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Digitale Wirtschaft. Mit besonderem Blick auf die chemische Industrie Birger P. Priddat und Klaus-W. West CSSA DISCUSSION PAPER 2016/1

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Digitale Wirtschaft. Mit besonderem Blick auf die chemische Industrie Birger P. Priddat und Klaus-W. West

CSSA DISCUSSION PAPER 2016/1

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Birger Priddat und Klaus-W. West „Digitale Wirtschaft. Mit besonderem Blick auf die chemische Industrie“ CSSA Discussion Paper (Nr. 2016/1) ISSN (Print) 2367-3729 ISSN (Online) 2367-3737 © 2016 by the authors About the authors: Professor Birger Priddat ist Lehrstuhlinhaber für Politische Ökonomie an der privaten Universität Witten/Herdecke, Klaus-W. West ist Geschäftsführer der Chemie-Stiftung Sozialpartner-Akademie Email: [email protected]

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Abstract

There are different answers to the question of what is the character of the megatrend of digitisation. Is it an evolutionary process? Or a disruptive one? Or is the process shaped in erratic alternation by both? In Germany, change processes such as the current digitisation are mostly and primarily interpreted as evolutionary developments. From the perspective of a possibly disruptive process, however, these responses can be seen as risky because they are too temporising and passive.

Zusammenfassung Es gibt unterschiedliche Antworten auf die entscheidende Frage, welchen Charakter der Megatrend der Digitalisierung hat. Handelt es sich um einen evolutionären Prozess? Oder um einen disruptiven? Oder wird der Prozess in wenig berechenbarer Abwechslung von beidem geprägt? In Deutschland werden Change-Prozesse wie derzeit die Digitalisierung mehrheitlich und im Wesentlichen als evolutionäre Entwicklung interpretiert. Aus der Perspektive eines möglichen Disruptionsprozesses jedoch können diese Reaktionen als riskant, weil zu langsam, abwartend und passiv angesehen werden.

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Inhalt 1. Der digitale Mainstream 5

1.1 Die Empirie 9 2. Digitalisierung, Unternehmen und Arbeit 10

2.1 Dimensionen der Digitalisierung 10 2.2 Digitalisierung der Arbeit 16 3. Chemiebranche: zeitversetzter digitaler Wandel 25 4. Die Herausforderungen der digitalen Wirtschaft annehmen 40

4.1 Prognosen 40 4.2 Institutionelle und organisatorische Schnittstellen 41 4.3 Nationale und europäische Governance 44

5. Schluss 45 Literatur 47

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1. Der digitale Mainstream Gegenwärtig gibt es einen Konsens darüber, dass der Megatrend der Digitalisierung mit Begriffen wie „digitale Transformation“, „digitale Wirtschaft“ und „Industrie 4.0“ adäquat beschrieben werden kann. Uneinheitlich ist hingegen die Einschätzung, wie disruptiv die Entwicklung vonstattengehen wird. „Disruptiv" ist ein Schlagwort, das darauf hinweisen will, dass Change-Prozesse plötzlich und unerwartet kommen können – durch Konkurrenz aus Bereichen, die niemand ernsthaft vorher erwartet hatte und durch Synergien in Wertschöpfungsketten, die bisher nicht existierten. Disruptive Prozesse sind das Gegenteil von allmählichen Anpassungen.1 Sie sind die moderne Übersetzung von Joseph Schumpeters „kreativer Zerstörung", nun allerdings in einem ganz anderen volatilen technologischen Dynamikfeld. Wie bereiten Unternehmen ihre Strategie/ihre Organisationen vor, um nicht disruptiv von (unbekannten) Konkurrenten überrannt zu werden? In Deutschland werden die anstehenden Change-Prozesse eher als (langsame – zu langsame?) Entwicklungen betrachtet. Als Antwort darauf hat sich ein (vorläufiger) politischer Mainstream herausge-bildet. 2014 haben Bundeswirtschaftsministerium, BDI und IG Metall das „Bündnis für Industrie“ ins Leben gerufen und „Digitalisierung“, „Wertschöpfungsketten“ und „neue Arbeitsformen“ zu Herausforderungen der Gegenwart erklärt.2 An diesem Bündnis sind auch IG BCE und BAVC beteiligt. Der technologisch-ökonomische Mainstream, der auf der Hannover-Messe 2015 seinen prägnanten Ausdruck gefunden hat, hebt vor allem die wirtschaftlichen Gewinnchancen hervor. Sein Motto lautete „Integrated Industry – Join the Network“. Dort stand der Begriff „Industrie 4.0“ im Zentrum der Gestaltungsaufgaben,3 an die sich bestimmte Handlungsempfehlungen

1 IMD/CISCO 2015. 2 „Digitalisierung“: Fabriken werden vernetzt, die Produktion wird automatisiert/rationalisiert. Mensch/Maschine arbeiten Hand in Hand. „Wertschöpfungsketten“ verteilen sich rund um den Globus und werden neu gegliedert. „Neue Arbeitsformen“: Sie beinhalten die Gefahren wie „Leistungsverdichtung“, „Überwachung/Leistungsmessung“, „schlecht bezahlte, sozial nicht abgesicherte und nicht mitbestimmte Erwerbsarbeit“, „Click- oder Crowdworking“: Programmierer, die über ein paar Klicks im Internet gebucht werden können und die sich von Auftrag zu Auftrag hangeln. Aufgaben werden nicht mehr an einen Einzelnen, sondern an eine Menschenmenge ausgelagert. 3 „Industrie 4.0“ handelt von der Vernetzung von Produktionsanlagen und ihre Einbindung in die Geschäfts-EDV. Dabei geht es um Produktinnovationen wie „intelligente Schalter“ oder eine „weltweit

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anschlossen: Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen werde in Zukunft von wachsender Kooperationsbereitschaft abhängig sein. Die „digitale Transformation“ erfordere hohe Investitionen in Ausrüstung, Maschinen und IT-Infrastruktur.4 Immer kürzere Produktzyklen und steigende Produktvarianten mit kleinen Losgrößen bis zum Unikat könnten so wirtschaftlich bewältigt werden. Aus der Disruptionsperspektive aber wird eine solche Einschätzung bereits als riskant angesehen – als zu abwartend, nicht proaktiv genug.5 „Neue, schnelle Marktteilnehmer und innovative Traditionsfirmen erzeugen einen enormen Druck auf alle anderen Unternehmen“, kommentierte Michael Ganser, Senior Vice President Cisco Zentral- und Osteuropa. „Eine erfolgreiche Vergangenheit ist keine Garantie für weiteren Erfolg und Abwarten ist keine Option. Unternehmen brauchen jetzt eine digitale Strategie, um die digitale Transformation mitzugestalten und anzuführen.“6 Beide Formen des Mainstreams sind in sich differenziert. Sie beinhalten unterschiedliche politische Positionen und beziehen sich auf technisch-ökonomische Entwicklungsstadien. Mit Blick auf den politischen Mainstream sind die Unterschiede zwischen den Branchen zu berücksichtigen, was die Gestaltung von Technik und Arbeit betrifft. BDA-Präsident Kramer und DGB-Vorsitzender Hoffmann haben sich im Mai 2015 auf der Fachtagung des BMBF „Arbeit in der digitalisierten Welt“ dafür ausgesprochen, das Gestaltungspotenzial der Sozialpartnerschaft für die Digitalisierung zu nutzen. In der Chemiebranche besitzen, was die Gestaltung der Digitalisierung betrifft, Chemie-Sozialpartner ein überdurchschnittlich großes Handlungspotenzial. Mit Blick auf die technisch-ökonomische Entwicklung ist davon die Rede, dass die Chemiebranche Teil der „dritten Welle“ der digitalen Transformation ist.7 Ihr voran geht die erste Welle, in der Automobil- und Logistikindustrie eine digitale Zäsur erleben und eine zweite Welle, die den digitalen Umbruch für Medizintechnik,

erste herstellerunabhängige Industrie-4.0-Anlage“. Sie werden gleichwohl mit anderen Innovationsfeldern systematisch verbunden sein. 4 BCG-Studie I 2015. 5 Vgl. IMD/Cisco 2015. 6 Zitiert in: Fischer 2015. 7 Roland-Berger-Studie I 2015, S. 24ff.; vgl. auch VCI-Prognos-Studie 2014, S. 42ff.; VDI-Studie 2014.

