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Die Zinsen im schweizerischen Obligationenrecht –
Geltendes Recht und Vorschlag für eine Revision
Dissertation
der Universität St. Gallen
Hochschule für Wirtschafts-,
Rechts- und Sozialwissenschaften
sowie Internationale Beziehungen (HSG)
zur Erlangung der Würde eines
Doktors der Rechtswissenschaft
vorgelegt von
Alexander Blaeser
aus
Deutschland
Genehmigt auf Antrag der Herren
PD Dr. Lukas Glanzmann
und
Prof. Dr. Markus Müller-Chen
Dissertation Nr. 3869
Dike Verlag Zürich/St. Gallen 2011
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften
sowie Internationale Beziehungen (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der
vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen
Stellung zu nehmen.
St. Gallen, den 17. Mai 2011
Der Rektor:
Prof. Dr. Thomas Bieger
Meinen Eltern
VORWORT
Mein erster Dank gilt meinem verehrten Doktorvater Herrn Privatdozent Dr. Lukas
Glanzmann und meinem Korreferenten Herrn Prof. Dr. Markus Müller-Chen für ihre stete
Unterstützung, die unkomplizierte Betreuung und die mir gewährte Freiheit bei der
Bearbeitung des Themas.
Besonderer Dank gebührt zudem Herrn Dr. Felix R. Ehrat und Herrn Dr. Christoph
Neeracher, Partner bei Bär & Karrer, Zürich, die mich während meiner Zeit als Substitut
sowohl fachlich als auch persönlich gefördert haben und deren vertrauensvolle
Unterstützung mich angespornt und bestärkt hat, die vorliegende Arbeit zu vollenden.
Zu großem Dank verpflichtet bin ich schließlich meinen Eltern, die mir das Studium an der
Universität St.Gallen ermöglicht haben und ohne deren Unterstützung und Ermutigung ich
diese Dissertation nicht hätte fertigstellen können.
Zuletzt danke ich Tamara, die trotz meiner vielfachen Abwesenheit stets zu mir gehalten hat
und mich immer noch begleitet.
Otelfingen, im Juni 2011 Alexander Blaeser
INHALTSÜBERSICHT
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IX
INHALTSÜBERSICHT
INHALTSÜBERSICHT IX INHALTSVERZEICHNIS XI ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS XXIII ABSTRACT XXVII
§ 1 EINLEITUNG 1
TEIL I: GRUNDLAGEN DES RECHTS DER ZINSEN
§ 2 DER ZINS 3 § 3 DIE ZINSFORDERUNG 15
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN 43
TEIL II: DIE ZINSEN IM ALLGEMEINEN TEIL UND IN DEN
VERTRAGSVERHÄLTNISSEN
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG 75
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG 95 § 7 DER SCHADENSZINS 113 § 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT 127
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ 133 § 10 DER ZINS IM KAUFRECHT 141 § 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT 147
TEIL III: DIE ZINSEN IM GESELLSCHAFTS- UND WERTPAPIERRECHT
§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT 153 § 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT 159
§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH 163
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE 169
INHALTSÜBERSICHT
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X
TEIL IV: ERGEBNIS UND VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER
ZINSBESTIMMUNGEN IM OR
§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG 185
§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN 193 § 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN 199
LITERATURVERZEICHNIS 213
SACHREGISTER 225
INHALTSVERZEICHNIS
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XI
INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSÜBERSICHT IX INHALTSVERZEICHNIS XI ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS XXIII ABSTRACT XXVII
§ 1 EINLEITUNG 1
TEIL I: GRUNDLAGEN DES RECHTS DER ZINSEN
§ 2 DER ZINS 3 I. BEGRIFF 3 II. ZWECK 4
III. EXKURS: ZINSBERECHNUNG 8
1. Jährliche Verzinsung 9 2. Unterjährige Verzinsung 10 3. Effektiver Zinssatz 10 4. Effektiver Jahreszinssatz 10
IV. DISKONTIERUNG 13 V. ZUSAMMENFASSUNG 14
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG 15 I. RECHTLICHE MERKMALE 15
1. Entstehung 17 2. Umfang 17 3. Erlöschen 18 4. Ausnahme: Selbstständigkeit 18
a. Durch Vereinbarung 18 b. Durch Verbriefung 19
A Juristisch 4 B Wirtschaftlich 7
A Lineare Verzinsung 9 B Exponentielle Verzinsung 9
C Tagesgenaue Verzinsung 11 D Stetige Verzinsung 12
A Geldforderung 15 B Prinzip der Stoffgleichheit 15 C Laufzeitabhängigkeit 16 D Akzessorietät 17
INHALTSVERZEICHNIS
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XII
II. ENTSTEHUNG DER ZINSFORDERUNG 20
III. HÖHE DER ZINSFORDERUNG 22
IV. FÄLLIGKEIT 25 V. ERLÖSCHEN DER ZINSFORDERUNG 26
1. Allgemeines 26 2. Nennwertprinzip 26 3. Fremdwährungsschulden 27 4. Beweis 27
1. Allgemeines 28 2. Voraussetzungen 28
a. Positive Voraussetzungen 28 b. Negative Voraussetzungen 29
3. Wirkungen 29
1. Allgemeines 30 2. Beweis 30 3. Abgrenzungen 31
a. Aufhebung des Vertragsverhältnisses 31 b. Pactum de non petendo und Stundung 31 c. Nachlassvertrag 31 d. Klagerückzug 31
1. Allgemeines 32 2. Novation der Zinsforderung 33 3. Novation im Kontokorrentverkehr 33
VI. VERJÄHRUNG 34 VII. FORDERUNGSABTRETUNG UND SCHULDÜBERNAHME 35
E Zusammenwachsen von Zins- und Hauptforderung 19
A Rechtsgeschäftliche Zinsen 20 B Gesetzliche Zinsen 21 C Richterliche Zinsen 22
A Rechtsgeschäftliche Zinsen 22 B Gesetzliche Zinsen 23 C Zinssatz nach Übung 24 D Richterliche Vertragsergänzung 25
A Erfüllung 26
B Verrechnung 28
C Erlass 30
D Vereinigung 32 E Novation 32
A Zession 35 B Schuldübernahme 36
INHALTSVERZEICHNIS
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XIII
VIII. GERICHTLICHE DURCHSETZUNG 36
IX. ABGRENZUNGEN 39
X. ZUSAMMENFASSUNG 41
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN 43 I. ÖFFENTLICH-RECHTLICHE EINSCHRÄNKUNGEN 43
1. Interkantonales Konkordat von 1957 44 2. Kantonale Höchstzinsvorschriften 45 3. Rechtsfolgen 46
II. ZIVILRECHTLICHE ZINSBESCHRÄNKUNGEN 47
1. Inhaltsschranken 47 a. Grundlagen 47 b. Sittenwidrigkeit im Besonderen 48 c. Prozessuales 49 d. Rechtsfolgen 50
i. Ganznichtigkeit 50 ii. Teilnichtigkeit 51 iii. Geltungserhaltende Reduktion 52 iv. Prozessuales 52
e. Sittenwidrigkeit einer Zinsvereinbarung 53 2. Übervorteilung 54
a. Grundlagen 54 b. Historische Entwicklung 55 c. Tatbestandsvoraussetzungen 56 d. Prozessuales 57 e. Rechtsfolgen 58
i. Einseitige Unverbindlichkeit 58 ii. Wirkung der Unverbindlichkeit 58 iii. Teilweise Unverbindlichkeit 59
A Prozessuales 36 B Beweislast 37
A Miet- und Pachtzinsen 39 B Amortisationszahlungen 39 C Dividenden und Gewinnanteile 40 D Rentenleistungen 40 E Provisionen 40 F Zuschläge und Abschläge bei Darlehensverträgen 41 G Diskont 41
A Konsumkreditgesetz 44 B Einschränkungen im kantonalen Recht 44
A Allgemeine Rechtsgrundsätze 47
INHALTSVERZEICHNIS
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XIV
1. Grundlagen 60 2. Anwendungsbereich 61 3. Weitere Bestimmungen 62 4. Anmerkungen 63
III. ZINSMAXIMUM AUS GEWOHNHEITSRECHT 63 IV. STRAFRECHTLICHER WUCHER 64
1. Unterlegenheitsgründe 65 2. Wuchergeschäft 67 3. Vermögensvorteil 67 4. Ausbeutung einer Schwächesituation 68
V. KASUISTIK ÜBERHÖHTER ZINSVEREINBARUNGEN 70 VI. ZUSAMMENFASSUNG 71
TEIL II: DIE ZINSEN IM ALLGEMEINEN TEIL UND IN DEN
VERTRAGSVERHÄLTNISSEN
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG 75 I. DER DARLEHENSVERTRAG 75
1. Übergabe der Valuta 76 2. Belassungspflicht 77 3. Ort und Zeitpunkt der Übergabepflicht 78
a. Leistungsort 78 b. Leistungszeitpunkt 79
4. Rechtsfolgen der Pflichtverletzung 79 5. Exkurs: Rückbehaltungsrecht des Darleihers 79
1. Rückerstattungspflicht 80 2. Exkurs: Vorzeitige Rückerstattung 81 3. Pflicht zur Entgeltleistung 82 4. Annahmepflicht 82
II. DAS VERZINSLICHE DARLEHEN 83
B Beschränkungen von Zinseszinsen 60
A Grundlagen 64 B Objektiver Tatbestand 65
C Subjektiver Tatbestand 68 D Nachwucher 68 E Strafandrohung 69 F Verhältnis zur zivilrechtlichen Übervorteilung 69
A Definition 75 B Verpflichtungen des Darleihers 76
C Verpflichtungen des Borgers 80
INHALTSVERZEICHNIS
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XV
1. Bürgerlicher Rechtsverkehr 83 2. Kaufmännischer Verkehr 83
1. Grundsatz der Vertragsfreiheit 85 2. Subsidiärer üblicher Zinssatz 86 3. Fehlende Ortsüblichkeit 88 4. Bewusst ungeregelter Nebenpunkt 90
III. PROZESSUALES 91 IV. VERJÄHRUNG 92 V. ZUSAMMENFASSUNG 92
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG 95 I. DER VERZUG 95
1. Nichtleistung trotz Möglichkeit zur Leistung 95 2. Fälligkeit 96 3. Mahnung 96
a. Grundsatz 96 b. Ausnahmen 97
i. Verfalltag nach Parteivereinbarung 97 ii. Verfalltag nach Kündigung 98 iii. Antizipierter Vertragsbruch 98 iv. Entzug vor Mahnung 99 v. Einseitige Erkennbarkeit 99
4. Pflichtwidrigkeit 99
1. Verschuldensunabhängig 100 2. Bei Verschulden des Schuldners 100 3. Geldschulden 101
II. DER VERZUGSZINS 101
1. Gesetzlicher Zinssatz 103 2. Vertragliche Vereinbarung 103 3. Sonderordnung unter Kaufleuten 104
a. Begriff der Kaufleute 104 b. Maßgeblicher Zinssatz 105
A Systematik 83
B Begriff 84 C Höhe des Zinssatzes 85
A Voraussetzungen 95
B Rechtsfolgen 100
A Begriff 101 B Ratio Legis 101 C Beginn und Ende der Zinspflicht 102 D Höhe des Zinssatzes 103
INHALTSVERZEICHNIS
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XVI
c. Beweislast 106 III. ERSATZ VON WEITEREM SCHADEN 106
1. Konkreter Schadensnachweis 107 2. Abstrakter Schadensnachweis 107
1. Kapitalkosten 108 2. Zinsschaden 109 3. Währungsverluste (Valutaverluste) 110 4. Kaufkraftverluste 111
IV. ZUSAMMENFASSUNG 111
§ 7 DER SCHADENSZINS 113 I. BEGRIFF 113 II. ANWENDUNGSBEREICH 113 III. HÖHE DES ZINSES 114 IV. BEGINN DER VERZINSUNG 115
V. VERHÄLTNIS VON SCHADENSZINS UND VERZUGSZINS 119
1. Allgemeines 119 2. Die ältere Praxis des Bundesgerichts 120 3. Die aktuelle Praxis des Bundesgerichts 121
a. Vertragliche Haftung 121 b. Ausservertragliche Haftung und Genugtuung 121
4. Zusammenfassung der Praxis 122 VI. KAPITALISIERTER SCHADENSERSATZ 122 VII. PROZESSUALES 124
1. Rechtsprechung des Bundesgericht 124 2. Nach neuem Bundesgerichtsgesetz (BGG) 125
VIII. ZUSAMMENFASSUNG 125
A Allgemeines 106 B Schadensberechnung 107
C Schadensarten 108
D Prozessuales 111
A Allgemeines 115 B Kostenersatz 116 C Verdienstausfall, Haushalts- und Versorgerschäden 117 D Genugtuung 117
A Funktionale Abgrenzung 119 B Kumulative Beanspruchung 119
A Streitwert 124
B Beweislast 125
INHALTSVERZEICHNIS
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XVII
§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT 127 I. ALLGEMEINES 127 II. ZWECK 127 III. UMFANG DER ZINSFORDERUNG 128
IV. ZINSENLAUF 129 V. VERJÄHRUNG 130 VI. PROZESSUALES 130 VII. ZUSAMMENFASSUNG 131
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ 133 I. ALLGEMEINES 133 II. DER VERWENDUNGSERSATZ 133
III. DER VERWENDUNGSZINS 135 IV. DIE WEITEREN VERTRAGSVERHÄLTNISSE 136
1. Anspruchsvoraussetzungen 138 2. Qualifikation des Ersatzanspruches 138 3. Zins 139 4. Fälligkeit der Ersatzforderung 139
V. ZUSAMMENFASSUNG 140
§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT 141 I. ALLGEMEINES 141 II. DER ZINS IN DER RÜCKERSTATTUNG DES KAUFPREISES 141
III. DER ZINS IM VERZUG DES KÄUFERS 144 IV. ZUSAMMENFASSUNG 145
A Gutgläubigkeit 128 B Bösgläubigkeit 129
A Begriff 133 B Zweck 134 C Entstehung und Fälligkeit 134 D Prozessuales 135 E Verjährung 135
A Maklervertrag 136 B Agenturvertrag 136 C Kommission 136 D Geschäftsführung ohne Auftrag 137 E Einfache Gesellschaft 138
A Der Rückerstattungsanspruch 141 B Der Zins 142 C Ersatz für gezogene Nutzungen samt Zins 143 D Verjährung 143
INHALTSVERZEICHNIS
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XVIII
§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT 147 I. DER AUFTRAG 147 II. PFLICHTEN DES BEAUFTRAGTEN 147
1. Rechenschaftspflicht 148 2. Herausgabepflicht 149
III. VERJÄHRUNG 150 IV. ZUSAMMENFASSUNG 150
TEIL III: DIE ZINSEN IM GESELLSCHAFTS- UND WERTPAPIERRECHT
§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT 153 I. HINTERGRUND 153 II. DER KAPITALANTEIL 153
III. DER KAPITALZINS 155
IV. EXKURS: ANWENDBARKEIT IN DER KOMMANDITGESELLSCHAFT 157 V. ZUSAMMENFASSUNG 157
§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT 159 I. GRUNDLAGEN 159 II. VERTEILUNG DES GENOSSENSCHAFTSERTRAGS 159 III. BESCHRÄNKUNG DER VERTEILUNG NACH ANTEILEN 160 IV. DER LANDESÜBLICHE ZINSSATZ IM GENOSSENSCHAFTSRECHT 161 V. ZUSAMMENFASSUNG 162
§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH 163 I. GRUNDSATZ: ZINSVERBOT 163 II. AUSNAHME: BAUZINSEN 164
III. AUSBLICK 166 IV. EXKURS: RECHTSLAGE IN DEUTSCHLAND 166 V. ZUSAMMENFASSUNG UND BEMERKUNGEN 167
A Rechenschaftspflicht und Ablieferungsobligation 148
B Verzinsungspflicht 149
A Begriff 153 B Berechnung 154
A Begriff 155 B Höhe des Zinssatzes 155 C Forderbarkeit 156
A Allgemeines 164 B Rechtsnatur und Bedeutung 164 C Verfahren 165
INHALTSVERZEICHNIS
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XIX
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE 169 I. DER ZINS IM WECHSELRECHT 169
1. Rechtsnatur 169 a. Der gezogene Wechsel 169 b. Der eigene Wechsel 170
2. Übertragbarkeit 170 3. Funktion 171
a. Zahlungsfunktion 171 b. Kreditfunktion 171
4. Wechselforderung 172 5. Einredeausschluss 172 6. Wechselstrenge 173 7. Präsentation 173 8. Annahme 174 9. Zahlung 174 10. Diskontierung 175
1. Das Zinsversprechen 175 a. Grundsatz 175 b. Ausnahme: Sicht- und Nachsichtwechsel 176 c. Einzelfragen 177 d. Prozessuales 177
2. Der Regresszins 177 a. Rückgriff des Inhabers 177 b. Rückgriff des Einlösers 178
3. Der Diskontzins im Regress vor Verfall 178 II. DER ZINS IM CHECKRECHT 179
1. Begriff 179 2. Funktion 180 3. Wirtschaftliche Bedeutung 180 4. Umlauffähigkeit 181 5. Zahlung 181
1. Zinsversprechen 181 2. Regresszins 182
a. Rückgriff des Inhabers 182 b. Rückgriff des Einlösers 182
A Der Wechsel 169
B Die Zinsbestimmungen 175
A Der Check 179
B Die Zinsbestimmungen 181
C Exkurs: Ausfallstrafe bei mangelnder Deckung 182
INHALTSVERZEICHNIS
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XX
III. BEMERKUNGEN 183 IV. ZUSAMMENFASSUNG 184
TEIL IV: ERGEBNIS UND VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER
ZINSBESTIMMUNGEN IM OR
§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG 185 I. VORBEMERKUNGEN 185 II. DER ZINS IM ALLGEMEINEN 185 III. DIE HÖHE DER ZINSSÄTZE 185 IV. DER ÜBLICHE ZINSSATZ IM DARLEHENSRECHT 186 V. DIE ANWENDUNG DER SUBSIDIÄREN ZINSBESTIMMUNGEN 187
VI. BESONDERE ZINSSÄTZE 189 VII. BESCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN 190 VIII. AUSBLICK 191
§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN 193 I. VORENTWURF ZU EINER REVISION DES VERZUGSZINSES 193 II. DER VERZUGSZINS IN DER EUROPÄISCHEN UNION 194 III. DER BASISZINS UND VERZUGSZINS IN DEUTSCHLAND 195 IV. UNIDROIT-PRINCIPLES 197 V. DRAFT COMMON FRAME OF REFERENCE (DCFR) 198
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN 199 I. ALLGEMEINES 199 II. DIFFERENZIERUNG DER ZINSBESTIMMUNGEN 200 III. ELEMENTE EINER REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN 201
1. Der Referenzzins 202 2. Der Aufschlag 205
IV. WEITERE ÄNDERUNGEN 207
A Im Allgemeinen 187 B Im bürgerlichen Verkehr 188 C Im kaufmännischen Verkehr 188
A Bürgerlicher Verkehr 201 B Kaufmännischer Verkehr 201
C Das Verfahren zur Festlegung des Basiszinses 206
INHALTSVERZEICHNIS
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XXI
V. DER ENTWURF (EN-OR) 211
LITERATURVERZEICHNIS 213 SACHREGISTER 225
A Allgemeine Bestimmungen 207 B Durch die Rechtsprechung festgelegte Zinssätze 208 C Der Einlagezinssatz in der Kollektivgesellschaft 208 D Die Zinsschranke in der Genossenschaft 209 E Zinsen auf Fremdwährungsschulden 209 F Bauzinsen 209 G Zinsbeschränkungen 210
XXII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
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XXIII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
A. / Aufl. Auflage
a.A. anderer Ansicht
ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich
Abl. Amtsblatt
Abs. Absatz
AcP Archiv für die civilistische Praxis
a.E. am Ende
AG Aktiengesellschaft
AJP Aktuelle Juristische Praxis
AktG Aktiengesetz (D)
ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794
a.M. anderer Meinung
aOR (altes) Bundesgesetz über das Obligationenrecht (vom 14. Juni 1881)
AppGer Appellationsgericht
Art. Artikel
AT Allgemeiner Teil
BBl Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft
Bd. Band
BGB Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 (D)
BGB-RGRK Reichsgerichtsräte-Kommentar zum BGB (D)
BGE Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
BGer Bundesgericht
BGH Bundesgerichtshof (D)
BIS Bank for International Settlements (Basel)
BJM Basler juristische Mitteilungen
BK Berner Kommentar
BSK Baseler Kommentar
BT Besonderer Teil
BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom
18. April 1999
BzGer Bezirksgericht
bzw. beziehungsweise
CHF Schweizer Franken
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
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XXIV
CR Commentaire Romand
d.h. das heißt
Diss. Dissertation
E. Erwägung (en)
EGZGB Einführungsgesetz zu Zivilgesetzbuch
Einl Einleitung
E-OR Entwurf zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts, BBl 2008,
S. 1751
EUR Euro
f. folgende Seite, Note, Randziffer etc.
ff. folgende Seiten, Noten, Randziffern etc.
FN Fußnote
FS Festschrift
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GVP SG St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis
HAVE Haftung und Versicherung
HGB Handelsgesetzbuch (D)
HGer Handelsgericht
h.L. herrschende Lehre
Hrsg. Herausgeber
i.c. in casu
i.d.R. in der Regel
insb. insbesondere
i.S.v. im Sinne von
i.V.m. in Verbindung mit
JherJhb Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts
JT Journal des Tribunaux
JZ Juristenzeitung (D)
KGer Kantonsgericht
KKG Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (KKG),
SR 221.214.1
KöKo Kölner Kommentar zum Aktiengesetz (D)
lat. lateinisch
lit. litera
LIBOR London Interbank Offered Rate
m.E. meines Erachtens
MüKo Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (D)
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
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XXV
N Note (n)
NJW Neue Juristische Wochenschrift (D)
Nr. Nummer (n)
OGer Obergericht
oHG offene Handelsgesellschaft (D)
OR Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des
Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht), SR 220
p.a. per annum
PüG Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (PüG), SR 942.20
Pra Die Praxis des Bundesgerichts
recht Zeitschrift für juristische Weiterbildung und Praxis
RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (D)
Rz. Randziffer (n)
S. Seite (n)
SAG Schweizerische Aktiengesellschaft (ab 1990 SZW)
SchG / ScheckG Scheckgesetz (D)
SchKG Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und
Konkurs (SchKG), SR 281.1
SJ La Semaine Judiciaire
SJZ Schweizerische Juristenzeitung
SNB Schweizerische Nationalbank
sog. So genannt (e)(er)(es)
SPR Schweizerisches Privatrecht
SR Systematische Sammlung des Bundesrechts
(Systematische Rechtssammlung)
StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937, SR 311.0
SZW Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
TC Tribunal Cantonal
u.a. unter anderem
u.U. unter Umständen
UWG Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb
(UWG), SR 241
v. vom/von
VE-OR Vorentwurf zur Revision des Obligationenrechts
vgl. vergleiche
VKKG Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz
(VKKG), SR 221.214.11
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
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XXVI
WG Wechselgesetz (D)
z.B. zum Beispiel
ZBGR Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht
ZBJV Zeitschrift des Bernisches Juristenvereins
ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907, SR 210
Ziff. Ziffer (n)
ZK Zürcher Kommentar
ZPO Schweizerische Zivilprozessordnung, BBl 2009, S. 21
ZPO ZH Zürcherische Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976
ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht
ZR Blätter für Zürcherische Rechtsprechung
z.T. zum Teil
ZWR Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung
ABSTRACT
__________________________________________________________________________
XXVII
ABSTRACT
Mit der vorliegenden Arbeit wird eine grundlegende Bestandsaufnahme und Analyse
der im Zusammenhang mit Zinsen relevanten Bestimmungen im schweizerischen
Obligationenrecht vorgenommen. Diese umfasst jegliche Normen, welche die Begründung,
Bestimmung oder Begrenzung einer Zinsforderung bzw. Zinsschuld zum Inhalt haben,
wobei sowohl vertraglich vereinbarte als auch gesetzlich angeordnete Zinsen berücksichtigt
werden.
Ausgehend von der klassischen Zinsdefinition der Pandektistik und dem darauf
basierenden Zinsbegriff des Schweizerischen Bundesgerichts werden zunächst die
charakteristischen Merkmale und Eigenschaften des Zinses als Leistungsinhalt einer
Obligation dargestellt. Anschließend folgt ein Überblick über die geltenden gesetzlichen
Beschränkungen von Zinsvereinbarungen im Bundesprivatrecht, im öffentlichen Recht des
Bundes und der Kantone sowie im Strafrecht. Zudem werden die obligationenrechtlichen
Zinseszinsverbote diskutiert.
Aufbauend auf den im ersten Teil erarbeiteten Merkmalen des Zinses im rechtlichen
Sinn werden im zweiten und dritten Teil der Arbeit die verschiedenen Zinsen im
Allgemeinen Teil und in den Bestimmungen über die einzelnen Vertragsverhältnisse im
Obligationenrecht detailliert betrachtet, von der allgemeinen Zinsbestimmung in Art. 73 OR
über den Verzugszins und den Darlehenszins bis zu den Zinsen im Check- und
Wechselrecht. Dabei liegt der Fokus der Ausführungen besonders auf der Höhe der jeweils
anzuwendenden Zinssätze und deren Bestimmungsfaktoren, sei es, dass sie durch die
Parteien vereinbart, im Gesetz festgelegt oder durch die Rechtsprechung bestimmt werden.
Eine nähere Betrachtung lässt zudem erkennen, dass nicht jede Vergütung, die das Gesetz
als Zins bezeichnet, auch tatsächlich ein Zins im rechtlichen Sinn ist.
Den Abschluss der Arbeit bildet ein Vorschlag für eine Revision der zinsrelevanten
Bestimmungen im Obligationenrecht, der bei den zuvor festgestellten Mängeln und
Ungenauigkeiten des geltenden Rechts ansetzt. Insbesondere wird vorgeschlagen, die
Zinssätze für den kaufmännischen Verkehr und das Gesellschaftsrecht flexibel
auszugestalten und an die Entwicklung eines Marktzinses anzuknüpfen, wie es bereits in
ähnlicher Form im EU-Recht und im deutschen Recht, dort allerdings hauptsächlich für den
Verzugszins, vorgeschrieben ist.
XXVIII
§ 1 EINLEITUNG __________________________________________________________________________
1
§ 1 EINLEITUNG
Zinsen als Entgelt für die Überlassung von Geld begegnen uns im Alltag regelmäßig
und in verschiedenen Formen, wie z.B. als Kreditzinsen, Sparzinsen, Verzugszinsen auf
gemahnten Geldbeträgen, effektiven Jahreszinsen beim Ratenkauf, Teilzahlungszinsen auf
ausstehenden Kreditkartenforderungen oder Hypothekarzinsen, so dass eine moderne Volks-
und Finanzwirtschaft ohne Zinsen heute kaum vorstellbar ist. Im Geschäftsverkehr und
insbesondere in der Kreditwirtschaft erfolgt die Überlassung von Geld ausschließlich gegen
die Zahlung von Zinsen und häufig werden bereits vergleichsweise kurze Perioden für die
Anlage von Geld oder die Gewährung von Krediten genutzt, da auf hohen Beträgen auch
während solcher Verzinsungsperioden erhebliche Zinsbeträge anwachsen können. Im
Verkehr unter Geschäftsbanken oder zwischen Geschäfts- und Zentralbanken erfolgt der
Verleih und die Anlage von Geld sogar für die kurze Frist von einer Nacht, damit das
Kapital während dieser Zeit nicht ohne Ertrag bleibt. Je nach Vereinbarung und gesetzlicher
Zulässigkeit können Zinsen auch auf aufgelaufenen Zinsen berechnet werden, mit der Folge,
dass die Gesamtzinsschuld mit zunehmender Verzinsungsdauer exponentiell ansteigt.
Bereits bei einem Jahreszinssatz von 10% verdoppelt sich eine Forderung mit Zinseszinsen
in ca. sieben Jahren, beim üblichen Teilzahlungszinssatz von Kreditkarten von 15% p.a. in
weniger als fünf Jahren. Bestimmte Zinssätze werden an den Geld- und Kapitalmärkten
täglich für eine Vielzahl von Währungen und Laufzeiten als Referenzwerte festgestellt.
Zudem wird von den Marktteilnehmern angestrebt, möglichst viele Risiken, die auf Seiten
des Schuldners bestehen, zu quantifizieren und in die Berechnung der individuellen
Zinssätze einfließen zu lassen. Hierfür werden an den Märkten allgemeine Risikoprämien
für verschiedene Bonitätsstufen bestimmt. Verschlechtert sich die Zahlungsfähigkeit eines
Schuldners, dann führt dies mitunter kurzfristig zu einem rapiden Anstieg der von ihm zu
zahlenden Zinssätze.
Das schweizerische Obligationenrecht enthält eine Vielzahl von Bestimmungen,
welche die Verzinsung von Forderungen gestatten, anordnen oder beschränken und teilweise
auch die Details der anwendbaren Zinssätze festlegen. Viele dieser Bestimmungen sind in
der heutigen Form bereits seit der Einführung des Obligationenrechts am 1. Januar 1912 in
Kraft und mache waren schon im vorhergehenden alten Obligationenrecht vom 1. Januar
1883 enthalten. Seither wurden nur wenige dieser Zinsbestimmungen vom Gesetzgeber
revidiert, während sich die Finanzmärkte und die Kreditwirtschaft im gleichen Zeitraum
verändert haben und zunehmend genauere und differenziertere, aber auch komplexere
Methoden zur Bestimmung und Berechnung von Zinssätzen und Risikoprämien entwickelt
wurden oder neue Anlage- und Finanzierungsformen in immer schnellerer Abfolge die
bestehenden ersetzt haben.
§ 1 EINLEITUNG __________________________________________________________________________
2
Die vorliegende Arbeit soll prüfen, ob die gesetzliche und dogmatische Ausgestaltung
der Zinsbestimmungen im schweizerischen Obligationenrecht mit diesen Entwicklungen
außerhalb des Rechts Schritt gehalten hat und auf Möglichkeiten zur Anpassung bzw.
Neuorientierung des geltenden Rechts hinweisen. Zu diesem Zweck soll zunächst eine
Bestandsaufnahme und Analyse des geltenden Rechts und der ergangenen Rechtsprechung
zu den Zinsbestimmungen im Obligationenrecht vorgenommen werden. Diese Betrachtung
soll beim rechtlichen und ökonomischen Zinsbegriff beginnen und danach die wichtigsten
Elemente der Zinsforderung bzw. Zinsschuld als Leistungsinhalt einer Obligation sowie die
bestehenden gesetzlichen Beschränkungen für die Vereinbarung von Zinsen und
Zinseszinsen darstellen. Basierend auf den erkannten Unklarheiten und Defiziten in den
geltenden Zinsbestimmungen im OR soll im letzten Teil der vorliegenden Arbeit ein
Vorschlag für eine Revision der wichtigsten Zinsbestimmungen im Gesetz entworfen
werden. Dieser Vorschlag erfolgt unter Einbezug der jüngsten Vernehmlassungsvorlage des
Bundesrates vom 18. August 2010 zur Änderung des Verzugszinses im kaufmännischen
Verkehr sowie einer rechtsvergleichenden Betrachtung ausgewählter Zinsbestimmungen im
Europäischen Recht und in internationalen Soft Law Kodifikationen. Im Rahmen dieses
Vorschlags soll versucht werden, die Zinsbestimmungen im Obligationenrecht an die
Erfordernisse des modernen Wirtschaftsverkehrs anzupassen und eine angemessene,
marktgerechte und systematische Regelung der Zinsen und Zinseszinsen aufstellen. Dabei
soll die Verständlichkeit, geringe Komplexität und einfache Anwendbarkeit des geltenden
Rechts, speziell für betroffene Laien im bürgerlichen Verkehr, soweit wie möglich
beibehalten und nicht übermäßig beeinträchtigt werden.
Nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die Zinsbestimmungen des
Zivilgesetzbuches, der Nebengesetze des Obligationenrechts und des öffentlichen Rechts.
Auch die Zinsbestimmungen des Konsumkreditgesetzes sollen lediglich in Einzelfällen und
überblicksartig betrachtet werden. Zudem wird das kantonale Recht nur soweit erforderlich
in die Betrachtungen einbezogen. Zivilprozessuale Themen werden ausschließlich unter der
eidgenössischen Zivilprozessordnung behandelt.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
3
TEIL I: GRUNDLAGEN DES RECHTS DER ZINSEN
§ 2 DER ZINS
I. BEGRIFF
Die schweizerischen Privatrechtsgesetze erweisen sich in Bezug auf die Bestimmung
des Zinsbegriffs und grundlegende Regelungen zur Zinsschuld als äußerst lückenhaft.
Insbesondere enthält das Obligationenrecht keine Legaldefinition des Zinses und verzichtet
ebenfalls auf allgemeine Normen zur Zinsschuld als Leistungsinhalt einer Obligation. Die
Bestimmung des Zinsbegriffs erfolgt daher in Lehre und Rechtsprechung regelmäßig unter
Rückgriff auf die Überlieferungen des gemeinen Rechts. Danach ist der Zins (von lat. census1)
„eine Vergütung für den Gläubiger wegen der einstweiligen Entbehrung des Genusses dessen,
was er zu fordern hat“.2 Während dieser Zinsbegriff auch Naturalzinsen für jegliche
Gattungsschulden vertretbarer Sachen umfasst3, hat sich in der heutigen Lehre das Verständnis
von Zinsen als Geldzinsen durchgesetzt.4 Das Bundesgericht hat diese Auffassung bereits 1926
in die Rechtsprechung übernommen und behandelt den Zins im rechtlichen Sinn als
„Vergütung, welche ein Gläubiger für die Entbehrung einer ihm geschuldeten Geldsumme zu
fordern hat und welche sich nach der Höhe der geschuldeten Summe und der Dauer der Schuld
bestimmt“.5 Diese Formel dient auch als Grundlage für die Abgrenzung der Zinsschuld von
anderen Vergütungsformen. Unbeachtlich ist hingegen die Bezeichnung einer Vergütung,
entsprechend dem allgemeinen Prinzip von Art. 18 Abs. 1 OR (falsa demonstratio non nocet).6
Sachenrechtlich betrachtet gehört der Zins zu den juristischen bzw. bürgerlichen
Früchten. Obwohl das schweizerische Recht diesen Begriff nicht ausdrücklich kennt, wird er
von der Lehre als notwendiges Pendant zu den natürlichen Früchten vorausgesetzt.7 Letztere
erwähnt das ZGB an verschiedenen Stellen explizit8, während die bürgerlichen Früchte jeweils
eine spezielle Begriffsbestimmung9 erfahren.10 Juristische Früchte entstehen aus dem ihnen
zugrundeliegenden Kapital heraus, aber im Gegensatz zu den natürlichen Früchten entstehen
sie nicht von selbst, sondern sie benötigen einen rechtlichen Entstehungsgrund.11 Formal
1 Die Zählung bzw. Vermögensschätzung. 2 WINDSCHEID/KIPP, Band II, § 259. 3 V. THUR/PETER, § 10 FN 1a. 4 WEBER, BK, Art. 73 OR N 4, 13; LEU, BSK, Art. 73 OR N 1; GUHL/KOLLER, § 11 N 15; V. THUR/PETER, § 10 S. 68. 5 BGE 52 II 228 E. 3. 6 BGE 52 II 228 E. 3. 7 MEIER-HAYOZ, BK, Art. 643 ZGB N 1, 22; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 1; WEBER, BK, Art. 73 OR N 14. 8 Vgl. Art. 643, 756, 892 ZGB. 9 Vgl. Art. 218, 757, 773 ZGB. 10 BGE 46 II 473 E. 1. 11 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 1.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
4
betrachtet ist die unmittelbare juristische Frucht der Hauptforderung ebenfalls eine Forderung,
nämlich jene auf eine Geldleistung. Der Zins ist nur mittelbar in Form des auf die Forderung
hin geleisteten Geldes die Frucht des Kapitals.12
II. ZWECK
A JURISTISCH
Die herrschende Lehre13 in der Schweiz und ebenso das schweizerische
Bundesgericht in stetiger Rechtsprechung14 betrachten den Zins als „die Vergütung, die ein
Gläubiger für die Entbehrung einer ihm geschuldeten Geldsumme zu fordern hat, sofern
diese Vergütung sich nach der Höhe der geschuldeten Summe und der Dauer der Schuld
bestimmt“15. Maßgeblich für das Vorliegen eines Zinses im rechtlichen Sinn ist nach der
herrschenden Ansicht somit, dass der Zins dem Ausgleich des entgangenen Nutzens des
Gläubigers an der ihm geschuldeten Geldsumme dient. In der schweizerischen Lehre
bestehen hingegen auch abweichende Ansichten über den Zweck des Zinses, allerdings
werden die Unterschiede in den verwendeten Zinsbegriffen nicht immer klar als solche
erkannt und benannt. Die wichtigste abweichende schweizerische Lehrmeinung16 versteht
den Zins als „Preis, den der Schuldner für die Nutzung des ihm befristet überlassenen
Geldkapitals zu entrichten hat“17, wobei nach WEBER „konkret (…) die Gebrauchs-
möglichkeit vergütet, nicht jedoch die Überlassung des Kapitals abgegolten“18 werde.
Ebenso behandelt die herrschende Lehre in Deutschland19 und die neuere deutsche
Rechtsprechung20 den Zins als „gewinn- und umsatzunabhängige, laufzeitabhängige, in
Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu entrichtende Vergütung für die Möglichkeit des
Gebrauchs eines Kapitals“21. Ohne eine vertiefte Auseinandersetzung mit den beiden
genannten Lehrmeinungen vertritt zudem eine Minderheit in der schweizerischen Lehre die
vermittelnde Position, dass der Zins „die vom Schuldner für die Nutzung oder Entbehrung
eines Kapitals (…) zu entrichtende Vergütung“22 sei. Zuletzt schlägt MAURENBRECHER, in
12 V. THUR/PETER, § 10 FN 4. 13 V. THUR/PETER, § 10 N 68; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2401; MERZ, SPR VI/1, S. 175; SCHWENZER, N 10.06. 14 BGE 52 II 228 E. 3 a.E.; BGE 115 II 349 E. 3; BGer v. 21.11.1990, BJM 1994 S. 37; 15 BGer v. 21.11.1990, BJM 1994 S. 37. 16 CHRIST, SPR VII/2, S. 244; ENGEL, S. 647, WEBER, BK, Art. 73 N 14; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 1. 17 WEBER, BK, Art. 73 OR N 14. 18 WEBER, BK, Art. 73 OR N 14. 19 CANARIS, NJW 1978, S. 1892; GRUNDMANN, MüKo 5.A., § 246 BGB N 12; SOERGEL/TEICHMANN, 12.A., § 246
BGB N 3 f.; ALFF, BGB-RGRK, § 246 N 1; a.A.: STAUDINGER/BLASCHCZOK, § 246 BGB N 7. 20 BGH NJW 1979, 540, 541; BGH NJW 1979, 805, 806; BGH NJW 1979, 2089, 2090. 21 CANARIS, NJW 1978, S. 1892. 22 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 6; ähnlich: GUHL/KOLLER, § 11 N 15.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
5
Anlehnung an MÜLBERT23, einen flexiblen Zinsbegriff vor, der weder ausschließlich an die
Entbehrung des Gläubigers noch an die Nutzung bzw. Nutzungsmöglichkeit des Schuldners
anknüpft, sondern den Zins als eine „laufzeitabhängige, in Geld oder vertretbaren Sachen zu
entrichtende Vergütung für die tatsächliche oder vertraglich ermöglichte Inanspruchnahme
wirtschaftlich fremden Kapitals durch den Schuldner“ 24 definiert. Die unterschiedliche
Anknüpfung der beiden Hauptlehrmeinungen an der Entbehrung bzw. der Nutzung des
Kapitals resultiert aus einer Betrachtung der wirtschaftlichen Folgen einer Kapital-
überlassung.25 Einerseits wird auf die Opportunitätskosten abgestellt die dem Gläubiger
durch die freiwillige oder unfreiwillige Kapitalüberlassung entstehen, d.h. auf den Nutzen
der ihm entgeht, und andererseits auf den Nutzen den der Schuldner durch die Überlassung
des Kapitals erzielen kann. 26 Auf Seiten des Gläubigers kann sich die Entbehrung sowohl
durch einen entgangenen Zinsertrag aus einer anderweitigen Verwendung, als auch durch
erhöhte Zinskosten für die Aufnahme eines Kredits auswirken. Ebenso kann auf Seiten des
Schuldners durch die Kapitalüberlassung ein Nutzen durch die zinstragende Anlage des
Kapitals oder durch die geringere Aufnahme von Kredit aus anderen Quellen resultieren.
Die Entscheidung zwischen der entbehrungs- und der nutzungsorientierten Anknüpfung
kann nicht aufgrund zwingender logischer Argumente getroffen werden, da beide Positionen
grundsätzlich vertretbar sind und von den gesetzlichen Zinsbestimmungen auch jeweils ein
Teil an die Entbehrung einer Geldsumme und ein anderer Teil an die Nutzungsmöglichkeit
des Schuldners an einem Kapital anknüpft. Zudem existieren aber auch weitere Zins-
bestimmungen, die entweder keinen eindeutigen Bezug auf die Entbehrung oder die
Nutzungsmöglichkeit nehmen oder an beide anknüpfen.27
Für die Behandlung des Zinses als Vergütung für die Entbehrung des Kapitals
spricht insbesondere, dass durch den Zins ein tatsächlicher Vermögensnachteil des
Gläubigers ausgeglichen wird der immer dann entsteht, wenn der Gläubiger sein Kapital
nicht selbst nutzen kann, sei es durch entgangene Zinserträge oder notwendig gewordene
Zinszahlungen. Hingegen kann die abweichende Lehrmeinung, die eine Anknüpfung an die
Nutzung des Schuldners vertritt, m.E. keine zwingenden Gründe für ihre Position und gegen
die Rechtsprechung des Bundesgerichts vorbringen. Allenfalls aus Gründen der Prävention
oder eines besseren Gläubigerschutzes mag es gerechtfertigt sein, einen weiteren Nutzen des
Schuldners abzuschöpfen und dem Gläubiger zukommen zu lassen.
Die weiteren abweichenden Lehrmeinungen haben in der Literatur bisher keine
wesentliche Resonanz erfahren. Auch der flexible Zinsbegriff von MAURENBRECHER, in
23 Zum deutsche Recht: MÜLBERT, AcP 1992, S. 498. 24 MAURENBRECHER (1995), S. 94. 25 MÜLBERT, AcP 1992, S. 496. 26 MÜLBERT, AcP 1992, S. 496. 27 MAURENBRECHER (1995), S. 91 ff; ähnlich zum deutschen Recht: MÜLBERT, AcP 1992, S. 497 f.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
6
Anlehnung an MÜLBERT, kann m.E. nicht vollständig überzeugen. Zwar soll durch die
Anknüpfung an die Inanspruchnahme des Kapitals durch den Schuldner eine von den
wirtschaftlichen Folgen der Kapitalüberlassung unabhängige Anknüpfung vorgenommen
werden, die alle gesetzlichen und vertraglichen Zinsen erfasst28, aber tatsächlich werden
bloß die umstrittenen Akzente der Entbehrung und der Nutzung vermieden und durch den
ebenso weiten wie unbestimmten Begriff der Inanspruchnahme ersetzt. Dieser steht gemäß
DUDEN für „das Gebrauchmachen, Nutzen von etwas, was jemandem als Recht zusteht oder
als Möglichkeit angeboten wird“ 29. Somit bezieht sich auch dieser Zinsbegriff letztlich auf
die Nutzung des Kapitals durch den Schuldner.
Für die Betrachtung der Zinsbestimmungen und insbesondere der Zinssätze im
Rahmen der vorliegenden Arbeit soll daher der Zinsbegriff des Bundesgerichts und der
herrschenden Lehre herangezogen werden, der den Zins als Vergütung für den Gläubiger für
die Entbehrung eines ihm geschuldeten Kapitals betrachtet, die sich nach der Höhe der
geschuldeten Summe und der Dauer der Schuld bestimmt. Die Anknüpfung an die
Entbehrung des Gläubigers schließt hingegen nicht aus, dass bei der Bestimmung der
anwendbaren Zinssätze auch andere Faktoren aus dem Zweck der zugrundeliegenden Norm,
wie z.B. ein Präventionsaspekt im Verzug, berücksichtigt werden.
Für die Anknüpfung der Verzinsungspflicht selbst ist der vertretene Zinsbegriff
nicht maßgeblich, da diese entweder von den Parteien vertraglich vereinbart oder vom
Gesetz, zumeist dispositiv, angeordnet wird. Relevant wird der Zinsbegriff bzw. der Zweck
des Zinses im juristischen Sinn hingegen, wenn sich bestimmte Rechtsfolgen an die
Einordnung einer Vergütung als Zins knüpfen. Dies gilt zunächst für alle Bestimmungen,
welche die Vereinbarung oder Auszahlung von Zinsen und Zinseszinsen verbieten30 oder in
der Höhe beschränken31, aber auch für weitere Bestimmungen, die sich auf das Verhältnis
der Zinsen zu der ihnen zugrundeliegenden Hauptforderung beziehen32 oder die spezielle
Verjährungsfrist für Kapitalzinsen als periodische Leistungen33. In Bezug auf die
Beschränkungen der Höhe der Zinssätze ist allerdings zu berücksichtigen, dass sowohl das
Konsumkreditgesetz als auch das Züricher EGZGB nicht nur eigentliche Zinsen, sondern
auch weitere Gebühren und Provisionen in die Berechnung des Zinssatzes einfließen lassen,
um eine Umgehung durch die Vereinbarung nicht direkt an der Laufzeit orientierter
Vergütungen zu verhindern. Gleiches muss für die allgemeinen Schranken der
Sittenwidrigkeit und der Übervorteilung gelten. Zudem kann der verwendete Zinsbegriff
von Bedeutung sein, wenn z.B. die exakte Länge einer Verzinsung zu bestimmen ist.
28 MAURENBRECHER (1995), S. 94; MÜLBERT, AcP 1992, S. 496 f. 29 DUDEN, DEUTSCHES UNIVERSALWÖRTERBUCH (Inanspruchnahme). 30 Art. 675 Abs. 1, 798a Abs. 1, Art. 105 Abs. 1, 3, Art. 314 Abs. 3 OR. 31 Art. 20, 21 OR, Art. 15 KKG, Art. 215 EGZGB ZH. 32 Art. 89 Abs. 2, Art. 114 Abs. 2, Art. 133 OR. 33 Art. 128 Ziff. 1 OR.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
7
Abgesehen vom seltenen Fall, dass das Kapital bar zur Verfügung gestellt und zurück-
gezahlt wird, kann es zu Abgrenzungsproblemen kommen, da der Zeitpunkt in dem der
Schuldner das Kapital nicht mehr nutzen kann regelmäßig nicht mit jenem Zeitpunkt
zusammenfällt in dem der Gläubiger wieder die Verfügungsmöglichkeit hat. Abhängig von
der Art der Übertragung, z.B. im Rahmen des elektronischen Zahlungsverkehrs, wird diese
Frist faktisch mindestens einen (Buchungs-)Tag betragen, der entweder vom Schuldner zu
verzinsen ist oder nicht.34
B WIRTSCHAFTLICH
Auch aus ökonomischer Perspektive ist der Zinsbegriff umstritten und kann daher
nicht als Begründung für oder gegen die Anwendung einer der o.g. juristischen Zinsbegriffe
dienen. Je nach Sichtweise sind Zinsen entweder „eine Entschädigung für Geld, Kredit und
Kapital, welche zur Verfügung gestellt werden, d.h. eine Vergütung für die Nutzung eines
Vermögensgegenstandes“35 oder „der Preis für die Überlassung eines Geldbetrages während
einer bestimmten Zeit“36. Teilweise wird diese Differenzierung auch vermieden und der
Zinssatz stattdessen definiert als „der Preis, der vom Schuldner an den Gläubiger für die
zeitweilige Verfügung über einen Geldbetrag oder eine Gütermenge zu entrichten ist“.37 Die
Berechnung und Darstellung von Zinsen erfolgt in Prozenten der Kapitalsumme pro Jahr,38
wobei nach FISHER39 im Sinne exakter Begrifflichkeit zwischen dem Zins und dem Zinssatz
zu differenzieren ist. Ersterer ist „eine ökonomische Größe innerhalb eines Preissystems“
und bezieht „sich auf eine bestimmte Periodenlänge, beispielsweise ein Jahr“, während der
Zinssatz bzw. Zinsfuß der „Zins in Relation zum Kapitalwert (Marktwert)“ ist.40 Sofern
keine weitere Bestimmung erfolgt, umfasst der Zinsbegriff im wirtschaftlichen Sinn sowohl
den Eigenzins, der bei der Nutzung durch den Eigentümer selbst anfällt, als auch den
Fremdzins, den der Eigentümer aufgrund einer Nutzung des Kapitals durch Dritte erhält.41
Weiter ist aus ökonomischer Perspektive zu differenzieren zwischen dem Nominalzins, dem
Realzins und der Rendite. Der Nominalzins ist die prozentuale Angabe der jährlich über die
Laufzeit zu leistenden Vergütung im Verhältnis zum Nominalwert des zugrundeliegenden
Wertes z.B. einer in einem Wertpapier verbrieften Anleihe. Reduziert um die prozentuale
34 MAURENBRECHER (1995), S. 89 ff. 35 ANDEREGG, S. 93. 36 SCHMID (2001), S. 188. 37 REETZ, S. 30; vgl. auch: WOLL, S. 248 (Der Zins „als Preis für die zeitweise Überlassung von Kaufkraft in
Geldform (Kredit)“) . 38 SCHMID (2001), S. 163; SCHIERENBECK, S. 717 (Zins). 39 FISHER, S. 12, 28. 40 ANDEREGG, S. 93. 41 MAURENBRECHER (1995), S. 11.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
8
Rate der Geldentwertung wird der Nominalzins zum Realzins42, so dass der Realzins
theoretisch negativ sein kann, wenn die prozentuale Inflationsrate höher ist als der
Nominalzinssatz. Die Rendite hingegen ist der „in Prozenten ausgedrückte Ertrag pro Jahr,
den der für den Erwerb des Titels aufzuwendende Geldbetrag abwirft“.43 Zum Nominalzins
unterscheidet sich die Rendite dadurch, dass sie sich nicht auf den Nennwert, sondern den
tatsächlichen Marktwert bezieht. Sofern ein Wertpapier z.B. eine Anleihe zum Nominalwert
erworben wird, sind Nominalzins und Rendite gleich hoch. Wird die Anleihe hingegen über
pari ausgegeben oder zu einem über dem Nennwert liegenden Marktpreis erworben, so ist
die Rendite kleiner als der Nominalzins. Kurs und Rendite stehen folglich in einer inversen
Beziehung. Während die absolute Vergütung und damit der Nominalzins stets gleich hoch
bleibt, führt ein steigender Kurs zu einer sinkenden Rendite und umgekehrt. In
wirtschaftlichen Zusammenhängen ist die Rendite entsprechend von größerer Bedeutung als
die nominale Verzinsung und der Begriff des Zinses wird i.d.R. in diesem Sinn verstanden.44
III. EXKURS: ZINSBERECHNUNG
Im Gesetz oder in Gerichtsentscheiden werden Zinsen i.d.R. als Prozentsatz einer
Schuld oder Forderung angegeben. Die Berechnung der Zinsen erfolgt mangels gesetzlicher
Bestimmungen nach den Regeln der Zinsrechnung, deren Grundlagen daher in diesem
Abschnitt kurz betrachtet werden sollen. Die Zinsrechnung ist ein Verfahren der Finanz-
mathematik, das dazu dient jenen Betrag zu berechnen auf den ein Kapital im Verlauf einer
bestimmten Zeitperiode angewachsen ist. Die Höhe des Endkapitals (Kn bzw. Kt) ist dabei
vom zugrundeliegenden Kapital (K0), von der Höhe des anwendbaren Zinssatzes (i) sowie
von der Dauer der Verzinsung in Zinsperioden (n) oder in Teilen bzw. Vielfachen (t) einer
Zinsperiode abhängig.45 Die Kalkulation der Zinsen bzw. des Endkapitals unterscheidet sich
zudem danach, ob eine lineare oder eine exponentielle Verzinsung erfolgen soll. Dabei ist
für die folgenden Erwägungen der Zins (i) in Dezimalform zu verstehen und nicht als
Zinssatz (p) in Prozenten pro Jahr. Es gilt folglich die Regel:
46
42 ANDEREGG, S. 93. 43 SCHMID (2001), S. 163. 44 SCHMID (2001), S. 163. 45 KRUMNOW/GRAMLICH/LANGE/DEWNER, S. 1471 (Zinsrechnung); GRUNDMANN/LUDERER, S. 21, 26.
46 Vgl. SIEBER, S. 8; GRUNDMANN/LUDERER, S. 21.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
9
A LINEARE VERZINSUNG
Bei der linearen oder auch einfachen Verzinsung wird der Zins ausschließlich vom
zugrundeliegenden Kapital berechnet, unabhängig davon ob eine jährliche oder unterjährige
Verzinsung vorliegt. Umfasst der Berechnungszeitraum mehrere Zinsperioden, dann werden
die in einer Periode angewachsenen Zinsen in den folgenden Perioden nicht wieder verzinst.
Aufgrund der gesetzlichen Beschränkungen von Zinseszinsen47 ist eine Verzinsungspflicht
im OR vermutungsweise als einfache bzw. lineare Verzinsung zu verstehen, sofern nicht
eine spezielle Ausnahme vorliegt. Die Berechnung erfolgt anhand folgender Formel:
48
B EXPONENTIELLE VERZINSUNG
1. JÄHRLICHE VERZINSUNG
Die exponentielle Verzinsung, die auch als Zinseszinsrechnung bezeichnet wird,
unterscheidet sich von der linearen Verzinsung dadurch, dass die am Ende jeder Zinsperiode
aufgelaufenen Zinsen nicht ausgezahlt, sondern kapitalisiert und in den anschließenden
Zinsperioden ebenfalls verzinst werden.49 Die Berechnung des Endkapitals ist nur mit Hilfe
der Exponentialrechnung möglich. Zur Kalkulation der für ein bestimmtes Zinsergebnis
notwendigen Laufzeit sind Logarithmen anzuwenden.50 Für eine jährliche Verzinsung
inklusive Zinseszinsen ist folgende Formel anzuwenden:
51
Durch die Umstellung dieser Formel nach dem gesuchten Faktor lassen sich mit
gegebenen Werten auch der Zinssatz (i) und die Laufzeit (n) einer Verzinsung ausrechnen.
Die rückwärtsorientierte Berechnung des ursprünglichen Kapitals (K0) wird später im
Abschnitt über die Diskontierung dargestellt.52
53
47 Siehe § 4 II B. 48 GRUNDMANN/LUDERER, S. 21.BEISPIEL I: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., t = 3 Jahre. K3 = 1„000 x (1 + 3 x 0,05) = 1„150. 49 KRUMNOW/GRAMLICH/LANGE/DEWNER, S. 1464 (Zinseszins). 50 KRUMNOW/GRAMLICH/LANGE/DEWNER, S. 1464 (Zinseszinsrechnung). 51 GRUNDMANN/LUDERER, S. 27. BEISPIEL II: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., n = 3 Jahre. K3 = 1„000 x (1 + 0,05)3 = 1„157,62. 52 Siehe § 2 IV. 53 GRUNDMANN/LUDERER, S. 27.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
10
54
2. UNTERJÄHRIGE VERZINSUNG
Im Fall von unterjährigen exponentiellen Verzinsungen erfolgt der Zuschlag der
Zinsen auf das Kapital mehrfach pro Jahr.55 Die Berechnung der Zinsen erfolgt daher unter
Berücksichtigung der Anzahl (n) der Jahre und der Anzahl (m) der Zinsperioden pro Jahr.
Die Kalkulation erfolgt mit dem relativen Zinssatz (irel), der sich aus dem nominalen
Zinssatz und der Anzahl der Teilperioden pro Zinsperiode herleitet:
56
Die Formel für die Berechnung unterjähriger exponentieller Zinsen lautet daher wie folgt:
57
3. EFFEKTIVER ZINSSATZ
Zusätzlich zum relativen Zinssatz für die Berechnung unterjähriger Verzinsungen,
kann auch der effektive durchschnittliche Zinssatz (ieff) kalkuliert werden. Dieser
berücksichtigt im Gegensatz zum nominalen und relativen Zinssatz auch den über die
Laufzeit der Verzinsung wirksamen Zinseszinseffekt. Eine unterjährige (m-malige)
exponentielle Verzinsung zum relativen Zinssatz führt daher zum gleichen Resultat wie eine
jährliche exponentielle Verzinsung zum effektiven Zinssatz.58 Die Umrechnung der
nominalen bzw. relativen Zinssätze erfolgt mit den folgenden Formeln:
59
4. EFFEKTIVER JAHRESZINSSATZ
Der zuvor dargestellte effektive Zinssatz ist nicht zu verwechseln mit dem
effektiven Jahreszinssatz gemäß Konsumkreditgesetz (KKG)60. Dessen Berechnung erfolgt
54 GRUNDMANN/LUDERER, S. 27. 55 GRUNDMANN/LUDERER, S. 28. 56 GRUNDMANN/LUDERER, S. 28. 57 GRUNDMANN/LUDERER, S. 28; BEISPIEL III: K0 = CHF 1„000,-, inom = 5% p.a., n = 3 Jahre, m = 4, irel = 0,05/4 = 0,0125;
K3 = 1„000 x (1 + 0,0125)[3 x 4] = 1„160,75. 58 GRUNDMANN/LUDERER, S. 28. 59 Vgl. SIEBER, S. 8; GRUNDMANN/LUDERER, S. 28; BEISPIEL IV: m = 4. inom = 0,05. ieff = (1 + 0,05/4)4 – 1 = 0,0509453. 60 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (KKG), SR 221.214.1.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
11
nach Art. 33 f. KKG und mit der Formel in Anhang 1 zum KKG, unter Einbezug sämtlicher
vergebener Kredite (AK) und aller Tilgungszahlungen sowie Zahlungen von Kosten (A′K′).
61
C TAGESGENAUE VERZINSUNG
Einen Sonderfall der einfachen und der exponentielle Verzinsung stellt die tagesgenaue
Verzinsung eines Kapitalbetrages dar. Zur genauen Berechnung solcher Zinsperioden wurden
verschiedene Verfahren entwickelt, die sich in Bezug auf ihre Annahmen über die Anzahl der
Tage eines Monats und eines Jahres unterscheiden. So wird im bürgerlichen Verkehr von einem
Jahr mit 365 Tagen (366 im Schaltjahr) ausgegangen und jeder Monat zählt mit seiner
kalendarischen Anzahl an Tagen. 62 Die übliche Bezeichnung dieser Methode ist „act/act“.63
Im kaufmännischen Verkehr hingegen (Handels- und Bankverkehr) werden drei
Berechnungsmethoden, die sog. Usanzen, unterschieden. Die deutsche Usanz (Bond-Methode,
30E/360), die regelmäßig auch in der Schweiz angewendet wird, geht von einem Jahr mit 360
Tagen aus, wobei jeder Monat auf eine Länge von 30 Tagen standardisiert wird. Fällt der
Zinstermin auf den 31. Tag eines Monats, dann wird dennoch als Zinstermin der 30. Tag
angenommen. Andererseits wird auch der Februar als ganzer Monat mit 30 Tagen angesetzt.64
Daneben besteht die englische Usanz (Englische Methode, act/365), die ähnlich der bürgerlichen
Zinsrechnung jedes Jahr mit 365 Tagen und die Monate mit ihrer tatsächlichen Anzahl an Tagen
berücksichtigt, allerdings die Schaltjahre außer Acht lässt. Zudem gibt es die französische Usanz
(Eurozins-Methode, act/360), die zwar von Monaten mit ihrer tatsächlichen Anzahl an Tagen
ausgeht, aber dennoch ein ganzes Jahr auf 360 Tage normiert.65
Unter Anwendung der deutschen Usanz (30E/360) erfolgt die Berechnung des
Endkapitals (Kt) einer Verzinsung mit dem nominalen Zinssatz (i) vom ersten (t1 = T1M1J1) bis
zum letzten Tag (t2 = T2M2J2) der verzinsten Laufzeit (t) mittels folgenden Formeln für die
Laufzeit (1) sowie die lineare (2) und die exponentielle (3) Verzinsung:
(1)
66
61 BEISPIEL IV: Darlehen in Höhe von CHF 1„000,- (AK, t1 = 0), Rückzahlung in zwei Raten nach einem und zwei
Jahren: A′1 = CHF 600.- (t1 = 1), A′2 = CHF 600.- (t2 = 2); Effektiver Jahreszins: i = 13,07%. 62 BOEMLE/GSELL/JETZER/NYFFELER/THALMANN, S. 1148 (Zinsrechnung); GRUNDMANN/LUDERER, S. 24. 63 GRUNDMANN/LUDERER, S. 24. 64 GRUNDMANN/LUDERER, S. 25. 65 BOEMLE/GSELL/JETZER/NYFFELER/THALMANN, S. 1148 (Zinsrechnung); GRUNDMANN/LUDERER, S. 24. 66 GRUNDMANN/LUDERER, S. 24;
BEISPIEL V: Laufzeit: 27.01.2006-07.06.2009; t = 1/360 [360 x (2009-2006) + 30 x (6-1) + 7 - 27] = 1210/360.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
12
(2) 67
(3) 68
D STETIGE VERZINSUNG
Eine besondere Form der exponentiellen Zinsberechnung ist die sog. stetige
Verzinsung. Im Gegensatz zu den zuvor behandelten diskreten Formen der Zinseszins-
berechnung sind die Anzahl (m) der Zinsperioden pro Jahr (n) und deren Länge im Fall der
stetigen Verzinsung nicht exakt bestimmt, sondern die Anzahl der Zinsperioden wird als
gegen unendlich strebend angenommen, wodurch die Länge jeder einzelnen Zeiteinheit
unendlich klein wird bzw. gegen Null strebt. Jeder kleinste auflaufende Zins wird
unmittelbar nach seiner Entstehung kapitalisiert und wiederum in der nächsten Periode
verzinst. In der Praxis ist diese Form der Verzinsung nur annäherungsweise umsetzbar;
hingegen hat sie für die Theorie eine große Bedeutung. Eine Approximation dieses
unendlichen Prozesses wird mathematisch mit Hilfe des Limes erreicht.
Zur Berechnung einer stetigen Verzinsung wird eine Multiplikation mit der
natürlichen Exponentialfunktion bzw. mit der Eulerschen Zahl e durchgeführt. Für eine
Verzinsungsdauer (t) von einem Teil oder einem Vielfachen eines Zeitraums, z.B. eines
Jahres (n), ergibt sich folgende Darstellung:
69
Durch die Umwandlung und Anwendung dieser Formel kann für eine bestimmte
Laufzeit und eine gegebene Differenz zwischen Erwerbspreis und Rückzahlungspreis der
stetige Zinssatz, z.B. für einen Zero-Bond, berechnet werden. Für eine zehnjährige Anleihe
(n=10) mit einem Rückzahlungspreis (K10) von 200 und einem Kaufpreis (K0) von 100
ergibt sich so der nachfolgende approximierte stetige Zinssatz (1) und im Vergleich dazu der
rechnerische Zinssatz für eine normale exponentielle Verzinsung (2):
67 BEISPIEL VI: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., t = 1210/360; K1210/360 = 1„000 x (1 + 0,05 x (1210/360)) = 1„168,06. 68 BEISPIEL VII: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., t = 1210/360; K1210/360 = 1„000 x (1 + 0,05) 1210/360 = 1„178,20. 69 GRUNDMANN/LUDERER, S. 21, 29; GAUGLHOFER/MÜLLER, S. 17 f.;
BEISPIEL VIII: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., t = 3 Jahre; K3 = 1„000 x e 0,05 x 3 = 1„161,83.
BEISPIEL IX: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., 27.01.2006-07.06.2009; K1210/360 = 1„000 x e 0,05 x (1210/360) = 1„183,00.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
13
(1)
(2)
In diesem Fall ergibt die nachträgliche Berechnung bei gleichem Zinsergebnis
einen geringeren stetigen kalkulatorischen Zinssatz. Bei gleichen Ausgangsbedingungen und
einer Verzinsung mit dem gleichen nominalen Zinssatz hingegen erbringt die stetige
Verzinsung ein der exponentiellen überlegenes Zinsergebnis.
IV. DISKONTIERUNG
Die Diskontierung bzw. Abzinsung ist ein finanzmathematisches Verfahren, mit dem
sich der Wert eines zukünftigen Zahlungsstroms zu einem vor dem Zahlungstermin (t)
liegenden Zeitpunkt bestimmen lässt. Gesucht ist der Wert eines Kapitals, das mit Zinsen für
die verstrichene Zeit das vorgegebene Endkapital ergibt.70 Der Termin auf den die
Berechnung vorgenommen wird ist regelmäßig der Zeitpunkt der Kalkulation selbst. Das
Ergebnis wird üblicherweise als Barwert der zukünftigen Zahlung bezeichnet. Die
Diskontierung kann aber auch auf jeden beliebigen anderen Termin zwischen dem Zeitpunkt
der Berechnung (t1) und der Zahlung (t2) vorgenommen werden. Der resultierende
Ertragswert bzw. Barwert (K0) ist vom vorgegebenen Kapitalbetrag, von der Zeit zwischen
den beiden Zeitpunkten und dem Diskontierungszinssatz (i) abhängig. Die Kalkulation
erfolgt mit folgenden Formeln für die lineare Verzinsung (1) und die exponentielle
Verzinsung (2) unter Berücksichtigung des Zinseszinseffekts:
(1)
71
(2)
72
Falls der Endbetrag aus mehreren Beträgen besteht, die zu unterschiedlichen
Zeitpunkten (t) ausgezahlt werden, kann die Formel wie folgt ergänzt werden:
73
70 KRUMNOW/GRAMLICH/LANGE/DEWNER, S. 1464 (Zinseszinsrechnung). 71 GRUNDMANN/LUDERER, S. 22;
BEISPIEL X: Kn = CHF 5„000,-, inom = 5% p.a., n = 5 Jahre; K0 = 5„000 / (1 + 5 x 0,05) = 4000,00. 72 GRUNDMANN/LUDERER, S. 27;
BEISPIEL XI: Kn = CHF 5„000,-, inom = 5% p.a., n = 5 Jahre; K0 = 5„000 / (1 + 0,05) 5 = 3„917,63.
§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________
14
Die Diskontierung ist in der juristischen Praxis von großer Bedeutung bei der
Berechnung kapitalisierter Rentenleistungen, wie z.B. einmaliger Kapitalleistungen für
Erwerbsausfall oder Versorgerschäden. Die Wahl des Diskontierungszinssatzes hat dabei
große Auswirkungen auf die Höhe der kapitalisierten Ersatzleistung.74
V. ZUSAMMENFASSUNG
Das Bundesgericht definiert den Zins in seiner Rechtsprechung als „die Vergütung,
die ein Gläubiger für die Entbehrung einer ihm geschuldeten Geldsumme zu fordern hat,
sofern diese Vergütung sich nach der Höhe der geschuldeten Summe und der Dauer der
Schuld bestimmt“75. Diese Definition beinhaltet bereits einige charakteristische Merkmale
der Zinsforderung, namentlich die Abhängigkeit vom Bestand und der Höhe der zugrunde-
liegenden Hauptforderung sowie die Laufzeitabhängigkeit. Sie ist zudem die Grundlage für
die Abgrenzung der Zinsforderung von anderen Vergütungsformen. Sachenrechtlich sind
Zinsen juristische bzw. bürgerliche Früchte, die aus dem ihnen zugrundeliegenden Kapital
entstehen, wobei sie dafür einen rechtlichen Entstehungsgrund in Vertrag oder Gesetz
benötigen. Teilweise werden in der juristischen Lehre auch andere Zinsbegriffe vertreten,
die den Zins als Vergütung für die Nutzung bzw. Nutzungsmöglichkeit des Kapitals
verstehen oder eine vermittelnde Position einnehmen. Vorliegend soll der Rechtsprechung
des Bundesgerichts gefolgt und der Zins als Vergütung für die Nutzungsentbehrung des
Gläubigers verstanden werden. Diese Entbehrung soll entsprechend auch als wichtigstes
Anknüpfungsobjekt für die Betrachtung und Bestimmung der gesetzlichen Zinssätze
herangezogen werden, wobei im Einzelfall weitere Faktoren berücksichtigt werden müssen.
Aus ökonomischer Perspektive ist ebenfalls umstritten, ob der Zins eine
Entschädigung für die Nutzung oder die Überlassung von Vermögensgegenständen,
insbesondere von Geldkapital, während einer bestimmten Zeit ist. Teilweise wird aber auch
auf die Unterscheidung verzichtet und an die bloße Verfügungsmöglichkeit über das Kapital
angeknüpft. Je nach Verwendung des Zinses ist in wirtschaftlichen Zusammenhängen
zudem weiter zu differenzieren zwischen dem Nominalzins, dem Realzins und der Rendite.
Für die Berechnung von Zinsen und Zinseszinsen sowie die Diskontierung kommen
die genannten Formeln der Zinsrechnung zu Anwendung.
73 BEISPIEL XII: K1 = CHF 500,-, K2 = CHF 500,-, K3 = CHF 500,-, K4 = CHF 500,-, K5 = CHF 2000,-, inom = 5% p.a.;
K0 = 500 / (1 + 0,05) 1 + 500 / (1 + 0,05) 2 + 500 / (1 + 0,05) 3 + 500 / (1 + 0,05) 4 + 3„000 / (1 + 0,05) 5 = 4„123,55. 74 Siehe § 7 VI. 75 BGer v. 21.11.1990, BJM 1994 S. 37.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
15
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG
Die vorangegangene Betrachtung des Zinsbegriffs hat gezeigt, dass bestimmte
Merkmale gegeben sein müssen, damit eine Vergütung für die Überlassung von Kapital
auch rechtlich als Zins qualifiziert werden kann. Nachfolgend sollen zunächst die
rechtlichen Merkmale einer Zinsforderung sowie die möglichen Entstehungsgründe der
Zinsforderung als juristische Frucht einer Hauptforderung genauer betrachtet werden.
Anschließend soll das geltende Recht betreffend die Höhe der Zinsforderung sowie deren
Fälligkeit, Erlöschen, Verjährung und prozessuale Durchsetzung dargestellt werden. Zuletzt
erfolgt eine Abgrenzung zu anderen Formen der Vergütung.
I. RECHTLICHE MERKMALE
A GELDFORDERUNG
Die herrschende Lehre behandelt die Zinsforderung ausschließlich im Zusammen-
hang mit Geldforderungen als zugrundeliegende Hauptforderung, obwohl ein Zins, wie es in
der Begriffsbestimmung der Pandektistik zum Ausdruck kommt, grundsätzlich auch für jede
Gattungsschuld, die auf vertretbare Sachen lautet, vereinbart werden kann.76 Aufgrund der
überwiegenden praktischen Bedeutung des Zinses als Entgelt für die Überlassung von Geld
soll nachfolgend auf die Darstellung von Naturalzinsen weitgehend verzichtet werden.
B PRINZIP DER STOFFGLEICHHEIT
Gemäß dem Erfordernis der Stoffgleichheit ist eine Zinsforderung nicht nur als
Quote des Kapitals zu berechnen, sondern auch in der gleichen Gattung zu erbringen.77 Bei
Geldforderungen ist dieses Kriterium selbstverständlich gegeben, sofern auch der Zins in
Geld und in der gleichen Währung wie die Hauptforderung zu erbringen ist.78 Das
Erfordernis gilt aber auch beim Naturalzins, der entsprechend aus der gleichen Gattung wie
die Hauptschuld zu leisten ist.79 Umstritten ist hingegen, ob in Ausnahmefällen auch
Abweichungen vom Prinzip der Stoffgleichheit zugelassen werden sollten. Dies betrifft z.B.
die Frage, ob die Entstehung von Zinsen im rechtlichen Sinn auch aufgrund einer
Hauptforderung auf nicht vertretbare Sachen möglich sein sollte. In diesem Fall würde für
die Zinsberechnung der Verkehrs- oder Schätzwert der Hauptforderung zugrunde gelegt und
76 MERZ, SPR VI/1, S. 175; V. THUR/PETER, § 10 S. 68, FN 1a; LARENZ, S. 180; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 6. 77 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2351; WEBER, BK, Art. 73 OR N 25; BECKER, BK, Art. 73 OR N 6;
SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 10. 78 BECKER, BK, Art. 73 OR N 6; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 10. 79 V. THUR/PETER, § 10 FN 1a.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
16
die Zinsforderung als Geldforderung ausgestaltet. Entsprechend müsste aber auf das
Erfordernis der Stoffgleichheit von Zinsen und Kapital verzichtet werden.80 Andere Autoren
sprechen sich sogar dafür aus in gewissen Situationen das Erfordernis der Stoffgleichheit
gänzlich fallen zu lassen, sofern die übrigen Begriffsmerkmale einer Zinsforderung gegeben
sind.81 Nach SCHRANER soll den Parteien die Möglichkeit gegeben werden, sowohl
Geldzinsen bei Sachdarlehen zu vereinbaren als auch Sachzinsen bei Gelddarlehen zwecks
Sicherung des Darlehenswertes, z.B. in Zeiten starker Geldentwertung.82 Während die
Bedeutung von Naturalzinsen auf Geldforderungen gering sein dürfte, sprechen m.E.
insbesondere praktische Gründe für einen Verzicht auf das Erfordernis der Stoffgleichheit,
wenn die Parteien Geldzinsen als Vergütung für die Überlassung von anderen vertretbaren
oder nicht vertretbaren Sachen vereinbart haben. Beispielsweise können zwei Parteien
anstelle der Auszahlung der Valuta in Geld auch die Übertragung von öffentlich-
gehandelten und leicht veräußerbaren Wertpapieren oder anderen Vermögensgegenständen
mit einem regelmäßig festgestellten Marktpreis vereinbaren, deren Wert der Borger durch
Verkauf oder Sicherheitenbestellung gebrauchen können soll und deren Rückgabe bloß in
der gleichen Gattung erfolgen muss. Erhält der Borger z.B. anstelle der Valuta
Bundesobligationen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, mit der Verpflichtung
Wertpapiere der gleichen Laufzeit, Verzinsung und Stückelung sowie in gleicher Menge
zurückzuerstatten, dann kann es m.E. für die Qualifikation als Zins nicht darauf ankommen,
ob das Entgelt in Form von Wertpapieren der gleichen Gattung oder in Form von Geld
geleistet wird. Insbesondere im Bereich der Zinsbeschränkungen wäre sonst eine einfache
und nicht gerechtfertigte Umgehung möglich.
C LAUFZEITABHÄNGIGKEIT
Ein entscheidendes Merkmal der Zinsforderung ist ihre Laufzeitabhängigkeit bzw. ihre
Entstehung pro rata temporis. Die Zinsforderung entsteht nicht einmalig in einem bestimmten
Zeitpunkt, sondern sie wächst periodisch an solange die Hauptforderung besteht.83 Unabhängig
davon und daher zu unterscheiden von der laufzeitabhängigen Entstehung sind hingegen die
Fälligkeit und die tatsächliche Erfüllung der Zinsforderung.84 Beides kann sowohl fortlaufend und
regelmäßig (z.B. jährlich), als auch, je nach Vereinbarung, einmalig erfolgen; unter Umständen
sogar durch einen Abzug vom Kapital bereits bei der Auszahlung der Hauptschuld.85
80 WEBER, BK, Art. 73 OR N 26. 81 BECKER, BK, Art. 73 OR N 6; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 10. 82 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 10; in Deutschland: STAUDINGER/SCHMIDT, § 246 BGB N 13. 83 WEBER, BK, Art. 73 OR N 22; LARENZ, S. 180; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 7; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK,
Art. 73 OR N 20. 84 Siehe § 3 IV. 85 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 9; MERZ, SPR VI/1, S. 175; LARENZ, S. 180 FN 52.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
17
D AKZESSORIETÄT
Die Zinsforderung ist in verschiedener Hinsicht rechtlich abhängig von der
zugrundeliegenden Hauptforderung. Diese Abhängigkeit von der Kapitalschuld wird als
Akzessorietät bezeichnet und qualifiziert den Zins zu einer Nebenleistung bzw. die
Zinsforderung zu einem akzessorischen Recht der Hauptforderung.86 Dieses Verhältnis von
Haupt- und Zinsforderung kommt auch in Art. 133 OR zum Ausdruck, der für die
Verjährung den aus einem Hauptanspruch entspringenden Zins den Nebenansprüchen und
den entsprechenden Fristen zuordnet. Hingegen darf die Akzessorietät auch nicht als
dauernde Verknüpfung von Haupt- und Zinsforderung verstanden werden, da die
Zinsforderung nur in Bezug auf ihre Entstehung und ihren Umfang absolut akzessorisch ist.
Hinsichtlich ihres Bestands und Erlöschens kann die Zinsforderung auch selbstständig
sein.87 Nachfolgend sollen einige Folgen der Akzessorietät genauer betrachtet werden.
1. ENTSTEHUNG
Die unmittelbarste Folge der akzessorischen Natur der Zinsforderung ist ihre
Abhängigkeit von der Hauptforderung für ihre Entstehung. Ohne eine rechtsgültig
entstandene Hauptforderung kann keine Zinsforderung entstehen oder anwachsen.88
Allerdings muss die Hauptforderung nur entstanden, aber noch nicht in ihrer Höhe fixiert
sein, um die Grundlage für eine Verzinsung zu bilden. Sogar ein noch nicht rechtskräftiger
Anspruch auf Genugtuung kann nach WEBER als Rechtsgrund für eine Zinspflicht dienen.89
2. UMFANG
Auch in Bezug auf ihren Umfang ist die Zinsforderung akzessorisch zur Haupt-
forderung. Die Höhe der Zinsforderung ergibt sich einerseits aus dem Betrag der Haupt-
forderung und andererseits aus der Dauer der Inanspruchnahme des Kapitals (Laufzeit).90
Der Zinssatz ist regelmäßig eine Quote der Kapitalforderung in Prozenten pro Jahr, wobei
auch andere Berechnungsperioden möglich sind.91 Der anwendbare Zinssatz braucht nicht
über die gesamte Laufzeit konstant zu bleiben, sondern kann variabel ausgestaltet oder an
externen Entwicklungen, wie dem Verlauf eines Referenzzinssatzes (z.B. LIBOR,
Diskontsatz), orientiert werden.92
86 V. THUR/PETER, § 10 S. 71, GUHL/KOLLER, § 11 N 20; MERZ, SPR VI/1, S. 178; SCHWENZER, N 10.07. 87 WEBER, BK, Art. 73 OR N 44 f. 88 V. THUR/PETER, § 10 S. 71; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 46; LARENZ, S. 180. 89 WEBER, BK, Art. 73 OR N 46. 90 GUHL/KOLLER, § 11 N 15; WEBER, BK, Art. 73 OR N 20. 91 MERZ, SPR VI/1, S. 175 f.; LARENZ, S. 180. 92 WEBER, BK, Art. 73 OR N 20; LARENZ, S. 180; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 8.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
18
3. ERLÖSCHEN
Die Akzessorietät der Zinsforderung zeigt sich teilweise auch in ihrem Erlöschen.
Gemäß Art. 114 Abs. 1 OR erlöschen mit dem Untergang der Hauptforderung grundsätzlich
auch alle Nebenrechte, wie z.B. Zinsen, sofern diese nicht vorbehalten oder
verselbstständigt wurden (Art. 89 Abs. 2, Art. 114 Abs. 2, Art. 133 OR).93 Dies kann laut
Gesetz durch „Erfüllung oder auf andere Weise“ geschehen, womit auch die Fälle des
Forderungserlasses, der Verrechnung und der Hinterlegung bei Gläubigerverzug erfasst
sind.94 Im Fall einer vorzeitigen Erfüllung ist hingegen, insbesondere beim Darlehen, das
legitime Interesse des Gläubigers an den Zinsen bis zum vereinbarten Vertragsende bzw.
zum nächsten Kündigungstermin zu berücksichtigen.95 Zudem ermöglicht Art. 114 Abs. 2
OR die Nachforderung bereits aufgelaufener Zinsen, sofern dies vereinbart oder den
Umständen zu entnehmen ist.96 Die Beweispflicht dafür liegt beim Gläubiger.97 Bereits vor
dem Erlöschen der Hauptforderung geht die Zinsforderung unter wenn gegen den Schuldner
Pfändungs- oder Konkursverlustscheine ausgestellt worden sind (Art. 149 Abs. 4 und 265
Abs. 2 SchKG) bzw. wenn über ihn nach Art. 209 SchKG der Konkurs eröffnet worden ist,
wobei letztere Bestimmung eine Ausnahme für pfandgesicherte Forderungen macht.98
4. AUSNAHME: SELBSTSTÄNDIGKEIT
a. DURCH VEREINBARUNG
Die Wirkung der akzessorischen Natur der Zinsforderung kann abgemildert
werden indem diese rechtlich verselbstständigt wird.99 Dies kann zunächst durch eine
Vereinbarung der Parteien erreicht werden, dass z.B. die Zinsen nicht mit der
Hauptforderung untergehen sollen. Ebenso kann der Gläubiger bei einer Abtretung der
Hauptforderung die gesamte Zinsforderung oder einzelne Teile davon gesondert abtreten,
sich die Zinsforderung zurückbehalten oder bereits bei Vertragsabschluss die Zinsforderung
nach Art. 112 OR einem Dritten zukommen lassen.100 Die Zinsforderung kann sodann
selbstständig in Betreibung gesetzt (Art. 41 Abs. 2 SchKG) und eingeklagt werden. Sie kann
ebenso wie die Hauptforderung einzeln gepfändet oder verpfändet werden und sie steht für
die Dauer einer allfälligen Nutznießung der Hauptforderung dem Nutznießer zu (Art. 773
93 MERZ, SPR VI/1, S. 179; GUHL/KOLLER, § 11 N 21. 94 WEBER, BK, Art. 73 OR N 48, 51 ff.; V. THUR/PETER, § 10 S. 72. 95 Siehe § 5 I C 2. 96 GUHL/KOLLER, § 11 N 21; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 51; 97 BUCHER, OR AT, S. 415. 98 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 50; V. THUR/PETER, § 10 S. 72; WEBER, BK, Art. 73 OR N 50. 99 WEBER, BK, Art. 73 OR N 66. 100 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 64 ff.; WEBER, BK, Art. 73 OR N 67 ff.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
19
Abs. 1 und 757 ZGB).101 Diese Selbstständigkeit ist allerdings nur eine relative,102 da das
Anwachsen der Zinsen weiterhin mit dem Erlöschen der Hauptforderung endet, auch wenn
vereinbarungsgemäß die aufgelaufenen Zinsen nachgefordert werden können.103
b. DURCH VERBRIEFUNG
Eine stärkere Form der Selbstständigkeit der Zinsforderung kann durch deren
Verbriefung in Inhaberpapieren, Coupons oder Zinsscheinen erreicht werden (vgl. Art. 114
Abs. 3 und 980 Abs. 1 OR, Art. 904 Abs. 2 ZGB). In diesem Fall spricht man von einer
erhöhten und dauernden Selbstständigkeit.104 Die Zinsforderung wird von der
Hauptforderung gelöst und in einem Wertpapier verkörpert, wodurch der Inhaber des
Wertpapiers den Zins unter Vorlage des Papiers einfordern kann und der Verpflichtete nur
an den Inhaber leisten darf und muss.105 Gutgläubigen Dritten gegenüber verliert die
Zinsforderung dadurch jegliche Abhängigkeit von der Hauptforderung.106 Die Vermutung
des Art. 114 Abs. 1 OR über den Untergang der Nebenrechte ist gemäß Art. 114 Abs. 3 OR
nicht anwendbar und gegen die verbriefte Forderung kann nicht die Einrede der Tilgung der
Hauptforderung erhoben werden (Art. 980 Abs. 1 OR). Somit kann die verbriefte
Zinsforderung aufgrund der Natur des Inhaberpapiers und zum Schutz des Rechtsverkehrs
auch nach Erlöschen der Hauptforderung entstehen und fortbestehen.107 Die Zinsforderung
wird durch Übergabe des Wertpapiers übertragen und nach Art. 170 Abs. 3 OR wird bei der
Zession der Hauptforderung der Übergang rückständiger Zinsen nicht vermutet.108 Um
dennoch zu verhindern, dass der Schuldner der Hauptforderung auch für die Zeit nach deren
Erlöschen die Zinsen an den Inhaber der verbrieften Zinsforderung zu leisten hat, ist er nach
Art. 980 Abs. 2 OR berechtigt bei der Bezahlung der Kapitalschuld den Betrag der nicht
abgelieferten zukünftig verfallenden Zinsscheine bis zu ihrer Verjährung zurückzubehalten,
sofern sie nicht kraftlos erklärt oder ihr Betrag sichergestellt worden ist.109
E ZUSAMMENWACHSEN VON ZINS- UND HAUPTFORDERUNG
In bestimmten Rechtsverhältnissen können Zinsen auch einen Bestandteil der
Hauptforderung darstellen und mit dieser „zusammenwachsen“.110 Dies gilt z.B. für den
101 BGE 52 II 215 E. 3; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 71 ff., 80; V. THUR/PETER, § 10 S. 73; V. THUR/ESCHER, § 98 S. 375;
WEBER, BK, Art. 73 OR N 76; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 15. 102 LEU, BSK, Art 73 OR N 2. 103 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 68; WEBER, BK, Art. 73 OR N 70. 104 LEU, BSK, Art. 73 OR N 2; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 69; WEBER, BK, Art. 73 OR N 71. 105 MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, § 2 N 140 ff. 106 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 15. 107 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 69; WEBER, BK, Art. 73 OR N 72. 108 MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, § 2 N 155 f.; V. THUR/PETER, § 10 S. 73. 109 V. THUR/PETER, § 10 S. 73, insb. FN 29; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 70; WEBER, BK, Art. 73 OR N 72. 110 WEBER, BK, Art. 73 OR N 39.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
20
Zins auf einer ungerechtfertigten Bereicherung111, den in einem Herausgabeanspruch im
Auftragsrecht enthaltenen Zins den der Beauftragte von einem Dritten eingezogen hat oder
die Zinsen in der Regresssumme beim Regress des Indossanten im Check- und
Wechselrecht, die jener zuvor an den Inhaber gezahlt hat112.113 Das Zusammenwachsen von
Zins- und Hauptforderung hat zu Folge, dass einerseits die gesamte Forderung inkl. der
ursprünglichen Zinsen verzinslich ist und andererseits die Zinsen als Bestandteil der
Hauptforderung nicht der verkürzten Verjährung von Art. 128 Ziff. 1 OR unterliegen.114
II. ENTSTEHUNG DER ZINSFORDERUNG
Geldforderungen und Forderungen die auf andere vertretbare Sachen lauten sind im
schweizerischen Recht nicht in jedem Fall zinspflichtig. Die Entstehung der Zinsforderung
als juristische Frucht bedarf eines rechtlichen Grundes, der sich entweder aus einem
Rechtsgeschäft oder einer Gesetzesvorschrift ergibt.115 Nach einer von SCHWENZER
vertretenen Ansicht kann auch die Übung ein eigener Entstehungsgrund sein.116 Richterliche
Zinsen allein aufgrund eines Urteils, wie sie von OSER/SCHÖNENBERGER als weiterer
Entstehungsgrund vertreten werden, gibt es nach herrschender Ansicht im schweizerischen
Recht nicht.117
A RECHTSGESCHÄFTLICHE ZINSEN
Solange keine Gesetzesbestimmung eine ausdrückliche Pflicht zur Verzinsung
anordnet, müssen die Parteien diese in einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung vorsehen.
