Die Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubilder (ZTU-) … · L Abb.1: Das Fe-Fe3C-Diagramm C-Gehalte...

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Die Z eit-T emperatur-U mwandlungs-Schaubilder (ZTU-) und ihr Einsatz in der Praxis Gliederung: 1. Einleitung 2. Das Fe-Fe 3 C-Diagramm 3. Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubilder (ZTU-Schaubilder) 3.1 Isothermische ZTU-Schaubilder 3.2 Kontinuierliche ZTU-Schaubilder 3.3 Unterschiede zwischen den beiden Arten der ZTU-Schaubilder 3.4 Einflußgrößen auf die Ausbildung der ZTU-Schaubilder 3.5 Anwendungsbeispiele 3.5.1 Wärmebehandlung 3.5.2 Schweißen 3.5.3 Metallographie 3.5.4 Bestimmung des Härteverlaufs über den Querschnitt einer Welle 4. Zusammenfassung Einleitung Gegenstand des Aufsatzes sind die ZTU-Schaubilder. Die Anwendung dieser Schaubilder beschränkt sich auf Stähle, die während ihrer Aufheizung/Abkühlung eine Phasenumwandlung (α-γ /γ-α) durchlaufen. Stähle, die durch geeignete Legierungsbestandteile praktisch über den gesamten Temperaturbereich als Austenit [γ-Mischkristalle (Mkr), kfz-Gitter] oder als Ferrit (α-MKr, krz-Gitter) vorliegen, sind demnach von den nachfolgenden Betrachtungen ausgeschlossen. Der überwiegenden Anteil der Stähle (un- und niedriglegierte Stähle) liegt bei Temperaturen unter ca. 723°C als α-MKr. Oberhalb dieser Temperatur beginnt die γ-MKr-Bildung. Um zu begründen warum ZTU-Schaubilder für die Wärmebehandlung dieser Stähle von großer Bedeutung sind, möchte ich zunächst auf das Fe-Fe 3 C-Diagramm eingehen. Das Fe-Fe 3 C-Diagramm Das Fe-Fe 3 C-Diagramm („Eisen-Kohlenstoff-Diagramm“) ist ein Zustandsschaubild für das Zweistoffsystem Eisen/Eisenkarbid. Es ist ein Gleichgewichtsdiagramm und macht Aussagen über alle Zustandsänderungen der Legierung sowie die Art und Anzahl der Phasen in Abhängigkeit von Temperatur und Konzentration im System Eisen / Kohlenstoff (Eisenkarbid) bei sehr langsamer Abkühlung. Die technischen Eisenlegierungen (Stähle) sind alle in der eisenreichen Ecke des Dia- gramms, d.h. bei C-Gehalten < 2% zu finden, s. Abb. 1. Dort wird das Eisenkarbid als „Zementit“ bezeichnet.

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Die Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubilder (ZTU-) und ihr Einsatz in der Praxis Gliederung: 1. Einleitung

2. Das Fe-Fe3C-Diagramm

3. Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubilder (ZTU-Schaubilder) 3.1 Isothermische ZTU-Schaubilder 3.2 Kontinuierliche ZTU-Schaubilder 3.3 Unterschiede zwischen den beiden Arten der ZTU-Schaubilder 3.4 Einflußgrößen auf die Ausbildung der ZTU-Schaubilder 3.5 Anwendungsbeispiele 3.5.1 Wärmebehandlung 3.5.2 Schweißen 3.5.3 Metallographie 3.5.4 Bestimmung des Härteverlaufs über den Querschnitt einer Welle

4. Zusammenfassung Einleitung Gegenstand des Aufsatzes sind die ZTU-Schaubilder. Die Anwendung dieser Schaubilder beschränkt sich auf Stähle, die während ihrer Aufheizung/Abkühlung eine Phasenumwandlung (α-γ/γ-α) durchlaufen.

Stähle, die durch geeignete Legierungsbestandteile praktisch über den gesamten Temperaturbereich als Austenit [γ-Mischkristalle (Mkr), kfz-Gitter] oder als Ferrit (α-MKr, krz-Gitter) vorliegen, sind demnach von den nachfolgenden Betrachtungen ausgeschlossen.