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Elektroindustrie, Maschinen- und Anlagenbau sowie Energietechnik bringen soll. Diese Auffassung, dass die Digitalisierung zeitversetzt die Chemiebranche erfasst, lässt sich durch Fallbeispiele aus der chemischen, der pharmazeutischen und der Kunststoff verarbeitenden Industrie belegen (siehe unten). Mit anderen Worten: Nicht überall wird sich die digitale Transformation mit derselben Wucht und Geschwindigkeit entfalten. Obwohl der Megatrend der Digitalisierung unübersehbar und unbestreitbar ist, enthält er eine Reihe von Unbestimmtheiten und Ungleichzeitigkeiten. Wie und wann die digitale Transformation die Chemiebranche treffen wird, ist noch nicht ausgemacht. In der „Digital-Vortex"-Studie ergibt sich aus der Befragung US-amerikanischer Manager und Unternehmer eine Rangfolge der Abschätzung, wann welche Industrien von der Disruption erfasst würden: Anfälligkeit von Branchen für digitalen Umbruch8

Technologieprodukte und -dienstleistungen 1 Medien und Unterhaltung 2 Einzelhandel 3 Finanzdienstleistungen 4 Telekommunikation 5 Bildungswesen 6 Hotels und Gaststätten, Reisebranche 7 Konsumgüterindustrie und erzeugendes Gewerbe 8 Gesundheitswesen 9 Versorgungsbetriebe 10 Öl und Gas 11 Pharmazeutische Industrie 12

Die amerikanische Einschätzung mag für die europäischen Märkte nicht ohne Weiteres übernommen werden, aber die globalen Verflechtungen erzeugen Wettbewerbssituationen, auf die man anders vorbereitet sein muss, als bei uns noch allgemein erörtert wird. Die Chemie-Industrie ist in der „Digital-Vortex"-Studie nur durch die „Pharmazie" vertreten und steht an letzter Stelle möglicher Disruption. Andere sehen das bereits für den Pharmabereich anders: „Sehr aggressiv gehen derzeit die Branchen Finanzdienstleistungen, Handel und Pharma das Thema Big Data an.“9

8 IMD/Cisco 2015, S. 21. 9 Giersberg 2015, S. 16: Sp. 2.

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In dieser Situation ist zu fragen, ob es sinnvoll ist, sich an einem prozessübergreifenden Leitbild wie der „digitalen Fabrik“ (Siemens) zu orientieren. Es ist fraglich, ob es für die Unternehmen der Industrie im Allgemeinen und für die der chemischen Industrie im Besonderen geeignet ist. Statt einem allgemeingültigen Leitbild zu folgen, scheint es vielmehr empfehlenswert, den sich abzeichnenden Veränderungen sorgfältig und mit höchster Aufmerksamkeit nachzugehen. „Ist der gegenwärtige Ausgangspunkt „Chemie 2.0“ oder „Chemie 4.0“?“ Es ist diese pragmatische prüfende Haltung, die es den strategisch relevanten Akteuren in Branche und Unternehmen erlaubt, die Gestaltungspotenziale zu nutzen. Sorgfältige Prüfung, gegebenenfalls die Durchführung unternehmensbezogener oder von Branchen-Fallanalysen, bedeutet zweierlei. Zum einen die Unterscheidung von digital bedingten Umbrüchen in Unternehmen (dort: einzelne Bereiche), an Schnittstellen zu den Märkten (z. B. Wertschöpfungsketten) und in der Gesellschaft (die digitalen Veränderungen in den Lebenswelten der Bürgerinnen und Bürger und entsprechende Erwartungshaltungen). Zum anderen kommt aber eine neue Dimension hinzu: Querinnovationen und schneller Aufbau von Geschäftsmodellen aus anderen Bereichen, die plötzlich eine Branche ändern (Combinatorial Disruption). Die eigenen Unternehmen und Branchen zu beobachten reicht nicht mehr aus: Die wettbewerbliche Dynamik schlägt partiell in Digital Disruption um.10 Sind dem Prozess der Digitalisierung tatsächlich Antworten wie „Investitionen in Ausrüstung“ und erzwungene wachsende Kooperationsbereitschaft der Unternehmen adäquat? Zu unterscheiden sind Big-Data-Marktprozesse, die massiv die Produzenten-Kunden-Relationen (B2C, B2B) ändern11, von technologie-/produktionsgebundenen Prozessen, die sich einerseits auf die neuen Vertriebskanäle (Plattformen) einstellen müssen, zum anderen aber das eigene Ressourcen-, Einkaufs-, Verkaufs- und Personalmanagement revolutionieren. Es

10 Die Digitalisierung ist ein Evolutionsbeschleuniger. Aber nicht mehr die Evolution einer Branche, sondern Quer-Evolutionen: Wenn Google Autos baut und in die Sensor- wie in die Roboterindustrie einsteigt (beides Maschinenbau), Amazon ins Banking sich ausweitet, WhatsApp die Telekommunikationsbranche aufmischt etc. Auf die Frage, welche ihre stärksten Wettbewerber sind, antworten auf einer Tagung ältere Hotelmanager Hyatt, Hilton etc.; die jungen hingegen: Airbnb – kein Hotel, sondern eine Wohnungsvermittlungsplattform. Wenn sich Verbraucherkulturen ändern, müssen Unternehmen mitziehen. 11 „Big Data" ist die Kurzformel für massenhafte (statistische) Datenerhebungen in allen Transaktionsfeldern, die für Geschäftsprozesse unmittelbar verarbeitet werden können, d. h. die Märkte anders als bisher kontrollieren und steuern lassen können. Vgl. Deutsche Bank Studie 2014. Für einen klugen Überblick: Seemann 2014. Für die amerikanischen Einschätzungen: Brynjolfsson/McAfee 2014; Pentland 2014.

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geht um Einkaufskooperationen (Preis-Mengen-Effizienzen) und um Plattformen, in denen auch Industriegüter in Konkurrenz stehen (z. B. in Richtung „Auktionsprinzip"). Im Grunde erleben wir eine digital gestützte Renaissance von Monopolen und Kartellen, mit hoher Marktmacht und -durchdringung,12 nun aber immer transparenzoffen, weil allseitig aus dem Netz beobachtbar. Und zugleich wegen seiner Komplexität und Schnelligkeit intransparent. Der Trend zu Monopolen ist bei den großen Big-Data-Konzernen zu beobachten. Dieser Trend beruht auf umfassendem Datenzugriff; wer in diesen Dimension nicht schnell viele Nutzer bekommt, fällt aus dem Wettbewerb heraus. Peter Thiel macht daraus ein Strategiekonzept: ständiger Wettbewerb sei ineffizient (Thiel 2014). Doch sind das vorübergehende Tendenzen: auch die Internetkonzene können disruptiv enden. Die Empirie Dieses Papier greift als Datengrundlage auf eine Reihe empirischer Untersuchungen und Studien zurück, die aus Befragungen von fachlichen Experten und Managern gewonnen wurden. Die Daten haben den Status von erfahrungs- und wissensbasierten Beobachtungen und Einschätzungen, aber nicht von systematischen empirischen Unternehmens- und (Cross-)Branchenanalysen. Außerdem besitzen die Studien unterschiedliche Blickwinkel. Es gibt Studien, die maßgeblich von wirtschaftlichen Gewinnerwartungen geprägt sind und die Chancen der digitalen Transformation betonen. So könnte die digitale Transformation für Deutschland ein zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von 425 Milliarden Euro bis 2025 bieten. Andere Studien thematisieren die Risiken und rücken „Vermächtniswerte“ wie Unternehmensidentität, Stärken der Industrie und Sicherheit der Arbeitsplätze in den Vordergrund. Gegenwärtig gibt es für keine Sichtweise Sicherheiten. Aber diese erfahrungsbezogenen Extrapolationen können bei umsichtigem Gebrauch von Nutzen sein: Sie können Chancen und Risiken präzisieren und Hinweise auf Interventionspunkte geben. Auf keinen Fall kann empfohlen werden, auf ein fertiges „Endprodukt“ der digitalen Transformation zu warten. Ein Abwarten beraubt „die europäische Chemiebranche der Chance, zu vermeiden, weiter hinter die Chemie in Asien und letztendlich auch in Nordamerika zurückzufallen” (Roland- Berger-Studie II 2015).