Dies gilt grundsätzlich auch im kaufmännischen Verkehr, allerdings mit der Ausnahme des
Darlehens (Art. 313 Abs. 2 OR).118 Die Zinsvereinbarung kann ausdrücklich in einer
Vertragsklausel vorgesehen werden, bedarf aber nicht zwingend einer bestimmten Form.
Somit kann sie auch stillschweigend oder konkludent erfolgen; zudem ist sie auch nach
Vertragsabschluss möglich.119 Insbesondere wenn, z.B. im Geschäftsverkehr, eine Ver-
zinsung allgemein üblich ist und die Vertragsparteien eine solche nicht ausdrücklich
ausgeschlossen haben, kann auch eine stillschweigende Zinsvereinbarung angenommen
werden.120 Falls das zugrundeliegende Rechtsverhältnis eine aufschiebende Bedingung
111 Siehe § 8 IV. 112 Siehe § 15 I B 2 b, § 15 II B 2 b. 113 V. THUR/PETER, § 10 S. 70; WEBER, BK, Art. 73 OR N 40-42. 114 Siehe § 3 VI; V. THUR/PETER, § 10 S. 70; WEBER, BK, Art. 73 OR N 43. 115 V. THUR/PETER, § 10 S. 74; WEBER, BK, Art. 73 OR N 84; LEU, BSK, Art. 73 OR N 1. 116 SCHWENZER, N 10.08. 117 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 8; a.A. V. THUR/PETER, § 10 S. 74 FN 32. 118 WEBER, BK, Art. 73 OR N 85 f.; HGer ZH v. 12.10.1964, ZR 1965 Nr. 147 E. VIII. 119 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 N 1. 120 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 29; WEBER, BK, Art. 73 OR N 86.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
21
enthält (Art. 151 ff. OR), beginnt auch der Zinsenlauf erst mit Eintritt der Bedingung. Die
Zeit zwischen Vertragsabschluss und Eintritt der Bedingung ist nur dann zu verzinsen, wenn
dies ausdrücklich vereinbart wurde oder anzunehmen ist (Art. 151 Abs. 2 OR). Eine
auflösende Bedingung (Art. 154 ff. OR) beendet auch die Verzinsungspflicht, aber führt nur
dann zu einem Anspruch auf Rückforderung der aufgelaufenen Zinsen, wenn dies vereinbart
wurde.121 Außer durch vertragliche Vereinbarung kann eine Zinsforderung auch durch ein
einseitiges Rechtsgeschäft, wie eine letztwillige Verfügung des Erblassers (z.B. Zins vor der
Fälligkeit einer Geldsumme als Vermächtnis, Art. 484 ff. ZGB) begründet werden.122
Nur in wenigen Fällen wird die Vereinbarung von Zinsen durch das Gesetz ausdrücklich
ausgeschlossen. Dies betrifft z.B. die Verzinsung des Aktien- bzw. Stammkapitals bei der
AG und der GmbH (Art. 675 Abs. 1 und Art. 798a Abs. 1 OR)123 oder die Verzinsung der
Checkschuld (Art. 1106 OR) und der Wechselschuld (Art. 995 Abs. 1 OR).124
B GESETZLICHE ZINSEN
Gesetzliche Bestimmungen aufgrund derer eine Zinsforderung entsteht finden sich
in einer großen Anzahl im OR. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel dem Gläubiger
einer Kapitalforderung den durch die Vorenthaltung des Kapitals entstandenen Schaden
auszugleichen bzw. die Entstehung von dauerhaften Schäden zu verhindern,125 da der
Gläubiger das Kapital zinstragend hätte anlegen oder sich Zinskosten hätte ersparen können,
wenn er es selbst genutzt und nicht unfreiwillig einem Dritten überlassen hätte.126 Dieser
Zweck kommt auch in dem vom Bundesgericht verwendeten Zinsbegriff zum Ausdruck.127
Die wichtigsten Beispiele gesetzlicher Zinsen sind der Zins im Schuldnerverzug (Art. 104
OR), die Verzinsung einer Schadenersatzsumme, sei es aus Vertrag (Art. 97 OR) oder
unerlaubter Handlung (Art. 41 OR) und der Zins auf Auslagen- und Verwendungsersatz im
Auftragsrecht (Art. 402 OR) oder in der einfachen Gesellschaft (Art. 537 OR). Zudem
bestimmt Art. 73 Abs. 1 OR einen allgemeinen (höchst) subsidiären Zinssatz, der zur
Anwendung kommt, wenn die Parteien die Pflicht zur Verzinsung der Hauptforderung
vereinbart haben, aber kein Zinssatz bestimmt wurde und sich aus Gesetz oder Übung kein
solcher ergibt. 128
121 WEBER, BK, Art. 73 OR N 87. 122 V. THUR/PETER, § 10 S. 74; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 29; WEBER, BK, Art. 73 OR N 88; PIOTET, SPR IV/1, S. 135. 123 Siehe § 14. 124 Siehe § 15. 125 WEBER, BK, Art. 73 OR N 6, 90. 126 LARENZ, S. 182. 127 Siehe § 2 II A. 128 SCHWENZER, N 10.11 f.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
22
C RICHTERLICHE ZINSEN
Wie erwähnt kennt das schweizerische Recht keine Zinsen die allein durch eine
Entscheidung des Richters entstehen. Der Richter kann nur Zinsen zusprechen, die eine
Grundlage im materiellen Recht haben.129 Zudem ist er aufgrund der Dispositionsmaxime
im Zivilprozess bei der Festlegung des Zinssatzes an die Anträge und Beweismittel der
Parteien gebunden.130 Einzig wenn die Parteien sich zwar auf die Zinsschuld selbst aber
nicht auf die Höhe des Zinssatzes einigen konnten und diesen Punkt bewusst vorbehalten
haben, kann der Richter den Zinssatz nach der „Natur des Geschäfts“ festlegen.131
Dogmatisch handelt es sich aber auch in diesem Fall nicht um echte richterliche Zinsen,
sondern um eine von den Parteien vereinbarte Zinsschuld.132
III. HÖHE DER ZINSFORDERUNG
Die Höhe einer von den Parteien vereinbarten oder vom Gesetz angeordneten
Zinspflicht bestimmt sich entweder nach der Vereinbarung der Parteien, nach Gesetz oder
nach einer allfälligen Übung. Der Zins wird allgemein als Quote der zugrundeliegenden
Kapitalforderung, d.h. als Zinssatz, angegeben. Sofern nichts anders vereinbart ist, sind
Zinsangaben als Prozente pro Jahr zu verstehen (so auch Art. 314 Abs. 2 OR).133
A RECHTSGESCHÄFTLICHE ZINSEN
Im Bereich der rechtsgeschäftlichen Zinsen steht es den Parteien grundsätzlich frei,
den Zinssatz nach ihren Vorstellungen durch Vereinbarung oder einseitiges Rechtsgeschäft
festzulegen.134 Die gesetzlichen Zinssätze stehen diesem Vorgehen nicht entgegen, da sie
dispositiver Natur sind und nur subsidiär zur Anwendung kommen.135 Diese Rangordnung
ergibt sich aus Art. 73 Abs. 1 OR, der für die Anwendung des allgemeinen subsidiären
Zinssatzes von 5% p.a. voraussetzt, dass die Parteien zwar eine Verzinsungspflicht
vereinbart haben, aber dass sich die Höhe des Zinssatzes weder aus dem Vertrag selbst, noch
aus Gesetz oder aufgrund einer Übung bestimmen lässt. Bei der Festlegung des Zinssatzes
können die Parteien verschiedene Faktoren, wie das allgemeine Zinsniveau, die
Inflationsentwicklung, individuelle Risikofaktoren des Schuldners oder allfällige Personal-
und Realsicherheiten berücksichtigen.136 Der Zinssatz braucht nicht über die ganze Laufzeit
129 V. THUR/PETER, § 10 FN 32; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 28; WEBER, BK, Art. 73 OR N 84. 130 BERGER/GÜNGERICH, Rz. 517 ff. 131 WEBER, BK, Art. 73 OR N 119. 132 Siehe § 3 III D. 133 CHRIST, SPR VII/2, S. 244; WEBER, BK, Art. 73 OR N 116. 134 BGE 69 I 171 E. 4. 135 WEBER, BK, Art. 73 OR N 117. 136 MERZ, SPR VI/1, S. 177; CHRIST, SPR VII/2, S. 245; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 88.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
23
konstant zu bleiben oder von Beginn an genau bestimmt zu sein, sondern er kann variabel
ausgestaltet sein oder von externen Faktoren, wie der Veränderung einer Referenzgröße
abhängig gemacht werden.137 Möglich ist auch die Vereinbarung eines partiarischen
Darlehens, bei dem die Vergütung im Wesentlichen aus einer Beteiligung am Gewinn der
finanzierten Unternehmung besteht, wobei der Zins nicht allein von Gewinn abhängig sein
darf, sondern sich an der Höhe der Kapitalforderung und deren Laufzeit orientieren muss.138
Einschränkend zum Grundsatz der vertraglichen Inhaltsfreiheit gilt jedoch der allgemeine
Grundsatz, dass sich jede Zinsvereinbarung der Parteien im Rahmen der Rechtsordnung und
der guten Sitten bewegen muss. Diese Grenzen der Privatautonomie ergeben sich aus
verschiedenen Gesetzesbestimmungen, die regelmäßig den Schutz des Schuldners als
schwächere Vertragspartei bewirken sollen und einerseits die Höhe eines vereinbarten
Zinssatzes sowie andererseits die Vereinbarung von Zinseszinsen beschränken.139
B GESETZLICHE ZINSEN
Ebenso wie das Gesetz in verschiedenen Bestimmung die Entstehung einer Zins-
schuld anordnet, enthält das OR auch mehrere Normen, die einen dispositiven Zinssatz140
für den Fall einer fehlenden Parteivereinbarung über die Höhe des Zinssatzes bestimmen.
Einen allgemeinen subsidiären Zinssatz gibt Art. 73 Abs. 1 OR mit 5 % p.a. vor, sofern
nicht eine Übung oder eine andere gesetzliche Bestimmung vorrangig anwendbar sind. Die
wichtigsten übrigen gesetzlichen Zinssätze sind der allgemeine Verzugszinssatz von
ebenfalls 5% (Art. 104 Abs. 1 OR), die Einlageverzinsung in der Kollektiv- und
Kommanditgesellschaft von 4% (Art. 558 Abs. 2 OR) sowie der Zinssatz im Check- und
Wechselregress von 6% p.a. (Art. 1045 Abs. 1 Ziff. 2, 1046 Ziff. 2 und 1130 Ziff. 2 OR).141
Obwohl diese Zinssätze alle die gleiche Entbehrung von Kapital vergüten sollen,
unterscheiden sie sich ohne nähere Begründung in ihrer Höhe. Dies muss m.E. als ein
Resultat der verschiedenen Gesetzgebungsverfahren betrachtet werden. Während der
Zinssatz von 4% in der Kollektivgesellschaft (so schon in Art. 556 Abs. 2 aOR) aus der
starken Anlehnung an die offene Handelsgesellschaft (oHG) im deutschen Handels-
gesetzbuch (HGB) vom 10. Mai 1897 und dessen Vorgänger, dem Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuch vom 31. Mai 1861, zu resultieren scheint, hat der Satz von 6% im
Check- und Wechselrecht seinen Ursprung in den internationalen Abkommen über das
Einheitliche Wechselgesetz bzw. das Einheitliche Checkgesetz.142
137 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 89. 138 GRAF, S. 10 ff.; WEBER, BK, Art. 73 OR N 118. 139 Siehe die Darstellung in § 4. 140 BECKER, BK, Art. 73 OR N 7 f. 141 SCHWENZER, N 10.11 f.; WEBER, BK, Art. 73 OR N 125 ff.; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 93 ff; GUHL/KOLLER, § 11 N 18. 142 Siehe § 15 III.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
24
Andere Bestimmungen, welche die Entstehung einer Zinsforderung anordnen,
verzichten hingegen auf die Festsetzung eines dispositiven Zinssatzes. In diesen Fällen zieht
das Bundesgericht regelmäßig die zuvor genannten Normen vergleichend oder analog heran.
C ZINSSATZ NACH ÜBUNG
Einige gesetzliche Normen verweisen, wie bereits erwähnt, zur Bestimmung der
Höhe eines Zinssatzes auf einen übungsgemäßen bzw. üblichen Zinssatz. Dabei ist jedoch
klarzustellen, dass in diesen Fällen nur der Zinssatz durch die Übung bestimmt wird,
während die Zinspflicht selbst ihren Entstehungsgrund in einem Rechtsgeschäft oder einer
Gesetzesbestimmung hat. Ohne eine solche rechtliche Grundlage ist auch ein Gericht nicht
befugt einen „für derartige Verträge üblichen Zinssatz“ zuzusprechen.143 Aufgrund von Art.
73 Abs. 1 OR gilt der Verweis auf die Übung für jegliche Zinsforderungen deren Zinssatz
unbestimmt geblieben ist und zwar noch bevor dispositives Gesetzesrecht zur Anwendung
kommt.144 Nach der herrschenden Lehre braucht der übungsgemäße Zinssatz den Parteien
nicht bekannt zu sein und sie müssen ihn auch nicht ausdrücklich oder stillschweigend in
den Vertrag aufgenommen haben, da es sich dabei um objektives Recht handelt.145 Ebenfalls
auf einen üblichen Zinssatz verweist Art. 314 Abs. 1 OR als Vermutung für den Darlehens-
zins, insbesondere für das vermutungsweise verzinsliche Darlehen im kaufmännischen
Verkehr. Diese Bestimmung dürfte die praktisch wichtigste Grundlage für den üblichen
Zinssatz sein und wird daher auch zur näheren Bestimmung der maßgeblichen Übung von
Art. 73 Abs. 1 OR herangezogen.146 Weitere übliche Zinssätze finden sich in Art. 104 Abs. 3
OR mit dem Verweis auf den üblichen Bankdiskontsatz und in Art. 859 Abs. 3 OR mit dem
landesüblichen Zinsfuß für langfristige Darlehen ohne besondere Sicherheiten. Dabei ist
auffällig, dass trotz der hohen Bedeutung der Übung als Bestimmungsgrundlage für den
Zinssatz kein einheitlicher Begriff des üblichen Zinssatzes besteht und kein eindeutiger
Verweis auf eine bestimmte Referenzgröße existiert. In diesem Bereich hat sich daher ein
weites Feld für die Ausgestaltung durch Lehre und Praxis eröffnet.
Parallel existiert zudem ein eigenständiger „landesüblicher Zinssatz“, der
insbesondere im Enteignungsrecht und im öffentlich-rechtlichen Verzug Anwendung findet.
Diesen hat das Bundesgericht unabhängig von seiner privatrechtlichen Rechtsprechung
geprägt und in verschiedenen Fällen auf 3%, 4% oder 4½% festgelegt.147
143 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2351; KGer VS v. 30.09.1987, ZWR 1988 S.368, E. 3e. 144 SCHWENZER, N 10.11 f.; V. THUR/PETER, § 10 S. 75; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 90; GUHL/KOLLER, § 11 N 18. 145 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 90; WEBER, BK, Art. 73 OR N 120; BECKER, BK, Art. 73 OR N 7 f.;
a.M.: OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 18. 146 BECKER, BK, Art. 73 OR N 8; WEBER, BK, Art. 73 OR N 124; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 90. 147 BGE 78 I 86 E. 5; BGE 85 I 180 E. 4; BGE 87 I 411 E. 4; BGE 94 I 286 E. I.4 = Pra 1968 Nr. 137 E. I.4;
WEBER, BK, Art. 73 OR N 121; V. THUR/PETER, § 10 FN 38b.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
25
D RICHTERLICHE VERTRAGSERGÄNZUNG
Die dargestellte abschließende gesetzliche Regelung bezüglich der Festlegung der
Zinshöhe lässt keinen Platz für echte richterliche Zinsen oder lückenfüllende
Rechtsprechung modo legislatoris. Das schweizerische Recht kennt folglich keine Zinsen
deren Höhe vollständig im Ermessen des Richters liegt. Einzig wenn die Parteien sich zwar
auf die Verzinsungspflicht selbst, aber nicht auf die Höhe des Zinssatzes geeinigt und diesen
Nebenpunkt bewusst offengelassen haben, kann der Richter den Zinssatz gemäß Art. 2 Abs.
2 OR nach der „Natur des Geschäfts“ festlegen.148 Die Parteien können in diesem Fall „auf
Ergänzung des Vertrags durch richterliches Gestaltungsurteil“ klagen, ohne ihren Antrag
genau spezifizieren zu müssen.149 Der Richter muss daraufhin eine „den Interessen der
Parteien adäquate individuelle Lösung“ 150 finden, die einerseits den Vertragswillen bzw.
Vertragszweck achtet und den Vertrag andererseits so ergänzt, dass er mit der Ergänzung ein
„harmonisches Ganzes“ bildet.151 Der hypothetische Parteiwille ist für ihn bei der
Ausfüllung der Vertragslücke unbeachtlich, da ein solcher aufgrund der bewusst fehlenden
Einigung der Parteien nicht vorliegen kann. Ebenso ist der Richter nicht an dispositives
Gesetzesrecht gebunden, weil die Parteien sich in Bezug auf die ungeregelten Punkte gerade
gegen eine Regelung im Sinne des dispositiven Rechts entschieden haben. 152 Dies hindert
das Gericht hingegen nicht daran zu dem Schluss zu kommen, dass ein Urteil entweder im
Sinne der Verkehrssitte oder analog zum dispositiven Recht eine der „Natur des konkreten
Geschäfts“ adäquate Lösung für den jeweiligen Einzelfall darstellt.153 In letzter Instanz
müsse nach VON TUHR/PETER ohnehin dispositives Gesetzesrecht gelten.154
IV. FÄLLIGKEIT
Gemäß der allgemeinen Bestimmung von Art. 75 OR werden auch Zinsforderungen
grundsätzlich mit ihrer Entstehung zugleich fällig und können jederzeit eingefordert
werden.155 Da der Zins eine periodische Leistung ist und für jede Zinsperiode eine neue
Zinsforderung entsteht, ist es bei Zinsvereinbarungen üblich, dass feste Zinsperioden und
Zinstermine vereinbart werden. Die Fälligkeit der Zinsforderung tritt i.d.R. am Ende der
Zinsperiode ein (postnumerando), allerdings steht es den Parteien auch frei, die Fälligkeit
148 WEBER, BK, Art. 73 OR N 119. 149 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 22 f. 150 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 24. 151 SCHÖNENBERGER/JÄGGI, ZK, Art. 2 OR N 51. 152 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 23. 153 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 25. 154 V. THUR/PETER, § 24 S. 190. 155 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 44; WEBER, BK, Art. 73 OR N 105; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 20.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
26
für den Beginn der Zinsperiode zu vereinbaren (pränumerando).156 Zudem ist es zulässig,
dass der über die gesamte Laufzeit angefallene Zins erst mit der Fälligkeit der Haupt-
forderung fällig wird oder dass der gesamte Zins bei der Auszahlung des Kapitals fällig wird
und das ausgezahlte Kapital bereits um den vollen Zinsbetrag reduziert ist.157 Wird der Zins
im Voraus fällig, dann können die bereits bezahlten Zinse aus Art. 62 OR anteilig
zurückgefordert werden, falls die Hauptforderung vor Ablauf der Zinsperiode untergeht.158
V. ERLÖSCHEN DER ZINSFORDERUNG
Aufgrund des akzessorischen Charakters der Zinsforderung geht diese, wie gezeigt,
spätestens mit dem Erlöschen der Hauptforderung unter, sofern keine anderslautende
Abrede dem entgegen steht oder die Zinsforderung in einem Wertpapier verselbstständigt
wurde. Die Zinsforderung kann aber auch unabhängig von der Hauptforderung nach den
allgemeinen schuldrechtlichen Regeln erlöschen, die nachfolgend kurz dargestellt werden.
A ERFÜLLUNG
1. ALLGEMEINES
Der wichtigste Untergangsgrund der Zinsforderung ist die Erfüllung, d.h. die
Zahlung der fälligen Teilbeträge durch den Schuldner zum vereinbarten Termin. Dabei
gelten die allgemeinen Regeln zur Begleichung von Geldschulden, namentlich das
Nennwertprinzip, der Grundsatz, dass Geldschulden Bringschulden sind (Art. 74 Abs. 2
Ziff. 1 OR), die Möglichkeit der Hinterlegung bei Gläubigerverzug (Art. 92 OR) und die
Regeln zur vorzeitigen Erfüllbarkeit (Art. 81 OR).159
2. NENNWERTPRINZIP
Das Nennwertprinzip findet im Gesetz keine spezielle Erwähnung, wird aber von
Praxis160 und Lehre161 einhellig anerkannt. Danach ist die Geldschuld eine „Wertschuld“162
und wird „durch die Leistung von Sachen getilgt, die im Zeitpunkt der Zahlung gesetzliche
Zahlungsmittel sind und die, wenn man den ihnen aufgedruckten Geldwert addiert, einen der
156 WEBER, BK, Art. 73 OR N 105 f.; V. THUR/PETER, § 10 S. 68 f.; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 44. 157 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 9; MERZ, SPR VI/1, S. 175; LARENZ, S. 180 FN 52. 158 WEBER, BK, Art. 73 OR N 106; V. THUR/PETER, § 10 S. 69 FN 9. 159 WEBER, BK, Art. 73 OR N 107. 160 BGE 51 II 303 E. 3; BGE 56 II 189 S.194; BGE 57 II 368 E. 3; BGE 57 II 596 E. 4. 161 LEU, BSK, Art. 84 OR N 5; V. THUR/PETER, § 9 S. 62; WEBER, BK, Art. 84 OR N 183; OSER/SCHÖNENBERGER,
ZK, Art. 84 OR N 13; SCHRANER, ZK, Art. 84 OR N 73, 77; GUHL/KOLLER, § 11 N 6 f.; V. BÜREN, S. 35 f. 162 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 17.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
27
Schuldsumme entsprechenden Betrag ergeben“163. Das Risiko einer Geldwertveränderung
trägt somit der Gläubiger, allerdings sind die Parteien nicht daran gehindert durch
vertragliche Wertsicherungs- oder Indexklauseln den Ausgleich von Wertschwankungen auf
den Schuldner zu übertragen.164
3. FREMDWÄHRUNGSSCHULDEN
Das Nennwertprinzip gilt grundsätzlich auch für Fremdwährungsschulden. Nach
Art. 84 Abs. 1 OR sind Geldschulden in den gesetzlichen Zahlungsmitteln der geschuldeten
Währung zu bezahlen. Liegt jedoch der Erfüllungsort in der Schweiz, so kann der Schuldner
gemäß Art. 84 Abs. 2 OR auch durch den umgerechneten Betrag in schweizerischer
Landeswährung die Schuld wirksam erfüllen, sofern nicht eine Effektivklausel eine Pflicht zur
Erfüllung in der geschuldeten Währung vorsieht. Die Umrechnung erfolgt zum Zeitpunkt der
Fälligkeit und mangels gesetzlicher Regel wohl zum Wechselkurs am Zahlungsort.165 Der
Gläubiger hingegen hat keinen Anspruch darauf, dass der Schuldner auf sein Verlangen hin in
Schweizer Franken statt in der verabredeten Währung leistet.166 Das Risiko der
Wertveränderung trägt somit auch im internationalen Verkehr der Gläubiger, wobei das
Bundesgericht167 in der Vergangenheit bei starken Geldwertveränderungen, Währungs-
zusammenbrüchen oder staatlich verordneten Abwertungen eine gerichtliche Aufwertung
vorgenommen hat.168 Die Lehre begründet dieses Vorgehen unter dem Titel der clausula rebus
sic stantibus nach Art. 2 ZGB, falls es sich um ein unvorhergesehenes Ereignis in einem
langfristig abgeschlossenen Vertrag handelt, das zu einem unzumutbaren Missverhältnis
zwischen Leistung und Gegenleistung für eine Partei führt. Das Bundesgericht hingegen hat
sich in seiner Praxis zur richterlichen Aufwertung nicht auf die clausula rebus sic stantibus
gestützt, sondern im Einzelfall verschiedene Argumente herangezogen.169
4. BEWEIS
Der Beweis für die erfolgte Zahlung einer Geldforderung obliegt nach Art. 8 ZGB
dem Schuldner, da es sich beim Beweis des Untergangs einer Verpflichtung um eine
rechtsverhindernde Tatsache handelt.170 Der Schuldner wird aber vom Gesetz geschützt,
indem ihm für seine Zahlung, z.B. von Zinsen, ein Anspruch auf eine Quittung und bei
163 MANN, S. 66. 164 SCHRANER, Art. 84 N 94 ff.; MANN, S. 66; GUHL/KOLLER, § 11 N 6. 165 WEBER, BK, Art. 84 OR N 320 ff.; LEU, BSK, Art. 84 OR N 7; WIEGAND/BERGER, recht 1998, S. 92 f. 166 BGE 134 III 151 E. 2.2; WEBER, BK, Art. 84 OR N 325. 167 BGE 51 II 303 E. 4; BGE 53 II 76 E. 3; BGE 57 II 368 E. 3; BGE 57 II 596 E. 4. 168 WEBER, BK, Art. 84 OR N 321; LEU, BSK, Art. 84 OR N 6; SCHRANER, ZK, Art. 84 OR N 137 f. 169 LEU, BSK, Art. 84 OR N 6; SCHRANER, ZK, Art. 84 OR N 137 f. 170 SCHMID, BSK, Art. 8 ZGB N 56 ff.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
28
vollständiger Tilgung einer Schuld ein solcher auf Aushändigung des Schuldscheins
eingeräumt wird (Art. 88 Abs. 1 OR). Bei einer Weigerung des Gläubigers eine Quittung
auszustellen hat der Schuldner zudem ein Rückbehaltungsrecht des geschuldeten Betrags.171
Bei einer teilweisen Tilgung hat der Schuldner nur einen Anspruch auf einen Vermerk auf
dem Schuldschein (Art. 88 Abs. 2 OR). Die Ausstellung der Quittung bzw. die Rückgabe
des Schuldscheins begründen gesetzliche Vermutungen zur Erleichterung der Beweislast des
Schuldners, wobei diese durch einen Gegenbeweis entkräftet werden können. Nach Art. 89
Abs. 3 OR wird bei Rückgabe des Schuldscheins die Tilgung der Schuld vermutet. Zudem
stellt Art. 89 Abs. 2 OR die Vermutung auf, dass bei Vorliegen einer Quittung über die
Hauptschuld auch die Zinsen bezahlt wurden. Zuletzt kann aus Quittungen über periodische
Leistungen, wie z.B. Zinszahlungen, vermutungsweise geschlossen werden, dass auch die in
vorherigen Perioden fällig gewordenen Forderungen erfüllt worden sind.172
B VERRECHNUNG
1. ALLGEMEINES
Die Zinsforderung kann gemäß Art. 120 OR verrechnet werden. Die Verrechnung
bezeichnet die wechselseitige „Tilgung zweier sich gegenüberstehender Forderungen durch
einseitiges Rechtsgeschäft“. Sie ist ein Gestaltungsrecht, welches der Verrechnende
(Kompensant) mit seiner Verrechnungsforderung durch einseitige Erklärung gegenüber dem
Verrechnungsgegner (Kompensat) und dessen Hauptforderung geltend macht.173
2. VORAUSSETZUNGEN
Die Verrechnung ist ausschließlich dann möglich, wenn sich zwei Gläubiger mit
gegenseitigen und gleichartigen Forderungen gegenüberstehen, die fällig und klagbar sind,
während weder aus Vertrag noch aus Gesetz ein Verrechnungsausschluss besteht.174
a. POSITIVE VORAUSSETZUNGEN
Die Gegenseitigkeit der Forderungen ist die Hauptvoraussetzung der Verrechnung.
Daher kann insbesondere in Dreiecksverhältnissen und im Verkehr mit Personengesell-
schaften unklar sein, welche Parteien gegenseitig verrechnen können.175 Desweiteren
verlangt Art. 120 Abs. 1 OR zwingend die Gleichartigkeit der Forderungen, d.h. der
Leistungsgegenstände, die beispielweise bei Geldforderungen immer gegeben ist. Dies gilt
171 ArbGer ZH v. 27.09.1994, ZR 1997 Nr. 93 S. 186; GUHL/KOLLER, § 36 N 4 f. 172 GUHL/KOLLER, § 36 N 5 f. 173 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3202; GUHL/KOLLER, § 37 N 4; PETER, BSK, Vor Art. 120-126 OR N 1. 174 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3207 ff. 175 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3211 ff.; GUHL/KOLLER, § 37 N 8.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
29
gemäß aktueller Rechtsprechung auch für Forderungen in Fremdwährung ohne Effektiv-
klausel (Art. 84 Abs. 2 OR; Umrechnungszeitpunkt umstritten).176 Hingegen müssen die
Leistungen nicht gleich hoch (gleichwertig) sein, sondern es ist ausreichend, wenn die
Hauptforderung nur teilweise durch die Gegenforderung getilgt wird. Im Gegensatz zur
allgemeinen Erfüllungsregel nach Art. 69 Abs. 1 OR muss der Kompensat die teilweise
Tilgung durch Verrechnung akzeptieren. Weitergehende Gleichartigkeit der Forderungen in
Bezug auf einen einheitlichen Rechtsgrund, Erfüllungsort oder Gerichtsstand wird nicht
verlangt.177 Auch muss die Gleichartigkeit erst im Zeitpunkt der Verrechnung gegeben sein,
so dass z.B. nachträglich in Geldforderungen umgewandelte Ansprüche im Konkurs oder in
Schadenersatz umgewandelte Erfüllungsansprüche mit Geldforderungen verrechnet werden
können.178 Entgegen dem Wortlaut von Art. 120 Abs. 1 OR muss zudem nur die Ver-
rechnungsforderung fällig sein, während für die Hauptforderung Erfüllbarkeit ausreicht.179
Insofern kann jede Partei verrechnen, sobald sie ihre Leistung erbringen und die Leistung
des Schuldners einfordern kann.
b. NEGATIVE VORAUSSETZUNGEN
Zuletzt muss die Verrechnungsforderung erzwingbar bzw. einklagbar sein, d.h. ihr
darf keine ein Leistungsverweigerungsrecht begründende Einrede entgegen stehen. Daher
kann grundsätzlich keine verjährte oder verwirkte Forderung verrechnet werden. Diese
Regel wird allerdings durch die Ausnahmebestimmung des Art. 120 Abs. 3 OR einge-
schränkt, der die Verrechnung einer verjährten Forderung dennoch zulässt, sofern die
Verrechnungsmöglichkeit bereits im Zeitpunkt der Verjährung bestand.180
Die Verrechnung darf zudem nicht ausgeschlossen sein. Ein solcher Ausschluss
kann sich einerseits aus einem Verrechnungsverzicht des Schuldners ergeben, den dieser im
Voraus entweder explizit erklärt hat oder der aus den Umständen hervorgeht. Andererseits
kann die Verrechnung auch aufgrund von Art. 125 OR bzw. Art. 213 Abs. 2 SchKG
ausgeschlossen oder gemäß Art. 214 SchKG anfechtbar sein.181
3. WIRKUNGEN
Die Wirkung der Verrechnung ist der Untergang beider Forderungen, sofern diese
gleichwertig waren, bzw. andernfalls nur der Untergang der im Wert kleineren Forderung,
während die andere in reduziertem Umfang fortbesteht. Notwendig ist eine einseitige
176 BGE 130 III 312 E. 6.2. 177 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3216 ff.; GUHL/KOLLER, § 37 N 10 f.; PETER, BSK, Art. 120 OR N 10 ff. 178 GUHL/KOLLER, § 37 N 10; PETER, BSK, Art. 120 OR N 14. 179 SCHWENZER, N 77.15, 77.17. 180 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3227 ff.; GUHL/KOLLER, § 37 N 12 ff.; PETER, BSK, Art. 120 OR N 4, 24. 181 GUHL/KOLLER, § 37 N 25 ff.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
30
Verrechnungserklärung des Kompensanten, wobei die Wirkung aufgrund der gesetzlichen
Vermutung von Art. 124 Abs. 2 OR auf jenen Zeitpunkt zurückwirkt, von dem an sich die
Forderungen verrechenbar gegenüber standen.182 Die Verrechnung kann gemäß Art. 126 OR
von den Parteien vertraglich ausgeschlossen werden und ist in den von Art. 125 OR
erfassten Fällen nicht gegen den Willen des Gläubigers möglich.
C ERLASS
1. ALLGEMEINES
Wie jede andere Forderung ist auch die Zinsforderung dem Untergang durch
vertragliche Aufhebung nach Art. 115 OR zugänglich. Als zweiseitiges Rechtsgeschäft
bedarf der Aufhebungsvertrag der Zustimmung beider Parteien über alle wesentlichen
Vertragsbestandteile.183 Im Sinne der Vertragsfreiheit können die Parteien frei über die
Aufhebung jeglicher Forderungen entscheiden und eine solche Vereinbarung, unabhängig
von allfälligen Formvorschriften zur Entstehung der betroffenen Forderung, formlos durch
gegenseitige Übereinkunft abschließen.184 Die Offerte des Gläubigers kann u.U. sogar in
konkludentem Verhalten bestehen (z.B. Einklagen der Hauptforderung ohne Verzugszinsen)
und die Zustimmung des Schuldners kann stillschweigend erfolgen.185 Hingegen darf nach
der Praxis des BGer nicht leichthin von einer konkludenten Offerte zur Aufhebung
ausgegangen werden, wenn der Gläubiger bloß die Forderung verjähren lässt186, gelegentlich
die Ausübung eines Rechts unterlässt187 oder eine Forderung über längere Zeit nicht geltend
macht188, sofern nicht weitere Umstände hinzutreten, die auf eine Erlassofferte hindeuten.189
2. BEWEIS
Der Beweis für den Schuldenerlass obliegt dem Schuldner als Anspruchsteller und
unterliegt strengen Voraussetzungen. Insbesondere beim stillschweigenden Schuldenerlass
besteht keine Vermutung zugunsten eines entsprechenden Willens des Gläubigers.190 Sofern
Schuldscheine über die Forderung ausgestellt wurden kann die Forderung auch ohne deren
182 GUHL/KOLLER, § 37 N 23. 183 BGer 4P.77/2005 E. 2.2 v. 27.04.2005. 184 GONZENBACH, BSK, Art. 115 OR N 1; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3111 ff., 3124 ff. 185 BGE 110 II 344 E. 2; BGer 4C.363/2001 E. 3 v. 07.07.2003; GUHL/KOLLER, § 38 N 1. 186 BGE 70 II 21 E. 1. 187 BGE 59 II 264 E. 8. 188 BGE 54 II 197 E. 3 (i.c. über Jahre weder Zinsen noch Kapital eines Darlehens eingefordert). 189 BGer 4C.363/2001 E. 3 v. 07.07.2003. 190 BGer 5C.56/2005 E. 3.2 v. 15.07.2005.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
31
Rückgabe untergehen (Art. 115 OR). Die hohen Anforderungen an den Beweis des
Schuldenerlasses erscheinen vor diesem Hintergrund als gerechtfertigt.191
3. ABGRENZUNGEN
a. AUFHEBUNG DES VERTRAGSVERHÄLTNISSES
Der Erlassvertrag ist, wie gezeigt, eine Vereinbarung der beteiligten Parteien über
die teilweise oder vollständige Aufhebung einer Forderung. Er ist daher nicht zu
verwechseln mit der Aufhebung eines ganzen Vertragsverhältnisses (contrarius actus) oder
einem negativen Schuldanerkenntnis, bei welchem der Gläubiger einen eventuellen Erlass
einer ungewissen oder streitigen Forderung für den Fall zusichert, dass diese besteht.192
b. PACTUM DE NON PETENDO UND STUNDUNG
Ebenfalls zu unterscheiden ist der Erlass vom pactum de non petendo, bei dem der
Gläubiger dem Schuldner zusichert eine Forderung während einer bestimmten Frist nicht
geltend zu machen, während im Gegensatz zum Erlassvertrag die Nebenrechte und das
Recht auf Verrechnung fortbestehen. Gleiches gilt für die Stundung, welche nachträglich die
Fälligkeit einer Forderung verschiebt und damit deren Klagbarkeit ausschließt. Der Bestand
der Forderung selbst wird in beiden Fällen, im Gegensatz zum Erlass, nicht beeinträchtigt.193
c. NACHLASSVERTRAG
Der Nachlassvertrag nach SchKG ist in seinen Wirkungen mit dem Erlassvertrag
verwandt. Er ist allerdings ein konkursrechtliches Instrument, welches speziell zum Zweck
der Sanierung eines Gemeinschuldners zwischen diesem und mehreren Gläubigern
geschlossen wird. Er untersteht nicht dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Recht und
führt zu einem gerichtlichen Teilerlass der Schuldpflichten des Schuldners, mit Wirkung für
alle Gläubiger. Deren Forderungen gehen zu einem gewissen Anteil unter, wie es im
Nachlassvertrag vereinbart wurde.194
d. KLAGERÜCKZUG
Zuletzt abzugrenzen bleibt der vorbehaltlose Klagerückzug als einseitige Prozess-
handlung des Gläubigers, der nach den Regeln des anwendbaren Prozessrechts zur
Beendigung des laufenden Verfahrens führt. Sobald die Entscheidung über den Klage-
rückzug rechtskräftig wird, steht der Neueinreichung der Klage die Einrede der res iudicata
191 GONZENBACH, BSK, Art. 115 OR N 12. 192 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3133 f.; V. THUR/ESCHER, § 74 S. 165 f., § 75 S. 179. 193 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3136 f.; V. THUR/ESCHER, § 75 S. 177 f.; GONZENBACH, BSK, Art. 115 OR N 3. 194 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3138 f.; GONZENBACH, BSK, Art. 115 OR N 3.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
32
entgegen.195 Die Auswirkungen auf den Bestand der Forderung richten sich nach den
Bestimmungen des Prozessrechts. Die bisher in den meisten kantonalen Zivilprozess-
ordnungen vorherrschende Regelung findet sich auch in der neuen eidgenössischen
Zivilprozessordnung (ZPO). Nach Art. 65 ZPO kann eine Klage beim zuständigen Gericht
nur vor der Zustellung der Klageschrift an die beteiligten Parteien, d.h. vor Eintritt der
Rechtshängigkeit oder erst später, aber dann nur mit Zustimmung der Gegenpartei(en),
folgenlos zurückgezogen werden.196 In allen anderen Fällen hat der Klagerückzug nach Art.
241 ZPO die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids.197 Folglich trifft in diesem Fall den
Kläger die Fortführungslast und er muss den angehobenen Prozess entweder bis zum
materiellen Entscheid durchfechten oder auf den Anspruch verzichten, indem er den Weg
des Klagerückzugs mit materieller Rechtskraft wählt.198
D VEREINIGUNG
Die Zinsforderung kann auch dadurch untergehen, dass die Positionen des
Gläubigers und des Schuldners im Vermögen der gleichen Person vereinigt werden (Art.
118 Abs. 1 OR). Der sog. Untergang durch Konfusion ist hingegen nicht endgültig, sondern
die Forderung kann wiederaufleben wenn die Vereinigung rückgängig gemacht wird. Dies
gilt ebenso für die nach Art. 114 Abs. 1 OR mit der Hauptforderung untergegangenen
Nebenrechte und die Verjährungsfrist, die wieder aufleben und weiterlaufen.199
E NOVATION
1. ALLGEMEINES
Die Novation bzw. Neuerung einer Forderung ist die Tilgung einer bestehenden
Schuld durch die Begründung einer neuen. Anstelle der geschuldeten Leistung erhält der
Gläubiger eine neue Forderung gegen den bisherigen Schuldner, der sich wiederum durch
ein neues Leistungsversprechen befreit, ohne die bisher geschuldete Leistung erbringen zu
müssen. Die Novation ähnelt daher stark der „Hingabe an Zahlungsstatt“.200 Sie führt nach
der Praxis des Bundesgerichts zur Aufhebung der Identität der ursprünglichen Forderung
und zum Untergang der dem abgelösten Anspruch anhaftenden Einreden und Schwächen.201
195 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3139 f.; GONZENBACH, BSK, Art. 115 OR N 3; BUCHER, OR AT, S. 399;
vgl. Art. 65 ZPO, BBl 2009, 21. 196 WALDER-RICHLI/GROB-ANDERMACHER, § 26 N 81, § 27 N 38. 197 Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), BBl 2006 7221, S. 7278, 7345 198 WALDER-RICHLI/GROB-ANDERMACHER, § 27 N 37 ff. 199 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3176 ff., 3187 ff.; GONZENBACH, BSK, Art. 118 OR N 1 ff., 8; BUCHER, OR AT, S. 405 f. 200 V. THUR/ESCHER, § 76 S. 179 f. 201 BGE 105 II 273 E. 3.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
33
Im Gegenzug zum Untergang der Einreden des Schuldners, gehen auch sämtliche Nebenrechte
des Gläubigers durch die Neuerung unter.202 Aufgrund der weitgehenden Folgen der Novation
stellt Art. 116 Abs. 1 OR explizit klar, dass diese nicht vom Gesetz vermutet wird. Ganz im
Gegenteil ist derjenige der den Abschluss eines Novierungsvertrages behauptet dafür nach Art.
8 ZGB beweispflichtig.203 Zudem gilt nach Art. 116 Abs. 2 OR, dass die Ausstellung eines
Wechsels „nicht als Tilgung (Hingabe an Zahlungsstatt), sondern als Hingabe zahlungshalber“
zu verstehen ist, d.h. die bisherige Forderung wird nicht durch Novation getilgt, sondern erst
durch und mit Einlösung des Wechsels.204
2. NOVATION DER ZINSFORDERUNG
Bei der Zinsforderung führt die Novation dazu, dass sie nicht mehr den
Beschränkungen von Art. 105 Abs. 1 OR unterliegt und daher verzinslich wird. Zudem
unterliegt die novierte Forderung der ordentlichen Verjährung von Art. 127 OR.205 Durch
Parteivereinbarung kann somit jede Zinsschuld in eine beliebige Geldschuld, d.h. eine
Darlehensschuld, umgewandelt werden. Die Übertragung des Geldes an den Darlehens-
nehmer wird dadurch ersetzt, dass der Gläubiger dem Schuldner jenen Geldbetrag weiterhin
überlässt, den dieser aufgrund der bisherigen Schuld bereits schuldete.206
3. NOVATION IM KONTOKORRENTVERKEHR
Eine Sonderordnung beinhaltet das Gesetz in Art. 117 OR für den Kontokorrent-
verkehr. Das Einstellen der einzelnen gegenseitigen Forderungen in die Kontokorrent-
rechnung bewirkt noch keine Novation, sondern bloß die Stundung der Forderungen. Erst
wenn aufgrund der Verrechnungsvereinbarung der Saldo gezogen und anerkannt wird
(Schuldanerkenntnis), kommt es zur Novation (Art. 117 Abs. 2 OR). Die zuvor bestehenden
Einzelforderungen gehen dadurch unter und an ihre Stelle tritt die Saldoforderung. Allfällige
Sicherheiten für Einzelforderungen bleiben gemäß Art. 117 Abs. 3 OR erhalten und sichern
in bisheriger Höhe die neue Saldoforderung.207 Fehlbuchungen können auch nach der
Anerkennung der Saldoforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückgefordert
werden, da die Novation den gültigen Bestand der zugrundeliegenden Forderungen
voraussetzt. Hingegen wird auf die „Geltendmachung bereits bekannter Willensmängel“ und
„streitiger oder ungewisser, aber nicht ausdrücklich vorbehaltener Einreden“ gegen die
202 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3150. 203 GONZENBACH, BSK, Art. 116 OR N 13; BUCHER, OR AT, S. 411. 204 BGE 127 III 559 E. 3b; BUCHER, OR AT, S. 411. 205 SCHWENZER, N 80.04; GONZENBACH, BSK, Art. 116 OR N 17. 206 OGer LU v. 07.01.1975, ZBJV 1975 S. 301. 207 SCHWENZER, N 80.06.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
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Posten in der Kontokorrentrechnung mit der Saldoanerkennung verzichtet.208 Einfache
Rechenfehler können aber korrigiert werden.209 Im Kontokorrentverhältnis, ebenso wie bei
der Novation anderer verzinslicher Geldforderungen, ist die anerkannte Saldoforderung eine
Forderung aus eigenem Rechtsgrund. Auch wenn sie zum Teil aus den vormaligen
Zinsforderungen besteht, ist sie keine Zinsforderung, da die Zinsen durch die
Saldoanerkennung Teil des Kapitals geworden sind. Sie unterliegt nicht dem Zinseszins-
verbot gemäß Art. 314 Abs. 3 OR, sie kann im Verzug in vollem Umfang verzinst werden,
da Art. 105 Abs. 3 OR nicht anwendbar ist und untersteht der ordentlichen Verjährung.210
Gleiches gilt auch für auf das Kapital und über die Laufzeit erhobene Kommissionen211, da
diese funktional betrachtet ein Entgelt für die Überlassung und Entbehrung des Kapitals
durch den Gläubiger sind.
VI. VERJÄHRUNG
Bei der Verjährung zeigt sich die ambivalente Natur der Zinsforderung einerseits als
akzessorische Forderung und Nebenleistung der Hauptforderung, andererseits als eigene
Forderung mit einer gewissen Selbstständigkeit. Art. 128 Ziff. 1 OR behandelt die
Verjährung von periodischen Leistungen212, wobei es sich um „regelmäßig wiederkehrende
Forderungen, die auf einem einheitlichen Schuldgrund beruhen“213 handelt. Dabei ist nicht
vorausgesetzt, dass die Höhe der Leistungen oder die Zeiträume zwischen deren Fälligkeiten
identisch sind.214 Zinsen auf Kapitalforderungen fallen unter diesen Begriff, so dass sowohl
gesetzliche als auch rechtsgeschäftliche Zinsforderungen grundsätzlich fünf Jahre nach ihrer
Fälligkeit verjähren (Art. 128 Ziff. 1 OR).215 Entsprechend den unterschiedlichen
Fälligkeiten beginnt und endet auch die Verjährungsfrist jeder Zinstranche zu einem anderen
Zeitpunkt.216 Als Nebenleistungen verjähren Zinsforderungen aber auch mit der Haupt-
forderung (Art. 133 OR), sofern sie noch nicht selbst verjährt sind.217 Für Zinsforderungen
die weniger als fünf Jahre vor der Verjährung der Hauptforderung fällig werden bedeutet
dies, dass sie nur einer verkürzten Verjährungsfrist unterliegen. Zinsforderungen die erst
nach der Verjährung der Hauptforderung fällig werden, können nach einer Lehrmeinung
208 BGE 104 II 190 E. 3a; SCHWENZER, N 80.07. 209 BGE 100 III 79 E. 6. 210 BGE 130 III 694 E. 2.2.3 = Pra 2005 Nr. 64; GONZENBACH, BSK, Art. 117 OR N 14. 211 BGE 130 III 694 E. 2.2.3 = Pra 2005 Nr. 64; CHRIST, SPR VII/2, S. 266; WEBER, FS Keller, S. 326 f. 212 OGer BL v. 31.01.1941, ZBGR 1942 S. 283. 213 BGer 4C.207/2006 E. 2.2.1 vom 27.09.2006. 214 BGer 4C.207/2006 E. 2.2.1 vom 27.09.2006. 215 DÄPPEN, BSK, Art. 128 OR N 2 f. 216 V. THUR/ESCHER, § 81 S. 234. 217 WEBER, BK, Art. 73 OR N 112; V. THUR/ESCHER, § 81 S. 234.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
35
bereits mit ihrer Entstehung verjährt sein.218 Sofern die Zinsforderung in einem Wertpapier
verselbstständigt wurde, teilt sie hingegen nicht das Schicksal der Verjährung mit der
Hauptforderung (Art. 114 Abs. 3 OR).219 Keine periodisch fällig werdenden Leistungen im
Sinn von Art. 128 Ziff. 1 OR sind Verzugszinsen, sondern sie unterliegen der Verjährungs-
frist des jeweiligen Hauptanspruchs.220 Im Übrigen gilt die kurze Verjährungsfrist nicht für
solche Zinsforderungen, die „mit der Hauptforderung zusammengewachsen“ sind, wie z.B.
Zinsen die ein Teil einer Schadenersatzforderung, einer Forderung aus ungerechtfertigter
Bereicherung, eines Herausgabeanspruches oder eines Anspruches auf Vergütungs- oder
Verwendungsersatz sind.221 Wird die Zinsforderung bloß einmalig am Ende der Laufzeit
fällig, so ist hingegen die fünfjährige Frist m.E. nicht anwendbar, da die notwendige
Periodizität der Leistung nicht gegeben ist.
VII. FORDERUNGSABTRETUNG UND SCHULDÜBERNAHME
A ZESSION
Bei der Abtretung einer Forderung wird nach Art. 170 Abs. 3 OR vermutet, dass
sowohl die rückständigen als auch die laufenden Zinsen auf den Erwerber übergehen.222
Dies gilt für gesetzliche und vertragliche Zinsforderungen.223 Nach der Abtretung der
Hauptforderung entstehen die Zinsforderungen gegen den Zessionsschuldner unmittelbar
beim Zessionar. Dies gilt hingegen nicht, wenn die Zinsansprüche verselbstständigt wurden
und das Schicksal der Hauptforderung nicht teilen. Letzteres betrifft z.B. für eine vor der
Zession entstandene Verzugszinsforderung.224 Erst ab dem Zeitpunkt der erfolgten
Übertragung der Hauptforderung entsteht der Verzugszins beim Zessionar. Ebenfalls nicht
mit der zugrundeliegenden Forderung übertragen werden Vorzugs- und Nebenrechte, die
untrennbar mit der Person des Zedenten verknüpft sind, wozu insbesondere der höhere
Verzugszinsanspruch unter Kaufleuten nach Art. 104 Abs. 3 OR gehört.225 Durch eine
entsprechende vertragliche Abrede können die Parteien auch abweichend von der
dispositiven gesetzlichen Regelung vereinbaren, dass nur die zukünftigen Zinsforderungen
mit der Hauptforderung übergehen sollen oder dass sie unabhängig von der Hauptforderung
an einen Dritten abgetreten werden. Ebenso kann sich der Zedent durch Vereinbarung
218 V. THUR/ESCHER, § 81 S. 234; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 54. 219 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 54. 220 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 55. 221 WEBER, BK, Art. 73 OR N 112; siehe § 3 I E. 222 V. THUR/PETER, § 10 S. 72; WEBER, BK, Art. 73 OR N 57; BGE 77 II 360 E. 3 = Pra 1952 Nr. 29 E. 3. 223 WEBER, BK, Art. 73 OR N 57; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 56; a.M.: OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 170 OR N 10. 224 V. THUR/ESCHER, § 95 S. 356; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 56; WEBER, BK, Art. 73 OR N 57;
GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3459. 225 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3460; WEBER, BK, Art. 73 OR N 57.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
36
sowohl die rückständigen als auch die zukünftigen Zinsforderungen vorbehalten und nur die
Hauptforderung abtreten.226
B SCHULDÜBERNAHME
In der Lehre wird allgemein angenommen, dass von der Übernahme einer Schuld
durch einen neuen Schuldner auch rückständige und laufende Zinsschulden erfasst werden
(analog Art. 170 Abs. 3 OR). Diese Annahme ist vor dem Hintergrund des Zwecks der
Schuldübernahme gerechtfertigt, da der Schuldner daran interessiert ist sich vollständig zu
befreien, während der Gläubiger i.d.R. kein Interesse daran hat, sich für seine Ansprüche an
verschiedene Schuldner halten zu müssen. Andererseits ist es dem neuen Schuldner
zuzumuten, sich nach ausstehenden Zinsschulden zu erkundigen und einen entsprechenden
Abzug vom Forderungspreis zu vereinbaren. Die zukünftigen Zinsschulden entstehen
ohnehin beim neuen Schuldner, nachdem dieser durch die Übernahme Schuldner der
Kapitalforderung geworden ist.227
Das Gesetz stellt dazu lediglich in Art. 178 Abs. 1 OR klar, dass grundsätzlich Nebenrechte
von einem Schuldnerwechsel nicht berührt werden. Das bedeutet, dass die Schuldübernahme
keine Novation bewirkt.228 Nebenrechte (z.B. Zinsrechte), Vorzugsrechte- (Konventional-
strafen, Gerichtsstandsklauseln) und Gestaltungsrechte (Wahlrecht, Kündigungs-
möglichkeit) bestehen gegenüber dem neuen Schuldner wie gegenüber dem vorherigen
weiter.229 Allerdings kann durch vertragliche Vereinbarung die dargestellte Ordnung auch
abgeändert werden, so dass z.B. nur die zukünftigen Zinsschulden oder sogar nur die
Kapitalschuld vom neuen Schuldner übernommen wird, während der vorherige Schuldner
weiterhin für die bereits entstandenen Zinsen aufkommen muss.230
VIII. GERICHTLICHE DURCHSETZUNG
A PROZESSUALES
Die Zinsforderung wird i.d.R. zusammen mit der Hauptforderung eingeklagt. Zu
diesem Zweck muss der Gläubiger sowohl die Höhe des vereinbarten Zinssatzes als auch
den Beginn des Zinsenlaufs nachweisen, da der Richter aufgrund der Dispositionsmaxime
bei der Bestimmung des Umfangs der Zinsforderung an die Anträge und Beweismittel der
226 WEBER, BK, Art. 73 OR N 65 ff.; V. THUR/PETER, § 10 S. 71 f. 227 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 57; V. THUR/ESCHER, § 99 S. 392; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3599;
TSCHÄNI, BSK, Art. 178 OR N 1; a.M. bzgl. rückständiger Zinsen: OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 178 OR N 3. 228 WEBER, BK, Art. 73 OR N 58; TSCHÄNI, BSK, Art. 178 OR N 1. 229 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3599; TSCHÄNI, BSK, Art. 178 OR N 1. 230 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 66.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
37
Parteien gebunden ist.231 Insbesondere kann der Richter nur dann einen anderen als den
dispositiven gesetzlichen Zinssatz berücksichtigen, wenn ein abweichender fester oder
variabler Zins und dessen Höhe von der beweispflichtigen Partei nachgewiesen werden
konnte (z.B. Hypothekarzinssatz).232 Der Gläubiger kann seine Zinsforderung aber auch
selbstständig vom Schuldner einklagen bzw. in Betreibung setzen (Art. 41 Abs. 2
SchKG).233 Dem Schuldner steht in diesem Fall der Einwand der getilgten Hauptschuld
zu.234 Ebenso kann der Schuldner allein gegen die Zinsforderung Rechtsvorschlag erheben
(Art. 74 Abs. 2 SchKG). Das Bundesgericht hat die selbstständige Klagbarkeit der
Zinsforderung in einigen Fällen für zulässig erklärt, allerdings bisher nur in solchen Fällen
in denen dieses Vorgehen ohnehin selbstverständlich erscheint. Dies betraf z.B.
Konstellationen mit unterschiedlichen Gläubigern von Haupt- und Zinsforderung, Verfahren
in denen einzig die Zinsforderung streitig war oder Vereinbarungen nach denen die
Zinsforderung das Erlöschen der Hauptforderung überdauern sollte.235
Der Zinsenlauf endet mit der Erfüllung der Hauptforderung oder der Ausstellung
eines Verlustscheins nach Art. 149 Abs. 4 SchKG. Im Konkurs endet er mit der
Konkurseröffnung (Art. 209 Abs. 1 SchKG), mit einer Ausnahme für pfandgesicherte
Forderungen.236 Wird eine Hauptforderung ohne Zinsen eingeklagt und getilgt, so ergibt
sich aus Art. 114 Abs. 2 OR die Vermutung eines Verzichts bzw. eines Erlassangebots bzgl.
der Zinsforderung, dessen Annahme stillschweigend erfolgen kann.237
B BEWEISLAST
Der Zivilprozess wird zu wesentlichen Teilen von der Verhandlungsmaxime
dominiert. Danach ist es Aufgabe der Parteien den Sachverhalt durch das Vorbringen von
Tatsachen darzulegen und zu beweisen (Art. 55 Abs. 1 ZPO).238 Das Gericht darf seiner
Entscheidung gemäß dem Grundsatz da mihi facta, dabo tibi ius239 nur behauptete und
allfällig bewiesene Tatsachen zugrunde legen.240 Den Beweis für eine behauptete Tatsache
hat gemäß Art. 8 ZGB jene Partei zu erbringen, die aus ihr Rechte ableitet. Daher obliegt
dem Gläubiger der Nachweis jener Tatsachen, die zur Berechnung der Zinsforderung
231 BERGER/GÜNGERICH, N 517 ff.; WEBER, BK, Art. 73 OR N 114. 232 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119 E. 2c. 233 V. THUR/PETER, § 10 S. 73; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 71. 234 WEBER, BK, Art. 73 OR N 113. 235 BGE 52 II 215 E. 3. 236 WEBER, BK, Art. 73 OR N 115. 237 BGE 52 II 215 E. 5; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 75; V. THUR/PETER, § 10 S. 73; a.M.: HGer ZH v. 12.10.1964,
ZR 1965 Nr. 147 E. IV. 238 WALDER-RICHLI/GROB-ANDERMACHER, § 17 N 1. 239 Gib mir die Tatsachen, ich werde die das Recht geben; BERGER/GÜNGERICH, N 500. 240 WALDER-RICHLI/GROB-ANDERMACHER, § 17 N 2.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
38
notwendig sind.241 Die Verteilung der Beweislast ist insbesondere deshalb entscheidend,
weil es sich bei der Bestimmung des Zinssatzes um eine Frage der Beweiswürdigung und
Tatsachenfeststellung handelt, so dass entsprechende Feststellungen der Überprüfung durch
eine Berufungsinstanz entzogen bleiben.242 Kann vor Gericht nicht der Nachweis des
vereinbarten Zinssatzes erbracht werden oder wird er nicht rechtzeitig im Rahmen der
Beweiserhebung im kantonalen Verfahren erbracht, so kann der Richter keinen
abweichenden Zinssatz anwenden und muss auf den subsidiären Zinssatz im allgemeinen
Zinsartikel (Art. 73 Abs. 1 OR) bzw. im Verzugsrecht (Art. 104 Abs. 1 OR) zurück-
greifen.243 Dies ist als Folge der Beweislosigkeit aufgrund der gesetzlichen Beweislast-
verteilung gerechtfertigt, führt allerdings durch die Anwendung der geringen subsidiären
Zinssätze leicht zu erheblichen finanziellen Nachteilen für den Gläubiger. Hingegen führt
die Beweislosigkeit nach Ansicht des Bundesgerichts in der Regel „nicht zum Ausschluss
jeglichen Zinses, was der Abmachung der Parteien offensichtlich widersprechen würde“244,
obwohl die Zinslosigkeit m.E. ebenfalls eine gerechtfertigte Folge der Beweislosigkeit des
Gläubigers wäre. In diesem Sinn hat das Bundesgericht in einem jüngeren Entscheid,
allerdings ausdrücklich ohne von der bestehenden Praxis (BGE 126 III 189) abweichen zu
wollen, entschieden, dass der subsidiäre Zinssatz auf ein Darlehen keine Anwendung finden
soll, wenn die Parteien zwar einen flexiblen Referenzzins vereinbart haben245, aber die
beweispflichtige Partei die tatsächliche Höhe des Zinssatzes nicht nachgewiesen hat. Anders
als im zuvor genannten Entscheid weigert sich das Bundesgericht damit den subsidiären
Zinssatz zuzusprechen, da nicht bewiesen sei, dass der flexible Referenzzins jemals das
Niveau von 5% erreicht habe.246 Dadurch scheint das Bundesgericht verhindern zu wollen,
dass die beweispflichtige Partei den ihr obliegenden Beweis bewusst unterlässt, um in den
Genuss des im Einzelfall höheren subsidiären Zinssatzes zu gelangen. Offen bleibt hingegen
eine substanzielle Begründung dieser Rechtsprechung, wenn das Bundesgericht seine
Abgrenzung an der Höhe eines nicht nachgewiesenen Zinssatzes vornimmt und sich zudem
grundsätzlich weigert diesen Zinssatz selbst zu bestimmen, weil auch ein Marktzins wie ein
LIBOR keine notorisch bekannte Tatsache sei, die vor Gericht von den Parteien nicht
bewiesen werden brauche.247 Nach diesem Entscheid ist es unklarer denn je, unter welchen
Umständen das Bundesgericht zukünftig bei Beweislosigkeit einen subsidiären Zinssatz
anwenden oder dem Gläubiger keinen Zins zusprechen wird.
241 BGE 126 III 189 E. 2b = Pra 2000 Nr. 119 E. 2b; BERGER/GÜNGERICH, N 500 ff.; HABSCHEID (1990), N 644. 242 BGE 116 II 196 E. 3a; BGE 122 III 219 E. 3b, c. 243 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119 E. 2c; WEBER, BK, Art. 73 OR N 121, 126 f. 244 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119 E. 2c. 245 i.c. 3-Monats-LIBOR auf ECU. 246 Im Gegensatz zum nachgewiesenen Anfangsniveau in BGE 126 III 189. 247 BGE 134 III 224 E. 7 = Pra 2008 Nr. 143 E. 7.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
39
IX. ABGRENZUNGEN
An den Begriff des Zinses knüpfen verschiedene spezielle Rechtsfolgen an, die in
diesem Abschnitt bereits teilweise dargestellt wurden. Daher muss der Zins im Sinne des
schweizerischen Rechts von anderen periodisch fällig werdenden Leistungen bzw. solchen
mit ähnlicher wirtschaftlicher Funktion unterschieden und abgegrenzt werden. Dabei ist
auch die allgemeine Regel falsa demonstratio non nocet gem. Art. 18 Abs. 1 OR zu
beachten, so dass unabhängig von der durch die Parteien verwendeten Bezeichnung ein Zins
im Rechtssinne vorliegt wenn alle Begriffselemente einer Zinsschuld gegeben sind.248
A MIET- UND PACHTZINSEN
Eindeutig keine Zinsen im Rechtssinne sind Miet- und Pachtzinsen, auch wenn sie
im üblichen Sprachgebrauch ungenau als Zinsen bezeichnet werden und obwohl auch der
Gesetzgeber diese unpräzisen Begriffe verwendet (Vgl. Art. 257, 281 OR). Bei beiden
handelt es sich zwar um periodisch entstehende und fällig werdende Leistungen, allerdings
haben sie ihren rechtlichen Entstehungsgrund nicht in der Überlassung eines Wertes (z.B.
Kapital), sondern in der zeitweiligen Überlassung einer bestimmten Sache oder einer
Mehrzahl spezifischer Sachen zu deren Gebrauch. Die vom Gesetzgeber gewollte und in der
Lehre einhellig vertretene Differenzierung zwischen den drei Begriffen zeigt sich z.B. bei
den Bestimmungen zur Verjährung; Art. 128 Ziff. 1 OR nennt in seiner nicht-
abschließenden Aufzählung explizit Miet-, Pacht- und Kapitalzinsen.249
B AMORTISATIONSZAHLUNGEN
Ebenfalls kein Zins im rechtlichen Sinne sind Amortisationszahlungen. Sie erfolgen
zwar häufig auch in regelmäßigen Abständen, aber sie sind keine Gegenleistung bzw.
Vergütung für die Überlassung von Kapital, sondern Rückzahlungen einer bestehenden
Kapitalschuld. Amortisationszahlungen können auch in Form von sog. Annuitäten auftreten.
Dabei handelt es sich um im Betrag konstante Raten über die Laufzeit der Kapitalschuld, die
einen Anteil Zins- und Tilgungszahlung beinhalten. Im Zeitverlauf nimmt dabei der als Zins
zu qualifizierende Anteil ab, während der Amortisationsbetrag ansteigt.250
248 BGE 52 II 228 E. 3. 249 Zum Abschnitt: WEBER, BK, Art. 73 OR N 28; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 14; V. THUR/PETER, § 10 S. 69;
MERZ, SPR VI/1, S. 176; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2351; V. BÜREN, S. 39. 250 Vgl. WEBER, BK, Art. 73 OR N 30; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 16 f.; V. THUR/PETER, § 10 S. 69;
GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2352; V. BÜREN, S. 39.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
40
C DIVIDENDEN UND GEWINNANTEILE
Dividenden und Gewinnanteile, die von juristischen Personen ausgezahlt werden,
stellen keine Zinsen auf das einbezahlte Kapital der Gesellschafter dar, sondern sind der
Anteil der Gesellschafter an den ausgeschütteten Gewinnen, d.h. am Geschäftserfolg der
Gesellschaft.251 Die Höhe der Ausschüttung bestimmt sich im Verhältnis zum Anteil am
Nominalkapital der Gesellschaft. Die Ausschüttung von eigentlichen Zinsen auf das
Gesellschaftskapital ist bei den beiden wichtigsten Gesellschaftsformen sogar ausdrücklich
verboten (vgl. Art. 675 Abs. 1 und Art. 804 Abs. 2 OR).252 Zinsen im Rechtssinne können
hingegen in der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft an die Gesellschafter ausgezahlt
werden (Art. 558 Abs. 2 OR).253
D RENTENLEISTUNGEN
Renten sind nach SCHRANER „gleichartige, regelmäßig wiederkehrende Leistungen
(meistens Geldleistungen), die entweder für einen von vornherein bestimmten oder noch
ungewissen Zeitraum, z.B. für die Lebensdauer des Berechtigten, geschuldet werden“254. Sie
haben ihre Entstehungsgrundlage nicht in der zeitweisen Überlassung einer Kapitalsumme
(fehlende Akzessorietät), sondern der Anspruch auf Rentenzahlungen hat einen eigenen
rechtlichen Entstehungsgrund. Die einzige Verpflichtung des Schuldners besteht in der
periodischen Zahlung der Renten, hingegen nicht in der Rückzahlung einer Kapitalsumme.
Es kann aber vorkommen, dass regelmäßige Zahlungen z.B. aus einer Anleihe im
allgemeinen Sprachgebrauch als Renten bezeichnet werden, obwohl es sich rechtlich um
Zinsen handelt und diese folglich auch als solche zu behandeln sind.255
E PROVISIONEN
Provisionen und andere Kreditkosten werden häufig wie Zinsen im Verhältnis zum Wert
eines Geldbetrags berechnet. Dennoch sind sie nicht als Zinsen zu qualifizieren, wenn ihre Höhe
nicht in Abhängigkeit zur Laufzeit des überlassenen Kapitals steht. Dies betrifft z.B. einmalig
fällig werdende Bearbeitungsgebühren, Bereitstellungsprovisionen oder Vermittlungsprovisionen.
Falls der Betrag einer solchen Provision hingegen unter Einbezug einer zeitlichen Komponente
(i.d.R. Kreditlaufzeit) berechnet wird, dann liegt, z.B. bei Darlehensverträgen, regelmäßig eine
Vergütung für die Entbehrung des Gläubigers und damit ein Zins vor. Die Abgrenzung ist im
251 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 16 N 115, § 18 N 49, § 19 N 54. 252 Siehe § 14. 253 WEBER, BK, Art. 73 OR N 36 f.; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 19 f.; V. THUR/PETER, § 10 S. 70; MERZ, SPR VI/1,
S. 176; siehe § 12. 254 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 15. 255 WEBER, BK, Art. 73 OR N 31; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 15; V. THUR/PETER, § 10 S. 69; MERZ, SPR VI/1, S. 176.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
41
Einzelfall und unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände vorzunehmen, um zu
verhindern, dass z.B. Maximalzinsbestimmungen umgangen werden.256
F ZUSCHLÄGE UND ABSCHLÄGE BEI DARLEHENSVERTRÄGEN
Zuschläge und Abschläge, die bei der Aus- oder Rückzahlung einer Valuta vor-
genommen werden und die nicht in Abhängigkeit zur Laufzeit der Überlassung stehen, sind
i.d.R. nicht als Zinsen im rechtlichen Sinn zu qualifizieren, obwohl sie häufig mit der Höhe
des nominalen Zinssatzes zusammenhängen. Dies gilt sowohl für die Auszahlung einer
Valuta unter ihrem Nominalwert, als auch für eine Rückzahlungsverpflichtung von mehr als
100% der Valuta. Allerdings ist auch in diesen Fällen individuell zu prüfen, ob ein Zuschlag
oder Abzug tatsächlich nicht von der Laufzeit abhängig ist, da andernfalls von einem Zins
auszugehen ist.257 In diesem Sinn hat das Bundesgericht in einem grundlegenden Entscheid
eine dreiprozentige Bankkommission über eine feste fünfjährige Kreditlaufzeit als Zins
qualifiziert, da unbestritten gewesen sei, dass „die Höhe der Vergütung, welche der Kläger
durch den (…) vorgenommenen Abzug der dreiprozentigen sog. Provision geleistet hat,
nach der Dauer des Darlehensverhältnisses berechnet worden“ war. Daher konnte bei der
vorzeitigen Rückzahlung der Valuta der Abzug pro rata zurückgefordert werden.258
G DISKONT
Der Begriff des Diskonts bezeichnet einen Abzug „der bei der Abtretung einer noch
nicht fälligen unverzinslichen Forderung vom Nominalbetrag gemacht wird“259. Diese Form
des Abzugs kommt insbesondere bei der Indossierung von Wechseln zur Anwendung und
wird i.d.R. in Prozenten der zugrundeliegenden Wechselforderung berechnet. Wirtschaftlich
betrachtet ist der Diskont zwar die Vergütung für die ausgezahlte Geldsumme, allerdings
entsteht aus dem Diskontgeschäft keine Kapitalschuld des Abtretenden. Damit fehlt ein
notwendiges Begriffselement einer Zinsschuld im juristischen Sinn. Abgesehen von der
Anwendung im Bereich der Forderungsabtretung hat der Diskont nach WEBER hingegen den
Charakter eines Zinses.260
X. ZUSAMMENFASSUNG
Die Zinsforderung ist hinsichtlich ihrer Entstehung und ihres Umfangs von der
Hauptforderung abhängig, vorbehaltlich der Verselbstständigung der Zinsforderung durch
256 WEBER, BK, Art. 73 OR N 32 ff.; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 15; V. THUR/PETER, § 10 S. 69; MERZ, SPR VI/1, S. 176. 257 WEBER, BK, Art. 73 OR N 32 ff.; V. THUR/PETER, § 10 S. 69 f. 258 BGE 52 II 228 E. 3, 4. 259 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 21. 260 WEBER, BK, Art. 73 OR N 29; V. THUR/PETER, § 10 S. 70.
§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________
42
Vereinbarung oder Verbriefung. Sie wächst zudem über die Laufzeit der Hauptforderung an
und ist grundsätzlich in der gleichen Gattung wie jene zu erbringen, d.h. sie ist regelmäßig
eine Geldforderung, wobei gewisse Abweichungen vom Prinzip der Stoffgleichheit,
zumindest für wirtschaftlich vergleichbare Geschäfte, zulässig sein sollten. Der rechtliche
Grund für die Entstehung der Zinsforderung als juristische Frucht kann entweder in einer
Parteivereinbarung oder einer gesetzlichen Bestimmung enthalten sein. Zinsen die allein
aufgrund einer Entscheidung des Gerichts entstehen kennt das schweizerischen Recht nicht.
Nur in vereinzelten Fällen bestimmt das Gesetz ein absolutes Verbot der Vereinbarung von
Zinsen.
Die Höhe der Zinsforderung bestimmt sich primär nach der Vereinbarung der
Parteien. Falls die Parteien keine Vereinbarung über den anwendbaren Zinssatz getroffen
haben oder dieser nicht nachweisbar ist, kommen die dispositiven Zinsbestimmungen des
Gesetzes zur Anwendung, die entweder auf die ortsüblichen Zinssätze verweisen oder
subsidiäre Zinssätze vorgeben. Subsidiär gilt ein allgemeiner Zinssatz von 5% p.a.
Vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung bestimmt sich die Fälligkeit der
Zinsforderung nach den allgemeinen Bestimmungen des OR. Ebenso erlöscht die
Zinsforderung nach den allgemeinen schuldrechtlichen Regeln durch Erfüllung,
Verrechnung, Erlass, Vereinigung oder Novation. Die Verjährung richtet sich nach den
Bestimmungen für periodische Leistungen, mit einer Frist von fünf Jahren, allerdings
verjährt die Zinsforderung spätestens zusammen mit der Hauptforderung, sofern sie nicht in
einem Wertpapier verselbstständigt wurde. Die verkürzte Verjährungsfrist gilt zudem nicht
für Zinsforderungen, die mit der Hauptforderung zusammengewachsen sind, wie der
Bereicherungszins oder der Zins auf Verwendungsersatz.
Die Zinsforderung kann zusammen mit der Hauptforderung oder separat abgetreten
werden, wobei eine gesetzliche Vermutung für den Übergang der rückständigen und
laufenden Zinsen mit der Hauptforderung spricht. Gleiches wird für die Übernahme der
Schuld mit Zinsen durch einen neuen Schuldner angenommen, wobei abweichende
Vereinbarungen möglich sind. Die Zinsforderung kann gemeinsam mit der Hauptforderung
oder separat eingeklagt und in Betreibung gesetzt werden. Die Beweislast für die Höhe der
Zinsforderung bzw. für die zur Berechnung notwendigen Tatsachen liegt beim Gläubiger,
der diesen Zinssatz einfordert. Kann er den Beweis nicht erbringen, dann hat er die Folgen
der Beweislosigkeit zu tragen, was i.d.R. eine Beschränkung auf einen dispositiven oder
subsidiären gesetzlichen Zinssatz bedeutet. Vor dem Hintergrund der neuesten Recht-
sprechung des Bundesgerichts kommt hingegen, zumindest im Darlehensrecht, auch die
Verweigerung einer Verzinsung als Folge der Beweislosigkeit des Gläubigers in Bezug auf
die Höhe des Zinssatzes in Betracht. Unklar bleibt allerdings, ob dies einen Widerspruch
zum geltenden Recht darstellt, das einen allgemeinen subsidiären Zinssatz in Art. 73 Abs. 1
OR vorsieht.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
43
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
Das schweizerische Privatrecht wird vom Grundsatz der Vertragsfreiheit bestimmt,
daher steht es den Vertragsparteien frei, für die Überlassung einer Kapitalsumme eine
Vergütung zu vereinbaren und deren Konditionen festzulegen. Sofern aber diese Vergütung
gemäß den Kriterien des vorherigen Kapitels als Zins zu qualifizieren ist, werden der
Freiheit der Parteien Grenzen durch die Rechtsordnung gesetzt. Dabei handelt es sich
zunächst um zivilrechtliche Bestimmungen über die Zinshöhe und grundlegende Regeln des
allgemeinen Schuldrechts. Aber auch aus Normen des öffentlichen Rechts des Bundes und
der Kantone sowie des Strafrechts können sich Beschränkungen der Vertragsfreiheit
ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen sollen diese Schranken darstellen und aufzeigen
wann sie anwendbar sind. Außerdem wird die Frage betrachtet, ob ein allgemeingültiger
privatrechtlicher Maximalzinssatz aus Gesetz oder Gewohnheitsrecht existiert.
I. ÖFFENTLICH-RECHTLICHE EINSCHRÄNKUNGEN
Art. 73 Abs. 2 OR stellt einen Vorbehalt zur Beschränkung der Vertragsfreiheit durch
das öffentliche Recht auf, um dem Gesetzgeber zu ermöglichen gegen „Missbräuche im
Zinswesen“ vorzugehen. Eine korrespondierende Bestimmung existierte bereits im aOR von
1881. Im Gegensatz zum damaligen Art. 83 Abs. 2 aOR beschränkt der Artikel in seiner
heute gültigen Fassung diese Kompetenz aber nicht mehr auf die kantonale Gesetzgebung.
Es handelt sich um einen „unechten Vorbehalt“261, da die Kantone gemäß Art. 6 Abs. 1 ZGB
auch ohne eine entsprechende Norm zur öffentlich-rechtlichen Gesetzgebung zum Schutz
des Schuldners als schwächere Vertragspartei befugt wären. Außerdem wird dem
kantonalen öffentlichen Recht, über den bloßen Vorbehalt hinaus, im Bereich des
Zinswesens „bundesrechtlich eine expansive Kraft“ und eine „Unabhängigkeit vom Bundes-
zivilrecht“ zuerkannt.262 Da aber auch der Bundesgesetzgeber zuständig ist, würde eine
eidgenössische Gesetzgebung in diesem Bereich die kantonalen Regelungen aufgrund der
derogatorischen Kraft des Bundesrechts überlagern. Auf Bundesebene ist diese Kompetenz
bisher nur zu einem Teil im Konsumkreditgesetz wahrgenommen worden. In dessen
Anwendungsbereich verbleibt daher kein Raum für kantonale Vorschriften.263 Andere
kantonale Bestimmungen zum Zinswesen haben hingegen weiterhin Bestand. Zudem
unterstehen Kredite seit 1991 auch dem Preisüberwachungsgesetz264 (Art. 1 PüG).
261 HUBER, BK, Art. 6 ZGB N 102; TRAUFFER, BSK, Art. 795 ZGB N 2; HÄFELIN/HALLER/KELLER, N 1158. 262 BGE 119 Ia 59 E. 2c; HUBER, BK, Art. 6 ZGB N 70, 98; EGGER, ZK, Art. 6 ZGB N 16 ff. 263 GIGER, BK, KKG, S. 167 f. 264 Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (PüG), SR 942.20.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
__________________________________________________________________________
44
A KONSUMKREDITGESETZ
Mit der Inkraftsetzung des revidierten Konsumkreditgesetzes (KKG)265 von 2001
und 2003 hat der Bundesgesetzgeber einen in der gesamten Schweiz geltenden Höchstzins-
satz für Konsumkredite eingeführt, während noch 1993/1994 in Anlehnung an die
entsprechende Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft266 darauf verzichtet worden war.
Der Höchstzinssatz gilt für alle Kredite, die gewerbsmäßige Kreditgeber an Konsumenten
gewähren. Als Konsumenten gelten Personen welche die Kredite außerhalb ihrer beruflichen
oder gewerblichen Tätigkeit aufnehmen. Art. 14 KKG weist dem Bundesrat die Kompetenz
zu auf dem Verordnungsweg den Höchstzinssatz festzulegen. Als Leitlinie bestimmt Art. 14
Satz 2 KKG in nicht bindender Form, dass der Höchstzinssatz in der Regel 15% p.a. nicht
übersteigen sollte. Dieser Satz orientiert sich an der früheren kantonalen Gesetzgebung, die
regelmäßig einen Zinssatz in dieser Höhe vorsah.267 Der Bundesrat hat in der Verordnung
zum Konsumkreditgesetz (VKKG)268 den Höchstzinssatz auf derzeit 15% p.a. festgelegt,
wobei der effektive Jahreszinssatz nach Art. 33 f. KKG maßgeblich ist.269 Die Erlassform
der Verordnung erlaubt es dem Bundesrat den Zinssatz einfach und flexibel den
ökonomischen Gegebenheiten anzupassen. Für den Fall eines Verstoßes gegen den
Höchstzinssatz bestimmt Art. 15 Abs. 1 KKG die Nichtigkeit des betroffenen Kredit-
vertrages. Dieser fällt vollständig dahin und wird für den Schuldner zu einem Gratis-
darlehen. Er muss gemäß Art. 15 Abs. 2 und 3 KKG die Kreditsumme bis zum Ende der
Laufzeit in gleich hohen, vermutungsweise monatlichen Raten zurückzahlen, aber er
schuldet dem Gläubiger weder Kosten, noch Zinsen.270 Eine Reduzierung auf das
gesetzliche Maximum oder einen üblichen Zinssatz am Markt kommt aus Gründen der
Strafe und der Prävention nicht in Betracht.
B EINSCHRÄNKUNGEN IM KANTONALEN RECHT
1. INTERKANTONALES KONKORDAT VON 1957
Auch nach der Einführung des Konsumkreditgesetzes auf Bundesebene behalten
die Kantone weiterhin ihre Zuständigkeit für Kredite die nicht in den Anwendungsbereich
des KKG fallen. Dennoch haben beinahe alle beteiligten Kantone das Interkantonale
265 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (KKG), SR 221.214.1. 266 RICHTLINIE 87/102/EWG DES RATES vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. Nr. L 42 vom 12.02.1987),
revidiert durch die RICHTLINIE 90/88/EWG vom 22. Februar 1990 (ABl. Nr. L 61 vom 10.03.1990). 267 GIGER, BK, KKG, S. 243 f. 268 Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz (VKKG), SR 221.214.11. 269 Siehe § 2 III B 4. 270 GIGER, BK, KKG, S. 243 f.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
45
Konkordat über Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbräuchen im Zinswesen vom
8. Oktober 1957271 verlassen, nachdem das KKG das Konkordat in einem überwiegenden
Teil seines Anwendungsbereichs verdrängt hatte. In dem Konkordat hatten sich zuletzt
neun, vorrangig westschweizer Kantone272 zusammengeschlossen, um eine einheitliche
Missbrauchsgesetzgebung aufzustellen. Gestützt auf die Kompetenz aus Art. 73 Abs. 2 OR
wurde in Art. 1 des Konkordats ein Höchstzinssatz für Gelddarlehen in Höhe von maximal
1,5% pro Monat statuiert. Dieser Satz war als Gesamtentschädigung definiert und bestand
aus zwei Komponenten, namentlich maximal 1% für Zinsen, Provisionen, Kommissionen
und Gebühren sowie 0,5% für ausgewiesene Auslagen und Kosten. Entsprechend ergab sich
ein maximaler Jahreszins von 18%.273 Durch die beiden Komponenten sollte verhindert
werden, dass eigentliche Zinsen in Form von Gebühren oder Auslagen verrechnet und
dadurch die Schutzbestimmungen umgangen wurden.274 Rein deklaratorisch war der
ausdrückliche Vorbehalt des Strafrechts bzw. des Wuchertatbestands nach Art. 157 StGB
(Art. 13 Abs. 3 und Art. 15). Einzelne Teile des Konkordats wurden vom Bundesgericht am
4. März 1959 im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde aufgehoben. Da der Entscheid
unveröffentlicht blieb sind die Gründe dafür unbekannt.275
Der Schutz des Konkordats wird heute durch das gesamtschweizerische Konsumkredit-
gesetz und dessen Höchstzinssatz sowie ergänzend durch das Wettbewerbsrecht276
gewährleistet. Daneben bestand kein Raum mehr für eine Anwendung des Konkordats.277
2. KANTONALE HÖCHSTZINSVORSCHRIFTEN
Verschiedene Kantone die nicht dem vorgenannten Konkordat beigetreten waren,
hatten in der Vergangenheit ebenfalls gestützt auf Art. 73 Abs. 2 OR Höchstzinsvorschriften
im kantonalen Recht erlassen.278 Diese fanden sich zumeist in den kantonalen Einführungs-
gesetzen zum ZGB (EGZGB), wobei die Mehrzahl dieser Kantone die entsprechenden
Bestimmungen bis heute aufgehoben hat.279 Hingegen bestimmt im Kanton Zürich noch
immer Art. 215280 Abs. 1 EGZGB ZH281 eine maximale Höhe der Kreditkosten für
271 SR 221.121.1 (nicht mehr publiziert), AS 1958, 374. 272 BE (Austritt nach Beschluss vom 23.03.2006), ZG (Austritt nach Beschluss vom 30.11.2006), FR (Austritt nach
Beschluss vom 06.11.2003), SH (Austritt nach Beschluss vom 01.03.2004), VD (Austritt nach Beschluss vom
09.08.2006), VS (Austritt nach Beschluss vom 13.05.2004), NE (Austritt nach Beschluss vom 25.06.2003), GE
(Austritt nach Beschluss vom 24.10.2003), JU; vgl. REGIERUNGSRAT DES KANTONS ZUG, S. 5. 273 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 101. 274 WEBER, BK, Art. 73 OR N 138. 275 CHRIST, SPR VII/2, S. 247 f.; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 102; WEBER, BK, Art. 73 N 139; AS 1959, 626, 994. 276 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), SR 241. 277 REGIERUNGSRAT DES KANTONS ZUG, S. 3 f. 278 WEBER, BK, Art. 73 OR N 140. 279 BE, BL, BS, NE, SG, SH. 280 Vormals Art. 213 EGZGB ZH in der Fassung vom 22.11.1942.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
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sämtliche nicht dem KKG unterstehenden Kredite von 18% p.a.282 Als Kreditkosten zählen
dabei sämtliche „Beträge, die der Kreditnehmer zusätzlich zum beanspruchten Kredit
schuldet“. Für die Berechnung des jährlichen Zinssatzes von Teilzahlungskrediten und
anderen Darlehen mit „periodisch sinkender Beanspruchungsgrenze“ verweist das Gesetz
auf die Bestimmungen zur Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes in Anhang 1 zum
KKG (Art. 215 Abs. 1 Satz 2 EGZGB ZH). In wenigen weiteren Kantonen283 bestehen
zudem Höchstzinsvorschriften für grundpfandgesicherte Forderungen, die gestützt auf den
gesetzlichen Vorbehalt in Art. 795 Abs. 2 ZGB aufgestellt wurden. Dieser ebenfalls unechte
Vorbehalt entspricht in seiner Wirkung Art. 73 Abs. 2 OR, aber er behält ausdrücklich nur
das kantonale Recht vor,284 wobei die Lehrmeinungen auseinandergehen, ob er sich auf das
Privatrecht und das öffentliche Recht bezieht285, ausschließlich auf das öffentliche Recht286
oder nur das Privatrecht287. Die übrigen Kantone, die einmal entsprechende Bestimmungen
vorsahen, haben diese inzwischen abgeschafft.288
3. RECHTSFOLGEN
Darlehensverträge, die dem interkantonalen Konkordat von 1957 unterstanden und
gegen dessen Bestimmungen verstießen, waren widerrechtlich und daher nichtig nach Art.
