesen Absatz: „In Deutschland gibt es schon keine Privatinseln mehr. Die Gründe liegen in der Entstehungsgeschichte der Erde, die den Deutschen nur wenige Eilande bescherte und im Bestreben der Sozialisten (DDR) und der Sozial , Demokraten (BRD) alles, was von Wasser umgeben ist, der Allgemeinheit zu übereignen " Das geht nun allerdings wirklich zu weit. Was ist denn dann beispielsweise mit der Fasaneninsel, zwei Hektar groß, im Besitz des Herzogs von Oldenburg ,75 Kilometer von Hamburg entfernt, im Eutiner See? Ein Verdacht stieg in mir auf. Wenn in dieser Trauerode über die Verknappung von Inseln und die Besitzverhältnisse an denselben schon ein Eiland nicht einmal hundert Kilometer

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Insel-AusverkaufVON Ferdinand Ranft | 11. Januar 1974 - 07:00 Uhr

Eine Schreckensnachricht ging dieser Tage um den Erdball: Spätestens in 15 Jahren

gibt es auf unserem alten Planeten keine Inseln mehr zu kaufen. Verbreitet wurde die

Hiobsbotschaft von der in Hamburg erscheinenden Wirtdas Ausmaß der unvermeidlich

näherrückendeu Katastrophe verständlich zu machen — den Hamburger Inselverkäufer Dr.

Farhad Vladi als Sachverständigen hinzuzog und sagen ließ: „Inseln sind die seltensten und

exklusivsten Immobilien Objekte, von denen eigentlich jeder Mensch träumt "

In der Tat trifft die Inselverknappung die Menschheit just in einer Phase der größten

Inselkonjunktur. Ulrich Schmidt hat die Gründe für diesen Boom in ZEIT Nummer 3773

ausführlich dargestellt und auch schlagend nachgewiesen, daß gegen die heftig kursierende

Nissonostalgie, die Inselsehnsucht, kein Kraut gewachsen ist. Denn — und da geben wir

dem Inselspezialisten Vladi vollkommen recht — mit einem Urlaubstrip nach Zypern,

Mallorca, auf die Seychellen, selbst auf die Insel Re (siehe Seite 35) ist es eben nicht getan,

die Nissonostalgie strebt nach Bleibendem; nach eigenem Inselbesitz.

Dem sind freilich durch die Marktlage Grenzen gesetzt. Dr. Vladi hat, so leid es ihm tut,

für Neckermann- und Touropa Kunden nichts mehr auf seiner Angebotsliste. Ein paar

Etagen darüber kann er Inselsehnsucht allerdings noch kurieren. Da wäre zum Beispiel

die griechische Insel Maraben sollen. Preis: drei Millionen Mark. Oder — sehr preiswert

— die französische Insel Fort Bloque mit einer Burg, möbliert im Stil Ludwig XIII , für

nur 950 000 Mark. Wer etwas mehr Komfort und eine entsprechende Adresse wünscht,

sollte sich für Greenaway vor Long Island entscheiden: Es gibt dort Telephon, Swimming

pool, Tennisplatz, Bootshaus und einen Luxus Bungalow. Das Inselchen aus dem Besitz

der Rockefellers kostet 4 7 Millionen Mark. Eine Insel mit eigenem Hafen und Strand

schließlich kann man in der Karibik für 14 1 Millionen Mark erwerben: Great Doch

plötzlich kamen mir Zweifel. Was hatte Dr. Vladi gesagt? „Wir sind Europas einzige

Agentur für Privatinseln Aber stand nicht kürzlich in der Zeitschrift high life, daß Alan

Goren, Redakteur von Punch, bei Knightj Frank bote eingeholt hatte? Solchermaßen

mißtrauisch geworden, las ich den Wirtschaftswochen Artikel noch einmal genau durch,

und stolperte prompt über diesen Absatz: „In Deutschland gibt es schon keine Privatinseln

mehr. Die Gründe liegen in der Entstehungsgeschichte der Erde, die den Deutschen

nur wenige Eilande bescherte und im Bestreben der Sozialisten (DDR) und der Sozial ,

Demokraten (BRD) alles, was von Wasser umgeben ist, der Allgemeinheit zu übereignen

" Das geht nun allerdings wirklich zu weit. Was ist denn dann beispielsweise mit der

Fasaneninsel, zwei Hektar groß, im Besitz des Herzogs von Oldenburg ,75 Kilometer von

Hamburg entfernt, im Eutiner See?

Ein Verdacht stieg in mir auf. Wenn in dieser Trauerode über die Verknappung von Inseln

und die Besitzverhältnisse an denselben schon ein Eiland nicht einmal hundert Kilometer

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entfernt , verschwiegen wird, wie mag es dann sonstwo in der Welt mit dem Inselangebot

tatsächlich bestellt sein? Erleben wir nicht gerade in diesen Tagen, wie eine vermeintliche

Verknappung eines Produkts die Preise in die Höhe schnellen läßt? Lassen wir uns also

nicht ins Bockshorn jagen. Es gibt genug Inseln auf der Welt, viele haben noch nicht

einmal einen Namen. Ein bißchen Geduld, und man wirft uns die Dinger bestimmt noch

nach Ferdinand Ranft

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