12 Thiel 2014; kenntnisreich kritisch dagegen: Keen 2015.

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2. Digitalisierung, Unternehmen und Arbeit 2.1 Dimensionen der Digitalisierung Digitalisierung lässt sich anhand folgender Begriffe oder „Disruptionskriterien“ beschreiben: „Daten“, „Automatisierung“, „Vernetzung“, „Plattform-Mechanismen“ und „digitaler Kundenzugang“.13 Digitale Daten. „Befähigende Technologien“ („Enabler") – Telematik, Sensoren, eine hochwertige Breitbandversorgung, das Internet der Dinge etc. – ermöglichen die Erfassung, Sammlung, Verarbeitung und Auswertung digitalisierter Massendaten weltweit. Über hochwertige Formen von Verknüpfungen (Query) werden Wertschöpfungspotenziale sichtbar, die bisher nicht möglich waren, aber auch schnelle Anpassungen in einem Maße erfordern, auf die Unternehmen gewöhnlich nicht vorbereitet sind. Zudem können Start-ups, „gleichsam aus dem Nichts", marktbeherrschende Positionen gewinnen. Automatisierung. Durch Kombination klassischer Technologien mit künstlicher Intelligenz entstehen in der Fertigung zunehmend autonom arbeitende, sich selbst organisierende Systeme, welche die Fehlerquote senken, die Geschwindigkeit erhöhen und die Betriebskosten reduzieren. Sie versetzen die Unternehmen in die Lage, bessere Vorhersagen und Entscheidungen zu treffen und daraus zeitgerechte Schlussfolgerungen abzuleiten. Mit der „intelligenten“ Datenanalyse und -auswertung werden Entscheidungsprozesse in den Unternehmen nicht nur unterstützt, sondern z. T. ersetzt (algorithmische Entscheidungen). Sie werden in die Lage versetzt, enger und schneller mit Partnern zusammenzuarbeiten, direkt mit Endkunden zu kommunizieren und gezielt auf ihre Anforderungen einzugehen. Das Just-in-time-Prinzip erweitert sich über die Logistik hinaus in die unmittelbare Produktion.14 Es entstehen neue Marktpositionierungen und Nutzenversprechen („Value Propositions"): z. B. unabhängiges Logistikmanagement („Fourth-Party-Logistics",

13 Vgl. Roland-Berger-Studie I 2015. Ebenso Deutsche Bank Studie 2014. 14 „Es geht darum, ‚aus Fakten Werte zu schaffen’, also Daten so zu verdichten und in Echtzeit daraus Kennzahlen zur Verfügung zu stellen. ... Eine Schwierigkeit bei der Auswertung großer Datenmengen in Echtzeit ist, dass es nicht um eine Auswertung abgeschlossener Zeiträume gehe, sondern darum, aus aktuellen Daten sofort zukunftsgerichtete Entscheidungen abzuleiten“ (Christian Rast, KPMG, zit. in: Giersberg 2015). Es ist evident, dass das nicht ohne Algorithmen geht – eine Tendenz der Verlagerung von Management auf Mathematik. Ein Stichwort heißt: predictive Analysis: aus laufenden Daten Trends und Verhaltensmuster zu errechnen. Das ist etwas anderes als aus statistischen (vergangenen) Daten Trends zu extrapolieren.

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4PL), vorausschauende Instandhaltung („Predictive Maintenance"), die disruptiven Entwicklungen und digitalen Transformationen der Industrie den Weg bereiten. Wirkung und Schubkraft entfalten Technologien und Propositionen durch ihre Kombination (Stichwort: Combinatorial Disruptions). Der Mehrwert ergibt sich häufig aus der Vernetzung zuvor eigenständiger Systeme und der Verbindung bislang getrennter Sphären. Vernetzung. Durch die mobile oder leitungsgebundene Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette über hochbreitbandige Telekommunikation werden Lieferketten synchronisiert, es verkürzen sich Produktionszeiten und Innovationszyklen. Die automatisierten Fertigungssysteme können eine unmittelbare Umstellung von Aufträgen – in allen Losgrößen – leisten. Diese Perspektiven und Entwicklungen verändern den industriellen Status quo. Die digitale Transformation verstärkt nicht einfach existierende Stärken der deutschen Industrie wie die enge und unmittelbare Verzahnung mit den Kunden und die enorme Fertigungskompetenz, die sich in spezialisierter Hardware niederschlägt und in eingebetteter („embedded") Software, die das gesamte Fachwissen und die Erfahrung der Unternehmen codiert und für hochwertige Produktion nutzbar macht. Es ist damit zu rechnen, dass die digitale Transformation diese Stärken infrage stellt:

• Sie verschiebt die Wertschöpfung im produzierenden Gewerbe zugunsten einfacher, standardisierter IT-Lösungen.

• Neue Anbieter drohen die Industrie von der Schnittstelle zum Kunden zu verdrängen („Disruption“).15,16

Aus dieser Verschiebung des Wertschöpfungsanteils und der Disruption der Kundenschnittstelle ergibt sich nach Roland Berger ein Szenario, das die starke Stellung der deutschen und europäischen Weltmarktführer nachhaltig bedroht.17

15 Vgl. Roland-Berger-Studie I 2015 und IMD/Cisco 2015. 16 Beispiel Automobilhersteller. Volkswagen, Fiat, Renault und andere europäische Hersteller haben sich unter der Führung von Google einer „Plattform“, der Open Automotive Alliance (OAA), angeschlossen. Diese „Plattform“ für das vernetzte Auto („Connected Car") könnte jene Marktteilnehmer, die nur auf inkrementelle Veränderungen setzen und nicht in digitale Plattformen investieren, durch neue Standards von Allianzen wie der OAA be- oder verdrängen. Entscheidend dürfte sein, welche Bedeutung der Integration des Automobils ins digitale Ökosystem zukommt. 17 Wie radikal disruptive Veränderungen durch neue Technologien auf etablierte und scheinbar stabile Industrien wirken, hat sich in der europäischen Mobilfunkbranche gezeigt. Noch vor einem Jahrzehnt galten Alcatel, Nokia und Siemens als zukunftsträchtige Global Player. Doch blendenden Aussichten, hohen Forschungsinvestitionen und führender Technologie zum Trotz erfolgte nur wenig

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Nun sind das Beraterszenarien, die gewichtet werden sollen, aber die Tendenz ist eindeutig. Der Maschinenbauer und VDMA-Präsident Reinhold Festge warnt: „Eine ganze Branche muss sich umstellen.“18 Die Verfügbarkeit digitaler Massendaten, die Automatisierung von Fertigungsprozessen, die Vernetzung von Wertschöpfungsketten und die Herausbildung digitaler Kundenschnittstellen ermöglichen die Transformation von Geschäftsmodellen zur Neugliederung ganzer Branchen19 und die Delokalisierung von Standorten. Ein Unternehmen kann seine Software aus jedem beliebigen Land der Welt beziehen, vor allem aber die Produktion global dezentralisiert ständig optimieren. Industrie 4.0 ergibt eine andere Logik: Indem über Big Data alle Prozesse unmittelbar, d. h. in Echtzeit, beobachtet werden können, folgt aus dieser netz-technologischen Logik, dass alle Produktionsprozesse unmittelbar auf Änderungen in den Datenströmen reagieren können sollten. Es ist ein höherer Automatisierungsgrad als bisher erreicht, der nicht nur die direkten Produktionsprozesse, sondern gerade auch alle anderen: Einkauf, Logistik, Vertrieb, Forschung, Kalkulation etc. miteinander vernetzt und synchronisiert. Was bisher noch an Kopplungen gemanagt und fachlich verarbeitet werden musste, kann in der Tendenz automatisiert ablaufen (algorithmengesteuert). Es geht nicht um eine neue Stufe der IT-Vernetzung allein, sondern Industrie 4.0. hat vor allem organisatorische Konsequenzen. Die Organisation – und zum Teil das Management – wird automatisiert. Bei durchgängiger Vernetzung können Disruptoren bestehende Wertschöpfungsketten in ihre kleinsten Bestandteile zerlegen und sie dank niedriger Transaktionskosten neu wieder zusammensetzen. Online-Spieler wie Amazon sind traditionellen Unternehmen häufig überlegen, wenn es gilt, Ineffizienzen in Wertschöpfungsketten zu ihren Gunsten zu nutzen. Gegenwärtig halten deutsche Unternehmen mit ihrem tiefen Verständnis von Fertigungsprozessen und ihrer Nähe zur Kundenschnittstelle dagegen. Doch ändern sich die Marktkulturen: Über Plattformen kommunizieren die Konsumenten selber. Die zentralen Vertriebsorganisationen der Unternehmen müssen jetzt mit später der Absturz der europäischen Branchenstars in die Bedeutungslosigkeit. Aus gegebenem Anlass beginnen wir z. B. VW daraufhin zu beobachten, wie der Konzern die technologischen Herausforderungen meistern wird. Oder wie die deutschen Sparkassen den Digital Turn schaffen werden. 18 Festge 2015. 19 Vgl. Roland-Berger-Studie I 2015.