20 OR. Bezüglich der Rechtsfolge wurde nicht zwischen einem Verstoß gegen kantonales
oder Bundesrecht differenziert.289 Die zivilrechtliche Wirkung der kantonalen Missbrauchs-
bestimmungen ergibt sich bereits aus dem Vorbehalt von Art. 73 Abs. 2 OR und kann nicht
davon abhängen, ob das Konkordat die Nichtigkeitsfolge eigens festlegt oder nicht.290
Allerdings hat das Bundesgericht entschieden, dass z.B. bei einem Darlehensvertrag nicht
zwangsläufig Ganznichtigkeit vorliegen müsste. Beim Darlehen als unvollkommen
zweiseitigem Vertrag könne regelmäßig die Teilbarkeit des Vertrages angenommen werden,
da dieser nicht aus Leistung und Gegenleistung, sondern aus einer „Leistung nebst
Verpflichtung zur späteren Rückleistung“ bestehe. Die Verzinsung sei als optionale
Gegenleistung nicht begriffswesentlich und der Teilnichtigkeit nach Art. 20 Abs. 2 OR
281 Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EG zum ZGB) vom 2. April 1911, OS 230. 282 Dazu: PERREN, S. 29 ff. 283 NE, TI, AR, VS (Kompetenz zur Festlegung eines Maximalzinssatzes per Verordnung des Staatsrates derzeit nicht
genutzt), BL (Verbot von Strafzinsen), SO (Verbot von Strafzinsen); vgl. DUERR, ZK, Art. 795 ZGB N 57 ff. 284 HUBER, BK, Art. 6 ZGB N 102; TRAUFFER, BSK, Art. 795 ZGB N 2. 285 WEBER, BK, Art. 73 OR N 136; 286 TRAUFFER, BSK, Art. 795 ZGB N 2. 287 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 104; LEEMANN, BK, Art. 795 ZGB N 10. 288 Vgl. den Rechtsstand von 1925: LEEMANN, BK, Art. 795 ZGB N 19 ff. 289 BGE 80 II 327 E. 2. 290 BGE 80 II 327 E. 2, 3.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
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zugänglich. Zum Schutz der öffentlichen Ordnung genüge es, wenn die Verzinsung auf ein
erlaubtes Maß herabgesetzt werde; Ganznichtigkeit sei nicht zwingend notwendig.291
Für Zinsvereinbarungen die gegen die o.g. Höchstzinsbestimmungen einzelner Kantone,
insbesondere Art. 215 Abs. 1 EGZGB ZH, verstoßen, gelten die gleichen Rechtsfolgen. Es
ist von Nichtigkeit wegen Widerrechtlichkeit nach Art. 20 OR mit der Möglichkeit der
Teilnichtigkeit auszugehen. Das Bundesgericht hat dies in stetiger Rechtsprechung,
hauptsächlich zum Zürcher EGZGB, entsprechend entschieden.292 Der vereinbarte Zinssatz
wird in der Praxis regelmäßig unter Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR auf das gesetzlich
zulässige Maß reduziert („sog. modifizierte Teilnichtigkeit, für die auch der Ausdruck
Reduktion verwendet wird“293).294
II. ZIVILRECHTLICHE ZINSBESCHRÄNKUNGEN
A ALLGEMEINE RECHTSGRUNDSÄTZE
Der Bundesgesetzgeber hat darauf verzichtet einen allgemeinen Maximalzinssatz im
Zivilrecht festzulegen. Dennoch bleibt die Zinshöhe auch dann nicht vollständig der Partei-
autonomie überlassen, wenn keine der zuvor genannten Beschränkungen des kantonalen
Rechts oder des Konsumentenschutzrechtes anwendbar ist. In jedem Fall anwendbar sind
die Inhaltsschranken des Allgemeinen Teils des Obligationenrechts, namentlich die
Sittenwidrigkeit (Art. 20 Abs. 1 OR) und die Übervorteilung (Art. 21 Abs. 1 OR).
1. INHALTSSCHRANKEN
a. GRUNDLAGEN
Art. 19 Abs. 1 OR beinhaltet den allgemeinen Grundsatz der Inhaltsfreiheit als
wichtigsten Teilaspekt der Vertragsfreiheit, unter dem Vorbehalt der gesetzlichen Inhalt-
schranken. Unzulässig sind nach Art. 19 Abs. 2 OR insbesondere Vereinbarungen die gegen
zwingende Bestimmungen (ius cogens), die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder die
Persönlichkeitsrechte verstoßen oder eine unmögliche Leistung zum Gegenstand haben.295
Der Inhalt eines Vertrags darf demnach nicht gegen zwingendes schweizerisches Privatrecht
und öffentliches Recht verstoßen und er muss die Regeln der öffentlichen Ordnung
beachten, wobei die Bedeutung des zweiten Kriteriums umstritten ist. Nach einer
291 BGE 80 II 327 E. 4; BGE 93 II 189. 292 BGE 80 II 327 E. 2 ff.; BGE 93 II 189; BGE 96 I 4 E. 2 f. 293 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 116. 294 V. THUR/PETER, § 29 S. 227 f.; TRAUFFER, BSK, Art. 795 ZGB N 2; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 116. 295 KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 128.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
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48
Lehrmeinung wird darunter ein Verstoß des Inhalts gegen öffentliches Recht verstanden,296
nach einer anderen bezieht sich der Begriff auf das Privatrecht297 und nach einer dritten
Auffassung sind „die der Rechtsordnung immanenten Wertungs- und Ordnungs-
prinzipien“298 gemeint. Dabei handelt es sich um „nicht in ausdrücklichen zwingenden
Einzelnormen konkretisierte Prinzipien der schweizerischen Rechtsordnung“299.300
Der Begriff der guten Sitten wird ebenfalls nicht einheitlich verstanden. Nach
einer extensiven Auslegung verstößt ein sittenwidriger Vertrag gegen „die herrschende
Moral“, „das allgemeine Anstandsgefühl“ bzw. „die der Rechtsordnung immanenten
ethischen Prinzipien und Wertmaßstäbe“. Dieser Auffassung ist auch das Bundesgericht mit
den zitierten Formulierungen zuzurechnen.301 Eine restriktivere Ansicht hingegen versteht
unter den guten Sitten einen Kern der konsensfähigen Konventionalethik. Im Gegenzug
werden von dieser Lehrmeinung die „der Rechtsordnung immanenten Wertungen“ dem
Begriff der öffentlichen Ordnung zugeordnet.302
Zuletzt verbleiben die Kriterien der Persönlichkeitsrechtsverletzung und der
Unmöglichkeit des Inhalts. Das Erstgenannte wird dabei häufig als Unterfall der
Sittenwidrigkeit angesehen.303 Geschützt ist insbesondere der elementare höchstpersönliche
Bereich, da dieser vertraglichen Bindungen jeglicher Form entzogen bleiben soll. Verboten
sein kann daher eine Bindung per se oder deren Umfang in sachlicher bzw. zeitlicher
Hinsicht.304 Der Fall der Unmöglichkeit hingegen bezieht sich auf Leistungen, die bereits
zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unmöglich, d.h. von einem beliebigen Schuldner
objektiv nicht erbringbar sind, sei es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen.305
b. SITTENWIDRIGKEIT IM BESONDEREN
Da das Bundesrecht kein allgemeines Zinsmaximum kennt, kann eine Zins-
forderung die keiner kantonalen Höchstzinsvorschrift unterliegt nicht widerrechtlich im
Sinne des Art. 19 Abs. 2 OR sein. Dennoch kann Sie unter Umständen gegen die guten
Sitten verstoßen und die Rechtsfolgen des Art. 20 Abs. 1 OR auslösen. Die Sittenwidrigkeit
als allgemeiner Rechtsgrundsatz bezieht sich auf das Verhältnis von Rechtsgeschäft und
296 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 648; GUHL/KOLLER, § 7 N 22. 297 V. THUR/PETER, § 31 S. 250. 298 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 23. 299 KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 128. 300 KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 128; WENDRICH, S. 15 f.; BECKER, BK, Art. 19/20 OR N 24 ff. 301 BGE 123 III 101 E. 2; BGE 115 II 232 E. 4a; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 668; BUCHER, OR AT, S. 255 f. 302 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 32; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 151 ff.; 174; KELLER/SCHÖBI, Bd. I, S. 145;
V. THUR/PETER, § 31 S. 255. 303 HÜRLIMANN, N 132; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 656; BGE 106 II 369 E. 4 = Pra 1981 Nr. 89 E. 4. 304 HUGUENIN, BSK, Art. 27 ZGB N 8; BUCHER, OR AT, S. 260 ff. 305 KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 250 ff.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 633 f.; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 46;
GUHL/KOLLER, § 7 N 18; BGE 96 II 18 E. 2a.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
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gesellschaftlichen Normen, während die Widerrechtlichkeit und die Schranke der
öffentlichen Ordnung auf das Verhältnis von Rechtsgeschäft und Rechtsordnung abstellen.
Methodisch betrachtet ist der Begriff der guten Sitten eine Generalklausel, „durch welche
via Referenz auf das allgemeine Anstandsgefühl die Konsistenz der rechtlichen mit der
sozialen (moralisch-ethischen) Wertehierarchie sicherzustellen ist“.306 Daher muss der
Begriff der guten Sitten an veränderte gesellschaftliche Normen und Werte angepasst
werden, um den stetigen Wertewandel nachzuvollziehen. Die Aufgabe der Konkretisierung
und Fortbildung des Begriffs der guten Sitten liegt beim Richter, damit der allgemein
anerkannte Kern gesellschaftlicher Normen in die Rechtsordnung übernommen wird.307
Die Beurteilung eines Vertrages auf seine Sittenkonformität erfolgt auf den Zeitpunkt seines
Abschlusses hin. Allerdings muss diese Vorgabe hinterfragt werden, wenn der Wertewandel
seit Vertragsabschluss dazu geführt hat, dass ein Vertragsinhalt anerkanntermaßen nicht
mehr sittenwidrig ist. In diesem Fall sollte der Vertrag als gültig angesehen werden, da das
Ziel der Schranke der Sittenwidrigkeit nur darin bestehen kann tatsächlich mangelbehaftete
Vereinbarungen zu beseitigen und nicht den Vertrag an sich. Letzteres wäre jedoch der Fall,
wenn ein nicht mehr gegen die guten Sitten verstoßender Vertrag aufgehoben würde.308
Die Prüfung der Sittenwidrigkeit erfolgt am Inhalt des Vertrages, wobei der Begriff des
Inhalts nach der herrschenden Lehre weit auszulegen ist. Es sind sowohl der vereinbarte
Inhalt bzw. die Leistungen und Leistungsmodalitäten, als auch die Tatsache des Vertrags-
abschlusses mit diesem Inhalt und der gemeinsame Vertragszweck einzubeziehen.309
Nicht zu berücksichtigen sind hingegen die Umstände des Vertragsabschlusses bzw. die
Vorgänge die dazu führten.310 Ebenso müssen die Motive der Parteien außer Betracht
bleiben, da „die bloße Absicht, der Beweggrund als unausgesprochenes Motiv (…) nach
bekannter Rechtsauffassung nicht «Inhalt des Vertrags»“311 ist. Die Sittenwidrigkeit ist
daher nach allgemeiner Auffassung ein „objektives Kriterium“.312
c. PROZESSUALES
Die Sittenwidrigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine
Rechtsfrage und keine Tatfrage. Als solche ist sie von Amtes wegen zu beachten und kann
der Überprüfung durch das Bundesgericht vorgelegt werden.313 Als Einrede kann sie zudem
306 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 34. 307 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 34. 308 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 35. 309 BGE 123 III 101 E. 2; BGE 115 II 232 E. 4a; BGE 119 II 222 E. 2; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 17, 36;
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 639 ff.; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 136 ff.; HÜRLIMANN, N 104 ff. 310 BGE 84 II 13 E. 5. 311 BGE 42 II 485 E. 3. 312 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 36; V. THUR/PETER, § 31 S. 255 f. 313 BGE 80 II 45 E. 2b; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 183; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 20 OR N 28.
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jederzeit erhoben werden.314 Besondere Umstände und Tatsachen die eine übermäßig hoch
erscheinende Zinsvereinbarung rechtfertigen könnten sind gemäß Art. 8 ZGB vom
Gläubiger der Zinsforderung vorzubringen und nachzuweisen.315
d. RECHTSFOLGEN
i. GANZNICHTIGKEIT
Die gemeinsame Rechtsfolge eines widerrechtlichen, unmöglichen oder gegen die
guten Sitten verstoßenden Vertragsinhalts ist nach Art. 20 Abs. 1 OR die Nichtigkeit des
gesamten Vertrages. Dieser erzeugt daher von Beginn an keine rechtsgeschäftlichen
Wirkungen. Die Nichtigkeit liegt eo ipso vor und wirkt ex tunc, d.h. sie muss nicht erst
durch Anfechtungsklage bzw. Einrede geltend gemacht werden.316 Sie muss von Amtes
wegen berücksichtigt werden und kann von jedermann jederzeit auch gegenüber jedermann
geltend gemacht werden. Die Nichtigkeit kann nicht geheilt werden, d.h. sie unterliegt
keiner Verjährungsfrist und der Mangel kann nicht rückwirkend genehmigt werden.317
Zweck der Nichtigkeit ist die Wiederherstellung des Zustands wie er vor Vertragsabschluss
bestanden hat (status quo ante). Folglich sind bereits erbrachte Leistungen rückabzuwickeln,
da sie ohne gültigen Rechtsgrund (indebite) erbracht worden sind. Die Rückforderung
erfolgt nach den Grundsätzen der Leistungskondiktion (Art. 62 ff. OR - condictio indebiti)
bzw. aufgrund des Kausalitätsprinzips nach den Regeln der Vindikation (Art. 641 Abs. 2
ZGB - rei vindicatio) oder mittels Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB). Diese
Sekundäransprüche auf Rückabwicklung unterliegen den normalen Verjährungsfristen.318
In Bezug auf in Vollzug gesetzte Dauerschuldverhältnisse wird in der Lehre teilweise die ex
tunc-Wirkung der Nichtigkeit und die Rückabwicklung der erbrachten Leistungen
abgelehnt. Stattdessen wird eine Ausnahme im Sinne einer ex nunc-Wirkung der Nichtigkeit
gefordert und für die tatsächliche Laufzeit des Vertrags ein faktisches Vertragsverhältnis
angenommen (vgl. Art. 320 Abs. 2 OR zum Arbeitsvertrag).319
Neben dem traditionellen Begriff der Nichtigkeit vertritt zudem ein Teil der Lehre
für Fälle der Widerrechtlichkeit auch einen flexiblen Nichtigkeitsbegriff.320 Dieser
berücksichtigt stärker den Sinn und Zweck einer verletzten Norm und führt nur zwingend
zur Nichtigkeit wenn „diese Rechtsfolge ausdrücklich im betreffenden Gesetz vorgesehen ist
314 BGE 30 II 413 E. 3; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 37. 315 BGE 93 II 189 E. b. 316 KRAMER, BK, Art. 19-20 OR N 308 ff.; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 53; BGE 97 II 108 E. 4. 317 BGE 129 III 209 E. 2.2; BGE 123 III 60 E. 3b = Pra 1997 Nr. 107; BGE 111 II 134 E. 1; BGE 110 II 360 E. 4;
KRAMER, BK, Art. 19-20 OR N 315 f., 318; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 70. 318 SCHWENZER, N 32.47; KRAMER, BK, Art. 19-20 OR N 311 f.; V. THUR/PETER, § 29 S. 225 f. 319 SCHWENZER, N 32.35; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 57; a.M.: KOLLER, § 13 N 23 f. 320 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 56 ff.; SCHWENZER, N 32.35 ff.
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oder sich aus Sinn und Zweck der verletzten Norm ergibt“.321 Zudem soll sich nach dieser
Auffassung nur die von einer Norm geschützte Partei auf die Nichtigkeit berufen können.
Die Pflicht zur Rückabwicklung und die Möglichkeit zur Heilung des Mangels sollten dabei
flexibel nach Maßgabe des Normzwecks gehandhabt werden.
ii. TEILNICHTIGKEIT
Neben der Ganznichtigkeit enthält das Gesetz zudem die weniger weitreichende
Folge der Teilnichtigkeit. Nach Art. 20 Abs. 2 OR soll die Nichtigkeitsfolge nur so weit
gehen wie „es der Schutzzweck der verletzten Norm verlangt“.322 Sofern nicht angenommen
werden muss, dass die Parteien den Vertrag nicht auch ohne den mangelhaften Teil
geschlossen hätten, ist nicht auf Ganznichtigkeit zu entscheiden, sondern es kann allein der
mangelbehaftete Teil nichtig sein, während der gültige Teil des Vertrags aufrechterhalten
wird (Ausdruck des Prinzips favor negotii). Dabei ist es unerheblich, ob der Mangel nur
Neben- oder auch Hauptpunkte des Vertrags betrifft.323 Unerlässliche Voraussetzung zur
Annahme der Teilnichtigkeit ist allerdings die Teilbarkeit des Vertrags, d.h. dass er sich in
einen mangelhaften und einen mangelfreien Teil trennen lässt.324 Maßgeblich für die
Entscheidung über Ganz- oder Teilnichtigkeit ist zunächst eine allfällige Vereinbarung der
Parteien. Sofern diese für den Fall der Nichtigkeit vereinbart haben, dass z.B. entweder der
ganze Vertrag dahinfallen soll (Nichtigkeitsabrede) oder dass die Nichtigkeit einer Klausel
nicht den Vertrag als Ganzes beeinträchtigen soll (salvatorische Klausel), ist dieser Wille zu
berücksichtigen.325 Fehlt eine solche Abrede, dann ist der sog. hypothetische Parteiwille
bzw. dogmatisch ausgedrückt: „die hypothetische subjektive Essentialität des nichtigen
Vertragsteils“326 maßgebend. Dieser entspricht nicht dem wirklichen bzw. empirischen
Willen den die Parteien tatsächlich in einer vergleichbaren Situation gehabt hätten,327
sondern es handelt sich nach Lehre328 und Rechtsprechung329 um das „was vernünftige und
redliche, also nach Treu und Glauben handelnde Vertragsparteien gewollt und vereinbart
hätten, wenn ihnen die Nichtigkeit eines Vertragsteils bewusst gewesen wäre“330. Falls kein
eindeutiger hypothetischer Wille ermittelt werden kann, dann ist im Zweifel die Rechtsfolge
321 BGE 134 III 52 E. 1.1. 322 BGE 123 III 292 E. 2e/aa; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 61. 323 BGE 120 II 35 E. 4a = Pra 1995 Nr. 146 E. 4a; BGE 107 II 216 E. 3a; GUHL/KOLLER, § 7 N 39; KRAMER, BK,
Art. 19-20 OR N 326 f. 324 SCHWENZER, N 32.40; HGer ZH v. 27.06.1996, ZR 1997 Nr. 38 E. III./8.d). 325 SCHWENZER, N 32.41. 326 KRAMER, FS TANDOGAN, S. 156; KRAMER, BK, Art. 19-20 OR N 349. 327 BGE 107 II 419 E. 3b; KRAMER, FS TANDOGAN, S. 156; HÜRLIMANN, N 197 ff. 328 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 689; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 63; GAUCH, recht 1983, S. 96;
V. THUR/PETER, § 29 S. 227 f.; CHRIST, SPR VII/2, S. 249; OFTINGER, ZSR 1983, S. 568a ff.; TANDOGAN, S. 76. 329 BGE 124 III 57 E. 3c; BGE 120 II 35 E.4b = Pra 1995 Nr. 146; BGE 107 II 216 E. 3b; HGer ZH v. 14.12.1981,
ZR 1982 Nr. 77 E. 5.3.1.1. 330 HÜRLIMANN, N 213.
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mit den geringeren Auswirkungen zu wählen, da das Recht primär den Mangel beseitigen
will und nicht den Vertrag als Ganzes. Allfällig entstehende Lücken im aufrechterhaltenen
Teil des Vertrags können zunächst durch zwingendes oder dispositives Recht und sekundär
aufgrund des hypothetischen Parteiwillens ergänzt werden.331 Im Ergebnis ist jene
Ersatzlösung zu wählen, die der ursprünglichen Vereinbarung möglichst nah kommt, d.h.
möglichst wenig vom Parteiwillen abweicht.332 Bleibt von einem teilbaren Vertrag nur der
wirksame Rest bestehen, spricht man von „schlichter Teilnichtigkeit“, wird aber der
mangelhafte Vertragsteil angepasst bzw. ergänzt, so liegt ein Fall von „modifizierter
Teilnichtigkeit“ vor.333 Ist der Vertrag nicht teilbar, so ist unabhängig vom hypothetischen
Parteiwillen auf Ganznichtigkeit zu entscheiden.334
iii. GELTUNGSERHALTENDE REDUKTION
In Anlehnung an diverse Spezialbestimmungen im OR (Art. 163 Abs. 3, Art. 417,
Art. 340a Abs. 2 OR) wird in Lehre und Rechtsprechung zudem das Modell der
geltungserhaltenden Reduktion für Fälle der Teilnichtigkeit angewendet. Durch „Reduktion
auf das erlaubte Maß“335 soll nur der übermäßige Teil des Vertrages teilnichtig sein,
während der Rest innerhalb der maximalen Schranken der Rechtsordnung bestehen bleibt.
Dies gilt insbesondere für Fälle übermäßiger Bindung nach Umfang oder Zeit336 und gemäß
Bundesgericht auch für überhöhte Zinsvereinbarungen.337 Allerdings wird die geltungs-
erhaltende Reduktion in der Lehre teilweise für jene Fälle abgelehnt, in denen die
Nichtigkeit aus der Verletzung einer Norm resultiert, die dem Schutz der schwächeren
Vertragspartei dient, da in diesen Fällen die Reduktion auf das erlaubte Maß Anreize zum
Missbrauch schaffen könnte, wenn der Gläubiger davon ausgehen kann, dass seine
Forderung im Fall der Geltendmachung der Nichtigkeit bloß auf das maximal zulässige Maß
herabgesetzt würde.338
iv. PROZESSUALES
Nach Art. 20 Abs. 2 OR wird bei gegebener Teilbarkeit eines Vertrages die
Teilnichtigkeit gesetzlich vermutet und ist daher die Regel, während Ganznichtigkeit die
Ausnahme darstellt. Dieses Verhältnis spiegelt sich auch in der Beweislastverteilung wieder.
331 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 64 f.; SCHWENZER, N 32.41 f.; BGE 109 II 239 E. 3b. 332 SPIRO, ZBJV 1952, S. 462; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 62. 333 GUHL/KOLLER, § 7 N 40; SCHWENZER, N 32.42; POLYDOR-WERNER, S. 26. 334 GUHL/KOLLER, § 7 N 39; OGer ZH v. 20.02.1987, ZR 1988 Nr. 18 E. 3; HGer ZH v. 27.06.1996, ZR 1997 Nr.
138 E. III/8d; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 334 f. 335 SCHWENZER, N 32.44. 336 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 706; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 380 ff.; SCHWENZER, N 32.43 f. 337 BGE 93 II 189 E. b; a.A.: KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 379. 338 SCHWENZER, N 32.45.
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Wenn eine Partei die Ganznichtigkeit einer Vereinbarung behauptet, hat sie auch die
Beweislast für Tatsachen zu tragen, die den Schluss auf einen entsprechenden
hypothetischen Parteiwillen erlauben.339 Das gleiche gilt für jene Partei, die sich auf die
Rechtsfolge der modifizierten Teilnichtigkeit beruft. Sie muss ebenfalls die Tatsachen
vorbringen, die den Schluss auf einen entsprechenden hypothetischen Parteiwillen
erlauben.340 Die Bestimmung des hypothetischen Parteiwillens durch das Gericht ist eine
Rechtsfrage die der Überprüfung durch das Bundesgericht offen steht, wobei es an die
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden ist.341
e. SITTENWIDRIGKEIT EINER ZINSVEREINBARUNG
Durch den Bezug auf ungeschriebene soziale Normen und Wertanschauungen die
dem Wandel der Zeit ausgesetzt sind, ist der Begriff der guten Sitten per definitionem
veränderlich und unpräzise. Daher konnte sich in der Rechtspraxis auch bisher keine
generelle Schwelle durchsetzen, ab der ein vereinbarter Zinssatz sittenwidrig ist. Die
bestehenden und früheren kantonalen Zinsmaxima können gemäß Bundesgericht zwar
vergleichsweise herangezogen werden, sind aber für den Richter nicht verbindlich.342
Zudem steht es dem Gläubiger einer Zinsforderung frei, besondere Umstände der
Kapitalgewährung nachzuweisen, die den vereinbarten Zinssatz gerechtfertigt erscheinen
lassen. Dennoch vertritt insbesondere CHRIST die Auffassung, dass von einer implizit
geltenden Zinsschwelle bei ca. 18-20% p.a. für ungesicherte Darlehen auszugehen sei,
vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls.343 Die gleichen Regeln müssen m.E.
grundsätzlich auch für Darlehensverträge in Fremdwährungen gelten, sofern auf diese
schweizerisches Recht anwendbar ist und schweizerische Gerichte zuständig sind.
Allerdings können in Währungsräumen mit einem im Vergleich zur Schweiz höheren
allgemeinen Zinsniveau, größerer Geldentwertung oder einem strukturell hohen
Schuldnerrisiko im Einzelfall auch Zinssätze angemessen sein, deren nominale Höhe in der
Schweiz als sittenwidrig angesehen würde.
Liegt ein internationaler Sachverhalt vor, dann beurteilt sich die Zulässigkeit einer
Zinsvereinbarung i.d.R. nach dem Vertragsstatut, da der Vertragsinhalt betroffen ist. Dies gilt
auch im Fall einer Valuta in Fremdwährung.344 Eine Anknüpfung an das Währungsstatut
kommt nach WEBER nicht in Betracht, da sie der einheitlichen Behandlung des Vertrags
339 BGE 93 II 189 E. b; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 71; HÜRLIMANN, N 229; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 329;
SCHWENZER, N 32.41. 340 HÜRLIMANN, N 229. 341 BGE 120 II 35 E. 4b = Pra 1995 Nr. 146; BGE 107 II 216 E. 3b; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 351; HUGUENIN,
BSK, Art. 19/20 OR N 71. 342 BGE 119 Ia 59 E. 4c; BGE 93 II 189 E. b. 343 CHRIST, SPR VII/2, S. 248. 344 WEBER, BK, Art. 73 N 142.
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widersprechen würde.345 Die explizit festgelegten Höchstzinssätze des schweizerischen Rechts
können allerdings nicht unbesehen auf Fremdwährungsforderungen angewendet werden, da sie
auf Forderungen in Schweizer Franken zugeschnitten sind und aus den o.g. Gründen allenfalls
nicht für die landesüblichen Verhältnisse in einem anderen Währungsraum passend sind.
Hingegen ist die Anwendung der Schranken aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch für
Verträge mit einer Valuta in Fremdwährung angemessen, unter Berücksichtigung der
besonderen Verhältnisse des betroffenen Währungsraumes.346
Überhöhte Zinsvereinbarungen die gemäß Art. 20 Abs. 1 OR grundsätzlich der
Rechtsfolge der Nichtigkeit unterliegen, können nach dem Gesagten auch der bloßen
Teilnichtigkeit zugänglich sein. Damit fällt eine Zinsvereinbarung nicht vollständig dahin,
sondern sie kann modifiziert bzw. reduziert werden. Falls aus dem hypothetischen Parteiwillen
nicht geschlossen werden kann, dass insb. der Gläubiger den Darlehensvertrag nicht auch mit
einem geringeren Zinssatz abgeschlossen hätte, kann die Vergütung auf das maximal zulässige
Maß herabgesetzt werden (geltungserhaltende Reduktion).347 Eine bloße Herabsetzung auf ein
marktübliches Maß, einen subsidiären gesetzlichen Zinssatz oder überhaupt keine Verzinsung
kommt nach Ansicht des Bundesgerichts nicht in Betracht, sofern keine Anhaltspunkte für
einen entsprechenden hypothetischen Parteiwillen nachgewiesen sind.348 Aus den zuvor
angesprochenen Gründen der Missbrauchsprävention lehnt SCHWENZER hingegen die
geltungserhaltende Reduktion bei Verstößen gegen Höchstzinsvorschriften ab.349
2. ÜBERVORTEILUNG
a. GRUNDLAGEN
Obwohl sich die Übervorteilung im Abschnitt „Inhalt des Vertrages“ des
Allgemeinen Teils des OR befindet, ist sie keine Beschränkung des Inhalts, sondern sie
behandelt „die Art und Weise wie es zu diesem Inhalt kommt“350. Betrachtet werden die
Umstände des Vertragsabschlusses, wobei der Vertragsinhalt als Ergebnis des Abschlusses
die Übervorteilung ausdrückt.351 Teilweise wird die Übervorteilung daher als Kombination
von Inhalts- und Willensmangel angesehen.352 Die Zinsvereinbarung, insbesondere beim
Darlehensvertrag, ist besonders anfällig für eine Übervorteilung des Schuldners, da dieser
das Geldkapital i.d.R. nicht selbst besitzt und auf die Gewährung eines Kredits angewiesen
345 WEBER, BK, Art. 73 N 142. 346 WEBER, BK, Art. 73 N 142 f. 347 KOLLER, § 13 N 136 f.; V. THUR/PETER, § 29 S. 227 f.; BGE 80 II 327 E. 4; BGE 123 III 292 E. 2e/aa. 348 BGE 93 II 189 E. b; BGE 80 II 327; BGE 47 II 462, 464; GUHL/KOLLER § 7 N 44. 349 SCHWENZER, N 32.45. 350 GAUCH, recht 1989, S. 92. 351 GAUCH, recht 1989, S. 92. 352 HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 1; BGE 84 II 107 E. 4; KRAMER, BK, Art. 21 OR N 5.
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ist, um eine Investition zu tätigen oder eine andere Schuld zu begleichen. Insbesondere bei
zweifelhafter Bonität, mangelnden Sicherheiten oder Zeitdruck wird der Kreditnehmer auch
einen hohen Zinssatz akzeptieren, um das Kapital zu erhalten. Obwohl die Übervorteilung
nach ihrem Wortlaut auf vollkommen zweiseitige Schuldverträge (synallagmatische
Verträge) ausgerichtet ist, wird die Bestimmung zumindest analog auch auf unvollkommen
zweiseitige und einseitige Schuldverträge angewendet.353 Dies muss auch für den
Darlehensvertrag gelten, wie es in ausländischen Rechtsordnungen354 vertreten wird die
ebenfalls keine generellen Höchstzinssätze kennen.355 Abzulehnen ist hingegen die Ansicht
von BUCHER, der die Übervorteilung durch Zinswucher in Zeiten eines entwickelten
Kreditwesens und geringer Inflation für entbehrlich hält, da Zinssätze ein Resultat der
niedrigen Bonität des Schuldners, aber kein Missverhältnis im Sinn von Art. 21 OR seien.356
b. HISTORISCHE ENTWICKLUNG
Die Übervorteilung wurde erst 1911 ins OR eingefügt. Vorher sollten Missbräuche
im Zinswesen allein durch das kantonale Recht verhindert werden. Die Kantone setzten den
Vorbehalt von Art. 83 Abs. 2 aOR teilweise in kantonalen Wuchertatbeständen um.
Anlässlich der OR-Revision waren richterliche Eingriffe im Sinne einer Inhaltskontrolle und
Inhaltskorrektur aber umstritten, weil sie als Widerspruch zum Prinzip der Vertragsfreiheit
angesehen wurden.357 In Teilen der Lehre wurde daher auch nach der gesetzlichen Regelung
noch eine restriktive Anwendung der Übervorteilung gefordert.358 Diese Ansicht wird heute
u.a. von GAUCH zurückgewiesen, selbst wenn der Gesetzgeber dies unter Berücksichtigung
der damaligen Lebensverhältnisse befürwortet haben sollte. Angelehnt an die Praxis des
Bundesgerichts fordert er, dass „der Schutz des Vertragsschließenden Schritt zu halten“359
habe mit dem Wandel der „äußeren Verhältnisse und Lebensbedingungen“.360 Dieser
Ansicht ist m.E. zuzustimmen, da die Überprüfung des Vertragsinhalts im Rahmen der
Übervorteilung einen Sonderfall darstellt und speziell auf den Schutz der wirtschaftlich
schwächeren Partei ausgerichtet ist.361 Außerdem führen bereits die qualifizierten
353 KOLLER, § 14 N 254, GAUCH, recht 1989, S. 93; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 3; KRAMER, BK, Art. 21 OR N 11 f. 354 In Deutschland (§ 138 BGB) wird allgemein ein Rechtsgeschäft vorausgesetzt in dem sich Leistung und Gegen-
leistung gegenüber stehen, womit unentgeltliche Geschäfte, Bürgschaften und familienrechtliche Verpflichtungen
ausgenommen sind: ARMBRÜSTER, MüKo 5.A., § 138 BGB N 143; SOERGEL/HEFERMEHL, 13.A., § 138 N 74;
ähnlich wird in Österreich (§ 879 ABGB) ein Rechtsgeschäft mit einem Austausch oder Gegenseitigkeits-
verhältnis vorausgesetzt, d.h. z.B. keine Schenkungen oder unentgeltliche Geschäfte: RUMMEL/KREJCI, § 879
ABGB N 215; SCHWIMANN/APATHY/RIEDLER, § 879 ABGB N 24; BUCHER, OR AT, S. 230 FN 6. 355 BGE 80 II 327 E. 3b. 356 BUCHER, OR AT, S. 230. 357 GAUCH, recht 1989, S. 91 f. 358 V. BÜREN, S. 227; THILO, JT 1946, S. 355 N 5. 359 BGE 92 II 168 E. 5a (i.c. zum Element der Unerfahrenheit). 360 GAUCH, recht 1989, S. 93; bestätigend: KRAMER, BK, Art. 21 OR N 7. 361 GUHL/KOLLER, § 7 N 48.
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Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 OR und die kurze Frist zur Geltendmachung dazu, dass
nicht jedes Missverhältnis gerichtlich überprüfbar ist.
c. TATBESTANDSVORAUSSETZUNGEN
Der Tatbestand der Übervorteilung verlangt das kumulative Vorliegen einer
objektiven und zweier subjektiven Voraussetzungen. Dies sind ein „offenbares Miss-
verhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung“ in einem Vertragsverhältnis, eine
Beeinträchtigung der Möglichkeit zur freien Entscheidung einer Vertragspartei durch
Vorliegen einer Notlage, Unerfahrenheit oder Leichtsinn sowie die Ausbeutung der
Gelegenheit zur Übervorteilung durch die andere Vertragspartei. Allerdings reicht nicht jede
Wertdifferenz zwischen den Leistungen zur Begründung eines offenbaren Missverhältnises
aus, sondern es wird ein deutliches Ungleichgewicht in einer „jedermann in die Augen
fallenden“362 Art vorausgesetzt. Maßgeblich ist der „objektive Wert“363 der vereinbarten
Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses,364 d.h. regelmäßig der Marktwert. Falls
kein Marktwert verfügbar ist, muss der Richter den objektiven Wert z.B. anhand von
Vergleichspreisen oder einer Kostenrechnung mit angemessenem Profitzuschlag schätzen.365
Nicht zu berücksichtigen ist sodann „weder abweichend“ vom vertraglich Vereinbarten
„Geleistetes noch – bei Sachnutzungen – anderweitig Mögliches“.366 Ebenfalls unerheblich
sind Wertminderungen seit Vertragsabschluss.367 Die Überprüfung des Wertverhältnisses
erfolgt nach freiem richterlichen Ermessen (Art. 4 ZGB) und ist umfassend, d.h. sie muss
alle Leistungen, Gegenleistungen und Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Dabei
kann ein Missverhältnis aber auch in besonders günstigen Vertragsbedingungen bestehen.368
Im Rahmen der Äquivalenzprüfung wird der Zins beim Darlehensvertrag als Gegenleistung
angesehen, aber es kommen auch andere Vorteile des Darlehensgebers in Betracht. Auch ein
hoher Zinssatz kann z.B. aufgrund eines hohen Risikos beim Darlehensnehmer oder eines
größeren Währungsrisikos gerechtfertigt sein.369 Doch selbst wenn ein Missverhältnis der
Leistungen vorliegt, handelt es sich nur dann um eine rechtlich relevante Übervorteilung,
wenn beim Übervorteilten und beim Übervorteiler die subjektiven Tatbestandselemente
gegeben sind. Der Übervorteilte muss sich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in einer
Schwächesituation durch Notlage, Unerfahrenheit oder Leichtsinn und dadurch in einer
„unterlegenen Verhandlungsposition“ befunden haben, so dass er das Missverhältnis nicht
362 BGE 53 II 483 E. 2. 363 BGE 123 III 292 E. 6a. 364 BGE 109 II 347 E. 2. 365 KOLLER, § 14 N 249; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 6; HGer ZH v. 27.09.1996, ZR 1999 Nr. 37 E. III/3b. 366 BGE 123 III 292 E. 6b. 367 KOLLER, § 14 N 249; BGE 123 III 292 E. 6a. 368 KOLLER, § 14 N 255; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 5. 369 V. THUR/PETER, § 40 S. 343 f.
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abwenden konnte.370 Die Aufzählung der Schwächegründe ist nach herrschender Lehre nicht
abschließend und muss insbesondere um jene des strafrechtlichen Wuchertatbestands
erweitert werden (Abhängigkeit, Schwäche im Urteilsvermögen). Aber auch der Einfluss
von Drogen, Medikamenten, Alkohol, Erschöpfung oder Überraschung kommen als Ursache
für eine Schwächelage in Betracht.371
Der praktisch wichtigste Anwendungsfall dürfte die wirtschaftliche Notlage sein,
aber auch andere Formen sind denkbar. Entscheidend ist, dass sich der Übervorteilte
aufgrund seiner Notlage zum Abschluss eines Vertrages mit einem nicht gewollten Inhalt
gezwungen sieht und bei seiner Abwägung den „für ihn ungünstigen Vertrag gegenüber der
Inkaufnahme drohender Nachteile als das kleinere Übel betrachtet“.372 Irrelevant ist, ob der
Übervorteilte die Schwächelage selbst herbeigeführt oder begünstigt hat.373 Ebenfalls
unerheblich ist nach GAUCH, ob sich der Übervorteilte tatsächlich in einer Zwangslage
befindet oder dies nur glaubt („imaginäre Notlage“).374 Eine Partei kann sich aber auch dann
in einer rechtlich relevanten Notlage befinden, wenn sie die Nachteile wirtschaftlich
verkraften kann.375 Hingegen darf die Notlage nicht erst durch den Abschluss des Vertrages
entstehen.376 Zuletzt muss auch beim Übervorteilenden ein subjektives Element gegeben
sein. Er muss die Zwangslage des Übervorteilten ausgenutzt haben, d.h. er muss bewusst
den ihn bevorteilenden Vertrag abgeschlossen haben. Dagegen ist es irrelevant von welcher
Partei die Initiative zum Vertragsabschluss ausgegangen ist.377
d. PROZESSUALES
Die Beweislast bezüglich aller Tatbestandselemente liegt gemäß Art 8 ZGB beim
Übervorteilten. Er muss sowohl die übermäßige Ungleichheit der Leistungen nachweisen als
auch seine Schwächesituation und die bewusste Ausnutzung dieser Lage durch die andere
Partei. Insbesondere letzteres wird jedoch i.d.R. nur über einen Indizienbeweis möglich sein,
wobei BECKER auf einige Fälle verweist, in denen aufgrund der Sachlage die gute Treue von
vornhinein auszuschließen sei (res ipsa loquitur378).379 Die Beurteilung der
Leistungsinäquivalenz ist gemäß Bundesgericht keine Tatsachenfeststellung sondern eine
Rechtsfrage. Über diese kann der Richter nach freiem Ermessen entscheiden und sein
370 GAUCH, recht 1989, S. 96; KOLLER, § 14 N 250; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 10. 371 KOLLER, § 14 N 250; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 10; KRAMER, BK, Art. 21 OR N 35; a.A.:
OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 21 OR N 13. 372 BGE 123 III 292 E. 5; KOLLER, § 14 N 251; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 11; STARK, S. 384. 373 V. THUR/PETER, § 40 S. 344. 374 GAUCH, recht 1998, S. 63. 375 BGE 123 III 292 E. 5. 376 BGE 123 III 292 E. 5; BGer 4C.226/2001 E. 4 vom 21.11.2001. 377 V. THUR/PETER, § 40 S. 345; KOLLER, § 14 N 252; BGE 61 II 31 E. 2b; a.M.: BUCHER, OR AT, S. 233 f. 378 Die Sache spricht für sich selbst. 379 BECKER, BK, Art. 21 OR N 8 f.; KRAMER, BK, Art. 21 OR N 67; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 24.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
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58
Entscheid kann vom Bundesgericht überprüft werden.380 Keine Übervorteilung liegt vor,
wenn sich die übermäßige Unverhältnismäßigkeit der Leistungen nach Vertragsabschluss
einstellt. In diesem Fall kommt allenfalls eine Vertragsanpassung an die „veränderten
Verhältnisse“ nach den Regeln der clausula rebus sic stantibus in Betracht.381
e. RECHTSFOLGEN
i. EINSEITIGE UNVERBINDLICHKEIT
Sofern alle drei genannten Tatbestandselemente gegeben sind, führt dies zur
einseitigen Unverbindlichkeit des Vertrages für den Übervorteilten.382 Dieser kann binnen
eines Jahres seit Vertragsabschluss eine Unverbindlichkeitserklärung abgeben. Dabei
handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, das durch eine Willenserklärung ausgeübt wird
(einseitiges Rechtsgeschäft).383 Die einjährige Frist ist eine Verwirkungsfrist, die weder
unterbrochen werden noch stillstehen kann.384 Sofern der Übervorteilte keine entsprechende
Erklärung abgibt hat das Gericht die Ungültigkeit nicht von Amtes wegen zu beachten.385
ii. WIRKUNG DER UNVERBINDLICHKEIT
Es ist umstritten, ob in Bezug auf den dahinfallenden Vertrag die Anfechtbarkeits-
oder die Ungültigkeitstheorie zur Anwendung kommt. Nach der Anfechtbarkeitstheorie
führt die Erklärung des Übervorteilten zur rückwirkenden Ungültigkeit (ex tunc) des bis
dahin schwebend wirksamen Vertrages.386 Nach der Ungültigkeitstheorie hingegen ist der
Vertrag von Anfang an ungültig, darf aber erst mit Abgabe der Erklärung innerhalb der
Jahresfrist als ungültig angesehen werden. Mit dem Verstreichen der Verwirkungsfrist gilt
der Vertrag rückwirkend als genehmigt.387 Gemäß der Anfechtbarkeitstheorie ist der Vertrag
resolutiv bedingt, während er nach der Ungültigkeitstheorie suspensiv bedingt ist.388 Eine
dritte Lehrmeinung ist die vor allem durch VON TUHR/PETER vertretene „Theorie der
geteilten Ungültigkeit“. Danach soll der Vertrag für den Übervorteilten von Beginn an
ungültig sein, während er gegenüber dem Wucherer als uneingeschränkt gültig angesehen
wird bis sich der Übervorteilte erklärt hat.389 Die Rückforderung der bereits erbrachten
Leistungen richtet sich nach den Regeln über die Vindikation bzw. Kondiktion (Art. 641
380 BGE 61 II 31 E. 2a; BGE 46 II 55 E. 2; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 24. 381 HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 23; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 1280 ff. 382 Statt vieler: KRAMER, BK, Art. 21 OR N 47; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 888. 383 KOLLER, § 14 N 284, § 2 N 56, § 3 N 37 ff. 384 HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 2; KOLLER, § 14 N 295; BGE 114 II 131 E. 2b; BGer 4C.37/2007 E. 3 v. 11.10.2007. 385 V. THUR/PETER, § 40 S. 346. 386 KRAMER, BK, Art. 1 OR N 133 f., Art. 21 OR N 47; BUCHER, OR AT, S. 210; V. BÜREN, S. 224; SCHWENZER,
BSK, Art. 23 OR N 10; GUHL/KOLLER, § 16 N 21. 387 GAUCH, recht 1998, S. 57; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 890 ff. 388 GUHL/KOLLER, § 16 N 21; BGE 114 II 131 E. 3b. 389 V. THUR/PETER, § 40 S. 338, 345 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 899 f.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
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Abs. 2 ZGB; Art. 62 ff. OR), wobei die Entscheidung für eine der genannten Theorien sich
auf die Qualifikation des Bereicherungsanspruches auswirkt. Nach der Ungültigkeitstheorie
handelt es sich um die Rückforderung der Leistung einer Nichtschuld (condictio indebiti),
während die Anfechtbarkeitstheorie zu einem Anspruch aus nachträglich weggefallenem
Grund (condictio ob causam finitam) führt. Nach der Theorie der geteilten Ungültigkeit
handelt es sich beim Übervorteilten um eine Nichtschuld und beim Wucherer um eine
Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund.390 Der Bereicherungsanspruch verjährt
spätestens zehn Jahre nach Vertragsabschluss. Dies würde nach Ansicht des Bundesgerichts
auch im Fall der Anfechtbarkeitstheorie gelten, da es sich auch bei dieser, entgegen der
Lehre, für Ungültigkeit ex tunc ausspricht.391 Im Picasso-Entscheid hat sich das Bundes-
gericht explizit gegen die Anfechtbarkeitstheorie ausgesprochen, ohne aber zur Theorie der
geteilten Ungültigkeit Stellung zu nehmen.392
iii. TEILWEISE UNVERBINDLICHKEIT
In einem neueren Entscheid hat das Bundesgericht zu der umstrittenen Frage
Stellung bezogen, ob der Übervorteilte auch nur die Teilunverbindlichkeit des Vertrages,
ähnlich wie nach Art. 20 Abs. 2 OR (Teilnichtigkeit), verlangen kann bzw. ob der Richter
nur auf Teilunverbindlichkeit entscheiden kann wenn der Übervorteilte die gänzliche
Unverbindlichkeit verlangt.393 Nachdem das Bundesgericht die zweite Teilfrage in BGE 84
II 107 verneint hatte394, hat es in seinem neuen Entscheid die partielle Unwirksamkeit eines
(zivilrechtlich) wucherischen Vertrags, zumindest auf Antrag des Übervorteilten,
zugelassen.395 Damit ermöglicht das Bundesgericht die Aufrechterhaltung des Vertrages mit
verändertem Inhalt, d.h. die geltungserhaltende Modifikation der Leistungsungleichheit, wie
es die herrschende Lehre vertritt.396 Das Bundesgericht begründet sein Vorgehen mit der
teleologischen Reduktion der Tragweite von Art. 21 Abs. 2 OR entgegen dessen weiter-
gehendem Wortlaut. Diese Lösung ergebe sich aus dem Zweck der Verbotsnorm und sei im
Ergebnis auch systemkonform.397 Die umgebenden gesetzlichen Bestimmungen über die
Inhaltsschranken und die Willensmängel seien der partiellen Unwirksamkeit zugänglich und
es sei kein zwingender Grund erkennbar, weshalb dieses Vorgehen bei der Übervorteilung
390 HUGUENIN, BSK, Art. 23 OR N 9. 391 BGE 114 II 131 E. 3b; a.A.: BUCHER, OR AT, S. 699; PIOTET, JT 1988, S. 523; WIEGAND, recht 1989, S. 111;
SCHMIDLIN, BK, Art. 23/24 OR N 139 ff. 392 BGE 114 II 131 E. 3b. 393 BGE 123 III 292; GAUCH, recht 1998, S. 57 f. 394 BGE 84 II 107 E. 4; bestätigt in einem obiter dictum in BGE 92 II 168 E. 6c. 395 BGE 123 III 292 E. 2d. 396 HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 16; WEBER, BK, Art. 73 OR N 160; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 118; GAUCH,
recht 1989, S. 100; MERZ, ZBJV 1959, S. 469 f.; HONSELL, FS Giger, S. 295 f.; STARK, S. 393 f. 397 BGE 123 III 292 E. 2e/aa.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
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abzulehnen sei.398 In der Lehre wird das Urteil im Ergebnis anerkannt, auch wenn teilweise
eine abweichende Begründung befürwortet wird.399 Offen gelassen, da nicht relevant für den
Entscheid, hat das Bundesgericht die Frage, ob sich auch der Wucherer auf die teilweise
Unwirksamkeit berufen kann, wenn der Übervorteilte die völlige Unverbindlichkeit
verlangt.400 Entschieden ist hingegen, dass sich der Wucherer gegen die geltungserhaltende
Reduktion des Vertrages nicht mit der Forderung nach totaler Unverbindlichkeit wehren
kann.401 Auch in der Lehre wird es abgelehnt, dass sich der Übervorteilende auf einen
hypothetischen Parteiwillen berufen könnte, wonach der Vertrag unter den modifizierten
Bedingungen nicht abgeschlossen worden wäre, da dies dem Schutzzweck der Norm nicht
gerecht würde.402 Die Reduktion der überhöhten Forderung erfolgt bei der Übervorteilung
auf ein marktübliches Durchschnittsentgelt, da die Herabsetzung auf das maximal erlaubte
Maß dem Normzweck widersprechen würde.403 In Deutschland hingegen wird beim zivil-
rechtlichen Wucher im Fall des Darlehensvertrags der Zinssatz nicht herabgesetzt, sondern
die Zinsforderung wird als nichtig qualifiziert, so dass kein Zins gefordert werden kann.404
B BESCHRÄNKUNGEN VON ZINSESZINSEN
1. GRUNDLAGEN
Eine weitere Einschränkung für vertragliche Zinsvereinbarungen findet sich in
Art. 314 Abs. 3 OR und betrifft die Berechnung von Zinseszinsen, den sog. Anatozismus.
Zinseszinsen405 entstehen, wenn am Ende einer Zinsperiode die Zinsen zum Kapital
geschlagen und in der nächsten Zinsperiode mit diesem zusammen verzinst werden.406 Die
Länge der Zinsperioden kann mit der Bemessungsperiode (i.d.R. Jahreszinsen) überein-
stimmen oder auch kürzer sein (halbjährlich, quartalsweise, monatlich), d.h. dass die
kontinuierlich auflaufenden Zinsen bereits am Ende der Zinsperioden (unterjährig) fällig
werden.407 Aus der regelmäßigen Kapitalisierung und Verzinsung der Zinsen resultiert
insbesondere bei langfristigen Schuldverhältnissen und kurzen Zinsperioden eine im
Vergleich zur einfachen Verzinsung nominell höhere Gesamtverzinsung.408 Systematisch
398 BGE 123 III 292 E. 2e/bb. 399 Vgl. die Lehrmeinungen in: BGE 123 III 292 E. 2d. 400 BGE 123 III 292 E. 2 f. 401 BGE 123 III 292 E. 3. 402 WEBER, BK, Art. 21 OR N 53; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 16; a.M.: STARK, S. 396; SPIRO, ZBJV 1952, S. 521 ff. 403 KRAMER, BK, Art. 21 OR N 52; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 16. 404 RGZ 161, 52 (55 f.); BGH, NJW 1962, 1148 f.; BGH, NJW 1993, 2108; PALANDT/SPRAU, § 817 BGB N 21; a.A.
die h.L. mit Kritik an der Rechtsprechung des BGH: LIEB, MüKo, 4.A., § 817 BGB N 16 f.; MEDICUS, N 700. 405 Siehe § 2 III B. 406 BOEMLE/GSELL/JETZER/NYFFELER/THALMANN, S. 1143. 407 GLANZMANN, S. 434 f. 408 Vgl. die Beispiele in FN 48 und 51.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
61
befindet sich die Beschränkung von Zinseszinsen im Darlehensrecht, hat aber nach Ansicht
des Bundesgerichts allgemeine Geltung und ist nicht nur eine Qualifikationsbestimmung des
Darlehensvertrags (vgl. die allgemeine Bestimmung des § 248 BGB).409
2. ANWENDUNGSBEREICH
In seiner absoluten Form entstammt das Verbot der Berechnung von Zinsen auf
Zinsen dem römischen Recht und war verbunden mit einer Bestimmung, dass die Summe
der kumulierten Zinsen den Betrag der zugrundeliegenden Kapitalschuld nicht übersteigen
durfte (ne ultra alterum tantum410).411 Ohne diese zusätzliche Beschränkung wurde das
Zinseszinsverbot später ins gemeine Recht übernommen (z.B. ins Allgemeine Preußische
Landrecht412) und auch das aOR von 1881 enthielt eine Regelung über die Zinseszinsen, die
der heute geltenden weitgehend entsprach (Art. 335 aOR).413 Heute umfasst das Verbot nur
noch den sog. anatocismus conjunctus, d.h. die vorgängige Vereinbarung von Zinseszinsen.
Erlaubt ist hingegen deren nachträgliche Vereinbarung (anatocismus separatus), d.h. dass
die Zinsen nach ihrer Fälligkeit zum Kapital geschlagen und verzinst werden.414 Diese
Vereinbarung kann auch stillschweigend erfolgen.415 Dadurch soll sich der Schuldner
zumindest bewusst sein, wie hoch die ausstehende und zinspflichtige Kapitalschuld ist,
Zweck des Zinseszinsverbotes ist folglich die Zinsklarheit.416 Das Zinseszinsverbot in seiner
geltenden Form ist hingegen kein wirksamer Schutz gegen eine übermäßige Belastung des
Schuldners durch den exponentiellen Anstieg seiner Schuld und bietet ebenfalls keinen
Schutz für den Gläubiger gegen einen durch das Anwachsen der Zinseszinsen größeren
Verlust im Konkurs des Schuldners.417 Dies zeigt sich auch darin, dass das OR keine
ergänzende Beschränkung ne ultra alterum tantum, d.h. keine Beschränkung der
Gesamtschuld enthält, so dass die Zinsen theorietisch so lange nachträglich kapitalisiert
werden können, bis der Schuldner überschuldet ist.418 Vom Zinseszinsverbot im OR
ausgenommen sind jegliche Zinsvereinbarungen die in den Anwendungsbereich des KKG
fallen, da das KKG den betroffenen Kreditnehmern einen ausreichenden Schutz durch einen
hohen Grad an Transparenz über die Kreditkosten inklusive Zinseszinsen gewährt.419
409 BGE 100 II 153 E. c. 410 Nicht mehr als noch einmal so viel. 411 V. HOLTZENDORFF, Bd. 1, S. 365 f. 412 Vgl. ALR I 11, § 818. 413 GLANZMANN, S. 438. 414 CHRIST, SPR VII/2, S. 251; GLANZMANN, S. 438 f., SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 7. 415 V. THUR/PETER, § 10 S. 76 FN 42; GLANZMANN, S. 440. 416 Vgl. mit weiteren Nachweisen: GLANZMANN, S. 442. 417 GLANZMANN, S. 441 f. 418 GLANZMANN, S. 442. 419 GLANZMANN, S. 442 f.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
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62
Desweiteren gelten Ausnahmen vom Verbot von Zinseszinsen in Bezug auf Vereinbarungen
in der kaufmännischen Zinsberechnung im Kontokorrent und ähnlichen Geschäftsformen,
bei denen die Berechnung von Zinseszinsen zur Zeit der Einführung der Bestimmung üblich
war, wie namentlich bei Sparkassen. Im Kontokorrentverkehr geht das Bundesgericht davon
aus, dass sich der Schuldner mit der Genehmigung des Saldos über seine verzinslichen
Ausstände bewusst ist. Mit der Anerkennung des Saldos entsteht durch Novation eine neue
Forderung (Art. 117 Abs. 2 OR), die wiederum als ganze verzinslich ist. Die Genehmigung
des Saldos kann dabei stillschweigend erfolgen.420 Die Ausnahme der ähnlichen Geschäfts-
formen lässt Interpretationsspielraum offen. In der Literatur anerkannt sind Zinseszinsen
z.B. im einfachen Kontokorrentverhältnis, beim offenen Konto, bei der Anlage von Geldern
mit einer Bank als Schuldnerin sowie beim Darlehens-Disagio und beim Zero-Bond.421
Wie sich aus den genannten Ausnahmen erkennen lässt, hatte das Zinseszinsverbot
ursprünglich den Zweck die i.d.R. unerfahrenen privaten Schuldner zu schützen, hingegen
sollte der Geschäftsverkehr durch das Verbot möglichst nicht behindert werden.422
3. WEITERE BESTIMMUNGEN
Neben der genannten Bestimmung im Darlehensrecht ist die Berechnung von
Zinseszinsen auch im Verzugsrecht beschränkt. Nach Art. 105 Abs. 1 OR sind rückständige
Zinsen im Verzug erst dann zu verzinsen, wenn die Betreibung eingeleitet oder die Klage
bei Gericht eingereicht wurde. Diese Beschränkung geht auf die Annahme des historischen
Gesetzgebers zurück, dass Zinsen ausschließlich dem Verbrauch bzw. Unterhalt dienen
würden und nicht für eine kapitalistische Verwendung bestimmt seien, so dass dem
Gläubiger durch die Entbehrung der Zinsen im Verzug kein Nutzungsausfall entstehen
könnte.423 Eine Vereinbarung wonach bereits die fälligen Zinsen mit dem Verzugszins
belastet werden ist grundsätzlich zulässig, unterliegt aber u.U. der Herabsetzung nach den
Regeln für die Konventionalstrafe (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 163 Abs. 3 OR).
Zinseszinsen von Verzugszinsen sind gemäß Art. 105 Abs. 3 OR unzulässig, so
dass die Verzugszinsen auch von Beginn der Betreibung oder Klage an keine Verzugszinsen
tragen dürfen.424 Die Bestimmung ist aber wie der ganze Artikel dispositives Recht, daher
können die Parteien vereinbaren, dass die Verzugszinsen mit ihrer Fälligkeit in eine
Kapitalforderung umgewandelt werden und anschließend zu verzinsen sind.425
420 BGE 130 III 694 E. 2.2.2 = Pra 2005 Nr. 64; BGE 129 III 118 E. 2.3 = Pra 2003 Nr. 123; BGE 127 III 147 E. 2b. 421 Vgl. mit weiteren Nachweisen: GLANZMANN, S. 440 a.E. 422 GLANZMANN, S. 442 f. 423 WEBER, BK, Art. 105 OR N 10; BGE 119 V 131 E. 4c a.E. = Pra 1994 Nr. 67. 424 BGE 58 II 411 E. 6 a.E. 425 BGE 131 III 12 E. 9.3; WIEGAND, BSK, Art. 105 OR N 6; BUCHER, OR AT, S. 362 FN 130.
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4. ANMERKUNGEN
Das Zinseszinsverbot im Darlehensrecht war zur Zeit seiner Einführung auf den
Kreditnehmer im bürgerlichen Verkehr ausgerichtet und sollte diesem Klarheit über seine
eingegangenen und ausstehenden Verpflichtungen ermöglichen, aber ihn nicht vor einem
unüberschaubaren Anwachsen seiner Schuld schützen. Daher ist im OR schon immer die
nachträgliche Kapitalisierung der Zinsen möglich und zudem bestehen Ausnahmen für die
zum Zeitpunkt der Einführung üblichen Zinseszinsberechnungen im Geschäftsverkehr.
Einen exponentiellen Anstieg einer Schuld kann das Zinseszinsverbot aufgrund seiner
Ausnahmen und mangels einer Beschränkung der Höhe der Gesamtschuld nicht verhindern.
Im heutigen Geschäftsverkehr widerspricht das Zinseszinsverbot hingegen teilweise den
üblichen Gepflogenheiten und Erfordernissen, da auch außerhalb des Kontokorrents und
ähnlicher Geschäftsformen eine Verschiebung der Zinszahlungen auf den Zeitpunkt der
Kapitalrückzahlung von den Parteien gewollt sowie ökonomisch vorteilhaft sein kann.
Ebenso kann der Zweck der speziellen Zinseszinsbeschränkung im Verzugsrecht heute nicht
mehr überzeugen, da insbesondere im Geschäftsverkehr nicht mehr davon ausgegangen
werden kann, dass Zinsen dem Unterhalt und keiner kapitalistischen Verwendung dienen.
Sowohl im bürgerlichen als auch im kaufmännischen Verkehr werden Zinsen häufig wieder
angelegt und zur Erzielung einer Rendite genutzt, so dass dem Gläubiger auch durch die
verzögerte Zahlung der Zinsen auf den geschuldeten Zinsen ein Nutzen entgeht, der
grundsätzlich auszugleichen ist. In der Rechtsprechung wird dieser entgangene Nutzen des
Gläubigers hingegen nicht berücksichtigt, obwohl eine vollständige Vergütung auch die
Zinseszinsen beinhalten müsste. Zudem führen beide Zinseszinsbeschränkungen zu
Abgrenzungsproblemen auf welche Teile einer Forderung, z.B. einer Schadenersatzsumme,
der Zins oder Verzugszins berechnet werden darf und auf welche nicht. Letztlich können
beide Zinseszinsbeschränkungen heute nicht mehr überzeugen, da sie einerseits zu einer
Unterkompensation des Gläubigers im Verzug führen und andererseits die freie
Vereinbarung von Zinseszinsen im Geschäftsverkehr beschränken, während der eigentlich
zu schützende private Kreditnehmer längst durch die spezielleren und weitergehenden
Bestimmungen des Konsumkreditgesetzes geschützt wird. Daher sind die Zinseszins-
beschränkungen im Darlehens- und Verzugsrecht m.E. entbehrlich und sollten im Zuge
einer Revision der Zinsbestimmungen aufgehoben werden.
III. ZINSMAXIMUM AUS GEWOHNHEITSRECHT
Weiter als CHRIST, der einen üblichen Höchstzins von 18-20% p.a. vertritt, geht eine
insbesondere von GIGER vertretene Lehrmeinung, nach der im Bundeszivilrecht ein
gewohnheitsrechtliches Zinsmaximum von 18% p.a. bestehe. Dies wird damit begründet,
dass in der Schweiz ein solcher Höchstzinssatz verkehrsüblich sei und eine entsprechende
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
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Rechtsüberzeugung bestehe, die durch die Gerichte festgestellt sei.426 Dabei wird jedoch
verkannt, dass zur Entstehung von Gewohnheitsrecht nicht nur eine „längere Zeit
andauernde, ununterbrochene Übung“427 und eine dieser zugrundeliegende Rechts-
überzeugung der Behörden und Betroffenen vorliegen muss („opinio iuris et
necessitatis“428), sondern dass sich Gewohnheitsrecht nur bei Vorliegen einer Lücke im
geschriebenen Recht und einem Bedürfnis zur Füllung dieser Lücke bilden kann, wie auch
der von GIGER zitierte MEIER-HAYOZ ausführt.429 Das Bundesgericht hat einen
gewohnheitsrechtlichen Höchstzinssatz hingegen abgelehnt, da aufgrund des Vorbehalts von
Art. 73 Abs. 2 OR zugunsten des öffentlichen Rechts im Bereich des Zinsmissbrauchs keine
Lücke im geschriebenen Recht vorliege und sich „kein bundesprivates Gewohnheitsrecht“
über vorbehaltenem öffentlichem Recht bilden könne.430 Zudem müsse das Fehlen einer
Regelung im Bundesprivatrecht als qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers interpretiert
werden, das der Bildung von Gewohnheitsrecht klar entgegen stehe.431 Zwar besage die
Botschaft des Bundesrates zum KKG, dass eine „beinahe zu Gewohnheitsrecht gediehene
Höchstgrenze von 18 Jahresprozenten“432 bestehe, daraus ließen sich aber keine
Anhaltspunkte für den tatsächlichen Bestand einer solchen Höchstgrenze ableiten.433
IV. STRAFRECHTLICHER WUCHER
A GRUNDLAGEN
Die zivilrechtlichen Beschränkungen der Zinshöhe dienen dem Schutz der
schwächeren Vertragspartei und ziehen die Rechtsfolge der Nichtigkeit oder Herabsetzung
nach sich. Zusätzlich können grob übersetzte Zinsvereinbarungen aber auch strafrechtlich
geahndet werden, sofern sie nicht aufgrund der freien Willensbildung des Schuldners
zustande gekommen sind. Als strafrechtliches Gegenstück zur zivilrechtlichen Über-
vorteilung verbietet der Tatbestand des Wuchers in Art. 157 StGB die „Ausbeutung der
qualifizierten Unterlegenheit einer anderen Person zum Abschluss oder Vollzug eines für
diese unverhältnismäßig nachteiligen Geschäfts“.434 Der betroffene Schuldner kann sowohl
eine natürliche als auch eine juristische Person sein, wobei es bei letzterer unerheblich ist,
426 GIGER (1989), S. 67 f. insb. FN 247, 251. 427 BGE 119 Ia 59 E. 4b. 428 BGE 119 Ia 59 E. 4b. 429 BGE 119 Ia 59 E. 4b; BGE 105 Ia 2 E. 2a; MEIER-HAYOZ, BK, Art. 1 OR N 233, 243 ff. 430 BGE 119 Ia 59 E. 4c. 431 BGE 119 Ia 59 E. 4c; so auch allgemein: MEIER-HAYOZ, BK, Art. 1 OR N 247. 432 Botschaft über ein Konsumkreditgesetz, BBl 1978 II 485, S. 567. 433 BGE 119 Ia 59 E. 4c. 434 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 1.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
65
ob die Situation bzw. der Grund der Unterlegenheit bei der betroffenen Person selbst oder
beim handelnden Organ vorliegt.435
B OBJEKTIVER TATBESTAND
Der Wucher gehört zu den Vermögensdelikten bzw. zu den Vermögensgefährdungs-
delikten, da er nicht zwingend eine Vermögenseinbuße beim Übervorteilten zur Vollendung
der Tat voraussetzt. Notwendige objektive Tatbestandsvoraussetzungen sind das Vorliegen
eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts, ein Missverhältnis der vereinbarten Leistung und
Gegenleistung sowie die Ausbeutung einer Schwächesituation des Opfers durch den Täter
„zur Erlangung übermäßiger Vermögensvorteile“.436 Im Einzelnen muss sich der Schuldner
in einer Zwangslage, einer Position der Abhängigkeit, Unerfahrenheit oder der Schwäche im
Urteilsvermögen befinden. Diese muss eine andere Person dadurch ausbeuten, dass sie sich
oder einem Dritten Vermögensvorteile gewähren oder versprechen lässt, die zur eigenen
Leistung in einem offensichtlichen wirtschaftlichen Missverhältnis stehen.437
1. UNTERLEGENHEITSGRÜNDE
Die gesetzliche Aufzählung der nachfolgend dargestellten Unterlegenheitsgründe
ist aufgrund des strafrechtlichen Legalitätsprinzips und des Analogieverbots abschließend.
Allerdings sind die gewählten Begriffe unbestimmt und auslegungsbedürftig, wodurch der
Tatbestand im Ergebnis kaum enger gefasst ist als die zivilrechtliche Übervorteilung.438
- Der praktisch wichtigste Unterlegenheitsgrund ist die Zwangslage. Diese ist nicht
allein als wirtschaftliche Zwangslage zu verstehen, wobei dies der häufigste
Anwendungsfall sein dürfte. Ausreichend ist gemäß Bundesgericht „jede Zwangslage,
welche den Betroffenen in seiner Entschlussfreiheit dermaßen beeinträchtigt, dass er
sich zur Leistung bereiterklärt“.439 Diese Formel trägt zwar kaum zur Abgrenzung des
Begriffs der Zwangslage bei, zeigt aber dass diese nicht wirtschaftlich oder finanziell
existenzbedrohend sein muss, sondern dass ein stichhaltiger Bedarf nach einer
bestimmten Leistung aufgrund jeglicher auch nicht-wirtschaftlicher Umstände
ausreicht.440 WEISSENBERGER schlägt als Definition vor, dass „der Betroffene nach
seinen Verhältnissen auf die jeweilige Leistung, die er auf Grund der konkreten
Umstände anderweitig überhaupt nicht oder nicht günstiger erlangen kann, ernsthaft
435 BGE 80 IV 15 E. 1 a.E.; STRATENWERTH/JENNY, BT I, § 18 N 7; TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 3. 436 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 1 f. 437 BGE 130 IV 106 E. 7.2 = Pra 2005 Nr. 32. 438 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 1 f.; STRATENWERTH/JENNY, BT I, § 18 N 5. 439 BGE 70 IV 200 E. 5; BGE 92 IV 132 E. 2. 440 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 9; Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches,
BBl 1991 II 1045; STRATENWERTH/JENNY, BT I, § 18 N 6.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
__________________________________________________________________________
66
angewiesen ist oder angewiesen zu sein glaubt“.441 Dabei muss die Zwangslage nicht
tatsächlich vorliegen, sondern es genügt wenn der Betroffene glaubt sich in einer
solchen zu befinden.442 Ebenso genügt auch eine nur vorübergehende Zwangslage und
es ist irrelevant, ob der Betroffene seine Situation selbst herbeigeführt hat.443
- Ein weiterer Unterlegenheitsgrund ist die Abhängigkeit. Dabei steht der Täter oder
ein Dritter zum Bewucherten in einer Position der Macht und Überlegenheit, die
wiederum nicht allein in wirtschaftlichen oder finanziellen, sondern in jeglichen
Umständen z.B. affektiver, psychischer, rechtlicher oder anderer Natur begründet
sein kann. Maßgebend ist die Einschätzung der Lage durch das Opfer und kein
objektiver Maßstab.444
- Der Unterlegenheitsgrund der Unerfahrenheit erfordert eine allgemeine Unkenntnis
des betroffenen Geschäftsbereichs, die sich in einer „wesentlichen Schwächesituation“
des Bewucherten manifestiert hat. Nicht ausreichend sind fehlende Spezialkenntnisse
einer ansonsten im Geschäft erfahrenen Person oder mangelnde Kenntnisse über das
betroffene Geschäft. Hingegen kann dem Betroffenen nicht vorgeworfen werden, dass
der Zuzug eines Fachmanns oder die Erlangung von Kenntnissen möglich gewesen
wäre.445
- Zuletzt verbleibt die Unterlegenheit des Opfers aufgrund einer Schwäche im
Urteilsvermögen. Diese wurde 1994 eingeführt und verlangt eine erhebliche
Beeinträchtigung der Fähigkeiten des Opfers im Vergleich zu einer durchschnittlichen
Person „eine Situation im Bereich des fraglichen Geschäfts rational zu beurteilen, die
Tragweite bestimmter Handlungen richtig einzuschätzen sowie ihren Willen nach
vernünftigen Gesichtspunkten autonom zu bilden und auch umzusetzen“.446 Der
Zustand der Unfähigkeit zur normalen Willensbildung kann nur temporär sein und
allein im betroffenen Geschäftsbereich bestehen.447 In Frage kommen z.B. geistige
Defekte wie Schwachsinn oder Senilität, aber auch jugendliches Alter, Krankheit,
Alkohol- oder Drogenrausch.448
441 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 9. 442 TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 3; BGE 80 IV 15 E. 1 a.E. und 3. 443 BGE 131 IV 1 E. 2.2; BGE 130 IV 106 E. 7.2 = Pra 2005 Nr. 32; JENNY, BSK, Art. 12 StGB N 47. 444 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 15 f. 445 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 18 f.; TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 3; BGE 130 IV 106 E. 7.3
= Pra 2005 Nr. 32. 446 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 21 f. 447 DONATSCH, S. 269; WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 22. 448 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 23.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
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2. WUCHERGESCHÄFT
Zusätzlich zu einem der beschriebenen Unterlegenheitsgründe muss ein sog.
Wuchergeschäft vorliegen. Dieses erfordert den Bestand eines zweiseitigen entgeltlichen
Vertrags zwischen Täter und Opfer, in dem sich der Täter einen Vermögensvorteil für seine
Leistung versprechen lässt.449 Die wichtigsten praktischen Anwendungsfälle sind Darlehens-
verträge450, Kauf- und Tauschverträge, Aufträge451, Mietverträge452 und Arbeitsverträge.453
Ein unentgeltliches Rechtsgeschäft wie die Schenkung kommt nicht als Anwendungsfall des
strafrechtlichen Wuchers in Betracht.454
3. VERMÖGENSVORTEIL
Der Täter muss sich einen „vermögenswerten Vorteil gewähren oder versprechen
lassen“, wobei der strafrechtliche Vermögensbegriff maßgebend ist. Arbeitsleistung ist
danach eine mögliche Leistung, auch wenn sie i.d.R. nicht als Teil des Vermögens
qualifiziert wird.455 Hingegen sind Gegenstände die sich nicht legal in Geld umwandeln
lassen vom Begriff des geschützten Vermögens ausgenommen.456 Der Vermögensvorteil
muss nicht zwingend beim Wucherer selbst anfallen, sondern kann ebenso zu Gunsten eines
Dritten entstehen. Im Gegenzug braucht auch der Geschädigte nicht mit dem Übervorteilten
identisch zu sein.457 Der Vermögensvorteil muss aus einem offenbaren Missverhältnis der
vereinbarten Leistungen resultieren. Gemäß Bundesgericht ist ein Missverhältnis dann
offenbar, „wenn es in grober Weise gegen die Maßstäbe des anständigen Verkehrs verstößt,
d.h. wenn die Grenzen dessen, was unter Berücksichtigung aller Umstände im Verkehr
üblich ist und als angemessen gilt, erheblich überschritten sind“458. Maßgeblich für die
Beurteilung des Preis-/Leistungsverhältnisses ist eine möglichst objektive Bewertung der
Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Sofern z.B. in einem Darlehensvertrag
ein scheinbares Missverhältnis der Leistungen aufgrund eines hohen Zinssatzes vorliegt,
müssen auch wirtschaftliche Gesichtspunkte in die Bewertung einbezogen werden, wie z.B.
449 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 25 f.; DONATSCH, S. 270. 450 BGE 70 IV 200; BGE 86 IV 65. 451 BGE 82 IV 145. 452 BGE 92 IV 132; BGE 93 IV 85. 453 BGE 130 IV 106 E. 7 = Pra 2005 Nr. 32. 454 BGE 111 IV 139 E. 3. 455 TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 7. 456 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 28. 457 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 29; DONATSCH, S. 271; TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 13. 458 BGE 92 IV 132 E. 1.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
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68
das Risiko des Darleihers welches u.U. einen hohen Zinssatz rechtfertigen kann.459 Man
spricht in diesem Zusammenhang von einem objektiv-individuellen Vermögensbegriff.460
4. AUSBEUTUNG EINER SCHWÄCHESITUATION
Als letztes Tatbestandsmerkmal muss der Täter die Situation des Opfers
ausgenutzt haben, d.h. es muss ein Kausal- bzw. Motivationszusammenhang zwischen der
dem Täter bekannten Lage des Opfers und dem Abschluss des wucherischen Geschäfts
bestehen. Erforderlich ist, dass der Täter die Unterlegenheit des Opfers kennt und bewusst
ausnutzt, um übermäßige Vermögensvorteile zu erlangen.461 Eine qualifizierte Form der
Ausnutzung wird im schweizerischen Recht nicht verlangt. Das Opfer willigt regelmäßig in
die Ausbeutung ein, allerdings ist diese Form der Mitwirkung oder gar Förderungen des
abgeschlossen Geschäfts nicht relevant.462 Das Delikt ist vollendet mit dem Abschluss des
wucherischen Vertrags.463
C SUBJEKTIVER TATBESTAND
Der subjektive Tatbestand erfordert vorsätzliches Handeln des Wucherers, wobei
Eventualvorsatz genügt.464 Der Wucherer muss sowohl im Wissen um die Zwangslage der
bewucherten Partei, als auch in Kenntnis des Missverhältnisses der Leistungen handeln.
Außerdem muss er zumindest eventualvorsätzlich in Kauf nehmen, dass die andere Partei
nur aufgrund der bestehenden Zwangslage das Missverhältnis der Leistungen akzeptiert.
Obwohl der Wucherer also die Verwirklichung des Tatbestands für möglich hält, findet er
sich damit ab und schließt die betroffene Vereinbarung.465 Der Vorsatz muss sich auf alle
Elemente des objektiven Tatbestands beziehen, insbesondere die Schwächesituation des
Opfers und deren Ausbeutung.466 Ein Irrtum über das Missverhältnis der Leistungen stellt
einen Sachverhaltsirrtum nach Art. 13 StGB dar.467
D NACHWUCHER
Ebenfalls von Art. 157 StGB erfasst ist nach Ziff. 1 Abs. 2 der sog. Nachwucher.
Verboten ist danach der Erwerb und die anschließende Weiterveräußerung oder Geltend-
459 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 29; TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 9. 460 BGE 92 IV 132 E. 1; BGE 93 IV 85 E. 2; BzGer ZH v. 08.05.1990, ZR 1994 Nr. 96 Urteil A E. 2.2.1 b. 461 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 37. 462 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 37 f.; TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 11. 463 BGE 86 IV 65 E. 2; DONATSCH, S. 271 f. 464 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 43; STRATENWERTH/JENNY, BT I, § 18 N 13; DONATSCH, S. 272. 465 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 44; JENNY, BSK, Art. 12 StGB N 47. 466 TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 15. 467 BGE 92 IV 132 E. 2.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
69
machung einer wucherischen Forderung. Voraussetzung dafür ist der Bestand einer
wucherischen Forderung, d.h. eines Missverhältnisses vertraglicher Leistungen, das auf der
Ausbeutung einer Schwächesituation des Opfers beruht, wobei es irrelevant ist ob der
Veräußerer bzw. Vortäter bestraft wurde oder hätte bestraft werden können.468 Da es sich
um ein zweiaktiges Delikt handelt, muss der Erwerber der Forderung diese zusätzlich noch
geltend machen oder in irgendeiner Form wirtschaftlich verwerten. Die Variante der
Verwertung umfasst jede „rechtsgeschäftliche Übertragung in fremde Verfügungsgewalt“,
wobei die Entgeltlichkeit nicht begriffsnotwendig ist.469 Als Geltendmachung hingegen
kommt neben der Einforderung der Schuld z.B. auch die Verrechnung oder Arrestlegung in
Frage und zwar sowohl gegenüber dem Schuldner als auch einem Dritten.470 Der subjektive
Tatbestand erfordert den vorsätzlichen Erwerb, d.h. den Erwerb in Kenntnis des
wucherischen Charakters der Forderung. Bei fehlender Kenntnis darüber bleibt auch die
nachfolgende Verwertung oder Geltendmachung ohne strafrechtliche Konsequenzen.471
E STRAFANDROHUNG
Im Falle einer Verurteilung nach Art. 157 StGB droht dem Wucherer eine Freiheits-
strafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Der maximale Strafrahmen erhöht sich im
Fall der Gewerbsmäßigkeit nach Ziff. 2 auf eine Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn
Jahren. Eine Privilegierung nach Art. 172bis StGB kommt nach Ansicht von WEISSENBERGER
kaum in Betracht, da der Wucher mit dem Element des offensichtlichen Missverhältnisses
der Leistungen bereits eine gewisse Erheblichkeit der Übervorteilung des Opfers durch den
Täter verlange und daher faktisch keine Geringfügigkeit vorliegen könne.472
F VERHÄLTNIS ZUR ZIVILRECHTLICHEN ÜBERVORTEILUNG
Der strafrechtliche Wucher und die zivilrechtliche Übervorteilung nach Art. 21 OR
stellen auf einen weitgehend ähnlichen Tatbestand ab, so dass häufig beide zugleich erfüllt
sein dürften. Allerdings knüpfen sich an beide Normen unterschiedliche zivilrechtliche
Rechtsfolgen. Während der strafrechtliche Wucher eine Widerrechtlichkeit nach Art. 20 OR
und damit die Nichtigkeit des Vertrags begründet, führt die Übervorteilung zur einseitigen
Unverbindlichkeit des Vertrages zugunsten des Übervorteilten. Auch wenn leichte Fälle der
Übervorteilung denkbar sind in denen kein Wucher vorliegt, so wird doch i.d.R. im Fall
eines tatbestandsmäßigen Wuchers auch eine Übervorteilung vorliegen. In der zweiten
Situation würde daher immer die schwerere Rechtsfolge der Nichtigkeit greifen und dem
468 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 39 f. 469 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 41. 470 DONATSCH, S. 272; WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 41. 471 STRATENWERTH/JENNY, BT I, § 18 N 15; WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 42. 472 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 51.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
__________________________________________________________________________
70
Übervorteilten die Rechtsfolge nach Art. 21 OR vorenthalten bleiben. Dies wäre m.E. nicht
angemessen und deshalb sollte im Sinne KRAMERS davon ausgegangen werden, dass bei
Konkurrenz der beiden Bestimmungen dem Schuldner auch die spezielle Rechtsfolge der
einseitigen Unverbindlichkeit offen steht und der Nichtigkeit vorgeht. 473
V. KASUISTIK ÜBERHÖHTER ZINSVEREINBARUNGEN
Die Rechtsprechung hatte schon in verschiedenen Fällen die Möglichkeit sich mit
Vereinbarungen überhöhter Zinssätze auseinander zu setzen, sei es in der Anwendung von
Bundesrecht oder kantonalem Recht, von Zivilrecht oder Strafrecht. Nachfolgend sollen
einige dieser Entscheidungen exemplarisch dargestellt werden:
- In BGE 43 II 803 wurde ein als Bonus bezeichneter Zins in Höhe von umgerechnet
37,5% p.a. der Darlehenssumme vereinbart. Aufgrund des Ablaufs der Jahresfrist
konnte keine Übervorteilung geltend gemacht werden. Die Prüfung von
Widerrechtlichkeit und Sittenwidrigkeit ließ das Bundesgericht wegen fehlender
Begründung offen.474
- In BGE 70 IV 200 erkannte das Bundesgericht einen dreimonatigen
Finanzierungswechsel mit einem rechnerischen Jahreszins von 44,4% als
strafrechtlichen Wucher nach Art. 157 StGB.475
- Das Handelsgericht Zürich erklärte einen gesamten Vertrag für nichtig, der
rechnerische Jahreszinsen von 55% bzw. 300% beinhaltete.476
- Das Obergericht Zürich setzte einen Darlehenszins von rechnerisch 58,5% p.a. für
ein 110-tägiges Darlehen herab auf das gesetzliche Höchstmaß von 12% p.a.
aufgrund von Art. 215 EGZGB ZH (damals Art. 213 EGZGB ZH).477
- In BGE 80 II 327 wurde eine Gesamtvergütung von umgerechnet 38,15% p.a. für
ein 28-tägiges Darlehen vereinbart. Das Bundesgericht erkannte auf Teilnichtigkeit
der vereinbarten Kommission nach Art. 20 Abs. 2 OR und eine Beschränkung der
Vergütung auf den Zins von 5% p.a.478
473 KRAMER, BK, Art. 21 OR N 64 f. 474 BGE 43 II 803 E. 3b. 475 BGE 70 IV 200 E. 4. 476 HGer ZH v. 12.12.1947, ZR 1948 Nr. 101 E. 4. 477 OGer ZH v. 28.04.1953, ZR 1953 Nr. 78 E. 3. 478 BGE 80 II 327 E. 4-6.; vgl. die kantonale Entscheidung: OGer ZH v. 27.04.1954, ZR 1955 Nr. 82.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
71
- In BGE 80 IV 15 wurde ein Zinssatz von umgerechnet 60% p.a. für eine kurzfristige
Wechselfinanzierung trotz des hohen Verlustrisikos aufgrund schlechter
wirtschaftlicher Verhältnisse der Schuldnerin (juristische Person) als strafrechtlicher
Wucher qualifiziert.479
- Das Appellationsgericht Basel-Stadt qualifizierte ein auf zehn Monate gewährtes
Darlehen mit Zinsen und Nebenleistungen von umgerechnet über 29% p.a. bei
Ausbeutung einer Notlage als Verstoß gegen Art. 21 OR. Der gesamte Vertrag
wurde für nichtig erklärt.480
- In BGE 84 II 107 wurden kurzfristige Wechseldarlehen mit rechnerischen
Jahreszinsen von bis zu 38,8% als offensichtliches Missverhältnis und
Übervorteilung im Sinne von Art 21 OR gewertet.481
- Das Strafgericht Basel-Stadt entschied, dass im Kleinkreditgeschäft ein den
landesüblichen Satz von 18-20% übersteigender Jahreszins als wucherisch im Sinn
von Art. 157 StGB zu qualifizieren sei, sofern auch die übrigen Tatbestands-
merkmale erfüllt seien (i.c. Zinssatz zwischen 30% und 40% p.a.).482
- In BGE 93 II 189 wurde ein vereinbarter Darlehenszinssatz von 26% p.a. als
Verstoß gegen die guten Sitten nach Art. 20 OR gewertet. Rechtfolge war die
Teilnichtigkeit der Zinsabrede nach Art. 20 Abs. 2 OR und die Herabsetzung des
Zinssatzes auf 18% p.a.483
VI. ZUSAMMENFASSUNG
Das geschriebene Bundesprivatrecht kennt keinen allgemeinen Maximalzinssatz.