Der überwiegenden Anteil der Stähle (un- und niedriglegierte Stähle) liegt bei Temperaturen unter ca. 723°C als α-MKr. Oberhalb dieser Temperatur beginnt die γ-MKr-Bildung. Um zu begründen warum ZTU-Schaubilder für die Wärmebehandlung dieser Stähle von großer Bedeutung sind, möchte ich zunächst auf das Fe-Fe3C-Diagramm eingehen. Das Fe-Fe3C-Diagramm

Das Fe-Fe3C-Diagramm („Eisen-Kohlenstoff-Diagramm“) ist ein Zustandsschaubild für das Zweistoffsystem Eisen/Eisenkarbid. Es ist ein Gleichgewichtsdiagramm und macht Aussagen über alle Zustandsänderungen der Legierung sowie die Art und Anzahl der Phasen in Abhängigkeit von Temperatur und Konzentration im System Eisen / Kohlenstoff (Eisenkarbid) bei sehr langsamer Abkühlung. Die technischen Eisenlegierungen (Stähle) sind alle in der eisenreichen Ecke des Dia-gramms, d.h. bei C-Gehalten < 2% zu finden, s. Abb. 1. Dort wird das Eisenkarbid als „Zementit“ bezeichnet.

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Abb.1: Das Fe-Fe3C-Diagramm

C-Gehalte über 2 % werden i.a. nur in Gußlegierungen erreicht. Die Stähle, für die ZTU-Schaubilder Anwendung finden, liegen in ihrem C-Gehalt meist unterhalb der eutektoiden Zusammensetzung, d.h. unterhalb von 0,8 % C. Im folgenden möchte ich die Vorgänge beim Abkühlen eines Stahles aus diesem Bereich (0,6 % C L) erläutern, s. Abb. 1. Nach Unterschreiten der Liquiduslinie bei ca. 1500°C scheiden sich γ-MKr aus. Ihr Anteil nimmt mit fallender Temperatur zu während sich ihre Zusammensetzung gemäß der Soliduslinie ändert, d.h. sie reichern sich an mit C. Gleichzeitig ändert sich die Zusammensetzung der Restschmelze entsprechend der Liquiduslinie. Bei 1410°C ist die Erstarrung beendet und der Werkstoff besteht aus γ-MKr. Bei weiterer Abkühlung durchläuft der Werkstoff zunächst das Ein-Phasengebiet der γ-MKr, in dem keine weiteren Konzentrationsänderungen auftreten. Bei ca. 760°C, d.h. bei Unterschreiten der Löslichkeitsgrenze GOS, scheiden sich aus dem γ-MKr C-arme α-MKr aus, die ihre Zusammensetzung gemäß der Linie GP ändern. Die γ-MKr reichern sich entspre-chend der Linie GS an C an, bis sie bei der Temperatur der eutektoiden Horizontalen 0,8 % C enthalten. Nach dem Gesetz der abgewandten Hebelarme besteht die Legierung nach Erreichen der eutektoiden Horizontalen aus:

mα/m = (0,8-0,6)/(0,8/0,02) 100 % = 25,6 % Ferrit.

Die restlichen 74,4 % bestehen aus γ-MKr, die sich bei fallender Temperatur in das Eutektoid (Perlit) umwandeln. Perlit ist ein feinstreifiges Gefüge, in dem abwechselnd die beiden Bestandteile des Eutektoids, nämlich Ferrit und Zementit, lamellenförmig auftreten. In Abb.2 sind charakteristische Gefüge von Fe-Fe3C-Legierungen mit verschiedenen C-Gehalten, die nach dem Fe-Fe3C-Diagramm erstarrt sind, dargestellt.

