GESCHÄFTSPROZESSE MANAGEN MIT IHREN BESTEHENDEN OFFICE-SYSTEMEN
Digitale Geschäftsprozesse sind nur der Anfang
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Transcript of Digitale Geschäftsprozesse sind nur der Anfang
F Ü R M E N S C H E N D I E E T W A S U N T E R N E H M E N
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Chancen und Gefahren:
DIGITALE MARKETING- UND GESCHÄFTSPROZESSEMONEYCAB
Digitale Geschäftsprozesse – Trends und Treiber der Wertschöpfung
LYRECO AGInternet und E-Commerce-Plattformen schaffen
nutzerfreundliche Vertriebsmodelle
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D I G I T A L E G E S C H Ä F T S P R O Z E S S E
S I N D NUR DER ANFANG
Wir leben in einer vernetztenGesellschaft und es stellt sich
zunehmend die Frage, wie Unternehmen unter den verän-
derten Vorzeichen in einer Welt, die global agiert, in der vieles scheinbar kostenlos oder zum Gegenwert der eigenen Daten zu haben ist, Wert generieren
können. Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen ist nur eine
Antwort auf diese Frage. Eine weiterführende, aber ungleich
tiefergreifende Antwort liegt in einer neuen Kultur der Organi-
sation selbst.
Dabei lohnt sich ein Blick auf die Netzwerke, in denen wir
uns bewegen, denn es sind die Netzwerke mit ihrer eigenen
Dynamik und ihren ganz eigenen Normen, die den Blueprint
bilden für erfolgreiche Geschäftsmodelle und deren zugrun-
deliegende Unternehmenskultur. Ich möchte deshalb im
Folgenden den Blick auf ein paar Netzwerknormen richten
und an ein paar Beispielen verdeutlichen, wie diese sich auf
Unternehmen auswirken.
KONNEKTIVITÄT UND FLOWDie ersten zwei Netzwerknormen sind Konnektivität und Flow.
Sie bedeuten so viel wie «vernetze dich und lass Informationen
fl iessen». Wir sind in der Tat «connected»: In der Schweiz sind
durchschnittlich 85% der Gesamtbevölkerung im Internet.
Rund drei viertel davon sind in mindestens einem sozialen
Netzwerk angemeldet. 70% sind aktive Nutzer. Fast 2,9 Mio.
Schweizerinnen und Schweizer – rund 37% der Bevölkerung,
nutzten Ende 2012 Facebook. Bei den unter 30-Jährigen sind
sogar 96% Mitglied in einem sozialen Netzwerk.
Konnektivität bedeutet: Wir haben über Netzwerke Zugang zu
allen Wissensressourcen der Welt. Erfolg hat, wer – als Person
oder Unternehmen – die Kompetenz besitzt, sich an diese Netz-
werke anzudocken und sich zu vernetzen.
Das Prinzip des Flow bedeutet, dass
alles in Bewegung ist, dass z. B. Infor-
mationsflüsse nicht vollständig iden-
tifizierbar oder nachvollziehbar sind.
Man muss sich als Unternehmen darauf
einlassen, dass permanent Interaktionen
und Kräfte zur Wirkung kommen, die
sich nicht nach den Organisationsmus-
tern der Hierarchie richten. Das kann zur
Folge haben, dass z. B. Mitarbeitende und
Kunden über mehr Information oder bes-
seren Zugang zu Ressourcen verfügen
als die Unternehmensleitung. Netzwerke
haben eine fl iessende Dynamik und ken-
nen keine Grenzziehungen. Die Grenzen
einer Organisation werden längst blog-
gend und twitternd unterwandert.
W I S S E N S C H A F T P R O F . D R . A N D R E A B E L L I G E R
Der Mobiltechnologietrend ist dem Flow-
Prinzip zuzuordnen. Kein ICT-Trend hat
sich rasanter etabliert. Auch Geschäfts-
prozesse bedienen sich zunehmend mo-
biler Technologien und werden zuneh-
mend «seamless», d. h. über verschiedene
Orte, Zeiten, Technologien und soziale
Settings, formell oder informell hinweg-
gestaltet.