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dezentralen, nicht kontrollierbaren Plattformbewegungen rechnen. Wie kontrolliert man Plattformen?20 Wertschöpfungsketten werden zu dynamischen Wertschöpfungsnetzwerken. Wertschöpfungsnetzwerke sind Kooperationsformen mit wechselnden Partner. Z.B. bei Plattformen: der Gewinn der Plattform (z.B. Amazon) beruht darauf, das weit verzweigte Netzwerke (Kunden, communities, Firmen) sie bedienen. Dies bedeutet aber: Wertschöpfung findet nicht länger sequenziell und zeitversetzt statt, sondern in einem Geflecht ständig quer kommunizierender und flexibel aufeinander reagierender Einheiten, die sich weitgehend selbst organisieren. Industrie 4.0. bedeutet, technische Prozessdaten in Echtzeit auszuwerten und in den Produktions- wie in den Einkaufs-, Logistik- und Vertriebsprozess einzuspielen. Die Organisation von Wertschöpfung in dynamischen Netzwerken verändert den Wettbewerb grundlegend. Neben Kostenreduktion im bestehenden Geschäft, vertikaler und horizontaler Integration tritt nun die Digitalisierung als weitere Möglichkeit, die eigene Wertschöpfung zu erhöhen und Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Zugleich aber erhöht sich das Risiko, durch neue Wettbewerber in diesen Prozessen überholt zu werden. Das geschieht momentan vornehmlich durch intelligentere Datennutzungsmodelle (Plattformen und Plattformenkonkurrenzen), wird aber die technologischen Bereiche bald erfassen. Massive Datennutzungen lassen neue Technologien (Housing, Verkehr, Energie etc.) erfinden. Aber es wird auch Geschäftsmodelle geben, die weltweit Restproduktionskapazitäten von beliebigen Industrien anmieten, um eigene Produkte im Online-Endhandel zu verkaufen, ohne selber zu investieren etc. Digitaler Kundenzugang. Durch das (mobile) Internet erlangen neue Intermediäre direkten Zugang zum Kunden und bieten ihm vollständige Transparenz und völlig neuartige Services. Neue Geschäftsmodelle. Die von Google entwickelten industriellen plattformbasierten Geschäftsmodelle – ausgehend von bestehenden Geschäftsmodellen in anliegenden Bereichen – zeigen, dass dieses Unternehmen das produzierende Gewerbe längst als Wachstumsfeld für sich entdeckt hat. All seine Projekte haben einen disruptiven Charakter für die etablierten Unternehmen. Es definiert Geschäftsmodelle auf Basis seiner Kernkompetenz „Daten" und seines Zugangs zu Endkunden neu.

20 Vgl. Seemann 2014: Teil II.6 und Kap. 3 und 4.

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Gegenwärtige digitale Reife der Unternehmen Gegenwärtig hat sich lediglich die Hälfte der Geschäftsführer und Vorstände intensiv mit der digitalen Transformation beschäftigt. Der Indikator der digitalen Reife erfasst die Fähigkeit von Unternehmen, aus der digitalen Transformation Vorteile zu schöpfen. Dies erfordert:

• Identifikation und Bewertung aktueller Entwicklungen und Trends der digitalen Ökonomie

• Realisierung von Effizienzpotenzialen im bestehenden Geschäftsmodell • Identifikation disruptiver Veränderungen im eigenen Geschäftsmodell und

darauf aufbauende Definition neuer Geschäftsmodelle • Einleitung eines umfassenden Wandels der Unternehmenskultur zur

Durchführung notwendiger Maßnahmen Nur rund 30 % der deutschen Unternehmen schätzen ihre eigene digitale Reife als hoch oder sehr hoch ein. Dabei liegt dieser Wert bei größeren und profitableren Unternehmen im Durchschnitt deutlich höher (62 %). Die Branchen Chemie, Logistik und Energie liegen vorne. Das Schlusslicht bilden mittelgroße Unternehmen.21 Andere Studien22 besagen, dass 61 % der deutschen (befragten) Vorstandsvorsitzenden besorgt sind, dass das eigene Geschäftsmodell durch Wettbewerber aufgebrochen werden könnte. Mehr als die Hälfte der Befragten zweifelt, ob ihre Produkte noch in drei Jahren weiter gefragt sein werden. 88 % sehen die Gefahr, dass sie die Loyalität ihrer Kunden verlieren.23 Aber auch Grenzen werden bereits genannt: zum einen die mangelnde Datenschutzsicherheit.24 „Als echte Bremse erweist sich indes für sie die fehlende Big-Data-Expertise. So beklagen 63 Prozent fehlendes fachliches, 61 Prozent

21 Roland-Berger-Studie I 2015, S. 27. 22 KPMG CEO Outlook 2015, zit. in: Knop 2015, S. 22. 23 Die Capgemini/EMC-Studie (1000 Befragte) von 2015 erbringt folgende Einschätzungen: 64 % der Unternehmen sind der Meinung, dass Big Data die traditionellen Branchengrenzen verschieben und neue Wettbewerber in den Markt bringen wird. 53 % befürchten eine Konkurrenz durch Start-ups. 59 % sind überzeugt, dass Daten zu einem wichtigen Bestandteil des Unternehmens werden. 61 % sehen Big Data bereits jetzt als eine Umsatzquelle. Allerdings sind von den deutschen Unternehmen erst 58 % dabei, Big-Data-Technologien zu implementieren, von den internationalen hingegen bereits 71 % (Capgemini/EMC 2015). 24 BARC-Studie 2015: Hot Spot 4.

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fehlendes technisches Know-how. Die Industrie und ihr ,Großprojekt’ Industrie 4.0 laufen dadurch ernsthaft Gefahr, nicht aus den Startblöcken zu kommen.”25

„Viele deutsche Unternehmen stehen vor tief greifenden Veränderungen. Ein volatiles Umfeld, hohe technologische Dynamik und das veränderte Kundenverhalten zwingen die Unternehmen dazu, ihre Strategie zu ändern oder sogar ihr Geschäftsmodell komplett infrage zu stellen.“26 Disruptive Umgebung der Unternehmen Nimmt man die disruptive Umgebung der Unternehmen in den Blick, so sieht die Liste der eben genannten vier Punkte der digitalen Transformation anders aus:

Welche Fähigkeiten sind erforderlich, um Anschaffungs-, Erfahrungs- oder Plattformwert für den Kunden zu steigern? Wie können wir Fähigkeiten kombinieren, um den Wert für unsere Kunden zu maximieren? In welchem Maße haben wir diese Fähigkeiten schon heute? In welchem Maße verfügen Mitbewerber – sowohl traditionelle Gegner als auch „Superwettbewerber” – über diese Fähigkeiten? Wenn sich die Landschaft aufgrund digitalen Umbruchs dramatisch verändert, wie schnell können wir uns dann anpassen? Sind unsere Mitarbeiter, Prozesse und Technologien beweglich genug? Wie steigern wir die Beweglichkeit unseres Unternehmens, um sicherzustellen, dass wir neue Umbrüche abwehren (oder uns zunutze machen) können?

Die Fragen sind radikaler als die ruhigen vier Transformationsgebote, die oben gelistet sind. Die Kundenbedienung (nicht nur B2C, sondern auch B2B) steht an erster Stelle, verknüpft mit der Frage, ob man die entsprechenden Kompetenzen im Unternehmen hat. Denn nur so lässt sich die zweite entscheidende Frage angehen: Wie agil, d. h., wie schnell und radikal änderungsfähig ist die eigene Organisation? Hat man die richtigen Leute, Technologien und Prozesse dafür?27 Ist man gewappnet, der Disruption zu begegnen? D. h., ist man in der Lage, seine organisatorischen und Geschäftsmodelländerungen schneller als der

25 BARC-Studie 2015: Hot Spot 6. 26 Angelika Huber-Straßer, Bereichsvorstand Corporates bei KPMG, zit. in: Knop 2015. 27 Siehe die Ausführungen zum „organisatorischen Kapital“ von Unternehmen und zu dem Potenzial von Beschäftigten, mit Unvorhersehbarem umzugehen (weiter unten).

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Wettbewerber durchzuführen? Kann man die Wettbewerber noch zuverlässig identifizieren – wenn sie aus gänzlich anderen Branchen kommen? Der Beobachtungshorizont muss über die eigene Branche hinaus erweitert werden. Und das eigene Innovationspotenzial muss erhöht werden.28

2.2 Digitalisierung der Arbeit Vier Innovationsfelder Die digitale Transformation verändert die vier Innovationsfelder „Produkte“, „technische Prozesse“, „Dienstleistungen“ und „Organisation“.29 Bislang galt: Unternehmen sind dann erfolgreich, wenn sie zwischen diesen vier Feldern Wechselwirkungen organisieren. Zu den „Produktinnovationen“ gehören zum Beispiel intelligente Textilien („Smart Fabrics"), Roboter („kollaborative Roboter“, „robotische Ameisen“), „intelligente Pumpen“, Sensoren für die Online-Messung bei Bioreaktoren in der pharmazeutischen Industrie oder Entleerungs- und Spülringe für die chemische Industrie, neue, leichter verlegbare Stromkabel, „virtuelle Kraftwerke“, die marktreife Umsetzung des 3-D-Drucks (vom Flugzeugbau über Medizintechnik zur Nahrungsmittelproduktion bis hin zu völlig neuartigen Produktionsmethoden im Maschinenbau) etc. Mit Blick auf „technische Prozesse“ lässt sich sagen, dass für den Lebenszyklus von Prozessanlagen die Digitalisierung mit ihrem durchgängigen Datenmodell eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Der Großteil der Prozessindustrie unterscheidet sich hinsichtlich der Anforderungen von der diskreten oder Hybridindustrie. Die Prozessindustrie ist derzeit geprägt von einer Volatilität und Heterogenität der globalen Märkte, einem hohen, vom Standort abhängigen Kostendruck, der

28 Es gibt gute Gründe dafür – die radikale amerikanische Option – den Digital-Change-Prozess von einer aus der Organisation ausgelagerten jungen und dynamischen Organisation vollziehen zu lassen, die den Auftrag bekommt, das bisherige Geschäftsmodell völlig infrage zu stellen und umzuwandeln, d. h. an der eigenen Organisation die Disruption zu vollziehen, bevor sie der Wettbewerber aufdrängt. D. h., die eigene Unternehmung als Start-up neu zu erfinden. Natürlich wesentlich ohne das Personal der alten Organisation. Auch ohne dessen Management, um alle Trägheiten, alten Einstellungen und Routinen abzublocken („Organizational Co-innovation“ (vgl. Brynjolfsson/McAfee 2014)). Gibt es andere Change Processes? Wer organisiert sie und setzt sie in den Unternehmen durch? Die Fragen berühren den Kern des Managementverständnisses. Wie sind die Unternehmen dafür disponiert? 29 Porter 1985, Fraunhofer ISI 2014.