Auch ein teilweise vertretenes gewohnheitsrechtliches Zinsmaximum von 18% p.a. hat das
Bundesgericht abgelehnt. Dennoch bestehen verschiedene Einschränkungen für die Verein-
barung von Zinsen durch Bestimmungen des allgemeinen Schuldrechts, des öffentlichen
Rechts des Bundes und der Kantone sowie des Strafrechts. Dies ist zunächst der Höchst-
zinssatz von 15% p.a. gemäß KKG für alle Kredite zwischen gewerblichen Kreditgebern
und Konsumenten, wobei der effektive Jahreszinssatz484 maßgeblich ist. Ein Verstoß gegen
diese Norm führt zur Nichtigkeit des Kreditvertrages. Der Konsument muss die erhaltene
Kreditsumme über die Laufzeit zurückzahlen, schuldet aber weder Zinsen noch Kosten.
479 BGE 80 IV 15 E 2. 480 AppGer BS v. 11.07.1956, SJZ 1956, 333 (Willkürbeschwerde vom BGer abgewiesen am 15.09.1956). 481 BGE 84 II 107 E. 3. 482 Strafgericht BS v. 25.11.1961, SJZ 1963 S. 340 E. 2 f. (bestätigt durch das AppGer BS am 21.11.1961 und das
BGer am 05.02.1963). 483 BGE 93 II 189 E. b. 484 Siehe § 2 III B 4.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
__________________________________________________________________________
72
Eine Reduzierung des Zinssatzes auf das gesetzliche Maximum oder einen üblichen Zinssatz
kommt aus Gründen der Prävention nicht in Betracht.
In den Kantonen wurden viele Beschränkungen der Zinshöhe seit der Einführung des
KKG aufgehoben, so auch das interkantonale Konkordat über Maßnahmen zur Bekämpfung
von Missbräuchen im Zinswesen, welches einen maximalen Jahreszins von 18% (inkl.
Gebühren und Provisionen) vorsah. Die wichtigste verbleibende Bestimmung ist Art. 215
Abs. 1 EGZGB ZH, mit einem generellen Höchstzinssatz von 18% p.a. (inkl. aller
Kreditkosten). Ein Verstoß gegen diese Norm führt zur Nichtigkeit des Vertrags wegen
Widerrechtlichkeit nach Art. 20 OR, mit der Möglichkeit der Teilnichtigkeit und der
Reduktion des Zinssatzes auf das gesetzlich zulässige Maß.
Außerhalb des Anwendungsbereichs des KKG werden Zinsvereinbarungen im
Bundesrecht zudem durch die allgemeinen Schranken der Sittenwidrigkeit und der
Übervorteilung begrenzt. Eine sittenwidrige Zinsvereinbarung führt grundsätzlich zur
Nichtigkeit des Vertrages mit der Möglichkeit der Teilnichtigkeit, sofern sich der Vertrag in
einen mangelhaften und einen mangelfreien Teil trennen lässt. Das konkrete Vorgehen
richtet sich nach dem hypothetischen Parteiwillen. Falls daraus nicht geschlossen werden
kann, dass der Vertrag nicht auch mit einem tieferen Zinssatz abgeschlossen worden wäre,
kann der Zinssatz auf den maximal zulässigen Satz herabgesetzt werden (geltungserhaltende
Reduktion). Die Herabsetzung auf einen anderen gesetzlichen oder marktüblichen Zinssatz
(modifizierte Teilnichtigkeit) sowie die schlichte Teilnichtigkeit der Zinsvereinbarung hat
das Bundesgericht abgelehnt, sofern der hypothetische Parteiwille dafür keine
Anhaltspunkte bietet. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden, da es nicht der Zweck des
Gesetzes sein kann Verträge generell ganz aufzuheben, sondern nur soweit wie erforderlich.
Allerdings muss insbesondere bei Zinsvereinbarungen berücksichtigt werden, dass das mit
der Überlassung von Geld verbundene individuelle Risiko für einen Gläubiger unter
Umständen nur gegen einen hohen Zinssatz akzeptabel ist und er die Vereinbarung zum
maximalen gesetzlichen Zinssatz nicht abgeschlossen hätte. Liegt hingegen eine
übervorteilende Zinsvereinbarung vor, dann führt dies grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit
des Vertrages, sondern zu dessen einseitiger Unverbindlichkeit für den Übervorteilten,
sofern dieser binnen eines Jahres die Unverbindlichkeit erklärt (Verwirkungsfrist). In einem
neueren Entscheid hat das Bundesgericht auch die partielle Unwirksamkeit eines
übervorteilenden Vertrags, zumindest auf Antrag des Übervorteilten, zugelassen. Die
Reduktion erfolgt bei der Übervorteilung nicht auf das maximal zulässige Maß, sondern auf
ein marktübliches Durchschnittsentgelt. Diese Rechtsfolge ist sinnvoll, um zu verhindern,
dass Gläubiger bewusst übervorteilende Konditionen vereinbaren, weil sie im
Ungültigkeitsfall nicht unter das maximal zulässige Maß herabgesetzt würden. Hingegen
kann die unterschiedliche Rechtsfolge im Vergleich zu einem gegen den Höchstzinssatz
nach KKG verstoßenden Vertrag nicht überzeugen.
§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________
73
Zuletzt wird auch die Vereinbarung von Zinseszinsen vom Gesetz beschränkt. Dieses
aus dem Darlehensrecht stammende Verbot ist gemäß Bundesgericht eine allgemeine Zins-
bestimmung, wobei die nachträgliche Vereinbarung von Zinseszinsen und gewisse Formen
der kaufmännischen Zinsberechnung ausgenommen sind. Eine spezielle Form der
Beschränkung von Zinseszinsen findet sich zudem im Verzugsrecht. Beide Zinseszins-
verbote können m.E. nicht überzeugen, da sie einerseits aufgrund ihrer Ausnahmen das
exponentielle Wachstum einer Schuld nicht verhindern können, aber andererseits dazu
führen, dass der Gläubiger nicht seinen gesamten Nutzungsausfall ersetzt erhält. Zudem
widersprechen sie einem verbreiteten Verständnis im Geschäftsverkehr und beschränken
auch ökonomisch vorteilhafte und von den Parteien gewollte Zinsvereinbarungen. Vor dem
Hintergrund, dass der Schutz des unerfahrenen Kreditnehmers im bürgerlichen Verkehr
heute durch die Transparenz- und Maximalbestimmungen des KKG gewährleistet ist, sollten
die Zinseszinsverbote im OR m.E. aufgehoben werden, da sie im Geschäftsverkehr eher
hinderlich sind und den entgangenen Nutzen des Gläubigers an den Zinsen nicht beachten.
Neben diesen privat- und öffentlich-rechtlichen Beschränkungen von Zinsverein-
barungen steht zudem der strafrechtliche Wucher, der die Vereinbarung grob übersetzter
Zinsen ahndet, sofern die Vereinbarung nicht aufgrund der freien Willensbildung des
Schuldners zustande gekommen ist. Strafbar ist ebenfalls der Nachwucher, d.h. der Erwerb
und die anschließende Veräußerung oder Geltendmachung einer wucherischen Forderung.
Bei der Beurteilung ob eine Zinsvereinbarung gegen eine der genannten
Bestimmungen verstößt, darf nicht nur auf die als Zinsen bezeichneten Vergütungen
abgestellt werden. Auch weitere Vergütungen wie Provisionen, Kosten oder Gebühren
müssen einbezogen werden, da andernfalls über diese Posten eine Umgehung der
Zinsschranken möglich wäre. Trotz des Fehlens eines gesetzlichen Höchstzinssatzes dürfte
in der Schweiz die Schwelle für zulässige Zinsabreden, inklusive aller weiteren
Vergütungen, bei ca. 18-20% p.a. liegen, vorbehaltlich besonderer Umstände, die einen
höheren Zinssatz im Einzelfall rechtfertigen. Zu solchen Umständen muss m.E. auch die
Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus gehören, da ein hohes Zinsniveau auch höhere
vertragliche Zinssätze rechtfertigen kann. Dies ist hingegen unter dem Zürcher EGZGB und
dem KKG, vorbehaltlich einer Anpassung des Maximalzinssatzes durch den Bundesrat,
nicht möglich.
Nach dieser Darstellung der wichtigsten Elemente der Zinsforderung und der
Schranken von Zinsvereinbarungen sollen in den folgenden Abschnitten die Zins-
bestimmungen im Allgemeinen Teil und den einzelnen Vertragsverhältnissen im OR
betrachtet werden. Der Fokus soll dabei besonders auf die Höhe der Zinssätze und deren
Bestimmungsfaktoren gelegt werden.
74
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
75
TEIL II: DIE ZINSEN IM ALLGEMEINEN TEIL UND IN DEN
VERTRAGSVERHÄLTNISSEN
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG
I. DER DARLEHENSVERTRAG
Der Darlehensvertrag ist die typische Grundlage für die Entstehung einer Zinsschuld
und hat eine weitreichende realwirtschaftliche Bedeutung. Durch den Einsatz von Darlehen
und wirtschaftlich ähnlichen Kreditformen können z.B. Investitionen realisiert werden, die
der Investor alleine nicht finanzieren könnte. Sofern die Investition erfolgreich ist, können
davon alle Beteiligten profitieren. Der Borger kann seine Investition finanzieren, während
der Darleiher für das von ihm zur Verfügung gestellte Kapital eine Vergütung erhält. Die
Höhe der Vergütung richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen und kann auf
verschiedenen Faktoren beruhen, wie z.B. dem Verlustrisiko, d.h. der Bonität des Borgers,
dem allgemeinen Zinsniveau, dem Betrag der Darlehenssumme, gestellten Real- und
Personalsicherheiten oder vertraglichen Zusicherungen und Verpflichtungen des Borgers.
Trotz der wirtschaftlichen Bedeutung des Darlehens befasst sich das OR relativ kurz und
oberflächlich mit dessen gesetzlicher Regelung, so dass Lehre und Praxis stark zur
Auslegung und Rechtsentwicklung beigetragen haben. Insbesondere haben sich aus der
Vertragsgestaltung der Banken und anderer professioneller Kreditgeber Standards in der
Ausgestaltung und Dokumentation von Darlehensverträgen herausgebildet, welche
umfassend die im Gesetz nicht oder bloß dispositiv geregelten Fragen behandeln. Die
Ausführlichkeit dieser Verträge hat dazu beigetragen, dass die kantonalen Gerichte und das
Bundesgericht sich trotz der lückenhaften gesetzlichen Regelung nur selten grundlegend
zum Darlehensrecht äußern mussten.485
A DEFINITION
Der Darlehensvertrag wird gemäß Art. 312 OR über die Pflichten der beteiligten
Parteien, dem Darleiher und dem Borger, definiert. Der Darleiher verpflichtet sich zur
Übertragung des Eigentums an einer bestimmten Summe Geld oder anderer vertretbarer
Sachen, während sich der Borger verpflichtet, Sachen nämlicher Art in gleicher Menge und
Güte bei Fälligkeit zurückzuerstatten. Der Darlehensvertrag ist dogmatisch ein spezieller
Gebrauchsüberlassungsvertrag, der dem Borger den zeitlich begrenzten Gebrauch eines
Wertquantums486, d.h. nicht einer Sache selbst, sondern den Gebrauch des Wertes einer
485 MAURENBRECHER, recht 2003, S. 180. 486 GAUCH, System, S. 11; GIERKE, JherJhb, S. 399 f.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
76
Sache ermöglicht. In der Lehre war lange umstritten, ob der Darlehensvertrag als
Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren sei, da sich das Gesetz im Gegensatz zu anderen
Dauerschuldverhältnissen (z.B. Miete, Arbeitsvertrag) nicht explizit dazu äußert. In BGE
128 III 428 (Fiat Lux) hat sich das Bundesgericht eindeutig zu dieser Frage geäußert und sie
im Sinne der wohl überwiegenden Lehrmeinung entschieden.487 Als qualifizierendes
Merkmal eines Dauerschuldverhältnisses gilt demnach, „dass der Umfang der
Gesamtleistung von der Länge der Zeit abhängt, während der die Leistungen fortgesetzt
werden sollen“488. Im Gegensatz dazu bestimmt sich bei „einfachen Schuldverhältnissen die
Dauer der Verbindlichkeit nach dem Umfang der Leistung“489. Das Bundesgericht sieht die
Abhängigkeit der Gesamtleistung von der Dauer der Leistungspflicht beim Darlehen als
gegeben an, da insbesondere beim relevanten Gelddarlehen die Hauptpflicht des Darleihers
nicht nur in der Verschaffung der Valuta, sondern auch in der Überlassung derselben beim
Borger für einen bestimmten Zeitraum bestehe. Die Qualifikation als Dauerschuld gelte
zudem nicht nur beim verzinslichen, sondern auch beim unverzinslichen Darlehen.490
B VERPFLICHTUNGEN DES DARLEIHERS
Die Hauptpflicht des Darleihers ist gemäß der herrschenden Lehre und der neueren
Rechtsprechung eine doppelte. Einerseits hat er dem Borger die vereinbarte Darlehens-
summe, die sog. Valuta, rechtsgültig zu verschaffen, d.h. das Eigentum an der Valuta zu
übertragen. Andererseits trifft ihn die Pflicht, die Valuta über die Dauer des Vertrags beim
Borger zu belassen, d.h. ihm den Wertgebrauch am Darlehenskapital während der
vereinbarten Laufzeit zu erhalten (sog. Belassungspflicht).491
1. ÜBERGABE DER VALUTA
Die Übergabe der Darlehensvaluta an den Borger ist die Voraussetzung dafür, dass
der Darlehensvertrag seine Wirkung entfaltet und die nachfolgenden Pflichten des Borgers
überhaupt entstehen. Kommt der Darleiher dieser Pflicht nicht zum vereinbarten Zeitpunkt
nach, so gerät in Verzug und schuldet dem Borger nach Art. 102 OR Verzugszinsen sowie
allenfalls weiteren Schadenersatz. Der Borger hingegen wird ohne die vollzogene Übergabe
nicht verpflichtet, die vereinbarten Zinsen zu zahlen und es entsteht keine Pflicht zur
Rückzahlung der Valuta. Da die Grundlage für eine Zinsschuld des Borgers während des
Verzugs des Darleihers fehlt, kann der Darleiher folglich auch nicht seine Schuld zur
487 So schon: GAUCH (1968), S. 11; v. GIERKE, JherJhb 1914, S. 399. 488 BGE 128 III 428 E. 3b; vgl. auch: LARENZ, S. 29 f. 489 MAURENBRECHER, recht 2003, S. 181. 490 BGE 128 III 428 E. 3b. 491 BGE 128 III 428 E. 3b; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 6; WIEGAND/GEIGER, S. 109 f.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
77
Zahlung von Verzugszinsen mit der Zinsschuld des Borgers verrechnen. Die vertraglichen
und gesetzlichen Wirkungen des Darlehensvertrages treten erst mit der korrekten
Valutierung, d.h. der vollständigen Übergabe der Darlehensvaluta in der vereinbarten Art
und der Übertragung des Eigentums an den Borger ein.492 Handelt es sich bei der Valuta um
Bargeld, wie es der gesetzlichen Konstruktion entspricht, so erfüllt die Übergabe an den
Borger oder an dessen Hilfsperson die genannten Voraussetzungen. Sofern die Valuta durch
Überweisung, Einzahlung oder Postanweisung übertragen wird, ist die Übergabe mit der
Gutschrift auf dem Konto des Borgers abgeschlossen, wenn dieser also über das Geld
verfügen kann. In diesem Zeitpunkt geht auch die Gefahr auf den Borger über. Dabei gilt die
Post bzw. Bank des Borgers als dessen Hilfsperson, so dass er sich deren Verhalten
anrechnen lassen muss, sobald die Valuta bei dieser eingegangen ist.493 Die Valutierung
kann gemäß Parteivereinbarung auch mittelbar erfolgen, d.h. z.B. durch Übertragung der
Valuta an einen Dritten oder von einem Dritten auf Anordnung des Darleihers. Ebenso
kommt die Erfüllung zahlungshalber durch Check oder Wechsel in Betracht. Die Übergabe
von Bankdarlehen wird i.d.R. durch Gutschrift auf dem Konto des Borgers vollzogen bzw.
durch das Einverständnis der Bank mit einer Belastung desselben.494 Die Forderung auf
Übergabe der Valuta ist eine normale Forderung, über die der Borger im Rahmen der
vertraglichen Vereinbarungen verfügen kann, d.h. er kann sie gemäß der herrschenden Lehre
abtreten, verrechnen oder vererben. Sie kann zudem, vorbehaltlich einer allfälligen
Zweckbindung, verpfändet, gepfändet und verarrestiert werden.495 Insbesondere im
kommerziellen Kreditgeschäft wird die Übergabe der Valuta i.d.R. von Bedingungen, den
sog. Auszahlungsvoraussetzungen oder Conditions Precedent, abhängig gemacht. Der
Borger muss in diesen Fällen z.B. die Sicherheiten gültig bestellt oder bestimmte
Dokumente vor der Auszahlung eingereicht haben.496
2. BELASSUNGSPFLICHT
Die Pflicht des Darleihers zur Belassung der Valuta beim Borger schließt an deren
korrekte und vollständige Übertragung an. Bis zur vereinbarten Rückzahlung bzw. einer
Kündigung muss der Darleiher die Valuta beim Borger zur vertragsgemäßen Nutzung
belassen und darf sie nicht zurückfordern. Sofern der Vertrag keine gegenteiligen
Vereinbarungen enthält, unterliegt der Borger bei seinem Gebrauch der Valuta keinen
Beschränkungen. Der Darleiher darf den Borger nicht in seiner Nutzung beschränken oder
das Darlehen wegen mangelnder Nutzung zurückfordern und hat alles zu unterlassen was
492 WIEGAND/GEIGER, S. 110; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 55. 493 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 55. 494 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 7; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 56. 495 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 24; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 10. 496 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 10b.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
78
den Borger an der Nutzung hindern würde.497 Er darf keine andere Schuld gegenüber dem
Borger mit einer noch nicht fälligen Darlehensforderung verrechnen, ebenso wie nicht die
Verrechnung für eine noch nicht ausgezahlte Valutaforderung erklärt werden darf.498 Die
Existenz einer Belassungspflicht des Darleihers war lange in der Lehre umstritten, wurde
aber durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichts bestätigt.499 Während das Gesetz
die Belassungspflicht des Darleihers während der Laufzeit nicht erwähnt, ergibt sich aus
dem Begriff und dem Zweck des Gebrauchsüberlassungsvertrages, dass die Übertragung der
Valuta kein Selbstzweck ist, sondern zur Nutzung erfolgt. Daher muss sich der Borger
darauf verlassen können, dass er die Valuta während der Laufzeit bzw. bis zum nächsten
vertraglichen Kündigungstermin gebrauchen kann, ohne sich um die Beschaffung der
finanziellen Mittel für die Rückzahlung oder eine Umfinanzierung kümmern zu müssen.500
Insbesondere bei der Finanzierung langfristiger Investitionen ist diese Sicherheit
unerlässlich, wenn z.B. geschaffene Produktionskapazitäten betriebsnotwendig und nicht
leicht liquidierbar sind. Praktisch bedeutsam ist die Annahme einer Belassungspflicht des
Darleihers auch dann, wenn z.B. eine Bank einen noch nicht zur Rückzahlung fälligen
Kredit mit anderen Guthaben des Borgers verrechnen oder die Wiederauszahlung eines
irrtümlich getilgten Darlehens verweigern will. Ein Entzug der Valuta gegen den Willen des
Borgers ist i.d.R. nicht möglich, da der Darleiher keinen sachenrechtlichen Anspruch auf die
Valuta hat, ein Leistungskondiktionsanspruch aufgrund des Darlehensvertrages als
Rechtsgrund ausgeschlossen ist und der Rückzahlungsanspruch erst zum Vertragsende
entsteht und fällig wird.501
3. ORT UND ZEITPUNKT DER ÜBERGABEPFLICHT
a. LEISTUNGSORT
Der Ort der Übergabepflicht des Darleihers richtet sich, mangels spezifischer
Regelungen im Darlehensrecht, nach den dispositiven gesetzlichen Bestimmungen. Der
Erfüllungsort bestimmt sich daher nach Art. 74 OR. Sofern keine Vereinbarung oder
konkludentes Verhalten der Parteien nach Vertragsabschuss vorliegt, differenziert die
gesetzliche Regelung nach der Art des Darlehens. Für Gelddarlehen liegt der Erfüllungsort
gemäß Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR am Wohnsitz des Gläubigers, d.h. des Borgers.502 Es
handelt sich um eine Bringschuld, wie es auch das Bundesgericht bestätigt hat.503 Für
497 WIEGAND/GEIGER, S. 110; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 75 f.; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 6. 498 MAURENBRECHER (1995), S. 145; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 24. 499 BGE 128 III 428 E. 3b; a.A. noch BUCHER, OR BT, S. 192. 500 WIEGAND/GEIGER, S. 110 f. 501 MAURENBRECHER (1995), S. 145. 502 GAUTSCHI, BK, Art. 481 N 4e; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 74. 503 BGE 100 II 153 E. c.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
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Naturaldarlehen liegt der Erfüllungsort nach Art. 74 Abs. 2 Ziff. 3 OR am Wohnsitz des
Schuldners, d.h. des Darleihers (Holschuld).504 Das Bundesgericht hat sich dazu im o.g.
Entscheid mangels Entscheiderheblichkeit nicht geäußert.
b. LEISTUNGSZEITPUNKT
Der Zeitpunkt der Leistungspflicht richtet sich ebenfalls nach den allgemeinen
Bestimmungen, d.h. nach Art. 75 OR. Sofern keine vertragliche Vereinbarung wie z.B. ein
Verfalltag für die Übergabe getroffen wird, ist die Valutaschuld mit dem Vertragsabschluss
erfüllbar und fällig.505 Da der Darleiher vorleistungspflichtig ist, bestimmt der tatsächliche
Leistungszeitpunkt beim verzinslichen Darlehen auch den Beginn der Verzinsungspflicht
des Borgers, die erst mit der Übergabe der Valuta anläuft.506
4. RECHTSFOLGEN DER PFLICHTVERLETZUNG
Vorbehaltlich einer gegenteiligen Vereinbarung ist die Übertragung der Valuta
nicht nur sofort fällig, sondern muss auch vollständig erbracht werden. Der Borger braucht
keine Teilleistungen zu akzeptieren (Art. 69 Abs. 1 OR). Bleibt die Übertragung aus oder
erfolgt nicht gehörig, so sind die Bestimmungen über den Schuldnerverzug nach Art. 102 ff.
OR anwendbar und beim verzinslichen Darlehen kann der Borger nach Art. 107 ff. OR
vorgehen.507 Hat der Borger hingegen eine teilweise Übertragung der Valuta angenommen,
so kann er gestützt auf Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 99 OR Schadenersatz verlangen.508 Diese
Rechtsfolge tritt auch bei einer Verletzung der Belassungspflicht durch den Darleiher ein,
d.h. wenn er dem Borger die noch nicht zur Rückzahlung fällige Darlehensvaluta entzieht
oder seinen vertragsgemäßen Gebrauch in einer anderen Weise hintertreibt. Der Ersatz
umfasst sämtliche finanziellen Einbußen die dem Borger aufgrund des pflichtwidrigen
Handelns des Darleihers entstehen, z.B. Refinanzierungskosten oder entgangene Gewinne,
die bei uneingeschränkter Nutzungsmöglichkeit der entzogenen Mittel realisiert worden
wären. Zudem entfällt die Zinspflicht des Borgers für die Dauer des Entzugs der Valuta und
im Voraus geleistete Zinsen können anteilig zurückgefordert werden.509
5. EXKURS: RÜCKBEHALTUNGSRECHT DES DARLEIHERS
Die Vorleistungspflicht bringt eine erhebliche Unsicherheit für den Darleiher mit
sich, da er die Valuta ohne unmittelbare Gegenleistung ins Eigentum des Borgers überträgt
504 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 74; SCHRANER, ZK, Art. 74 OR N 102. 505 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 65 f.; SCHRANER, ZK, Art. 75 OR N 21 ff. 506 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 70. 507 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 10a; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 57. 508 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 58. 509 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 77.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
80
und lediglich einen zukünftigen obligatorischen Anspruch auf Rückübertragung erhält.
Dieser ist insbesondere bei Zahlungsunfähigkeit des Borgers gefährdet bzw. verliert an
Wert, da im Konkurs regelmäßig nicht genug Werte zur Befriedigung aller Gläubiger
vorhanden sind. Um das Risiko des Darleihers zumindest teilweise zu begrenzen und zu
verhindern, dass dieser die Darlehensvaluta an einen zahlungsunfähigen Borger auszahlen
muss, enthält das Gesetz eine Spezialbestimmung, die dem Darleiher erlaubt, die Aus-
zahlung der Valuta rechtmäßig zu verweigern ohne in Schuldnerverzug zu geraten und
damit faktisch vom Vertrag zurückzutreten.510 Dieses Vorgehen steht dem Darleiher nach
Art. 316 OR dann offen, wenn der Borger nach Vertragsabschluss zahlungsunfähig wird
(Abs. 1) oder bereits beim Vertragsabschluss zahlungsunfähig war, aber der Darleiher erst
nachträglich davon Kenntnis erhalten hat (Abs. 2). Dabei muss er sich weder auf Irrtum oder
Täuschung berufen noch hat er eine Gefährdung seiner Ansprüche nach Art. 83 Abs. 1 OR
nachzuweisen, sondern es genügt der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit des Borgers.511
C VERPFLICHTUNGEN DES BORGERS
Auch den Borger treffen im Darlehensverhältnis verschiedene Verpflichtungen,
wobei seine Hauptpflicht die Rückerstattung der Valuta bei Vertragsende ist. Sofern die
Parteien ein entgeltliches Darlehen vereinbart haben, schuldet der Borger zudem ein Entgelt
als Gegenleistung für die Überlassung der Valuta.
1. RÜCKERSTATTUNGSPFLICHT
Gemäß der gesetzlichen Umschreibung ist die Rückerstattung der Valuta an den
Darleiher die Hauptpflicht des Borgers. Sie wird mit der Beendigung des Darlehensvertrags
fällig und setzt die Hingabe der Valuta zwingend voraus. 512 Hingegen ist die Rückzahlung
gemäß Bundesgericht „nicht die (gleichwertige) Gegenleistung für dessen Gewährung,
sondern die Erfüllung der mit der Darlehensaufnahme eingegangenen Pflicht zu späterer
Rückzahlung“513, da es am „gegenseitigen Austauschelement“514 fehlt. Der Borger
verpflichtet sich die Valuta in Geld bzw. in Sachen nämlicher Art, Güte und Menge an den
Darleiher zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen.515 Auf Seiten des
Darleihers ist die Rückerstattungsforderung eine gewöhnliche Forderung, die abgetreten,
510 CHRIST, SPR VII/2, S. 239; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 316 OR N 3; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK,
Art. 316 OR N 11. 511 CHRIST, SPR VII/2, S. 239; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 316 OR N 9 f. 512 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 81, 98; WIEGAND/GEIGER, S. 112; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 1. 513 BGE 134 III 452 E. 3.1; vgl. auch: BGer 5A.116/2009 E. 5 v. 28.09.2009. 514 BGE 136 III 247 E. 5. 515 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 85; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 1.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
81
vererbt, gepfändet oder verpfändet werden kann.516 Bezüglich des Umfangs der
Rückerstattungspflicht gilt wiederum das Nennwertprinzip517, d.h. dass bei Gelddarlehen der
gleiche nominale Geldwert zu übertragen ist, der vom Darleiher übertragen wurde. Bei einer
Hingabe an Geldes statt (Art. 317 OR) bestimmt sich der maßgebliche Wert der Valuta nach
dem Marktpreis oder Kurswert zum Zeitpunkt und am Ort der Hingabe. Hat der Borger
vereinbarungsgemäß eine größere oder kleinere Valuta zurückzuerstatten als er erhalten hat,
so liegt bei einer höheren Rückerstattung ein entgeltliches Darlehen vor, wobei der die
Valuta übersteigende Teil als Vergütung zu betrachten ist, während bei einer geringeren
Rückerstattung der Differenzbetrag als Schenkung qualifiziert wird, sofern nicht ein Teil der
Rückzahlungsschuld mit einer anderen Forderung des Borgers gegen den Darleiher
verrechnet wurde.518 Die Rückerstattungsforderung entsteht erst mit der Beendigung des
Darlehensvertrags und ist mangels abweichender Vereinbarung sofort fällig. Bei befristeten
Darlehen ist der Ablauf der vereinbarten Laufzeit maßgeblich, während bei unbefristeten
Darlehen die Beendigung durch Kündigung bewirkt wird.519 Kommt der Borger seiner
Rückerstattungspflicht nicht bei Fälligkeit nach, so fällt er in Schuldnerverzug. Dieser setzt
grundsätzlich eine Mahnung durch den Darleiher voraus, es sei denn, dass ein bestimmter
Verfalltag verabredet wurde, wie z.B. der Beendigungstag beim befristeten Darlehen. Beim
unbefristeten Darlehen gerät der Borger in Verzug, wenn er nicht bis zu jenem Tag die
Valuta zurückerstattet, auf den die Kündigung den Vertrag beendet (z.B. nach sechs
Wochen gemäß Art. 318 OR); bei fristlosen Kündigungen ist dies der Tag nach Zugang der
Kündigung.520 Vom Beginn des Verzugs an hat der Borger anstelle des Vertragszinses den
Verzugszins zu zahlen, sofern nicht der vertraglich vereinbarte Darlehenszins den
Verzugszins übersteigt und daher weiter gefordert werden kann.521
2. EXKURS: VORZEITIGE RÜCKERSTATTUNG
Bei der vorzeitigen Rückerstattung der Valuta möchte sich der Borger vor Ablauf
der vereinbarten Laufzeit von seiner Rückerstattungspflicht befreien. Beim unverzinslichen
Darlehen wird dieses Vorgehen grundsätzlich als zulässig angesehen und dem Darleiher,
vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung, kein Recht zur Annahmeverweigerung
zugestanden.522 Beim verzinslichen Darlehen wird die vorzeitige Rückerstattung
insbesondere von der älteren Lehre abgelehnt sofern keine entsprechende vertragliche
516 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 86, 24. 517 WIEGAND/GEIGER, S. 112; siehe § 3 V A 2; für Fremdwährungsdarlehen siehe § 3 V A 3. 518 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 90 ff. 519 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 98; WIEGAND/GEIGER, S. 112. 520 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 100. 521 WEBER, BK, Art. 104 OR N 33, 62 ff.; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 100. 522 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 103 ff.; V. BÜREN, S. 116; MAURENBRECHER (1995), S. 180; V. THUR/ESCHER, § 62 S. 52;
FICK, Art. 312 OR N 41.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
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Vereinbarung besteht. Dabei geht es jedoch letztlich nicht um die Zulässigkeit der
Rückzahlung, sondern um deren Rechtsfolgen. Es ist davon auszugehen, dass sich der
Borger von der später entstehenden und fällig werdenden Rückerstattungspflicht wirksam
befreien kann, dass er aber den vereinbarten Zins bis zum Ablauf der Vertragslaufzeit bzw.
zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin schuldet.523 Dabei kann es sich allerdings
nicht um einen echten Zins, sondern bloß das positive Vertragsinteresse des Gläubigers
handeln, da eine Forderung des Gläubigers fehlt, die für die Entstehung von Zinsen
vorausgesetzt ist. Einzig wenn spezielle Vereinbarungen oder Interessen des Darleihers
betroffen sind, wie z.B. beim partiarischen Darlehen, bei dem das Interesse weniger auf den
Zins als die Gewinnbeteiligung am finanzierten Geschäft fokussiert ist, kann eine vorzeitige
Rückzahlung nicht zulässig sein.524
3. PFLICHT ZUR ENTGELTLEISTUNG
Trotz der großen wirtschaftlichen Bedeutung des Darlehens und der Zinsen als
Vergütung für die Überlassung und Entbehrung der Valuta ist das Vorliegen einer Zinsschuld
des Borgers nicht begriffsnotwendig für die Qualifikation des Darlehens.525 Ist hingegen ein
entgeltliches Darlehen vereinbart, so hat der Borger neben der Pflicht zur Rückerstattung auch
die Pflicht zur Leistung einer Vergütung an den Darleiher. Dieses Entgelt kann, muss aber
nicht zwingend als Zins ausgestaltet sein, so dass die Begriffe des entgeltlichen und des
verzinslichen Darlehens nicht deckungsgleich sein müssen, wobei ein verzinsliches Darlehen
in jedem Fall ein entgeltliches ist. Beim entgeltlichen nicht verzinslichen Darlehen ist die
Vergütung i.d.R. eine Entschädigung für die Kapitalkosten des Darleihers.526
4. ANNAHMEPFLICHT
Während der Darleiher verpflichtet ist, die Darlehensvaluta zu übertragen, trifft
den Borger keine Pflicht die angebotene Valuta anzunehmen. Ebenso wie er mangels einer
anderen Vereinbarung die Valuta uneingeschränkt nutzen kann, steht es ihm auch frei sie
ungenutzt zu lassen und nicht erst anzunehmen. Die Annahme der Valuta durch den Borger
ist lediglich eine Obliegenheit, deren Versäumen einen Annahmeverzug nach Art. 91 OR
begründet.527 Der Verzug beginnt mit dem Angebot der Übergabe, d.h. es genügt die
Verbaloblation.528 Entsprechend verhält es sich bei der Verletzung von Mitwirkungs-
523 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 107; CHRIST, SPR VII/2, S. 255; V. BÜREN, S. 116; MAURENBRECHER (1995), S. 180 f.;
WIEGAND/GEIGER, S. 112. 524 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 13. 525 CHRIST, SPR VII/2, S. 244. 526 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 115 ff. 527 CHRIST, SPR VII/2, S. 241; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 83, 49; MAURENBRECHER (1995), S. 152. 528 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 49.
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pflichten, wie z.B. der Mitteilung einer Bankverbindung durch den Borger zwecks
Überweisung der Valuta. Der Annahmeverzug ermöglicht dem Darleiher das Vorgehen nach
den Bestimmungen über den Schuldnerverzug. In jedem Fall kann sich der Borger durch die
Annahmeverweigerung nicht von der Zinspflicht beim verzinslichen Darlehen befreien.529
Solange der Darleiher am Vertrag festhält oder während einer allfälligen Hinterlegung der
Valuta schuldet der Borger den Zins für alle Zinsperioden ab dem Zeitpunkt der gehörigen
Andienung der Valuta durch den Darleiher.530 Wird die Darlehensvaluta nicht hinterlegt,
sondern vom Darleiher, während er am Vertrag festhält, in anderer Weise profitabel genutzt,
muss er sich den erlangten Ertrag an seine Zinsforderung gegen den Borger anrechnen
lassen, da in diesem Umfang sein Verlust geschmälert ist.531
II. DAS VERZINSLICHE DARLEHEN
A SYSTEMATIK
1. BÜRGERLICHER RECHTSVERKEHR
Im bürgerlichen Verkehr ist das Darlehen gemäß Art. 313 Abs. 1 OR vermutungs-
weise nicht verzinslich. Allerdings steht es den Parteien frei einen Zins zu vereinbaren.
Diese Vereinbarung kann explizit oder stillschweigend erfolgen, sich aus den Umständen
ergeben oder erst nachträglich zum zugrundeliegenden Rechtsverhältnis hinzutreten.532
Mangels abweichender Abrede sind die Zinsen nach Art. 314 Abs. 2 OR als Jahreszinsen zu
entrichten.
2. KAUFMÄNNISCHER VERKEHR
Im kaufmännischen Verkehr hingegen stellt das Gesetz eine Vermutung für die
Verzinslichkeit des Darlehens auf, wobei auch die Vereinbarung eines unverzinslichen
Darlehens möglich ist.533 Der kaufmännische Verkehr umfasst nach WIELAND „sämtliche
ein Handelsgewerbe begründenden, vorbereitenden oder sonst mit ihm zusammenhängenden
Rechtshandlungen“.534 Ein Darlehen im kaufmännischen Verkehr liegt somit vor, wenn es
von einem gewerbsmäßigen Darleiher vergeben wird oder wenn das Darlehen vom Borger
„zu kaufmännischen Zwecken, d.h. für sein Geschäft oder Gewerbe verwendet“ wird.535
529 BUCHER, OR BT, S. 196; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 84, 49 f.; V. BÜREN, S. 112 f. 530 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 49. 531 BUCHER, OR BT, S. 196. 532 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 1. 533 HIGI, ZK, Art. 313 OR N 13. 534 WIELAND, S. 59. 535 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 3.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
84
Es handelt sich folglich um einen funktionalen Begriff, der sich in erster Linie am
abgeschlossenen Geschäft orientiert und nur in zweiter Linie an den handelnden Personen.
Daher kann ein als kaufmännisch qualifiziertes Darlehen auch zwischen zwei Parteien
gewährt werden, die nicht im Handelsregister eingetragen sind.536
B BEGRIFF
Zur rechtlichen Einordnung des Darlehenszinses zeigt sich die Lehre gespalten und
auch die Rechtsprechung hat nicht zur vollständigen Klärung beigetragen. Während eine
Lehrmeinung und das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung den Darlehenszins
als akzessorische Nebenpflicht des Darlehensvertrags qualifiziert, da die Verzinsung für den
Darlehensvertrag nicht begriffswesentlich sei537, vertritt die neuere und wohl herrschende
Lehre die Ansicht, dass der Zins beim verzinslichen Darlehen keine akzessorische
Nebenpflicht, sondern eine synallagmatische Hauptpflicht des Borgers im Gegenzug für die
Übergabe und Überlassung der Valuta sei.538 Das Bundesgericht hat in einem neuen
Entscheid den Darlehensvertrag im Sinne seiner bisherigen Rechtsprechung weiterhin als
unvollkommen zweiseitigen Vertrag qualifiziert, da „die allenfalls hinzutretende Verzinsung
für den Darlehensvertrag begrifflich unwesentlich“ sei und es zudem am gegenseitigen
Austauschverhältnis zwischen Darlehenshingabe und Rückzahlung fehle.539 Hingegen sei,
im Einklang mit der herrschenden Lehre, im „Verhältnis zwischen Zinszahlungen und
Aufrechterhaltung der Wertüberlassung (…) von einem echten Synallagma auszugehen“,
mit dem Zins als Entgelt und Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Kredit.540
Somit ist vorliegend davon auszugehen, dass der Zins im verzinslichen Darlehen die echte
Gegenleistung für die Überlassung und Entbehrung der Valuta ist.
In Bezug auf ihre Entstehung und ihren Umfang knüpft die Zinsforderung hingegen
an die Hauptforderung an, wobei die Parteien die Zinsforderung individuell ausgestalten
können (z.B. Fälligkeit einmalig, ratenweise, periodisch).541 Zudem muss beim
Darlehensvertrag vermutet werden, dass die aufgelaufenen Zinsen gemäß Art. 114 Abs. 2
OR nachgefordert werden können und nicht mit dem Erlöschen der Hauptforderung
entfallen. Unabhängig von der verwendeten Qualifikation des Darlehenszinses bleiben aber
die Orientierung der Vergütung an Höhe und Laufzeit der Valuta sowie die periodische
Entstehung die entscheidenden Merkmale für das Vorliegen eines Zinses. Daher sind
rechtlich auch periodische Kreditkommissionen auf ausstehenden Krediten sowie Disagios
536 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 3; HIGI, ZK, Art. 313 OR N 12. 537 Vgl. V. THUR/PETER, § 10 S. 71; BGE 52 II 215 E. 3; BGE 80 II 327 E. 4a; BGE 93 II 189 E. b. 538 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 1; HIGI, ZK, Art. 313 OR N 14 f., 25; WIEGAND/GEIGER, S. 115;
SCHÖNENBERGER, CHK, Art. 313-314 OR N 2. 539 BGE 136 III 247 E. 5. 540 BGE 136 III 247 E. 5. 541 HIGI, ZK, Art. 313 OR N 25 ff.
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bei der Auszahlung und Agios bei der Rückzahlung von befristeten Darlehen als Zinsen zu
betrachten und bei der Anwendung der Vorschriften zur Beschränkung der Zinshöhe zu
berücksichtigen.542 Hingegen können bei der Vergabe von Darlehen auch Entgelte
verrechnet werden, die nicht als Zins zu qualifizieren sind. Solche sind z.B. pauschale
Vergütungen für die Auszahlung bzw. Übergabe, die sich nicht an der Laufzeit und Höhe
der Darlehensvaluta orientieren.543 Im Rahmen der Höchstzinsvorschriften, z.B. nach KKG,
oder den gesetzlichen Inhaltsschranken von Art. 20 f. OR werden diese weiteren
Vergütungen aber häufig dennoch wie Zinsen behandelt, um Umgehungsversuche der
Beschränkungen der Zinshöhe zu verhindern.544
C HÖHE DES ZINSSATZES
Anschließend an die dargestellten gesetzlichen Vermutungen zur Verzinslichkeit
von Darlehen im bürgerlichen und kaufmännischen Verkehr stellt Art. 314 Abs. 1 OR eine
dispositive Regel bzw. Auslegungshilfe für den Fall auf, dass die Parteien sich zwar auf eine
Verzinsungspflicht geeinigt haben bzw. eine solche aufgrund der gesetzlichen Vermutung
im kaufmännischen Verkehr besteht, aber dass die Parteien nicht die Höhe des Zinssatzes
oder die maßgeblichen Faktoren für dessen Bestimmung festgelegt haben oder dies bewusst
unterlassen haben.545
1. GRUNDSATZ DER VERTRAGSFREIHEIT
Aus dem knapp gefassten Art. 314 Abs. 1 OR kann nicht nur abgeleitet werden,
dass die Zinspflicht kein notwendiges Element eines Darlehensvertrags ist, sondern dass
auch die Höhe des Zinssatzes kein notwendiger Vertragsbestandteil (essentialia negotii)
eines Vertrags über ein verzinsliches Darlehen ist.546 Zudem resultieren aus dieser
Bestimmung der absolute Vorrang einer Parteivereinbarung über die Höhe des Zinssatzes
und der dispositive Charakter der gesetzlichen Regel. Entsprechend der gesetzlich
garantierten Vertragsfreiheit sind die Parteien im Rahmen der Rechtsordnung frei, den Inhalt
des Vertrags und damit die Höhe des anwendbaren Zinssatzes festzulegen.547 Bei der
Ausgestaltung des Zinssatzes sind die Parteien ebenfalls weitgehend frei. Sie müssen keinen
über die Laufzeit des Vertrags unveränderlichen Zinssatz fixieren, sondern dieser kann
sowohl fix als auch variabel ausgestaltet sein. Er kann sich automatisch an einen
542 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 4a. 543 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 4a; HIGI, ZK, Art. 313 OR N 17 ff.; WIEGAND/GEIGER, S. 118. 544 HIGI, ZK, Art. 313 OR N 22 f. 545 HIGI, ZK, Art. 314 OR N 26; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 1; TC VS v. 07.09.1995, ZWR
1996 286, 291. 546 CHRIST, SPR VII/2, S. 244; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 2a. 547 CHRIST, SPR VII/2, S. 249.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
86
Referenzzinssatz anpassen oder es kann dem Darleiher das Recht zur einseitigen Anpassung
des Zinssatzes an veränderte Verhältnisse des Borgers oder der Märkte zugestanden werden.
Allerdings muss in diesen Fällen eine nicht-willkürliche Handhabung und angemessene
Mitteilung an den Borger sichergestellt sein.548 Ist die Höhe des Zinssatzes nicht exakt
bestimmt, sondern orientiert sich an der Entwicklung eines Referenzzinssatzes, dann muss
der Stand und Verlauf des anwendbare Referenzobjektes auch für jeden vertraglich
vorgegebenen Anpassungszeitpunkt bestimmbar sein, d.h. dass sämtliche zur Bestimmung
notwendigen Angaben vorhanden sein müssen und die Berechnung der Zinsen tatsächlich
möglich sein muss, da ein Referenzzins dessen Höhe und Entwicklung sich nicht
rekonstruieren lässt zu erheblichen Beweisproblemen in einer gerichtlichen
Auseinandersetzung führen kann. Die Höhe des Zinssatzes kann von den Parteien anhand
verschiedener Faktoren wie der Bonität des Borgers, der Laufzeit und Höhe des Darlehens,
der Valutawährung, des Darlehenszwecks oder allfälliger Sicherheiten festgelegt werden.549.
2. SUBSIDIÄRER ÜBLICHER ZINSSATZ
Falls sich durch die Auslegung des Vertrages kein anwendbarer Zinssatz ermitteln
lässt, stellt Art. 314 Abs. 1 OR eine gesetzliche Vermutung für den üblichen Zinssatz am Ort
und zur Zeit des Darlehensempfangs für die betreffende Art von Darlehen auf. Der
maßgebliche Zeitpunkt ist der Tag der vereinbarten Fälligkeit der Darlehensvaluta. Zur
Bestimmung des Erfüllungsortes ist ebenfalls auf die Vereinbarung der Parteien abzustellen
und nicht auf den unter Umständen zufälligen Ort des tatsächlichen Darlehensempfangs.550
In der Lehre wird hingegen teilweise auch die gegenteilige Auffassung vertreten.551
Subsidiär bestimmt sich der maßgebliche Erfüllungsort nach den allgemeinen
Bestimmungen, d.h. es liegt nach Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR eine Bringschuld vor.552 In der
Praxis ist allerdings davon auszugehen, dass regelmäßig eine stillschweigende Vereinbarung
bzw. Usanz einer Holschuld vorliegt, womit der Wohnsitz des Darleihers bzw. der Sitz eines
beteiligten Kreditinstituts als maßgeblicher Ort gilt.553 Ungeachtet dessen muss m.E.
grundsätzlich in Frage gestellt werden, ob in Zeiten einer global vernetzten Finanzwirtschaft
mit teilweise einheitlichen Methoden zur Risikobestimmung und Risikobewirtschaftung
tatsächlich relevante regionale Unterschiede zwischen den üblichen Zinssätzen innerhalb
eines einzelnen Landes bestehen, oder ob die Bestimmung eines üblichen Zinssatzes nicht
besser für eine Währung, z.B. für Schweizer Franken, vorgenommen werden sollte. Nach
548 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 2; HIGI, ZK, Art. 314 OR N 25. 549 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 4; HIGI, ZK, Art. 314 OR N 34. 550 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 2a; HIGI, ZK, Art. 314 OR N 33; TERCIER/FAVRE/BUGNON, § 40 N 3047. 551 CHRIST, SPR VII/2, S. 249 f.; GUHL/KOLLER, § 45 N 8. 552 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 73; a.A.: SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 2a. 553 MAURENBRECHER (1995), S. 170.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
87
dem derzeitigen Stand des Gesetzes ist hingegen der vereinbarte Ort der Übergabe der
Valuta maßgeblich bzw. der nächstgelegene Finanzplatz. Neben dem Ort des Darlehens-
empfangs bestimmt Art. 314 Abs. 1 OR zudem die Art des Darlehens als Bestimmungs-
faktor für den ortsüblichen Zinssatz.
Zumindest im kommerziellen Kreditgeschäft, d.h. unter Beteiligung einer Bank
oder eines anderen gewerblichen Kreditgebers, kann m.E. für viele Darlehen von einer
allgemeinen Übung ausgegangen werden, nach der sich der anwendbare Zinssatz aus einem
Referenzzinssatz für die Refinanzierungskosten des Darleihers und einer zusätzlichen Marge
zusammensetzt, wobei die Marge eine Vergütung für das vom Darleiher zu tragende
Gegenparteirisiko und dessen Kosten beinhaltet sowie einen anteiligen Gewinn. Die Höhe
der Gesamtvergütung ist daher von verschiedenen üblicherweise herangezogenen Faktoren
wie der Laufzeit, Höhe und Währung der Valuta sowie der Bonität des Borgers, des Zwecks
des Darlehens (z.B. Investition, Refinanzierung, Konsum oder Warengeschäft) und
allfälligen Sicherheiten (Grundpfand, Mobiliarpfand, Lombardkredit, Bürgschaft, Garantie,
Lebensversicherung) abhängig.554 Durch die daraus resultierende starke Individualisierung
des Darlehens kann allerdings keine abstrakte Ortsüblichkeit für die Höhe des
Darlehenszinssatzes bestehen, sondern es muss immer eine individuelle Kredit- und
Risikoprüfung des betroffenen Geschäfts erfolgen, wie sie die am Handelsplatz aktiven
Kreditgeber vornehmen würden. Die Üblichkeit kann sich daher m.E. lediglich auf die
Methode zur Bestimmung des Zinssatzes und allenfalls die Höhe sowie die Gewichtung der
einzelnen Bestimmungsfaktoren beziehen. Soll folglich der übliche Zinssatz für ein
Darlehen gefordert werden, ist es m.E. notwendig und ausreichend, einen geeigneten und
anerkannten Referenzzins, wie z.B. einen LIBOR, für die Laufzeit des Darlehens zu
bestimmen und anhand der Eigenschaften des betroffenen Geschäfts, d.h. insbesondere der
Bonität des Borgers, einen im kommerziellen Geschäft üblichen durchschnittlichen
Aufschlag als Marge nachzuweisen. Der daraus resultierende Zinssatz sollte einem
ortsüblichen Zinssatz für die betreffende Art von Darlehen entsprechen, wie im Gesetz
vorgegeben. Alternativ könnte m.E. im bürgerlichen und kaufmännischen Verkehr auch der
durchschnittliche Kontokorrentzinssatz der Geschäftsbanken als üblicher Zinssatz für
kurzfristige Darlehen angewendet werden. Allerdings ist auch die Höhe dieses Zinssatzes in
der Praxis stark vom Gegenparteirisiko, d.h. von der Bonität des Borgers und allfälligen
Sicherheiten abhängig, so dass kein allgemein geltender Kontokorrentzinssatz existiert.
Folglich muss für die Anwendung des üblichen Darlehenszinssatz ein durchschnittlicher
Zinssatz für die individuellen Merkmale des konkret betroffenen Borgers bestimmt und
nachgewiesen werden.555 Falls dies nicht möglich ist, könnte allenfalls auch ein
554 CHRIST, SPR VII/2, S. 250; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 4; BOVET, CR, Art. 314 OR N 2. 555 Eine Umfrage bei den großen Geschäftsbanken am Handelsplatz Zürich im November 2010 hat ergeben, dass die
Sollzinsen im Kontokorrent in Schweizer Franken je nach Bonität des Borgers und allfälligen Sicherheiten zwischen
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
88
durchschnittlicher Zinssatz der Geschäftsbanken für nicht-vereinbarte und ungesicherte
Überziehungen als üblich nachgewiesen und angewendet werden.556 Die geltende
Rechtsprechung des Bundesgerichts sollte diesem Vorgehen m.E. nicht entgegenstehen,
allerdings könnten hohe Anforderungen an den Nachweis der Üblichkeit, insbesondere
hinsichtlich der Höhe der Marge bzw. des Kontokorrentzinssatzes, die Forderung dieser
Zinssätze erheblich erschweren.
Die von CHRIST für den April 1977 noch zitierten üblichen Konventionen der
Banken am Handelsplatz Basel als minimale Richtwerte einer Ortsüblichkeit, die er selbst als
„wettbewerbslenkende Abrede“ bezeichnet, dürften unter der geltenden internationalen
Regulierung der Kreditvergabe von Finanzinstituten und der kartellrechtlichen Überwachung
von Wettbewerbsabreden heute nicht mehr existieren und nicht mehr anwendbar sein.557
3. FEHLENDE ORTSÜBLICHKEIT
Art. 314 Abs. 1 OR enthält keine abschließende Regel zur Bestimmung der Höhe
des Zinssatzes wenn keine Übung am maßgeblichen Ort klar feststellbar oder nicht
hinreichend beweisbar ist. In diesem Fall liegt nach den allgemeinen Auslegungsregeln eine
Gesetzeslücke vor, die gemäß Art. 1 Abs. 2 ZGB durch richterliche Lückenfüllung zu
schließen ist.558 In Praxis und Lehre hat sich die analoge Anwendung der subsidiären
Bestimmung von Art. 73 Abs. 1 OR durchgesetzt, wonach ein Zinssatz von 5% p.a.
Anwendung findet.559 In diesem Sinne hat auch das Bundesgericht in seiner jüngeren
Rechtsprechung entschieden,560 wobei Praxis und Lehre uneinig sind, ob dogmatisch
betrachtet eine analoge oder unmittelbare Anwendung des Art. 73 Abs. 1 OR vorliegt.561
In seiner jüngsten Rechtsprechung ist das Bundesgericht jedoch von seiner Praxis
abgewichen und hat dem Darleiher die analoge Anwendung des Zinssatzes von 5% p.a. aus
Art. 73 Abs. 1 OR für einen Darlehensvertrag verweigert, weil der vertraglich vereinbarte
LIBOR nicht nachgewiesen werden konnte bzw. die beweispflichtige Partei den Beweis
nicht erbringen konnte.562 Das Bundesgericht verwehrte den subsidiären Zinssatz mit der
Begründung, dass zwar ein Zinssatz vereinbart worden sei, die notwendigen Tatsachen zur
4½ und 12% p.a. lagen, zzgl. einer Kreditkommission für die zugesicherte Kreditlimite von ¼% pro Quartal. Im
gleichen Zeitraum lag der 3-Monats-LIBOR auf Schweizer Franken bei 0,18%. 556 Für ungesicherte und nicht-vereinbarte Überziehungen wurden von den Zürcher Geschäftsbanken im November 2010
Zinssätze zwischen 9¼ und 9¾% p.a. angewendet, zzgl. der genannten Kommission von von ¼% pro Quartal. 557 CHRIST, SPR VII/2, S. 250. 558 HIGI, ZK, Art. 314 OR N 37. 559 HIGI, ZK, Art. 314 OR N 37; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 3; BOVET, CR, Art. 314 OR N 3. 560 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119. 561 Wie das BGer im o.g. Entscheid, sprechen sich auch TERCIER/FAVRE/BUGNON, § 40 N 3048, für eine unmittelbare
Anwendung aus. 562 BGE 134 III 224 E. 7 = Pra 2008 Nr. 143.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
89
Bestimmung der Zinsschuld aber nicht nachgewiesen werden konnten. Daher habe der
Darleiher die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen und könne keinen Zins vom Borger
fordern. Entgegen dem früheren Entscheid BGE 126 III 189 sei im vorliegenden Fall kein
Zinssatz von über 5% streitig, sondern die Höhe des vereinbarten Zinssatzes sei
vollkommen unklar, so dass der beweispflichtige Darleiher aus seiner Beweislosigkeit nichts
für sich ableiten könne. Der Entscheid überrascht, stellt aber im Ergebnis eine nicht zu
beanstandende Folge der Beweislosigkeit des Gläubigers dar. Die zukünftige Recht-
sprechung wird zeigen, ob es sich um einen Einzelentscheid handelt oder ob das
Bundesgericht entgegen seiner eigenen Beteuerung die bisherige Praxis ändern wird. Einige
Punkte im jüngsten Entscheid sprechen aber dafür, dass das Gericht nicht bereit war dem
allenfalls bewusst beweislos gebliebenen Darleiher den subsidiären Zinssatz zuzusprechen,
da der maßgebliche Marktzins in der relevanten Periode unter 5% p.a. gelegen haben
könnte.563 Allerdings verwendet das Bundesgericht zur Begründung seines Entscheids ein
untaugliches Abgrenzungskriterium, da es gerade darauf abstellt ob der nicht nachgewiesene
Zinssatz höher oder tiefer als die subsidiären 5% p.a. gewesen sei. Dies erstaunt
insbesondere vor dem Hintergrund, dass im letzten vorhergehenden Entscheid auch nur der
Stand des variablen Referenzzinses zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nachgewiesen
war (> 5%), jedoch keine Tatsachen über die nachfolgende Entwicklung des Zinses während
der mehrjährigen Vertragslaufzeit beigebracht wurden. Das Bundesgericht lehnt es zudem
ab, Nachforschungen über die Entwicklung eines Referenzzinses anzustellen, da ein solcher
(i.c. ein 6-Monats-LIBOR auf ECU) keine notorisch bekannte Tatsache sei, von der
„jedermann Kenntnis haben kann“ und die „mit jedermann zugänglichen Mitteln“ überprüft
werden könne.564 Meines Erachtens wäre eine generelle Begründung der Zinslosigkeit als
Folge der Beweislosigkeit vorzuziehen, zumindest wenn man den Zinssatz gemäß Art. 73
Abs. 1 OR im Darlehensrecht nicht als subsidiär anwendbar betrachtet. Zudem kann man
geteilter Meinung sein, ob das Bundesgericht mit seinem konservativen Verständnis der
notorisch bekannten Tatsache in diesem Fall nicht zu restriktiv bleibt. Insbesondere das
Internet ermöglicht heute den Zugriff auf eine Vielzahl von Informationen und dies
bedeutend einfacher und umfassender als es Lexika oder Zeitungen bieten können. Über die
Internetauftritte der wichtigen National- bzw. Zentralbanken sind eine Vielzahl von
Geldmarkt- und Leitzinssätzen für die jeweiligen Währungen jederzeit verfügbar. Ebenso
sind einige LIBOR bzw. EURIBOR Zinssätze auch tagesaktuell in der Neuen Zürcher
Zeitung (NZZ) abgedruckt. Daraus ergibt sich hingegen nicht zwingend, dass jegliche
Zinssätze auch als notorisch bekannte Tatsache gelten sollten.
563 Tatsächlich lag der vereinbarte Referenzzinssatz in der relevanten Periode wahrscheinlich unter 5% p.a. 564 BGE 134 III 224 E. 5.2 = Pra 2008 Nr. 143.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
90
4. BEWUSST UNGEREGELTER NEBENPUNKT
Für den eher seltenen Fall, dass Borger und Darleiher zwar ein verzinsliches
Darlehen vereinbart haben, aber keine Einigung über die Höhe des Zinssatzes finden
konnten und diesen Nebenpunkt bewusst offen gelassen haben, muss der Darlehensvertrag,
wie bereits erwähnt565, durch das Gericht ergänzt werden. Die Gültigkeit des Vertrags wird
durch das Fehlen eines Zinssatzes zwar nicht gehindert, da der Zinssatz wie gezeigt kein
begriffsnotwendiges Element des Darlehensvertrags ist, aber sie steht unter dem Vorbehalt
dieses Nebenpunkts, da er mindestens für eine Partei von subjektiver Bedeutung ist (Art. 2
Abs. 2 OR) und diese Partei den Vertrag ohne eine Einigung über diesen Punkt nicht
abgeschlossen hätte.566 Der Richter muss den Zinssatz in diesem Fall gemäß Art. 2 Abs. 2
OR „nach der Natur des Geschäfts“ festlegen, wobei ihm ein relativ großer Entscheidungs-
spielraum zur Verfügung steht.567 Dennoch handelt es sich bei einem Zinssatz nach dieser
Bestimmung nicht um echte richterliche Zinsen, sondern um eine von den Parteien
vereinbarte Zinsschuld, deren Höhe einzig durch den Richter festgelegt wird. Der Richter
ergänzt folglich den zunächst bewusst lückenhaft gebliebenen Vertrag, sofern diese Lücke
nicht inzwischen gegenstandslos geworden ist (z.B. nachträgliche zwingende gesetzliche
Regelung), sich auf eine Eventualität bezog oder der Vertrag bereits in einer bestimmten
Weise erfüllt wurde.568 Es handelt sich i.d.R. um eine selbstständige Klage, d.h. der Eingriff
des Richters erfolgt auf eine Klage auf richterliches Gestaltungsurteil hin, die kein Begehren
um eine bestimmte Vertragsergänzung beinhalten muss, d.h. nicht spezialisiert sein muss.
Sie kann aber auch im Rahmen eines Rechtsstreits über die Verbindlichkeit des Vertrages
sowie einer Erfüllungs- oder Schadenersatzklage eingebracht werden.569 Die Ergänzung
erfolgt aufgrund des Gesetzeswortlauts nach der Natur des Geschäfts, d.h. nach „Recht und
Billigkeit“570. Sie kann negativ betrachtet nicht dem hypothetischen Parteiwillen folgen, da
die Parteien eben nicht in der Lage waren die ihnen bekannte Lücke durch eine
Vereinbarung zu schließen.571 Ebenso soll der Richter nicht unmittelbar auf das dispositive
Gesetzesrecht zurückgreifen, da die Parteien bewusst eine abweichende Vereinbarung den
gesetzlichen Bestimmungen vorgezogen haben. Auch die Verkehrssitte oder die Übung im
Geschäftsverkehr kann zunächst nur als Richtschnur dienen.572 Es sollte hingegen eine
Lösung gefunden werden, welche die individuellen Interessen der Parteien und den Zweck
des Vertrages sowie dessen Eigenarten berücksichtigt und angemessen erscheint. Sie muss
565 Siehe § 3 III D. 566 BUCHER, BSK, Art. 2 OR N 3, 6. 567 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 23 ff. 568 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 21; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, ZK, Art. 2 OR N 46. 569 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 22; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, ZK, Art. 2 OR N 49 f.; KUT/SCHNYDER, CHK, Art. 2 OR N 5. 570 BGE 84 II 628 E. 1. 571 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 23; a.A.: KUT/SCHNYDER, CHK, Art. 2 OR N 7. 572 BGE 84 II 628 E. 1.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
91
zusammen mit dem bestehenden Vertrag ein harmonisches Ganzes bilden und darf nicht
über das hinaus gehen, wie „die Parteien es nach den unzweideutigen konkreten und von
ihnen geschaffenen Umständen in guten Treuen und redlicher Weise erwarten dürfen und
erwarten müssen“573. Die Ergänzung erfolgt aus der Perspektive der Parteien und deren
Interessenlage zum Vertragsabschluss, muss aber veränderte Verhältnisse berücksichtigen,
da die Parteien diese bei einer allfälligen Einigung auch einbezogen hätten. Hingegen muss
sie den hypothetischen Willen der Parteien völlig ausblenden.574 Trotz des Vorrangs einer
individuellen Lösung zur Vertragsergänzung ist es dem Richter nicht verwehrt, sofern es
ihm im Einzelfall als angemessen erscheint, den Vertrag nach dispositivem Gesetzesrecht
oder der Verkehrsübung zu ergänzen. Allerdings ist zu überprüfen, ob dieses Vorgehen mit
der ursprünglichen Ablehnung der dispositiven Regelung durch die Parteien vereinbar ist.575
Die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 OR ist hingegen nach Ansicht des Bundesgerichts nicht
anwendbar „wenn die Vertragsparteien einen Nebenpunkt weder geregelt noch seine
Regelung einer späteren Vereinbarung vorbehalten haben“576; in diesem Fall ist auf
dispositives Gesetzesrecht zur Lückenfüllung zurückzugreifen.577
III. PROZESSUALES
Die Vereinbarung eine Entgeltes oder eines Zinses sowie dessen Form und Höhe ist
gemäß Art. 8 ZGB regelmäßig vom Darleiher zu beweisen.578 Abweichend von dieser
Grundregel kommt es beim Darlehen im kaufmännischen Verkehr zu einer Umkehr der
Beweislast, da die Pflicht zu Leistung von Zinsen aufgrund von Art. 313 Abs. 2 OR
vermutet wird. Dies gilt hingegen nicht für die Vereinbarung eines anderen Entgelts als
eines Zinses. Aufgrund der Vereinbarung hat der Borger zu beweisen, dass abweichend von
der gesetzlichen Vermutung ein unverzinsliches Darlehen vereinbart wurde, während der
Darleiher regelmäßig für die Behauptung beweispflichtig ist, dass das Darlehen tatsächlich
im kaufmännischen Verkehr gewährt wurde.579 Ebenso ist der Darleiher im kaufmännischen
Verkehr i.d.R. als Kläger für die Höhe des Zinssatzes beweispflichtig.580 Sofern ein flexibel
an einem Referenzzinssatz orientierter Zins vereinbart wurde, trägt der Darleiher die
Beweislast für die Höhe des Referenzsatzes über die gesamte Laufzeit des Darlehens. Falls
er den Beweis nicht erbringen kann, muss er die Folgen tragen und das Gericht setzt nach
der bisherigen Rechtsprechung den Anspruch auf den subsidiären gesetzlichen Zinssatz von
573 MERZ, BK, Art. 2 ZGB N 145. 574 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 23 f.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, ZK, Art. 2 OR N 51. 575 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 25; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, ZK, Art. 2 OR N 52. 576 BGE 83 II 522 E. a. 577 KUT/SCHNYDER, CHK, Art. 2 OR N 6. 578 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 7b; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 131. 579 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 131; KUMMER, BK, Art. 8 ZGB N 352. 580 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 7b.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
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5% p.a. fest.581 Im Betreibungsbegehren muss die Zinsforderung nicht genau angegeben
werden, sondern es genügt die Angabe der Kapitalforderung, des Zinssatzes und der
Fälligkeit (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG). Sofern der Zinssatz ausdrücklich fixiert wurde
oder sich ohne weiteres bestimmen lässt, gilt der Darlehensvertrag als provisorischer
Rechtsöffnungstitel für die Zinsforderung.582
IV. VERJÄHRUNG
Der Rückzahlungsanspruch des Darleihers verjährt gemäß Art. 127 OR zehn Jahre
nach der Fälligkeit der Forderung (Art. 130 Abs. 1 OR). Sofern der Eintritt der Fälligkeit
eine Kündigung voraussetzt beginnt die Verjährung mit jenem Tag auf den die Kündigung
zulässig ist. Da das unbefristete Darlehen nach der dispositiven gesetzlichen Regelung
jederzeit mit einer Frist von 6 Wochen gekündigt und damit fällig gestellt werden kann,
würde die Verjährung zehn Jahre und sechs Wochen nach der Auszahlung der Valuta
eintreten (Art. 318 i.V.m. Art. 130 Abs. 2 OR). Daraus folgt beim unbefristeten Darlehen,
dass der Rückzahlungsanspruch aus langfristigen Verträgen bereits verjähren könnte bevor
er überhaupt fällig werden würde.583 Die herrschende Lehre584 und Rechtsprechung585 kann
wohl dieser Ansicht zugeordnet werden, während eine andere Lehrmeinung die Ansicht
vertritt, dass der Rückforderungsanspruch beim unbefristeten Darlehen, wie beim
Hinterlegungsvertrag und dem Auftrag, erst 10 Jahre nach der tatsächlichen Beendigung
verjähren sollte, da auch beim Darlehen die Rückerstattungspflicht nicht von Anfang an
bestehe.586 Praktisch bedeutsam ist diese Problematik aber nur beim unverzinslichen
Darlehen ohne Amortisationspflicht, da Amortisationszahlungen oder Zinszahlungen die
Verjährung gemäß Art. 135 Ziff. 1 OR unterbrechen. Ebenso wird die Verjährung im
Kontokorrentverkehr durch die Novation der Schuld unterbrochen.587
V. ZUSAMMENFASSUNG
Im Darlehensrecht gilt, wie gezeigt, eine differenzierte gesetzliche Ordnung
betreffend die Verzinsung. Nur für das Darlehen im kaufmännischen Verkehr wird die
Verzinslichkeit vom Gesetz vermutet, während im bürgerlichen Verkehr das unverzinsliche
Darlehen den gesetzlichen Regelfall darstellt. Die Vereinbarung einer Zinspflicht ist folglich
581 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 7b. 582 STÜCHELI, S. 373; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 7b. 583 HONSELL, OR BT, S. 264. 584 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 318 OR N 28; V. THUR/ESCHER, § 80 S. 220; GUHL/KOLLER, § 45 N 25;
BUCHER, OR AT, S. 197; BERTI, ZK, Art. 130 OR N 23, 59; V. BÜREN, S. 116. 585 BGE 91 II 442 E. 5b (obiter dictum); BGE 50 II 401. 586 MAURENBRECHER (1995), S. 260 f.; HIGI, ZK, Art. 315 OR N 22; zu Auftrag und Hinterlegung: BGE 91 II 442 E. 5b. 587 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 318 OR N 29.
§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________
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kein notwendiger Bestandteil eines Darlehensvertrages und ebenso sind der anwendbare
Zinssatz oder seine Bestimmungsfaktoren keine notwendigen Bestandteile einer
Vereinbarung über ein verzinsliches Darlehen. Die Höhe des Zinssatzes richtet sich
grundsätzlich nach der Vereinbarung der Parteien. Falls die Parteien keinen Zinssatz
ausdrücklich vereinbart haben und auch kein Zinssatz zumindest bestimmbar ist, stellt das
Gesetz subsidiär die Vermutung für den üblichen Zinssatz am Ort und zur Zeit des
Darlehensempfangs für die betreffende Art von Darlehen auf. Ein solcher üblicher Zinssatz
könnte, insbesondere für Darlehen im kommerziellen Kreditgeschäft, aus einem
Referenzzinssatz für die Refinanzierungskosten des Darleihers und einer Marge für das mit
dem Kredit verbundenen Gegenparteirisiko, allgemeine Kosten des Darleihers und einen
anteiligen Gewinn bestehen, d.h. aus den gleichen Komponenten, die kommerzielle
Kreditgeber regelmäßig zur Bestimmung ihrer Zinssätze heranziehen. Aufgrund der
Vielzahl möglicher Bestimmungsfaktoren für die Höhe des anzuwendenden Zinssatzes muss
aber die Höhe der Marge und damit der resultierende Zinssatz unter Berücksichtigung der
individuellen Eigenschaften des betroffenen Vertrages bestimmt werden, da auch im
kommerziellen Kreditgeschäft sich die Zinssätze stark aufgrund der Bonität des Borgers und
allfälliger Sicherheiten unterscheiden. Alternativ kommt m.E. sowohl im bürgerlichen als
auch im kaufmännischen Verkehr der durchschnittliche Kontokorrentzinssatz für Schweizer
Franken zur Zeit des Darlehensempfangs für den Nachweis des üblichen Zinssatzes in
Betracht, da dieser Zinssatz das Zinsniveau widerspiegelt, zu dem sich ein durchschnittlich
solventer Borger bei Banken kurzfristig Liquidität verschaffen könnte. Aufgrund seiner
Funktion als Überziehungszinssatz liegt dieser Zinssatz aber i.d.R. am oberen Ende der
üblichen Zinsspanne.588 Einen subsidiären Zinssatz legt das OR im Darlehensrecht nicht
fest, daher kommt in der Praxis der Zinssatz von 5% p.a. gemäß Art. 73 Abs. 1 OR zur
Anwendung, wobei im Fall der Beweislosigkeit des Gläubigers bezüglich des Zinssatzes
auch die vollständige Verweigerung eines Zinses durch das Gericht in Frage kommt. Falls
die Parteien die Höhe des Zinssatzes bewusst offengelassen haben, können sie auf
Ergänzung des Vertrages und Festlegung der Höhe des vereinbarten Zinssatzes nach der
Natur des Geschäfts klagen.
588 Der Zinssatz für nicht-vereinbarte und ungesicherte Überziehungen lag bei den Zürcher Geschäftsbanken im
November 2010 bei durchschnittlich 9.5% p.a., zzgl. einer üblichen Kreditkommission von ¼% pro Quartal,
während der 3-Monats-LIBOR für Schweizer Franken zum gleichen Zeitpunkt 0.18% betrug.
94
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG
I. DER VERZUG
Der Begriff des Schuldnerverzugs beschreibt die „objektiv pflichtwidrige Verspätung
der Erfüllung“589 einer Schuldpflicht durch den Schuldner. Er ist einer der nicht einheitlich
im OR behandelten Tatbestände der Leistungsstörungen und steht neben der Nichtleistung
(Unmöglichkeit) und der Schlechtleistung (positive Vertragsverletzung).590 Im Gegensatz
zur Nichterfüllung enthält der Begriff des Verzugs keine Aussage über die endgültige
Erfüllung oder das Ausbleiben der vereinbarten Leistung.591 Sobald die Erfüllung der
Leistung nicht mehr möglich ist kann per definitionem auch kein Schuldnerverzug mehr
vorliegen. Mit dessen Ende wandelt sich der Erfüllungsanspruch des Gläubigers der
ausgebliebenen Leistung in einen sekundären Schadenersatzanspruch.592
A VORAUSSETZUNGEN
Damit ein Fall des Schuldnerverzugs nach Art. 102 OR vorliegt, müssen folgende
Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss die Erfüllung einer versprochenen Leistungspflicht
ausbleiben, obwohl die Erfüllung möglich wäre. Zudem muss die betroffene Leistung fällig und
der Schuldner gemahnt worden sein. Zuletzt muss die Nichtleistung objektiv pflichtwidrig sein.593
1. NICHTLEISTUNG TROTZ MÖGLICHKEIT ZUR LEISTUNG
Die erste Voraussetzung grenzt den Schuldnerverzug von den anderen Tatbeständen
der Leistungsstörungen ab. Notwendig ist, dass der Schuldner die Erbringung seiner Leistung
schuldig bleibt, obwohl die Erbringung möglich wäre. Das Ausbleiben der Leistung grenzt den
Verzug von der positiven Vertragsverletzung ab, bei der die Leistung nicht gehörig erbracht
wird.594 Die zweite Voraussetzung, dass die Leistungserbringung grundsätzlich noch möglich
ist, grenzt den Verzug von den Tatbeständen der Unmöglichkeit ab. Eine Leistung ist nur dann
objektiv unmöglich, wenn sie „unabhängig von der Person des konkreten Schuldners, auch von
einem beliebigen Schuldner nicht erbracht werden könnte“ und zwar sowohl für Fälle der
tatsächlichen als auch der rechtlichen Unmöglichkeit.595 Im Gegensatz dazu ist eine Leistung
subjektiv unmöglich, wenn sie lediglich für den konkreten Schuldner, aber nicht für jede
589 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2656. 590 SCHWENZER, N 60.02. 591 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2656. 592 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 135. 593 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2657; SCHWENZER, N 65.02. 594 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2619. 595 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2558 ff.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
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andere Person, unmöglich ist; sie wird daher auch als „Unvermögen“ bezeichnet. Diesen Fall
ordnet die überwiegende Lehre unter die Regeln der Unmöglichkeit ein,596 während eine u.a.
von GAUCH vertretene Mindermeinung die subjektive Unmöglichkeit ebenfalls unter die
Regeln des Schuldnerverzugs subsumieren will.597 Das Bundesgericht hat bisher nicht zur
Klärung dieser Frage beigetragen. Vorliegend soll der herrschenden Lehre gefolgt werden und
die subjektive Unmöglichkeit nicht als Fall des Schuldnerverzugs behandelt werden.
2. FÄLLIGKEIT
Eine ausbleibende Leistung kann die Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs nur dann
auslösen, wenn die Forderung des Gläubigers erfüllbar und fällig ist (Art. 102 Abs. 1 OR).
Vor dem Eintritt der Fälligkeit der Forderung ist der Schuldner nicht zur Leistung
verpflichtet und er kann nicht in Verzug geraten. Ab dem Zeitpunkt indem die Fälligkeit
eintritt kann der Gläubiger hingegen die Leistung einfordern und einklagen.598 Die Fälligkeit
einer Forderung kann jedoch ausgeschlossen oder aufgehoben werden durch die Geltend-
machung einer Einrede (z.B. Verjährung oder Einrede des nicht erfüllten Vertrags). Eine
bestehende aber nicht geltend gemachte Einrede hindert die Fälligkeit nicht, da die Einrede
nicht zur Aufhebung der Verpflichtung des Schuldners führt, sondern ihm nur eine Befugnis
zur Leistungsverweigerung gibt. Macht der Schuldner von seiner Einrede keinen Gebrauch,
dann kommt er bei Nichtleistung der fälligen und gemahnten Schuld in Verzug.599
3. MAHNUNG
a. GRUNDSATZ
Als weitere Voraussetzung für das Einsetzen des Verzugs bestimmt Art. 102 Abs.
1 OR die Mahnung durch den Gläubiger. Darunter versteht man die „unmissverständliche
Aufforderung der Gläubigerin an den Schuldner, die geschuldete Leistung zu erbringen“600,
d.h. sie muss „den auf Vornahme der Leistung gerichteten Willen des Gläubigers bestimmt
und deutlich zum Ausdruck bringen“601 und unzweideutig bestimmen auf welche Forderung
sich die Leistungsaufforderung bezieht.602 Die Mahnung wird als „rechtsgeschäftsähnliche
Willensäußerung“ qualifiziert, auf welche die Regeln über das Rechtsgeschäft angewendet
werden. Sie ist an keine Form gebunden, kann also mündlich oder schriftlich erfolgen, und
596 SCHWENZER, N 63.13; WEBER, BK, Art. 97 OR N 121; WIEGAND, BSK, Art. 97 OR N 13. 597 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2619; V. BÜREN, S. 365, 390 f.; SCHÖNLE, ZK, Art. 184 OR N 169, 176;
SCHENKER (1987), N 17. 598 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 136; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2659, 2156. 599 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 136, § 62 S. 51; LARENZ, S. 349 f.; ENNECCERUS/LEHMANN, § 51 II 1. 600 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2619. 601 BECKER, BK, Art. 102 OR N 8. 602 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 136, vgl. auch FN 13.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
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kann befristet oder bedingt sein, sofern dem Schuldner daraus „keine ungebührliche
Unsicherheit des Leistungstermins erwächst“603. Die Mahnung ist empfangsbedürftig und
entfaltet ihrer Wirkungen erst mit dem Eintreffen beim Schuldner bzw. ab einem ihm
zumutbaren Zeitpunkt, wenn die Zustellung an einem unpassenden Ort oder zur Unzeit
erfolgt.604 Umstritten ist in der Lehre hingegen der Zeitpunkt zu dem der Verzug eintritt. Ein
Teil der Lehre vertritt die Position, dass der Schuldner unmittelbar in Verzug gerät605,
während eine andere Lehrmeinung dem Schuldner zunächst noch eine Reaktionszeit zur
Vornahme der vertraglich geschuldeten Leistung zugesteht, bevor er in Verzug gerät.606
Eine Mahnung ist grundsätzlich immer erforderlich, es sei denn es liegt eine der
nachfolgenden Ausnahmen vor.
b. AUSNAHMEN
i. VERFALLTAG NACH PARTEIVEREINBARUNG
Nach Art. 102 Abs. 2 OR kann auf die Mahnung einer fälligen Forderung
verzichtet werden, sofern sich aus der Parteivereinbarung ein bestimmter Tag ergibt an dem
die Leistung erbracht werden muss.607 Durch die Abmachung eines Verfalltags hat der
Gläubiger bereits unmissverständlich ausgedrückt, dass er vom Schuldner die Vornahme der
fälligen Leistung erwartet und verlangt. Entsprechend dem Prinzip: Dies interpellat pro
homine608 ist eine Mahnung oder das Abwarten einer Reaktionszeit nicht mehr erforderlich,
sondern der Verzug tritt mit Ablauf des Verfalltags ein.609 Aufgrund dieser Wirkung muss
der Verfalltag genau bestimmt sein, d.h. am besten durch Festlegung eines Kalenderdatums
oder allenfalls durch Angaben welche die Bestimmung des Leistungstages mit Sicherheit
erlauben. Sofern eine Frist zur Leistungsvornahme vereinbart wird gilt deren letzter Tag als
Verfalltag. Ist die Verfallzeit noch genauer bestimmt, so beginnt der Verzug nicht auf den
folgenden Tag, sondern mit Ablauf der festgelegten Zeit.610 Ungenaue Vereinbarungen wie
z.B. sobald als möglich oder nach Ablieferung der Ware begründen keinen der Mahnung
entbehrenden Verfalltag.611 Ebenfalls kein Verfalltag liegt vor, wenn sich die Fälligkeit
nicht aus einer Parteivereinbarung, sondern direkt aus einer speziellen Gesetzesbestimmung
ergibt bzw. aus der subsidiären sofortigen Fälligkeit nach Art. 75 OR.612
603 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 137. 604 WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 7; V. THUR/ESCHER, § 72 S. 137 f. 605 BUCHER, OR AT, S. 358; KELLER/SCHÖBI, Bd. I, S. 266. 606 SCHENKER, recht 1989, S. 53; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2727; WEBER, BK, Art. 102 OR N 106. 607 SCHENKER (1987), N 79 ff. 608 Der Tag mahnt anstelle des Menschen. 609 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2711; SCHENKER (1987), N 85. 610 SCHENKER, recht 1989, S. 52. 611 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 138 f. 612 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 139; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2712 f.
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ii. VERFALLTAG NACH KÜNDIGUNG
Ein Verfalltag nach Art. 102 Abs. 2 OR kann sich auch aufgrund einer Kündigung
des Rechtsverhältnisses ergeben. In diesem Fall muss die Kündigungsmöglichkeit jedoch
vertraglich vereinbart sein und vereinbarungsgemäß ausgeübt worden sein.613 Dadurch
ergibt sich im Umkehrschluss die Annahme, dass eine Kündigung, die auf einer gesetzlichen
Bestimmung beruht, die Wirkung des Verfalltags nicht zeitigt, wobei dies nicht gelten kann
falls die Parteien die gesetzliche Kündigung oder Fälligkeit in ihre Vereinbarung
übernommen haben.614 Beim unbefristeten Darlehen beispielsweise bestimmt Art. 318 OR
keinen Verfalltag sechs Wochen nach der ersten Aufforderung, sofern die Parteien dies nicht
in den Vertrag aufgenommen haben.615 Letztlich sollte aber die zweifelsfreie und
unzweideutige Bestimmbarkeit des Tages entscheidend sein bis zu dem die Leistung zu
erbringen ist und nicht allein ob die Parteien die gesetzliche Regelung in den Vertrag
übernommen haben. Daher sollte ein Verfalltag angenommen werden, wenn der
Kündigende, der sich auf eine gesetzliche Kündigungsmöglichkeit bezieht, die gesetzlich
vorgesehen Frist bzw. den Termin des Vertragsendes in seiner Kündigung mitteilt.616
iii. ANTIZIPIERTER VERTRAGSBRUCH
Das Konzept des antizipierten Vertragsbruchs wird von Lehre und Recht-
sprechung aus einer analogen Anwendung von Art. 108 Ziff. 1 OR abgeleitet. Dieser
bestimmt, dass die Ansetzung einer Nachfrist durch den Gläubiger vor der Ausübung seines
Wahlrechtes unterbleiben kann, wenn sich aus dem Verhalten des Schuldners ergibt, dass
deren Ansetzung keinen Nutzen bringen würde. Dies dürfte regelmäßig dann gegeben sein
wenn der Schuldner „klar und definitiv erklärt“, dass er trotz Fälligkeit und Mahnung „die
Leistung nicht erbringen“ werde.617 Obwohl sich diese Bestimmung eindeutig nur auf das
Verhalten des Schuldners nach Eintreten des Verzugs bezieht, wird von Lehre und
Rechtsprechung die analoge Anwendung auf die Zeit vor Eintritt des Verzugs und damit die
Möglichkeit zum Verzicht auf die verzugsbegründende Mahnung vertreten, sofern die
Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner bestimmt und endgültig erfolgt.618 Dabei
differenziert SCHENKER, dass es sich eigentlich nicht um ein Problem des Verzugs handele,
da der Schuldner erst bei pflichtwidriger Nichtleistung in Verzug geraten könne. Bei einer
613 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2717. 614 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 139 f. 615 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 139, insb. FN 40. 616 SCHENKER (1987), N 217 f.; WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 10; BUCHER, OR AT, S. 359, insb. FN 116;
GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2720; V. THUR/ESCHER, § 72 S. 139. 617 BGer 4C.58/2004 E. 3.3 v. 23.06.2004. 618 BUCHER, OR AT, S. 363; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2722; SCHWENZER (1987), N 66.19; RAMPINI, N 561 f.;
KELLER/SCHÖBI, Bd. I, S. 266; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 102 OR N 15 f.; a.A.: WEBER, BK, Art. 108 N 13; BGer
4C.58/2004 E. 3.3 v. 23.06.2004; BGE 110 II 141 E. 1b = Pra 1984 Nr. 210; BGE 94 II 26 E. 3 = Pra 1968 Nr. 147.
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vor der Fälligkeit ausgesprochenen Erfüllungsverweigerung könne der Schuldner nicht in
Verzug geraten, sondern es liege ein antizipierter Vertragsbruch vor, der es rechtfertige, dass
der Gläubiger bereits sein Wahlrecht analog Art. 107-109 OR ausübe, da er nicht
gezwungen werden könne, an einen synallagmatischen Vertrag gebunden zu bleiben, wenn
die Gegenpartei mit Gewissheit ein vertragswidriges Verhalten in Aussicht stelle.619 Daher
könne der Gläubiger zwar nicht auf die Mahnung verzichten, sie aber bereits vor dem
Termin der Fälligkeit vornehmen und ab dem Fälligkeitszeitpunkt die Rechte aus Art. 103-
106 OR wahrnehmen.620 Dieser differenzierten Auffassung ist m.E. zuzustimmen.
iv. ENTZUG VOR MAHNUNG
Mit Eintritt der Fälligkeit ist auch der Verzug anzunehmen wenn sich der
Schuldner bewusst einer Mahnung entzogen hat bzw. ihre erfolgreiche Zustellung verhindert
hat, da er in diesen Fällen nicht schützenswert erscheint (analog Art. 156 OR).621
v. EINSEITIGE ERKENNBARKEIT
Zuletzt kann gemäß herrschender Lehre auf eine Mahnung verzichtet werden, wenn
der Schuldner den Leistungszeitpunkt aufgrund der gegebenen Verhältnisse als einziger
erkennen kann. In diesem Fall, der z.B. im Auftragsrecht auftritt, gerät der Schuldner ohne
Mahnung in Verzug, falls er seinen Pflichten nicht rechtzeitig nachkommt.622
4. PFLICHTWIDRIGKEIT
Die Pflichtverletzung beim Schuldnerverzug besteht in der verspäteten Erbringung
einer möglichen, fälligen und gemahnten Schuld. Nicht erforderlich für den Verzugseintritt
ist ein Verschulden des Schuldners für die verspätete Leistung. Für einen Teil der
Verzugsfolgen wird hingegen ein Verschulden vorausgesetzt.623 Zudem kann die verspätete
Erfüllung in den folgenden Fällen gerechtfertigt und daher nicht pflichtwidrig sein.