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Abb. 2: Typische Gefügebilder einer Fe-Fe3C-Legierung bei sehr geringer Abkühlgeschwindigkeit 3) Die besprochene untereutektoidische Legierung entspricht dem oberen rechten Bild. Das Gefüge besteht aus Ferrit (hell) und Perlit (gestreift). Aus dem bisher Gesagten geht hervor, daß man sowohl das Abkühlverhalten als auch die prozentuale Zusammensetzung der Gefügebestandteile mit Hilfe des Fe-Fe3C-Diagrammes bestimmen kann. Warum sind dann ZTU-Schaubilder für die Wärmebehandlung der Stähle so wichtig? Die Antwort auf diese Frage liegt darin, daß das Fe-Fe3C-Diagramm ein Gleichgewichtsdiagramm ist und damit nur für sehr lange Abkühlzeiten zutrifft. Man wartet bei der Aufstellung eines solchen Diagrammes solange bis sich der Gleigewichtszustand eingestellt hat. Somit bleibt die Kinetik der Umwandlungs- und Ausscheidungsvorgänge völlig unbeachtet. In der Praxis der Wärmebehandlung sind die Abkühlzeiten i.a. jedoch viel kürzer, so daß sich der Gleigewichtszustand nicht einstellen kann. Die Kinetik der Umwandlungs- und Ausscheidungsvorgänge bekommt entscheidende Bedeutung. Die Diffusion von Fe und C kann nicht oder nur unvollständig ablaufen. Dadurch kommt es zur Ausbildung von metastabilen Gefügezuständen. Diese gehen aus dem Fe-Fe3C-Diagramm nicht hervor, sind aber aufgrund der Eigenschaften, die sie dem Werkstoff verleihen, von großer technischer Bedeutung.

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Abb.3: Temperatur der γ/α-Umwandlung eines untereutektoiden Stahles in Abhängigkeit von der Abkühlgeschwindigkeit 4) Neben der schon aus dem Fe-Fe3C-Diagramm zu entnehmenden Abkühlung in der Perlitstufe gibt es mit steigender Abkühlgeschwindigkeit noch die Umwandlungen in der Zwischen- und in der Martensitstufe, s. Abb. 3. Abb. 4 zeigt typische Gefügebilder.

Abb. 4: Typische Gefügebilder einer Fe-Fe3C-Legierung bei unterschiedlichen Abkühlbedingungen 3)

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In der Perlitsufe laufen Fe- und C-Diffusion vollständig ab. Es kommt zur Ausbildung von Zementit-Lamellen, s. Abb.4, Teilbild links oben. In der Zwischenstufe ist die Diffusion im γ-MKr unterbunden, der C kann jedoch nach Umklappen des Gitters im α-MKr noch diffundieren, da der Diffusionskoeffizient im α-Eisen viel größer ist als im γ-Eisen. Es kommt zu den Feinausscheidungen (Karbide) der Zwischenstufe (Bainit), s. Abb.4, Teilbild rechts oben. In der Martensitstufe ist die Diffusion völlig unterbunden. Da der α-MKr wesentlich weniger (0,02 %) C lösen kann als der γ-MKr (2,06 %), s. Abb.1, wird der überschüssige C beim Umklappen des Gitters zwangsgelöst. Dadurch kommt es zu einer tetragonalen Verzerrung des Gitters als Ursache für die hohe Härte des Martensits. Im Gefüge erscheinen oft Martensitnadeln, s. Abb.4, Teilbild links unten. Durch die hohe Abkühlgeschwindigkeit ist die Umwandlung in den einzelnen Stufen oft unvollständig und es kommt zur Ausbildung von Mischgefügen, s. Abb.4, Teilbild rechts unten

Eine Möglichkeit, die vielfältigen Vorgänge bei der Austenitumwandlung zu bestimmen, bieten die ZTU-Schaubilder, die im folgenden beschrieben werden. 3. Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubilder (ZTU-Schaubilder)

Im Gegensatz zur Aufstellung von Zustandsdiagrammen wird bei der Ermittlung eines ZTU-Schau-bildes die Abkühlgeschwindigkeit der Legierung und somit die Kinetik des Umwandlungsgeschehens berücksichtigt. Somit können gezielte technische Wärmebehandlungen, die reproduzierbare Eigenschaftsänderungen hervorrufen, durchgeführt werden. Bei ZTU-Schaubildern verlaufen die Kurven für die jeweiligen Ausscheidungsstufen typischerweise C-förmig, man spricht von der 'Nase' des ZTU-Schaubildes. Die Ursache für diese Kurvencharakteristik mit einem Maximuma der Umwandlungsgeschwindigkeit bei mittleren Temperaturen liegt in der Überlagerung zweier Vorgänge. Zum einen nimmt das Umwandlungsbestreben mit steigender Unterkühlung zu, gleichzeitg verringert sich aber die Beweglichkeit (Diffusion) der Atome.