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Energie- und Ressourceneffizienz sowie einem demografischen Wandel, der sich nicht zuletzt in einem Fachkräftemangel für das Engineering und den Anlagenbetrieb niederschlägt. Dienstleistungen in Unternehmen: industrielle Kommunikation: z. B. umfassendes Angebot aufeinander abgestimmter Kommunikationsnetze von AS-Interface bis Industrial Ethernet; Industrial Security: Anlagen- und Netzwerksicherheit, Systemintegrität. Wenn „Produkte“, „technische Prozesse“ und „Dienstleistungen“ zunehmend von automatisierter Datengewinnung und Informationsgenerierung bestimmt sind, welchen Einfluss hat die Digitalisierung dann auf „organisatorische Innovationen“? Welche Bedeutung hat sie für das Wissen der Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten, mit technischen und organisatorischen Veränderungen umzugehen? Organisatorisches Kapital Organisatorische Innovationen beruhen auf „organisatorischem Kapital“, d. h. auf einem Wissen der Beschäftigten, das auf die Arbeitsabläufe, organisatorische Fragen, Kooperation und Kommunikation bezogen ist. Damit sind die Beschäftigten in der Lage, auf unvorhersehbare Situationen wie Störungen, Knappheiten oder Krisen zu reagieren..30 Organisatorisches Kapital ist in der Industrie weit verbreitet. Dafür ist eine qualifizierte Ausbildung – 67 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besitzen sie in Deutschland – nicht der einzige Maßstab. Die Fähigkeit, auf Unvorhergesehenes reagieren zu können, ist eine Kompetenz, die sich im Umgang mit Komplexität entwickelt, aber nicht aus Büchern oder aus dem Unterricht erlernbar ist. Für diese Art des Wissens wurde ein „Arbeitsvermögens-Index“31

entwickelt und er zeigt: 71 % der Beschäftigten, darunter auch geringer qualifizierte, besitzen dieses Vermögen, mit dem Wandel am Arbeitsplatz umzugehen. Welche neuen Wissensprozesse aber gehen mit der Digitalisierung in Gestalt des „Information Engineering“ einher?32 Ist damit zu rechnen, dass digitales

30 Mit Blick auf Krisenerfahrungen: CSSA 2015. Mit Blick auf arbeitsorganisatorische Kontexte sind „Flexibilisierung“ und „Employability“ gefragt. 31 Vgl. Pfeiffer/Suphan, 2015a; 2015b. 32 Schilcher/Diekmann 2015.

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„Maschinenwissen“ die lebendige Arbeit ersetzt und die Zahl der Arbeitsplätze im großen Maßstab verringert wird, wenn die Digitalisierung die Automatisierung weiter vorantreibt? Und wie weit ist das organisatorische Kapital in der Lage, größere, durch die Digitalisierung eingeleitete Änderungen zu bewerkstelligen, d. h. Prozesse, die in dieser Form neu sind und nicht auf die bisherigen Erfahrungen zurückgreifen können? Keine Automatismen: Arbeitsplatzverluste und „Upgrading“ Fachleute sagen: Die Gleichung „Digitalisierung = Automatisierung = Arbeitsplatzabbau“ greift zu kurz.33 Anlagenführer z. B., die Roboter bewachen, müssen regelmäßig während einer Schicht eingreifen, um Störungen zu vermeiden. Die Arbeit bleibt komplex. Die in stark automatisierten Bereichen Beschäftigten müssen quasi die gesamten Produktionsabläufe kennen und alles einschätzen können. Je mehr Technik, desto mehr Komplexität und Unerwartbares. Die Voraussetzung dafür ist eine qualifizierte Ausbildung.34 VDMA-Präsident Reinhold Festge spricht von einer notwendigen „Umschulung (Reskill) der gesamten Branche“ (Maschinenbau).35 Anders der amerikanische Blick, der von einer Zunahme der High-Level-Competences spricht, aber vom einem Downgrading der einfachen und z. T. der mittleren Arbeiten.36 Können die Beschäftigten davon ausgehen, dass sie auch zukünftig als Erfahrungsträger, Entscheider und Koordinatoren arbeiten werden?37 Dies ist

33 Pfeiffer 2015. Die gegenwärtig öffentlich diskutierten Zahlen darüber, wie viele Arbeitsplätze durch Industrie 4.0 entfallen und wie viele andere neu entstehen werden, basieren auf folgender Annahme: Routinearbeit = Maschinenarbeit = Arbeit, in der Menschen ersetzbar werden. Dies ist aber nicht zutreffend. So muss ein Anlagenführer, der 8 Roboter bewacht, 20- bis 30-mal pro Schicht eingreifen, um Störungen zu vermeiden. Oder: Für die Reinigung der auf Achsen quer fahrenden Roboter hat ein Team ein verschleißfreies Reinigungssystem entwickelt. M. a. W., selbst Produktionsbereiche mit einem hohen Automatisierungs- oder Robotisierungsgrad sind auf Beschäftigte angewiesen, die den Umgang mit Komplexität beherrschen oder die, anders gesagt, alles kennen und einschätzen können. – Siehe auch Hirsch-Kreinsen 2015b und Eichhorst / Arni / Buhlmann / Isphording / Tosch 2015. 34 Entwicklung von Medienkompetenz. Den Auszubildenden müssen zukünftig nicht leicht automatisierbare Qualifikationen wie Koordination, Projektmanagement und kommunikative Skills vermittelt werden. Die Leistung von Rechnern und die Möglichkeiten der Übertragung sowie Speicherung von Daten werden weiterhin exponentiell wachsen. Durch die technologischen Sprünge ergeben sich ständig neue Anwendungsmöglichkeiten und Unterstützungspotenziale, die zukünftig eine noch schnellere Anpassung der Bildungsinhalte erfordern könnten. 35 Festge 2015. 36 Brynjolfsson/McAfee 2014.

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angesichts der Empirie ungewiss. Dennoch lässt sich vermuten, dass es zumindest kein automatisches „Upgrading“ geben wird.38 Industrie 4.0 ist ein „sozio-technisches System“, das keine Eindeutigkeit in der Entwicklung von Arbeit und Technik und keine festliegende Beziehung zwischen beiden besitzt. Industrie 4.0 ist vielmehr gestaltungsoffen. Die BCG-Studie II beschreibt unterschiedliche Anwendungsfälle („Use-Cases"), in denen die Auswirkungen von Industrie 4.0 auf Tätigkeitsprofile in der industriellen Produktion greifbar werden. Überblicksartig werden folgende Tätigkeitsbilder genannt:

• Industrie-Datenanalysten und Roboterkoordinatoren sind Job-Profile, die in Zukunft besonders häufig nachgefragt werden.

• Datengetriebene Qualitätskontrolle, Produktionslinien-Simulation, smarte Vernetzung der Produktionsvorräte und -lieferungen oder vorhersehbare Wartung und Instandhaltung werden zur Norm – bis hin zu selbstfahrenden Fahrzeugen in der Logistik.

• Hersteller werden Maschinen zunehmend verleihen und Arbeitskräfte einstellen, die sich um Service und Wartung kümmern.

• Neben Produktionslinien für Massenprodukte werden sich Spezialisten um die Anfertigung besonders komplexer Produkte kümmern, beispielsweise mithilfe von 3-D-Druckern.

• Virtual-Reality-Brillen und Roboter werden viele Tätigkeiten und das Bedienen der digitalen Fabrik vereinfachen.