Einerseits kann der Schuldner nicht in Verzug geraten wenn sich der Gläubiger bereits in
Gläubigerverzug befindet, d.h. nicht zur geforderten Mitwirkung bereit ist und daher die
Leistung auch nicht einfordern kann. Trotz Fälligkeit und Mahnung ist die ausbleibende
Erfüllung in diesem Fall keine Pflichtverletzung.624 Andererseits liegt keine verzugs-
619 SCHENKER (1987), N 225. 620 SCHENKER (1987), N 226. 621 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 141; BECKER, Art. 102 OR N 36; WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 11. 622 WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 11; FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 166; WEBER, BK, Art. 102 OR N 143;
V. THUR/ESCHER, § 72 S. 140. 623 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2661; WIEGAND, BSK, Vor Art. 102-109 OR N 2; MERZ (2002), S. 15. 624 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2664; V. THUR/ESCHER, § 72 S. 142; MERZ (2002), S. 24.
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begründende Pflichtwidrigkeit des Schuldners vor, wenn dieser eine Einrede geltend macht.
Der bloße Bestand der Einrede genügt nach der schweizerischen Lehre hingegen nicht.625
B RECHTSFOLGEN
Die Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs sind in den Art. 103-109 geregelt. Sie treten
teilweise unmittelbar mit Eintritt des Verzugs ein, während andere vom Verschulden des
Schuldners bzw. dem Misslingen des Exkulpationsbeweises abhängen. In jedem Fall kann
der Schuldner seine Leistung weiterhin vereinbarungsgemäß erbringen, es sei denn dass der
Sonderfall eines Fixgeschäfts vorliegt (Art. 108 Abs. 3 OR). Mit dem Eintreten des Verzugs
kann der Gläubiger zudem seine Forderung klageweise einfordern und seinen Anspruch
vollstrecken lassen.626 Er hat Anspruch auf Schadenersatz, kann sich von der Haftung
befreien und hat letztendlich die Möglichkeit vom Vertrag zurückzutreten.627
1. VERSCHULDENSUNABHÄNGIG
Ohne dass ein Verschulden des Schuldners vorausgesetzt wäre, hat der Gläubiger
einer Geldschuld von Beginn des Verzugs an Anspruch auf Verzugszinsen (Art. 104 OR).628
Außerdem kann der Gläubiger, wenn die Erfüllung auch nach Ansetzen einer Nachfrist
ausbleibt, gemäß Art. 107 Abs. 2 i.V.m. Art. 109 OR vom Vertrag zurücktreten und den
Ersatz des Vertrauensschadens verlangen.629 Die Regelung über den Verzugszins soll im
folgenden Abschnitt detailliert betrachtet werden. 630
2. BEI VERSCHULDEN DES SCHULDNERS
Sofern den Schuldner ein Verschulden an der Nichterfüllung seiner Leistungs-
pflicht trifft bzw. falls er den Exkulpationsbeweis nicht erbringen kann, hat der Gläubiger
gegenüber dem Schuldner, gemäß Art. 103 Abs. 1 i.V.m. Art. 107 Abs. 2 OR 1. Alternative,
einen Anspruch auf Ersatz des ihm durch den Verzug entstandenen Schadens. Der Gläubiger
kann aber auch, nach Art. 107 Abs. 2 OR 2. Alternative, auf die Erfüllung endgültig
verzichten und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.631 Falls der Schuldner auf
Erfüllung beharrt, bleibt der Schadenersatzanspruch nach Art. 103 OR bestehen und kann
kumulativ mit dem Erfüllungsanspruch geltend gemacht werden.632 In jedem Fall greift nach
625 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2665; WEBER, BK, Art. 82 OR N 212 ff., Art. 83 OR N 62; KOLLER, FS Kramer, S. 521 f. 626 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2667 ff. 627 WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 3. 628 SCHWENZER, N 66.08. 629 WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 3; V. THUR/ESCHER, § 72 S. 141; SCHWENZER, N 66.30, 66.34. 630 Siehe § 6 II. 631 WIEGAND, BSK, Vor Art. 102-109 OR N 3. 632 SCHWENZER, N 66.05; BUCHER, OR AT, S. 360.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
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Art. 103 Abs. 1 OR eine Haftungsverschärfung, d.h. dass allfällige vertragliche
Beschränkungen der Haftung entfallen und der Schuldner auch für leichte Fahrlässigkeit und
für den Zufall einzustehen hat.633 Kann der Schuldner den Exkulpationsbeweis nicht
erbringen steht ihm zudem die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten zur
Entlastung offen, d.h. er kann den Nachweis erbringen, dass der gleiche Zufall auch bei
rechtmäßiger und rechtzeitiger Erfüllung den Schaden des Gläubigers verursacht hätte.634
3. GELDSCHULDEN
Handelt es sich bei der verzugsbehafteten Verbindlichkeit um eine Geldschuld, so
tritt neben den verschuldensunabhängigen Anspruch auf Verzugszins nach Art. 104 OR noch
ein Anspruch auf weiteren Schadenersatz. Gemäß Art. 106 OR bezieht sich dieser auf jenen
Schaden, der die pauschalen Verzugszinsen übersteigt und ist im Gegensatz zum Verzugszins
abhängig vom Verschulden des Schuldners bzw. vom Misslingen des Exkulpations-
beweises.635 Auf diesen erweiterten Schadenersatz wird später detaillierter eingegangen.636
II. DER VERZUGSZINS
A BEGRIFF
Art. 104 Abs. 1 OR bildet die rechtliche Grundlage für den Verzugszins und damit
für einen Anspruch des Gläubigers einer Geldforderung auf verschuldensunabhängigen
pauschalen Ersatz des ihm durch den Verzug des Schuldners entstandenen Schaden.637
Die Höhe des Anspruches bestimmt sich aufgrund der dispositiven gesetzlichen
Bestimmung, vorbehaltlich eines höheren vertraglich vereinbarten Zinssatzes. Eine
Sonderordnung besteht zudem im kaufmännischen Verkehr. Alle drei Varianten sind
Ausprägungen des gleichen materiellen Anspruchs auf pauschalierten Schadenersatz, einzig
der anwendbare Zinssatz unterscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalls.638
B RATIO LEGIS
Der Grund für die verschuldensunabhängige Pflicht des Schuldners zur Zahlung von
Verzugszinsen für die Dauer der ungerechtfertigten Nichterfüllung seiner vertraglichen
Pflicht zu Leistung einer Geldschuld beruht auf der Überlegung, dass Geld im Gegensatz zu
633 WIEGAND, BSK, Art. 103 OR N 8 ff.; SCHWENZER, N 66.06. 634 SCHWENZER, N 66.07; WIEGAND, BSK, Art. 103 OR N 10 f.; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2682. 635 WEBER, BK, Art. 102 OR N 160; WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 2; SCHWENZER, 66.12; BUCHER, OR AT, S. 361 f. 636 Siehe § 6 III. 637 HABSCHEID (1994), S. 287; SCHENKER (1998), S. 35. 638 HABSCHEID (1994), S. 287.
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anderen Gegenständen einer Schuldpflicht jederzeit gewinnbringend angelegt werden kann
bzw. angelegt wird, sofern es nicht dem unmittelbaren Verbrauch dient. Daher erlangt
einerseits der Verzugsschuldner einen Vorteil dadurch, dass er das geschuldete Kapital
gewinnbringend verwendet oder sich den Aufwand für dessen anderweitige Beschaffung
erspart. Andererseits erleidet der zwangsweise wartende Gläubiger dadurch einen
wirtschaftlichen Nachteil, dass er das geschuldete Kapital nicht für eine andere Nutzung
gewinnbringend verwenden kann oder sich selbst von einem Dritten Kapital gegen die
Zahlung eines Entgelts leihen muss, um eigene Verbindlichkeiten rechtzeitig zu erfüllen.639
Das Gesetz greift beide Aspekte auf und soll primär dem Gläubiger seinen Nachteil ersetzen
und allenfalls auch einen Vorteil des Schuldners abschöpfen. Der Ersatz der Entbehrung des
Gläubigers wird allerdings auf den Nutzungsausfall auf dem Kapital beschränkt, während
Art. 105 Abs. 1 OR die Zinsen von der Verzugszinspflicht ausnimmt. Der Gesetzgeber ging
dabei von der Annahme aus, dass diese i.d.R. zum Verbrauch und nicht zur Erwirtschaftung
einer Rendite genutzt würden und daher dem Gläubiger durch deren Ausbleiben kein
finanzieller Nachteil entstünde, der durch eine Verzinsung ausgeglichen werden müsste.640
Ein unrechtmäßiger Vorteil des Schuldners soll dadurch verhindert werden, dass gemäß Art.
104 Abs. 2 OR ein höherer Vertragszins auch im Verzug weiter zu leisten ist und der
Schuldner nicht durch einen niedrigeren Zinssatz im Verzug belohnt wird.641 Die
Verzugszinspflicht soll möglichst verhindern, dass sich der Verzug für den säumigen
Schuldner finanziell auszahlt und muss zudem eine gewisse generalpräventive Wirkung
haben, so dass es sachgerecht ist die pauschale Ersatzleistung weder vom Nachweis eines
konkreten Schadens des Gläubigers oder eines Vorteils des Schuldners abhängig zu
machen.642 Selbst wenn der Schuldner das fällige Geld nicht genutzt hat oder aus
entschuldbarem Irrtum nicht von seiner Pflicht wusste tritt die pauschale Ersatzfolge ein, da
der Zweck in der Entschädigung des Gläubigers besteht.643
C BEGINN UND ENDE DER ZINSPFLICHT
Der Beginn der Verzugszinspflicht ist abhängig von der Art wie der Schuldner in
Verzug gesetzt wird und berechnet sich gemäß den allgemeinen Bestimmungen des OR
(Art. 77 Abs. 1 Ziff. 1 OR). Im Fall der Mahnung beginnt der Verzugszins i.d.R. am Tag
nach deren Eintreffen beim Schuldner, beim Fristablauf ist der Tag nach dem letzten Tag
der Frist maßgeblich und sofern ein Verfalltag vorliegt beginnt der Verzugszins am darauf
639 SCHENKER (1987), N 337; HABSCHEID (1994), S. 288; SCHWENZER, N 66.08; BUCHER, OR AT, S. 361 f.;
BGE 123 III 241 E. 4b. 640 SCHENKER (1987), N 338; BECKER, BK, Art. 105 OR N 1. 641 SCHENKER (1987), N 339 f. 642 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2693; BUCHER, OR AT, S. 361 f. 643 WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 1; BUCHER, OR AT, S. 361 f.; WEBER, BK, Art. 104 OR N 35 f.
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folgenden Tag. Das Ende der Zinspflicht ist hingegen immer die Beendigung des Verzugs.
Dabei dürfte es sich häufig um die nachträgliche Erfüllung der Schuld handeln, aber auch
die Hinterlegung oder der Verzicht des Gläubigers kommen in Betracht, ebenso wie ein
Annahmeverzug des Gläubigers bzw. dessen Schuldnerverzug bei Zug-um-Zug-
Geschäften.644
D HÖHE DES ZINSSATZES
1. GESETZLICHER ZINSSATZ
Der dispositive gesetzliche Zinssatz nach Art. 104 Abs. 1 OR beträgt fix 5% p.a.
Er gilt selbst dann, wenn vertraglich für die ursprüngliche Forderung ein geringerer Zinssatz
vereinbart wurde. Der gesetzliche Zinssatz tritt hingegen hinter eine gegebenenfalls höhere
Parteivereinbarung zurück und ist insofern nicht absolut zwingend, sondern bildet eine
dispositive Mindestentschädigung. Ebenso kann im kaufmännischen Verkehr die
abweichende Regelung von Art. 104 Abs. 3 OR die Mindestzinshöhe von 5% p.a.
verdrängen.645
2. VERTRAGLICHE VEREINBARUNG
Der gesetzliche Zinssatz zur Verzinsung von Gelschulden im Verzug kann durch
einen abweichenden Vertragszinssatz verdrängt werden. Haben die Parteien für die
ursprüngliche Schuld einen höheren Zinssatz als 5% p.a. vereinbart, so gilt dieser auch für
die Dauer des Schuldnerverzugs.646 Die Parteien brauchen die Möglichkeit einer
Anwendung des Vertragszinses im Verzug nicht vorauszusehen, können diesen Fall aber
auch in Form eines speziellen gewillkürten Verzugszinssatzes regeln.647 Ein vertraglich
vereinbarter Verzugszinssatz kann höher oder tiefer als 5% p.a. sein; es gilt nicht wie beim
fortgesetzten Vertragszins eine faktische Untergrenze.648 Durch die Bestimmung des Art
104 Abs. 2 OR soll verhindert werden, dass der Gläubiger im Verzug, während dem er dem
Schuldner ein unfreiwilliges Darlehen gewährt, schlechter gestellt wird als unter den
vereinbarten Konditionen. Andererseits soll auch der Schuldner während der Zeit seiner
Säumnis keinen zusätzlichen Vorteil erlangen, indem er das Kapital zu besseren
Konditionen als zuvor gebrauchen kann.649 Neben dem vertraglich vereinbarten Zinssatz
erwähnt das Gesetz auch die sog. periodische Bankprovision. Unter dem Begriff ist nach der
644 WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 3; WEBER, BK, Art. 104 OR N 38 ff, 46 ff. 645 WEBER, BK, Art. 104 OR N 62 ff.; SCHENKER (1998), S. 35; WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 4; V. THUR/ESCHER, § 73 S. 146. 646 BGE 130 III 312 E. 7.1. 647 SCHENKER (1987), N 367. 648 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2690; BGE 117 V 349 E. 3b. 649 SCHENKER (1987), N 367.
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Praxis650 und der herrschenden Lehre ebenfalls ein Zins zu verstehen, der dem vertraglichen
gleichgestellt ist.651 Unabhängig davon ob der gesetzliche Zinssatz, der fortgeführte
Vertragszinssatz oder ein gewillkürter Verzugszinssatz anwendbar ist, handelt es sich
dogmatisch betrachtet immer um einen Verzugszins, für den die entsprechenden
Rechtsfolgen gelten (z.B. bzgl. der Haftung des Bürgen nach Art. 499 OR).652
3. SONDERORDNUNG UNTER KAUFLEUTEN
a. BEGRIFF DER KAUFLEUTE
Für den Verzugszins im Verkehr unter Kaufleuten hält Art. 104 Abs. 3 OR eine
Sonderordnung bereit. Die herrschende Lehre stellt für deren Anwendbarkeit aber, entgegen
dem eindeutigen Wortlaut, nicht auf die subjektive Eigenschaft als Kaufmann ab, sondern
analog zur Auslegung von Art. 313 Abs. 2 OR653 darauf, ob materiell ein kaufmännisches
Geschäft vorliegt (objektiv kaufmännischer Verkehr).654 Während die Vertreter des
subjektiven Verständnisses auf den Handelsregistereintrag der beteiligten Parteien abstellen
bzw. darauf ob sie der ordentlichen Konkursbetreibung unterliegen (Art. 39 SchKG)655, ist
nach der objektiven Betrachtungsweise und der Rechtsprechung des Bundesgerichts
entscheidend, ob das Geschäft zum Handelsverkehr gerechnet werden kann, d.h. ob „das
fragliche Geschäft in unmittelbarem Zusammenhang mit der umsatzbezogenen Tätigkeit der
Parteien“656 steht.657 Dieser Auffassung des Bundesgerichts ist m.E. zuzustimmen, weil
dadurch Geschäfte, die wirtschaftlich solchen unter Kaufleuten im formellen Sinn gleichen,
wie z.B. von nicht im Handelsregister eingetragenen Selbstständigen oder Geschäfte an
denen ein öffentliches Gemeinwesen beteiligt ist, ebenfalls den Regeln des kaufmännischen
Verkehrs unterstehen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise erweitert den Anwendungs-
bereich angemessen, indem bei Nicht-Kaufleuten aufgrund aller Umstände geprüft wird, ob
ein Geschäft im Handelsverkehr vorliegt, während dies bei Kaufleuten im formellen Sinn zu
vermuten ist.658
650 BGE 52 II 228 E. 3. 651 WEBER, BK, Art. 104 OR N 71; V. THUR/PETER, § 10 S. 69 FN 13; SCHENKER (1987), N 368. 652 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 104 OR N 6; V. THUR/ESCHER, § 73 S. 146 f. FN 25. 653 Siehe vorne § 5 II A 2. 654 WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 6; WIEGAND, ZBJV 1998, S. 201 f.; BGE 122 III 53 E. 4b; WEBER, BK, Art. 104
OR N 76 f.; WEBER, FS Keller, S. 330 f.; a.A.: SCHENKER (1987), N 360 ff. 655 SCHENKER (1987), N 364; KNOEPFEL, S. 21 ff; HGer ZH v. 27.09.1996, ZR 1999 Nr. 37 E. III/7b. 656 BGE 122 III 53 E. 4b. 657 WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 6; WEBER, BK, Art. 104 OR N 77; CANTIENI, S. 148 f.; GAUCH/SCHLUEP/
EMMENEGGER, N 2691. 658 WEBER, BK, Art. 104 OR N 77; WEBER, FS Keller, S. 330 f.; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2691.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
105
b. MAßGEBLICHER ZINSSATZ
Wenn ein Geschäft als Teil des Handelsverkehrs qualifiziert werden kann, ist für
die Berechnung der Verzugszinsen der übliche Bankdiskonto am Zahlungsort maßgeblich,
sofern dieser oberhalb des gesetzlichen Verzugszinssatzes von 5% p.a. liegt. Nach der
Praxis des Bundesgerichts und der wohl überwiegenden Lehre entspricht der übliche
Bankdiskonto dem Privatdiskontsatz der ortsansässigen Banken, d.h. jenem Zinssatz „den
private Bankinstitute dem Kunden berechnen, wenn dieser bei den Banken erstklassige
Wechsel diskontiert“659.660 Nicht maßgeblich ist hingegen der Diskontsatz der Nationalbank,
da dieser nicht im direkten Kundenverkehr angewendet wird, sondern nur im Verkehr mit
Banken und im Interbankengeschäft für die Diskontierung besonderer Wechsel. Allerdings
bildet dieser Leitzins i.d.R. eine Bezugsgröße für die Entwicklung der Privatkundensätze.661
Beim Privatdiskontsatz handelt es sich um einen variablen Zinssatz, der den Schwankungen
des Marktes unterliegt. Dennoch kann der Privatdiskontsatz nicht als echter Marktzins
angesehen werden, da er nicht allein durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage
bestimmt wird, sondern von den Banken und orientiert an dem von der Nationalbank
festgelegten Leitzins.662
Das Verständnis des üblichen Bankdiskontos am Zahlungsort als Privatdiskontsatz
geht darauf zurück, dass die Diskontierung von Wechseln lange die bedeutendste Quelle für
kurzfristige Finanzierungen im kaufmännischen Verkehr darstellte. Es war daher
sachgerecht diesen Diskontsatz als Referenzgröße für den pauschalen Ersatz des
Verzugsschadens heranzuziehen, da der geschädigte Gläubiger sich theoretisch zu diesem
Satz refinanzieren musste, während er auf die Erfüllung durch den säumigen Schuldner
wartete.663 Allerdings wird in der Lehre zunehmend erkannt, dass die Diskontierung von
Wechseln im Tagesgeschäft der Banken kaum oder überhaupt nicht mehr vorkommt und es
daher auch keine ortsübliche Referenzgrundlage mehr geben kann.664 Ganz im Gegenteil hat
der Kontokorrentkredit als kurzfristige Finanzierungsmöglichkeit die Stelle des Wechsel-
geschäfts eingenommen und wäre daher nach einer Lehrmeinung die adäquatere
Berechnungsgrundlage.665 Das Bundesgericht hat diesem Verständnis jedoch mit einer eng
am Wortlaut orientierten Auslegung des Begriffs Bankdiskonto eine Absage erteilt und hält
659 BGE 116 II 140 E. 5. 660 ALBISETTI/BOEMLE/EHRSAM/GSELL, S. 550 WEBER, FS Keller, S. 331; SCHENKER (1987), S. 357;
OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 104 OR N 7; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2692. 661 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 104 OR N 7; WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 6; HABSCHEID (1994), S. 289 FN 15. 662 ALBISETTI/BOEMLE/EHRSAM/GSELL, S. 550; WEBER, BK, Art. 104 OR N 81; SCHÖNLE (1993), S. 657. 663 WEBER, BK, Art. 104 OR N 80; SCHENKER (1987), N 354 f. 664 Eine Umfrage bei den großen Zürcher Banken im November 2010 hat ergeben, dass lediglich eine Bank einen
Diskontsatz für die Diskontierung von in der Schweiz ausgestellten und zahlbaren Wechseln tagesaktuell festlegt.
Bei den übrigen Banken waren keine üblichen Diskontsätze kurzfristig verfügbar. 665 WEBER, BK, Art. 104 OR N 80; SCHENKER (1987), N 356; HABSCHEID (1994), S. 289; BUCHER, OR AT, S. 362 FN 129.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
106
für diese Auslegung eine Gesetzesänderung für notwendig.666 Diese Entscheidung ist m.E.
abzulehnen, da sie die wirtschaftliche Realität verkennt und durch eine restriktive, wörtliche
Auslegung die Anknüpfung an einen angemessenen und tatsächlich bestimmbaren Zinssatz
verhindert, dessen Anwendung meiner Meinung nach vom ursprünglichen Zweck der
betroffenen Bestimmung gedeckt wäre.
c. BEWEISLAST
Wie gezeigt, besteht der Anspruch auf den Verzugszins von 5% p.a. unabhängig
vom Nachweis eines Schadens oder eines Schuldnerverschuldens. Nachzuweisen ist
lediglich der Verzug der nichterfüllten Forderung. Behauptet der Gläubiger hingegen, dass
ein abweichender vertraglicher Verzugszins oder der Diskontsatz am Zahlungsort die
dispositiven 5% p.a. im maßgeblichen Zeitraum übersteige und verlangt er vom Richter die
Anwendung des vertraglichen Zinssatzes oder des Bankdiskontsatzes unter Kaufleuten, so
hat er die Höhe des anwendbaren Zinssatzes nachzuweisen, damit die Höhe seiner
Forderung bestimmt werden kann.667 Wird hingegen im kaufmännischen Verkehr nicht der
ortsübliche Privatdiskontsatz gemäß Art. 104 Abs. 3 OR nachgewiesen, sondern ein anderer
nicht vertraglich vereinbarter Kontokorrent- oder Sollzinssatz, dann verstößt das kantonale
Gericht nach der Praxis des Bundesgerichts gegen Bundesrecht wenn es diesen Zinssatz
zuspricht.668 Gelingt dem Gläubiger der Beweis nicht, so spricht ihm der Richter den
pauschalen Zins von 5% p.a. zu. Verlangt hingegen der Beklagte bloß die Reduktion des
Verzugszinses auf einen bestimmten Satz, aber bestreitet nicht die gesamte Verzugszins-
forderung, dann kann das Gericht auf keinen tieferen Satz als den verlangten entscheiden, da
es an die Anträge der Parteien gebunden ist (Art. 58 Abs. 1 ZPO; Art. 107 Abs. 1 BGG;
Art. 63 Abs. 1 aOG).669
III. ERSATZ VON WEITEREM SCHADEN
A ALLGEMEINES
Falls der Gläubiger durch den Leistungsverzug des Schuldners einen größeren
Schaden erlitten hat als ihm durch den pauschalen Verzugszins ersetzt wird, dann kann er
seinen Anspruch unter dem Titel weiterer Schaden nach Art. 106 OR geltend machen,
sofern es dem Schuldner nicht gelingt sich von der vermuteten Ersatzpflicht durch einen
Exkulpationsbeweis zu befreien. Zweck dieser Norm ist es sicherzustellen, dass der
Schuldner „für den gesamten, von ihm zu verantwortenden Verspätungsschaden“ einzu-
666 BGE 116 II 140 E. 5. 667 SCHENKER (1987), N 359; WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 8; BGE 130 III 312 E. 7.1. 668 BGE 116 II 140 E. 5. 669 BERGER/GÜNGERICH, N 521; BGE 116 II 140 E. 5.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
107
stehen hat.670 Die Bestimmung ist dispositiver Natur und kann vertraglich ausgeschlossen
oder unabhängig vom Nachweis eines Verschuldens oder Schadens ausgestaltet werden.671
B SCHADENSBERECHNUNG
1. KONKRETER SCHADENSNACHWEIS
Der Nachweis eines durch den Verzug des Schuldners verursachten Schadens, der
den Betrag des pauschalen Verzugszinses übersteigt, ist für die Geltendmachung eines
weiteren Schadens vorausgesetzt. Die Rechtsprechung verlangt dazu vom Gläubiger einen
konkreten Schadensnachweis, der nur dann gegeben ist, „wenn ganz bestimmte schädigende
Ereignisse, oder, bei Geltendmachung entgangenen Gewinns, ganz bestimmte gewinn-
bringende Ereignisse, die durch das schädigende Verhalten verunmöglicht wurden, nach-
gewiesen werden können“672. Der Nachweis kann schwierig und aufwändig sein, so dass die
Durchsetzung des Anspruches u.U. entweder unmöglich ist oder die entstehenden Kosten
prohibitiv wirken. Daher hat die Rechtsprechung in bestimmten Fallkonstellationen dem
Gläubiger beweiserleichternde Vermutungen zugestanden.673 Aufgrund dieser Vermutungen
über das potentielle Handeln des Gläubigers bei rechtzeitiger Erfüllung, insbesondere im
kaufmännischen Verkehr mit Geldsummen, wird in der Praxis ein Schaden als regelmäßig
gegeben angenommen. Die Anwendung dieser tatsächlichen Vermutungen zur Beweis-
erleichterung soll hingegen nicht als abstrakter Schadensnachweis verstanden werden,
sondern der Schaden ist nur vereinfacht aufgrund nachgewiesener Berechnungsfaktoren, wie
z.B. dem Durchschnitt ähnlicher täglich getätigter Geschäfte, zu bestimmen. 674 Dabei
handelt es sich um Tatsachen, mit deren Vorhandensein nach allgemeiner Erfahrung
gerechnet werden darf.675 Die Beweiserleichterung führt zudem nicht zu einer Umkehr der
Beweislast.676
2. ABSTRAKTER SCHADENSNACHWEIS
In der Lehre wird insbesondere für den kaufmännischen Geschäftsverkehr auch
die Möglichkeit eines abstrakten Schadensnachweises analog zum Kaufrecht gefordert (Art.
191 Abs. 3 und Art. 215 Abs. 2 OR), da im kaufmännischen Verkehr die Voraussetzung für
den abstrakten Schadensnachweis regelmäßig erfüllt sei, dass „feststehende, typische
670 WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 1. 671 WEBER, BK, Art. 106 OR N 7; WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 3. 672 BGE 89 II 214 E. 5a. 673 WEBER, BK, Art. 106 OR N 12. 674 BGE 123 III 241 E. 3a. 675 WEBER, BK, Art. 106 OR N 34. 676 BGE 123 III 241 E. 3a.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
108
Geschehensabläufe, die ein hohes Maß an Üblichkeit verkörpern“ gegeben sind.677 Aber
obwohl dieses Vorgehen für den heutigen Wirtschafts- und Geschäftsverkehr besser
geeignet wäre als die Pflicht, einen konkreten Schaden beziffern zu müssen, haben die
Gerichte eine Ausweitung der kaufrechtlichen Regelung als allgemeines Prinzip nicht nur
auf den bürgerlichen Kaufvertrag, sondern auch auf andere Verträge abgelehnt.678
C SCHADENSARTEN
Im Folgenden sollen einige Arten von Schäden betrachtet werden, die üblicherweise
als erweiterter Schaden geltend gemacht werden, da sie den pauschalen Verzugszins
übersteigen. Die Grundproblematik des Verzugsschadens auf Geldsummen besteht darin,
dass zwar ein gewisser Verzugsschaden bei Geld immer anfällt, dieser aber nur schwer
konkret nachgewiesen werden kann und häufig nicht hoch genug ist, um den Aufwand für
die Einklagung und den konkreten Nachweis rechtfertigen zu können.679 Daher sollten nach
WEBER an den Nachweis des Schadens keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, da
der weitere Schadenersatz jenen Schaden ersetzen soll, den der relativ geringe Verzugszins
von 5% p.a. nicht abdeckt. Dies ist insbesondere auch deshalb relevant, weil es im
kaufmännischen Verkehr zunehmend unmöglich wird den ortsüblichen Privatdiskontsatz
nachzuweisen und das Bundesgericht die Anwendung einer sachgerechten Referenz-
grundlage (z.B. des Kontokorrentsatzes) ablehnt.680
1. KAPITALKOSTEN
Regelmäßig nicht durch den pauschalen Verzugszins abgedeckt sind die Zinsen
und anderweitigen Kosten, die dem Verzugsgläubiger durch die kurzfristige ersatzweise
Beschaffung von Geldkapital bzw. durch die verspätete Rückzahlung einer eigenen Schuld
entstehen. Diese Kosten führen zu einer ungewollten Vermögensverminderung (damnum
emergens) und sind ein erweiterter Verzugsschaden, soweit sie den pauschalen Verzugszins-
satz übersteigen, was im Normalfall gegeben sein dürfte.681 Ebenfalls ersatzfähig sind die
mit dem benötigten Fremdkapital verbundenen Verwaltungskosten.682 Der Nachweis der
adäquaten Kausalität zwischen dem Verzug des Schuldners und dem aufgenommenen oder
fortgesetzt beanspruchten Fremdkapital obliegt dem Gläubiger, allerdings kann dieser
677 WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 2; WEBER, BK, Art. 106 OR N 33; WEBER, FS Keller, S. 332; BELKE, JZ 1969, S. 588 f. 678 WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 2; BGE 109 II 436 E. 2 = Pra 1984 Nr. 58; KGer SG v. 07.09.1972 E. 4,
GVP SG 1972 Nr. 14. 679 WEBER, FS Keller, S. 332. 680 WEBER, BK, Art. 104 OR N 81. 681 WEBER, BK, Art. 106 OR N 39; WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 2; BUCHER, OR AT, S. 362; CANTIENI, S. 80;
V. THUR/ESCHER, § 73 S. 147. 682 CANTIENI, S. 81.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
109
Nachweis praktisch erhebliche Schwierigkeiten bereiten, so dass mit der neueren Lehre an
ihn keine zu hohen Anforderungen gestellt werden sollten.683 Dies muss insbesondere für
den kaufmännischen Verkehr gelten, wo regelmäßig mit Fremdkapital gearbeitet wird und
u.U. kein spezieller neuer Kredit aufgenommen wird, um einen Zahlungsausfall
auszugleichen. Als Nachweis für die Nutzung von Fremdkapital im fraglichen Zeitraum und
die Höhe des Zinssatzes sollte eine Bankbescheinigung über die Kreditverhältnisse des
Gläubigers ausreichen.684 In jedem Fall trifft den Gläubiger auch bei der Beschaffung von
Ersatzkapital eine gewisse Pflicht zur Schadensminderung (Art. 99 Abs. 3 OR i.V.m. Art. 44
Abs. 1 OR), wobei es sich um eine Obliegenheit aus dem Grundsatz von Treu und Glauben
handelt.685 Er ist zwar berechtigt, Fremdkapital zu einem Zinssatz für kurzfristige
ungesicherte Kredite aufzunehmen und auch jederzeitige Rückzahlbarkeit zu vereinbaren,
selbst wenn der Kredit nicht der günstigste ist, hingegen kann keine Erstattung von
unangemessen hohen Kosten, z.B. für nicht zwingend notwendige Überziehungskredite,
gefordert werden.686
2. ZINSSCHADEN
Ebenso wie durch die erhöhten Kapitalkosten (damnum emergens), kann dem
Gläubiger auch ein Schaden in Form eines entgangenen Gewinns entstehen (lucrum
cessans).687 Dieser kann daraus resultieren, dass dem Gläubiger Anlagezinsen entgangen
sind (Zinsschaden) oder dass er eigene Verbindlichkeiten nicht begleichen konnte und zu
diesem Zweck andere zinstragende Anlagen auflösen musste.688 Im zweiten Fall ist der
Gläubiger zwar nicht gezwungen zusätzliche Mittel aufzunehmen, sondern greift zur
Zwischenfinanzierung auf eigenes Kapital zurück, aber dennoch entsteht ihm gemäß der
maßgeblichen Differenztheorie ein Vermögensschaden, da er diese Mittel unfreiwillig nicht
gewinnbringend nutzen kann. Der resultierende Anlageverlust ist wirtschaftlich mit den
Kosten eines zusätzlichen Kredits gleichzusetzen. Verweigerte man dem Gläubiger die
Anerkennung solcher Anlageverluste, die den pauschalen Verzugszins übersteigen als
erweiterten Schaden, so würde man den liquiden Gläubiger, der selbst zur Zwischen-
finanzierung fähig ist, gegenüber einem Gläubiger, der zusätzliche Mittel aufnehmen muss,
benachteiligen und ihn faktisch dazu zwingen, zusätzlichen Kredit aufzunehmen, um einen
ersatzfähigen Schaden geltend machen zu können. Das Bundesgericht hat im Einklang mit
der herrschenden Lehre auch den entgangenen Gewinn grundsätzlich als ersatzfähigen
683 WEBER, BK, Art. 106 OR N 39; CANTIENI, S. 82 ff.; EMMERICH, S. 270; OGer BL v. 14.01.1995, SJZ 1996, 315. 684 EMMERICH, S. 270, CANTIENI, S. 82 ff. 685 SCHENKER (1987), N 295; WEBER, FS Keller, S. 335. 686 CANTIENI, S. 81; WEBER, FS Keller, S. 335; BELKE, JZ 1969, S. 586; WEBER, BK, Art. 106 OR N 42. 687 CANTIENI, S. 79. 688 WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 2.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
110
Verzugsschaden anerkannt.689 Allerdings wird regelmäßig ein konkreter Schadensnachweis
verlangt, so dass der Nachweis des Schadens und der Kausalität schwierig sein kann.690
3. WÄHRUNGSVERLUSTE (VALUTAVERLUSTE)
Verluste die aufgrund einer Wechselkursveränderung oder der Abwertung der
Forderungswährung während des Schuldnerverzugs auftreten (Valutaverluste), können nach
herrschender Lehre und Praxis des Bundesgerichts ein weiterer Schaden im Sinne von Art.
106 OR sein.691 Während das Bundesgericht seine Rechtsprechung mehrfach verändert hat,
kann inzwischen als gefestigt gelten, dass der Gläubiger nicht jeden theoretischen
Währungsverlust als Verzugsschaden verlangen kann. Es wird aber zugunsten des
Gläubigers vermutet, dass er zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine Fremdwährungsschuld in die
Landeswährung am Ort seines Wohn- bzw. Geschäftssitzes umgetauscht hätte. Für einen
Schweizer mit Sitz im Inland wird entsprechend eine Umwechselung in Schweizer Franken
vermutet.692 Wiederum liegt eine tatsächliche Vermutung vor, die den Beweis erleichtert,
aber nicht zu einer Beweislastumkehr führt.693 Der Verzugsschuldner hat den Verlust
grundsätzlich zu vertreten, da er nach Art. 103 OR auch für den Zufall haftet und der
Gläubiger keinen Kausalzusammenhang nachweisen muss.694 Behauptet der Gläubiger, dass
er statt des Umtausches in die vermutete Währung einen Umtausch in eine andere Fremd-
währung vorgenommen hätte, deren Kurs im Vergleich zur Erfüllungswährung gestiegen ist,
so hat er dies zu beweisen.695 Ebenso kann der Schuldner die genannte Vermutung durch
einen Gegenbeweis entkräften, wobei dies bereits durch das Vorbringen entsprechender
Indizien geschehen kann.696 Sind die Voraussetzungen für die Vermutung der Umwechslung
nicht gegeben, dann können auch Indizien für den Umtausch sprechen. Indizien sind „selbst
nicht rechtserhebliche Tatsachen, die aber auf solche schließen lassen“697, so dass der
Beweis bei Vorliegen mehrerer Indizien als erbracht betrachtet werden kann.698 CANTIENI
nennt beispielhaft, dass der Gläubiger frühere Zahlungen in die geforderte Währung
umgetauscht hat und auch dieses Mal entsprechend gehandelt hätte bzw. dass der Gläubiger
689 BGE 116 II 441 E. 2c; BGE 123 III 241 E. 3; BGer v. 21.01.1993, SJ 1993 321 E. 5c/aa; WEBER, BK, Art. 103
OR N 31; BECKER, BK, Art. 97 OR N 37 ff., Art. 103 OR N 14; BUCHER, OR AT, S. 360 FN 125;
GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2811. 690 BGE 123 III 241 E. 3a. 691 BGer 5C.122/2002 E. 3.2 v. 07.10.2002; HONSELL, FS Lange, S. 515; WEBER, BK, Art. 106 OR N 25; BUCHER,
OR AT, S. 362 FN 133. 692 BGE 109 II 436 E. 2b; CANTIENI, S. 45 f.; WEBER, BK, Art. 106 OR N 27. 693 BGE 109 II 436 E. 2c. 694 WEBER, BK, Art. 106 OR N 26. 695 CANTIENI, S. 46; WEBER, BK, Art. 106 OR N 28. 696 CANTIENI, S. 46; WEBER, BK, Art. 106 OR N 29. 697 CANTIENI, S. 47. 698 GULDENER, S. 10; CANTIENI, S. 47; HABSCHEID (1990), N 638.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
111
sein ganzes Vermögen in dieser Währung anlegt oder dass er während des Verzugs
entsprechende Wechselgeschäfte vorgenommen hat.699
4. KAUFKRAFTVERLUSTE
Im Gegensatz zur Verschlechterung des Wechselkurses, d.h. der Devisenkaufkraft,
hat die Rechtsprechung keine Verschlechterung der allgemeinen Kaufkraft als ersatzfähigen
Verzugsschaden angenommen. Auch in Zeiten hoher Inflationsraten besteht folglich keine
Vermutung zugunsten eines Umtausches von Geld in Sachwerte.700 Ein Schaden muss aber
u.U. in Zeiten von sehr hohen Inflationsraten angenommen werden, wenn die
Landeswährung ihren Wert so schnell verliert, dass die Akzeptanz des Geldes komplett
zusammengebrochen ist. In diesen Fällen muss jedoch ein konkreter Schadensnachweis
verlangt werden. Ebenso sollte ein Kaufkraftverlust ersatzfähig sein, wenn der Gläubiger
konkret nachweisen kann, dass er die geschuldete Summe in wertbeständige Güter investiert
hätte und der Schaden dadurch nicht eingetreten wäre.701
D PROZESSUALES
Um seinen Anspruch auf erweiterten Schadenersatz einzuklagen, hat der Gläubiger
die Wahl, ob er diesen in einem separaten Verfahren oder gemäß Art. 106 Abs. 2 OR bereits
im Verfahren um den Hauptanspruch geltend machen möchte. Sofern sich der erweiterte
Schaden bereits zum Termin des Hauptverfahrens bestimmen lässt, kann der Richter
gleichzeitig über diesen Anspruch entscheiden. Macht der Gläubiger den Schaden nach Art.
106 Abs. 1 OR in einem separaten Verfahren geltend, so kann der Schuldner nicht die
Einrede der res iudicata erheben.702
IV. ZUSAMMENFASSUNG
Der Verzugszins ist ein Anspruch des Gläubigers einer Geldforderung auf
verschuldensunabhängigen pauschalen Schadenersatz gegen den Verzugsschuldner. Die
Höhe des Anspruches beträgt 5% p.a. vom Beginn des Verzugs an, wobei der Gläubiger
alternativ einen höheren vertraglich vereinbarten Zinssatz auch im Verzug fordern kann.
Unter Kaufleuten bzw. bei Vorliegen eines materiell kaufmännischen Geschäft (objektiv
kaufmännischer Verkehr) kann der Gläubiger auch eine Verzugsvergütung in Höhe des
üblichen Bankdiskontos am Zahlungsorte fordern, falls dieser den dispositiven Zinssatz von
5% p.a. übersteigt und der Gläubiger den anwendbaren Zinssatz nachweisen kann. Unter
699 CANTIENI, S. 47. 700 WEBER, BK, Art. 106 OR N 31; SCHENKER (1998), S. 37. 701 SCHENKER (1998), S. 37; zum deutschen Recht: HONSELL, FS Lange, S. 514 f. 702 BGE 109 II 436 E. 1; WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 5; THÉVENOZ, CR, Art. 106 OR N 12.
§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________
112
dem Begriff des üblichen Bankdiskontos versteht das Bundesgericht den Privatdiskontsatz
der Geschäftsbanken für die Diskontierung erstklassiger Wechsel ihrer Kunden. Allerdings
hat die Bedeutung von Wechseln als Zahlungsmittel und Finanzierungsinstrument in der
Wirtschaft und im Bankgeschäft stark abgenommen, so dass dieser Zinssatz heute kaum
noch existiert und nicht mehr von einer Üblichkeit gesprochen werden kann. Entsprechend
sollte der Privatdiskontsatz auch nicht mehr als Referenzgröße für die Refinanzierungs-
kosten des Gläubigers herangezogen werden, da letzterem regelmäßig der Nachweis des
anwendbaren Zinssatzes nicht möglich sein dürfte. Eine Gesetzesänderung drängt sich daher
an dieser Stelle auf, insbesondere nachdem das Bundesgericht es abgelehnt hat, den Zins für
kurzfristige Kontokorrentkredite als alternativen Zinssatz anzuwenden, obwohl der
Kontokorrent heute die vorherrschende Form der kurzfristigen Finanzierung im
Geschäftsverkehr ist und daher der Kontokorrentzinssatz eine angemessenere Berechnungs-
grundlage wäre.
Falls der Verzugsschaden des Gläubigers den Verzugszinssatz übersteigt, kann der
Gläubiger unter dem Titel des weiteren Schadens auch allfällige höhere Kapitalkosten oder
einen erlittenen Schaden durch entgangene Kapitalerträge geltend machen, wobei dem
Schuldner der Exkulpationsbeweis offen steht. Für diesen weiteren Schaden verlangt das
Bundesgericht allerdings einen konkreten Schadensnachweis, der dem Gläubiger bei
Geldforderungen häufig schwerfallen dürfte. Dies gilt besonders für den Nachweis
tatsächlich erlittener Währungs- oder Kaufkraftverluste.
§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________
113
§ 7 DER SCHADENSZINS
I. BEGRIFF
Der Schadenszins ist eine „zusätzliche Leistung, die der Gläubiger über das Kapital,
dessen Bezahlung als Schadenersatz erfolgt, hinaus für die vorübergehende Entbehrung
dieser Summe erhält“.703 Er ist eine Berechnungskomponente des Schadenersatzes, die
häufig in Gerichtsentscheiden nicht einzeln ausgewiesen wird, sondern bereits in der
Schadenersatzsumme zum Urteilszeitpunkt einberechnet ist.704 Nach der stetigen Praxis des
Bundesgerichts hat der Schadenszins den Zweck, einen Berechtigten mit einem Anspruch
auf Schadenersatz „so zu stellen, wie wenn er für seine Forderung am Tage der unerlaubten
Handlung bzw. für deren wirtschaftliche Auswirkungen mit deren Entstehung befriedigt
worden wäre“.705 Dabei hat er eine doppelte Funktion, denn er soll zunächst den durch die
verhinderte Möglichkeit zur Kapitalnutzung entstandenen Nachteil des Gläubigers aus-
gleichen und gleichzeitig keinen wirtschaftlichen Vorteil für den Haftpflichtigen durch die
häufig wesentlich verzögerte Zahlung der Ersatzsumme zulassen. Wie beim Verzugszins
hätte der Gläubiger mit dem geschuldeten Betrag einen Ertrag erzielen oder sich den
finanziellen Aufwand für eine anderweitige Kapitalbeschaffung ersparen können. Hingegen
hatte der Haftpflichtige die Möglichkeit, die Ersatzsumme gewinnbringend zu nutzen oder
auf eine kostenpflichtige Beschaffung von Kapital zu verzichten.706 Trotz der Ähnlichkeit ist
der Schadenszins aber kein Verzugszins, sondern ein Teil des Schadenersatzes.707
II. ANWENDUNGSBEREICH
Die Pflicht zur Verzinsung einer Schadenersatzsumme findet sich nicht explizit im
Gesetz, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem Zweck des Schadenersatzes, den
Geschädigten so zu stellen wie wenn der Schaden nicht eingetreten wäre. Daher ist der
Schadenszins auf jede privatrechtliche Schadenersatzforderung anzuwenden. Dies umfasst
den Ersatz für materielle Schäden aus unerlaubter Handlung (Art. 41 ff. OR), d.h. für
Sachschäden, Körperverletzungen (Art. 46 OR) und Tötungen (Art. 45 OR), aber auch
Ansprüche auf Genugtuungsleistungen für immaterielle Schäden aus Körperverletzungen
und Tötungen (Art. 47 OR) sowie widerrechtliche Verletzungen der Persönlichkeit (Art. 49
OR). Zuletzt sind auch Schadenersatzansprüche aus der vertraglichen Haftung (Art. 97 ff.
703 WEBER, BK, Art. 104 OR N 11. 704 WEBER, BK, Art. 104 OR N 11. 705 BGE 131 III 12 E. 9.1; BGE 122 III 53 E. 4a; BGE 81 II 512 E. 6. 706 LÄUBLI ZIEGLER, S. 320 f. 707 OFTINGER/STARK, Bd. I, § 6 N 25; BREHM, BK, Art. 41 OR N 97; BGE 82 II 460.
§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________
114
OR) dem Schadenszins zu unterstellen.708 Typische Anwendungsfälle für Schadenszinsen in
der Praxis des Bundesgerichts betreffen die Folgen von Unfällen mit verletzten oder
getöteten Personen. Streitig ist dabei regelmäßig die Verzinsungspflicht selbst und deren
Höhe in Bezug auf Haushaltsschäden,709 Verdienstausfälle710 und Versorgerschäden711.
Ebenso wird der Schadenszins relevant im Zusammenhang mit Forderungen auf
Kostenersatz712 und Genugtuung713. Im Fall von Genugtuungszahlungen wird der Schadens-
zins teilweise auch als Genugtuungszins bezeichnet, wobei daraus in der Praxis keine
unterschiedliche Behandlung resultiert. Neben den Fällen der außervertraglichen Haftung
finden sich in der Rechtsprechung auch Entscheide zum Schadenszins in der vertraglichen
Haftung714 oder der gesellschaftsrechtlichen Haftung, z.B. der AG für unerlaubte
Handlungen ihrer Organe.715 Geldschulden die keine Schadenersatzleistung darstellen, fallen
nicht in den Anwendungsbereich des Schadenszinses. Sie unterstehen ausschließlich dem
Verzugszins nach Art. 104 OR mit der beweispflichtigen Variante des erweiterten Schadens
nach Art. 106 OR. Das Verhältnis von Verzugszins und Schadenszins wird in einem
nachfolgenden Abschnitt genauer betrachtet.716
III. HÖHE DES ZINSES
Die Höhe des Schadenszinses wurde vom Bundesgericht in der Vergangenheit nicht
immer einheitlich festgelegt, in der jüngeren Rechtsprechung hat sich allerdings eine stetige
Praxis herausgebildet. Während das Bundesgericht ursprünglich den Schadenszins bei 5%
p.a. festlegte717, wich es später von dieser Praxis ab und bezog sich in einer kleineren
Anzahl von Entscheiden auf einen an den tatsächlichen Verhältnissen am Kapitalmarkt
orientierten Zins718 von 3% p.a., wobei es explizit eine Orientierung am subsidiären
Verzugszins von Art. 104 Abs. 1 OR ablehnte.719 In den folgenden Entscheiden kehrte das
Bundesgericht wieder zu seiner ursprünglichen Praxis zurück und legte den Schadenszins
„ohne nähere Begründung in Anlehnung an Art. 73 Abs. 1 OR“720 auf einen Satz von 5%
708 BGE 130 III 591 E. 4. 709 BGer 4C.277/2005 v. 17.01.2006 = BGE 132 III 321 (nicht publ. E. 4, 5). 710 BGE 82 II 25; BGer 4C.277/2005 v. 17.01.2006 = BGE 132 III 321 (nicht publ. E. 4, 5). 711 BGE 113 II 323; BGE 101 II 346 = Pra 1975 Nr. 264. 712 BGE 119 II 411 (Kostenersatz aus Art. 679 ZGB); BGE 113 II 323; BGE 81 II 512. 713 BGE 132 II 117; BGE 129 IV 149; BGE 113 II 323; BGE 118 II 404; BGE 101 II 346 = Pra 1975 Nr. 264; BGE
82 II 25; BGE 81 II 512; BGer 4C.277/2005 v. 17.01.2006 = BGE 132 III 321 (nicht publ. E. 4, 5). 714 BGE 130 III 591 (Schlechterfüllung); BGE 103 II 330 = Pra 1978 Nr. 89 (Vertragswidriger Gebrauch der Mietsache). 715 BGE 121 III 176 = Pra 1995 Nr. 271 (Organhaftung Art. 722 OR). 716 Siehe § 7 V. 717 BGE 33 II 124 E. 7. 718 Bis heute: GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2910; WEBER, BK, Art. 73 OR N 132; LEU, BSK, Art, 73 OR N 5. 719 BGE 81 II 213 E. 5 = Pra 1955 Nr. 204; BGE 78 I 86 E. 5 (Rückerstattung im öffentlichen Recht). 720 BGE 122 III 53 E 4b.
§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________
115
p.a. fest. Diese Praxis gilt seit BGE 82 II 25 für den Schadenszins auf jeglichen
Ersatzforderungen, d.h. sowohl für Ansprüche aus unerlaubter Handlung721 und für
Genugtuungszahlungen722 als auch für solche aus einer vertraglichen Haftpflicht723 oder z.B.
aus Organverantwortlichkeit724. Von dieser Praxis ist das Bundesgericht seither nicht mehr
abgewichen und tendiert zunehmend auch zu einem einheitlichen pauschalen Zinssatz für
Schadens- und Verzugszins von in der Regel bei 5% p.a. Das Bundesgericht hat in seiner
neueren Rechtsprechung allerdings auch klargestellt, dass diese Höhe des Zinssatzes von 5%
p.a. nicht zwingend sei, sondern dass es sich um eine widerlegbare Vermutung handele.
Dem Gläubiger stehe es frei, einen größeren, mit dem Kapitalentzug verbundenen
Nutzungsausfall nachzuweisen und einen höheren Zinssatz zu beanspruchen.725 Schon zehn
Jahre vor diesem Entscheid zeigte sich das Bundesgericht in BGE 121 III 176 prinzipiell
bereit, einen höheren nachgewiesenen Zinssatz zuzusprechen, allerdings misslang dem
Geschädigten der Nachweis der geforderten 6% p.a.726 Ebenso lehnte es das Bundesgericht
in BGE 122 III 53 ab, den Schadenszins analog zum Verzugszins im kaufmännischen
Verkehr auf den üblichen Bankdiskontsatz festzusetzen, weil es zu dem Ergebnis gelangte,
es läge kein Geschäft im kaufmännischen Verkehr vor, das den geforderten variablen
Zinssatz rechtfertige.727 In BGE 131 III 12 hat das Bundesgericht zudem klargestellt, dass
der pauschalen Schadenszinssatz von 5% p.a. aus einer analogen Anwendung des
subsidiären Art. 73 Abs. 1 OR resultiere.
IV. BEGINN DER VERZINSUNG
A ALLGEMEINES
Der Schadenszins hat den Zweck, einen Anspruchsberechtigten so zu stellen, „wie
wenn er für seine Forderung am Tag der unerlaubten Handlung bzw. für deren
wirtschaftliche Auswirkungen mit deren Entstehung befriedigt worden wäre“.728 Daher ist er
von jenem Zeitpunkt an geschuldet, „in dem das schädigende Ereignis sich finanziell
ausgewirkt hat“ und läuft bis zum Zeitpunkt der Zahlung des Schadenersatzes.729 Doch
während sich das Ende der Verzinsung einfach bestimmen lässt, kann der Beginn der
721 BGE 131 II 217 E. 4.2; BGE 131 III 12 E. 9.5; 103 II 330 E. 5 = Pra 1978 Nr. 89; BGE 97 II 123 E. 9 = Pra 1971 Nr. 209;
BGE 82 II 25 E. 6. 722 BGE 132 II 117 E. 3.4 (verneint); BGE 129 IV 149 E. 4.5; BGE 118 II 404 E. 3b/bb; BGE 97 II 123 E. 9 = Pra
1971 Nr. 209; BGE 82 II 25 E. 6. 723 BGE 122 III 53 E. 4b; BGE 133 III 257. 724 BGE 121 III 176 E. 5b = Pra 1995 Nr. 271. 725 BGE 131 III 12 E. 9.4; WEBER/SCHAETZLE (2004), S. 98 FN 2. 726 BGE 121 III 176 E. 5a. 727 BGE 122 III 53 E. 4b. 728 BGE 131 III 12 E. 9.1; BGE 81 II 512 E. 6. 729 BGE 131 III 12 E. 9.1; BGE 118 II 363; BGE 81 II 512 E. 6.
§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________
116
Verzinsung abhängig von der Art des Schadens Schwierigkeiten aufwerfen, da sich der
Zeitpunkt in dem sich der Schaden im Vermögen des Geschädigten manifestiert hat z.T. nur
schwer bestimmen lässt. Sofern sich die Entstehung eines Schadens auf einen bestimmten
Tag datieren lässt, ist auch dieser für die Berechnung des Schadenszinses heranzuziehen.
Allerdings kann nicht jeder Schaden in dieser Form bestimmt werden, so dass das Bundes-
gericht häufig aus Praktikabilitätsgründen pauschale Betrachtungsweisen anwendet. Dieses
Vorgehen zeigt sich besonders gut in einem Entscheid, in dem verschiedene Ansprüche auf
Behandlungskosten, Genugtuung, eine Entschädigung für temporäre Arbeitsunfähigkeit und
eine Invaliditätsentschädigung betroffen waren. Statt einer Betrachtung der einzelnen
Ansprüche wurde pauschal ein sog. mittlerer Verfall als Zinstermin für alle Ansprüche
gewählt.730 Im Gegensatz dazu gibt es aber auch einzelne Entscheide, in denen eine
möglichst genaue Verzinsung angestrebt wurde. So hat das Bundesgericht in einem
Entscheid zum Kostenersatz die Daten der Abbuchungen durch die Post als Zinstermine
festgelegt.731 Ebenfalls sachgerecht ist m.E. ein später ergangener Entscheid des
Bundesgerichts zur Haftung einer AG für deliktisches Handeln ihrer Organe in Ausübung
geschäftlicher Verrichtungen, in dem der Beginn der Verzinsung auf die Daten der
Aushändigung der Checks festgelegt wurde mit denen die veruntreuten Investitionen
vorgenommen wurden.732 Diese Entscheide nehmen eine relativ genaue Schadens-
berechnung vor, indem sie für den Beginn der Verzinsung auf tatsächliche Zahlungstermine
abstellen. In der Praxis des Bundesgerichts finden sich hingegen häufiger pauschale
Vorgehensweisen.
B KOSTENERSATZ
Gerade wenn der Ersatz von Kosten betroffen ist, die kausal durch eine schädigende
Handlung entstandenen sind, sollte es i.d.R. möglich und sachgerecht sein, den Beginn der
Verzinsung auf den Termin festzulegen, an dem der Geschädigte die Kosten tragen musste.
Dies kann z.B. für die Kosten von medizinischen Behandlungen, der Bestattung oder der
anwaltlichen Vertretung vor Gericht gelten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in
manchen Fällen die Vielzahl der Schadensposten eine individuelle Verzinsung relativ
aufwendig machen kann. Tatsächlich tendierte das Bundesgericht in seiner frühen Praxis
dazu, Heilungs-, Behandlungs- und Bestattungskosten pauschal ab dem Zeitpunkt der
Schädigung zu verzinsen.733 Im Gegensatz dazu hat das Bundesgericht in einem neueren
Entscheid den Beginn der Verzinsung der vorprozessualen Anwaltskosten sowie der Beträge
730 BGE 101 II 346 E. 9 = Pra 1975 Nr. 264. 731 BGE 119 II 411 E. 7a. 732 BGE 121 III 176 E. 5a = Pra 1995 Nr. 271. 733 BGE 113 II 323 E. 8; BGE 82 II 25 E. 6, 8; BGE 81 II 512 E. 6.
§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________
117
aus einer Insassenversicherung auf den Tag der Klageeinreichung festgelegt.734 Ob sich
zukünftig eine Änderung der Praxis im Sinne einer genauen Berechnung der Zinsperioden
ergeben wird bleibt nach der bisherigen Rechtsprechung unklar. Allerdings sprechen
Praktikabilitätserwägungen und die Tatsache, dass ein pauschales Vorgehen regelmäßig zu
einer leichten Besserstellung des Geschädigten führt, für ein solches Vorgehen bei der
Verzinsung des Kostenersatzes.
C VERDIENSTAUSFALL, HAUSHALTS- UND VERSORGERSCHÄDEN
Die Verzinsung von Verdienstausfall, Haushalts- oder Versorgerschäden wird
regelmäßig im Zusammenhang mit Unfällen mit Verletzungs- oder Todesfolgen behandelt.
Die Entscheidung erfolgt daher häufig im gleichen Verfahren wie die Erstattung von
Behandlungs- oder Bestattungskosten sowie von Genugtuungszahlungen. In einem neuen
Entscheid hat sich das Bundesgericht grundsätzlich zur Verzinsung von periodisch
entstehenden Schäden, wie z.B. Verdienst- bzw. Haushaltsschäden, geäußert. Danach ist aus
Praktikabilitätsgründen ein mittlerer Verfall zu wählen, wenn die periodische Schadenshöhe
konstant bleibt, oder es ist ein Verfalltag aufgrund der gewichteten Schadenshöhe zu
wählen, wenn sich diese im Zeitverlauf verändert.735 Letzteres ist insbesondere dann
angezeigt, wenn eine steigende Einkommensentwicklung, ein sich verändernder Invaliditäts-
grad oder Akontozahlungen auf den Schadenersatz zu berücksichtigen sind.736 Handelt es
sich um mehrere Perioden mit wiederkehrenden Verdienstausfällen, dann ist der mittlere
Verfall für jede Periode festzulegen und jeder Betrag einzeln zu verzinsen.737 In Bezug auf
Dauerschäden, zu denen insbesondere der Versorgerschaden gehört, kann auf die
Ausführungen zum kapitalisierten Schadenersatz verwiesen werden.738 Der Versorger-
schaden ist auf den Todestag zu kapitalisieren und mit dem Schadenszins zu verzinsen.739
D GENUGTUUNG
Im Zusammenhang mit unerlaubten Handlungen, die zu einer Körperverletzung,
dem Tod einer Person oder einer Persönlichkeitsverletzung geführt haben, werden häufig
auch Genugtuungssummen für immaterielle Unbill zugesprochen. Dabei handelt es sich um
eine schadenersatzunabhängige Geldleistung als „gewisser Ausgleich (…) für den erlittenen
physischen oder seelischen Schmerz“, die ein „materielles Gegengewicht für einen
734 BGE 131 III 12 E. 9.5. 735 BGE 131 III 12 E. 9.5; BREHM (2002), N 17, 464; KELLER, Bd. II, S. 47 f. 736 WEBER/SCHAETZLE (2004), S. 99. 737 KELLER, Bd. II, S. 47 f. 738 Siehe § 7 VI. 739 BGE 113 II 323 E. 8; BGE 97 II 123 E. 9; BGE 84 II 292 E. 7; KELLER, Bd. II, S. 48.
§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________
118
immateriellen Schaden“740 darstellt. Wie im Fall des Schadenersatzes für materielle Schäden
ist auch bei Genugtuungssummen der Nutzungsausfall zwischen schädigender Handlung
und Zahlung zu ersetzen, da der Geschädigte andernfalls einen finanziellen Verlust erleiden
würde. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass die Höhe von Genugtuungs-
leistungen auf Schätzungen, pauschalen Ansätzen sowie einem gewissen Ermessen des
Gerichts beruht und nicht auf einer exakten Schadensberechnung. Daher wird die
Verzinsung teilweise von den Gerichten nicht gewährt, wenn sich die Genugtuungssumme
ohnehin im oberen Bereich des Üblichen und Angemessenen bewegt.
Da sich bei Genugtuungsleistungen der effektive Zeitpunkt an dem sich das
schädigende Ereignis auswirkt hat noch weniger als in den vorherigen Fällen genau
bestimmen lässt, kann auch der Beginn der Verzinsung nicht immer exakt festgelegt werden.
Das Bundesgericht hat sich daher in stetiger Rechtsprechung klar für eine Verzinsung ab
dem Tag der schädigenden Handlung ausgesprochen.741 Diese Ansicht wird auch von der
herrschenden Lehre742 vertreten und ist m.E. auch sachgerecht, da jeder spätere Termin auf
eine willkürliche Benachteiligung der geschädigten Person hinausliefe. Allerdings hat das
Bundesgericht abweichend von seiner Praxis der Verzinsung ab dem Tag der schädigenden
Handlung in einem neueren Entscheid auf Antrag der klagenden Partei den Schadenszins
erst ab dem Tag der Einreichung der Klageschrift zugesprochen.743 Ein anderes Vorgehen
wurde zudem in einem Fall von persönlichkeitsverletzenden Eingriffen in die sexuelle
Integrität gewählt. Aufgrund der Komplexität des Falls mit mehreren Opfern und einer
Vielzahl von deliktischen Verletzungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren wurden
die insgesamt acht Genugtuungssummen für die einzelnen Schädigungszeiträume jeweils ab
einem mittleren Termin verzinst. Ein anderer Beginn der Verzinsung wurde mit der
Begründung abgelehnt, dass sich die zugesprochenen Summen inkl. Zins trotz des
Zeitablaufs noch im Rahmen der üblichen Größenordnungen hielten.744 Diese Begründung
kann nicht vollständig überzeugen, ist aber m.E. vor dem Hintergrund zu verstehen, dass
sich die Höhe des immateriellen Schadens nicht exakt berechnen lässt und daher auch der
genauen Verzinsung eine geringere Bedeutung zukommt.
740 BREHM, BK, Art. 47 OR N 6, 9; BGE 123 III 10 E. 4a (S. 15). 741 BGE 131 III 12 E. 9.5; BGE 118 II 404 E. 3b/bb; BGE 117 II 50 E. 4b = Pra 1992 Nr. 140; BGE 113 II 323;
BGE 82 II 25 E. 6, 8; BGE 81 II 512 E. 6; BGE 33 II 124 E. 7. 742 BREHM, BK, Art. 47 OR N 94, 98; KELLER, Bd. II, S. 130 f.; LÄUBLI ZIEGLER, S. 323; WEBER, BK, Art. 104 OR N 11;
SCHNYDER, BSK, Art. 47 OR N 24; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2910; REY, N 503 (Bemessung zum Urteilstag). 743 BGE 125 III 269 E. 2d = Pra 1999 Nr. 175. 744 BGE 129 IV 149 E. 4.2.
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V. VERHÄLTNIS VON SCHADENSZINS UND VERZUGSZINS
A FUNKTIONALE ABGRENZUNG
Der Schadenszins ist, wie gezeigt, ein Element der Schadensberechnung und dient
der vollständigen Kompensation eines Geschädigten, dem durch den Zeitablauf zwischen
einer schädigenden Handlung und der tatsächlichen Ersatzleistung ein wirtschaftlicher
Nachteil entstanden ist. Er erfüllt gemäß Bundesgericht funktional den gleichen Zweck wie
der Verzugszins, da beide „den mit der Kapitalentbehrung verbundenen Nutzungsausfall
ausgleichen“ sollen.745 Sie unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer Entstehung bzw. des
ihnen zugrundeliegenden Leistungsgegenstandes, der beim Verzugszins eine „ausgebliebene
Geldleistung als Primärleistung“ ist, während sich der Schadenszins auf eine Ersatzleistung
bezieht, „die an die Stelle der Hauptleistung getreten ist und diese gleichsam fortsetzt“.746
Sie unterstehen zudem nicht den gleichen Voraussetzungen, da für die Entstehung des
Schadenszinses weder die Fälligkeit der Forderung noch eine Mahnung erforderlich ist.747
Der Schadenszins läuft ab jenem Tag an dem sich das schädigende Ereignis wirtschaftlich
ausgewirkt hat und erfordert keine zusätzliche Handlung des Anspruchsberechtigten.748
B KUMULATIVE BEANSPRUCHUNG
1. ALLGEMEINES
In Bezug auf das Verhältnis von Schadens- und Verzugszins war in der Lehre lange
umstritten, ob eine lineare Berechnung vorzunehmen sei oder ob beide kumulativ beansprucht
werden könnten. Aber auch der Rechtsprechung mangelte es an Stetigkeit und einer klaren
Festlegung. In der Lehre wird teilweise (noch in Anlehnung an BGE 97 II 123) eine
Aufrechnung der Schadenszinsen zum Zeitpunkt des kantonalen Urteils letzter Instanz
gefordert und damit eine kumulierte Verzinsung der Schadenszinsen mit den Verzugszinsen ab
dem Urteilszeitpunkt vertreten.749 Die Mehrheit der Lehre hingegen vertritt hingegen die
Position, dass eine Kumulation der beiden Zinsformen nicht gerechtfertigt sei und wird in
dieser Ansicht durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts bestätigt.750
745 BGE 122 III 53 E. 4a, b. 746 BGE 122 III 53 E. 4b. 747 OFTINGER/STARK, Bd. I, § 6 N 25; WEBER, BK, Art.104 OR N 11; BGE 122 III 53 E. 4a; BGE 130 III 591 E. 4. 748 WEBER, BK, Art. 104 OR N 11; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2910; BREHM, BK, Art. 41 OR N 99;
BGE 130 III 591 E. 4; BGer 4C.191/2004 E. 7.2 v. 07.09.2004. 749 BREHM, BK, Art. 41 OR N 99; KELLER, Bd. II, S. 48; LÄUBLI ZIEGLER, S. 325; WEBER/SCHAETZLE (2004), S. 98;
ROBERTO, § 30 N 821; REY, N. 170a. 750 WEBER, BK, Art. 104 OR N 11; OFTINGER/STARK, Bd. I, § 6 N 25 FN 35; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 37;
WIEGAND, ZBJV 1998,S. 201; SCHENKER (1987), N 397; HONSELL (2005), § 8 N 27; KOLLER, AJP 2006, S. 365.
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2. DIE ÄLTERE PRAXIS DES BUNDESGERICHTS
Das Bundesgericht hat in seiner älteren Praxis die lineare Berechnung von Zinsen
vertreten und den Schadenszins ab dem Zeitpunkt des kantonalen Urteils letzter Instanz bloß
durch den Verzugszins ersetzt. Der aufgelaufene Schadenszins wurde nicht auf den
Urteilszeitpunkt kapitalisiert und damit auch nicht der anschließenden Verzugsverzinsung
unterstellt.751 Später änderte das Bundesgericht ohne nähere Begründung seine Praxis und
verzinste die gesamte Ersatzleistung ab dem Tag des letzten kantonalen Urteils mit 5% p.a.
Verzugszins. Dazu führte das Bundesgericht aus: « Le dommage est calculé au jour du
jugement cantonal, c'est-à-dire au 21 septembre 1954. A l'indemnité allouée, il faut donc
ajouter l'intérêt moratoire à 5% jusqu'à cette date et dès le moment où les différents éléments
des dommages-intérêts étaient échus. ».752 In einem nachfolgenden Entscheid schützte das
Bundesgericht ein entsprechendes kantonales Urteil mit Verweis auf den o.g. Entscheid,
indem es darlegte: „Diese Berechnungsweise wonach den Klägerinnen ein Verzugszins auch
auf den bis zum Urteilszeitpunkt aufgelaufenen Zinsen zukommt, entspricht der
Rechtsprechung des Bg (BGE 81 II 49 = Pr 44 Nr. 61)“. Die anschließenden Ausführungen
des Bundesgericht stellen den Entscheid allerdings wieder unter einen gewissen Vorbehalt,
wenn es festhält, dass es bloß deshalb keine Prüfung dieser Frage vorgenommen habe, weil
das angesprochene Vorgehen der kantonalen Instanz nicht vom Beklagten beanstandet bzw.
bestritten worden sei.753 Von dieser Rechtsprechung wich das Bundesgericht in einem
folgenden Entscheid wieder ab und erklärte den Zeitpunkt des kantonalen Urteils als nicht
allein maßgeblich. Stattdessen verrechnete es zunächst die erfolgten Vorauszahlungen an
den Schadenersatz mit den bis zur entsprechenden Zahlung aufgelaufenen Schadenszinsen.
Erst ab jenem Termin, an dem die letzte Vorauszahlung nicht mehr zur Verrechnung mit den
laufenden Schadenszinsen ausreichte, wurden die bis zum Termin der letzten Vorauszahlung
auflaufenden Zinsen zum Kapital addiert und zusammen mit der restlichen Ersatzforderung
dem Verzugszins unterstellt. Maßgebend für den Beginn des Verzugszinses war daher der
Tag der letzten Vorauszahlung, wobei auch die noch aufgelaufenen Schadenszinsen verzinst
wurden.754 Diese Berechnungsweise der Schadens- und Verzugszinsen ist trotz oder gerade
wegen ihrer Genauigkeit und der damit verbundenen Komplexität nicht fortgeführt worden
und findet sich heute nicht mehr in der Rechtsprechung.
751 BGE 81 II 213 E. 5 = Pra 1955, Nr. 204; BGE 33 II 124 E. 7. 752 BGE 81 II 38 E. 5 = Pra 1955 Nr. 61. 753 BGE 97 II 123 E. 9 = Pra 1971 Nr. 209; vgl. auch BGE 131 III 12 E. 9.1. 754 BGE 113 II 323 E. 8.
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3. DIE AKTUELLE PRAXIS DES BUNDESGERICHTS
a. VERTRAGLICHE HAFTUNG
Noch in BGE 122 III 53 hat das Bundesgericht in einem Entscheid zum
Schadenszins in der Vertragshaftung eine grundsätzliche Stellungnahme zur Kumulierung
beider Zinsen vermieden. Dennoch lehnte es diese mit der Begründung ab, dass Schadens-
und Verzugszins beide auf Tatbeständen der Leistungsstörungen und damit auf einer
einheitlichen dogmatischen Grundlage basierten. Daher seien auch einheitliche Rechts-
folgen, d.h. ein einheitlicher Zinssatz von 5% p.a., gerechtfertigt, da sich eine
Harmonisierung der Rechtsfolgen der Leistungsstörungstatbestände geradezu aufdränge.
Damit lehnte es das Bundesgericht explizit ab, die seit BGE 97 II 123 bestehende Praxis im
Recht der außervertraglichen Haftung auf die Vertragshaftung zu übertragen. Eine
Auseinandersetzung mit der deliktrechtlichen Regelung erfolgte aufgrund fehlender
Entscheidungsrelevanz nicht, allerdings ließ es das Bundesgericht dennoch nicht unerwähnt,
dass auch in der Rechtsprechung zur Genugtuung die Praxis zum deliktischen Schadenersatz
für materielle Schäden keine Berücksichtigung gefunden habe.755
b. AUSSERVERTRAGLICHE HAFTUNG UND GENUGTUUNG
In BGE 131 III 12 hat sich das Bundesgericht in einem Entscheid zum Haushalts-
und Erwerbsschaden sowie zur Genugtuung grundsätzlich mit der Kumulation von
außervertraglichem Schadenszins und Verzugszins befasst. Das Bundesgericht stützt seine
ablehnende Haltung zunächst auf das verzugsrechtliche Zinseszinsverbot von Art. 105
Abs. 3 OR, welches nach seiner Ansicht durch die Aufrechnung und Verzinsung der
Schadenszinsen im Verzug verletzt würde. Aufgrund dieser Bestimmung müsse der
„Schaden für die vorenthaltene Nutzung des Kapitals mit zunehmender Zeitdauer bloß
linear, nicht exponentiell“ berechnet werden, wodurch „der entgangene Nutzen für die
aufgelaufenen Zinsen grundsätzlich unbeachtet“ bliebe.756 Zudem ergänzt das Bundesgericht
seine Begründung damit, dass eine ungleiche Behandlung des deliktischen Schadenszinses
im Vergleich zur Vertragshaftung757 und zur Entschädigung für immaterielle Schäden758
ohne nähere Begründung nicht gerechtfertigt sei und auch keine Gründe für eine solche
Unterscheidung erkennbar seien. Zuletzt zweifelt das Gericht auch an der Angemessenheit
des Tages des kantonalen Urteils als maßgeblichem Zeitpunkt für die Kapitalisierung des
Schadenszinses. Dieser Termin ergebe sich nicht aus dem Zinsbegriff, da Zinsen im
Gegenteil per definitionem laufend anwüchsen und wenn überhaupt periodisch kapitalisiert
755 BGE 122 III 53 E. 4b, c. 756 BGE 131 III 12 E. 9.3. 757 BGE 122 III 53 E. 4a; BGE 130 III 591 E. 3. 758 BGE 122 III 53 4c; BGE 118 II 404 E. 3b.
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würden, aber nicht auf einen willkürlich gewählten und nicht beinflussbaren
Urteilszeitpunkt. Außerdem würde die ältere Rechtsprechung dazu führen, dass der
Haftpflichtige schon Zinseszinsen schulden würde während er den Anspruch noch
rechtmäßig bestreitet. Um diese Folge zu umgehen müsste der Haftpflichtige den
bestrittenen Schaden schon vor dem letzten Urteil begleichen oder aber nachträglich dafür
haften, dass er den Schadenersatz nicht vorzeitig geleistet hat. Beides könne hingegen vom
Haftpflichtigen nicht erwartet werden.759
4. ZUSAMMENFASSUNG DER PRAXIS
Das Bundesgericht geht heute davon aus, dass Schadens- und Verzugszins die
gleiche Funktion erfüllen und sich in ihrer Natur nicht wesentlich unterscheiden, wie es nur
noch von einer Minderheit der Lehre vertreten wird.760 Eine Kumulation von Schadens- und
Verzugszinsen würde daher zu einer Überentschädigung des Geschädigten führen, die im
Schadenersatzrecht ebenso zu vermeiden sei wie eine nicht gerechtfertigte zu geringe
Kompensation.761 Daher hat das Bundesgericht mit den dargestellten Entscheiden endlich
Klarheit und Verbindlichkeit geschaffen, indem es festgestellt hat, dass sowohl die
vertragliche als auch die außervertragliche Haftung und die Genugtuung bezüglich der
Kumulation von Schadens- und Vertragszins absolut gleich zu behandeln sind. Die
Verzinsung soll ausschließlich linear erfolgen und niemals exponentiell. An allfälligen
abweichenden Entscheiden aus der Vergangenheit wird explizit nicht festgehalten und die
darauf basierende Lehrmeinung abgelehnt.762 In einem anschließend ergangenen Entscheid
hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung fortgeführt und eine Verzinsung zwischen
mittlerem Verfall und Urteilszeitpunkt vorgenommen, die nicht auf den Urteilstermin
aufzurechnen sei. Das Urteil der Vorinstanz hatte noch eine Aufrechnung der vom mittleren
Verfall an aufgelaufenen Zinsen auf den Urteilszeitpunkt vorgenommen und den gesamten
Schaden inklusive Zins ab dem Urteilstag verzinst.763
VI. KAPITALISIERTER SCHADENSERSATZ
Anstelle einer periodischen Rente für einen erst zukünftig entstehenden Dauerschaden
kann dem Geschädigten der Schadenersatz auch in Form einer kapitalisierten Rente
zugesprochen werden. Durch die Kapitalisierung erhält der Geschädigte mit der einmaligen
Kapitalabfindung jenen Betrag, der unter Berücksichtigung der erzielbaren Vermögens-
759 BGE 131 III 12 E. 9.4. 760 BGE 131 III 12 E. 9.1 f. 761 BGE 130 III 591 E. 4; WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 3 a.E.; SCHENKER (1987), N 397. 762 BGE 131 III 12 E. 9.4. 763 BGE 134 III 489 E. 4.5.4.
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erträge den zukünftig entstehenden hypothetischen Gesamtschaden voll abdeckt und damit
der Zahlung einer periodischen Rente in der Zukunft entspricht.764 Zur Berechnung des
Kapitalbetrags wird die kalkulierte jährliche Rentenleistung auf einen Stichtag, regelmäßig
den Urteilstag, kapitalisiert, wobei einerseits die Laufzeit der hypothetischen Rente und
andererseits der erwartete Vermögensertrag zu berücksichtigen sind.765 In der Praxis wird
anstelle aufwendiger Berechnungen mit Barwertformeln regelmäßig eine Multiplikation der
jährlichen Rente mit einem Kapitalisierungsfaktor vorgenommen. Diese Faktoren findet
man in den Barwerttafeln von STAUFFER/SCHAETZLE766, welche ihre Grundlage in
statistischen Erhebungen sowie Annahmen über die durchschnittliche Lebenserwartung der
geschädigten Person haben und unter Einbezug des maßgeblichen Diskontierungszinssatzes
einen spezifischen Kapitalisierungsfaktor bestimmen. Der Diskontierungszinssatz dient
dabei der Berücksichtigung des vermuteten zukünftigen Vermögensertrags, wobei unter
sonst gleichen Bedingungen ein höherer Zinssatz zu einem niedrigeren Kapitalisierungs-
faktor und einer geringeren Kapitalabfindung führt, während ein niedrigerer Zinssatz einen
höheren Kapitalisierungsfaktor und eine höhere Abfindung bewirkt.767
Das Bundesgericht wendet für die Diskontierung in stetiger Rechtsprechung einen
Zinssatz von 3,5% an.768 Trotz eines teilweise erheblich schwankenden Zinsniveaus in der
Vergangenheit und wiederkehrender Kritik aus der Lehre hat sich das Bundesgericht bisher
geweigert, von dieser Praxis Abstand zu nehmen und den Zinssatz zu verändern.769 Die
Lehre kritisiert den Zinssatz als zu hoch, da er einen Abzug für den erzielbaren Kapitalertrag
darstelle und sich daher an den tatsächlich erzielbaren Renditen orientieren sollte. In den
vergangenen Jahren sei langfristig und unter Berücksichtigung der Inflationsrate kaum ein
realer Kapitalertrag von 3,5% p.a. erzielbar gewesen, ohne ein im Vergleich zu
Bundesobligationen erhöhtes Risiko eingehen zu müssen. Unterhalb dieses realen Ertrags
entsteht dem Geschädigten hingegen ein Schaden durch die anhaltende Teuerung, so dass
die Kapitalabfindung nicht für die kalkulierte Laufzeit ausreicht.770 Auf der Grundlage
tatsächlich erzielbarer, realer Anlageerträge halten WEBER/SCHAETZLE maximal einen
jährlichen Diskontierungszinssatz von 2,5% für vertretbar.771 Das Bundesgericht hat diesen
Tendenzen allerdings wiederholt eine Absage erteilt, wobei die verwendeten Argumente
764 WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1116. 765 WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1116. 766 STAUFFER/SCHAETZLE (2001). 767 WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1116. 768 BGE 96 II 446 E. 6d = Pra 1971 Nr. 167; BGE 125 III 312 E. 7. 769 WEBER, BK, Art. 73 OR N 122. 770 WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1116, 1118.
Beispiel: Bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1,8% p.a. muss die Anlage eine jährliche nominelle
Rendite von 5,3% erzielen, damit der Geschädigte keinen Verlust durch die Geldentwertung erleidet. 771 WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1119; SCHAETZLE, ZBJV 1995, S. 522.
§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________
124
nach Ansicht der Lehre einer genaueren Prüfung kaum standhalten würden.772 Angesichts
des niedrigen Zinsniveaus in den vergangenen Jahren wäre hingegen m.E. ein geringerer
Diskontierungszinssatz gerechtfertigt, damit die geschädigte Person nicht durch eine zu
geringe Kapitalleistung einen Nachteil erleidet.
Ein weiterer Schaden kann dem Geschädigten beim kapitalisierten Schadenersatz
entstehen, wenn der Rechnungstag auf den der Schadenersatz kapitalisiert wurde und der
Zahlungstermin nicht übereinstimmen. In diesem Fall erleidet der Gläubiger einen Zins-
verlust, da für diesen Zeitraum zuvor bereits der Diskontierungszins abgezogen wurde. Der
Kapitalbetrag des zukünftigen Schadens ist daher vom Rechnungstag bis zur Zahlung mit
dem Schadenszins von 5% p.a. als Ausgleich für die Diskontierung zu verzinsen.773 Der
Termin der Kapitalisierung kann mit dem Urteilsdatum zusammenfallen, muss es aber
nicht.774
VII. PROZESSUALES
A STREITWERT
1. RECHTSPRECHUNG DES BUNDESGERICHT
Bei der Ermittlung des Streitwertes ist der Schadenszins, obwohl es sich um einen
Teil der Schadenersatzforderung handelt, gemäß Bundesgericht nicht zu berücksichtigen.775
Diese Entscheidung zum Schadenszins stützt das Bundesgericht auf die Rechtsprechung zur
Streitwertfähigkeit von Zinsen im Allgemeinen. Diese besagt, dass Zinsen nicht in die
Streitwertberechnung einzubeziehen sind, wenn sie akzessorisch zu einer Kapitalforderung
geltend gemacht werden. Einzig wenn die Zinsforderung eigenständig geltend gemacht
wird, sind die Zinsen für den Streitwert relevant. Maßgeblich war nach dieser unter altem
Recht (Art. 54 Abs. 1 aOG) begründeten Rechtsprechung zu den bundesrechtlichen
Verfahrensvorschriften nur die Tatsache, dass die Zinsen akzessorisch zu einer
Kapitalforderung geltend gemacht wurden. Diese Beschränkung gilt daher nicht für jene
Zinsen, die in der Hauptforderung aufgegangen sind, wie z.B. Zinsen die eine
Berechnungskomponente von Regressforderungen oder von Forderungen aus
ungerechtfertigter Bereicherung bilden. Abgesehen vom Merkmal der Akzessorietät kann
keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Zinsarten vorgenommen werden.776
772 WYSS, AJP 1997, S. 849 ff.; WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1117. 773 BGE 131 III 12 E. 9.5; WEBER/SCHAETZLE (2004), S. 100, 104; BGE 123 III 115 E. 9a. 774 BGE 123 III 115 E. 9a; HONSELL (2005), § 8 N 27. 775 BGE 118 II 363; OFTINGER/STARK, Bd. I, § 6 N 25. 776 BGE 118 II 363.
§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________
125
2. NACH NEUEM BUNDESGERICHTSGESETZ (BGG)
Auch unter dem neuen Bundesgerichtsgesetz bleiben die Bestimmungen über den
Streitwert weitgehend unverändert. Entsprechend dem altrechtlichen Art. 36 Abs. 3 OG
bestimmt Art. 51 Abs. 3 BGG, „dass Zinsen, Früchte, Gerichtskosten und Partei-
entschädigungen, die als Nebenrechte geltend gemacht werden (…) bei der Bestimmung des
Streitwerts nicht in Betracht“ fallen. Der Streitwert richtet sich gemäß Art. 51 Abs. 1 lit. a
BGG auch unter neuem Recht „nach den Begehren, die vor der Vorinstanz streitig geblieben
waren“ und muss bei der Beschwerde in Zivilsachen über vermögensrechtliche Angelegen-
heiten nach Art. 74 Abs. 1 BGG mindestens CHF 15„000 in arbeits- und mietrechtlichen
Streitigkeiten (lit. a) bzw. CHF 30„000 in allen übrigen Fällen (lit. b) betragen, sofern keine
der speziellen Ausnahmen von Art. 74 Abs. 2 BGG vorliegt.
B BEWEISLAST
Die Pflicht zum Nachweis der Existenz und der Höhe eines Schadens liegt nach Art.
42 Abs. 1 OR bei der Partei die ihren Anspruch behauptet, d.h. der geschädigten Partei.777
Beweispflichtig ist nur der Geschädigte, während der Beklagte nicht verpflichtet werden
kann, die Tatsachenvorbringen des Geschädigten zu widerlegen, da dies auf eine
unzulässige Umkehr der Beweislast hinausliefe. Vielmehr schadet es dem Beklagten nicht,
die Sachbehauptungen des Geschädigten mit bloßem Nichtwissen zu bestreiten.778 Auch
wenn „vom Belangten je nach Gegenstand und Lage des Verfahrens verlangt werden könne,
eine Bestreitung tunlichst zu substantiieren“ ist es gemäß Bundesgericht nicht zulässig „an
diese Substantiierung die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei Sachbehauptungen,
welche die Beurteilung des daraus abgeleiteten Anspruchs erlauben sollen“.779 Beansprucht
der Geschädigte eine höhere Entschädigung für seinen entgangenen Nutzen als die aus Art.
73 Abs. 1 OR abgeleiteten pauschalen 5% p.a., so muss er entweder den konkreten
Nachweis eines höheren Schadens erbringen oder eine entsprechende Vereinbarung mit dem
Haftpflichtigen nachweisen. Dem Geschädigten kann nicht ohne weitere Nachweise ein
höherer Zins mit Verweis auf die allgemeinen Marktbedingungen zugesprochen werden.780
VIII. ZUSAMMENFASSUNG
Der Schadenszins ist eine Berechnungskomponente des Schadenersatzes. Er soll den
entgangenen Nutzen des Gläubigers ausgleichen und gleichzeitig den wirtschaftlichen
Vorteil abschöpfen, den der Haftpflichtige durch die verzögerte Zahlung der Ersatzsumme
777 HONSELL (2005), § 8 N 28 f.; BREHM, BK, Art. 42 OR N 9; SCHNYDER, BSK, Art. 42 OR N 1; BRUNNER, N 189. 778 BGE 115 II 1 E. 4; BRUNNER, N 189. 779 BGE 115 II 1 E. 4; relativierend BGE 105 II 143 E. 6a/bb. 780 BREHM, BK, Art. 41 OR N 101; HONSELL (2005), § 8 N 27.