Nach der Art der Abkühlung unterscheidet man zwei Arten von ZTU-Schaubildern, die isothermi-schen und die kontinuierlichen. 3.1 Isothermische ZTU-Schaubilder

Bei der Aufstellung isothermischer ZTU-Schaubilder werden die Proben von Austenitisierungstem-peratur in einem geeigneten Medium (Salzbad, Metallbad oder stömendes Gas) schnell auf die Untersuchungstemperatur abgkühlt und dort bis zum Ablauf der Umwandlung belassen. Dementsprechend sind isothermische ZTU-Schaubilder nur vom Nullpunkt der Zeitzählung in Richtung der Isothermen zu lesen. 3.2 Kontinuierliche ZTU-Schaubilder

Da die überwiegende Mehrzahl der technischen Wärmebehandlungen bei kontinuierlicher Abkühlung durchgeführt wird, werde ich im folgenden schwerpunktmäßig auf die kontinuierlichen ZTU-Schaubilder eingehen.

Bei der Aufstellung kontinuierlicher ZTU-Schaubilder werden die Proben von Austenitisierungstemperatur in einem geeigneten Medium (Wasser, Öl, Luft) entsprechend vorgegebener Abkühlkurven abgekühlt. Dementsprechend sind kontinuierliche ZTU-Schaubilder nur entlang der eingezeichneten Abkühlkurven zu lesen. Die entstehenden Umwandlungsgefüge werden i.a. metallographisch, die zugehörigen Umwandlungspunkte dilatometrisch, d.h. aufgrund der Längenänderung der Probe, bestimmt. Verbindet man die zugehörigen Umwandlungspunkte, - 5 - ztu.doc / He 1992/2000

z.B. die Punkte beginnender Perlit- oder Zwischenstufenbildung, so erhält man die bildliche Darstellumg des Umwandlungsverhaltens des Austenits bei jeder möglichen Temperaturführung, siehe z.B. Abb. 5.

Abb.5: ZTU-Schaubild für den Stahl Ck 15 (kontinuierlich) 3)

Am Beispiel der Abb.5 möchte ich die Vorgehensweise erläutern:

Abkühlkurve e (in etwa Luftabkühlung): Die Austenitumwandlung beginnt nach ca. 8 103s bei 850 °C mit der Bildung von Ferrit. Bei 695 °C sind nach ca. 4,5 104 s 89 % des Austenits in Ferrit um-gewandelt. Der Rest ist nach ca. 4,8 104 s bei 685 °C in Perlit zerfallen. Die Härte dieses Gefüges beträgt 100 HV (Vickers-Härte in N/mm²).

Abkühlkurve a (in etwa Wasserabkühlung): Die Austenitumwandlung beginnt nach ca. 0,35s bei 635 °C mit der Bildung von Ferrit. Bei 595 °C sind nach ca. 0,45s 2% des Austenits in Ferrit umgewandelt. Weitere 4% sind nach 0,7s in Perlit zerfallen. Nach 0,8 s haben sich dann bei 490 °C 9% Zwischenstufe gebildet. Bei weitere Temperaturerniedrigung setzt die Martensitbildung ein und bei Raumtemperatur ist der gesamte restliche Austenit (85%) in Martensit umgewandelt. Die Härte dieses Gefüges beträgt 370 HV.

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ZTU-Schaubild des Stahles Ck15 aufgekohlt auf 0,45 % C und typische Gefügebilder 3)

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3.3 Unterschiede zwischen den beiden Arten von ZTU-Schaubildern

Zwischen den beiden Typen der ZTU-Schaubilder besteht ein charakteristischer Unterschied. Bei isothermer Abkühlung ist die wirksame Unterkühlung, d.h. die Triebkraft der Umwandlung, größer als bei kontinuierlicher Abkühlung. Die Linien für den Umwandlungsbeginn sind daher im kontinu-ierlichen Schaubild gegenüber dem isothermen zu längeren Zeiten und niedrigeren Temperaturen hin verschoben.