Das sind nur Ausschnitte möglicher Veränderungen. Sie dienen dazu, sich ein Bild zu machen, ersetzen aber nicht die Transformationsanalysen im eignen Bereich, der ganz andere Ausprägungen erfahren kann. Die Vernetzungspotenziale entfalten sich gerade erst. Die ebenfalls sich entwickelnden Sensortechnologien werden alle Bereiche durchdringen und komplexe Steuerung zugänglich machen. Vieldimensionaler Wandel von Produktionsarbeit Das organisatorische Kapital eines Unternehmens ist maßgeblich abhängig von der Verfasstheit aller direkt und indirekt wertschöpfenden Tätigkeiten. Dabei handelt es sich um die operative Ebene des Fertigungspersonals, die Bereiche des

37 Kagermann 2014. 38 Vergl. Hirsch-Kreinsen 2015a.

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unteren und mittleren Managements von Produktionsprozessen und die Gruppe der technischen Experten.39 (1) An der Mensch-Maschine-Schnittstelle müssen die „Ironies of Automation“ bewältigt werden. Diese besagen: Automatisierte Prozesse erzeugen auf-grund ihres hohen Routinecharakters, bei Störungen nur schwer zu bewältigende Arbeitssituationen. Dies hängt damit zusammen, dass routinehafte Überwachungstätigkeiten und mangelnde Systemtransparenz, eine monotone „Normalsituation“, mit abnehmendem Systemverständnis einhergehen. Unerwartete und kritische Systemzustände beinhalten ein hohes Störpotenzial, weil fehlendes Verständnis und geringe Handlungsmöglichkeiten sowie mangelnde Reaktionsfähigkeit zu einem „Kontrollentzug“ durch Technik führen. Deshalb muss „Awareness“ sichergestellt werden.40 (2) Für die operative Ebene („Shop-Floor“) kann die Digitalisierung unterschiedliche Szenarios auf den Plan rufen:

• erstens: partielle Substitution einfacher, repetitiver Aufgaben wie z. B. Logistik, Maschinenbedienung oder Datenerfassung;

• zweitens: die Erosion bisher anspruchsvoller Aufgaben (Standardisierung von Aufgaben – Verbleib begrenzt qualifizierter „Residualaufgaben“, Überwachungstätigkeiten, Dispositionsaufgaben);

• drittens: Aufgabenerweiterung und Tätigkeitsanreicherung (breite Überwachungsaufgaben, hohe Handlungsspielräume, „informierte Entscheider“, Integration von Produktionswissen und IT-Kompetenzen).

Für beide Dimensionen, für die Mensch-Maschine-Schnittstelle und die operative Ebene, stellt sich die Frage: Führt die Digitalisierung zu einem Gegensatz von differenzierten und ganzheitlichen Tätigkeiten?41

39 Hohe Aufmerksamkeitskompetenz mit schneller Eingriffskompetenz. Vergl. Hirsch-Kreinsen 2015a 40 Weick/Sutcliffe 2003, Langer 2015. 41 Konsequenzen für Qualifikationen: Anlernung vs. Qualifizierung? - Entwertung von Fachqualifikationen: spezielles Fachwissen unnötig, z. B. standardisierter Systembetrieb - Erweiterte Fachqualifikationen: Produktionswissen, Erfahrungswissen, neue IT-Kompetenzen Einführungsphasen, Störungsbewältigung, Systemschnittstellen - Fähigkeiten informeller Kooperation und Kommunikation sowie „Ad-hoc-Lernen“ zur Beherrschung der komplexen Systeme. Vgl. auch die neuste IZA/Bertelsmannstudie: Eichhorst / Arni / Buhlmann / Isphording / Tosch 2015.

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(3) In indirekten Bereichen – Planung, Steuerung, Systemgestaltung, generell Engineering – sind folgende alternative Entwicklungen denkbar:

• erstens: Abgabe von dispositiven Kompetenzen „nach unten“, Hierarchieabbau und Dezentralisierungsschub

• zweitens: Substitution von Planungs- und Steuerungsfunktionen sowie von Serviceaufgaben, Reduktion von Engineeringaufwand durch Simulation, z. B. bei Systemkonfiguration

• drittens: erweiterte Entscheidungsspielräume (Simulation, „Trouble- shooting“, neue Anforderungen des Designs, der Einführung und der Überwachung der Systeme, Ausdifferenzierung von Engineeringtätigkeiten).

(4) Führungskräfte/Leitungsebenen – unteres und mittleres Produktions-management. Die Digitalisierung der Arbeit hat seit etwa vier Jahren das Thema Führung grundlegend verändert.

• Zum einen ist die Substitution von Leitungsebenen infolge von Dezentralisierung denkbar. Und auch infolge der Automatisierung von Entscheidungsprozessen durch Algorithmen.

• Zum anderen entstehen neue Aufgaben für Führungskräfte.42 Unternehmen suchen nach einer Alternative zur fordistischen Fabrik und zum „Silodenken“. Wachsende Ausdifferenzierung bedeutet, dass Führung zur Teamaufgabe vor dem Hintergrund wachsender Komplexität wird. (Generell wachsende Bedeutung von „Soft Skills“, Kommunikationsfähigkeiten). Dabei erschweren widersprüchliche Leitbilder – to execute (Zahlen) vs Coach (für Mitarbeiter) – die Orientierung. Einer steigenden Unsicherheit steht ein Verlust von Handlungsspielräumen gegenüber. Wenn aber Unternehmen den Übergang in digitalisierte Arbeit schaffen wollen, müssen sie Führungskräfte zu Promotoren machen. Die Aufwertung des Personalmanagements (inklusive des Weiterbildungsmanagements) erscheint unverzichtbar.43

Die Entwicklung des organisatorischen Kapitals ist gestaltungsabhängig.

• Wie wird es sich entwickeln? • Werden Tätigkeiten und Entscheidungsspielräume der Beschäftigten

erweitert oder weniger anspruchsvoll? • Werden Fachqualifikationen und Kooperations- und

Kommunikationskompetenzen auf- oder abgewertet?

42 Boes 2015. 43 Vgl. auch Abschnitt 2 der Robert-Bosch-Studie 2013.

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• Werden eher flache Hierarchien entstehen oder werden dispositive und ausführende Ebene polarisiert?

Wählbarkeit des Arbeitsorts/Freelancer Die Tatsache, dass die technologische Entwicklung die Artefakte immer leichter und kleiner hat werden lassen, eröffnet große Flexibilitätspotenziale und Freiheitsgrade. Mehr Beschäftigte können heute den Ort der Arbeit freier wählen, weil sie ihre Arbeitsumgebung überallhin mitnehmen können. Allerdings muss die Situation, dass Arbeiten und Nichtarbeiten nah beieinander sind, beherrscht werden. Die Möglichkeit, Arbeitsprozesse selbst zu bestimmen, sollte genutzt werden. Viele Menschen wünschen sich diese Freiheit und Selbstständigkeit und sehen sie als wesentliches Element ihrer Lebensgestaltung.44 Durch die digitalen Medien ist es auch einfacher geworden, freie Mitarbeiter in Arbeitsprozesse einzubeziehen, selbst wenn komplexe Daten zu bearbeiten sind. Es wird mehr Freelancer geben. U. a. auch deshalb, weil sich Arbeitsinhalte häufig ändern und Unternehmen nicht wissen, welche Kompetenzen sie morgen brauchen. Sie greifen lieber je nach Bedarf auf Fachkräfte zurück, statt diese fest anzustellen (ein anderes Personalfixkostenmanagement). Mit dieser Flexibilisierung der Belegschaft überträgt sich damit aber auch ein Teil des Geschäftsrisikos auf die freien Mitarbeiter.45 Aus den USA gibt es kritischere Einschätzungen. Im Banken- und Versicherungsbereich ersetzt die Digitalisierung große Gruppen von Angestellten (z. B. Auflösung der Filialen). Das wird auch auf den Handel zukommen. Aleksandar Kosic, Managing Director Research Deutsche Bank New York, entwickelt folgendes Szenario: In der Zukunft wird es vier Gruppen von Arbeitskräften geben – Erfinder, Erzieher, Verkäufer und Arbeiter. „Die ersten drei verfügen über persönliche Fähigkeiten, die nicht vollautomatisch erfolgen können. Die Arbeiter stünden dagegen vor einer ‚trostlosen Zukunft‘; sie seien austauschbar und erweiterbar. Kosic prophezeit ‚Job-Auktionen’, in denen diese Arbeiter mit minimaler Verhandlungsmacht ihre reine Arbeitskraft versteigerten. Vermittler werden Stallungen mit einfacher Arbeit verwalten.“46 44 BMAS 2015. 45 Picot 2014. 46 Aleksandar Kosic, zit. in: Astheimer 2015, S. 21. Im Grunde eine Übernahme der Forschungen von Brynjolfsson/McAffee 2014. Für die europäischen Dimensionen lesen wir in der VDI-Studie 2014: „1. Menschliche Arbeit bleibt weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Produktion. 2. Die Aufgaben traditioneller Produktions- und Wissensarbeiter wachsen weiter zusammen. Produktionsarbeiter