Das Prinzip des «Flow» bezieht sich aber
nicht nur auf Organisationen, sondern ist
auch ein personaler Wert: Wir sind heute
nicht mehr ein Job. Wir sind nicht Infor-
matikerinnen, Ärzte, Betriebsökonomen,
Verkäufer oder Bauleiter. Wir sind eine
9W W W . W I R T S C H A F T S M A G A Z I N . C H
PROF. DR.ANDREA BELLIGER
forscht, lehrt und berät Or-
ganisationen zu Fragen von
Trends und Veränderungen
im gesellschaftlichen Kom-
munikationsverhalten, ins-
besondere in den Bereichen
Bildung, Verwaltung und
Gesundheit. Sie konzipiert
Weiterbildungsmassnah-
men, entwickelt Lehrpläne
und Curricula, unterstützt
Organisationen bei Entwick-
lungsarbeiten, hält Vorträge,
Inputs und inhouse-Schu-
lungen in Organisationen
ganz unterschiedlicher Art.
Themenschwerpunkte sind:
Kommunikationswissen-
schaft – verändertes Kommu-
nikationsverhalten; Digital
Society; Bildung und Neue
W W W . W I R T S C H A F T S M A G A Z I N . C H
Ansammlung von Kompetenzen und
müssen uns in einem ganzheitlichen
Sinne darüber klar werden, welche
Kombination von Kompetenzen wir
morgen über die fachlichen Kompeten-
zen hinaus benötigen, um erfolgreich zu
bleiben.
KOMMUNIKATIONNetzwerke verlangen eine offene Form der
Kommunikation, so genannte «naked con-
versation». Kommunikation muss selbst-
kritisch, respektvoll und ehrlich sein.
Sie erinnern sich vielleicht an das
Dell-Debakel 2005, das als «Dell-Hell» in
die Geschichte einging. Damals schrieb
der US-Professor und Blogger Jeff Jarvis
Medien – eLearning;
Umgang mit Wissen
und Wissensarbeitenden
– Knowledge Manage-
ment/Wissensmana-
gement; Management
von Netzwerken –
Network Management
– Future Values in
Unternehmen; Zukunft
der Verwaltung –
eGovernment; Gesund-
heit digital – eHealth;
Social Media
Sie ist Prorektorin
Dienstleistungen der
Pädagogischen Hoch-
schule Luzern und
Co-Leiterin des Instituts
für Kommunikation &
Führung IKF in Luzern.
www.phlu.ch
seinen Frust über den Kundenservice und die Produkte von Dell
in seinem Blog nieder. Dell hat ihn belächelt und ignoriert. Doch
viele andere teilten sein Schicksal, waren wütend auf Dell und
wollten Gerechtigkeit. Die Sache wurde viral und das Debakel war
perfekt. Dell musste ein hohes Lehrgeld bezahlen. Die Verkäufe
und die Aktienkurse sanken, das Image war angeschlagen und als
Folge davon übernahm Michael Dell wieder die Unternehmens-
führung. Solche Shitstorms – Empörungskampagnen – werden
jedes Mal durch die mangelhafte Kommunikation ausgelöst. In
Netzwerken ist Einweg-Kommunikation nicht mehr möglich.
TRANSPARENZTransparenz ist zu einer Grundnorm der Netzwerkgesellschaft
geworden. Wer als Unternehmen oder Person nicht transparent
ist, ist suspekt. Transparenz ist heute nicht nur bei Produkten und
Dienstleistungen gefordert, sondern auch im Umgang mit Daten.
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F A Z I T
Netzwerke als vorherrschende
Organisationsform unserer
Zeit verändern unser Leben
und die Art und Weise, wie
wir als Unternehmen tätig
sind. Netzwerke haben ihre
eigenen Normen: Konnekti-
vität, Flow, Kommunikation,
Transparenz, Partizipation,
Authentizität, Menschlichkeit,
Variabilität und Heterogeni-
tät. Diese Netzwerknormen
sind mehr als Schlagworte.
Sie sind eine Realität des
gegenwärtigen Zeitalters. An
ihnen werden Unternehmen,
CEOs, Dienstleistungen,
Produkte und Konversationen
gemessen. Sich in Netzwerken
zu bewegen, verändert Per-
sonen wie Unternehmen und
befähigt dazu, Wertemuster
in Bewegung zu versetzen.
Wenn man sich in seinem
Alltag wirklich auf die neuen
Möglichkeiten einlässt, ändert
sich der Arbeitsstil, und nach
einiger Zeit ändern sich auch
die Einstellungen.