3.4 Einflußgrößen auf die Ausbildung von ZTU-Schaubildern

Wichtige Einflußgrößen auf die Umwandlung des Austenits und damit auf die Lage der Kurven im ZTU-Schaubild sind Austenitisierungstemperatur und – dauer, die Korngröße sowie die chemische Zusammensetzung des Stahles. Abb. 7 zeigt schematisch den Einfluß dieser Parameter.

Abb. 7: Einfluß der Legierungselemente und der Austenitisierungstemperatur auf das ZTU- Schaubild 2) Als wichtigste Information ist aus Abb. 7 zu entnehmen, daß praktisch alle Legierungselemente die Umwandlung zu längeren Zeiten hin verschieben, da sie die C-Diffusion behindern. Deshalb zeigen legierte Sähle eine niedrigere kritische Abkühlgeschwindigkeit als unlegierte. Bei legierten Stählen fällt es somit leichter, optimale Gefügezusammensetzungen (Martensit, Zwischenstufe) zu erzeugen, so daß man die Eigenschaften der Stähle besser an die jeweiligen Anforderungen anpassen kann. Weiterhin ist zu erkennen, daß praktisch alle Legierungselemente die Martensit-Start-Temperatur (Ms) erniedrigen (das Umklappen des Gitters wird erschwert). Die Austenitisierungstemperatur wirkt durch ihren Einfluß auf die Keimbildung und die Korngröße. Dies macht sich hauptsächlich bei der Ferrit- und Perlitbildung bemerkbar. Bei hoher Austenitisie-rungstemperatur erhält man ein grobes Korn und eine geringe Anzahl von Keimen. Dadurch werden Ferrit und Perlitbildung zu längeren Zeiten hin verschoben. Der Einfluß auf die Zwischenstufen- und Martensitbildung ist gering.

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Eine Trennung der beiden Umwandlungsbereiche wie sie in Abb. 7 angedeutet ist, kommt zustande wenn der Stahl Sonderkarbidbildner (Cr, Mo, W, V) in ausreichender Menge enthält. Zur Bildung der Sonderkarbide müssen auch die genannten Metallatome (und nicht nur der C) diffundieren. Da-durch erhöht sich die Temperatur der Perlitbildung als Ursache für das Entstehen eines reaktionsträ-gen Bereiches zwischen den beiden Umwandlungsbereichen. Anwendungen der ZTU-Schaubilder 3.5.1 Wärmebehandlung

Der wichtigste Anwendungsbereich ist die Wärmebehandlung, die mit Hilfe der ZTU-Schaubilder eine gezielte, reproduzierbare Einstellung des Gefügezustandes und damit der mechanischen Eigen-schaften erlaubt. Abb. 8 deutet an, welche Abkühlbedingungen für verschiedene Wärmebehandlun-gen eines Stahles erforderlich sind.

Abb. 8: Zeit-Temperatur-Verlauf verschiedener Wärmebehandlungen im ZTU-Schaubild (schematisch) 4) Beim Normalisieren erhält man ein perlitisch/ferritisches Gefüge. Beim Patentieren kommt man schon nahe an die Zwischenstufe heran und erhält deshalb einen sehr feinstreifigen Perlit, den man je nach Feinstreifigkeit Sorbit oder Troostit nennt. Solche Gefüge lassen sich gut kaltverformen (z.B. Drahtziehen). Durch das Zwischenstufenvergüten erzielt man eine optimalen Kombination von Festigkeit und Zä-higkeit. Bei weiterer Erhöhung der Abkühlgeschwindigkeit gelangt man in den Bereich des Martensits und erhält somit ein Härtungsgefüge. Durch Warmbad- oder gebrochenes Härten vermindert man die Sprödigkeit des Martensits.