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Aus dieser US-amerikanischen Sicht wird – im Kontrast – die Bedeutung von Gewerkschaften, Tarifrechten und Sozialpartnerschaften erneut deutlich, die eine andere institutionelle Basis für die europäische Entwicklung bilden.47 Für die USA prophezeit Kosic „die Umwandlung von einer Gesellschaft der Arbeitnehmer zu einer Gesellschaft der Arbeitgeber“. D. h., dass sich die Arbeiter „am Ende zu längeren Arbeitszeiten und schlechteren Löhnen selber beschäftigten“.48 Aus deutscher Sicht, gerade bezogen auf die Chemie, ergeben sich zwei Trends: Aufwertung der Facharbeit (neue Organisationsformen, veränderte Qualifikationsanforderungen: „Facharbeiter als Dirigenten der Wertschöpfung“) und Abbau einfacher Arbeit.49 „Eine menschenleere Fabrik erwartet für die chemische Industrie auf absehbare Zeit keiner der Befragten. Hier wurde von mehreren der befragten Experten darauf hingewiesen, dass u. a. aus Sicherheitsgründen keine Reduktion des Personals in der Produktion möglich sei. Eine weitere Reduzierung von Einfacharbeit, die allerdings bereits heute keine besondere Rolle mehr spielt, wird eher erwartet. Der technologische Wandel im Zuge dieser Veränderungen kann – so die Einschätzung einiger Experten – zu einer Reduzierung von Arbeitsplätzen für bestimmte Beschäftigtengruppen, z.B. bei Dienstleistungen wie Betriebsbuchhaltung, Einkauf und Vertrieb, aber auch bei der Instandhaltung und Betreuung von Anlagen, führen. Ferner gehen einige der befragten Experten davon aus, dass es eine größere Dienstleistungsnachfrage in Bezug auf externe Spezialisten geben wird, die die Hardware, Software und Module neuer Produktionsanlagen im Blick behalten.”50 Qualifikationen für die Zukunft Man darf die aus den USA stammenden Perspektiven aber für die Gestaltung der Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Die hochwertigen Tätigkeiten werden Bildungs- und Ausbildungsinvestitionen voraussetzen, die z.T. auf die

übernehmen vermehrt Aufgaben für die Produktentwicklung. 3. Mitarbeiter müssen für kurzfristige, weniger planbare Arbeitstätigkeiten on the Job qualifiziert werden. 4. Flexibilität muss zielgerichtet und systematisch organisiert werden“ (VDI-Studie 2014, S. 35). 47 Robert-Bosch-Studie 2013, Abschnitt 2. 48 Kosic zitiert in Astheimer 2015. 49 VDI-Studie 2014, S. 39. Auch die IZA/Bertelsmannstudie: Eichhorst / Arni / Buhlmann. / Isphording / Tosch 2015. 50 VDI-Studie 2014: S. 40.

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Arbeitnehmer selber verlagert werden und kognitive wie Wissensvoraussetzungen verlangen, die momentan in der Gesellschaft so nicht vorhanden sind. Dabei hat die Digitalisierung die Unternehmen längst erreicht. „2020 werden weltweit 50.000.000.000 intelligente Geräte am Netz hängen.“51 Vor Kurzem hat eine StepStone-Studie (2015) festgestellt, dass mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer ständig wachsende Anforderungen durch die Komplexität der Arbeitsinhalte sowie die Zeitvorgaben für deren Bearbeitung sieht. Eine Zunahme von unterschiedlichen Faktoren (Auswahl) im Arbeitsalltag wird festgestellt:

• Arbeitstempo (54 %) • Komplexität von Projekten (47 %) • Berufliche Nutzung des Internets (41 %) • Anzahl der E-Mails (33 %). 12 % der Befragten erhält mehr als 50 E-Mails

am Tag. • 20 % sprechen beruflich mindestens 2 Stunden pro Tag in einer anderen

Sprache Dennoch werden die für die Industrie 4.0 benötigten Fachkräfte momentan noch nicht bzw. nicht systematisch ausgebildet. Es fehlt an IT-kompetenten Mitarbeitern, die zugleich businessfähig sind. Vor ähnlichen Herausforderungen stand der Maschinenbau mit den Wirtschaftsingenieuren, die beides können müssen. Viele Change-Prozesse der digitalen Richtung scheitern, weil die IT-Abteilungen nicht in den organisationalen Change – und vor allem nicht in den Business-Change – integriert sind (wie umgekehrt die Kenntnis der Technologies und ihrer Potenziale in Führungskreisen unterentwickelt ist). Hier neue Ausbildungsarenen zu schaffen, wird ein Teil der Bewältigung der Digital Revolution sein. Zu den Qualifikationsanforderungen in der chemischen Industrie heißt es: „Z. B. seien gute Englischkenntnisse und zusätzlich eine solide Basis im technischen Englisch sowie profunde Informatikkenntnisse, Systemwissen- und -verständnis von großer Bedeutung in der zukünftigen Produktion. Insbesondere die mangelnden Informatikkenntnisse seien heute, insbesondere bei den älteren Mitarbeitern, schon eine große Herausforderung. Die Branche könne bei diesem Punkt jedoch vom Generationenwechsel profitieren, da eine wachsende Zahl der jüngeren Mitarbeiter zu den ‚Digital Natives‘ gehört, die bereits seit ihrem Kindesalter mit (mobilen) Computern und dem Internet vertraut sind.“52

51 StepStone-Studie 2015, S. 6. 52 VDI-Studie 2014: S. 40.

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Hier wird es wiederum entscheidend auf die Qualität der praktischen Umsetzung ankommen, damit sich tatsächlich neues organisatorisches Kapital bildet. Die chemische Industrie kann aufgrund der Sozialpartnerschaft, d. h. durch die Kooperation des BAVC und der IG BCE auf Branchenebene und in den Unternehmen, auf eine Reihe von Stärken zurückgreifen:

• Durch die Beobachtung von relevanten Trends (wie z. B. durch die Tarifverträge zum demografischen Wandel aus den Jahren 2008 und 2012) finden frühzeitig Dialoge über den zukünftigen Handlungsbedarf statt. Diese Tradition kann der Branche auch bei der digitalen Transformation zugutekommen.

• In den Unternehmen ist ein sozialpartnerschaftliches Organisationskapital entstanden, das in Fragen von digitaler Organisation und digitaler Arbeit die Analyse und Entwicklung von effizienten Lösungen begünstigen kann. Die Arbeitgeber – HR und Produktionsleitungen – haben mit den Betriebsräten nachweislich gute praxisnahe Lösungen gefunden.53

3. Die Chemiebranche: zeitversetzter digitaler Wandel Eine BDI-Studie, die Roland-Berger-Studie I 2015, prognostiziert drei Wellen der digitalen Transformation. Welle 1 betrifft die Automobil- und Logistikindustrie und hat den Charakter einer digitalen Zäsur. Die Automobilhersteller und ihre Zulieferindustrie befinden sich bereits in der Transformation und haben eine Reihe großer Programme wie die Einführung des IP-Protokolls im Fahrzeug angestoßen. Welle 2 betrifft die Medizintechnik, Elektroindustrie, Maschinen- und Anlagenbau und hat den Charakter eines digitalen Umbruchs. Digitale Umwälzungen im Gesundheitswesen: neue Kontaktmöglichkeiten zum Patienten, verbesserte Diagnostik durch Auswertung von Daten. Die Prognose für die Chemiebranche lautet: Sie wird in Welle 3 die Erfahrung eines zeitversetzten digitalen Wandels machen. Aufgrund von Prozessfertigung weist die chemische Industrie bereits einen hohen Automatisierungsgrad auf.54

53 Mit Blick auf die Gestaltung des demografischen Wandels siehe CSSA 2013. 54 Dies wird auch mit Blick auf die mittelständisch geprägte Industrie der Kunststoff- und Gummimaschinen bestätigt (Weber 2015). Dort heißt es, dass die Technologie zum großen Teil

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Neue digitale Technologien bringen weitere evolutionäre Verbesserungen, etwa effektivere Entwicklungen, höhere Liefersicherheit oder kleinere und flexiblere Produktionsanlagen. Nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion wird sich die digitale Transformation nicht überall mit derselben Wucht und Geschwindigkeit entfalten. Wie stark und grundlegend der Wandel einer Branche ausfällt, hängt jeweils von Wirkung, Skalierbarkeit und Durchsetzbarkeit digitaler Innovationen ab. Zwar sind nach der BDI-Studie55 in der chemischen Industrie bei den Prozessinnovationen keine kurzfristigen Innovationssprünge zu erwarten, doch deuten tief greifende inkrementelle Innovationen auf eine „stille Revolution“ hin, die es frühzeitig zu gestalten gilt.56