§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________
126
erlangt hat. Der Schadenszins ist auf alle privatrechtlichen Schadenersatzforderungen und
Genugtuungssummen anzuwenden. In Analogie zu Art. 73 Abs. 1 OR wird der Zinssatz auf
5% p.a. festgelegt. Dabei handelt es sich jedoch um eine wiederlegbare Vermutung, so dass
der Gläubiger einen höheren Zinssatz beanspruchen kann, sofern er einen größeren Schaden
bzw. entgangenen Nutzen nachweist. Auch die analoge Anwendung des variablen
Verzugszinses im kaufmännischen Verkehr sollte möglich sein, sofern die entsprechenden
Voraussetzungen gegeben sind. In der Vergangenheit hat das Bundesgericht für die
Festsetzung des Verzugszinssatzes auch schon die tatsächlichen Verhältnisse auf dem
Kapitalmarkt herangezogen, ohne dafür aber die genauen Bestimmungsfaktoren zu
definieren. Im Vergleich zu einem pauschalen Zinssatz wäre eine Anknüpfung an die
Verhältnisse auf den Kapitalmärkten jedoch besser geeignet, um einen angemessenen
Schadenszinssatz zuzusprechen.
Im Verzug dürfen auf den Betrag des aufgelaufenen Schadenszinses keine
Verzugszinsen berechnet werden, da gemäß Bundesgericht beide Zinsen die gleiche
Funktion erfüllen und eine Kumulation zu einer Überkompensation des Geschädigten führen
würde. Die Verzinsung darf daher ausschließlich linear erfolgen und niemals exponentiell.
Für die Kapitalisierung von Schadenersatzforderungen wendet das Bundesgericht in
stetiger Rechtsprechung einen Zinssatz von 3,5% an. In der Lehre wird dieser Zinssatz
regelmäßig als zu hoch kritisiert, da der Geschädigte eine solche Rendite mit dem Kapital
im langfristigen Durchschnitt nicht erzielen könne und daher unterkompensiert werde.
§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT __________________________________________________________________________
127
§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT
I. ALLGEMEINES
Der Zins im Bereicherungsrecht wird in Literatur und Rechtsprechung weit seltener
behandelt als der Schadenszins. Während letzter insbesondere aufgrund seiner Bedeutung
im Bereich der Unfall- und Personenschäden einen sehr weiten Anwendungsbereich hat,
haben die Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung eine geringere Bedeutung
durch die Annahme der kausalen Natur der Tradition beim Eigentumsübergang im
schweizerischen Recht.781 Anstelle des Bereicherungsanspruchs kommen häufiger die
sachenrechtlichen Ansprüche auf Herausgabe des Eigentums (Art. 641 Abs. 2 ZGB -
Vindikation) bzw. auf Grundbuchberichtigung zur Anwendung (Art. 975 ZGB).782 Der
Bereicherungsanspruch hingegen ist weitgehend beschränkt auf Geldforderungen, da ein
übertragener Geldbetrag durch Vermengung mit dem Geld des Bereicherten in dessen
Eigentum übergeht. Der Bereicherungsanspruch ist regelmäßig eine Gattungsschuld, weil
der Berechtigte kein Interesse an den effektiven Stücken, sondern nur an deren Geldwert
hat. Der Anspruch zielt folglich auf Wertersatz der Zahlung ab.783 Nur vom Vermögen des
Bereicherten getrenntes Geld muss mittels Vindikationsklage in natura zurückgefordert
werden.784 Entsprechend kommt auch der Bereicherungszins nur in den selten Fällen zur
Anwendung wenn der Bereicherungsanspruch nicht durch die sachenrechtlichen Ansprüche
verdrängt wird.
II. ZWECK
Auch wenn die Ausgestaltung des Bereicherungszinses durch die Rechtsprechung
nicht annähernd so detailliert ist wie die des Schadenszinses, so besteht dennoch Klarheit in
Bezug auf wesentliche Details der Verzinsungspflicht. Der Bereicherte hat nach Lehre und
Rechtsprechung neben der ursprünglichen Bereicherung auch jegliche vom ihm gezogenen
Nutzungen zurückzuerstatten. Dazu gehören sowohl die natürlichen als auch die
bürgerlichen Früchte, d.h. insbesondere die Zinsen sowie jegliche sonstigen Nutzungen,
„soweit sie sich in einem Geldwert ausdrücken lassen, und zwar unabhängig davon, ob sie
der Berechtigte gezogen hätte oder überhaupt hätte ziehen können“785.786 Auch wenn das
betroffene Kapital erfolgreich in eine Unternehmung investiert wurde, ist nach BECKER ein
781 SCHAUFELBERGER, S. 203. 782 SCHULIN, BSK, Art. 64 OR N 3. 783 KELLER/SCHAUFELBERGER, Bd. III, S. 71. 784 SCHULIN, BSK, Art. 64 OR N 3. 785 KELLER/SCHAUFELBERGER, Bd. III, S. 75. 786 V. THUR/PETER, § 53 S. 501; SCHWENZER, N 58.04; BGE 116 II 689 E. 3b/bb.
§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT __________________________________________________________________________
128
entsprechender rechnerischer Zinsanteil herauszugeben.787 Der Zweck des Bereicherungs-
zinses besteht folglich in der Rückgabe eines, zum Nachteil des eigentlich an einer
Geldsumme Berechtigten, unrechtmäßig gezogenen Vorteils.788 Die Anspruchsgrundlage
der Erstattung von Nutzungen, Früchten und Zinsen findet sich nicht explizit im Gesetz789,
sondern wird aus dem Grundsatz abgeleitet, dass der Bereicherte die gesamte Bereicherung
zurückzuerstatten hat.790 Ausgenommen von diesem Prinzip sind lediglich die folgenden,
gesetzlich umschriebenen Fälle, wenn der ursprünglich Bereicherte gutgläubig nicht mehr
bereichert ist (Art. 64 OR) und wenn der gutgläubig Bereicherte Ersatz für von ihm getätigte
notwendige und nützliche Verwendungen erhält (Art. 65 OR).
III. UMFANG DER ZINSFORDERUNG
A GUTGLÄUBIGKEIT
Im Gegensatz zu den zuvor genannten Zinsformen ist der Bereicherungszins keine
akzessorische Nebenforderung der Bereicherungsforderung, sondern ein Bestandteil der
Bereicherung selbst.791 Die Zinsforderung umfasst nach der Praxis des Bundesgerichts
jegliche vom Bereicherten tatsächlich gezogenen Zinsen und wird nicht pauschal auf einen
bestimmten Zinssatz festgelegt. Dieser tatsächliche Zins sollte theoretisch ungefähr jenem
Zins entsprechen der dem Berechtigten entgangen ist.792 Allerdings ist zu berücksichtigen,
dass der Berechtigte den bezogenen Zins des Bereicherten nachweisen muss und nicht
seinen eigenen Verlust. Einzig in Fällen in denen feststeht, dass der Geldbetrag einer
Bereicherung zu einem üblichen Zinssatz angelegt wurde, kann wohl auf diesen üblichen
Zinssatz zurückgegriffen werden, anstatt auf den genauen Anlagezinssatz abzustellen.793
Diese Möglichkeit sollte insbesondere bei der Bereicherung im kaufmännischen Verkehr zur
Verfügung stehen, da im kaufmännischen Verkehr davon ausgegangen werden kann, dass
Gelder nicht ungenutzt gelassen, sondern zinstragend angelegt werden. Zum Bereicherungs-
zins gehört laut BGer auch der Zinseszins, sofern der Bereicherte solchen erzielt hat.794
In der Praxis wurde der Bereicherungszinssatz in BGE 84 II 179 auf 3% p.a. festgelegt,
wobei das Bundesgericht über den Zinssatz nicht selbst entschied, sondern die Entscheidung
der Vorinstanz bestätigte und den Zinssatz dabei als „tatsächliche Feststellung, die sich auf
787 BECKER, BK, Art. 64 OR N 2. 788 SCHENKER (1987), N 398. 789 Anders z.B. im deutschen Recht: § 818 Abs. 1 BGB. 790 BUSSY, N 185; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 64 OR N 4; BECKER, BK, Art. 64 OR N 1. 791 BGE 116 II 689 E. 3 b/bb; BGE 84 II 179 E. 4; BGE 64 II 132 E. 1 = Pra 1938 Nr. 97; SPAHR, ZWR 1990, S. 375. 792 BGE 84 II 179 E. 4; BGE 80 II 152 E. 3; BGE 61 II 12 E. 4; BGE 40 II 249 E.5; KELLER/SCHÖBI, Bd. IV, S. 101;
BUCHER, OR AT, § 34 S. 692. 793 BGE 84 II 179 E. 4; KELLER/SCHAUFELBERGER, Bd. III, S. 75; BUCHER, OR AT, § 34 S. 692. 794 BGE 25 II 121 E. 4.
§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT __________________________________________________________________________
129
die örtlichen Verhältnisse stützt und mit der Lebenserfahrung nicht im Widerspruch steht“
betrachtete. Damit wurde der Bereicherungszins deutlich tiefer angesetzt als die Zinssätze
im Verzug oder im Schadensfall.795 Nach der Ansicht von BUCHER sollte im Einzelfall aber
auch auf den vom Bereicherten gezahlten Passivzins als Maßstab für den Bereicherungszins
abgestellt werden können, falls jener während der Dauer der Bereicherung Bankkredite oder
Darlehen von Dritten in Anspruch genommen hat.796 In diesem Fall würde der Berechtigte
den gleichen Zinssatz wie die übrigen Gläubiger des Bereicherten erhalten, d.h. es würden
die gleichen Konditionen gelten zu denen sich der Bereicherte sonst hätte finanzieren
müssen.
B BÖSGLÄUBIGKEIT
Falls der Bereicherte nicht gutgläubig war, d.h. wenn er das Fehlen des Rechts-
grundes schon zum Zeitpunkt seiner Zahlung kannte oder dies unter Anwendung der nach
den Umständen gebotenen Sorgfalt hätte kennen müssen, greift nach Art. 64 OR eine
Haftungsverschärfung. Der Bereicherte haftet dann gemäß Art. 99 Abs. 1 OR für jegliches
Verschulden und damit auch für die Unterlassung der zinstragenden Anlage des ihm nicht
zustehenden Kapitals, welches dadurch im Zeitverlauf an Wert verliert. Daher hat der
bösgläubige Bereicherte jene Zinsen herauszugeben, die er mit dem Kapital theoretisch hätte
erzielen können, es aber faktisch unterlassen hat.797 Durch diese Bestimmung wird der
Berechtigte davor geschützt, aufgrund des bösen Glaubens des Bereicherten schlechter
gestellt zu werden als im Fall eines gutgläubigen Bereicherten. Zugleich wird das Verhalten
des bösgläubig Bereicherten dadurch zusätzlich sanktioniert.
IV. ZINSENLAUF
Die Verzinsungspflicht beginnt zum Zeitpunkt des Beginns der ungerechtfertigten
Bereicherung, d.h. dem Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Zahlung bzw. der Zahlung deren
Rechtsgrund nachträglich dahin fällt. Die Verzinsungspflicht endet mit dem Termin, an dem
die Bereicherung zurückgefordert wird. Der Bereicherungszins läuft folglich bis zu jenem
Zeitpunkt, an dem der Berechtigte den fälligen Betrag mahnt oder bis zur Klageerhebung
gegen den Bereicherten. Danach beginnt der gesetzliche Verzugszins zu laufen, der den
Bereicherungszins ausschließt und verdrängt. Hingegen sollte ein hoher Bereicherungs-
zinssatz auch im Verzug weiter berechnet werden können, soweit er den Verzugszinssatz
übersteigt.798 Da der Bereicherungszins zudem kein akzessorisches Recht, sondern ein
795 BGE 84 II 179 E. 4. 796 BUCHER, OR AT, § 34 S. 692. 797 V. THUR/PETER, § 53 S. 511 f.; BUCHER, OR AT, § 34 S. 692 FN 149; SCHENKER (1987), N 398; SPAHR, ZWR 1990, S. 375. 798 SCHENKER (1987), N 399; SPAHR, ZWR 1990, S. 375.
§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT __________________________________________________________________________
130
Bestandteil der Bereicherungsforderung ist799, liegt m.E. kein Verstoß gegen das Zinses-
zinsverbot vor, wenn auch auf dem Bereicherungszins der Verzugszins berechnet wird.
Unter Berücksichtigung der wenigen Rechtsprechung und mangels einer detaillierten
Behandlung in der Lehre ist allerdings davon auszugehen, dass der Bereicherungszins wie
schon der Schadenszins800 nicht dem Verzugszins untersteht.801
V. VERJÄHRUNG
Die Verjährung des Bereicherungszinses folgt nicht den Verjährungsregeln für
Zinsforderungen, da es sich, wie gezeigt, nicht um eine akzessorische Forderung handelt,
sondern um einen Anspruch, der in der Hauptforderung aufgeht und als deren Bestandteil zu
betrachten ist.802 Folglich untersteht der in der Kondiktionsforderung enthaltene Zins nicht
Art. 128 Ziff. 1 OR, sondern es gelten die bereicherungsrechtlichen Verjährungsfristen des
Art. 67 Abs. 1 OR.803 Der Anspruch verjährt daher mit einer relativen Frist von einem Jahr
ab Kenntnis des Bereicherungsanspruchs durch den Berechtigten bzw. nach Ablauf der
absoluten Frist von zehn Jahren seit Entstehung des Anspruchs, d.h. ab Fälligkeit der
Bereicherungsforderung.804
VI. PROZESSUALES
Als Bestandteil der Bereicherungsforderung wird der Bereicherungszins auch
zusammen mit jener vor Gericht eingeklagt. Die Beweislast bezüglich der Tatsache, dass die
ursprüngliche Bereicherung zinstragend angelegt wurde liegt beim Berechtigten, ebenso wie
der Nachweis der erzielten Rendite.805 Steht hingegen die verzinste Anlage des Kapitals fest,
dann sollte von einer Anlage zu üblichen Zinssätzen ausgegangen werden, sofern eine hohe
Wahrscheinlichkeit dafür spricht.806 Der Nachweis des exakten Ertrags der Anlage kann
vom Berechtigten aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit dieser Informationen ohnehin
nicht erwartet werden. Unter Kaufleuten (m.E. besser im kaufmännischen Verkehr) sollte
nach WEBER die zinstragende Anlage von Geld vermutet werden können, so dass der
übliche Zinssatz ohne exakten Nachweis des Berechtigten angewendet werden könnte.807
Der Bereicherte hingegen hat jene Tatsachen zu beweisen, die auf eine verminderte oder
799 WEBER, BK, Art. 73 OR N 39 ff. 800 Siehe § 7 V. 801 BGE 84 II 179 E. 4. 802 Siehe § 3 E. 803 BERTI, BK, Art. 128 OR N 16. 804 HUWILER, BSK, Art. 67 OR N 3 ff.; BGE 119 II 20 E. 2b = Pra 1993 Nr. 188. 805 KELLER/SCHAUFELBERGER, Bd. III, S. 75; SPAHR, ZWR 1990, S. 375. 806 KELLER/SCHAUFELBERGER, Bd. III, S. 75. 807 WEBER, BK, Art. 73 OR N 59; SPAHR, ZWR 1990, S. 375.
§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT __________________________________________________________________________
131
gänzlich weggefallene Bereicherung und eine entsprechend reduzierte oder ausgeschlossene
Pflicht zur Rückerstattung schließen lassen.808 In jedem Fall zählen die Bereicherungszinsen
mit bei der Berechnung des Streitwertes, da sie in der Hauptforderung aufgegangen und
nicht akzessorischer Natur sind.809
VII. ZUSAMMENFASSUNG
Der Bereicherungszins kommt bei der Rückforderung von Geld aus ungerechtfertigter
Bereicherung zur Anwendung. Gemäß dem Grundsatz, dass der Bereicherte die gesamte
Bereicherung zurückzuerstatten hat, muss er neben der ursprünglichen Bereicherung auch
jegliche vom ihm gezogenen Nutzungen zurückerstatten. Sein Zweck ist somit die Rückgabe
eines unrechtmäßig gezogenen Vorteils. Die Zinsforderung beinhaltet alle vom Bereicherten
tatsächlich gezogenen Zinsen und ist nicht pauschal auf einen starren Zinssatz festgelegt.
Der Nachweis des gezogenen Vorteils und dessen Höhe muss vom Gläubiger erbracht
werden, wobei m.E. in gewissen Fällen eine Rendite in Höhe eines üblichen Zinssatzes
vermutet werden sollte, wenn die zinstragende Anlage von Geldbeträgen üblich ist aber der
Gläubiger den konkreten Anlagezinssatz nicht nachweisen kann. Im kaufmännischen
Verkehr sollte daher bei Gutgläubigkeit subsidiär auf den allgemeinen gesetzlichen Zinssatz
abgestellt werden. Falls der Bereicherte nicht gutgläubig ist, hat er sogar jene Zinsen
herauszugeben die er theoretisch hätte erzielen können, es aber faktisch unterlassen hat.
Zumindest im kaufmännischen Verkehr sollte m.E. in diesem Fall eine Anlage zum
allgemeinen subsidiären Zinssatz vermutet werden.
Unklar ist bisher geblieben, ob der Bereicherungszins, wie schon der Schadenszins,
nicht dem Verzugszins untersteht. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zum
Schadenszins ist dies zu vermuten, obwohl der Zins ein Bestandteil der Bereicherungs-
forderung ist.
808 SCHULIN, BSK, Art. 64 OR N 11; BGE 92 II 168 E. 6c. 809 BGE 118 II 363; BGE 67 II 37 S. 41; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Art. 20 ZPO ZH N 1.
132
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________
133
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ
I. ALLGEMEINES
Der Ersatz von Auslagen und Verwendungen ist ein integraler Bestandteil des
Geschäftsführungs- bzw. Geschäftsbesorgungsrechts. Namentlich finden sich entsprechende
Bestimmungen nicht nur im Auftragsrecht und im Recht der Geschäftsführung ohne
Auftrag, sondern auch in der Kommission und in der einfachen Gesellschaft. Spezielle
Regelungen betreffen zudem den Makler- und den Agenturvertrag. Da die Bestimmungen
zum einfachen Auftrag als grundlegendem Rechtsinstitut in Literatur und Rechtsprechung
die größte Bedeutung haben, orientieren sich die anschließenden Ausführungen an Art. 402
OR. Auf die Besonderheiten der einzelnen Verträge wird ergänzend eingegangen.
II. DER VERWENDUNGSERSATZ
A BEGRIFF
Auslagen und Verwendungen sind freiwillige Vermögensverluste die ein
Beauftragter aus der Erfüllung eines Auftrags erlitten hat.810 Dabei sind unter Auslagen
Geldaufwendungen zu verstehen, die regelmäßig in Kosten, Spesen oder Baraufwendungen
bestehen und die „der Beauftragte zum Zwecke der Auftragsausführung auf sich nimmt oder
die sich als notwendige Folge der Geschäftsführung ergeben“.811 Im Gegensatz dazu sind
Verwendungen der Verbrauch von Sachen im Allgemeinen, d.h. nicht monetärer Natur oder
die übermäßige Abnutzung einer eigenen Sache.812 Der Ersatz von Auslagen und
Verwendungen ist Wertersatz einer tatsächlichen Vermögensminderung und erfolgt
regelmäßig in Geld. Die Höhe des Ersatzes bestimmt sich nach dem Betrag der Auslage
bzw. dem Verkehrswert der Verwendung zur Zeit der Aufwendung. Auslagen in fremder
Währung sind zum Kurs am Verfallstermin in Schweizer Franken umzurechnen.813 Der
Verwendungsersatz ist zu unterscheiden vom Schadenersatz.814 Letzterer ersetzt gemäß
Bundesgericht keine freiwillige, sondern eine unfreiwillige Vermögenseinbuße, für die das
Gesetz einen Ersatzanspruch nur unter den speziellen Voraussetzungen des Art. 402 Abs. 2
OR vorsieht, mit der Möglichkeit des Exkulpationsbeweises für den Auftraggeber.815
810 BGE 59 II 245 E. 5; HONSELL, OR BT, § 23 S. 322. 811 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 15. 812 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 16 ff. 813 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 48 f. 814 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 56. 815 BGE 59 II 245 E. 5.
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________
134
B ZWECK
Der Auftrag bezweckt die Wahrung fremder Interessen durch den Beauftragten.
Entsprechend ist der Beauftragte nicht verpflichtet, sein eigenes Vermögen zum Nutzen des
Auftraggebers einzusetzen oder Verbindlichkeiten gegenüber Dritten einzugehen. Seine
Tätigkeit erfolgt auf Rechnung des Auftraggebers, so dass ihm ein Anspruch auf Ersatz der
aus seinem Vermögen getätigten Auslagen und Verwendungen bzw. für eingegangene
Verbindlichkeiten zusteht. Der Ersatzanspruch soll verhindern, dass der Beauftrage bei der
Wahrung fremder Interessen einen Vermögensnachteil erleidet.816 Diese Regelung ist vor
dem Hintergrund der ursprünglichen Unentgeltlichkeit des Auftrags zu verstehen. Da der
Beauftragte kein Honorar erhielt sollte er nicht zusätzlich auf eigene Kosten tätig werden.817
Der Ersatzanspruch ist begrenzt auf jene Kosten, die in richtiger Ausführung eines Auftrags
entstanden sind. Das bedeutet zunächst, dass die Aufwendungen im Rahmen eines
konkreten Auftrags entstanden sein müssen, womit grundsätzlich keine allgemeinen Kosten,
wie z.B. die Kosten für die Einrichtung und Unterhaltung einer beruflichen Infrastruktur
ersatzfähig sind.818 Zudem müssen die Aufwendungen bei sorgfältiger Auftragsausübung
entstanden sein, d.h. der Beauftrage muss den Weisungen des Auftraggebers gefolgt sein
und nur objektiv notwendigen und zweckmäßigen Aufwand betrieben haben.819
C ENTSTEHUNG UND FÄLLIGKEIT
Der Ersatzanspruch des Beauftragten entsteht im Zeitpunkt der Aufwendung, d.h.
der Vornahme einer Zahlung bzw. der Verwendung einer eigenen Sache. Im gleichen
Zeitpunkt wird der entstandene Anspruch fällig, d.h. der Beauftragte kann den Ersatz
einfordern und der Auftraggeber hat die Ersatzforderung zu erfüllen.820 Diese Regelung ist
dispositiv, d.h. die Parteien können abweichende Vereinbarungen vorsehen und z.B.
Abzahlungs- oder Stundungsregeln festlegen. Auch ein Aufschub bis zum Vertragsende
oder eine periodische Abrechnung sind möglich, sofern die Parteien dies vereinbaren. Neben
einer expliziten Vereinbarung ist eine abweichende Ersatzregelung auch stillschweigend
möglich, falls sie nach den Umständen als von beiden Parteien selbstverständlich gewollt
erscheint oder nach dem Zweck des Geschäfts üblich ist.821
816 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 3; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 10. 817 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 11 f. 818 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 5; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 26 ff. 819 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 6. 820 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 7; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 52; a.A. BGE 94 II 263 E. 3a. 821 BGE 78 II 42 E. 4; BGer 4C.17/2003 E. 3.3.1 v. 28.01.2004; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 53; WEBER, BSK,
Art. 402 OR N 16.
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________
135
D PROZESSUALES
Der Beauftrage, der den Ersatz von Auslagen und Verwendungen verlangt, hat
deren Höhe und Notwendigkeit durch die Vorlage von entsprechenden Belegen wie
Rechnungen oder Quittungen darzulegen und, falls die Aufwendungen selbst, ihre Höhe
oder ihre Angemessenheit bestritten werden, diese auch zu beweisen.822 Sofern keine exakte
Abrechnung wegen fehlender Belege möglich ist, hat das Gericht nach FELLMANN die zu
ersetzenden Aufwendungen zu schätzen.823
E VERJÄHRUNG
Der Anspruch auf den Ersatz von Auslagen und Verwendungen untersteht der
ordentlichen zehnjährigen Verjährung nach Art. 127 OR. Die Verjährungsfrist beginnt
grundsätzlich mit der Fälligkeit des Anspruches, d.h. mit der Vornahme der Auslage bzw.
Verwendung durch den Beauftragten.824
III. DER VERWENDUNGSZINS
Aus dem Zweck des Anspruches auf Auslagen- und Verwendungsersatz ergibt sich
unmittelbar auch der Anspruch auf die Verzinsung des Ersatzes durch den Auftraggeber, da
dem Beauftragen andernfalls ein finanzieller Schaden durch den nicht vollständigen Ersatz
der Entbehrung der Ersatzsumme entstünde.825 Die Zinspflicht beginnt mit der Entstehung
des Anspruches, d.h. am Tag der Auslage oder Verwendung.826 Es handelt sich nicht um
einen Verzugszins, sondern um einen Verwendungszins, der ohne Mahnung durch den
Beauftragten entsteht.827 Sowohl Auslagen als auch Verwendungen sind auf der Grundlage
ihres Geldwertes zu verzinsen. Der maßgebliche Zinssatz ist nicht im Gesetz festgelegt,
sondern wird aus der allgemeinen subsidiären Zinsbestimmung hergeleitet und beträgt
vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung 5% p.a.828 Sofern der Anspruchsberechtigte selbst
Geld zu einem höheren Zinssatz aufnehmen musste ist er berechtigt diesen auch vom
Auftraggeber zu fordern.829 Er ist jedoch für diesen weitergehenden Anspruch
beweispflichtig. Erst ab dem Zeitpunkt der Mitteilung der ausstehenden Beträge sowie einer
Mahnung durch den Beauftragen beginnt der Verzugszins zu laufen.830 Wie bereits beim
822 GMÜR, N 114, FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 50. 823 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 50. 824 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 19; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 82. 825 v. THUR/PETER, § 17 S. 133. 826 WEBER, BK, Art, 73 OR N 94; V. THUR/PETER, § 17 S. 133. 827 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 7; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 51; GAUTSCHI, BK, Art. 402 OR N 14. 828 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 402 OR N 7; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 51. 829 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 402 OR N 7; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 51. 830 WEBER, BK, Art, 73 OR N 95; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 55.
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________
136
Schadenszins ist davon auszugehen, dass auf dem Verwendungszins keine Verzugszinsen
berechnet werden und keine Zinseszinsen gefordert werden können.
IV. DIE WEITEREN VERTRAGSVERHÄLTNISSE
A MAKLERVERTRAG
Der Makler hat nach Art. 413 Abs. 3 OR nur dann einen Anspruch auf Ersatz seiner
Aufwendungen, wenn eine entsprechende Parteivereinbarung besteht. Ist ein solcher Ersatz
geschuldet, so richtet sich das Vorgehen mangels spezieller Vorschriften und aufgrund des
Verweises von Art. 412 Abs. 2 OR nach den analog heranzuziehenden Regeln des einfachen
Auftrags. Anzumerken bleibt, dass eine vereinbarte Ersatzleistung den Auftraggeber
unabhängig vom tatsächlichen Abschluss des vermittelten Geschäfts verpflichtet.831
B AGENTURVERTRAG
Das Recht des Agenturvertrags enthält in Art. 418n Abs. 1 OR eine eigene Regelung
zu den Kosten und Auslagen des Agenten. Diese hat der Agent selbst zu tragen, sofern es
sich um Aufwendungen für den regelmäßigen Geschäftsbetrieb handelt und keine anders-
lautende Vereinbarung oder Übung besteht.832 Nur außerordentliche Kosten und Auslagen
kann der Agent vom Auftraggeber zur Erstattung fordern, wenn sie durch die Ausführung
besonderer Weisungen des Auftraggebers entstanden sind.833 Das Gesetz erwähnt nur
Frachten und Zölle, aber auch andere Kosten wie z.B. für speziell angeforderte Markt-
analysen oder spezielle Reisekosten auf Anordnung des Auftraggebers sind ersatzfähig, da
die Aufzählung nicht-abschließend ist. Die Erstattung richtet sich nach den Regeln des
einfachen Auftrags oder bei gegebenen Voraussetzungen nach den Regeln der Geschäfts-
führung ohne Auftrag.834 Der Agent ist für die geforderten Ersatzbeträge beweispflichtig.835
C KOMMISSION
Gemäß Art. 431 Abs. 1 OR ist der Kommissionär berechtigt „für alle im Interesse
des Kommittenten gemachten Vorschüsse, Auslagen und andere Verwendungen Ersatz zu
fordern und von diesen Beträgen Zinse zu berechnen“. Der Ersatzanspruch ist unabhängig
von der tatsächlichen Ausführung des betroffenen Geschäfts mit dem Dritten.836 Allerdings
müssen, wie bereits im Fall von Art. 402 OR, die Auslagen in der richtigen Ausführung des
831 WEBER (1990), S. 147. 832 BGE 104 II 108 E. 3b; WEBER (1990), S. 157. 833 HONSELL, OR BT, § 26 S. 357. 834 WETTENSCHWILER, BSK, Art. 418n OR N 1 f. 835 GAUTSCHI, BK, Art. 418n OR N 2e. 836 WEBER (1990), S. 169; BGE 59 II 245 E. 5.
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________
137
Auftrages getätigt worden sein, was das Gesetz durch die Wendung im Interesse des
Kommittenten zum Ausdruck bringt. Entsprechend kann der Kommissionär wiederum keine
allgemeinen Kosten und Betriebsaufwendungen vom Kommittenten ersetzt verlangen.837
D GESCHÄFTSFÜHRUNG OHNE AUFTRAG
Die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ist ein vertragsähnliches gesetzliches
Schuldverhältnis und beinhaltet die Führung der Geschäfte eines anderen, ohne dass der
Geschäftsführer vom Geschäftsherrn dazu beauftragt worden wäre bzw. ohne dass eine
vertragliche oder andere rechtserhebliche Veranlassung dazu bestehen würde.838 Es handelt
sich um eine Form der uneigennützigen Hilfeleistung im Interesse eines Dritten, deren
Vornahme dadurch gefördert werden soll, dass dem Geschäftsführer bei Vorliegen aller
Voraussetzungen Ersatzansprüche zugebilligt werden, um zu verhindern dass ihm
wirtschaftliche Nachteile durch sein Handeln entstehen.839 Vorausgesetzt für eine
Geschäftsführung ohne Auftrag ist zunächst das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts
sowie der regelmäßig zu vermutenden Wille des Geschäftsführers zur Fremdgeschäfts-
führung. Zudem muss die Geschäftsführung „objektiv im Interesse des Geschäftsherrn
liegen und seinem mutmaßlichen Willen entsprechen“840. Nach Art. 422 Abs. 1 OR hat der
Geschäftsherr dem Geschäftsführer einerseits jegliche Verwendungen zu erstatten, die
notwendig oder nützlich und nach den Verhältnissen angemessen waren, und ihn
andererseits von eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien.841 Der Ersatzanspruch
besteht aber nur soweit wie die getätigten Aufwendungen dem objektiven Maßstab
entsprechen „welchen Aufwand der Geschäftsführer nach den Umständen im Hinblick auf
den angestrebten Erfolg und den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in guten Treuen
als notwendig oder nützlich-angemessen erwarten durfte“842. Obwohl das Gesetz im
Gegensatz zu Art. 402 OR nur den Begriff der Verwendungen erwähnt, fallen darunter nach
herrschender Ansicht auch Auslagen, d.h. Geldleistungen.843 Tritt der angestrebte Erfolg
nicht ein, dann ist der Ersatz dennoch zu leisten, sofern der Geschäftsführer mit der
gehörigen Sorgfalt gehandelt hat.844 Der Geschäftsherr trägt folglich das Risiko einer richtig
übernommenen und ausgeführten, aber erfolglosen Geschäftsführung.845
837 VON PLANTA/LENZ, BSK, Art. 431 OR N 1; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 206 f. 838 WEBER, BSK, Vor Art. 419-424 OR N 1; HONSELL, OR BT, § 24 S. 329. 839 HONSELL, OR BT, § 24 S. 330. 840 HONSELL, OR BT, § 24 S. 331. 841 SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 43. 842 SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 44. 843 GAUTSCHI, BK, Art. 422 OR N 6a; WEBER, BSK, Art. 422 OR N 5 f.; SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 42. 844 OSER/SCHÖNENBERGER, Art. 422 OR N 4. 845 HOFSTETTER, SPR, S. 264 f.
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________
138
Der Verwendungsersatz ist als Geldersatz zu leisten, wobei der Wert zum Zeitpunkt
der Aufwendung bzw. eine marktübliche Entschädigung anzusetzen ist.846 Zum
Verwendungsersatz gehören nach der gesetzlichen Anordnung von Art. 422 Abs. 1 OR die
Zinsen vom Tag der Aufwendung an, damit der Geschäftsführer den gesamten
Vermögensnachteil seines uneigennützigen Handelns ersetzt erhält.847 Der Zinssatz beträgt
5% p.a., hergeleitet aus Art. 73 Abs. 1 OR.848 Allerdings muss auch in der GoA ein
gutgläubiger Geschäftsführer einen höheren Zinssatz als 5% p.a. ersetzt verlangen können,
wenn er sich für die Intervention zu diesem Zinssatz nachweislich selbst finanzielle Mittel
beschaffen musste.849
E EINFACHE GESELLSCHAFT
1. ANSPRUCHSVORAUSSETZUNGEN
Nach Art. 537 Abs. 1 OR hat jeder Gesellschafter einer einfachen Gesellschaft
einen Anspruch auf Ersatz von Auslagen und Verwendungen, wenn er diese „in den
Angelegenheiten Gesellschaft“ gemacht hat und sie nach den Umständen für erforderlich
halten durfte.850 Der Gesellschafter hat zudem nur dann einen Ersatzanspruch, wenn sich
sein Handeln im Rahmen seiner gesetzlichen oder vertraglichen Befugnisse bewegte und zur
Förderung des gemeinsamen Zwecks beitrug.851 Dabei gilt ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab,
wonach als erforderlich angesehen wird, was der handelnde Gesellschafter „bei pflicht-
gemäßer, sorgfältiger und vernünftiger Überlegung unter Berücksichtigung der ihm
bekannten Umstände, insbesondere des gemeinsamen Zwecks und der Vermögens-
verhältnisse der Gesellschaft in dem Zeitpunkt, in dem der Entscheid über die Auslage oder
die Verwendung zu treffen war, für erforderlich halten durfte“852. Hingegen ist der
Ersatzanspruch nicht abhängig vom tatsächlichen Erfolg der getätigten Aufwendungen.853
2. QUALIFIKATION DES ERSATZANSPRUCHES
Der Ersatzanspruch des Gesellschafters ist eine Gesellschaftsschuld und richtet
sich gegen die Gesamtheit der Gesellschafter, d.h. wenn das Gesellschaftsvermögen nicht
846 SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 45; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 265. 847 WEBER, BSK, Art. 422 OR N 5; GAUTSCHI, BK, Art. 422 OR N 8a; SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 46; SUTER, S. 99. 848 SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 46; WEBER, BSK, Art. 422 OR N 5; BUCHER, OR BT, S. 260; GAUTSCHI, BK, Art.
422 OR N 8b (Beide analog zu OR 104 OR); AEBY, S. 93; BERMANN, S. 102; SUTER, S. 99; HAFNER, S. 273 f. (zu
Art. 472 aOR i.V.m. Art. 83 aOR). 849 GAUTSCHI, BK, Art. 422 OR N8b. 850 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 25 ff. 851 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 27 f. 852 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 30. 853 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 31; BAUMBACH/ HOPT, HGB, § 110 HGB N 9.
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________
139
ausreicht, haften die Gesellschafter persönlich nach Maßgabe des Innenverhältnisses.854 Der
Anspruch zielt auf Wertersatz in Geld, unabhängig davon, ob eine Barauslage oder eine
Verwendung vorliegt.855 Für Zahlungen in Fremdwährung kann die Umrechnung zum
Wechselkurs im Zeitpunkt des Verfalls nach Art. 84 Abs. 2 OR vorgenommen werden.856
3. ZINS
Gemäß Art. 537 Abs. 2 OR sind jegliche Vorschüsse der Gesellschafter, die keine
Einlagen sind, vom Tag der Zahlung an zu verzinsen. Dabei gilt vorbehaltlich abweichender
Vereinbarungen ein Zinssatz von 5% p.a. gemäß Art. 73 Abs. 1 OR.857 Entgegen dem
scheinbar klaren Wortlaut der Bestimmung gilt der Anspruch nicht nur für Vorschüsse, d.h.
Auslagen, sondern auch für den Wert von Verwendungen, d.h. für jegliche Vermögens-
minderungen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass dem Gesellschafter neben
dem Kapital auch ein Nutzen entgangen ist.858 Wiederum ist der Zins kein Verzugszins,
sondern ein Teil der Ersatzforderung.859
4. FÄLLIGKEIT DER ERSATZFORDERUNG
Umstritten ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der Ersatzforderung. In der Lehre wird
teilweise davon ausgegangen, dass vorbehaltlich einer Vereinbarung die Ersatzforderung
erst im Zeitpunkt der Liquidation fällig werde.860 Es werden aber auch Argumente für eine
vorzeitige Fälligkeit vorgebracht, wenn zwar kein expliziter Parteiwille vorliege, aber
aufgrund der Gesellschaftsverhältnisse von einer vorzeitigen Fälligkeit ausgegangen werden
kann, wie z.B. das Bestehen einer Gesellschaftskasse, die unzumutbar lange Dauer der
Gesellschaft bis zur Liquidation oder die große Anzahl und hohen Beträge der
Außenstände.861 In solchen Fällen soll es nach einer Lehrmeinung möglich sein, die
Ersatzleistung vor dem Zeitpunkt der Liquidation einzufordern. Insbesondere
FELLMANN/MÜLLER vertreten die Position, dass der Ersatzanspruch im Zeitpunkt der
Aufwendung entstehe und jederzeit geltend gemacht werden könnte, da kein Gesellschafter
854 HANDSCHIN, BSK, Art. 537 OR N 4; FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 43. 855 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 41. 856 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 34 ff. 857 HANDSCHIN, BSK, Art. 537 OR N 6; FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 38; SIEGWART, ZK, Art. 537 OR N 9;
BECKER, BK, Art. 537 OR N 7 (Allerdings unter Analogie auf Art. 104 OR). 858 SIEGWART, ZK, Art. 537 OR N 9; FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 37. 859 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 37. 860 HANDSCHIN, BSK, Art. 537 OR N 5; a.A. FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 45. 861 SIEGWART, ZK, Art. 537 OR N 17 ff.; HANDSCHIN, BSK, Art. 537 OR N 6.
§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________
140
dazu gezwungen werden könne einer Gesellschaft Kredit zu gewähren.862 Das
Bundesgericht hat diese Thematik wiederholt offen gelassen.863
V. ZUSAMMENFASSUNG
Der Auslagen- und Verwendungsersatz als Wertersatz für eine tatsächliche
Vermögensminderung bezweckt, dass der Beauftrage bei der vertragsgemäßen Wahrung
fremder Interessen keinen Vermögensnachteil erleidet. Dabei muss es sich um Kosten
handeln, die in richtiger Ausführung der Geschäfte entstanden sind. Zum vollständigen
Ersatz der Auslagen und Verwendungen gehört auch der Zins ab dem Tag der Entstehung
des Anspruches bis zu dessen Erfüllung, damit dem Beauftragen aus der zwischenzeitlichen
Entbehrung kein finanzieller Nachteil entsteht. Es handelt sich nicht um Verzugszins,
sondern um einen Verwendungszins für dessen Entstehung keine Mahnung notwendig ist.
Der Zinssatz ist nicht im Gesetz bestimmt, sondern beträgt 5% p.a. gemäß Art. 73 Abs. 1
OR, vorbehaltlich einer anderslautenden Vereinbarung. Für den Ersatz eines allfälligen
höheren Zinssatzes ist der Beauftragte beweispflichtig.
862 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 45. 863 BGE 116 II 316 E. 2c; BGE 125 III 257 E. 2b; BGE 127 III 46 E. 3e.
§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT __________________________________________________________________________
141
§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT
I. ALLGEMEINES
Das Kaufrecht im OR beinhaltet drei vertragsspezifische Zinsbestimmungen. Diese
finden sich einerseits im Zusammenhang mit der gewährleistungsrechtlichen Pflicht zur
Rückerstattung des Kaufpreises, sowohl in der Rechts- als auch der Sachgewährleistung,
sowie andererseits im Rahmen des Verzugs des Käufers mit der Zahlung des Kaufpreises.
Im Folgenden sollen die wesentlichen Eigenschaften der entsprechenden Artikel betrachtet
werden. Vorausgesetzt wird dabei, dass jeweils ein Tatbestand der Rechts- oder
Sachgewährleistung bzw. des Zahlungsverzugs gegeben ist. Auf die Voraussetzungen der
Entstehung eines kaufrechtlichen Vertragsverhältnisses oder der Pflicht zur Rückabwicklung
kann vorliegend nicht eingegangen werden.
II. DER ZINS IN DER RÜCKERSTATTUNG DES KAUFPREISES
A DER RÜCKERSTATTUNGSANSPRUCH
Ein Mangel im Sinne der Rechtsgewährleistung liegt vor, „wenn der Kaufgegenstand
durch Rechte eines Dritten belastet ist, welche die Rechtsstellung des Käufers beeinträchtigen
und die bereits zur Zeit des Vertragsabschlusses bestanden“864. Art. 195 Abs. 1 OR bestimmt
für den Fall der vollständigen Entwehrung, d.h. wenn der Käufer den Kaufgegenstand
aufgrund eines Rechtsmangels an den berechtigten Dritten herausgeben muss, die Aufhebung
des Vertrags zwischen Käufer und Verkäufer. Der Käufer ist dann berechtigt, den Kaufpreis
samt Zinsen, allerdings unter Abzug der gezogenen und unterlassenen Nutzungen (Ziff. 1)
sowie zuzüglich der gemachten Verwendungen (Ziff. 2), der Prozesskosten (Ziff. 3) und dem
unmittelbaren Schaden (Ziff. 4) vom Verkäufer ersetzt zu verlangen. Der Anspruch ist kausaler
Natur und besteht unabhängig von einem Verschulden des Verkäufers.865 Zudem steht dem
Käufer nach Art. 195 Abs. 2 OR ein Anspruch auf den Ersatz weiteren mittelbar verursachten
Schadens zu, vorbehaltlich der Exkulpation des Verkäufers; es handelt sich folglich um eine
Verschuldens- und keine Kausalhaftung.866
Im Gegensatz dazu liegt ein Fall der Sachgewährleistung vor, wenn der Kaufgegen-
stand an einem Sachmangel, d.h. einem „Fehler“ oder dem „Fehlen einer zugesicherten
Eigenschaft“ leidet. Abstrakt ausgedrückt liegt eine „ungünstige Abweichung der Ist-
864 HONSELL, BSK, Vor Art. 192-210 OR N 5. 865 HONSELL, BSK, Vor Art. 192-210 OR N 1. 866 SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 87-89a.
§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT __________________________________________________________________________
142
Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit“ vor.867 Im Gegensatz zur Rechtsgewährleistung
tritt bei der Sachgewährleistung die Rechtsfolge der Vertragsauflösung nicht ipso iure ein,
sondern nur wenn der Käufer nach Art. 205 Abs. 1 OR die Wandelung des Kaufvertrags
verlangt. Diese wird nach Art. 208 OR durchgeführt und bezweckt nicht nur die
gegenseitige Rückerstattung der erbrachten Leistungen Zug um Zug, sondern erfolgt gemäß
dem Prinzip der restitutio in integrum.868 Der Käufer kann gemäß Art. 208 Abs. 2 OR den
Kaufpreis samt Zinsen heraus verlangen und zudem die weiteren o.g. verschuldens-
unabhängigen Ersatzleistungen fordern. Außerdem besteht ein Anspruch auf Ersatz weiteren
Schadens, der aber vom Verschulden869 des Verkäufers abhängt. Der Käufer hingegen hat
die Kaufsache zurückzugeben und die tatsächlich gezogenen Nutzungen zu erstatten (Abs.
1). Die beiden Tatbestände in Art. 192 ff. OR bzw. Art. 197 ff. OR unterscheiden sich
teilweise weitgehend bzgl. der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen des Gewährleistungs-
anspruchs.870 Hingegen ist die Regelung der Verzinsung der Rückabwicklungsansprüche
sehr ähnlich, so dass sich eine gemeinsame Behandlung anbietet.
B DER ZINS
Der maßgebliche Zinssatz für die Verzinsung des zurückzuerstattenden Kaufpreises
bemisst sich nach der allgemeinen Bestimmung von Art. 73 Abs. 1 OR. Vorbehaltlich einer
abweichenden Vereinbarung oder Übung liegt der anwendbare Zinssatz damit bei 5% p.a.871
Der Zins beginnt am Tag der tatsächlichen Übergabe des Kaufpreises zu laufen. Er ist
verschuldensunabhängig geschuldet und auch dann wenn der Verkäufer nicht mehr
bereichert ist oder wenn weder der Verkäufer einen Zinsgewinn noch der Käufer einen
Zinsverlust erlitten hat.872 Seinem Zweck entsprechend ist er bis zur tatsächlichen Rück-
erstattung des Kaufpreises samt zusätzlichen Ersatzpositionen geschuldet. Verweigert der
Verkäufer die Rückerstattung, läuft der Zins bis zur Inverzugsetzung durch den Käufer; ab
diesem Zeitpunkt beginnt der Verzugszins zu laufen. Aufgrund der Beschränkung von
Zinseszinsen ist die verzugszinsberechtigte Forderung wohl unter Abzug der zuvor
aufgelaufenen Zinsen zu berechnen.873 Der Verzugszins ist für den Berechtigten allerdings
nur dann interessant, wenn er einen höheren Zinssatz aufgrund von Art. 104 Abs. 3 OR im
kaufmännischen Verkehr fordern kann.
867 HONSELL, BSK, Art. 197 OR N 2. 868 HONSELL, BSK, Art. 208 OR N 1. 869 GIGER, BK, Art. 208 OR N 44. 870 GIGER, BK, Art. 192 OR N 18. 871 SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 42. 872 GIGER, BK, Art. 195 OR N 9, Art. 208 OR N 25; V. THUR/SIEGWART, S. 415; SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 42. 873 SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 45 f.
§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT __________________________________________________________________________
143
C ERSATZ FÜR GEZOGENE NUTZUNGEN SAMT ZINS
Gemäß dem Prinzip der vollständigen Rückerstattung hat der Käufer in beiden
Fällen der gewährleistungsrechtlichen Rückerstattung des Kaufpreises dem Verkäufer
gezogene Nutzungen, d.h. natürliche und zivile Früchte sowie sonstige Erträgnisse zu
ersetzen.874 Dies gilt nach Art. 195 OR für gezogene und versäumte Nutzungen, während
Art. 208 OR ausschließlich auf tatsächlich gezogene Nutzungen beschränkt ist.875 Auch
diese Ansprüche sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Sachgewährleistung
(Art. 208 OR) zu verzinsen, obwohl das Gesetz die Verzinsung in beiden Bestimmungen
nicht erwähnt. Das Bundesgericht stellt aber fest, dass aus dem Fehlen der Verzinsungs-
pflicht nicht abgeleitet werden könne, dass diese ausgeschlossen sei. Vielmehr erfordere
„die Billigkeit den Zuspruch eines solchen Zinses, sobald die Abrechnung über die
Wandelung erst nach Benützung der Sache und Entstehung eines Nutzens“ erfolge. Zudem
erscheine „vom Begriff des Nutzens her (…) die Berücksichtigung eines Zinses geradezu als
selbstverständlich“.876 Zur Höhe des Zinssatzes äußert sich das Bundesgericht in dem kurzen
veröffentlichten Abschnitt nicht. Die Vorinstanz hatte 6% p.a. zugesprochen, während ein
im Entscheid nicht näher genannter Experte 5% p.a. für angemessen erachtete. Regelmäßig
wird wohl der gleiche Zinssatz für die Ansprüche von Käufer und Verkäufer zur
Anwendung kommen, sofern nicht besondere Umstände für einen einseitig höheren
Anspruch sprechen. Subsidiär liegt der Zinssatz gemäß Art. 73 Abs. 1 OR bei 5% p.a. Der
für die Verzinsung maßgebliche Betrag ist der kapitalisierte Wert der gezogenen Nutzungen
bzw. Früchte. Dieser ist ab dem Zeitpunkt seiner Entstehung zu verzinsen und gesamthaft
von der verzinsten Rückerstattungsforderung abzuziehen.877
D VERJÄHRUNG
Der Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises ist ein vertraglicher Anspruch
und keiner aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Verjährung des Anspruchs aus
Rechtsgewährleistung richtet sich daher nach Art. 127 OR. Umstritten ist allerdings ob die
zehnjährige Frist ab Vertragsabschluss, ab der ursprünglichen Übergabe des Kaufpreises
oder mit dem Eintritt des Eviktionsfalles zu laufen beginnt. 878 In jedem Fall sollte die Frist
m.E. auch für die Zinsen auf dem Kaufpreis gelten, da diese ein Bestandteil der
Rückerstattungsforderung sind und in dieser aufgehen. Für den Anspruch aus
Sachgewährleistung hingegen gilt die kürzere einjährige Verjährungsfrist des Art. 210
874 SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 49 f. 875 GIGER, BK. Art. 208 OR N 20. 876 BGE 106 II 221 E. 1c. 877 SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 55-57a. 878 HONSELL, BSK, Art. 192 OR N 11; HRUBESCH-MILLAUER, CHK, Art. 192 OR N 5; GIGER, BK, Art. 192 OR N 83.
§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT __________________________________________________________________________
144
Abs. 1 OR (5 Jahre für Grundstücke; Art. 219 Abs. 3 OR), die bereits ab Übergabe des
Kaufgegenstandes und nicht ab Entdeckung des Mangels zu laufen beginnt.879 Im Übrigen
gelten die allgemeinen Bestimmungen des Verjährungsrechts.880
III. DER ZINS IM VERZUG DES KÄUFERS
Art. 213 OR regelt die Fälligkeit und Verzinsung des Kaufpreises in Abweichung
bzw. Ergänzung zu den Bestimmungen des Allgemeinen Teils. Der erste Absatz der
genannten Norm verschiebt die Fälligkeit der Kaufpreisforderung im Vergleich zu Art. 75
OR und bestimmt, dass die Fälligkeit nicht im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eintritt,
sondern erst im Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache.881 Daraus ergibt sich hingegen keine
Vorleistungspflicht des Verkäufers, da auch ein gehöriges Angebot der Leistung die
Fälligkeit bewirkt, selbst wenn der Käufer die Annahme verweigert. Hingegen wird auch der
Käufer durch den Annahmeverzug nicht vorleistungspflichtig, sondern er kann die Zahlung
des Kaufpreises nach Maßgabe von Art. 82 OR bzw. Art. 184 Abs. 2 OR zurückhalten, da es
sich weiterhin um eine Austauschschuld handelt.882 Verweigert der Käufer die Annahme, so
kann der Verkäufer, der auf Erfüllung beharrt, nach den Bestimmungen über den Gläubiger-
verzug (Art. 91 ff OR) vorgehen und den Kaufgegenstand hinterlegen; erst damit tritt
vorbehaltlos die Fälligkeit der Kaufpreisforderung ein.883 Ist die Kaufpreisforderung fällig,
so gelten die verzugsrechtlichen Bestimmungen nach Art. 102 ff. OR. Allerdings erweitert
Art. 213 Abs. 2 OR jene Tatbestände, in denen auf eine Mahnung für die Verzinslichkeit des
Kaufpreises verzichtet werden kann. Neben dem Ablauf eines Verfalltags tritt diese
Rechtsfolge auch ein, wenn die Übung es mit sich bringt oder wenn der Käufer den Nutzen
aus der Kaufsache ziehen konnte. Es reicht aus, wenn der Käufer aufgrund des
Kaufvertrages die tatsächliche Möglichkeit hatte, Nutzen aus dem Kaufgegenstand zu
ziehen; ein tatsächlicher Bezug ist nicht notwendig.884 Dies setzt die Übergabe des
Kaufgegenstands voraus, wobei nach BECKER das Angebot der Übergabe ausreichen soll,
wenn die Übergabe durch Annahmeverzug vereitelt wurde.885 Die Verzinsung richtet sich
mangels einer speziellen Regelung nach Art. 104 OR und beträgt 5% p.a.,886 wobei m.E. bei
Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch Art. 104 Abs. 3 OR anwendbar sein
sollte.
879 HONSELL, BSK, Art. 210 OR N 4. 880 GIGER, BK, Art. 210 OR N 15. 881 KOLLER, BSK, Art. 213 OR N 1. 882 KOLLER, BSK, Art. 213 OR N 1; V. THUR/ESCHER, S. 49 f. FN 47; CAVIN, SPR VII/1, S. 18; BGE 79 II 280 E. 2. 883 CAVIN, SPR VII/1, S. 18. 884 GIGER, BK, Art. 213 OR N 7-9, 12; KOLLER, BSK, Art. 213 OR N 4. 885 BECKER, BK, Art. 213 OR N 3. 886 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 213 OR N 2; KOLLER, BSK, Art. 213 OR N 2.
§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT __________________________________________________________________________
145
IV. ZUSAMMENFASSUNG
In der kaufrechtlichen Rechts- und Sachgewährleistung ist die Rückerstattung des
Kaufpreises verschuldensunabhängig zu verzinsen. Der anwendbare Zinssatz beträgt gemäß
Art. 73 Abs. 1 OR 5% p.a., vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung oder Übung. Ab dem
Zeitpunkt der Inverzugsetzung wird der Zins durch den Verzugszins ersetzt. Aufgelaufene
Zinsen unterstehen aufgrund des Zinseszinsverbots nicht dem Verzugszins. Der gleiche
subsidiäre Zinssatz gilt auch für die Verzinsung der zu erstattenden Nutzungen. Ebenfalls
mit grundsätzlich 5% p.a. zu verzinsen ist der Kaufpreis im Verzug des Käufers. Dieser
Zinssatz richtet sich allerdings nicht nach Art. 73 Abs. 1 OR, sondern nach den
Bestimmungen über den Verzug (Art. 104 OR). Daher sollte dem Gläubiger auch der
Nachweis eines allfälligen höheren Zinssatzes nach Art. 104 Abs. 3 OR offenstehen.
146
§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT __________________________________________________________________________
147
§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT
I. DER AUFTRAG
Gemäß Art. 394 Abs. 1 OR verpflichtet sich der Beauftragte durch einen Auftrag „die
ihm übertragenen Geschäfte oder Dienste vertragsgemäß zu besorgen“, es handelt sich um
einen Vertrag zum Zweck „der Geschäftsführung im fremden Interesse, d.h. die
treuhänderische Tätigkeit für einen Anderen“887. Es geht um die „Besorgung menschlicher
Dienste irgendwelcher Art“, sofern nicht ein anderer Vertragstyp anwendbar ist. Der
Beauftragte verpflichtet sich in jedem Fall zu einem positiven Tun, d.h. einer Tat- oder
Rechtshandlung, hingegen nicht nur zu einem bloßen Dulden, Gewähren oder Unterlassen;
diese können höchstens vertragliche Nebenpflichten sein.888 Der Inhalt der vereinbarten
Arbeitsleistungen kann verschiedener Art sein, aber sie müssen „in jedem Fall die Geschäfte
des Auftraggebers betreffen, d.h. die Wahrung fremder Interessen zum Ziel haben“889. Der
Beauftragte muss die ihm übertragenen Geschäfte im Hinblick auf ein bestimmtes Resultat hin
ausführen, hingegen ist die erfolgreiche Ausführung keine Pflicht des Beauftragten, sofern
dieser alles ihm Mögliche zur Erreichung des Zwecks tut.890 Nach Art. 398 OR gilt der gleiche
Sorgfaltsmaßstab wie im Arbeitsrecht, d.h. „er richtet sich (…) nach den Fähigkeiten, Fach-
kenntnissen und Eigenschaften des Beauftragten, die der Auftraggeber gekannt hat oder hätte
kennen müssen“.891 Dies ist ein „abstrakter Sorgfaltsmaßstab (…) objektiviert betrachtet im
Lichte des berufsspezifischen Durchschnittsverhaltens“892. Der Beauftragte haftet nur für
getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes, aber nicht den Erfolg.893
II. PFLICHTEN DES BEAUFTRAGTEN
Da der einfache Auftrag der Wahrung der Interessen des Auftraggebers dienen soll,
treffen den Beauftragten verschiedene Pflichten gegenüber dem Auftraggeber. Dies ist
zunächst die Pflicht zur Ausführung des übernommenen Auftrags, verbunden mit der
Haftung für sorgfältige und getreue Ausführung (Art. 398 Abs. 2 OR). Daneben hat er i.d.R.
eine Verpflichtung zur persönlichen Ausführung, es sei denn, dass eine der gesetzlichen
Ausnahmen greift (Art. 398 Abs. 3 OR). Zudem hat der Beauftragte gemäß Art. 397 OR den
Weisungen des Auftraggebers zu folgen und ihn treffen umfassende Treuepflichten. Letztere
887 WEBER, BSK, Vor Art. 394-406 OR N 2. 888 FELLMANN, BK, Art. 394 OR N 24 f.; WEBER, BSK, Art. 394 OR N 6. 889 BGE 122 III 361 E. 3b. 890 WEBER, BSK, Art. 394 OR N 2. 891 BGE 127 III 357 E. 1c. 892 WEBER, BSK, Art. 398 OR N 27. 893 WEBER, BSK, Art. 398 OR N 27.
§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT __________________________________________________________________________
148
sind deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Beauftragte nicht nur die Interessen des
Auftraggebers wahren muss, sondern sie auch anderen Interessen vorzuziehen und
Kollisionen von Interessen zu vermeiden hat.894 Unter den Oberbegriff der Treuepflicht
fallen die Diskretions- und Geheimhaltungspflicht, das Verbot von Insichgeschäften sowie
die Rechenschaftspflicht und die Ablieferungsobligation. Die beiden letztgenannten sollen
nachfolgend genauer betrachtet werden.
A RECHENSCHAFTSPFLICHT UND ABLIEFERUNGSOBLIGATION
Art. 400 Abs. 1 OR statuiert eine umfassende Pflicht des Beauftragten auf
Verlangen des Auftraggebers, diesem „jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft
abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grunde zugekommen ist,
zu erstatten“. Zudem bestimmt Abs. 2 eine Verzinsungspflicht des Beauftragten für Gelder
mit deren Erstattung er sich im Rückstand befindet.
1. RECHENSCHAFTSPFLICHT
Die Rechenschaftspflicht als Nebenpflicht des Auftrags besteht aus der
Benachrichtigungs-, der Auskunfts- und der Abrechnungspflicht, wobei sich die Pflichten
zur Auskunft und Benachrichtigung nur dadurch unterscheiden, ob der Beauftragte den
Auftraggeber aktiv benachrichtigen oder auf Verlangen Auskunft erteilen muss.895 Die
Benachrichtigung kann aber auch eine Hauptpflicht des Auftrags sein, z.B. wenn er der
Beschaffung von Informationen dient.896 Die Rechenschaftspflicht ist unabdingbare
Voraussetzung für die Geltendmachung weiterer Rechte des Auftraggebers, wie z.B. das
Weisungsrecht, die Aufforderung zur Ablieferung, den Entscheid über die Fortsetzung des
Auftrags oder die Klage auf Schadenersatz.897 Inhaltlich betrifft die Rechenschaftspflicht
„alles, was für den Auftraggeber im Hinblick auf das Mandat von Bedeutung ist“, wobei
mangels expliziter Auskunftsbegehren der Beauftragte den Auftraggeber über alles zu
informieren hat, was aus der Perspektive einer sorgfältig handelnden Person als wesentlich
erscheint.898 Dazu gehören auch Informationen über die Ausführung des Auftrags, dessen
Zweckmäßigkeit, Ratschläge bzgl. erteilter Weisungen oder die mit dem Auftrag
verbundenen Kosten und Risiken. An den Umfang der Informationen werden die
Anforderungen der Vollständigkeit, Wahrheit und Rechtzeitigkeit gestellt, wobei der
Beauftragte aus Nicht- und Schlechterfüllung seiner Pflichten haftet.899 Zudem muss der
894 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 106. 895 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 2; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 115. 896 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 115; vgl. dazu: DRUEY, FS Schluep, S. 147 ff. und MEIER-HAYOZ, FS Schluep, S. 191 ff. 897 FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 14 f.; DERENDINGER, N 127. 898 FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 19; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 116. 899 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 4 f.; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 116.
§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT __________________________________________________________________________
149
sorgfältige Beauftragte die Ausführung des Auftrags so vornehmen, dass eine
ordnungsgemäße Ablegung der Rechenschaft und Vornahme der Abrechnung möglich ist,
d.h. er hat insbesondere schriftliche Aufzeichnungen zu führen und sicherzustellen, dass er
im Rahmen der Vereinbarungen den Auftraggeber von sich aus benachrichtigt.900 Die
gleichen Anforderungen gelten auch für die Abrechnungspflicht über erhaltene Einnahmen
und gemachte Ausgaben in der Ausführung des Auftrags.
2. HERAUSGABEPFLICHT
Der Beauftragte hat dem Auftraggeber alles herauszugeben, was er in Ausführung
des Auftrags vom diesem oder von Dritten erhalten hat und was nicht für die Ausführung
verbraucht wurde. Diese Pflicht resultiert aus der Fremdnützigkeit des Auftrags und ist das
Gegenstück dazu, dass dem Beauftragten keine Nachteile aus der Besorgung des Auftrags
entstehen sollen.901 Die Herausgabepflicht kann eine Haupt- oder eine Nebenpflicht sein und
umfasst Vermögenswerte, Dokumente, Vollmachtsurkunden oder Gegenstände die dem
Beauftragten in Ausführung des Auftrags zugekommen sind, sei es vom Auftraggeber oder
von Dritten, sowie solche die in der Ausführung hergestellt wurden.902 Eine Grenze lässt
sich kaum allgemein ziehen, aber die Herausgabepflicht betrifft wohl keine Unterlagen oder
Gegenstände die als persönliche Hilfsmittel oder zur Erfüllung der Informationspflicht
angefertigt wurden.903 Mangels einer abweichenden Vereinbarung tritt die Fälligkeit der
Herausgabepflicht mit dem Erwerb der betroffenen Gegenstände sofort ein, so dass der
Beauftragte immer bereit zur Ablieferung sein muss. In Bezug auf die Herausgabe von
nicht-monetären Gegenständen muss aber wohl eine angemessene Frist (analog Art. 107
OR) zur effektiven Herausgabe veranschlagt werden.904 Die Modalitäten der Herausgabe,
insbesondere der Ablieferungsort, richten sich nach den Bestimmungen des Allgemeinen
Teils. Nach Ansicht des Bundesgerichts spricht grundsätzlich nichts gegen einen
vertraglichen Verzicht auf die Ablieferung bestimmter Vermögenswerte durch den
Auftraggeber, sofern dadurch nicht die Fremdnützigkeit des Auftrags aufgehoben wird.905
B VERZINSUNGSPFLICHT
Art. 400 Abs. 2 OR bestimmt die Rechtsfolge der Nichterfüllung der Pflicht zur
Herausgabe von Geld.906 Dies betrifft nicht nur Geld, das der Beauftragte vom Auftraggeber
900 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 116. 901 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 10, 12. 902 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 119; WEBER, BSK, Art. 400 OR N 11 f.; BGE 132 III 460 E. 4.2. 903 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 119; WEBER, BSK, Art. 400 OR N 12. 904 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 15; FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 160; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 121. 905 BGE 132 III 460 E. 4.2 (in der Lehre umstritten). 906 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 16.
§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT __________________________________________________________________________
150
erhalten hat, sondern auch und gerade solches von Dritten in Ausübung des Auftrags. Dazu
beinhaltet der Artikel eine spezielle Verzugsbestimmung, die im Vergleich zu Art. 102 ff.
OR den Beginn der Verzinsungspflicht vorverlegt, wenn der Beauftragte seine Geldschuld
bei Fälligkeit nicht erfüllt. Die Fälligkeit tritt mangels einer abweichenden Vereinbarung
sofort mit Erhalt des Geldes ein. Auf das Erfordernis einer verzugsbegründenden Mahnung
wird verzichtet.907 Im Gegensatz zum allgemeinen Verzugsrecht stellt dies eine deutliche
Besserstellung des Auftraggebers dar, die allerdings vor dem Hintergrund gerechtfertigt ist,
dass der Auftraggeber nicht wissen kann, wann der Beauftragte Geld oder andere
Gegenstände in Ausübung des Auftrags von Dritten erhalten hat.908 Der Zinssatz wird
mangels einer speziellen gesetzlichen Bestimmung auf 5% p.a. analog zum allgemeinen
Verzugszins festgelegt. Zinseszinsen dürfen gemäß den allgemeinen Beschränkungen keine
berechnet werden, auch wenn dem Auftraggeber dadurch der Ertrag auf den Zinsen
entgeht.909 Diese Beschränkung gilt hingegen nicht für jene Zinsen, die der Beauftragte
selbst von einem Dritten erhalten hat, da diese ein Bestandteil des Herausgabeanspruches
sind. Im kaufmännischen Verkehr sollte der verzugsrechtliche Art. 104 Abs. 3 OR auch
analog auf die Nichterfüllung der Ablieferungspflicht anwendbar sein.910
III. VERJÄHRUNG
Der Ablieferungsanspruch des Auftraggebers verjährt gemäß Bundesgericht mit
Ablauf der ordentlichen zehnjährigen Frist. Diese beginnt nicht bereits mit dem Erhalt der
betreffenden Gelder oder Gegenstände durch den Beauftragten zu laufen, sondern „erst mit
der Beendigung des Vertragsverhältnisses infolge gegenseitiger Übereinkunft, Ablaufs der
vereinbarten Dauer, Widerrufs oder Kündigung“911. Die gegenteilige Ansicht könnte dazu
führen, dass der Rückerstattungsanspruch in langfristig angelegten Aufträgen, wie z.B. der
Vermögensverwaltung, schon vor seiner Entstehung verjähren würde. Hingegen verjährt der
Vindikationsanspruch des Auftraggebers auf Herausgabe von Eigentum nicht, selbst wenn
der obligatorische Rückerstattungsanspruch verjährt ist.912
IV. ZUSAMMENFASSUNG
Die Herausgabepflicht ist ein Teil der Treuepflichten des Beauftragten gegenüber dem
Auftraggeber, dessen Interessen der Beauftragte zu wahren hat. Die Herausgabepflicht
betrifft alles, was dem Beauftragten in Ausführung des Auftrags aus irgendeinem Grund
907 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 121; FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 166. 908 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 15; FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 12. 909 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 16; FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 167. 910 FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 167. 911 BGE 91 II 442 E. 5b. 912 FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 168-170; WEBER, BSK, Art. 400 OR N 24.
§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT __________________________________________________________________________
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vom Auftraggeber oder von Dritten zugekommen ist oder hergestellt wurde und nicht für die
Ausführung des Auftrags verbraucht wurde. Dies gilt insbesondere auch für Geld, das der
Beauftragte vom Auftraggeber oder von Dritten erhalten hat. Befindet sich der Beauftragte
mit der Herausgabe von Geld in Verzug, dann hat er den herauszugebenden Betrag ab
Fälligkeit zu verzinsen. Mangels einer abweichenden Vereinbarung tritt die Fälligkeit sofort
mit Erhalt des Geldes ein. Eine verzugsbegründende Mahnung ist nicht erforderlich. Der
anwendbare Zinssatz bestimmt sich analog zum allgemeinen Verzugszins und beträgt
vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung 5% p.a. Die Berechnung von Zinseszinsen ist
nicht zulässig. Im kaufmännischen Verkehr sollte dem Gläubiger zudem das Vorgehen
gemäß Art. 104 Abs. 3 OR gestattet werden.
152
§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________
153
TEIL III: DIE ZINSEN IM GESELLSCHAFTS- UND WERTPAPIERRECHT
§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT
I. HINTERGRUND
Das Gesetz statuiert in Art. 558 Abs. 2 OR für die Kollektivgesellschaft, dass „jedem
Gesellschafter (…) für seinen Kapitalanteil Zinse gemäß Vertrag gutgeschrieben werden“
dürfen, „auch wenn durch den Verlust des Geschäftsjahres der Kapitalanteil vermindert ist“.
Dieser Kapitalzins steht selbstständig neben sonstigen Vergütungen an die Gesellschafter,
namentlich einem allfälligen vertraglich vereinbarten Honorar sowie dem Anteil am Gewinn
des Geschäftsjahres. Die Verzinsung des Kapitalanteils bzw. der Einlage des Gesellschafters
ist im Gesellschaftsrecht eigentlich unüblich, wurde aber im Fall der Kollektivgesellschaft
bereits bei ihrer Einführung als bewusste Ausnahme damit begründet, dass ein Kollektiv-
gesellschafter häufig einen großen oder gar überwiegenden Teil seines Vermögens in die
Gesellschaft einbringe und die Zinsen daher vielfach zur Deckung des Lebensunterhalts
benötigt würden.913 Im Gegensatz dazu wird in anderen Gesellschaftsformen die Zahlung
von Zinsen auf der Kapitaleinlage im normalen Geschäftsverlauf gesetzlich untersagt (Vgl.
für die AG: Art. 675 Abs. 1 OR und bzgl. der GmbH: Art. 798a Abs. 1 OR).914
II. DER KAPITALANTEIL
A BEGRIFF
Die Berechnungsgrundlage für den Kapitalzins in der Kollektivgesellschaft ist die
Kapitaleinlage jedes Gesellschafters. Das Gesetz äußert sich allerdings nicht dazu, was
genau unter der Kapitaleinlage zu verstehen oder wie diese zu berechnen ist, sondern
erwähnt sie nur im Zusammenhang mit der Verzinsung (Art. 558 Abs. 2 OR), der
Möglichkeit von Gutschriften (Art. 559 Abs. 3 OR) und den Folgen der Verringerung
derselben (Art. 560 Abs. 1 OR).915 Die Lehre behandelt die Kapitaleinlage bzw. den
Kapitalanteil zumeist im Zusammenhang mit der vermögensrechtlichen Struktur der
Kollektivgesellschaft und bestimmt ihn analog zur diesbezüglich übereinstimmenden
einfachen Gesellschaft. Der Kapitalanteil ist zunächst vom Vermögensanteil der
Gesellschafter zu unterscheiden. Während letzterer tatsächlich einen „realen Wertanteil“
bezeichnet, namentlich „die Beteiligung eines Gesellschafters am gesamten Reinvermögen
913 Botschaft zur Revision der Titel XXIV bis XXXIII des schweizerischen Obligationenrechts, BBl 1928 I 205, S. 213 f.;
SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 21; HUBER, S. 16; VULLIEMIN, S. 60. 914 Siehe § 14. 915 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 494.
§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________
154
der Gesellschaft“, ist der Kapitalanteil ein bloßer Bilanzposten, d.h. „eine reine
Rechnungsziffer“, die keinen Bezug zum Gesellschaftsvermögen oder zur „dinglichen
Gesamtberechtigung des Gesellschafters an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens“
hat.916 Der Kapitalanteil beinhaltet keinen Anspruch auf die Aktiven bzw. keine
Verpflichtung aus den Passiven der Gesellschaft und kann daher weder abgetreten917 noch
gepfändet oder verwertet werden.918 Nach der klassischen Definition von HUECK zum
Kapitalanteil der vergleichbaren offenen Handelsgesellschaft (oHG) im deutschen
Handelsgesetzbuch (HGB), ist der Kapitalanteil gekennzeichnet als „Rechnungsziffer (…),
die den Wert der jeweiligen wirtschaftlichen Beteiligung des Gesellschafters am
Gesellschaftsvermögen zum Ausdruck bringen soll, und die deshalb den Maßstab bildet,
wenn der Wert dieser Beteiligung rechtlich von Bedeutung wird“919. Maßgeblich für den
Kapitalanteil können selbstverständlich nur Buchwerte und keine Verkehrswerte sein, da
stille Reserven und Ertragswerte unberücksichtigt bleiben.920
B BERECHNUNG
Der Kapitalanteil wird, vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen
unter den Gesellschaftern, berechnet aus den ursprünglich geleisteten Einlagen der
Gesellschafter, zuzüglich Gutschriften aus nachträglich beschlossenen und geleisteten
Einlagen sowie nicht bezogenen Zinsen, Honoraren oder Gewinnanteilen, abzüglich
Belastungen z.B. aus verrechneten Beteiligungen an negativen Geschäftsergebnissen oder
Kapitalrückzahlungen.921 Der Kapitalanteil ist folglich keine Sperrziffer wie das
Aktienkapital, sondern kann durch Gutschriften und Entnahmen Schwankungen innerhalb
des Geschäftsjahres unterliegen.922 Auch ein negativer Kapitalanteil eines Gesellschafters ist
rechtlich möglich durch die Belastung von Verlustanteilen und Entnahmen.923 Solange der
Saldo des Kapitalkontos positiv ist spricht man von einem Kapitalanteil, ist der Saldo
negativ spricht man von einem Passivanteil.924 Es können theoretisch sogar sämtliche
Gesellschafter einen negativen Saldo auf ihren Kapitalkonten haben, ohne dass dies die
Überschuldung der Gesellschaft bedeuten würde, da diese Bilanzkonten wie erwähnt nur
Buchwerte und keine realen Werte repräsentieren.925
916 HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 11. 917 Abtretbar ist nach HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 11 hingegen der Anspruch auf den zukünftigen Liquidationserlös. 918 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 494; HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 2; PRIESTER, MüKo, § 120 HGB N 84. 919 HUECK, § 16 V 1 S. 229 f. 920 PRIESTER, MüKo, § 120 HGB N 84. 921 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 11; V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 385, 494. 922 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 11; V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 386; VULLIEMIN, S. 45. 923 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 35; PRIESTER, MüKo, § 120 HGB N 88. 924 HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 11. 925 PRIESTER, MüKo, § 120 HGB N 88.
§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________
155
III. DER KAPITALZINS
A BEGRIFF
Wie erwähnt hat ein Kollektivgesellschafter einen Anspruch auf die Verzinsung
seines Kapitalanteils.926 Die entsprechende Bestimmung ist allerdings dispositiv, daher
können die Gesellschafter die Verzinsung auch ausschließen.927 Bei der Zinsforderung
handelt es sich um eine echte Schuld der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter.928 Sie
ist nach herrschender Ansicht eine echte Verzinsung und nicht bloß eine vorgezogene
Dividende, wie die gleich hohe Ausschüttung nach § 121 Abs. 1 Satz 1 HGB im Recht der
ansonsten weitgehend ähnlichen offenen Handelsgesellschaft.929 Dies obwohl die Kapital-
einlage „keine direkte Forderung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft“930 ist bzw.
allenfalls eine „durch die künftige Entwicklung des Geschäftsbetriebes bedingte und
befristete Forderung des Gesellschafters“931 im Hinblick auf die Liquidation der
Gesellschaft. Der Zins darf auch dann ausgezahlt oder dem Kapitalkonto gutgeschrieben
werden, wenn kein ausreichender Jahresgewinn erzielt worden ist bzw. sogar wenn die
Kapitalanteile durch einen Verlust verringert sind (Art. 558 Abs. 2 OR).932 Eine
Vorzugsdividende hingegen dürfte im Fall eines Jahresverlustes nicht ausgerichtet werden
oder müsste bei einem nicht ausreichenden Gewinn entsprechend reduziert werden.933
B HÖHE DES ZINSSATZES
Der gesetzliche Zinssatz beträgt gemäß Art. 558 Abs. 2 OR 4% p.a. Dieser Zinssatz
ist wie die Verzinsungspflicht dispositiv, so dass die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag
auch einen höheren oder niedrigeren Zinssatz vereinbaren können.934 Die Verzinsung
beginnt mit der Einbringung der Kapitaleinlage und bezieht sich zunächst auf die
ursprüngliche Einlage. Falls während des Geschäftsjahres der Kapitalanteil durch
Entnahmen verringert wird, reduziert sich auch der Zinsanspruch pro rata, d.h. es werden
für die bezogenen Beträge dem Kapitalkonto Zinsen bis zum Ende des Geschäftsjahres
926 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 496; SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 21 f. MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 13 N 45; a.A.:
HANDSCHIN/CHOU, ZK, Art. 558-560 OR N 56 (Zinsen auf Kapitalanteil nur bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung). 927 HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 4; SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 21. 928 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 495; HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 14. 929 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2352; WEBER, BK, Art. 73 OR N 37; SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 21;
V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 495; PRIESTER, MüKo, § 121 HGB N 16. 930 HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 11. 931 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 4. 932 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 21; V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 495; HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 5;
HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 11. 933 PRIESTER, MüKo, § 121 HGB N 16. 934 HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 4.
§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________
156
belastet.935 In anschließenden Geschäftsjahren bezieht sich die Verzinsung dann nicht mehr
auf die anfängliche Einlage, sondern auf den jeweiligen Anteil am Kapital zu Beginn des
Geschäftsjahres, der u.U. durch Verluste oder Entnahmen vermindert sein kann. Die
Zinsforderung reduziert sich entsprechend (Art. 560 Abs. 1 OR).936 Auf einen Passivanteil,
d.h. ein Kapitalkonto mit negativem Saldo, werden dem Gesellschafter keine Zinsen
gutgeschrieben, allerdings werden ihm auch keine Passivzinsen belastet.937 Im Gegenzug
dürfen dem Gesellschafter gemäß Art. 560 Abs. 1 OR erst wieder Gewinne ausgezahlt
werden, wenn die von den Verlusten verursachte Verminderung seines Kapitalanteils durch
die Gutschrift von Gewinnen wieder ausgeglichen ist, d.h. nicht nur der Betrag der
ursprünglichen Einlage, sondern auch allfällige Einzahlungen und Nichtbezüge.938 Dieses
Vorgehen kann durch regelmäßig einstimmigen Beschluss der Gesellschafter auch für
Zinsen oder Honorare vorgesehen werden.939
C FORDERBARKEIT
Da es sich bei der Zinsforderung um eine echte Forderung gegen die Gesellschaft
und keinen Anspruch auf Gewinnanteil handelt, ist der Bezug der Zinsen durch die
Gesellschafter nicht vom Abschluss der Jahresrechnung und der Bestimmung des
Geschäftserfolgs abhängig.940 Entsprechend kann gemäß Art. 559 Abs. 2 OR vertraglich
vereinbart werden, dass die laufenden Zinsen schon während des Geschäftsjahres bezogen
werden können.941 Gewinnanteile dürfen hingegen zwingend erst nach Annahme der Bilanz
und der Feststellung des Gewinns ausgeschüttet werden.942 Nicht bezogene Zinsen und
andere Vergütungen werden gemäß der dispositiven Bestimmung von Art. 559 Abs. 3 OR
nach Abschluss der Bilanz dem Kapitalanteil des jeweiligen Gesellschafters gutgeschrieben,
sofern die anderen Gesellschafter keine Einwände dagegen erheben.943 In Bezug auf
verfallene Zinsen sind die Gesellschafter nach Art. 570 Abs. 2 OR im Konkurs den
Gesellschaftsgläubigern gleichgestellt, hingegen nicht für die laufenden Zinsen des
Geschäftsjahres.944
935 HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 14. 936 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 496; HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 14. 937 HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 22. 938 HARTMANN, BK, Art. 560 OR N 3; SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 34. 939 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 33. 940 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 13 N 45; HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 5. 941 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 495; HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 5. 942 HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 6; SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 33. 943 HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 7. 944 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 495; HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 6.
§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________
157
IV. EXKURS: ANWENDBARKEIT IN DER KOMMANDITGESELLSCHAFT
Gemäß Art. 598 Abs. 2 OR kommen in der Kommanditgesellschaft für das Verhältnis
der Gesellschafter untereinander die Bestimmungen der Kollektivgesellschaft zur
Anwendung, vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen und einiger gesetzlich
umschriebener Abweichungen. Daher richtet sich auch die Verteilung von Gewinn und
Verlust grundsätzlich nach Art. 558 ff. OR, allerdings mit den notwendigen Änderungen, die
sich aus der beschränkt haftenden Stellung des Kommanditärs ergeben.945
Vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag haben
Komplementäre und Kommanditäre einen gewinnunabhängigen Anspruch auf Zinsen für
ihre Kapitalanteile gemäß Art. 558 Abs. 2 OR.946 In Bezug auf die Stellung des
Kommanditärs ist in diesem Zusammenhang aber Art. 611 Abs. 1 OR zu beachten. Danach
ist der Kommanditär gegenüber dem Komplementär schlechter gestellt, da die Auszahlung
von Zinsen und Gewinnen nur erfolgen darf, wenn und soweit die Kommanditsumme durch
die Auszahlung nicht vermindert wird. Allerdings ist auch diese Bestimmung dispositiv und
im Fall einer Verminderung des Kapitalanteils lebt die Haftung des Kommanditärs bis zum
Betrag der Kommanditsumme wieder auf.947 Zudem ist die Regelung von Art. 601 Abs. 3
OR zu beachten. Diese legt in Abweichung von Art. 559 Abs. 3 OR fest, dass die dort
vermutete Zuweisung nicht bezogener Zinsen, Gewinne und Honorare zur Kapitaleinlage
nur solange erfolgen darf, bis die vereinbarte Höhe der Kommanditsumme erreicht ist. Nicht
bezogene Zinsen, Gewinne und Honorare die den Betrag der Kommanditsumme
übersteigen, führen vermutungsweise nicht zu einem Anwachsen der Kapitaleinlage,
sondern es wird „die Begründung außergesellschaftlicher Ansprüche (Darlehen)
vermutet“948, vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung der Gesellschafter.949
Abgesehen von diesen Sonderbestimmungen für die Kommanditäre sind die zuvor
dargestellten Regeln bzgl. der Verzinsung der Kapitaleinlage vollständig auf beide
Gesellschaftertypen der Kommanditgesellschaft anwendbar.
V. ZUSAMMENFASSUNG
Die dargestellte Verzinsung der Kapitaleinlage in der Kollektiv- und Kommandit-
gesellschaft ist eine Sonderordnung, die bei ihrer Einführung den speziellen Erfordernissen
dieser Gesellschaftsformen und ihrer Gesellschafter dienen sollte. Es handelt sich nach
945 HANDSCHIN, BSK, Art. 601 OR N 4. 946 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 620; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 14 N 37; a.A: HANDSCHIN/CHOU, ZK, Art. 601 OR N 18
(Zinsen auf Kapitalanteil nur bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung); WEBER, BK, Art. 73 OR N 37 (Zinsen für
den Kommanditär nur nach vertraglicher Vereinbarung). 947 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 14 N 38; V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 621. 948 HANDSCHIN, BSK, Art. 601 OR N 5. 949 SIEGWART, ZK, Art. 601 OR N 7; V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 620 f. (individualrechtliche Forderungen).
§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________
158
herrschender Ansicht um eine echte Verzinsung und keine vorgezogene Dividende, obwohl
die Kapitaleinlage keine direkte, sondern allenfalls eine bedingte und befristete Forderung
der Gesellschafter gegen die Gesellschaft ist. Sie darf auch dann ausgezahlt oder dem
Kapitalkonto gutgeschrieben werden wenn kein ausreichender Gewinn erwirtschaftet
worden ist. Sowohl die Bestimmung selbst als auch der im Gesetz festgelegte Zinssatz von
4% p.a. sind dispositiv und können vertraglich abgeändert werden. Der Zinssatz bezieht sich
immer auf die Höhe der Kapitaleinlage zum Beginn des Geschäftsjahres. Für unterjährige
Bezüge werden Passivzinsen belastet. Auf einem negativen Saldo des Kapitalkontos werden
keine Zinsen gutgeschrieben, aber auch keine Zinsen belastet. Die Auszahlung der Zinsen ist
nicht vom Abschluss der Jahresrechnung abhängig, daher kann auch eine unterjährige
Auszahlung vereinbart werden.
§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT __________________________________________________________________________
159
§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT
I. GRUNDLAGEN
Die Genossenschaft wird vom Gesetz definiert als körperschaftlich „organisierte
Verbindung einer nicht-geschlossenen Anzahl von Personen oder Handelsgesellschaften, die
in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen ihrer
Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe bezweckt“. Dieser Definition entsprechend muss die
Genossenschaft zwingend „die Erlangung materieller Vorteile zugunsten der Gesellschafter
anstreben“, wobei neben den wirtschaftlichen Zielen in untergeordneter Weise auch nicht-
wirtschaftliche Ziele verfolgt werden dürfen.950 Dabei müssen die materiellen Vorteile den
Genossenschaftlern unmittelbar aus der Tätigkeit der Genossenschaft zukommen, d.h. dass
die Mitglieder die Vorteile für ihre eigene wirtschaftliche Tätigkeit durch „das Recht der
Inanspruchnahme günstiger Leistungen durch die genossenschaftlichen Einrichtungen“
erhalten.951 Dieses Recht der Mitglieder ergibt sich unmittelbar aus dem Zweck der
Genossenschaft.952 Im Gegensatz zu den Handelsgesellschaften darf die Gewährung des
materiellen Vorteils an die Gesellschafter nicht nur mittelbar durch die Ausschüttung von
Gewinnanteilen erfolgen.953 Zur Erfüllung ihrer Funktion ist die Genossenschaft befugt, ein
Unternehmen zu betreiben, welches jedoch einerseits einen Bezug zur wirtschaftlichen
Tätigkeit der Genossenschaftler haben muss und andererseits nicht bloß der reinen Gewinn-
erziehlung dienen darf.954 In dieser gesetzlich vorgeschriebenen Funktion zeigen sich der
stärkere personalistische Charakter und der dem Konzept der Genossenschaft zugrunde-
liegende Solidargedanke im Vergleich zu den reinen Kapitalgesellschaften.955
II. VERTEILUNG DES GENOSSENSCHAFTSERTRAGS
Gemäß den vorherigen Erwägungen zur Funktion der Genossenschaft sollte diese dem
Grundsatz nach eigentlich keinen Gewinn erwirtschaften, sondern ihren Mitgliedern die dem
statutarischen Zweck entsprechenden wirtschaftlichen Vorteile unmittelbar gewähren.956
Dies geschieht in der Regel durch das Angebot bestimmter Leistungen zu niedrigen
Selbstkostenpreisen. Falls eine Genossenschaft dennoch einen Reinertrag generiert, dann hat
sie den Mitgliedern ihre Leistungen zu einem zu hohen Preis gewährt. Der erzielte Gewinn
950 BAUDENBACHER, BSK, Art. 828 OR N 14 f. 951 BAUDENBACHER, BSK, Art. 828 OR N 18. 952 BGE 118 II 168 E. 3 b/aa; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 19 N 52. 953 BAUDENBACHER, BSK, Art. 828 OR N 18. 954 REYMOND, SPR VIII/5, S. 16; FORSTMOSER, BK, Art. 828 OR N. 90 f. 955 BAUDENBACHER, BSK, Art. 828 OR N 19. 956 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 859 OR N 1.