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3.5.2 Schweißen

Für den Schweißvorgang, bei dem die Wärmeführung durch schnelle Aufheizung auf hohe Spitzen-temperaturen, kurze Haltezeiten und schnelle Abkühlung extrem ist, sind spezielle ZTU-Schaubilder unter entsprechenden Bedingungen aufgenommen worden. Daraus sind in Zusammenhang mit den mitgelieferten mechanisch-technologischen Eigenschaften (Härte, Zugfestigkeit, Dehngrenze, Brucheinschnürung, Kerbschlagarbeit) dann Informationen wie - Ermittlung der Schweißdaten für vergütete Stähle zur Erhaltung des Vergütungseffektes - Ermittlung der Güteeigenschaften in der WEZ in Abhängigkeit von den gewählten Schweißdaten - Bestimmung der Vorwärmtemperaturen - Auswahl von Werkstoffen und Schweißverfahren - Beurteilung des Kaltverformungsvermögens nach dem Schweißen zu entnehmen. 3.5.3 Metallographie

In der Metallographie werden ZTU-Schaubilder indirekt angewendet. Bei metallographischen Untersuchungen kann durch Vergleich des untersuchten Gefüges mit dem zur Abkühlkurve passenden Gefüge eine Aussage über die Wärmebehandlung, die der Werkstoff erfahren hat, gemacht werden Schadensanalysen). 3.5.4 Bestimmung des Härteverlaufs über den Querschnitt einer Welle

Der Stirnabschreckversuch nach Jominy ermöglicht eine Beurteilung der Härtbarkeit von Stählen. Aus den Versuchsergebnissen kann auf die Härteverteilung über den Querschnitt eines Rundstabes geschlossen werden. Dazu benötigt man sog. Ortskurven und das ZTU-Schaubild.

Aus dem oben Gesagten geht hervor, daß der Knackpunkt bei den ZTU-Schaubildern das Verständ-nis des Zusammenspiels von Eisen und Kohlenstoff ist. Entsprechend dem Eisen-Kohlenstoff-Dia-gramm möchte sich bei fallender Temperatur Perlit bilden (γ-Eisen löst bis zu 2,06 % C, α-Eisen dagegen nur 0,02 %. Hat ein Stahl mehr als 0,02 % C muß der Überschuß bei der γ/α-Umwandlung aus dem Mischkristall herausdiffundieren Fe-Fe3C-Bildung). Dazu ist die Diffusion von C und Fe nötig. Diese braucht Zeit (Kinetik). Je nach dem wieviel Zeit man ihr läßt, d.h. wie hoch man die Abkühlgeschwindigkeit wählt, verläuft die Diffusion mehr oder weniger vollständig. Es bilden sich unterschiedliche metastabile Gefügezustände aus, die sozusagen eingefroren werden. Diese Gefügezustände verleihen dem Stahl unterschiedliche Eigenschaften (hart/weich/zäh/spröde). Die zur Erzielung der gewünschten Eigenschaften erforderliche Wärmebehandlung kann aus dem ZTU-Schaubild entnommen werden.

6. Zusammenfassung

ZTU-Schaubilder gelten nur für Stähle, die eine α/γ/α-Umwandlung zeigen. Die Abkühlung und die Gefügeausbildung anhand eines untereutektoiden Stahles im Zweistoffsystem Fe-Fe3C wurde besprochen. Dabei hat sich gezeigt, daß dieses Schaubild nicht ausreicht, um die Gefügeausbildung bei technischen Abkühlgeschwindigkeiten vorherzusagen. Dies wird erst durch ZTU-Schaubilder ermöglicht, da bei deren Aufstellung die Abkühlgeschwindigkeit und somit die Umwandlungskinetik berücksichtigt wird. ZTU-Schaubilder müssen für jede Legierung einzeln ermittelt werden. Da die gesamte Bandbreite der technischen Abkühlgeschwindigkeiten dabei berücksichtigt wird, werden alle, d.h. auch die metastabilen Gefügezustände, erfaßt.

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Anhand der ZTU-Schaubilder ist deutlich zu erkennen, daß neben der chemischen Zusammensetzung eines Stahles die Wärmebehandlung für die Eigenschaften des Werkstoffes von entscheidender Bedeutung ist.

Hauptanwendungsgebiete der ZTU-Schaubilder sind die Wärmebehandlung der Stähle, das Schwei-ßen sowie die Metallographie.

Literatur: 1) D. Horstmann Das Zustandsschaubild Eisen-Kohlenstoff Verlag Stahleisen, 5. Auflage, 1985

2) H.J. Bargel, G. Schulze Werkstoffkunde VDI-Verlag, 4. Auflage, 1987

3) Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle, Band 2 Verlag Stahleisen, 1972

4) Domke Werkstoffkunde, Giradet-Verlag

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