Interessant ist, dass wir als Konsumenten, Bürger oder Patienten in den letzten Jahren
unsere ganz eigene Meinung zu diesem Thema gebildet haben. Wir haben einerseits
keine grundsätzlichen Ängste in Bezug auf die Digitalisierung unserer Daten. Wir
erheben unsere eigenen Daten und sind bereit, auch persönlichste Daten mit andern
zu teilen. Wir fordern aber auf der andern Seite berechtigterweise die volle Kontrolle
und Verwaltung unserer eigenen Daten und wollen eigenständig je nach Verwen-
dungszweck über den Datenzugang entscheiden.
PARTIZIPATIONDas Credo der Social Media lautet: Nicht Wissen und Informationen hüten, sondern
Wissen und Informationen teilen führt zu neuem Wissen. Wir teilen übrigens aus
guten Gründen – nicht weil wir naiv oder exhibitionistisch wären. Wir teilen, weil
wir einen Vorteil darin sehen. Teilen ist eine soziale Handlung: sie verbindet uns,
stellt Beziehungen, bildet Vertrauen, Fremde werden zu Freunden, Zusammenarbeit
ist möglich und sie befähigt uns zu selbstgesteuertem Handeln.
Partizipation bedeutet auch, dass tradierte Laien-Experten-Rollen, wie etwa die
klassische Arbeitsteilung zwischen Kunde und Verkäufer, aufbrechen. Kunden sehen
sich zunehmend weniger als passive Empfänger von Dienstleistungen, sondern als
aktive und selbstbestimmte Kommunikationspartner.
AUTHENTIZITÄTIn den 50er Jahren hat Erving Goffman, ein amerikanischer Soziologe, viel über Au-
thentizität, Identität und «Rollen» geschrieben und dass unser menschliches Verhal-
ten eine Inszenierung ist. Es gibt in unserem Verhalten einen «Frontstage»-Bereich,
das von mir erwartete und erwünschte Verhalten, und einen «Backstage-Bereich»,
das wahre Selbst. Quasi Online- und Offl ine-Identität. Psychologische Studien an der
Universität Texas haben nun aber gezeigt, dass soziale Netzwerke keine Fluchtorte
vor der Realität sind, sondern viel eher eine Ausweitung des bestehenden sozialen
Kosmos und eine Erweiterung des Offl ine-Verhaltens, wobei sich die Offl ine- mit
den Online-Charakteristika einer Person weitgehend decken. Auch für Unternehmen
gilt: Ansehen und (Online-)Reputation hat mit Authentizität zu tun. Und es ist das
Netzwerk, das einem jede Position gibt, wenn die Kompetenz stimmt. Sie aber auch
genauso schnell wieder nimmt, wenn das nicht der Fall ist.
MENSCHLICHKEITAuch wenn es oft anders scheint: Mensch-
lichkeit ist in der vernetzten Welt ein
Wert. Ein Beispiel: Ein junger Mann baute
2005 sämtliche Möbel für seine Wohnung
aus FedEX-Boxen, fotografi erte sie und
postete die Bilder online. Das Unterneh-
men FedEX fand das gar nicht lustig und
verklagte ihn. Das ganze wurde online
und in den traditionellen Medien publik.
David gegen Goliath. FedEX trug einen
immensen Reputationsschaden davon.
Was wäre wohl gewesen, wenn FedEx den Mann unterstützt
und einfach ein paar neue Schachteln geschickt oder ihn einfach
menschlich behandelt hätte? Fazit: Ohne Wirtschaftlichkeit geht
es nicht, aber ohne Menschlichkeit geht gar nichts.
VARIABILITÄT UND HETEROGENITÄTDie Norm der Variabilität und Heterogenität besagt so viel wie:
Mach dein Netzwerk so komplex und heterogen wie möglich.
Eröffne Möglichkeitsräume. Denn Netzwerke sind smart und
innovativ, wenn sie heterogen sind. Der Soziologie Granovet-
ter hat in den 70er Jahren Studien zu Weak und Strong Ties in
sozialen Netzwerken durchgeführt. Seine Einsicht: Weak Ties,
lose und schwache Netzwerkverbindungen, dienen als wich-
tige Brücken, damit Information fl iessen kann; je mehr Weak
Ties, umso schneller verbreitet sich Information in entfernte
Netzwerke. Strong Ties hingegen, also enge, verbindliche und
gefestigte Verbindungen, lassen Information nur in lokalen
engen Netzen zirkulieren. Sie führen zu Redundanz. Für
Unternehmen gilt: Je mehr ich die Variabilität meiner Verhal-
tensmöglichkeiten erhöhe, desto eher bin ich in der Lage, mich
unterschiedlichen Bedingungen anzupassen.