§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT __________________________________________________________________________
160
soll daher primär zur Förderung des Zwecks der Genossenschaft eingesetzt werden und den
Mitgliedern zu Gute kommen. Dieser Vorstellung entspricht die dispositive gesetzliche
Regelung zur Gewinnverteilung, nach der ein erwirtschafteter Gewinn vollumfänglich dem
Gesellschaftsvermögen zugewiesen wird, um ihn einer zweckkonformen Verwendung
zuzuführen und die Genossenschaftler unmittelbar zu begünstigen. Die Statuten können
allerdings eine abweichende Verwendung vorsehen.957 Eine solche Statutenklausel kann
nach Art. 859 Abs. 2 OR auch die Verteilung des Reinertrags an die Mitglieder vorsehen.
Vorbehaltlich einer abweichenden Regelung erfolgt die Verteilung dann nach Maßgabe der
individuellen Nutzung der Einrichtungen der Genossenschaft durch die Mitglieder. Dadurch
soll sichergestellt werden, dass jedes Mitglied seine bezogenen Leistungen durch eine
nachträgliche Korrektur des Preises günstiger erhält.958 Unter Beachtung des Charakters und
des konkreten Zwecks der Genossenschaft kann in den Statuten auch eine von der Nutzung
der Einrichtungen unabhängige Gewinnverteilung vorgesehen werden, da die gesetzlichen
Verwendungsregeln nach herrschender Ansicht dispositiv sind.959 Eine abweichende
Regelung kann z.B. auch die Kapitalbasis, jährliche Beitragsleistungen oder allfällige
Eintritts- und Einkaufssummen in die Genossenschaft einbeziehen. Hingegen ist es
unzulässig die Verteilung ausschließlich an der Kapitalbasis auszurichten, wie es für die
Kapitalgesellschaften vorgesehen ist. Diese Einschränkung beruht wiederum auf dem
Gedanken, dass die Gewinnverteilung an die Mitglieder den Charakter und den Zweck der
Genossenschaft beachten sollte.960
III. BESCHRÄNKUNG DER VERTEILUNG NACH ANTEILEN
Sofern eine Genossenschaft Anteilsscheine ausgegeben hat und die Statuten eine
Verteilung der Gewinne nach Maßgabe der Anteile vorsehen, statuiert Art. 859 Abs. 3 OR eine
Höchstquote der Gewinnverteilung auf dieser Grundlage. Die Höhe dieser Schranke ist nicht
im Gesetz fixiert, sondern orientiert sich an einem variablen Referenzzinssatz, namentlich dem
„landesüblichen Zinssatz für langfristige Darlehen ohne besondere Sicherheiten“. Der Zweck
der Beschränkung wurde bei ihrer Einführung vom Bundesrat darin gesehen, „die sogenannten
Pseudogenossenschaften und die verschiedenen Entartungen ferne zu halten, die im Laufe der
Zeit den leitenden Gedanken im Genossenschaftswesen verdunkelt haben“.961 Durch ein
Höchstmaß für die nach Anteilen berechneten Dividenden sollten solche Genossenschaften
verhindert werden, die wie Kapitalgesellschaften primär auf die Gewinnerzielung und die
Ausschüttung von Gewinnen an die Anteilseigner ausgerichtet waren, welche den
957 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 859 OR N 2; GUTZWILLER, ZK, Art. 859 N 1; GERWIG, S. 292. 958 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 859 OR N 4 f.; GUHL/DRUEY, § 77 N 40. 959 a.A. GUTZWILLER, ZK, Art. 859 OR N 1 (zwingende Natur). 960 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 859 OR N 6. 961 Botschaft zur Revision der Titel XXIV bis XXXIII des schweizerischen Obligationenrechts, BBl 1928 I 205, S. 292.
§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT __________________________________________________________________________
161
gemeinsamen Einrichtungen fernstanden.962 Bei dem dargestellten Höchstmaß handelt sich
hingegen nicht um eine absolute Obergrenze der Gewinnverteilung, sondern es können weitere
statutarische Bestimmungen einen mehrstufigen Verteilungsprozess vorsehen, der sich aber
zumindest teilweise an der Nutzung der genossenschaftlichen Ressourcen oder an anderen
Verteilungskriterien unter Berücksichtigung der genossenschaftlichen Merkmale orientieren
muss.963 Die Beschränkung gilt sodann nach Art. 861 Abs. 1 OR nicht für die besonderen
Kreditgenossenschaften.964 Dies sind zum einen die dem Bankengesetz unterstehenden
Genossenschaftsbanken, aber auch jene Genossenschaften die ihrem Zweck entsprechend
Geldbeträge an ihre Mitglieder ausleihen, sich aber nicht öffentlich zur Annahme von Geldern
empfehlen.965 Weiter bleibt zu erwähnen, dass auch bei einer Gewinnverteilung nach Anteilen
den Mitgliedern gemäß Art. 859 Abs. 3 OR kein fester Zins auf die Anteile zugesagt werden
darf, da es sich bei der Ausschüttung rechtlich gesehen um keinen Zins, sondern eine eng
begrenzte Dividende handelt, die nur aus erzielten Gewinnen ausgeschüttet werden darf.966
IV. DER LANDESÜBLICHE ZINSSATZ IM GENOSSENSCHAFTSRECHT
Der landesübliche Zinssatz für langfristige Darlehen ohne besondere Sicherheiten hat in
der Vergangenheit und bis heute weder in der Rechtsprechung noch in der Lehre besondere
Erwähnung gefunden. Offensichtlich ist jedoch, dass der Bundesrat im Jahr 1928 das Ziel
hatte, die Genossenschaft in Bezug auf die Gewinnverteilung klar von den
Kapitalgesellschaften abzugrenzen und stärker die personalistischen und solidarischen
Merkmale der Genossenschaft zu betonen. Durch die Anlehnung an den o.g. landesüblichen
Zinssatz als Marktreferenz wurden die Genossenschaftsanteile stärker an der Rendite von
Obligationen orientiert als an jener von Aktien.967 Die Höhe dieses variablen Zinssatzes wurde
bisher nicht erkennbar von einem Gericht festgestellt. Der Satz müsste aber regelmäßig an die
durchschnittliche Höhe jener Zinssätze angelehnt werden, die von Kapitalgesellschaften für
Anleihen und Obligationen in der maßgeblichen Währung, i.d.R. Schweizer Franken, gezahlt
werden. Wie der anwendbare Zinssatz zu bestimmen ist, lässt das Gesetz offen. Insbesondere
bleibt unklar, welche Schuldnerbonität als landesüblich zugrunde gelegt werden sollte, da die
Bonität einer der wichtigsten Bestimmungsfaktoren für die Zinshöhe von Anleihen ist.
Feststehen sollte hingegen, dass ein solcher Referenzzinssatz oberhalb des Niveaus von
langfristigen Staatsanleihen bester Bonität liegen dürfte.
962 GUHL/ DRUEY, § 77 N 39. 963 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 859 OR N 7. 964 GUHL/ DRUEY, § 77 N 41. 965 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 858 OR N 10; GUTZWILLER, ZK, Art. 861 OR N 2 ff.; BLICKENSTORFER, S. 234;
STEINER, SAG 1943/44, S. 119. 966 GERWIG, S. 292. 967 HELMIG/PURTSCHERT/SCHAUER/WITT, S. 382 f.
§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT __________________________________________________________________________
162
V. ZUSAMMENFASSUNG
In der Genossenschaft dient der Zinssatz gemäß Art. 859 Abs. 3 OR nicht der
Verzinsung einer Forderung bzw. Schuld, sondern stellt eine Obergrenze für die
Gewinnverteilung nach Anteilsscheinen dar. Dabei handelt es sich nicht um eine allgemeine
Beschränkung für die Höhe der Gewinnausschüttung, sondern nur für die Verteilung nach
Anteilen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Genossenschaft wie eine
Kapitalgesellschaft ausgestaltet wird und allein der Gewinnverteilung dient, statt der
Gewährung unmittelbarerer wirtschaftlicher Vorteile. Eine weitere Gewinnverteilung sollte
sich zumindest teilweise an der Nutzung der genossenschaftlichen Ressourcen durch die
Genossenschaftler orientieren. Der vom Gesetzgeber als Marktreferenz gewählte
landesübliche Zinssatz für langfristige Darlehen ohne besondere Sicherheiten soll die
Verteilungsgrenze an die Rendite von Obligationen anlehnen. Der Zinssatz wurde in der
Rechtsprechung bisher nicht erkennbar bestimmt, sollte sich aber wohl an der
durchschnittlichen Verzinsung von Anleihen und Obligationen von Kapitalgesellschaften in
der maßgeblichen Währung orientieren. Während die gesetzgeberische Absicht zur Wahl
dieses Zinssatzes nachvollziehbar ist, sollte diese Bestimmung dennoch in eine Revision der
Zinsbestimmungen einbezogen werden, da der derzeitige flexible Zinssatz aufgrund der
weiten Definition und der fehlenden Rechtsprechung nur schwer bestimmbar und beweisbar
ist.
§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH __________________________________________________________________________
163
§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH
I. GRUNDSATZ: ZINSVERBOT
Im Recht der Aktiengesellschaft bestimmt Art. 675 Abs. 1 OR, dass auf das
einbezahlte Aktienkapital keine Zinsen bezahlt werden dürfen.968 Eine parallele Regelung
findet sich in Art. 798a Abs. 1 OR für die GmbH. Versteht man diese Bestimmungen als
eigentliches Verbot von Zinsen so sind sie eigentlich nicht notwendig969, da es sich bei
Aktien- und Stammkapital nicht um eine Forderung des Gesellschafters gegen die
Gesellschaft handelt. Der Aktionär bzw. Gesellschafter hat keinen Anspruch auf
Rückzahlung der geleisteten Einlage (Art. 680 Abs. 2 OR bzw. Art. 793 Abs. 2 OR), so dass
per definitionem die Grundlage für die Entstehung eines Zinses fehlt. Zinsen auf Einlagen
stellen einen Widerspruch in sich dar und sind als Garantie einer Ausschüttung in
bestimmter Höhe zu verstehen.970 Entsprechend muss der im Gesetz verwendete Zinsbegriff
weit verstanden werden, da nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber nur echte
Zinsen verbieten wollte. Das Ziel verschiedener Bestimmungen im Aktien- und GmbH-
Recht ist der Schutz des Grundkapitals als Sperrziffer. Um z.B. das Verbot der
Kapitalrückerstattung durchzusetzen, werden nicht nur explizite Kapitalrückzahlungen,
sondern auch versteckte Rückzahlungen jeglicher Form verboten. Eine Ausnahme dafür
besteht nur im Rahmen des streng limitierten und formgebundenen Verfahrens der
Kapitalherabsetzung (Art. 732 ff. OR bzw. 782 OR).971 Wenn beide o.g. Artikel dennoch
den Begriff Zinsen verwenden, so muss dieser „alle erfolgsunabhängigen Leistungen an die
Aktionäre, periodische wie aperiodische“972 einschließen.973. Ausschüttungen an die
Aktionäre dürfen hingegen nur aus einem erwirtschafteten Erfolg der Gesellschaft
vorgenommen werden, d.h. aus dem Bilanzgewinn oder aus dafür gebildeten Reserven (Art.
675 Abs. 1 OR bzw. Art. 798 Abs. 1 OR).974
968 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 40 N 115. 969 V. GREYERZ, SPR VIII/2, S. 63 f. 970 BAYER, MüKo, § 57 AktG N 112. 971 BÖCKLI, § 2 N 122a; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 50 N 106. 972 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 40 N 116. 973 So auch HÜFFNER, § 57 N 21 zum deutschen § 57 Abs. 2 AktG, der unter Zinsen im Sinne der Bestimmung „alle
wiederkehrenden in ihrer Höhe bestimmten oder bestimmbaren Zahlungen“ verstehen will, „die ohne Rücksicht
auf Bilanzgewinne geleistet werden sollen“. 974 KURER, BSK, Art. 675 OR N 12; BÖCKLI, § 12 N 520.
§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH __________________________________________________________________________
164
II. AUSNAHME: BAUZINSEN
A ALLGEMEINES
Obwohl das Obligationenrecht auf ein strenges Zins- bzw. Ausschüttungsverbot
außerhalb der formellen und begrenzten Verfahren des Dividendenbeschlusses und der
Kapitalherabsetzung abzielt, sieht das Gesetz selbst eine ungewöhnliche und wirtschaftlich
wenig sachgerechte Ausnahme vor. Gemäß Art. 676 OR und Art. 798a Abs. 2 OR wird der
AG bzw. der GmbH die Zahlung von sog. Bauzinsen auf dem eingezahlten Aktien- bzw.
Stammkapital unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich erlaubt. Dabei handelt es sich
um eine auf der Einlage jedes Aktionärs berechnete Ausschüttung während der Gründung
und des Aufbaus (Abs. 1) oder einer Kapitalerhöhung zwecks Erweiterung (Abs. 2) des von
der Gesellschaft betriebenen Unternehmens.
B RECHTSNATUR UND BEDEUTUNG
Das Institut der Bauzinsen fand sich bereits in Art. 630 Abs. 2 aOR von 1881975 und
sollte der Gesellschaft die Möglichkeit geben, während des Aufbaus oder der Erweiterung
des betriebenen Unternehmens eine gewisse Rendite an die Aktionäre auszuschütten.
Insbesondere für investitionsintensive Unternehmen wie Eisenbahnen, Bergbahnen oder die
produzierende Industrie ist es während der ersten Jahre nach der Gründung unmöglich
ausschüttbare Bilanzgewinne zu erwirtschaften, da erst große Beträge in den Aufbau der
betriebsnotwendigen Anlagen investiert werden müssen, bevor der Betrieb überhaupt
anlaufen kann. Der Gründungsaktionär bzw. Gründungsgesellschafter muss folglich
zunächst das für den Bau der Anlagen notwendige Kapital einzahlen, kann aber erst nach
einer gewissen Zeit mit der Auszahlung einer ersten Dividende, d.h. einer Rendite auf
seinem Kapital rechnen.976 Die Bauzinsen sollen diese für Investoren unattraktive Periode
überbrücken, indem ihnen eine minimale Rendite zugesichert wird.977 Wiederum handelt es
sich mangels einer zugrundeliegenden Hauptforderung des Aktionärs gegen die Gesellschaft
nicht um einen echten Zins im Sinne des rechtlichen Zinsbegriffs, sondern um eine in
Prozenten der Kapitaleinlage und pro rata temporis berechnete Ausschüttung, die eher die
Merkmale einer Dividende aufweist. Das Gesetz betrachtet die Bauzinsen aber wohl
dennoch als Zinsen, da sie auch wirtschaftlich die Funktion von Zinsen erfüllen.978
Rechtlich ist der Bauzins ein aus der Mitgliedschaft entstehender Anspruch, der sich jedoch
975 BBl 1881 III 109, 244; BÖCKLI, § 8 N 741 FN 1207. 976 V. STEIGER, SAG 1937/38, S. 143; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 40 N 117;
KURER, BSK, Art. 676 OR N 1. 977 BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 6. 978 V. STEIGER, SAG 1937/38, S. 141; BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 6; KURER, BSK, Art. 676 OR N 1.
§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH __________________________________________________________________________
165
nach BÜRGI zu einem selbstständigen Gläubigerrecht entwickelt hat.979 Ökonomisch können
Bauzinsen einige Probleme aufwerfen, da sie in einer Phase vorgenommen werden in der die
Gesellschaft keinen Gewinn erwirtschaften kann, aber hohe Kosten hat. Nimmt die
Gesellschaft in der Phase des Ausbaus ihres Unternehmens dennoch Ausschüttungen vor,
dann führt dies zur Rückzahlung von Aktien- bzw. Stammkapital an die Gesellschafter und
damit zu einer Reduzierung der geschützten Einlagen.980 Letztlich bekommen die
Gesellschafter die Ausschüttung aus ihren eigenen Einlagen gezahlt, was andererseits
bedeutet, dass ihre Einlagen höher sein müssen als sie für den Aufbau oder die Erweiterung
des Unternehmens notwendig wären.981 Auf eine maximale Höhe der Bauzinsen hat der
Gesetzgeber im Gegensatz zu anderen Staaten verzichtet, zur Diskussion stand bei der
Einführung eine Begrenzung auf 4% p.a.982
C VERFAHREN
Im Vergleich zum Verfahren der Kapitalherabsetzung, welches vom Gedanken des
Gläubigerschutzes dominiert wird, ist das OR relativ großzügig bei der Regelung der
Bauzinsen, obwohl es sich nicht um Zinsen oder Dividenden, sondern um eine Rückzahlung
von Grundkapital handelt. Die Bauzinsen müssen bei der Gründung bzw. dem Beschluss
über eine Kapitalerhöhung (nur für die neu ausgegebenen Aktien983) in den Statuten
verankert werden. Dies betrifft nicht nur die Höhe der Ausschüttung, sondern insbesondere
den Zeitpunkt zu dem sie enden soll. Das Gesetz begrenzt die Bauzinsen einzig auf die Zeit
der Vorbereitung und des Baus bis zum Anfang des Betriebs bzw. im Fall der Erweiterung
bis zur Aufnahme des Betriebs der neuen Anlage, gibt aber keine Maximaldauer vor. Damit
lässt das Gesetz den Gesellschaftern einen weiten Spielraum bei der Ausgestaltung der
statutarischen Grundlage.984 Allerdings muss der maximale Endzeitpunkt der Zinszahlung
kalendarisch genau bestimmt werden, ein Verweis auf den Abschluss der Arbeiten genügt
nicht.985 Dieser statutarische Zeitpunkt gilt auch dann, wenn der Aufbau noch nicht
abgeschlossen ist; andernfalls endet die Zinszahlung mit dem Abschluss der Bauzeit.986 Das
Recht auf Bauzinsen ist wohlerworben und die Generalversammlung kann die
Bauzinsforderungen weder herab- noch heraufsetzen; auch eine Veränderung der Laufzeit
kommt nicht in Betracht.987 Im Konkurs der Gesellschaft können die Aktionäre ihre
979 BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 7. 980 KURER, BSK, Art. 676 OR N 1; BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 8. 981 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 40 N 122, 124. 982 V. STEIGER, SAG 1937/38, S. 142. 983 BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 12. 984 V. STEIGER, SAG 1937/38, S. 142. 985 BGE 37 II 69 E. 2. 986 BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 14; KURER, BSK, Art. 676 OR N 6, 7. 987 KURER, BSK, Art. 676 OR N 1, 6; BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 7.
§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH __________________________________________________________________________
166
Forderungen wie Gläubiger geltend machen.988 Gläubigerschutzvorschriften sieht das
Gesetz nicht vor, obwohl die Gesellschaft während der Gründung vielfach neue
Gläubigerbeziehungen eingeht und insbesondere während einer Erweiterung die
Forderungen der bestehenden Gläubiger durch den Abfluss von Mitteln gefährdet sind.
Rechnungslegungsrechtlich sind die Bauzinsen kein Aufwand der in der Erfolgsrechnung
erfasst wird, sondern sie werden zusammen mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten
in der Bilanz aktiviert. Eine Verbuchung als Aufwand würde zu einer Unterbilanz führen,
wenn die Bauzinsen nicht durch ein Agio oder allfällige Einnahmen gedeckt sind.989
III. AUSBLICK
Obwohl die Bauzinsen ein Instrument des 19. Jahrhunderts sind und von den
Erfordernissen der Industrialisierung und dem Aufbau kapitalintensiver Infrastruktur- und
Produktionsanlagen geprägt wurden, haben sie sich bis heute im Recht der AG und der
GmbH gehalten.990 Die Revision des Aktienrechts von 1991 ließ sie unangetastet und
ebenso werden sie nach dem derzeitigem Stand auch die anstehende Aktienrechtsrevision
überleben (Art. 676 E-OR)991. Einzig die systematische Nummerierung wird aufgrund der
Einfügung der Zwischendividende in Art. 675a OR angepasst und es wird in der Botschaft
angemerkt, dass die Möglichkeit zur Ausrichtung von Bauzinsen der EG-Kapitalrichtlinie992
widerspricht. 993
IV. EXKURS: RECHTSLAGE IN DEUTSCHLAND
Auch das deutsche Aktienrecht enthielt früher eine dem Art. 676 OR entsprechende
Ausnahmeregelung vom Verbot der Einlagenrückgewähr und der Einlagenverzinsung. Nach
§ 57 Abs. 3 AktG waren Bauzinsen aufgrund einer satzungsmäßigen Grundlage zulässig.
Dies aber maximal für einen Zeitraum von der Vorbereitung des Unternehmens bis zum
Anfang des vollen Betriebs.994 Die Vereinbarung von Bauzinsen nach deutschem Recht war
nur in der ursprünglichen Satzung, nicht aber im Zuge einer Kapitalerhöhung möglich.995
Für die Zulässigkeit waren zudem die Festlegung einer bestimmten Zinshöhe und ein
kalendarisch bestimmter Endzeitpunkt der Verzinsung erforderlich, unabhängig vom
988 BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 7. 989 TREUHAND-KAMMER, HWP Bd. 1, S. 325; KURER, BSK, Art. 676 OR N 8, 10; BÖCKLI, § 8 N 741. 990 BÖCKLI, § 8 N 741. 991 BBl 2008 1751, S. 1769. 992 Siehe unten FN 997. 993 Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im
Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie
Firmenrecht), BBl 2008 1589, S. 1633. 994 LUTTER, KöKo, 1.A., § 57 AktG N 27 f. 995 BAUMBACH/HUECK, § 57 N 15.
§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH __________________________________________________________________________
167
tatsächlichen Beginn der Geschäftstätigkeit. Der Zinssatz und die Laufzeit konnten nicht
durch eine Satzungsänderung verändert werden.996 Im Zuge der rechtlichen Anpassungen an
die zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie der EG997 wurde die Bestimmung zum 1. Juli
1979 ersatzlos gestrichen.998
V. ZUSAMMENFASSUNG UND BEMERKUNGEN
Im Gegensatz zur bereits dargestellten Situation in der Kollektivgesellschaft ist es der
AG und der GmbH ausdrücklich nicht gestattet, Zinsen auf das eingezahlte Kapital der
Gesellschafter zu bezahlen. Die einzige Ausnahme davon sind die Bauzinsen, die es der
Gesellschaft gestatten, während des Aufbaus oder der Erweiterung des von ihr betriebenen
Unternehmens eine gewisse Rendite an die Aktionäre auszuschütten. Bei den Bauzinsen
handelt es sich nicht um einen eigentlichen Zins, da es an dem begriffsnotwendigen
Bestehen einer zugrundeliegenden Hauptschuld des Zinsverpflichteten fehlt. Hingegen
handelt es sich um eine Ausschüttung von Grundkapital in einer Periode in der die
Gesellschaft keine Gewinne erwirtschaftet.
Die Bestimmung ist daher ökonomisch zweifelhaft, da sie den Entzug von Mitteln der
Gesellschaft in einer Phase erlaubt in der sie diese dringend benötigt und gleichzeitig keine
Schutzvorschriften zugunsten der Gläubiger vorsieht. Daher wäre es grundsätzlich
wünschenswert, dass die Bauzinsen im Rahmen der anstehenden Aktienrechtsrevision
sowohl für die AG als auch für die GmbH abgeschafft würden.
996 LUTTER, KöKo, 1.A., § 57 AktG N 28 ff. 997 RICHTLINIE 77/91/EWG DES RATES vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in
den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der
Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese
Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 26 vom 31.01.1977, S. 1-13). 998 LUTTER, KöKo, 2.A., § 57 AktG N 82.
168
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
169
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE
I. DER ZINS IM WECHSELRECHT
A DER WECHSEL
1. RECHTSNATUR
Das schweizerische OR enthält keine Definition des Wechsels, sondern statuiert in
Art. 991 OR lediglich die inhaltlichen Erfordernisse bei deren Beachtung ein gültiger
Wechsel vorliegt. Der Wechsel ist ein Wertpapier, d.h. er ist gemäß dem allgemeinen
Wertpapierbegriff von Art. 965 OR eine Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist,
dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere übertragen werden kann.
Folglich gilt: „Der Besitz des Wechsels ist zugleich sachliche Voraussetzung für die
Anspruchsberechtigung“999. Genauer betrachtet ist der Wechsel ein gesetzliches
Ordrepapier, dies lässt sich aus den Bestimmungen ableiten, dass der Wechsel an die Order
einer Person ausgestellt wird (Art. 991 Ziff. 6 OR) und die Übertragung i.d.R. mittels
Indossament erfolgt (Art. 1001 Abs. 1 OR).1000 Da das Gesetz die Eigenschaft als
Ordrepapier vermutet, muss der Wechseltext die Klausel an die Order nicht zwingend
enthalten. Hingegen muss er eine negative Orderklausel (nicht an Order) bzw. Rektaklausel
enthalten, falls der Wechsel als Rektapapier ausgestaltet werden und ausschließlich mittels
Zession übertragbar sein soll.1001 Der Wechsel kann nicht als Inhaberpapier ausgestaltet
werden, wobei die gleichen Wirkungen durch ein Blankoindossament erreicht werden
können.1002 Aufgrund der beteiligten Parteien und der Funktion des Wechsels lassen sich die
nachfolgenden zwei Grundformen unterschieden.
a. DER GEZOGENE WECHSEL
Der sog. gezogene Wechsel (Art. 991 ff. OR) beinhaltet eine „unwiderrufliche
Anweisung“1003 des Ausstellers an den Bezogenen, „an den durch die Urkunde als berechtigt
Ausgewiesenen (an die Order)“, den sog. Remittenten, „eine bestimmte Geldsumme an
einem bestimmten Tag zu zahlen“, wobei der Aussteller für die Annahme und Einlösung des
Wechsels selbst haftet (qualifizierte Zahlungsanweisung1004).1005 Wurde der Wechsel vom
999 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 6. 1000 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 136 f. 1001 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 137, 165; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 8. 1002 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 8. 1003 BGE 127 III 559 E. 3a. 1004 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 15. 1005 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 8.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
170
Bezogenen noch nicht angenommen bzw. akzeptiert, so wird er als Tratte bezeichnet,
während der angenommene Wechsel als Akzept geläufig ist.1006 Der gezogene Wechsel ist
seiner Grundstruktur nach eine Anweisung (Art 466-471 OR) und kann beim Fehlen
zwingender Merkmale, d.h. wenn ein nichtiger Wechsel vorliegt, u.U. dennoch
Rechtswirkungen als gewöhnliche Anweisung entfalten.1007
b. DER EIGENE WECHSEL
Der eigene Wechsel (Art. 1096 ff. OR), der auch als Sola- oder trockener Wechsel
bezeichnet wird ist keine Anweisung, sondern eine Verpflichtung des Ausstellers selbst zur
Zahlung der Wechselsumme zu einem bestimmten Zeitpunkt (qualifiziertes Zahlungs-
versprechen1008).1009 Er ist ein zweipoliges Verhältnis und entspricht insoweit einem
abstrakten Schuldbekenntnis nach Art. 17 OR, welches aber den Regeln des Wertpapier-
rechts untersteht.1010 „Der Eigenwechsel ist eine Schuldanerkennung in Wechselform“.1011
2. ÜBERTRAGBARKEIT
Der Wechsel ist als Wertpapier grundsätzlich übertragbar. Dies geschieht
entweder durch Indossierung und Übergabe des Papiers oder durch Zession.1012 Letzteres
gilt zwingend im Fall der Rektaklausel (Art. 1001 Abs. 2 OR). Die Übertragung mittels
Indossament erfolgt schriftlich, i.d.R. auf der Rückseite des Wechsels.1013 Der Weg eines
Wechsels lässt sich daher aus dem Indossament nachvollziehen. Dies hat die wichtige
Rechtsfolge, dass alle Indossanten durch ihre Unterschrift im Indossament, sofern sie keinen
Vermerk mit einem Übertragungsverbot anbringen (Art. 1005 Abs. 2 OR), aus dem Wechsel
verpflichtet werden und jedem nachfolgenden Erwerber des Wechsels solidarisch haften,
falls der Aussteller bzw. der Akzeptant dem Inhaber zum vereinbarten Zeitpunkt die
Zahlung der Wechselsumme oder der Bezogene das Akzept verweigert.1014
1006 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 991 OR N 6; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 8. 1007 MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, § 7 N 38. 1008 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 16. 1009 GUHL/DRUEY, § 87 N 9; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 7; BGE 127 III 559 E. 3a. 1010 GUHL/DRUEY, § 87 N 9; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 146; BGE 127 III 559 E. 3a. 1011 BGE 127 III 559 E. 3a. 1012 GUHL/DRUEY, § 87 N 24; GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 13. 1013 GUHL/DRUEY, § 87 N 23 f. 1014 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 13; GUHL/DRUEY, § 87 N 25.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
171
3. FUNKTION
a. ZAHLUNGSFUNKTION
Der Wechsel wurde ursprünglich als bargeldloses Zahlungsmittel geschaffen und
wird bis heute (selten) noch zu diesem Zweck verwendet. Dabei entsteht beim gezogenen
Wechsel ein Dreiecksverhältnis mit dem sog. Valuta- bzw. Zahlungsverhältnis zwischen
Aussteller und Anweisungsempfänger, dem Deckungsverhältnis zwischen Aussteller und
Bezogenem sowie dem Außenverhältnis zwischen Anweisungsempfänger und
Bezogenem.1015 Wird der Wechsel zur Erfüllung einer Schuld verwendet werden, so handelt
es sich i.d.R. um eine Hingabe zahlungshalber und keine Hingabe an Erfüllung statt. Die
Annahme des Wechsels führt folglich noch nicht zur Erfüllung der Schuld aus dem
Grundverhältnis.1016 Die Zahlungsfunktion wurde im Zuge der technischen Entwicklung
zunehmend von neuen bargeldlosen Zahlungsformen verdrängt, von denen die meisten aber
ein Guthaben zur Ausführung der Zahlung voraussetzen. Nur im internationalen Handels-
verkehr hatte der Wechsel noch länger eine gewisse Bedeutung als Zahlungsmittel.1017
b. KREDITFUNKTION
Neben der Zahlungsfunktion hat insbesondere der Eigenwechsel auch eine Kredit-
funktion, d.h. er kann zum Zahlungsaufschub oder zur Beschaffung von Fremdkapital
genutzt werden,1018 da im Eigenwechsel als verbriefte Form des Schuldversprechens die
Positionen von Aussteller und Angewiesenem zusammenfallen. Die Verwendung als Kredit-
mittel ist heute wohl die vorherrschende Funktion des Wechsels. Gegenüber anderen Fremd-
finanzierungsformen bietet der Wechsel dem Gläubiger aufgrund der formellen und
materiellen Wechselstrenge Vorteile in Bezug auf die Sicherheit des Bestands und die
Erfüllung der Forderung sowie eine schnellere und einfachere Vollstreckbarkeit. Zudem
wirken allfällige Mitunterzeichner (Akzeptanten, Indossanten, Wechselbürgen) als
solidarisch haftende Schuldner. Die Zirkulationsfähigkeit sowie der Gutglaubensschutz
erleichtern den Verkauf bzw. die Diskontierung des Wechsels und die Wechselurkunde ist
ein einfacher Beweistitel.1019 Hingegen bietet der Wechsel dem Gläubiger keine Real- oder
Personalsicherheiten und wird daher, abgesehen von einer allfälligen geschäftlichen Übung,
häufig als zweitklassiges Sicherungsmittel und Zeichen mangelnder Bonität angesehen.1020
1015 BÜLOW, Einführung WG N 2. 1016 BGE 127 III 559 E. 3b; GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 991 OR N 2. 1017 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 69 f.; GUHL/DRUEY, § 87 N 5; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 134. 1018 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 134. 1019 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 135; GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 18. 1020 GUHL/DRUEY, § 87 N 6.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
172
4. WECHSELFORDERUNG
Der Wechsel kann nach Art. 991 Ziff. 2 OR ausschließlich auf eine Zahlungs-
verbindlichkeit lauten.1021 Andere Forderungen begründen keine Wechselforderung und
führen zur Nichtigkeit des Wechsels.1022 Die im Wechsel verbriefte Forderung ist eine
abstrakte Forderung, d.h. dass sie selbstständig von dem ihr zugrundeliegenden Rechts-
geschäft besteht (materielle Abstraktheit). Zudem enthält die Wechselurkunde lediglich den
geschuldeten Betrag, aber keinen Hinweis auf das Grundgeschäft (formelle Abstraktheit).1023
Eine schriftliche Bezugnahme in der Wechselurkunde auf das Grundgeschäft führt zur
Nichtigkeit des Wechsels (Art. 991 Ziff. 2 OR).1024 Das Eingehen einer Wechsel-
verbindlichkeit bewirkt aufgrund der Vermutung von Art. 116 Abs. 2 OR keine Novation
der bisherigen Schuld.1025 Hingegen wird eine Geldschuld durch die Verbriefung im
Wechsel von einer Bringschuld zur Holschuld. Dies beruht auf dem Präsentationserfordernis
des Wertpapiers zum Zweck der Akzeptierung und Zahlung der Wechselsumme, daher ist
auch der Zahlungsort zwingend auf der Urkunde anzubringen.1026
5. EINREDEAUSSCHLUSS
Gemäß Art. 1007 OR kann der zur Zahlung Verpflichtete dem Inhaber des
Wechsels keine Einreden aus dem Grundverhältnis zum Aussteller oder dem Verhältnis zum
vorherigen Inhaber entgegen halten, es sei denn der Inhaber habe „bei Erwerb des Wechsels
bewusst zum Nachteil des Schuldners gehandelt“ (Bösgläubigkeit).1027 Der grundsätzliche
Ausschluss persönlicher bzw. relativer Einreden soll die Umlauffähigkeit des Wechsels
gewährleisten.1028 Hingegen können jene Einreden gegenüber jedem Inhaber geltend
gemacht werden, die sich aus dem Wechselrecht bzw. aus der Urkunde ergeben (absolute
Einreden), wie z.B. Formmangel, Haftungsausschluss auf dem Wechsel oder Verjährung.1029
Dies gilt auch für sog. Gültigkeitseinreden, die sich nicht auf das Grundgeschäft beziehen,
„sondern auf den wechselrechtlichen Verpflichtungstatbestand und damit den Bestand der
abstrakten Wechselverpflichtung“1030, wie z.B. ein ungültiger Begebungsvertrag.1031
1021 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 9. 1022 BÜLOW, Art. 6 WG N 11. 1023 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 9. 1024 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 10. 1025 BGE 127 III 559 E. 3b; BGE 84 II 645 E. 3c. 1026 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 138; GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 991 OR N 15. 1027 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 1007 OR N 1, 3, 4. 1028 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 1007 OR N 3, 7; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 17 WG N 8, 13. 1029 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 1007 OR N 2. 1030 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 17 WG N 9. 1031 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 1007 OR N 5.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
173
6. WECHSELSTRENGE
Art. 991 OR beinhaltet die zwingenden formellen Voraussetzungen eines gültigen
gezogenen Wechsels bzw. Art. 1096 OR jene des eigenen Wechsels. Nur wenn diese Form-
vorschriften erfüllt sind, können die enthaltenen Erklärungen ihre wechselrechtlichen
Wirkungen entfalten (materielle Wechselstrenge). Insbesondere führt eine Verletzung aber
zum Ausschluss der Wechselbetreibung.1032 Dieses spezielle Verfahren zur Durchsetzung
von Forderungen aus Wechseln und Checks wird als prozessuale oder formelle
Wechselstrenge bezeichnet und ermöglicht eine schnellere Vollstreckung der Ansprüche
durch kürzere Fristen, weniger Verfahrensschritte und einen erschwerten Rechtsvorschlag
unter besonderen Bedingungen. Die Wechselbetreibung ist in Art. 177-189 SchKG geregelt
und kann nur angewendet werden wenn der Schuldner der Konkursbetreibung untersteht
(Art. 177 Abs. 1 OR). Andernfalls ist der Wechsel die Grundlage für eine reguläre
Betreibung.1033
7. PRÄSENTATION
Der Wechsel als Wertpapier muss vom Inhaber dem Bezogenen vorgelegt werden,
um die Zahlung der Wechselsumme zu erwirken. Die Fälligkeit bzw. der Verfalltag eines
Wechsels bestimmt sich ausschließlich nach den Angaben auf der Urkunde (Art. 991 Ziff. 4
OR), wobei nach Art. 1023 Abs. 1 OR vier Möglichkeiten in Betracht kommen.1034 Beim
sog. Tagwechsel ist auf der Urkunde ein bestimmtes Datum als Verfalltag angegeben. Der
Gläubiger kann ab diesem Tag präsentieren und der Schuldner muss den fälligen und
korrekt vorgelegten Wechsel sofort einlösen.1035 Der sog. Datowechsel hingegen nennt nur
eine Frist ab dem Tag der Ausstellung, nach deren Ablauf der Gläubiger die sofortige
Leistung des Schuldners durch Präsentation der Urkunde erwirken kann. Die Berechnung
der Frist erfolgt nach Art. 1026 OR.1036 Beim sog. Sichtwechsel enthält der Wechsel weder
Datum noch Frist, sondern nur einen Vermerk Sicht. Die Fälligkeit tritt mit dem Termin der
Vorlage des Wechsels beim Gläubiger ein.1037 Der Inhaber ist in seiner Entscheidung über
den Termin weitgehend frei, allerdings bestimmt das Gesetz in Art. 1024 Abs. 1 OR, dass
vorbehaltlich einer kürzeren oder längeren vereinbarten Frist, die Präsentation binnen eines
Jahres ab Ausstellung zu erfolgen hat. Der Fristbeginn kann aber von den Parteien auch
durch Vereinbarung einer anfänglichen Sperrfrist verzögert werden (Art. 1024 Abs. 2 OR).
Zuletzt kann auch ein sog. Nachsichtwechsel ausgestellt werden. Lautet ein Wechsel auf
1032 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 10; GUHL/DRUEY, § 87 N 16. 1033 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 141. 1034 NETZLE, BSK, Art. 1023 OR N 3; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 195. 1035 NETZLE, BSK, Art. 1023 OR N 1, 3. 1036 NETZLE, BSK, Art. 1023 OR N 3; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 195. 1037 NETZLE, BSK, Art. 1023 OR N 3; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 195.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
174
nach Sicht, so ist er gemäß Art. 1013 Abs. 1 OR binnen einer Frist von wiederum einem
Jahr ab Ausstellung dem Bezogenen bzw. Aussteller zur Annahme vorzulegen.1038 Ab dem
Datum der Annahme (auf der Annahmeerklärung zwingend anzugeben) läuft die in der
Urkunde angegebene Frist (Art. 991 Ziff. 4 OR) mit deren Ablauf der Wechsel fällig wird
und der Gläubiger ihn erneut zur Zahlung vorlegen muss (Art. 1028 OR).1039 Die vier
gesetzlichen Möglichkeiten zur Bestimmung der Fälligkeit sind nach Art. 1023 Abs. 2 OR
abschließend und abweichende Vereinbarungen machen den Wechsel nichtig.1040 Fehlt eine
Angabe der Verfallzeit so liegt gemäß Art. 992 Abs. 2 OR subsidiär ein Sichtwechsel vor.
8. ANNAHME
Art. 1011 Abs. 1 OR bestimmt, dass der Inhaber eines Wechsel diesen dem
Bezogenen zur Annahme (Akzept) vorlegen kann. Erst die unterschriftliche Annahme-
erklärung begründet nach Art. 1018 Abs. 1 OR die Pflicht des Bezogenen bei Verfall den
Wechsel einzulösen; vorher ist er wechselrechtlich nicht verpflichtet. Mit der Annahme-
erklärung wird der Bezogene zum Akzeptant und die übrigen Wechselverpflichteten haften
nur subsidiär (Art. 1033 OR).1041 Wechselrechtlich besteht keine Pflicht zur Annahme durch
den Bezogenen, eine solche kann sich aber aus dem Deckungsverhältnis zum Aussteller
ergeben.1042 Durch das Akzept steigt der Wert des Wechsels, da der Bezogene damit die
Zahlung zusichert. In der Praxis wird das Akzept häufig bereits vor der Begebung des
Wechsels an den Wechselgläubiger vom Bezogenen eingeholt.1043
9. ZAHLUNG
Nach Art. 1028 Abs. 1 OR muss der Wechsel am Zahlungstag oder an einem der
beiden folgenden Werktage dem Bezogenen oder dem Aussteller (beim Eigenwechsel) zur
Zahlung vorgelegt werden. Die Vorlage muss an dem auf der Wechselurkunde angegebenen
Ort erfolgen. Der Bezogene muss einen am richtigen Ort und innert Frist vorgelegten Wechsel
den er akzeptiert hat (Art. 1018 OR) auch einlösen. Die Vorlage darf grundsätzlich nicht früher
oder später erfolgen.1044 Legt der Inhaber den Wechsel nicht rechtzeitig zur Zahlung vor, so
behält er zwar seinen Anspruch gegenüber dem Hauptschuldner, aber er geht nach Art. 1050
Abs. 1 OR aller subsidiären Regressansprüche verlustig (Präjudizierung).1045 Erfolgt die
1038 NETZLE, BSK, Art. 1023 OR N 3, Art. 1025 OR N 1; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 195. 1039 NETZLE, BSK, Art. 1025 OR N 1 1040 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 196. 1041 PERGOLIS, BSK, Art. 1018 OR N 1. 1042 MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, § 7 N 90. 1043 PERGOLIS, BSK, Art. 1011 OR N 1, 2. 1044 NETZLE, BSK, Art. 1028 OR N 2; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 196. 1045 NETZLE, BSK, Art. 1028 OR N 5; TAISCH/BEUTTER, S. 137.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
175
Präsentation hingegen form- und fristgerecht, aber verweigert der Schuldner dennoch die
Zahlung, dann kann der Inhaber nach Art. 1033 Abs. 1 OR Rückgriff gegen die Indossanten,
den Aussteller und alle anderen Wechselverpflichteten nehmen. Dies gilt gemäß Art. 1033
Abs. 2 OR bereits vor der Fälligkeit bei Verweigerung des Akzepts und bei Konkurseröffnung
über den Bezogenen bzw. Aussteller.1046
10. DISKONTIERUNG
Der Begriff der Diskontierung bezeichnet den Erwerb nicht fälliger Forderungen
gegen Entgelt unter Abzug eines Diskonts. Der Abzug von der Wechselforderung setzt sich
zusammen aus einem Zwischenzins, einem Kostenanteil und einer Provision. Der
Zwischenzins wird über die Restlaufzeit des Wechsels bis zum Fälligkeitstermin berechnet
und als Diskont bezeichnet. Durch die Diskontierung kann sich der Inhaber des Wechsels
bereits vor dessen Verfall Liquidität verschaffen. Der Diskontgeber, regelmäßig ein
Kreditinstitut, legt dann den Wechsel zum Fälligkeitstermin dem Bezogenen oder Aussteller
zur Zahlung vor.1047 Im Kundengeschäft der Banken ist für Diskontgeschäfte der
Privatdiskontsatz maßgeblich, wobei die Bedeutung dieses Geschäfts heute sehr gering ist.
Im Verhältnis der Geschäftsbanken zu den Zentralbanken ist hingegen der Diskontsatz der
jeweiligen Nationalbank maßgeblich, sofern dieser noch nicht abgeschafft worden ist. Die
Schweizerische Nationalbank äußert sich zum Diskontgeschäft nur kurz, aber sehr klar:
„Das Diskontgeschäft ist in den letzten Jahren in der Praxis bedeutungslos geworden. Die
Nationalbank ist nicht zur Gewährung von Diskontkrediten verpflichtet. Sie behält sich die
Möglichkeit zur Diskontierung von Wertpapieren für Sondersituationen vor, in denen sie
den Banken auf breiter Basis Kredite gewähren will“1048. „Gegenwärtig legt die
Nationalbank wegen der verschwindenden Bedeutung des Diskontgeschäfts keinen
Diskontsatz mehr fest“1049.
B DIE ZINSBESTIMMUNGEN
1. DAS ZINSVERSPRECHEN
a. GRUNDSATZ
Grundsätzlich sind Zinsvereinbarungen im Wechselrecht unzulässig. Dies leitet
sich aus der inhaltlichen Formvorschrift von Art. 991 Abs. 2 OR ab, dass auf der Wechsel-
1046 TAISCH/BEUTTER, S. 137. 1047 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 11 WG N 27; TAISCH/BEUTTER, S. 132 f. 1048 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Glossar (Diskontgeschäft). 1049 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Glossar (Diskontsatz).
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
176
urkunde die Wechselsumme zu vermerken ist.1050 Dabei muss es sich um einen einheitlichen
und bestimmten Geldbetrag handeln. Unzulässig sind ungefähre Angaben, aber auch
Rahmenbeträge, Währungsgleitklauseln, Wertsicherungsklauseln oder Kurswerte von
Waren oder Wertpapieren.1051 Ebenso unzureichend ist es, wenn der Betrag nur bestimmbar
oder errechenbar ist, sondern er muss sich unmittelbar aus der Urkunde ergeben.1052 Dem
Erfordernis des einheitlichen und bestimmten Betrags widerspricht eine Verzinsung der
Wechselsumme. Ein Zinsvermerk macht den Wechsel aber nicht gesamthaft nichtig,
sondern der Vermerk wird als nicht geschrieben betrachtet (Art. 995 Abs. 1 Satz 2 OR).1053
b. AUSNAHME: SICHT- UND NACHSICHTWECHSEL
Eine Ausnahme von diesem Prinzip macht das Gesetz allerdings für zwei der vier
zuvor dargestellten Fälligkeitstypen1054. Das Zinsverbot wird aufgehoben für Wechsel, die
auf Sicht oder auf bestimmte Zeit nach Sicht lauten (Art. 995 Abs. 1 Satz. 1), wobei der
Zinssatz in diesen Fällen auf der Urkunde selbst zu vermerken ist, andernfalls gilt auch
dieser Zinsvermerk als nicht geschrieben (Art. 995 Abs. 2 OR). Die unterschiedliche
Behandlung von Tag- und Datowechseln einerseits sowie Sicht- und Nachsichtwechseln
andererseits, ist vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Konstruktion gerechtfertigt.
Bei den Tag- und Datowechseln steht die Laufzeit des Wechsels bis zur Fälligkeit fest,
daher können die Parteien einen Zinssatz vereinbaren und die Zinsen für die gesamte
Laufzeit bereits vor der Ausstellung berechnen. Die Zinsen werden dann von vornhinein in
die Wechselsumme einkalkuliert.1055 Bei Sicht- und Nachsichtwechseln hingegen steht der
Tag der Präsentation und der Zahlung nicht von vornhinein fest, sondern liegt weitgehend
im Ermessen des Inhabers. Da eine vorgängige Kalkulation der Zinsen somit nicht in
Betracht kommt, erlaubt das Gesetz den Parteien in diesen Fällen eine Verzinsung zu
vereinbaren, verlangt aber den Zinssatz auf der Urkunde zu vermerken.1056 Diese
zwingenden Formvorschriften dienen der Umlauffähigkeit des Wechsels, da nur durch die
vollständige Angabe des Zinssatzes und allfälliger Berechnungsmodalitäten die
Gesamtbelastung aus dem Wechsel ersehen und berechnet werden kann.1057
1050 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 1. 1051 BÜLOW, Art. 1 WG N 13. 1052 BÜLOW, Art. 1 WG N 13; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 1 WG N 10. 1053 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 1. 1054 Siehe § 15 I A 7. 1055 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 5 WG N 1. 1056 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 2, 3; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 5 WG N 1. 1057 BÜLOW, Art. 5 WG N 2.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
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c. EINZELFRAGEN
Unklare oder unsichere Zinsvereinbarungen gelten als nicht geschrieben, führen
aber nicht zur Nichtigkeit des Wechsels. Mangels exakter Bestimmung durch die Parteien
sind Zinssätze ohne Bezeichnung als Jahreszinsen zu verstehen, wobei andere Berechnungs-
perioden möglich sind.1058 Finden sich auf der Wechselurkunde mehrere widersprüchliche
Zinsversprechen, so ist vermutlich jenes im Wechseltext maßgeblich.1059 Der Zinsenlauf
beginnt nach der gesetzlichen Vermutung am Tag der Ausstellung, die Parteien sind aber
frei einen anderen Zeitpunkt zu wählen.1060 In Bezug auf überhöhte Zinssätze in einem
Wechsel ist mangels spezieller Bestimmungen auf die allgemeinen Beschränkungen zu
verweisen.1061 Als Rechtsfolge kommt aber wohl nur die Teilnichtigkeit oder Reduktion der
Zinsabrede in Betracht, jedoch nicht die Nichtigkeit des Wechsels. Insbesondere zum Schutz
der Umlauffähigkeit des Wechsels und des gutgläubigen Erwerbers sollte die Berufung auf
Ganznichtigkeit ausgeschlossen sein.
d. PROZESSUALES
Den Gläubiger trifft keine Beweislast für die Höhe des Zinssatzes, sofern sich
dieser aus der Wechselurkunde selbst ergibt. Ein unklarer Zinsvermerk gilt wie erwähnt als
nicht geschrieben, daher kommt kein Beweis durch außerhalb der Urkunde liegende
Umstände in Betracht.1062 Entsprechend ist auch keine Ergänzung durch einen subsidiären
gesetzlichen Zinssatz möglich, ebenso wie die Bestimmung des Zinssatzes nicht bewusst
offen gelassen und der Entscheidung des Gerichts überlassen werden kann.
2. DER REGRESSZINS
a. RÜCKGRIFF DES INHABERS
Art. 1045 OR regelt Höhe und Bestandteile der Regressforderung des Inhabers im
Wechselrecht. Der Regress kommt zur Anwendung, wenn der Inhaber vom Akzeptanten
zum Zeitpunkt der Vorlage zur Zahlung nicht die Wechselsumme ausgezahlt erhält oder der
zur Annahme vorgelegte Wechsel nicht akzeptiert wird. Der Anspruch umfasst die
Wechselsumme selbst, nebst allfällig vereinbarter Zinsen bis zum Verfalltag (Art. 1045
Abs. 1 Ziff. 1 OR), Zinsen von 6% p.a. seit dem Verfalltag (Ziff. 2), die Kosten des Protests
und der Nachrichten sowie andere Auslagen (Ziff. 3) und eine Provision von maximal 1/3%
der Wechselsumme (Ziff. 4). Der letzte Inhaber kann diesen Betrag beim ersten Rückgriff
1058 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 3; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 5 WG N 2. 1059 BÜLOW, Art. 5 WG N 2. 1060 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 4; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 5 WG N 3. 1061 Siehe § 4. 1062 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 5.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
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auf die Indossanten oder den Aussteller verlangen. Wurde der Wechsel mangels Zahlung
protestiert, dann hat der Inhaber aus Art. 1018 Abs. 2 OR auch einen unmittelbaren
Anspruch in dieser Höhe gegen den Annehmer. Die Aufzählung der Bestandteile der
Regresssumme ist abschließend; weiterer Schaden kann nicht geltend gemacht werden.1063
Insbesondere ausgeschlossen ist der erweiterte Schadenersatz nach Art. 106 OR.1064 Im
Gegenzug ist für den Anspruch auf Zinsen, Kostenersatz und Provision keine förmliche
Inverzugsetzung des Annehmers erforderlich.1065 Der Zins ist geschuldet vom Verfalltag bis
zum Tag der Einlösung auf dem nach Ziff. 1 berechneten Grundbetrag inklusive allfällig
vereinbarter Zinsen bis zum Verfalltag; die Beträge der Ziff. 3 und 4 bleiben unverzinst.1066
Durch die Regressverzinsung der Wechselsumme inklusive Zins gestattet das OR an dieser
Stelle die sonst abgelehnten Zinseszinsen. Der Zinssatz beträgt grundsätzlich 6% p.a.1067
b. RÜCKGRIFF DES EINLÖSERS
Der Zinssatz von 6% p.a. gilt nach Art. 1046 Ziff. 2 OR auch im Regress des
Einlösers, der vom Inhaber (Erstrückgriff) oder von einem nach ihm im Indossament
stehenden Indossaten (Zweit-, Drittrückgriff) selbst in Regress genommen wurde oder der
den Wechsel freiwillig eingelöst hat (Art. 1047 Abs. 1 OR).1068 Der Einlöser kann von
seinen Vordermännern eine Regresssumme verlangen, die sich ähnlich wie nach Art. 1045
Abs. 1 OR aus dem selbst gezahlten Betrag, d.h. inkl. Zinsen seit dem Verfalltag (Ziff. 1),
Zinsen zu 6% seit dem Tag der Einlösung (Ziff. 2), seinen Auslagen (Ziff. 3) und einer
Provision von maximal 2 Promille der Wechselsumme zusammensetzt (Ziff. 4). Da in dem
vom Einlöser bezahlten Betrag nach Ziff. 1 bereits die seit dem Verfalltag aufgelaufenen
Zinsen enthalten sind und auf den gesamten Betrag der Regresszins angewendet wird, lässt
das Gesetz an dieser Stelle wiederum die sonst verpönten Zinseszinsen entstehen.1069
3. DER DISKONTZINS IM REGRESS VOR VERFALL
Eine spezielle Bestimmung für den Regress des Inhabers enthält Art. 1045 Abs. 2
OR. Danach ist die Regressforderung nach Abs. 1 zu reduzieren, falls der Inhaber seinen
Rückgriff nicht nach, sondern bereits vor dem Verfalltag vornimmt. Die Reduktion erfolgt
1063 BAUER, BSK, Art. 1045 OR N 1. 1064 WEBER, BK, Art. 106 OR N 7; BGer v. 21.01.1993, SJ 1993 S. 321 E. 5c/bb. 1065 BAUER, BSK, Art. 1045 OR N 3; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 48 WG N 4. 1066 BAUER, BSK, Art. 1045 OR N 3; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 48 WG N 4; BÜLOW, Art. 48 WG N 5. 1067 Im deutschen Wechselgesetz kann auch ein höherer Zinssatz geltend gemacht werden. Sofern es sich um einen im
Inland ausgestellten und zahlbaren Wechsel handelt, gilt nach dem wortgleichen Art. 48 Abs. 1 Ziff. 2 WG ein
Aufschlag von 2% über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB, allerdings mindestens ein Satz von 6% p.a.
Vgl. BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 48 WG N 4; BÜLOW, Art. 48 WG N 6. 1068 BAUER, BSK, Art. 1046 OR N 1. 1069 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 49 WG N 5; BÜLOW, Art. 49 WG N 3.
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wie beim Diskontieren durch einen prozentualen Abzug. Maßgeblich für die Diskontierung
ist die Wechselsumme samt Zinsen bis zum Verfalltag nach Art. 1045 Abs. 1 Ziff. 1 OR.
Auf diesem Betrag ist der Zins für die Zeit zwischen der vorzeitigen Einlösung und dem
ursprünglich Verfalltag zu berechnen.1070 Die Höhe des Zinssatzes ist nicht durch einen
festen Prozentsatz vorgegeben, sondern das Gesetz verweist auf den von der
Schweizerischen Nationalbank festgelegten und publizierten Diskontsatz am Tag des
Rückgriffs und am Wohnort des Inhabers. An dieser Stelle wurde das Gesetz von der realen
Entwicklung überholt. Wie zuvor dargestellt1071 gehört das Diskontgeschäft nicht mehr zum
üblichen Instrumentarium der SNB, wie übrigens auch der Europäischen Zentralbank
(EZB). Daher wird auch kein tagesaktueller Diskontsatz mehr festgelegt und veröffentlicht.
Der letzte publizierte Diskontsatz der SNB datiert vom 30.12.1999.1072 Obwohl aufgrund
des eindeutigen Verweises von Art. 1045 Abs. 2 OR keine eigentliche Gesetzeslücke
vorliegt, ist unklar welcher Zinssatz zukünftig anzuwenden ist. Daher müssen die Gerichte
eine Entscheidung auf dem Weg der Auslegung suchen, solange der Gesetzgeber keine neue
Referenzgröße bestimmt. Mangels praktischer Bedeutung des Wechsels, der in den Bilanzen
der Schweizer Banken nur noch weniger als 0,027% der gesamten Aktiven ausmacht (davon
nur ca. 20% in Schweizer Franken)1073, handelt es sich bei diesem Problem um ein unter-
geordnetes Revisionsbedürfnis, das aber aufgrund der Herkunft der Bestimmung aus dem
Abkommen über das Einheitliche Wechselgesetz nicht unproblematisch umzusetzen ist.1074
II. DER ZINS IM CHECKRECHT
A DER CHECK
1. BEGRIFF
Der Check nach Art. 1100 ff. OR zeigt wesentliche Ähnlichkeiten zum gezogenen
Wechsel, aber im Detail auch gewollte Unterschiede. Der Check ist wie der Wechsel ein
Wertpapier und „verkörpert eine wertpapierrechtliche Form der schriftlichen Bank-
anweisung“1075. Darin weist der Aussteller eine Bank abstrakt und unbedingt an, auf Sicht
eine Zahlung an den Checkberechtigten zu leisten. Die Zahlung kann damit an den auf dem
Check vermerkten Empfänger, an seine Order oder an den Inhaber des Checks erfolgen.1076
1070 BAUER, BSK, Art. 1045 OR N 6. 1071 Siehe § 15 I A 10. 1072 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Zinssätze und Renditen - Historische Zeitreihen 4, Tabelle 1.1 L. 1073 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Bankenstatistisches Monatsheft September 2010, Tabelle 1A, S. 28,
Tabelle 1G, S. 64. 1074 Siehe § 15 III. 1075 WIDMER, BSK, Art. Vor Art. 1100-1144 OR N 2. 1076 WIDMER, BSK, Art. Vor Art. 1100-1144 OR N 2.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
180
2. FUNKTION
Der Check hat die Funktion, eine Zahlung an einen Dritten zu bewirken, wobei der
Bezogene zwingend ein Kreditinstitut sein muss1077, bei dem der Aussteller über ein
Guthaben verfügt. Ein Check verschafft dem Aussteller daher auch kurzfristig keinen
Kredit. Diese Beschränkung ist gewollt, da der Check nur dem bargeldlosen Zahlungs-
verkehr dienen soll. Verschiedene zwingende Vorschriften im Gesetz dienen dem Zweck
eine Kreditfunktion des Checks zu verhindern. Dazu zählen neben dem Deckungserfordernis
(Art. 1103 Abs. 1 OR) insbesondere der Ausschluss des Akzepts (Art. 1104 OR), die
Beschränkung des Verfalls auf Sicht (Art. 1115 Abs. 1 OR) und der absolute Ausschluss der
Verzinsung (Art. 1106 OR).1078 Obwohl der Check der Erfüllung einer Geldforderung dient,
handelt es sich bei der Hingabe eines Checks lediglich um eine Hingabe erfüllungshalber,
nicht an Erfüllung statt. Die Grundforderung gilt solange als gestundet, wie der Gläubiger
„mit verkehrsüblicher Sorgfalt“ versucht den Check einzulösen.1079
3. WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG
Auch der Check hat in den letzten Jahren seine Funktion weitgehend verloren,
indem er durch elektronische Formen der bargeldlosen Zahlung abgelöst wurde.1080 Ein
wesentlicher Vorteil des Checks ist allerdings noch heute die Möglichkeit, eine Transaktion
tatsächlich Zug-um-Zug (z.B. Ware gegen Check) ausführen zu können. Diese örtliche und
zeitliche Kongruenz kann auch der elektronische Zahlungs- und Überweisungsverkehr nicht
in gleicher Form gewähren. Zum Rückgang der Checknutzung haben sicher auch die
aufgrund des größeren Verarbeitungsaufwandes höheren Gebühren der Banken für die
Ausgabe und Annahme von Checks beigetragen. Die Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich (BIZ) weist in den letzten publizierten Daten für 2008 einen Anteil
sämtlicher Checks an den gesamten Zahlungstransaktionen in der Schweiz von 0,082% aus,
wobei dies immerhin ca. 1,0 Mio. Transaktionen entspricht. Die rückläufige Tendenz zeigt
sich aber eindeutig im Vergleich zu den Daten von 2003, mit ca. 3,5 Mio. Transaktionen
und einem Anteil von ca. 0,37%. Die gleiche Entwicklung zeigt sich auch bei den
übertragenen Vermögenswerten: Dies waren 2008 CHF 2,5 Mrd., entsprechend 0,058% aller
Transaktionswerte, während die Statistiken 2003 noch CHF 10,0 Mrd., d.h. 0,27%
auswiesen.1081
1077 BÜLOW, Einführung SchG N 1. 1078 WIDMER, BSK, Art. Vor Art. 1100-1144 OR N 3. 1079 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Einl SchG N 35, 36; BÜLOW, Einführung SchG N 7. 1080 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Einl SchG N 7. 1081 BANK FOR INTERNATIONAL SETTLEMENTS (BIS) (December 2009), S. 189 f.; BANK FOR INTERNATIONAL
SETTLEMENTS (BIS) (March 2009), S. 187 f.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
181
4. UMLAUFFÄHIGKEIT
Der Check ist wie der Wechsel ein gesetzliches Ordrepapier, d.h. er kann mittels
Indossament und Übergabe des Papiers übertragen werden. Aufgrund der gesetzlichen
Beschränkungen bezüglich der Nutzung des Checks zur Kreditbeschaffung ist dessen
Gebrauch als Umlaufpapier aber selten. Am wichtigsten ist in diesem Zusammenhang die
Übertragung des Checks zwecks Inkasso der verbrieften Forderung durch einen Dritten.1082
5. ZAHLUNG
Im Checkvertrag zwischen dem Aussteller und seiner Bank ist geregelt, unter
welchen Bedingungen der Austeller als Kunde berechtigt ist Checks auszustellen, d.h.
Checks auf die Bank zu ziehen und diese damit zur Zahlung anzuweisen. Außerdem
bestimmt der Vertrag, unter welchen Bedingungen die Bank verpflichtet ist die Anweisung
auszuführen. Die Bank ist aufgrund des Checks ermächtigt, aus ihrem eigenen Vermögen,
aber mit Wirkung für den Aussteller (zu Lasten seines Kontos), an den Inhaber des Checks
zu leisten.1083 Der Inhaber wird dadurch begünstigt, erlangt aber kein Forderungsrecht gegen
die Bank selber. Hingegen erlangt er einen Rückgriffsanspruch gegen den Aussteller und
allfällige Indossanten oder Checkbürgen, falls die Bank die Zahlung verweigert und die
Weigerung durch verurkundete Erklärung der Bank oder ordnungsgemäßen Protest
feststeht.1084
B DIE ZINSBESTIMMUNGEN
1. ZINSVERSPRECHEN
Wie im Wechselrecht ist auch im Checkrecht das Nehmen von Zinsen gesetzlich
beschränkt. Dies allerdings mit dem Unterschied, dass das Verbot der Zinsabrede beim
Check, der einzig auf Sicht fällig werden kann, absolut und ohne Ausnahme gilt. Art. 1106
OR bestimmt, dass ein in die Checkurkunde aufgenommener Zinsvermerk als nicht
geschrieben, d.h. ungültig anzusehen ist. Die Gültigkeit des Checks wird von dieser
Rechtsfolge nicht berührt.1085 Das Verbot der Zinsabrede macht Checks als Kreditmittel
unattraktiv, weil der Checknehmer keinen Zins für die bei Ausstellung unbestimmte
Laufzeit bis zur Einlösung bei Sicht nehmen kann, sondern sich höchstens mit einem
pauschalen zum Ausstellungszeitpunkt in die Checksumme einbezogenen Zins begnügen
1082 WIDMER, BSK, Vor Art. 1100-1144 OR N 3. 1083 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Einl SchG N 10; WIDMER, BSK, Vor Art. 1100-1144 OR N 2. 1084 WIDMER, BSK, Vor Art. 1100-1144 OR N 2. 1085 WIDMER, BSK, Art. 1106 OR N 3; BÜLOW, Art. 7 SchG N 1.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
182
muss.1086 Eine Zinsvereinbarung würde aber auch die einfache Umlauffähigkeit und damit
die Zahlungsfunktion behindern, wenn beim Inkasso nicht nur die verbriefte Wechselsumme
einzufordern wäre, sondern auch die aufgelaufenen Zinsen vom Tag der Ausstellung bis zur
Vorlage berechnet werden müssten.1087 Zuletzt ist der Inhaber des Checks durch den
gesetzlichen Ausschluss von Zinsen eher daran interessiert den Check schnell vorzulegen
und einzulösen, weil er für andere Anlageformen Zinsen beziehen kann.1088 Der Check soll
eben primär Zahlungsmittel und nicht Kredit- oder Anlageform sein.
2. REGRESSZINS
a. RÜCKGRIFF DES INHABERS
Der Rückgriff des Checkinhabers in Art. 1130 OR entspricht weitgehend der
korrespondierenden Vorschrift im Wechselrecht (Art. 1045 Abs. 1 OR). Bezüglich der
Zusammensetzung der Regressforderung ergeben sich lediglich kleinere Unterschiede. Der
Anspruch des Inhabers umfasst die unverzinste Checksumme (Ziff. 1), Zinsen auf der
Checksumme von 6% p.a. ab dem Tag der tatsächlichen Vorlage (Ziff. 2)1089, Kosten und
Auslagen (Ziff. 3) sowie eine Provision von maximal 1/3% der Checksumme (Ziff. 4). Im
Fall einer teilweisen Einlösung kommt nur der offen gebliebene Teil der Checksumme als
Rückgriffsbetrag in Betracht. Eine Bestimmung zum Abzug von Zwischenzinsen gibt es
nicht, da beim Check, der auf Sicht fällig wird, per definitionem keine Einlösung vor Verfall
möglich ist.1090
b. RÜCKGRIFF DES EINLÖSERS
Der Regress des Einlösers eines Checks richtet sich aufgrund des expliziten
Verweises von Art. 1143 Abs. 1 Ziff. 13 OR nach den entsprechenden wechselrechtlichen
Bestimmungen der Art. 1046 f. OR, so dass vollumfänglich auf die zuvor gemachten
Ausführungen1091 verwiesen werden kann.1092
C EXKURS: AUSFALLSTRAFE BEI MANGELNDER DECKUNG
Eine spezielle Bestimmung enthält Art. 1103 OR im Zusammenhang mit dem
checkrechtlichen Deckungserfordernis. Gemäß Abs. 1 ist es dem Aussteller nur gestattet
einen Check auszustellen, wenn er bei der bezogenen Bank über ein entsprechendes
1086 TC VS v. 28.02.1974, ZWR 1974 S. 9 E. 3; WIDMER, BSK, Art. 1106 OR N 1. 1087 WIDMER, BSK, Art. 1106 OR N 2. 1088 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 7 SchG N 1; BÜLOW, Art. 7 SchG N 1. 1089 BÜLOW, Art. 45 SchG N 4. 1090 BÜLOW, Art. 45 SchG N 3. 1091 Siehe § 15 I B 2 b. 1092 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 282; BAUER, BSK, Art. 1130 OR N 2.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
183
Guthaben verfügt. Verstößt der Aussteller gegen diese Voraussetzung ganz oder teilweise
und verweigert die Bezogene die Auszahlung der Checksumme im entsprechenden Umfang,
so beeinträchtigt dies ausdrücklich nicht die Gültigkeit des Checks (Abs. 1 Satz 2).
Hingegen wird der Aussteller gegenüber dem Inhaber haftpflichtig (Abs. 3). Er muss ihm
den gesamten verursachten Schaden ersetzten, zuzüglich einer pauschalen Entschädigung
von 5% des ungedeckten Betrages, unabhängig von der Dauer des Verzugs.1093 Die
Berechnung erfolgt zwar auf dem ungedeckten Betrag, aber nicht pro rata temporis, sondern
es ist eine einmalige effektive Quote von 5% geschuldet.1094 Daher ist diese Entschädigung
kein Zins im rechtlichen Sinn.1095 WIDMER1096 bezeichnet diese Vergütung als Privatstrafe,
OTTIKER als Buße.1097 Sie ist zudem unabhängig vom Verschulden des Ausstellers und
kumulativ zu den Regresszahlungen geschuldet.1098
III. BEMERKUNGEN
Die Zinsbestimmungen zu Wechsel und Check im OR fallen durch zwei
Besonderheiten auf. Einerseits bestimmt das Gesetz für den Regressfall in Art. 1045 f. OR
und Art. 1130 OR jeweils einen Zinssatz von 6% p.a., während im übrigen OR regelmäßig
ein Zinssatz von 5% p.a. angewendet wird. Andererseits gilt das an anderen Stellen im OR
vorgesehene Verbot von Zinseszinsen nicht für die Regresszinsen, die gemäß Art. 1045 Abs.
1 Ziff. 1 OR auf der Wechselsumme inkl. bedungener Zinsen berechnet werden. Diese
besonderen Regelungen sind dadurch begründet, dass das Wechsel- und Checkrecht durch
die Umsetzung der beiden internationalen Abkommen über das Einheitliche
Wechselgesetz1099 von 1930 und das Einheitliche Checkgesetz1100 von 1931 ins
schweizerische Recht eingeführt wurden. Die entsprechenden Bestimmungen und die
Zinssätze von 6% p.a. wurden beinahe wörtlich aus Art. 48 f. der Anlage I zum
Einheitlichen Wechselgesetz und Art. 45 der Anlage I zum Einheitlichen Checkgesetz
übernommen. Auch der Verweis auf den Diskontsatz der Nationalbank in Art. 1045 Abs. 2
OR hat seine Grundlage in Art. 48 Abs. 2 der Anlage I zum Einheitlichen Wechselgesetz.
Eine Veränderung des gesetzlichen Regresszinssatzes von 6% p.a. oder des Verweises auf
den Diskontsatz der SNB ist daher nur im Einklang mit den beiden internationalen
Abkommen möglich und kommt nur in Betracht, sofern und soweit die Abkommen dies
zulassen.
1093 OTTIKER, S. 5; V. THUR/PETER, § 10 S. 70. 1094 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 282; ZIMMERMANN, Art. 1103 OR N 18. 1095 WEBER, BK, Art. 73 OR N 35; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 22; a.A: GUHL/KOLLER, § 11 N 17 a.E (Strafzins). 1096 WIDMER, BSK, Art. 1103 OR N 5; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, § 37 S. 282; ZIMMERMANN, Art. 1103 OR N 19 1097 OTTIKER, S. 5. 1098 BAUER, BSK, Art. 1130 OR N 3; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 282; ZIMMERMANN, Art. 1103 OR N 19. 1099 Abkommen vom 7. Juni 1930 über das Einheitliche Wechselgesetz, SR 0.221.554.1. 1100 Abkommen vom 19. März 1931 über das Einheitliche Checkgesetz, SR 0.221.555.1.
§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________
184
IV. ZUSAMMENFASSUNG
Die Vereinbarung von Zinsen ist im Wechselrecht grundsätzlich unzulässig. Ein
Zinsvermerk auf dem Wechsel wird als nicht geschrieben angesehen, führt hingegen nicht
zu Nichtigkeit des Wechsels. Das Zinsverbot kennt allerdings Ausnahmen für Wechsel die
auf Sicht oder auf nach Sicht lauten, wobei in diesen Fällen der Zinssatz in der Urkunde
selbst vermerkt sein muss; unklare Zinsvermerke gelten wiederum als nicht geschrieben.
Wird dem Inhaber vom Akzeptanten die Zahlung oder vom Bezogenen das Akzept
verweigert, so hat der Wechselinhaber eine Regressforderung gegen den Aussteller und alle
Indossanten. Die Regressforderung beinhaltet u.a. einen Anspruch auf Verzinsung der
Wechselsumme in Höhe von 6% p.a. seit dem Verfall. Für den Anspruch auf Zinsen,
Kostenersatz und Provision ist keine verzugsbegründende Mahnung erforderlich und
weiterer Schadenersatz wie im Verzugsrecht ist ausgeschlossen. Der gleiche Zinssatz von
6% p.a. gilt zudem auch im Regress des Einlösers der selbst in Regress genommen wurde.
Die Verzinsung der Wechselsumme im Regress erfolgt inklusive allfälliger vertraglicher
Zinsen, so dass das Gesetz im Wechselregress ausdrücklich Zinseszinsen gestattet.
Nimmt der Wechselinhaber bereits vor dem Verfall Rückgriff, so ist die
Regressforderung zu diskontieren. Der maßgebliche Zinssatz wird vom Gesetz flexibel
bestimmt durch einen Verweis auf den Diskontsatz der Schweizerischen Nationalbank am
Tag des Rückgriffs. Da dieser Zinssatz von der SNB zuletzt am 30.12.1999 festgesetzt und
publiziert wurde, ist für die Zukunft unklar, welcher Zinssatz im Regress anzuwenden ist.
Eine Revision der Bestimmung ist daher notwendig, aber nur im Einklang mit dem
internationalen Abkommen über das Einheitliche Wechselrecht möglich.
Wie im Wechselrecht ist auch im Checkrecht die Vereinbarung von Zinsen nicht
gestattet. Dies gilt beim Check hingegen ohne Ausnahme, da dieser kein Kreditmittel sein
soll, sondern ausschließlich für den Zahlungsverkehr konstruiert wurde. Ein Zinsvermerk
gilt wiederum als nicht geschrieben und die Gültigkeit des Checks wird dadurch nicht
beeinträchtigt. Der Rückgriff des Checkinhabers richtet sich nach den korrespondierenden
Bestimmungen im Wechselrecht mit einem Regresszinssatz in Höhe von 6% p.a.
§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________
185
TEIL IV: ERGEBNIS UND VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER
ZINSBESTIMMUNGEN IM OR
§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG
I. VORBEMERKUNGEN
In diesem vierten Teil der vorliegenden Arbeit sollen zunächst die wichtigsten
Ergebnisse aus den vorangegangenen Kapiteln in Bezug auf die Eigenschaften von Zinsen im
rechtlichen Sinn und die Höhe der Zinssätze im schweizerischen Obligationenrecht dargestellt
werden. Aufbauend auf diesen Ergebnissen sowie dem erkannten Revisionsbedarf und -
potential im geltenden Recht soll anschließend ein Vorschlag für eine Revision verschiedener
Zinsbestimmungen vorgestellt werden, unter Berücksichtigung einer rechtsvergleichenden
Betrachtung ausgewählter Zinsbestimmungen im ausländischen Recht und in internationalen
Soft Law Kodifikationen.
II. DER ZINS IM ALLGEMEINEN
Der Zins im schweizerischen Privatrecht ist „die Vergütung, die ein Gläubiger für die
Entbehrung einer ihm geschuldeten Geldsumme zu fordern hat, sofern diese Vergütung sich
nach der Höhe der geschuldeten Summe und der Dauer der Schuld bestimmt“1101. Die
Pflicht zur Verzinsung einer Schuld bestimmt sich im Obligationenrecht primär nach einer
Vereinbarung der Parteien. Nur in bestimmten Fällen in denen davon ausgegangen werden
kann, dass der Gläubiger durch die freiwillige oder unfreiwillige Entbehrung seines Kapitals
einen wirtschaftlichen Nachteil erleidet, ordnet das Gesetz eine dispositive Verzinsungs-
pflicht zum Ausgleich des Nutzungsausfalls des Gläubigers an. In wenigen Ausnahmefällen
wird die Vereinbarung von Zinsen hingegen durch das Gesetz verboten.
III. DIE HÖHE DER ZINSSÄTZE
Die Höhe der anwendbaren Zinssätze wird ebenfalls in erster Linie durch die
beteiligten Parteien bestimmt. Dies gilt nicht nur für vertraglich vereinbarte Zinsen, sondern
grundsätzlich auch für gesetzliche Zinsen. Gemäß dem Grundsatz der Vertragsfreiheit steht
es den Parteien nicht nur offen für die Überlassung einer Geldsumme eine Vergütung zu
vereinbaren, sondern auch deren Konditionen festzulegen. Bei der Festlegung des Zinssatzes
berücksichtigen die Parteien regelmäßig verschiedene Faktoren, wie das allgemeine
Zinsniveau, die Entwicklung der Inflationsrate, das Gegenparteirisiko oder allfällige
1101 BGer v. 21.11.1990, BJM 1994 S. 37.
§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________
186
Personal- und Realsicherheiten. Der vereinbarte Zinssatz muss nicht über die gesamte
Laufzeit der Kapitalüberlassung konstant bleiben oder von Beginn an genau bestimmt sein,
sondern er kann variabel ausgestaltet oder an die Entwicklung einer Referenzgröße
gekoppelt werden. Allerdings muss sich jede Zinsvereinbarung in den Grenzen der
Rechtsordnung bewegen, um gültig zu sein. Ein sehr hoher Zinssatz kann beispielsweise die
zivilrechtlichen Tatbestände der Sittenwidrigkeit und der Übervorteilung sowie den
strafrechtlichen Tatbestand des Wuchers erfüllen. Zudem kann eine Zinsvereinbarung im
Kanton Zürich gegen den gesetzlichen Höchstzinssatz von 18% p.a. verstoßen. Ein
allgemeiner Maximalzinssatz für die ganze Schweiz existiert nicht, sondern jede
Zinsvereinbarung muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auf ihre
Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht überprüft werden. Ein Richtwert für einen
überhöhten Zins dürfte bei einem Jahreszinssatz von ca. 18-20% liegen, wobei im Einzelfall
der Nachweis von Tatsachen möglich ist, die einen höheren Zinssatz rechtfertigen können,
z.B. schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Borgers oder eine hohe Inflationsrate. Auch
das allgemeine Zinsniveau auf den Geld- und Kapitalmärkten für die betroffene Währung
muss m.E. in die Betrachtung der Zulässigkeit einer Zinsvereinbarung einbezogen werden.
Falls die Parteien keine Vereinbarung über den anwendbaren Zinssatz getroffen haben
oder dieser nicht nachweisbar ist, kommen die gesetzlichen Zinsbestimmungen zur
Anwendung, die entweder auf den ortsüblichen Zinssatz verweisen oder dispositive
Zinssätze vorgeben. Solche dispositiven Zinssätze bestimmt das Gesetz allerdings lediglich
für den Verzug, für die Einlageverzinsung in der Kollektivgesellschaft und für den Check-
bzw. Wechselregress. Im Verzug unter Kaufleuten, im Genossenschaftsrecht und an anderer
Stelle im Wechselrecht verweist das Gesetz zudem auf unterschiedliche Marktzinssätze als
Referenzobjekte für die Bestimmung des anwendbaren Zinssatzes.
IV. DER ÜBLICHE ZINSSATZ IM DARLEHENSRECHT
Keinen dispositiven Zinssatz bestimmt das Gesetz insbesondere für den Darlehens-
vertrag, der wahrscheinlich die praktisch wichtigste rechtliche Grundlage für die
vertragliche Vereinbarung von Zinsen ist. Stattdessen wird jener Zinssatz als anwendbar
vermutet, der zur Zeit und am Ort des Darlehensempfangs für die betreffende Art von
Darlehen üblich war. In der Rechtsprechung kommt dieser übliche Zinssatz allerdings nicht
erkennbar zur Anwendung, sondern es wird stattdessen lediglich der allgemeine subsidiäre
Zinssatz angewendet. Dabei könnte m.E. gerade im Darlehensrecht ein üblicher Zinssatz aus
den Gepflogenheiten in der gewerblichen Kreditvergabe abgeleitet werden, der sich aus
einem Referenzzinssatz für die Refinanzierungskosten des Darleihers sowie einer Marge für
das von ihm zu tragende Gegenparteirisiko, seine Kosten und einen anteiligen Gewinn
zusammensetzen würde. Die Höhe der Marge wäre für jedes Darlehen anhand seiner
§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________
187
individuellen Eigenschaften und unter Berücksichtigung der Praxis in der gewerblichen
Kreditvergabe zu bestimmen. Durch die Anwendung dieser Methode würde die
Bestimmung des Zinssatzes dem üblichen Vorgehen in der Kreditwirtschaft entsprechen und
es würde ein üblicher Zinssatz für die betreffende Art von Darlehen resultieren. Allerdings
müsste der Gläubiger vor Gericht einerseits die Üblichkeit der Methode sowie andererseits
die Höhe des angewendeten Referenzzinssatzes und der angesetzten Marge hinreichend
nachweisen. Alternativ könnte als Referenzobjekt für den üblichen Darlehenszinssatz auch
der ortsübliche Kontokorrentzinssatz der Geschäftsbanken im Kundenverkehr herangezogen
werden, wobei wiederum der Gläubiger den Nachweis erbringen müsste, dass dieser
Zinssatz auch für das betroffene Darlehen als üblich anzusehen sei. Durch den Nachweis
eines üblichen Zinssatzes in dieser Form könnte der Darleiher bereits de lege lata einen in
der Höhe angemessenen und marktkonformen Zinssatz für sein Darlehen erhalten, anstelle
der gesetzlichen 5% p.a., die allenfalls in einer Phase allgemein tiefer Zinsen eine
wirtschaftlich angemessene Vergütung darstellen. Im Gegenzug würde auch der Borger
jederzeit eine marktgerechte Vergütung schulden.
V. DIE ANWENDUNG DER SUBSIDIÄREN ZINSBESTIMMUNGEN
A IM ALLGEMEINEN
Für die Anwendung der übrigen Zinsbestimmungen, die lediglich die Verzinsungs-
pflicht anordnen, aber die Festsetzung des Zinssatzes bei Fehlen einer Vereinbarung den
Gerichten überlassen, greifen Lehre und Rechtsprechung, wie gezeigt, regelmäßig auf die
allgemeine subsidiäre Zinsbestimmung in Art. 73 Abs. 1 OR oder in gewissen Fällen auf die
allgemeine Verzugsregel in Art. 104 Abs. 1 OR zurück. Dies gilt auch für den Schadenszins,
der im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist.
Sofern die Parteien keine Zinsvereinbarung getroffen haben, wird ausschließlich der
von diesen Bestimmungen vorgegebene Zinssatz von 5% p.a. angewendet. Eine
Abweichung von diesem Zinssatz ist unter Art. 73 Abs. 1 OR nur durch den Nachweis eines
üblichen Zinssatzes möglich. Der tatsächliche Nachweis dieses üblichen Zinssatzes wird
aber meistens daran scheitern, dass entweder keine Übung für das betroffene Geschäft
bestimmbar ist oder die Kosten des Nachweises den potentiellen Ertrag übersteigen. Außer
im Darlehensrecht kann m.E. auch nicht ohne Weiteres an den üblichen Zinssatz im
Kontokorrentverkehr angeknüpft werden.
Kommt mangels einer Parteivereinbarung Art. 104 Abs. 1 OR analog zur
Anwendung, dann kann von dem dispositiven Zinssatz von 5% p.a. lediglich im
kaufmännischen Verkehr und nur durch den schwierigen Nachweis des üblichen
Bankdiskontos abgewichen werden. In jedem Fall bleibt dem Verzugsgläubiger allerdings
§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________
188
im bürgerlichen und im kaufmännischen Verkehr immer der Nachweis des verschuldens-
abhängigen weiteren Schadens gemäß Art. 106 OR vorbehalten.
Die Anwendung der dargestellten Zinssätze von 5% p.a. erfolgt ohne Unterschiede
sowohl im bürgerlichen als auch im kaufmännischen Verkehr und ohne Berücksichtigung
der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus. Die Angemessenheit der Höhe dieses
Zinssatzes und die fehlende Flexibilität bei seiner Bestimmung wird in der Lehre und der
Rechtsprechung kaum thematisiert, ebenso wie die fragwürdige Anwendung gleichhoher
Zinssätze im bürgerlichen und im kaufmännischen Verkehr, obwohl eine flexible
Anknüpfung und differenzierte Behandlung m.E. angebracht wäre.
B IM BÜRGERLICHEN VERKEHR
Im bürgerlichen Verkehr hat die derzeitige gesetzliche Regelung m.E. den Vorteil,
dass sie leicht verständlich und auch für den Laien einfach anwendbar ist. Zudem kann es im
bürgerlichen Verkehr nicht als üblich angesehen oder vermutet werden, dass der Gläubiger
das dem Schuldner freiwillig oder unfreiwillig überlassene Kapital ertragbringend genutzt
hätte oder sich selbst kurzfristig bei Dritten refinanzieren musste. Vor diesem Hintergrund
ist die Höhe der durch den gesetzlichen Zinssatz gewährten pauschalen Entschädigung von
5% p.a. angemessen, da der nicht-kaufmännische Gläubiger unter normalen Bedingungen
kurzfristig keinen höheren Ertrag mit seinem Kapital hätte realisieren können und ihm daher
regelmäßig kein größerer Nutzungsausfall entstanden ist. Zudem könnte die Anwendung
eines wesentlich höheren Zinssatzes im bürgerlichen Verkehr tendenziell zu negativen
gesamtwirtschaftlichen Folgen durch einen unerwünschten Anstieg der Verschuldung
privater Schuldner führen.
C IM KAUFMÄNNISCHEN VERKEHR
Im kaufmännischen Verkehr hingegen kompensiert der Zinssatz von 5% p.a. die mit
der freiwilligen oder unfreiwilligen Überlassung und Entbehrung von Kapital verbundenen
finanziellen Nachteile des Gläubigers nur unzureichend. Der starre subsidiäre Zinssatz und
ebenso der allgemeine Verzugszinssatz lassen keinen Raum für die Berücksichtigung der
tatsächlichen Finanzierungsbedingungen des Gläubigers, der Schwankungen des allgemeinen
Zinsniveaus oder des Gegenparteirisikos. Insbesondere in Phasen eines hohen Zinsniveaus
oder hoher Inflation ist ein Zinssatz von 5% p.a. für den Gläubiger eine zu geringe
Nutzungsausfallentschädigung, da er sich i.d.R. selbst zu höheren Konditionen refinanzieren
muss. Aber auch in Zeiten eines moderaten Zinsniveaus dürfte der Satz von 5% p.a. im
Geschäftsverkehr gerade einmal dem Marktniveau für einen Schuldner guter bis
durchschnittlicher Bonität entsprechen. Im Gegenzug wird der Schuldner durch diesen Zinssatz
regelmäßig bevorteilt, da er dem Gläubiger einen geringeren Zinssatz schuldet, als er für einen
§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________
189
kurzfristigen ungesicherten Kredit (z.B. Kontokorrentkredit) zu marktüblichen Konditionen
zahlen müsste, insbesondere wenn er nicht über beste Bonität verfügt. Besonders im Verzug im
kaufmännischen Verkehr werden durch die geltende Regelung sogar Anreize zum Missbrauch
geschaffen, wenn sich der Verzugsschuldner zum geringen Verzugszinssatz beim Gläubiger
finanzieren kann, anstatt bei einer Bank zu Marktkonditionen. Für den Gläubiger hingegen, der
sich vermutungsweise zu Marktbedingungen refinanzieren muss, kann sich der aus dem
geringen Verzugszinssatz resultierende finanzielle Nachteil auch zu einer Gefahr für seine
eigene Zahlungsfähigkeit entwickeln, insbesondere in Zeiten eines hohen Zinsniveaus oder
einer restriktiven Kreditvergabe der Geschäftsbanken.
Während der starre Zinssatz von 5% p.a. im bürgerlichen Verkehr somit noch als
angemessen und gerechtfertigt angesehen werden kann, ist er für die Anwendung im
kaufmännischen Verkehr zu gering, nicht marktgerecht und zu unflexibel.
VI. BESONDERE ZINSSÄTZE
Einen speziellen Zinssatz für den kaufmännischen Verkehr enthält, wie gezeigt,
derzeit nur das Verzugsrecht, mit der Möglichkeit zum Nachweis des ortsüblichen
Bankdiskontos. Die Anwendung dieses Zinssatzes scheitert in der Praxis aber regelmäßig
daran, dass dem Gläubiger der Nachweis des gemäß Bundesgericht anwendbaren
Privatdiskontsatzes der Geschäftsbanken misslingt, da die Banken diesen Zinssatz mangels
praktischer Bedeutung der Diskontierung von Wechseln im täglichen Geschäft kaum noch
tagesaktuell bestimmen, wie eine stichprobenweise Umfrage bei Zürcher Geschäftsbanken
gezeigt hat. Ohnehin stellt das Diskontgeschäft heute nicht mehr das angemessene
Referenzobjekt für den Verzugsschaden des Gläubigers dar, weil die kurzfristige
Refinanzierung im Geschäftsverkehr nicht mehr durch Wechsel, sondern i.d.R. über
Kontokorrentkredite oder kurzfristige Darlehen erfolgt. Allerdings hat das Bundesgericht,
wie erwähnt, die Anwendung des Kontokorrentzinssatzes im kaufmännischen Verzug
de lege lata abgelehnt.
Während eine solche Sonderordnung für den kaufmännischen Verkehr m.E.
grundsätzlich der richtige Ansatz ist und in andere Bereiche des Gesetzes übernommen
werden sollte, stellt der konkrete Verweis auf den heute nur noch schwer bestimmbaren und
nachweisbaren Privatdiskontsatz einen wesentlichen Mangel des geltenden Rechts dar, weil
die Bestimmung in dieser Form für den Gläubiger kaum noch durchsetzbar ist.
Auch an vereinzelten weiteren Stellen knüpft das Gesetz für die Bestimmung der
Zinssätze an die tatsächlichen Marktverhältnisse an, allerdings muss die Anwendung dieser
Bestimmungen in der Praxis ebenfalls an Beweisproblemen des Gläubigers scheitern, die
durch ungenau bezeichnete oder veraltete Referenzzinssätze entstehen. Dies gilt sowohl für
den Diskontsatz der Nationalbank im Wechselrecht als auch den landesüblichen Zinsfuss für
§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________
190
langfristige Darlehen ohne besondere Sicherheiten nach Art. 859 Abs. 3 OR. In diesem Sinn
ist insbesondere die Regelung im Wechselrecht unzureichend, da die SNB seit über zehn
Jahren keinen Diskontsatz mehr festlegt und der gesetzliche Verweis folglich ins Leere geht.
Aufgrund des Ursprungs des gesamten Check- und Wechselrechts in zwei internationalen
Abkommen kann eine Revision dieses Verweises nur im Einklang mit den zugrunde-
liegenden Abkommen erfolgen und soll daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit
unterbleiben. Dies gilt ebenso für die untypischen gesetzlichen Zinssätze in Höhe von 6%
p.a. im Check- und Wechselrecht. Die schlichte Anwendung eines anderen Zinssatzes als
des genannten Diskontsatzes würde nicht nur den internationalen Abkommen
widersprechen, sondern könnte auch dessen spezifische Funktion und Höhe nicht
sachgerecht ersetzen.
VII. BESCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN
Im Bereich der Beschränkungen von Zinsvereinbarungen weist das geltende Recht
m.E. keinen dringenden Revisionsbedarf auf. Insbesondere erscheint es sachgerecht, dass
das Obligationenrecht keinen allgemeingültigen Höchstzinssatz festsetzt. Einzig das Verbot
der vorgängigen Vereinbarung von Zinseszinsen sowie die Beschränkungen für
Verzugszinsen auf ausstehenden Zinsen und Verzugszinsen sind m.E. entbehrlich, da sie
einerseits durch ihre Ausnahmen das exponentielle Anwachsen einer Schuld nicht wirksam
verhindern können, andererseits jedoch bewirken, dass dem Gläubiger nicht sein gesamter
Nutzungsausfall ersetzt wird. Außerdem widersprechen beide Beschränkungen den üblichen
Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr, insbesondere im kommerziellen Kreditwesen, und
beschränken auch ökonomisch vorteilhafte und von den Parteien bewusst eingegangene
Zinsvereinbarungen, bei denen die Zahlung der Zinsen z.B. zur Liquiditätssteuerung
aufgeschoben werden soll. Insbesondere in Verhältnissen in denen eine Geldschuld unter
einem hohen Zinssatz lange ausstehend ist, können die kumulierten Zinsen die gleiche Höhe
wie die zugrundeliegende Hauptschuld erreichen, so dass dem Gläubiger ein wesentlicher
Wert an Zinseszinsen bzw. Verzugszinsen vorenthalten wird. Vor dem Hintergrund, dass der
Schutz des unerfahrenen Laien als Kreditnehmer im bürgerlichen Verkehr heute durch die
Vorschriften des KKG gewährleistet wird, sollten die Zinseszinsverbote im OR m.E.
aufgehoben werden, da sie im Geschäftsverkehr eher hinderlich sind, den entgangenen
Nutzen des Gläubigers an den Zinsen nicht berücksichtigen und zudem insbesondere im
Verzug zu den dargestellten Abgrenzungsproblemen zwischen zu verzinsendem Kapital und
nicht zu verzinsenden Zinsen führen.
§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________
191
VIII. AUSBLICK
Die dargestellte Ordnung der geltenden Zinsbestimmungen im Obligationenrecht und
die teilweise restriktive Rechtsprechung haben dazu geführt, dass im bürgerlichen und im
kaufmännischen Verkehr heute beinahe ausschließlich der dispositive bzw. subsidiäre
Zinssatz von 5% p.a. angewendet wird, weil es für den Gläubiger entweder nicht möglich ist
einen höheren vom Gesetz vorgesehenen Zinssatz nachzuweisen oder der Aufwand für
dessen Nachweis und Durchsetzung zu groß erscheint. Abgesehen von der dargestellten
Möglichkeit im Darlehensrecht bereits de lege lata einen üblichen Zinssatz anhand der
Übung im kommerziellen Kreditgeschäft zu fordern, können die notwendigen Änderungen
m.E. nur durch eine teilweise Revision der Zinsbestimmungen im OR vorgenommen
werden, insbesondere vor dem Hintergrund der Weigerung des Bundesgerichts im
kaufmännischen Verzug den Kontokorrentzinssatz anstelle des Privatdiskontsatzes als
Referenzwert für marktübliche Finanzierungskonditionen anzuwenden.
Zu diesem Zweck soll im übernächsten Abschnitt eine neue Regelung zur
Bestimmung der gesetzlichen Zinssätze im Obligationenrecht skizziert werden, welche auch
ohne eine bestehende Parteivereinbarung die Anwendung wirtschaftlich angemessener
Zinssätze gestattet, eine Differenzierung zwischen dem bürgerlichen und dem
kaufmännischen Verkehr ermöglicht und die Anreize zum Missbrauch der geringen
dispositiven Zinssätze reduziert. Für die Anwendung der speziellen Zinsbestimmungen für
den kaufmännischen Verkehr soll im Rahmen des Revisionsvorschlags grundsätzlich darauf
abgestellt werden, ob materiell ein kaufmännisches Geschäft vorliegt, d.h. ein Geschäft das
zum Handelsverkehr gerechnet werden kann (objektiv kaufmännischer Verkehr), so dass in
Bezug auf Art. 104 Abs. 3 OR ausdrücklich der Begriff der Kaufleute durch jenen des
kaufmännischen Verkehrs ersetzt und die derzeitige Auslegung der Bestimmung durch die
herrschende Lehre und Rechtsprechung ins Gesetz übernommen wird.1102
1102 Siehe § 6 II D 3 a.
192
§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________
193
§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN
I. VORENTWURF ZU EINER REVISION DES VERZUGSZINSES
Der Bundesrat hat am 18. August 2010 einen Vorentwurf für eine Teilrevision des
Obligationenrechts in die Vernehmlassung geschickt.1103 Diese bezweckt eine Erhöhung des
gesetzlichen Verzugszinses im kaufmännischen Verkehr durch eine Änderung von Art. 104
OR. Der im kaufmännischen Verkehr anwendbare Zinssatz soll auf einen starren Satz von
10% p.a. festgelegt werden (Art. 104 Abs. 2 VE-OR). Die Möglichkeit zum Nachweis eines
höheren Privatdiskontsatzes soll hingegen ersatzlos aufgehoben werden, da es sich beim
üblichen Bankdiskonto „nicht um eine objektiv feststellbare Bezugsgröße“ handele und die
Bestimmung „deshalb in der Praxis toter Buchstabe geblieben“ sei.1104
Die Erhöhung des pauschalen Verzugszinssatzes hat das Ziel zu einer Verbesserung
der Zahlungsmoral im kaufmännischen Verkehr beizutragen und zu verhindern, dass sich
Schuldner bei ihren Gläubigern zu günstigeren Konditionen Liquidität verschaffen können
als bei kommerziellen Kreditgebern. Der Verzugszins soll daher über den reinen
Schadensausgleich hinaus auch eine präventive Funktion erfüllen und beim Schuldner
Anreize schaffen seine Geldschulden schneller zu erfüllen. Zu diesem Zweck reiche ein
Zinssatz von 5% p.a. nicht aus, sondern dieser müsse so hoch angesetzt werden, dass er den
üblichen Schaden des Gläubigers und den durch die Nichterfüllung erzielten Vorteil des
Schuldners übersteige.1105 Die Erhöhung soll aber bewusst auf den kaufmännischen Verkehr
beschränkt bleiben, da der Bundesrat von einer Erhöhung im bürgerlichen Verkehr nicht die
gleiche präventive Wirkung erwartet. Während im kaufmännischen Verkehr regelmäßig die
Beschaffung von Liquidität zu geringeren Sätzen möglich sei und daher ein Zinssatz von
10% p.a. eine gewisse abschreckende Wirkung habe, müsste der Verzugszinssatz im
bürgerlichen Verkehr noch weit höher angesetzt werden, um eine präventive Wirkung im
Vergleich z.B. zu Konsumentenkrediten zu entfalten. Außerdem beruhten Zahlungs-
rückstände im bürgerlichen Verkehr i.d.R. darauf, dass die Schuldner nicht die finanziellen
Mittel für die Bezahlung ihrer Schulden zur Verfügung hätten und nicht auf der Überlegung,
dass sie das Geld an anderer Stelle produktiver verwenden könnten. Daher sei eine
Erhöhung des Verzugszinses im bürgerlichen Verkehr sogar kontraproduktiv, da sie eher zu
einer Vergrößerung der Verschuldung privater Schuldner führen würde, als zu einer
Reduzierung des Zahlungsverzugs.1106 Die Einführung eines variablen Verzugszinses lehnt
1103 DER SCHWEIZERISCHE BUNDESRAT, Vorentwurf vom 18.08.2010; verfügbar unter: http://www.ejpd.admin.ch/
content/dam/data/wirtschaft/gesetzgebung/verzugszins/entw-d.pdf. 1104 BUNDESAMT FÜR JUSTIZ, Begleitbericht zum Vorentwurf, S. 6. 1105 BUNDESAMT FÜR JUSTIZ, Begleitbericht zum Vorentwurf, S. 12. 1106 BUNDESAMT FÜR JUSTIZ, Begleitbericht zum Vorentwurf, S. 13.
§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________
194
der Bundesrat nach einer vergleichenden Betrachtung der Rechtslage in den Nachbarländern
ab, da ein solcher lediglich zu erhöhter Komplexität bei der Berechnung und, insbesondere
für Laien, zu Unsicherheit über den tatsächlich anwendbaren Zinssatz führen würde.
Letztlich könnten die Gläubiger durch die aus einem flexiblen Zinssatz resultierende
Unsicherheit sogar von der Forderung von Verzugszinsen abgehalten werden. Aus Gründen
der Praktikabilität und zur Vermeidung unnötiger Komplexität wird daher ein starrer
Zinssatz von 10% p.a. ausschließlich für den kaufmännischen Verkehr vorgeschlagen.1107
II. DER VERZUGSZINS IN DER EUROPÄISCHEN UNION
In der Europäischen Union gilt seit dem Jahr 2000 aufgrund der Zahlungsverzugs-
Richtlinie1108 ein flexibler Verzugszins, der gemäß Art. 1 „für alle Zahlungen, die als Entgelt
im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden“ ist. Im Sinne der Richtlinie werden unter
dem Begriff Geschäftsverkehr gemäß Art. 2 Ziff. 1 alle „Geschäftsvorgänge zwischen
Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen“ verstanden, „die zu
einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen“.
Dabei gilt „jede im Rahmen ihrer unabhängigen wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit
handelnde Organisation“ als Unternehmen, „auch wenn die Tätigkeit von einer einzelnen
Person ausgeübt wird“. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. d der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten
einen Verzugszins im nationalen Recht einführen, der sich zusammensetzt aus dem Betrag
des Zinssatzes der Europäischen Zentralbank (EZB) an ihrer jüngsten Hauptrefinanzierungs-
operation (Bezugszinssatz) durchgeführt vor dem ersten Kalendertag des betreffenden
Halbjahres, zuzüglich eines festen Aufschlags von mindestens 7 Prozentpunkten;1109
vorbehalten bleiben abweichende vertragliche Vereinbarungen. In jenen Mitgliedstaaten
„die nicht an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmen“, d.h. die
nicht den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt haben, gilt als Bezugszinssatz der
entsprechende Zinssatz der nationalen Zentralbank. In beiden Fällen ist der Basiszinssatz
jeweils für die Dauer des betreffenden Halbjahres gültig.
1107 BUNDESAMT FÜR JUSTIZ, Begleitbericht zum Vorentwurf, S. 15. 1108 RICHTLINIE 2000/35/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung
von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. Nr. L 200 vom 08.08.2000, S. 0035-0038). 1109 WEBER, FS Bucher, S. 798.
§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________
195
III. DER BASISZINS UND VERZUGSZINS IN DEUTSCHLAND
Im deutschen Recht gilt aufgrund der EU-Richtlinie, gemäß § 288 Abs. 1 BGB,
grundsätzlich ein Verzugszinssatz von 5 Prozentpunkten pro Jahr über dem Basiszinssatz.
Sofern kein Verbraucher beteiligt ist, beträgt der Aufschlag gemäß Abs. 2 sogar 8 Prozent-
punkte, wobei der höhere Zinssatz einen „generalpräventiven Abschreckungscharakter“ im
kaufmännischen Verkehr haben soll.1110 Der Basiszinssatz ist in § 247 Abs. 1 BGB
festgelegt. Er liegt seit der letzten Anpassung am 1. Juli 2010 bei einem Satz von 0,12%1111
und verändert sich halbjährlich am 1. Januar und 1. Juli um jene Prozentpunkte, um die der
„Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor
dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs“ gestiegen oder gefallen ist; maßgeblich
ist der marginale Satz.1112 Der Basiszinssatz nach § 247 BGB entspricht damit nicht dem in
der Zahlungsverzugs-Richtlinie vorgegebenen Hauptrefinanzierungszinssatz der EZB, der
am letzten Anpassungstermin bei 1,0% stand, sondern liegt ca. einen Prozentpunkt tiefer.
Damit die Verzugsregelung dennoch der EU-Richtlinie entspricht, beträgt der Aufschlag
nach § 288 Abs. 2 BGB 8 Prozentpunkte, statt der von der Richtlinie als Minimum
vorgegebenen 7 Prozentpunkte.1113 Die Anpassung erfolgt hingegen nach den Vorgaben der
Richtlinie, d.h. aufgrund der Veränderung des EZB-Bezugszinssatzes und im halbjährlichen
Rhythmus. Abgesehen vom Verzugsrecht gilt der Basiszinssatz nach § 247 BGB auch für
grundpfandgesicherte Forderungen1114, im Zivilprozessrecht1115, im Scheck- und Wechsel-
recht1116 sowie im Verwaltungsverfahrensgesetz1117, allerdings mit unterschiedlichen
Aufschlägen.1118 Neben dem Basiszinssatz bestimmt § 246 BGB außerdem einen
allgemeinen subsidiären Zinssatz für jegliche nach Gesetz oder Rechtsgeschäft zu
verzinsenden Schulden in Höhe von 4% p.a. „sofern nichts anderes bestimmt ist“. Die
nachfolgenden Diagramme zeigen die Entwicklung des Basiszinses nach § 247 BGB und
der Verzugszinsen nach § 288 BGB seit ihrer Einführung im Jahr 2002.
1110 WEBER, FS Bucher, S. 798. 1111 DEUTSCHE BUNDESBANK, Ausgewählte Zinssätze, gefunden am 20.10.2010 unter: http://www.bundesbank.de/
info/info_zinssaetze.php. 1112 DEUTSCHE BUNDESBANK, Glossar (Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 247 BGB)). 1113 PALANDT/HEINRICHS, § 288 N 10. 1114 § 497 Abs. 1 Ziff. 2 BGB; Aufschlag 2½ %. 1115 § 104 Abs. 1 ZPO; Aufschlag 5%. 1116 § 45, 46 ScheckG und § 28, 48, 49 WechselG; Aufschlag 2%; mindestens aber 6% inkl. Basiszins. 1117 § 49a Abs. 3 VwVfG; Aufschlag 5%. 1118 PALANDT/HEINRICHS, § 247 N 4.
§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________
196
ABBILDUNG 17-I: ENTWICKLUNG DES BASISZINSSATZES NACH § 247 BGB VON 2002-20101119
ABBILDUNG 17-II: ENTWICKLUNG DER VERZUGSZINSSÄTZE NACH § 288 BGB VON 2002-2010
1119 QUELLE: DEUTSCHE BUNDESBANK, Ausgewählte Zinssätze, gefunden am 20.10.2010 unter: http://www.bundes-
bank.de/info/info_zinssaetze.php.
0,00%
0,50%
1,00%
1,50%
2,00%
2,50%
3,00%
3,50%
Jul.
02
Jan. 0
3
Jul.
03
Jan. 0
4
Jul.
04
Jan. 0
5
Jul.
05
Jan. 0
6
Jul.
06
Jan. 0
7
Jul.
07
Jan. 0
8
Jul.
08
Jan. 0
9
Jul.
09
Jan. 1
0
Jul.
10
BASISZINSSATZ NACH § 247 BGBJul. 2002 - Jul. 2010
0,00%
2,00%
4,00%
6,00%
8,00%
10,00%
12,00%
Jul.
02
Jan. 03
Jul.
03
Jan. 04
Jul.
04
Jan. 05
Jul.
05
Jan. 06
Jul.
06
Jan. 07
Jul.
07
Jan. 08
Jul.
08
Jan. 09
Jul.
09
Jan. 1
0
Jul.
10
VERZUGSZINSSÄTZE NACH § 288 BGBJul. 2002 - Jul. 2010
§ 288 I BGB § 288 II BGB
§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________
197
IV. UNIDROIT-PRINCIPLES
Die Principles for International Commercial Contracts bzw. UNIDROIT Grundregeln
der internationalen Handelsverträge1120 sind unverbindliche allgemeine Regeln für den
internationalen Handel, die vom International Institute for the Unification of Private Law
(UNIDROIT) erstellt wurden und zur Vereinheitlichung der allgemeinen Rechtsprinzipien
im bürgerlichen Recht und Handelsrecht beitragen sollen.1121 Die Regeln sind kein
staatliches Recht und nur dann anzuwenden, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart
haben. Außerdem können sie angewendet werden, wenn die Parteien die allgemeinen
Rechtsgrundsätze oder die Lex Mercatoria als maßgeblich erklärt haben.1122
In der Version von 2004 enthalten die UNIDROIT-Principles in Art. 7.4.9 und 7.4.10
zwei Bestimmungen über die Verzinsung. Dabei behandelt Art. 7.4.9 die Zinsen bei der
Nichtzahlung von Geld, d.h. den Verzugszins. Absatz 1 bestimmt allgemein, dass eine
benachteiligte Partei ein Recht auf Verzinsung vom Zeitpunkt der Fälligkeit bis zur
tatsächlichen Zahlung hat, wenn die andere Partei einen Geldbetrag nicht bei Fälligkeit
bezahlt. Dieses Recht auf Zinsen gilt unabhängig davon, ob die nichtzahlende Partei ein
Verschulden trifft oder nicht. Der anwendbare Zinssatz wird in Art. 7.4.9 Abs. 2 nicht
explizit festgelegt, sondern maßgeblich ist „der durchschnittliche Bankensatz für kurzfristige
Kredite an erstklassige Kreditnehmer, der für die Zahlungswährung am Zahlungsort gilt,
oder wenn es einen solchen Zinssatz dort nicht gibt, der gleiche Satz im Staat der
Zahlungswährung“. Dieser Zinssatz wurde gewählt, da er als am besten für die
Anforderungen des internationalen Handels geeignet erscheint. Er soll dem Gläubiger eine
adäquate Ersatzleistung gewähren, da es sich um jenen Satz handelt, zu dem er sich das
ausstehende Geld bei einer Bank leihen müsste.1123 Sofern es diesen Zinssatz an beiden
genannten Orten nicht gibt, gilt subsidiär der „angemessene Satz, den das Recht des Staates
der Zahlungswährung festlegt“. Nach Art. 7.4.9 Abs. 3 ist die benachteiligte Partei zudem
berechtigt, weiteren Schadenersatz zu verlangen, sofern sie einen größeren als den nach
Absatz 2 ersetzten Schaden nachweisen kann. Weiter bestimmt Art. 7.4.10, dass auch
„Zinsen auf Schadenersatz für die Nichterfüllung einer nicht auf Geld gerichteten Leistung
vom Zeitpunkt der Nichterfüllung an geschuldet“ sind. Ein spezieller anzuwendender
Zinssatz wird nicht bestimmt.
1120 UNIDROIT GRUNDREGELN DER INTERNATIONALEN HANDELSVERTRÄGE, der Text auf Deutsch ist verfügbar unter:
http://www.unidroit.org/english/principles/contracts/principles2004/translations/blackletter2004-german.pdf. 1121 INTERNATIONAL INSTITUTE FOR THE UNIFICATION OF PRIVATE LAW, Introduction, S. viii. 1122 Vgl. Präambel der UNIDROIT-Principles. 1123 INTERNATIONAL INSTITUTE FOR THE UNIFICATION OF PRIVATE LAW, Art. 7.4.9, S. 209.
§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________
198
V. DRAFT COMMON FRAME OF REFERENCE (DCFR)
Der Draft Common Frame of Reference (DCFR) bzw. der Gemeinsame Referenz-
rahmen für das Europäische Privatrecht „versteht sich als akademischer Vorschlag, der
allein den Prinzipien der Wissenschaft – und nicht der Politik – verpflichtet ist“1124. Dahinter
verbirgt sich ein großes Projekt, nämlich „nicht weniger als der Entwurf zentraler Stücke
eines Europäischen Zivilgesetzbuchs“1125. In der Outline Edition des DCFR von 20091126
enthalten die Art. III.-3:708 – III.-3:711 Bestimmungen über die Verzinsung im Verzug von
Geldforderungen. Nach Art. III.-3:708 Abs. 1 DCFR besteht ein verschuldensunabhängiger
Anspruch auf Verzugszinsen vom Tag der Fälligkeit der Forderung bis zum Zeitpunkt der
Zahlung. Der anwendbare Zinssatz ist im DCFR nicht starr festgelegt, sondern es wird
verwiesen auf die „average commercial bank short-term lending rate to prime borrowers
prevailing for the currency of payment at the place where payment is due“. Es gilt folglich
ein durchschnittlicher Zinssatz im Geschäft der Privatbanken mit Schuldnern bester Bonität,
d.h. der gleiche Zinssatz wie in den UNIDROIT-Principles.
Außerdem enthält Art. III.-3:710 DCFR eine spezielle Bestimmung für den
Zahlungsverzug in Verträgen im Geschäftsverkehr, mit einigen abweichenden Regelungen
im Vergleich zum allgemeinen Verzugszins. Dies ist einerseits die Möglichkeit des
Schuldners sich wegen eines Hinderungsgrunds außerhalb seines Einflussbereichs1127 zu
exkulpieren und andererseits der Vorbehalt eines höheren anwendbaren Zinssatzes im
Geschäftsverkehr. Letzterer wird in Art. III.-3:710 Abs. 4 DCFR bestimmt als „the interest
rate applied by the European Central Bank to its most recent main refinancing operation
carried out before the first calendar day of the half-year in question (the reference rate), plus
seven percentage points“. Für Zahlungen in der Währung eines Mitgliedstaates der nicht an
der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunions teilnimmt, gilt der entsprechende
Zinssatz der jeweiligen nationalen Zentralbank. Dieser Zinssatz für den Geschäftsverkehr
entspricht dem dargestellten Verzugszinssatz der Zahlungsverzugs-Richtlinie. Die
Geltendmachung weiteren Schadens bleibt im bürgerlichen Verkehr und Geschäftsverkehr
gemäß Art. III.-3:708 Abs. 2 bzw. Art. III.-3:710 Abs. 5 DCFR vorbehalten.
1124 EIDENMÜLLER/FAUST/GRIGOLEIT/JANSEN/WAGNER/ZIMMERMANN, JZ 2008, S. 529. 1125 EIDENMÜLLER/FAUST/GRIGOLEIT/JANSEN/WAGNER/ZIMMERMANN, JZ 2008, S. 529. 1126 DRAFT COMMON FRAME OF REFERENCE (DCFR) OUTLINE EDITION, der Text auf Englisch ist verfügbar unter:
http://webh01.ua.ac.be/storme/2009_02_DCFR_OutlineEdition.pdf. 1127 Vgl. Art. III.-3:104 DCFR: Excuse due to an impediment.
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
199
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN
I. ALLGEMEINES
Die vorangegangene rechtsvergleichende Betrachtung von Zinsbestimmungen im
europäischen und deutschen Recht sowie in zwei internationalen Soft Law Kodifikationen
allgemeiner Rechtsprinzipien hat gezeigt, dass heute innerhalb Europas, zumindest für den
Verzug, die flexible Anknüpfung von gesetzlichen Zinssätzen vorherrschend ist. Außerdem
werden regelmäßig unterschiedliche Regelungen für die Zinssätze im bürgerlichen und im
kaufmännischen Verkehr angewendet.1128 Von diesen flexiblen Regelungen kann aber m.E.
aufgrund der besseren objektiven Bestimmbarkeit und der einfachen Nachweisbarkeit des
Referenzobjektes nur die Anknüpfung an einen eindeutig definierten Zinssatz überzeugen,
wie an den Leitzins einer Zentralbank in der EU-Richtlinie oder im DCFR für den
Geschäftsverkehr. Die Anknüpfung an einen durchschnittlichen Zinssatz der Geschäfts-
banken für kurzfristige Kredite ist m.E. hingegen für einen allgemeinen gesetzlichen
Zinssatz oder einen Verzugszinssatz weniger geeignet, da in diesem Fall das Referenzobjekt
nicht eindeutig bestimmt ist und der anwendbare Zinssatz daher nur ungenau und mit
erheblichem Aufwand festgestellt und nachgewiesen werden kann. Zudem hat eine
Regelung mit einem flexiblen Basiszins und zusätzlichen Aufschlägen gegenüber einem
durchschnittlichen Zinssatz der Banken im Kundengeschäft den Vorteil, dass sehr einfach
unterschiedliche Zinssätze für verschiedene Zinsbestimmungen festgelegt werden können,
ohne dass auf mehrere Referenzzinssätze zurückgegriffen werden muss.
Aufbauend auf der eingehenden Darstellung des geltenden schweizerischen Rechts im
Bereich der Zinsen und der kurzen rechtsvergleichenden Betrachtung soll in diesem
Abschnitt ein Entwurf für eine Revision der Zinsbestimmungen im OR erarbeitet werden.
Diese soll über die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision des Verzugszinses hinausgehen
und bei den m.E. derzeit unzureichend oder unklar geregelten Vorschriften im Gesetz
ansetzen. Im Fokus des Entwurfs stehen einerseits die flexible Anknüpfung der Zinssätze an
das allgemeine Marktniveau sowie andererseits die durchgängige Unterscheidung zwischen
bürgerlichem und kaufmännischem Verkehr bei der Festlegung der anwendbaren Zinssätze.
Dabei konzentriert sich der Revisionsentwurf zunächst auf die praktisch wichtigsten
Zinsbestimmungen, namentlich den Verzugszins, den allgemeinen subsidiären Zins und den
Darlehenszins. Die übrigen Zinsbestimmungen und Zinssätze werden anschließend
entweder durch die analoge Anwendung der genannten Bestimmungen oder individuelle
Neuregelungen angepasst, um eine möglichst umfassende und konsistente Regelung der
Zinsbestimmungen aufstellen.
1128 Vgl. auch die Darstellung der Regelungen in Frankreich, Österreich und Italien bei WEBER, FS Bucher, S. 798 f.
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
200
II. DIFFERENZIERUNG DER ZINSBESTIMMUNGEN
Das geltende Recht unterscheidet nur in wenigen Bestimmungen zwischen den
anwendbaren Zinssätzen im bürgerlichen und im kaufmännischen Verkehr, obwohl diese
Unterscheidung es ermöglichen würde auf die Anforderungen beider Verkehrskreise
individuell einzugehen, anstatt einheitliche aber ungeeignete oder unzureichende
Vorschriften für alle Fälle vorzusehen. So könnten im Rahmen einer differenzierten
Regelung für den bürgerlichen Verkehr leicht verständliche und einfach anwendbare
Zinsbestimmungen vorgesehen werden, deren Zinssätze dem durchschnittlichen
Nutzungsausfall nicht-kaufmännischer Gläubiger entsprechen würden und sich ohne
wesentlichen Aufwand bestimmen ließen. Dadurch würde die Berechnung von Zinsen in
einfachen Verhältnissen auch für Personen möglich bleiben, die im Umgang mit Zinsen und
Geldforderungen nicht geübt sind. Die Zinsbestimmungen für den bürgerlichen Verkehr
sollten daher m.E. so ausgestaltet werden, dass sich auch ein Laie grundsätzlich über seine
Ansprüche und Verpflichtungen informieren und bewusst sein kann.
Für den kaufmännischen Verkehr hingegen könnten durch eine unterschiedliche
Behandlung mit speziellen Zinsbestimmungen detailliertere und komplexere Regeln
vorgesehen werden, deren Zinssätze marktgerecht und zudem hoch genug wären, um den
üblichen Nutzungsausfall im kaufmännischen Verkehr sowie allenfalls entstandene Kosten
und Auslagen des Gläubigers zu decken. Da im kaufmännischen Verkehr vermutet werden
kann, dass vorhandenes bzw. benötigtes Geldkapital üblicherweise entweder zinstragend
angelegt wird oder von Dritten gegen eine marktübliche Vergütung beschafft werden muss,
wäre es angemessen auch die gesetzlichen Zinssätze an die Entwicklung des allgemeinen
Zinsniveaus zu koppeln und damit flexibel auszugestalten, so dass der Gläubiger tatsächlich
ein marktübliches Entgelt für seine entbehrte Nutzung erhielte. Dabei kann im
kaufmännischen Verkehr davon ausgegangen werden, dass das Wissen und die Kapazitäten
vorhanden sind, um auch kompliziertere Zinsberechnungen zu verstehen und vorzunehmen.
Zudem sind im kaufmännischen Verkehr regelmäßig größere Hauptforderungen als im
bürgerlichen Verkehr betroffen, so dass der höhere Zinsbetrag auch einen allenfalls größeren
Aufwand für die Bestimmung des anwendbaren Zinssatzes und die Berechnung der
Zinsforderung rechtfertigen kann.
Nachfolgend sollen die wesentlichen Elemente einer neuen Regelung der
Zinsbestimmungen im OR mit unterschiedlichen Zinssätzen für den bürgerlichen und den
kaufmännischen Verkehr genauer betrachtet werden.
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
201
III. ELEMENTE EINER REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN
A BÜRGERLICHER VERKEHR
Für den bürgerlichen Verkehr ist es aus den genannten Gründen der
Verständlichkeit, Praktikabilität und Rechtssicherheit angemessen, die bestehenden
Zinsbestimmungen mit fest vorgegebenen dispositiven und subsidiären Zinssätzen
beizubehalten. Obwohl eine flexible Anknüpfung der Zinssätze auch im bürgerlichen
Verkehr die Anwendung marktgerechter Zinssätze ermöglichen würde, ist eine solche
Regelung m.E. dennoch ungeeignet, da sie für den ungeübten Laien die Bestimmung der
anwendbaren Zinssätze und die Berechnung der Zinsen erheblich erschweren würde.
Außerdem könnte eine flexible Verzinsung in Zeiten eines hohen Zinsniveaus zu einer nicht
vorhersehbaren, übermäßig ansteigenden Zinslast und einem unerwünschten Anstieg der
Verschuldung der nicht-kaufmännischen Schuldner führen sowie zu zunehmenden
Zahlungsausfällen für die Gläubiger, d.h. insbesondere die Banken.
Daher sollen im vorliegenden Entwurf für den bürgerlichen Verkehr weiterhin feste
Jahreszinssätze ohne unterjährige Anpassungen vorgesehen werden. Auch eine Erhöhung
der geltenden Zinshöhe von 5% p.a. ist m.E. nicht zwingend erforderlich, da dieser Satz
regelmäßig bereits die kurzfristig von einem nicht-kaufmännischen Gläubiger erzielbare
Rendite übersteigen dürfte und daher in den meisten Fällen einen weitgehenden Ersatz des
entstandenen Nutzungsausfalls bewirkt. Allenfalls wäre im Hinblick auf Zeiten mit einem
höheren allgemeinen Zinsniveau oder für eine stärkere Präventionswirkung, z.B. im Verzug,
eine Erhöhung der Zinssätze um 1-2 Prozentpunkte angemessen, wird aber im vorliegenden
Entwurf nicht berücksichtigt.
B KAUFMÄNNISCHER VERKEHR
Für den kaufmännischen Verkehr hingegen bezweckt der Entwurf die Einführung
einer wirtschaftlich angemessenen, gerechten und präventionsorientierten Regelung der
Zinsen. Diese soll insbesondere die Schwankungen des allgemeinen Zinsniveaus in
regelmäßigen Abständen in die gesetzlichen Zinssätze übernehmen und zudem generell zur
Anwendung höherer Zinssätze als bisher führen, um einerseits den vermutungsweise
größeren Nutzungsausfall des Gläubigers im kaufmännischen Verkehr angemessen zu
ersetzen und andererseits speziell im Verzugsrecht das pönale bzw. präventive Element der
Zinsen stärker zu gewichten.
Im Rahmen der vorgeschlagenen Revision werden die Zinsbestimmungen für die
Anwendung im kaufmännischen Verkehr daher flexibel ausgestaltet. Wie in der
Zahlungsverzugs-Richtlinie der EU wird dafür ein allgemeiner Basiszinssatz definiert,
dessen Höhe in regelmäßigen Abständen an die Veränderung eines Referenzzinssatzes
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
202
angepasst wird. Der letztlich anwendbare Zinssatz setzt sich aus dem Basiszinssatz und
einem zusätzlichen Aufschlag zusammen, der in der jeweiligen Anspruchsgrundlage für die
Verzinsung in Prozentpunkten festgelegt wird. Seine Höhe ist einerseits abhängig von den
Eigenschaften des gewählten Referenzzinses und andererseits von den Zielen, die der
Gesetzgeber mit der betroffenen Bestimmung verfolgt (z.B. Präventionsfunktion). Um die
Entstehung von Problemen beim Nachweis des Referenzzinssatzes wie in der geltenden
Verzugszinsregelung zu verhindern, muss das Referenzobjekt des Basiszinses ein eindeutig
bezeichneter, anerkannter, regelmäßig festgelegter und objektiv bestimmbarer Zinssatz sein,
der die Entwicklung des Zinsniveaus und die Erwartungen der Marktteilnehmer für die
jeweilige Währung wiederspiegelt. Der nach diesen Kriterien ausgewählte Referenzzins soll
zudem einheitlich für alle flexiblen Zinsbestimmungen im Gesetz angewendet werden.
Nachfolgend wird ein Vorschlag für die Wahl des Referenzzinses und die Ausgestaltung der
Aufschläge skizziert.
1. DER REFERENZZINS
Als Referenzzins soll im vorliegenden Entwurf der 3-Monats-LIBOR (London
Interbank Offered Rate1129) auf Schweizer Franken, d.h. der Zinssatz für drei Monate
laufende Geldmarktgeschäfte zwischen Geschäftsbanken, herangezogen werden. Der
LIBOR wird an jedem Arbeitstag um 11:00 Uhr Londoner Zeit von der British Bankers„
Association aus den Meldungen eines Panels von Referenzbanken für 10 Währungen1130 und
je 15 Laufzeiten1131 berechnet.1132 Das Panel für jede Währung umfasst zwischen 8 und 16
Banken, deren Auswahl den Stand des Marktes in dieser Währung wiederspiegeln soll und
jährlich überprüft wird. Es handelt sich um erstklassige in- und ausländische Banken am
Handelsplatz London, die aufgrund ihrer Marktaktivitäten, ihrer Reputation und ihrer
Kompetenz in der jeweiligen Währung ausgewählt werden.1133 Der LIBOR ist ein wichtiger
Referenzwert zu welchem durchschnittlichen Zinssatz eine führende Bank im
Interbankengeschäft einen ungesicherten Kredit für eine bestimmte Laufzeit in der
betroffenen Währung erhalten könnte und reflektiert somit die günstigsten Konditionen für
1129 “The rate at which an individual Contributor Panel bank could borrow funds, were it to do so by asking for and then
accepting inter-bank offers in reasonable market size, just prior to 11.00 London time”; BRITISH BANKERS„ ASSOCIATION
(BBA), Definitions, gefunden am: 20.10.2010 unter: http://www.bbalibor.com/bbalibor-explained/definitions. 1130 AUD (Australian Dollar), CAD (Canadian Dollar), CHF (Swiss Franc), DKK (Danish Krone), EUR (Euro),
GBP (Sterling), JPY (Japanese Yen), NZD (New Zealand Dollar), SEK (Swedisk Krona), USD (US Dollar). 1131 Overnight, 1Woche, 2 Wochen, 1 Monat - 12 Monate. 1132 BRITISH BANKERS„ ASSOCIATION (BBA), The Basics, gefunden am: 20.10.2010 unter: http://www.bbalibor.com/
bbalibor-explained/the-basics. 1133 BRITISH BANKERS„ ASSOCIATION (BBA), Panels, gefunden am: 20.10.2010 unter: http://www.bbalibor.com/
panels. seit Mai 2009 besteht das Panel für Schweizer Franken aus den folgenden Banken: Bank of Tokyo-
Mitsubishi UFJ Ltd, Barclays Bank plc, Citibank NA, Credit Suisse, Deutsche Bank AG, HSBC, JP Morgan
Chase, Lloyds Banking Group, Rabobank, Société Générale, The Royal Bank of Scotland Group, UBS AG.
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
203
ungesicherte Finanzierungen am Handelsplatz London.1134 Er setzt sich definitionsgemäß
nicht aus tatsächlich vereinbarten Zinssätzen zusammen, sondern ist ein theoretischer
Zinssatz für hypothetische Geschäfte zwischen international tätigen Geschäftsbanken mit
bester Bonität. Als solcher spiegelt er für die gegebene Währung und Laufzeit die
Schwankungen der Zinsen am Markt und die Erwartungen der Marktteilnehmer wieder,
ohne Verzerrungen durch individuelle Faktoren des Schuldners, wie z.B. die Bonität.
Als einer der wichtigsten Referenzwerte auf dem Geldmarkt dient speziell der 3-Monats-
LIBOR für Schweizer Franken zudem als wichtiger Indikator im geldpolitischen Konzept
der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Zur Umsetzung ihrer geldpolitischen Absichten
nimmt die SNB über den 3-Monats-LIBOR direkt und indirekt Einfluss auf den Geldmarkt
in Schweizer Franken. Einerseits legt sie ein Zielband für den 3-Monats-LIBOR fest,
welches üblicherweise eine Breite von einem Prozentpunkt hat, regelmäßig überprüft und,
falls notwendig, angepasst wird.1135 Das Ziel der SNB ist dabei, dass sich der 3-Monats-
LIBOR immer möglichst in der Mitte des festgelegten und bekanntgegebenen Zielbandes
bewegt. Andererseits nimmt die SNB soweit notwendig auch Offenmarktoperationen vor,
um den Stand der Zinsen auf dem Geldmarkt direkt zu beeinflussen.1136 Der 3-Monats-
LIBOR auf Schweizer Franken ist daher zum einen ein Marktzins, der die Verhältnisse auf
dem Geldmarkt in dieser Währung wiederspiegelt, zum anderen steht er unter der
Beobachtung der SNB, die durch gezielte Eingriffe in den Markt versucht, unerwünschte
Schwankungen oder Fehlentwicklungen auszugleichen. Aufgrund dieser Doppelrolle ist der
3-Monats-LIBOR m.E. sehr gut als Referenzobjekt für einen allgemeinen Basiszins im OR
geeignet, da sein Stand nicht wie ein Leitzins allein auf geldpolitischen Erwägungen einer
Zentralbank beruht, sondern sich primär aufgrund der Erwartungen und Einschätzungen
wichtiger Marktteilnehmer bildet. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen den Verlauf des
Referenzzinssatzes (3-Monats-LIBOR) seit 1989 und seit dem Jahr 2000 im Vergleich zum
SNB-Zielband.
Durch die Anordnung eines einfachen Verfahrens mit festen Verantwortlichkeiten
für die regelmäßige Feststellung des Standes des Referenzzinssatzes und die Anpassung des
Basiszinses kann zudem die öffentliche Bekanntmachung des gültigen Basiszinssatzes und
die jederzeitige Verfügbarkeit des historischen Verlaufs sichergestellt werden. Ein Entwurf
für dieses Verfahren soll in einem nachfolgenden Abschnitt ebenfalls kurz dargestellt
werden.1137
1134 BRITISH BANKERS„ ASSOCIATION (BBA), The Basiscs, gefunden am: 20.10.2010 unter: http://www.bbalibor.com/
bbalibor-explained/the-basics. 1135 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Geldpolitische Strategie, gefunden am 16.10.2010 unter:
http://www.snb.ch/de/iabout/monpol/id/ monpol_strat/14. 1136 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank (SNB) über das
geldpolitische Instrumentarium vom 25. März 2004 (Stand am 1. Januar 2010), S. 1. 1137 Siehe § 18 III C.
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
204
ABBILDUNG 18-I: ENTWICKLUNG DES 3-MONATS-LIBOR FÜR SCHWEIZER FRANKEN VON 1989-20101138
ABBILDUNG 18-II: Entwicklung DES 3-MONATS-LIBOR FÜR SCHWEIZER FRANKEN
UND DES SNB-ZIELBANDES VON 2000-20101139
1138 QUELLE: SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Zinssätze und Renditen - Historische Zeitreihen 4, Tabelle 2.1
M; SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Zinssätze und Devisenkurse Oktober 2010 - Geld- und Kapital-
marktsätze (Monatsende). 1139 QUELLE: SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Zinssätze und Renditen - Historische Zeitreihen 4, Tabelle 2.1
M, 1.3 A; SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Zielband der Schweizerischen Nationalbank, gefunden am
22.10.2010 unter: http://www.snb.ch/de/iabout/monpol/monstat/id/monpol_monstat_zielband.
0,00%
2,00%
4,00%
6,00%
8,00%
10,00%
12,00%
Jan.
89
Ok
t. 8
9
Jul.
90
Ap
r. 9
1
Jan.
92
Ok
t. 9
2
Jul.
93
Ap
r. 9
4
Jan.
95
Ok
t. 9
5
Jul.
96
Ap
r. 9
7
Jan.
98
Ok
t. 9
8
Jul.
99
Ap
r. 0
0
Jan.
01
Ok
t. 0
1
Jul.
02
Ap
r. 0
3
Jan.
04
Ok
t. 0
4
Jul.
05
Ap
r. 0
6
Jan.
07
Ok
t. 0
7
Jul.
08
Ap
r. 0
9
Jan.
10
3-MONATS-LIBOR FÜR SCHWEIZER FRANKEN
Jan. 1989 - Sept. 2010
0,00%
0,50%
1,00%
1,50%
2,00%
2,50%
3,00%
3,50%
4,00%
4,50%
Jan. 00
Jun.
00
No
v.
00
Apr.
01
Sep
. 01
Feb
. 02
Jul.
02
Dez
. 02
Mai
. 03
Okt.
03
Mrz
. 04
Aug.
04
Jan. 05
Jun.
05
No
v.
05
Apr.
06
Sep
. 06
Feb
. 07
Jul.
07
Dez
. 07
Mai
. 08
Ok
t. 0
8
Mrz
. 09
Aug.
09
Jan. 10
Jun.
10
3-MONATS-LIBOR FÜR SCHWEIZER FRANKEN UND SNB-
ZIELBAND
Jan. 2000 - Sept. 2010
3-Monats-LIBOR CHF Unteres Zielband Oberes Zielband
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
205
2. DER AUFSCHLAG
Bei dem vorgeschlagenen Referenzzins handelt es sich, wie erwähnt, um einen
Zinssatz im Interbankenverkehr mit einem angenommenen Schuldner bester Bonität. Daher
muss der gesetzliche Basiszins um eine weitere Komponente ergänzt werden, welche
insbesondere das vergleichsweise höhere Ausfallrisiko des Schuldners berücksichtigt, da
dieser i.d.R. weder eine Bank ist noch über erstklassige Bonität verfügt. Zudem müssen die
Kosten und Auslagen des Gläubigers pauschal einbezogen werden sowie insbesondere im
Verzug des Schuldners ein pauschaler Aufschlag für eine gewisse präventive Wirkung.
Unter gewichteter Berücksichtigung dieser Faktoren muss für jede Bestimmung in welcher
ein flexibler Zinssatz angewendet werden soll ein pauschaler Aufschlag bestimmt werden,
der in Kombination mit dem Basiszins die Höhe des anwendbaren Zinssatzes festlegt und
Differenzierungen zwischen den einzelnen Zinsbestimmungen ermöglicht, z.B. für eine
unterschiedlich starke Berücksichtigung des Risikofaktors oder des Präventionsziels. Dieser
Ansatz wurde auch in der Zahlungsverzugs-Richtlinie der EU gewählt und ist im deutschen
BGB nicht nur für den Verzugszins, sondern auch für ausgewählte andere
Zinsbestimmungen vorgesehen. Die Aufschläge liegen im BGB zwischen 2½ und 8
Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
Wenn, wie im vorliegend Revisionsentwurf, ein LIBOR als Referenzobjekt für
den Basiszins herangezogen wird, dann ist zunächst ein angemessener Risikoaufschlag zu
bestimmen, der den Unterschied zwischen der angenommenen Bonität eines
durchschnittlichen Schuldners und der Bonität einer erstklassigen Geschäftsbank
berücksichtigt. In Analogie zur beibehaltenen Zinshöhe im bürgerlichen Verkehr soll im
Entwurf der Risikoaufschlag für das schweizerische Recht auf 5 Prozentpunkte festgesetzt
werden. Hinzu kommt eine pauschale Entschädigung für Kosten und Auslagen des
Gläubigers im kaufmännischen Verkehr von einem Prozentpunkt. Damit beträgt der
pauschale Aufschlag für den dispositiven Zinssatz beim kaufmännischen Darlehen
6 Prozentpunkte. Inklusive des Basiszinssatzes, dessen Referenzgröße am 1. Oktober 2010
bei 0,18% lag1140, würde der anwendbare Zinssatz für das vierte Quartal 2010 folglich
6,18% betragen. Der gleiche Aufschlag und Zinssatz kann m.E. auch für den neuen
allgemeinen subsidiären Zinssatz im kaufmännischen Verkehr angewendet werden, da keine
zwingenden Gründe für eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zum Darlehenszins
ersichtlich sind. Hingegen muss für den Verzugszins im kaufmännischen Verkehr ein
höherer Aufschlag festgelegt werden, der zusätzlich berücksichtigt, dass der Gläubiger dem
Schuldner das Kapital unfreiwillig weiter zur Verfügung stellt und daher eine bestrafende
Komponente gegen den Schuldner bzw. eine höhere Entschädigung für den Gläubiger
enthalten sollte. Unter Berücksichtigung der betrachteten Regelungen in der EU-Richtline
1140 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Aktuelle Zinssätze: Übersicht (LIB – 3-Monats-Libor CHF).
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
206
und im BGB ist dafür ein zusätzlicher Aufschlag von zwei Prozentpunkten angemessen und
für die Erzeugung einer gewissen präventiven Wirkung geeignet. Beim derzeitigen
niedrigen Zinsniveau würde der anwendbare Verzugszinssatz im kaufmännischen Verkehr
für das vierte Quartal 2010 damit 8,18% betragen und auf dem gleichen Niveau wie die o.g.
ausländischen Verzugszinssätze liegen. Hingegen wäre ein solcher Verzugszinssatz derzeit
ca. 2 Prozentpunkte geringer als der vom Bundesrat vorgeschlagene starre Satz von 10% p.a.
Erst bei einem Zinsniveau von 2% würden beide Sätze auf dem gleichen Niveau liegen und
in einer Phase höherer Zinsen würde der flexible Verzugszins den Satz von 10% p.a.
übersteigen. Allerdings lag der 3-Monats-LIBOR CHF in den vergangenen 15 Jahren nur in
wenigen Phasen über 2%, so dass sich der flexible Verzugszins in der Vergangenheit
zumeist im Bereich zwischen 8% und 10% p.a. bewegt hätte.1141
C DAS VERFAHREN ZUR FESTLEGUNG DES BASISZINSES
Der vorgeschlagene Referenzzins ist definitionsgemäß ein Zinssatz für Geschäfte
mit einer Laufzeit von drei Monaten, daher muss auch die Höhe des Basiszinssatzes alle drei
Monate an die Entwicklung des 3-Monats-LIBORs angepasst werden. Als Termin für die
Anpassung wird im vorliegenden Entwurf jeweils der erste Tag jedes Quartals bestimmt,
d.h. der 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober eines jeden Jahres. Maßgeblich ist der
letzte Stand des Referenzzinses vor den genannten Terminen, d.h. für den 1. Oktober 2010
war dies der 30. September 2010. Da aber nicht für jede vierteljährliche Anpassung des
Basiszinssatzes das Gesetz geändert werden kann, wird im OR lediglich der Basiszins
definiert sowie die Referenzgröße und der Anpassungsrhythmus bestimmt. Für die Höhe des
Basiszinssatzes verweist das Gesetz auf eine neue Verordnung der Schweizerischen
Nationalbank. Diese wird vom Gesetzgeber damit beauftragt den Stand des
Referenzzinssatzes zu den genannten Terminen festzustellen und den für drei Monate
gültigen Basiszinssatz verbindlich in einer Verordnung festzulegen. Außerdem wird die
Nationalbank verpflichtet, den jeweils gültigen Basiszinssatz im Bundesblatt und evtl. im
Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) bekannt zu geben, wobei der Bekanntgabe
lediglich eine deklaratorische Wirkung zukommt. Aufgrund ihrer verfassungsgemäßen1142
Rolle als unabhängige Zentralbank mit der Zuständigkeit für die Geld- und Währungspolitik
der Schweiz ist sie für diese Aufgabe bestens geeignet und verfügt über alle zur Erfüllung
notwendigen personellen und technischen Ressourcen. Im Rahmen ihrer geldpolitischen
Strategie überwacht die SNB bereits heute den 3-Monats-LIBOR auf Schweizer Franken,
legt das SNB-Zielband für diesen Zinssatz fest und publiziert diese Daten tagesaktuell auf
ihrer Homepage sowie regelmäßig in weiteren Publikationen. Ebenso kann sie den gültigen
1141 Vgl. ABBILDUNG 18-I. 1142 Vgl. Art. 99 Abs. 2 BV.
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
207
Basiszinssatz und den Verlauf seit seiner Einführung für Recherchezwecke auf ihrer
Homepage sowie in anderen Publikationen veröffentlichen. Durch dieses Verfahren ist der
Basiszinssatz jederzeit und für jedermann überprüf- und nachweisbar.
Die nachfolgende Abbildung 18-III zeigt die Entwicklung, den die im Entwurf
vorgeschlagenen flexiblen Zinssätze für den kaufmännischen Verkehr, d.h. der
Basiszinssatz, der allgemeine subsidiäre Zinssatz und der Verzugszinssatz zwischen 2005
und 2010 genommen hätten.
ABBILDUNG 18-III: ENTWICKLUNG DER FLEXIBLEN ZINSSÄTZE GEMÄß ENTWURF VON 2005-20101143
IV. WEITERE ÄNDERUNGEN
A ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
Wie bereits im geltenden Recht, sind im dargestellten Entwurf alle Zinssätze als
Jahreszinsen zu verstehen, auch wenn der Basiszinssatz jeweils nur für drei Monate gültig
ist. Zur Vermeidung allfälliger Unklarheiten stellt daher ein neu eingefügter Art. 73a EN-
OR klar, dass vorbehaltlich einer anderen Abrede oder Bezeichnung alle gesetzlichen und
vereinbarten Zinsen als Jahreszinsen zu entrichten sind. Außerdem bestimmt Absatz 2 des
neuen Artikels, dass vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung im kaufmännischen
1143 QUELLE: SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Statistisches Monatsheft Oktober 2010, E1 Geldmarktsätze
(London, Libor CHF, 3 Monate), gefunden am 05.11.2010 unter: http://www.snb.ch/ext/stats/statmon/txt/de/
statmon_E1_M1_L.txt.
0,00%
2,00%
4,00%
6,00%
8,00%
10,00%
12,00%
Jan. 0
5
Ap
r. 0
5
Jul.
05
Ok
t. 0
5
Jan. 0
6
Ap
r. 0
6
Jul.
06
Ok
t. 0
6
Jan. 0
7
Ap
r. 0
7
Jul.
07
Ok
t. 0
7
Jan. 0
8
Ap
r. 0
8
Jul.
08
Ok
t. 0
8
Jan. 0
9
Ap
r. 0
9
Jul.
09
Ok
t. 0
9
Jan. 1
0
Ap
r. 1
0
Jul.
10
Ok
t. 1
0
BASISZINSSATZ, SUBSIDIÄRER ZINSSATZ & VERZUGSZINSSATZ
Jan. 2005 - Dez. 2010
Basiszinssatz (Art. 73b Abs. 1 EN-OR)
Subsidiärer Zinssatz (Art. 73 Abs. 1bis EN-OR)
Verzugszinssatz (Art. 104 Abs. 3 EN-OR)
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
208
Verkehr die sog. deutsche Usanz gilt, d.h. dass die Zinsberechnung vermutungsweise für ein
Jahr mit angenommenen 360 Tagen und einheitlichen Monaten mit 30 Tagen erfolgt. Durch
diese dispositive Bestimmung soll die Berechnung der Zinsen unter den neu eingeführten
flexiblen Zinssätzen vereinfacht und allfälligen Unsicherheiten vorgebeugt werden.
B DURCH DIE RECHTSPRECHUNG FESTGELEGTE ZINSSÄTZE
Wie in den vorherigen Kapiteln dargestellt, legen nicht alle Zinsbestimmungen
einen dispositiven Zinssatz fest, sondern bestimmen teilweise nur die Pflicht zur Verzinsung
selbst. In diesen Fällen hat die Rechtsprechung bisher unterschiedslos einen Zinssatz von
5% p.a. analog angewendet. Im Zuge der vorliegenden Revision sollte daher auch die
Rechtsprechung wie folgt angepasst werden. Während im bürgerlichen Verkehr weiterhin
der subsidiäre Zinssatz von 5% p.a. anzuwenden ist, muss im kaufmännischen Verkehr der
flexible subsidiäre Zinssatz von 6 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz angewendet
werden. Dies gilt z.B. für den Schadenszins, den Zins auf Auslagen- und Verwendungs-
ersatz sowie den Zins in der kaufrechtlichen Gewährleistung. Im kaufrechtlichen Verzug
gemäß Art. 213 OR und im Verzug in der auftragsrechtlichen Herausgabepflicht sind unter
dem vorliegenden Entwurf hingegen die Verzugszinssätze von 5% p.a. im bürgerlichen
Verkehr und von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz im kaufmännischen Verkehr
analog anzuwenden.
Auf den Bereicherungszins wirkt sich die Einführung des flexiblen Basiszinssatzes
ohne eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung nicht unmittelbar aus, da in der
ungerechtfertigten Bereicherung vom Bundesgericht jener Zinssatz angewendet wird, den
der Bereicherte tatsächlich erzielt hat bzw. hätte erzielen können. Allerdings hat die geltende
Regelung für den Berechtigten den Nachteil, dass er den Nachweis einer bestimmten
Rendite des Bereicherten aufgrund mangelnder Verfügbarkeit dieser Informationen kaum
konkret erbringen kann. Zumindest im kaufmännischen Verkehr ist diese Benachteiligung
des Berechtigten m.E. aber nicht gerechtfertigt, da im kaufmännischen Verkehr die verzinste
Anlage von Geld als üblich angenommen werden kann. Daher wäre es angemessen, auch für
den Bereicherungszins im kaufmännischen Verkehr den allgemeinen gesetzlichen Zinssatz
subsidiär anzuwenden und ihn bei Bösgläubigkeit sogar als vom Bereicherten erzielbaren
Zinssatz zu vermuten.
C DER EINLAGEZINSSATZ IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT
Im Recht der Kollektivgesellschaft wird der für die Verzinsung der Kapitaleinlage
anwendbare Zinssatz im Gesetz selbst auf 4% p.a. festgelegt. Im Rahmen des vorliegenden
Entwurfes soll auch dieser dispositive Zinssatz durch einen flexiblen Zinssatz ersetzt
werden, wie er für den kaufmännischen Verkehr vorgeschlagen wird. Im Vergleich zum
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
209
allgemeinen subsidiären Zinssatz ist aber im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern und
ihrer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft kein Aufschlag für Kosten und Auslagen des
Gesellschafters sowie nur eine geringere Vergütung für das zu tragende Gegenparteirisiko
zu berücksichtigen. Daher soll für die Einlageverzinsung insgesamt ein geringerer
Aufschlag von lediglich 4 Prozentpunkten auf den Basiszinssatz vorgeschlagen werden.
Durch die flexible Orientierung am allgemeinen Zinsniveau wird den Gesellschaftern,
vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung, eine zu allen Zeiten möglichst marktgerechte
Verzinsung ihrer Kapitaleinlage durch die Gesellschaft gewährt.
D DIE ZINSSCHRANKE IN DER GENOSSENSCHAFT
Auch der nur schwer bestimmbare landesübliche Zinsfuss für langfristige Darlehen
ohne besondere Sicherheiten im Genossenschaftsrecht soll im Rahmen der vorgeschlagenen
Revision der Zinsbestimmungen durch den neuen gesetzlichen Basiszins und einen
angemessenen Aufschlag ersetzt werden, damit die Bestimmung von Art. 859 Abs. 3 OR
wieder einen einfach bestimmbaren und tatsächlich anwendbaren Referenzzinssatz erhält.
Um zudem die Grenze für die Ausschüttung nach Anteilen trotz des flexiblen Zinssatzes
nicht zu hoch anzusetzen, soll auch für die Genossenschaft ein reduzierter Aufschlag von
4 Prozentpunkten auf den Basiszinssatz vorgeschlagen werden.
E ZINSEN AUF FREMDWÄHRUNGSSCHULDEN
Nach geltendem Recht sind für alle Forderungen die gleichen Zinssätze
anzuwenden, unabhängig von der Währung in der die Forderung zu erfüllen ist. Solange das
Gesetz die Zinshöhe unabhängig von einer Währung festschrieb, war diese Regelung für die
meisten Fälle weitgehend unproblematisch. Da im vorliegenden Entwurf aber der Basiszins
am 3-Monats-LIBOR für Schweizer Franken angeknüpft wird, kann der resultierende
Zinssatz für Forderungen in anderen Währungen zu niedrig sein. Daher bestimmt der
Entwurf in Art. 73b Abs. 3 EN-OR, dass der Gläubiger berechtigt ist anstelle des
gesetzlichen Referenzzinssatzes eine Anknüpfung des Basiszinses am 3-Monats-LIBOR für
die Währung der betroffenen Forderung zu verlangen, sofern ein solcher existiert und der
Gläubiger dessen Stand an den jeweiligen Anpassungsterminen nachweisen kann. Dadurch
kann der Gläubiger einen marktgerechten Zinssatz verlangen, der ihm auch das von ihm
getragene Währungsrisiko vergütet.
F BAUZINSEN
Da es sich bei den Bauzinsen um keine echten Zinsen im rechtlichen Sinn handelt,
sollen die entsprechenden Bestimmungen im Recht der AG und der GmbH im Rahmen des
vorliegenden Revisionsvorschlages aufgehoben werden. Letztlich handelt es sich bei
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
210
Bauzinsen um eine Rückzahlung von Aktienkapital, welche der Gesellschaft in einer
kapitalintensiven Aufbau- oder Ausbauphase des von ihr betriebenen Unternehmens
zusätzliche finanzielle Mittel entzieht und daher geeignet ist, die Gläubiger der Gesellschaft
zu schädigen. Zudem gibt es heute vielfältige andere Finanzierungsinstrumente, mit denen
der Kapitalbedarf einer Gesellschaft in einer solchen Phase durch Fremdkapital gedeckt und
den Gläubigern ihr Risiko adäquat vergütet werden kann. Die Möglichkeit der Vereinbarung
von Bauzinsen ist daher m.E. ohne Weiteres entbehrlich.
G ZINSBESCHRÄNKUNGEN
Das geltende Recht enthält mit Ausnahme des KKG und des Zürcher EGZGB
keinen allgemeinen bindenden Maximalzinssatz. Stattdessen muss die Zulässigkeit von
Zinsvereinbarungen im Einzelfall vom Gericht unter den Schranken der Sittenwidrigkeit und
der Übervorteilung geprüft werden. An dieser Rechtslage soll auch im vorliegenden Entwurf
festgehalten werden. Allerdings können die Gerichte im Rahmen des Revisionsentwurfes
auch den Stand des neu eingeführten allgemeinen Basiszinssatzes bei der Bewertung einer
Zinsvereinbarung im kaufmännischen Verkehr und allenfalls vergleichend im bürgerlichen
Verkehr als Referenzwert berücksichtigen. Durch den Einbezug des allgemeinen
Zinsniveaus in die Zulässigkeitsprüfung könnte eine hohe Zinsvereinbarung in Zeiten eines
hohen Marktzinsniveaus unter Umständen gerechtfertigt sein, während sie in einer
Tiefzinsperiode mit einem sehr geringen Basiszinssatz unzulässig wäre. Maßgeblicher
Zeitpunkt für die Überprüfung wäre der Zeitpunkt des Abschlusses der Zinsvereinbarung
und der dann geltende (historische) Stand des Basiszinses. Als Richtwert für die
Zulässigkeit einer Zinsvereinbarung könnte beispielsweise ein Aufschlag von 18 Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz gemäß Art. 73b EN-OR gelten. Die Betrachtung würde wie
bisher für das Jahr und unter Berücksichtigung sämtlicher vereinbarter Vergütungen
erfolgen.
Aus den in § 16 dargestellten Gründen sollen zudem die Beschränkungen von
Zinseszinsen im Darlehensrecht (Art. 314 Abs. 3 OR) und im Verzugsrecht (Art. 105 Abs. 1
und 3 OR) aufgehoben werden.
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
211
V. DER ENTWURF (EN-OR)
Der zuvor skizzierte Revisionsvorschlag für die Zinsbestimmungen im OR mit einem
flexiblen Basiszinssatz und pauschalen Aufschlägen könnte im Rahmen des bestehenden
Gesetzes wie folgt umgesetzt werden. Die eingefügten oder geänderten Bestimmungen sind
unterstrichen, die aufgehobenen Abschnitte durchgestrichen:
Art. 73
5. Zinse
a. Im Allgemeinen
1 Geht die Schuldpflicht auf Zahlung von Zinsen und ist deren Höhe weder durch
Vertrag noch durch Gesetz oder Übung bestimmt, so sind Zinse zu fünf vom
Hundert für das Jahr zu bezahlen. 1bis Im kaufmännischen Verkehr beträgt der subsidiäre Zinssatz pro Jahr sechs
Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. 2 Dem öffentlichen Rechte bleibt es vorbehalten, Bestimmungen gegen Missbräuche im Zinswesen aufzustellen.
b. Berechnung Art. 73a
1 Vorbehaltlich einer anderen Bezeichnung oder Abrede sind sämtliche in diesem Gesetz bestimmten oder vereinbarten Zinse als Jahreszinse zu entrichten. 2 Mangels einer abweichenden Vereinbarung oder Übung erfolgt die Berechnung
von Zinsen im kaufmännischen Verkehr für ein Jahr mit 360 Tagen und Monate mit 30 Tagen.
Art. 73b
c. Basiszinssatz 1 Der Basiszinssatz wird von der Schweizerischen Nationalbank am 1. Januar,
1. April, 1. Juli und 1. Oktober jeden Jahres in einer Verordnung bestimmt. Sie setzt den Basiszinssatz auf den letzten verfügbaren Wert des Referenzzinssatzes
vor den genannten Terminen fest. Als Referenzzinssatz wird die London Interbank
Offered Rate (LIBOR) für dreimonatige Anlagen in Schweizer Franken bestimmt. 2 Die Schweizerische Nationalbank gibt den ab den in Absatz 1 genannten
Terminen gültigen Basiszinssatz unverzüglich im Bundesblatt und im
Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) bekannt. Sie kann den Basiszinssatz in weiteren elektronischen Publikationen bekannt geben. 3 Sind Zinsen auf einer Schuld zu berechnen, die nicht auf Schweizer Franken
lautet, dann kann der Gläubiger verlangen, dass als Referenzzinssatz die London Interbank Offered Rate (LIBOR) für dreimonatige Anlagen in der geschuldeten
Währung angewendet wird, sofern er dessen Stand an den in Absatz 1 genannten Terminen nachweisen kann.
Art. 104
2. Verzugszinse
a. Im Allgemeinen
1 Ist der Schuldner mit der Zahlung einer Geldschuld in Verzug, so hat er
Verzugszinse zu fünf vom Hundert für das Jahr zu bezahlen, selbst wenn die
vertragsmässigen Zinse weniger betragen. 2 Sind durch Vertrag höhere Zinse als fünf vom Hundert, sei es direkt, sei es durch
Verabredung einer periodischen Bankprovision, ausbedungen worden, so können
sie auch während des Verzuges gefordert werden. 3 Im kaufmännischen Verkehr beträgt der Verzugszins für das Jahr acht
Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________
212
Art. 105
b. Bei Zinsen,
Renten,
Schenkungen
1 Ein Schuldner, der mit der Zahlung von Zinsen oder mit der Entrichtung von Renten oder mit der Zahlung einer geschenkten Summe im Verzuge ist, hat erst
vom Tage der Anhebung der Betreibung oder der gerichtlichen Klage an
Verzugszinse zu bezahlen. 2 Eine entgegenstehende Vereinbarung ist nach den Grundsätzen über
Konventionalstrafe zu beurteilen. 3 Von Verzugszinsen dürfen keine Verzugszinse berechnet werden.
Art. 314
2. Zinsvorschriften
1 Wenn der Vertrag die Höhe des Zinsfusses nicht bestimmt, so ist derjenige
Zinsfuss zu vermuten, der zurzeit und am Orte des Darlehensempfanges für die
betreffende Art von Darlehen üblich war. Falls kein ortsüblicher Zinsfuss festgestellt werden kann ist ein Zinsfuss von fünf vom Hundert als ortsüblich zu
vermuten. 1bis Im kaufmännischen Verkehr ist ein Zinsfuss von sechs Prozentpunkten über dem Basiszins als ortsüblich zu vermuten. 2 Mangels anderer Abrede sind versprochene Zinse als Jahreszinse zu entrichten. 3 Die vorherige Übereinkunft, dass die Zinse zum Kapital geschlagen und mit diesem weiter verzinst werden sollen, ist ungültig unter Vorbehalt von
kaufmännischen Zinsberechnungen im Kontokorrent und ähnlichen
Geschäftsformen, bei denen die Berechnung von Zinseszinsen üblich ist, wie namentlich bei Sparkassen.
Art. 558
B. Gewinn- und
Verlustrechung
1 Für jedes Geschäftsjahr sind auf Grund der Gewinn- und Verlustrechnung sowie
der Bilanz der Gewinn oder Verlust zu ermitteln und der Anteil jedes
Gesellschafters zu berechnen. 2 Jedem Gesellschafter dürfen für seinen Kapitalanteil Zinse gemäss Vertrag
gutgeschrieben werden, auch wenn durch den Verlust des Geschäftsjahres der
Kapitalanteil vermindert ist. Mangels vertraglicher Abrede beträgt der Zinssatz vier Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. 3 Ein vertraglich festgesetztes Honorar für die Arbeit eines Gesellschafters wird
bei der Ermittlung von Gewinn und Verlust als Gesellschaftsschuld behandelt.
Art. 859
2. Verteilungs-
grundsätze
1 Ein Reinertrag aus dem Betriebe der Genossenschaft fällt, wenn die Statuten es
nicht anders bestimmen, in seinem ganzen Umfange in das Genossenschafts-
vermögen. 2 Ist eine Verteilung des Reinertrages unter die Genossenschafter vorgesehen, so
erfolgt sie, soweit die Statuten es nicht anders ordnen, nach dem Masse der
Benützung der genossenschaftlichen Einrichtungen durch die einzelnen Mitglieder. 3 Bestehen Anteilscheine, so darf die auf sie entfallende Quote des Reinertrages
einen Zinssatz von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht übersteigen.
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224
SACHREGISTER __________________________________________________________________________
225
SACHREGISTER
A
Abhängigkeit 14, 17, 19, 40, 41, 57, 65, 66, 76
Abstraktheit
- formell 172
- materiell 172
Abtretung 18, 35, 41
Agio 85, 166
Aktienkapital 21, 154, 163 ff., 210
Akzessorietät 17 f., 40, 124
Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch 23
Amortisation 39, 92
anatocismus conjunctus 61
anatocismus separatus 61
Anfechtbarkeitstheorie 58 f.
Annuität 39
Anpassungsrhythmus 206
Anteilsschein 160, 162
antizipierter Vertragsbruch 98 f.
Aufhebung 30 f., 32, 96, 141
Aufhebungsvertrag 30
Ausfallrisiko 205
Ausfallstrafe 182
Auslagenersatz 21, 133, 140, 208
Auszahlungsvoraussetzung 77
B
Bank für internationalen Zahlungsausgleich 180
Bankdiskontsatz 24, 106, 115
Bankensatz 197
Barwert 13, 123
Basiszins 178, 194 ff., 199, 201, 202 ff.
Bauzinsen 164 ff., 209 f.
Bedingung 20 f., 60, 77, 123, 164, 173, 181, 188
Belassungspflicht 76 ff.
Bemessungsperiode 60
Berechnungsperiode 17, 177
Bereicherungszins 42, 127 ff., 208
Bestandteil 19 f., 93, 128, 130 f, 133, 143, 150,
177 f.
Betreibung 18, 37, 42, 62, 173, 212
Betreibungsbegehren 92
Beweislast 28, 37 f., 42, 53, 57, 91, 106 f., 125,
130, 177
Beweislosigkeit 38, 42, 89
Bezugszins 194 f.
Bonität 1, 55, 75, 86 f., 93, 161, 171, 188 f., 198,
203, 205
Bringschuld 26, 78, 86, 172
C
census 3
clausula rebus sic stantibus 27, 58
condictio indebiti 50, 59
condictio ob causam finitam 59
contrarius actus 31
da mihi facta, dabo tibi ius 37
D
Darlehenszins 24, 70 f., 81, 84, 87, 187, 199, 205
Datowechsel 173, 176
Dauerschaden 117, 122
Dauerschuldverhältnis 50, 76
dies interpellat pro homine 97
Disagio 62, 84
Diskont 41, 175
Diskontierung 9, 13 f., 105, 112, 123 f., 171,
175 f., 179, 189
Diskontierungszinssatz 13 f., 123 f.
Diskontsatz 17, 105 f., 175, 179, 183 f., 189 f.
Diskontzins 178
Dispositionsmaxime 22, 36
Dividende 40, 155, 158, 160 f., 164 f.
Draft Common Frame of Reference 198
E
effektiver Jahreszinssatz 10
Effektivklausel 27, 29
Eigenwechsel 171, 174
einfache Gesellschaft 138
Einheitliches Checkgesetz 23, 183
Einheitliches Wechselgesetz 23, 179, 183
Einlageverzinsung 23, 186, 209
einseitige Unverbindlichkeit 58
Erfüllungsort 27, 29, 78 f., 86
Europäische Zentralbank (EZB) 179, 194 f.
Eventualvorsatz 68
Exkulpationsbeweis 100 f., 106, 112, 133
SACHREGISTER
__________________________________________________________________________
226
F
Fälligkeit 15 f., 21, 25 ff., 31, 34, 42, 61 f., 75,
81, 84, 86, 92, 96, 97 ff., 101, 119, 130,
134 f., 139, 144, 149 ff., 173 ff., 197 f.
falsa demonstratio non nocet 3, 39
Fixgeschäft 100
Fremdwährung 29, 53 f., 139
Fremdwährungsdarlehen 81
Fremdwährungsschuld 27, 110, 209
Frucht
- juristische/bürgerliche 3 f., 15, 20, 42, 127, 143
- natürliche 3 f., 143
G
Gebühr 6, 40, 45, 72, 73, 180
Gegenbeweis 28, 110
Gegenparteirisiko 87, 93, 185, 186, 188, 209
Geldentwertung 8, 16, 53, 123
Geldwertveränderung 27
Genossenschaft 159 ff., 186, 209, 212
Genugtuung 17, 114 ff.
Genugtuungsleistung 113, 118
Geschäftsführung ohne Auftrag 133, 137
Geschäftsverkehr 1, 20, 62 f, 73, 90, 107 f., 112,
188 ff., 194, 198 f.
Gewohnheitsrecht 43, 63 f., 71
Gläubigerverzug 18, 26, 99, 144
H
Handelsgesetzbuch (HGB) 23, 154
Handelsregister 84, 104
Hauptrefinanzierungsoperation 194 f.
Hauptrefinanzierungszinssatz 195
Herabsetzung 54, 60, 62, 64, 71, 72
Hinterlegung 18, 26, 83, 92, 103
Höchstzins 44 ff., 54 f., 63 f., 72 f., 85, 186, 190
Holschuld 79, 86, 172
Hypothekarzinssatz 1, 37
hypothetischer Parteiwille 25, 51 ff., 60, 72, 90
I
Indexklausel 27
Indossament 169 f., 178, 181
Indossierung 41, 170
Inflation 55, 188
Inflationsrate 8, 111, 123, 185 f.
Inhaberpapier 19, 169
Inhaltsfreiheit 23, 47
K
Kapitalanteil 153 ff., 212
Kapitalherabsetzung 163 ff.
Kapitalisierungsfaktor 123 f.
Kapitalkosten 82, 108 f., 112
Kapitalleistung 14, 124
Kapitalmarkt 1, 114, 126, 186
Kaufkraftverlust 111 f.
Kaufleute 35, 104, 106, 111, 130, 186, 191
kaufmännischer Verkehr 2, 11, 20, 24, 62 f., 73,
83 f., 85, 87, 91 ff., 101, 103 ff., 128, 130 f.,
142, 150 f., 187 ff., 191, 193 ff, 199 ff.,
205 ff. 210, 211 f.
Klagerückzug 31 f
Kollektivgesellschaft 23, 40, 153 ff., 167, 186,
209
Kommanditgesellschaft 23, 40, 157, 209
Kommanditsumme 157
Konkordat 44 ff., 72
Konkurs 18, 29, 31, 37, 61, 80, 104, 156, 165,
173, 175
Konsumkreditgesetz (KKG) 2, 6, 10, 43 ff., 63,
64, 71 ff., 85, 190, 210
Kontokorrent 33 f., 62 f., 87 f., 92 f., 105 f., 108,
112, 187, 189, 191, 212
Kostenersatz 114, 116 f., 178, 184
Kreditkommission 84, 88, 93
Kündigung 77, 81, 92, 98, 150
Kündigungstermin 18, 78, 82
L
landesüblicher Zinssatz 24, 71, 160, 161 f., 189,
209
Landeswährung 27, 110
Laufzeitabhängigkeit 14, 16
Leistungsort 78
Leistungsstörung 95, 121
Leistungszeitpunkt 79, 99
Libor 17, 38, 87, 93, 202 ff., 209, 211
M
Mahnung 81, 96 ff., 102, 119, 135, 140, 144,
150 f., 184
Marge 87 f., 93, 186 f.
Maximalzins 41, 43, 46 f., 71, 73, 186, 210
SACHREGISTER __________________________________________________________________________
227
mittlerer Verfall 116 f.
modo legislatoris 25
N
Nachlassvertrag 31
Nachsichtwechsel 173, 176
Nachwucher 68, 73
Nationalbank 105, 179, 183 f., 189, 203, 206
Naturalzins 3, 15 f.
ne ultra alterum tantum 61
Nennwertprinzip 26 f., 81
Nichterfüllung 95, 100 f., 149 f., 193, 197
Nichtigkeit 44, 46, 50 ff., 64, 69 ff., 172, 177,
184
- Ganznichtigkeit 46 f., 50 ff., 177
- Teilnichtigkeit 46 f., 51 ff., 70 ff., 177
Nominalzins 7 f., 14
Novation 32 ff., 36, 42, 62, 92, 172
O
offene Handelsgesellschaft 23, 154 f., 159
Opportunitätskosten 5
Ortsüblichkeit 87 f.
P
pactum de non petendo 31
partiarisches Darlehen 23, 82
periodische Bankprovision 103, 211
periodische Leistung 6, 25, 28, 42
Periodizität 35
positive Vertragsverletzung 95
postnumerando 25
praenumerando 26
Prävention 5, 44, 54, 72, 201 f., 205
Privatdiskontsatz 105 f., 108, 112, 175, 189, 191,
193
Provision 6, 40 f., 45, 72 f., 175, 177 f., 182, 184,
211
provisorischer Rechtsöffnungstitel 92
Q
Quittung 27 f., 135
Quote 15, 17, 22, 160, 183, 212
R
Realzins 7 f., 14
rechtmäßiges Alternativverhalten 101
Rechtsgewährleistung 141 ff.
Reduktion 47, 52, 54, 59 f.,72 f., 106, 177
Referenzgröße 23 f., 105, 112, 179, 186, 205 f.
Referenzzinssatz 17, 86 f., 89, 91, 93, 160 f.,
186 f., 189, 199, 201 f., 206, 209, 211
Regresszins 177 f., 182 ff.
Rendite 7 f., 14, 63, 102, 123, 126, 130 f., 161 f.,
164, 167, 179, 201, 208
Rente, Rentenleistung 14, 40, 122 f., 212
res iudicata 31, 111
restitutio in integrum 142
Rückbehaltungsrecht 28, 79
S
Sachgewährleistung 141 ff.
Saldoforderung 33 f.
Schadensarten 108
Schadensberechnung 107, 116, 118 f.
Schadensnachweis
- abstrakt 107
- konkret 107, 110, 111 f.
Schadenszins 113 ff., 127, 130 f., 136, 187, 208
Schlechtleistung 95
Schuldnerverzug 21, 79 ff., 83, 95 ff.
Schuldschein 28, 30
Schuldübernahme 35 f.
Schweizer Franken 27, 54, 86 ff., 93, 110, 133,
161, 179, 202 ff., 206, 209, 211
Schweizerische Nationalbank (SNB) 175, 179,
183 f., 190, 203 ff., 211
Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB) 206,
211
Sicherheiten 16, 22, 24, 33, 55, 75, 77, 86 f., 93,
160 ff., 171, 186, 190, 209
Sichtwechsel 173 f., 176
Sittenwidrigkeit 7, 47 ff., 53, 70, 72, 186, 210
SNB-Zielband 203 f., 206
Soft Law 2, 185, 199
Sperrziffer 154, 163
Stammkapital 21, 163 ff.
Stoffgleichheit 15 f.,42
Streitwert 124 f., 131
Stundung 34, 33, 134
Synallagma 55, 84, 99
T
Tagwechsel 173, 176
Tilgung 11, 19, 28 f., 32 f., 39
SACHREGISTER
__________________________________________________________________________
228
U
Übervorteilung 7, 47, 54 ff., 58 ff., 65, 69 ff.,
186, 210
Überziehungszinssatz 93
Unerfahrenheit 55 f., 65 f.
ungerechtfertigte Bereicherung 20, 33, 35, 124,
127 ff., 143, 208
Ungültigkeitstheorie 58 f.
UNIDROIT-Priciples 197 f.
Unmöglichkeit 48, 95 f.
Unterbilanz 166
Unterlegenheit 64 ff.
Usanz
- deutsche 11, 208
- englische 11
- französische 11
V
Valuta 16, 41, 53 f., 76 ff., 92, 110, 171
Verdienstausfall 114, 117
Vereinigung 32, 42
Verfalltag 79,81, 97 f., 102, 117, 144, 173,
177 ff.
Verhandlungsmaxime 37
Verlustschein 18, 37
Vermögensnachteil 5, 134, 138, 140
Vermögensvorteil 65, 67 f.
Verrechnung 18, 28 ff., 42, 69, 78, 120
Verrechnungsverzicht 28
Vertragsstatut 53
Verwendungsersatz 21, 35, 42, 133, 135, 138,
140, 208
Verwendungszins 135 f., 140
Verzinsung
- exponentiell 9 ff.
- jährlich 9
- linear 9, 13
- stetig 12 f.
- tagesgenau 11 f.
- unterjährig 9 f.
Verzugszins 1 f., 30, 35 f., 62 f., 76 f., 81, 95 ff.,
113 ff., 119 ff., 126, 129 ff., 135 f., 139 f.,
142, 145, 150 f., 190, 193 ff., 197 f., 199, 205,
211 f.
Verzugszinssatz 23, 103 ff., 112, 126, 129,
188 f., 193 f., 196, 198 f., 206 ff.
Vorsatz 68 f.
vorzeitige Erfüllung 18, 26
vorzeitige Rückerstattung 81 f.
W
Währungsstatut 53
Währungsverlust 110
Wechselkurs 27, 110 f., 139
Wechselstrenge
- formell 171, 173
- materiell 171, 173
Wertschuld 26
Wertsicherungsklausel 27, 176
Z
Zahlungsfähigkeit 1, 189
Zahlungsmittel 26 f., 112, 171, 182, 194
Zahlungsort 27, 105 f., 111, 172, 197
Zahlungsunfähigkeit 80
Zedent 35
Zero-Bond 12, 62
Zession 19, 35, 169 f.
Zessionar 35
Zessionsschuldner 35
Zinseszins 1 f., 6, 9, 14, 23, 60 ff., 73, 122, 128,
136, 142, 150 f., 178, 183 f., 190, 210, 212
Zinseszinsverbot 34, 61 ff., 73, 121, 145, 190
Zinsniveau 22, 53, 73, 93, 123 f., 185 f., 188 f.,
200 ff., 206, 209 f.
Zinsperiode 8 ff., 25 f., 60, 83, 117, 210
Zinsrechnung 8, 11, 14
Zinsschaden 109
Zinsvermerk 176 f., 181, 184
Zinsversprechen 175, 177, 181
Zwangslage 57, 65 f., 68
LEBENSLAUF __________________________________________________________________________
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LEBENSLAUF
Geburtsdatum: 19. Februar 1984
Geburtsort: Köln, Deutschland
AUSBIDLUNG
09/2008 - 06/2011 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz
Doktorat in Rechtswissenschaft (DLS)
10/2006 - 08/2008 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz
Master of Arts in Law & Economics (MLE)
09/2007 - 12/2007 University of Toronto, Ontario, Kanada
Joseph L. Rotman School of Management (Austauschsemester)
10/2003 - 10/2006 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz
Bachelor of Arts in Law & Economics (BLE)
09/1994 - 06/2003
Abitur am Gymnasium Erzbischöfliche Liebfrauenschule Köln,
Deutschland
PRAKTISCHE ERFAHRUNG
10/2009 - 03/2011 Bär & Karrer AG, Rechtsanwälte, Zürich, Schweiz
(Juristisches Substitutenjahr)
03/2008 - 02/2010 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz
Assistent PD Dr. iur. Lukas Glanzmann
03/2007 - 04/2007 Rechtspraktikum in einer Zürcher Rechtsanwaltskanzlei
09/2006 - 10/2006 Rechtspraktikum in einer deutschen Rechtsanwaltskanzlei