Es ist davon auszugehen, dass die Veränderung der Produktion in der chemischen Industrie mit ihren Wirkungen und Herausforderungen für Arbeit, Organisation und Qualifizierung zu einem dauerhaften Thema für Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften und Betriebsräte wird. Statt „Industrie 4.0“ spricht man in der chemischen Industrie über die „intelligente Fabrik“, die „Optimierung, Flexibilisierung, Modularisierung oder Digitalisierung der Produktion“ und von Chemie 4.0. Im Zentrum steht, die Prozesse von der Bestellung und Lieferung der Rohstoffe über die Fertigstellung und Auslieferung kontinuierlich und möglichst störungsfrei durchzuführen. Produktionsanlagen sollen zudem bei wechselnden Kundenaufträgen und Mengen optimal und effizient genutzt werden. Die Fraunhofer Gesellschaft schätzt die Industrie-4.0-Entwicklung der chemischen Industrie positiv ein: „Es wird eine kumulierte Produktivitätssteigerung durch Industrie 4.0 bis zum Jahr 2025 von 30 Prozent erwartet, wodurch eine Bruttowertschöpfung von 12,02 Mrd. € erwirtschaftet werden kann.”57

schon vorhanden ist (Datengenerierung in Maschinen, Ausrüstung von Maschinen mit Netzwerkschnittstellen) und dass Vernetzung schon heute Realität ist (CAM, MES-Systeme, Fernwartung). Dennoch ist „Umdenken“ erforderlich: „Die (R)evolution findet in den Köpfen statt!“ 55 Roland-Berger-Studie I 2015. 56 VDI-Studie 2014. Mit Blick auf Kunststoff- und Gummimaschinen: Weber 2015. 57 BITKOM/Fraunhofer-Gesellschaft 2014, S. 34.

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Chemische Industrie: BASF 2.0 – 4.058 2.0 3.0 4.0 1 Lieferkette Papiergestützte

abgeschottete Prozesse

Teilintegration interner und externer Datenquellen

Horizontal integriertes, partnerschaftliches Ökosystem

2 Fertigung Offline, manuell; korrigierende Wartung

Automatisierter Betrieb; vorbeugende Instandhaltung

Vertikale Integration; vorausschauende Instandhaltung

3 IT Mittel für die größtmögliche Effizienz der Verwaltung von Geschäftsprozessen

Mittel für die größtmögliche Effizienz der Verwaltung von Geschäftsprozessen

Wegbereiter für ein digitales Ökosystem

4 Geschäfts-modell

Interaktion mit Kunden offline

Interaktion mit Kunden in Online-Zusammenarbeit

Datenintegration zwischen Akteuren der Lieferkette

(1) Lieferkette 2.0 – 3.0 – 4.0 Als 2.0-Version dominieren papiergestützte abgeschottete Prozesse ohne interne oder externe Integration. Es gibt keine Echtzeitinformationen zu Produktion oder Logistik. Mit der 3.0-Lieferkette setzt die Teilintegration interner und externer Datenquellen ein, allerdings mit eingeschränkter Information zu Beständen und Logistik. Analytische Möglichkeiten basieren auf manuellen Analysen. Das 4.0-Modell strebt ein horizontal integriertes, partnerschaftliches Ökosystem mit selbstoptimierenden virtuellen Prozessen an. Dies wird in Fast-Echtzeit und voller Transparenz der Liegenschaften („Assets“) geschehen. (2) Fertigung 2.0 – 3.0 – 4.0 In der Fertigung 2.0 war Offline manuell und nicht mit Betrieb und Planung verknüpft. Dateninseln besaßen begrenzte Kompatibilität; korrigierende Wartung. Mit der 3.0-Version kommt der automatisierte Betrieb. Die Analytik findet auf der Grundlage historischer Daten statt. Betriebsplanung in Silos, kompatible, aber statische Daten, vorbeugende Instandhaltung. 4.0 arbeitet mit vorausschauender Instandhaltung. Vertikale Integration, Optimierung von Werks- und Produktionsnetz in Echtzeit. 58 BASF 2015.

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(3) IT 2.0 – 3.0 – 4.0 IT wird als Mittel verwandt, das die größtmögliche Effizienz der Verwaltung von Geschäftsprozessen sicherstellt. Dies ändert sich nicht mit der 3.0-Fassung. IT 4.0 wird Wegbereiter für ein digitales Ökosystem sein. Übergang von End-of-Pipe-Dienstleistungen zu Lösungs- und Innovationspartnerschaft. Sie bietet flexible Lösungsumsetzung und Cybersicherheit für erheblich schwierigere Aufgaben an. (4) Geschäftsmodell 2.0 – 3.0 – 4.0 2.0: Die Interaktion mit Kunden geschieht hauptsächlich offline. Digitale Zusammenarbeit ist auf die BASF beschränkt. Daten werden Kunden nur in eine Richtung zur Verfügung gestellt, z. B. um Transaktionen zu erleichtern. 3.0: Interaktion mit Kunden mit erheblichem Anteil an Online-Zusammenarbeit, aber immer noch hauptsächlich in eine Richtung, z. B. E-Commerce. 4.0: Datenintegration zwischen Akteuren der Lieferkette. Analyse großer Datenmengen, die aus B2B heraus B2C-Funktionalitäten ermöglichen. Pharmazeutische Industrie: Sanofi 2.0 – 4.059 Angesichts der digitalen Transformation gibt es für Sorglosigkeit („Everything is cool“) in der pharmazeutischen Industrie keinen Anlass. Erinnert sei an die „Convention on Pharmaceutical Ingredients“ (CPhI) von 1993. Damals gab es einen „Indian Pavilion“, aber wusste niemand etwas über China? In der Gegenwart: Können wir davon ausgehen, dass die G7 dem Thema „Antibiotika“ ausreichend Aufmerksamkeit widmet? „Pharma 2.0“ und „Pharma 4.0“. Eine Analyse der gegenwärtigen Situation in der pharmazeutischen Industrie lässt sich durch den Vergleich von „Pharma 2.0“ und „Pharma 4.0“, der Variante von Industrie 4.0 für die pharmazeutische Industrie, durchführen. Kriterien sind „Digital Data/Big Data“ (1), „Automatisierung/ Standardisierung“ (2), „Netzwerke“ (3) und „digitaler Kundenzugang“ (4).

59 Braun 2015.

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Pharma 2.0 – 4.0 2.0 4.0 1 „Digital Data/Big

Data“ Datengenerierung an Points-of-Sale (Apotheken, Verbraucher)

Datengenerierung wie Google-Modell

2 Automatisierung/ Standardisierung

Reduzierung von Takt-/ Durchlaufzeiten und Arbeitskräften

Standards als zukünftige Assets

3 Network industriell, Crowd

Industrielle Versorgung durch Wissenschaft, Industrialisierung, Chemie, Pharma

Dezentrale Produktion (Crowd)

Network Pharma

Agilität 2.0 Agilität 4.0 (?)

4 Digitaler Kundenzugang

Schlanke Produktion Pharma: Marke, die Kundenbindung erzeugt

(1) Big Data 2.0 – 4.0 Gegenwärtig sammelt IMS Health in mehr als 100 Ländern Daten zum Verkauf von ethischen pharmazeutischen Produkten und erfasst dabei über 95 Prozent des Werts des globalen Markts. Die Daten werden entweder am Point-of-Sale in Apotheken oder am Point-of-Sale bei den Verbrauchern gesammelt. Hintergrund: Das Antizipieren von Chancen auf dem globalen Life-Sciences-Markt erfordert Kennzahlen zum Verkaufsvolumen, Marktanteilen und -trends. Zukünftig, mit Big Data 4.0, wäre es möglich, dass die Datengenerierung einem Modell folgt, das Google ähnlich ist. Von Google stammen die zuverlässigsten Verkehrsinformationen und Epidemiologen erkundigen sich bei Google, wenn sie wissen wollen, wie weit sich eine Grippe verbreitet hat („Plug-on blood glucose meters.“ „Warum gibt es eine Health-App auf dem iPhone?“). Bei Big Data 2.0 stand der Schutz von Daten im Vordergrund, bei Big Data 4.0 ist es die Nutzung und das Ausnutzen von Daten („Die Menschen geben Daten ‚freiwillig‘ durch ihr Nutzerverhalten preis.“). (2) Automatisierung/Standardisierung 2.0 – 4.0 2.0: Dieser Prozess hat die Reduzierung von Takt- und Durchlaufzeiten und Arbeitskräften zur Folge. Die Agilität der Unternehmen ist betroffen (wächst?). Die Fragen, die diesen Prozess antreiben, lauten: „Was ist die optimale Nutzung von finanziellen und operationalen Kapazitäten?”

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Automatisierung/Standardisierung 4.0: Standards werden die zukünftigen Assets sein. Dies lässt sich am Wettbewerb zwischen Blackberry und Nokia einerseits und Apple und Samsung andererseits ablesen. Aus der pharmazeutischen Industrie sind folgende Beispiele:

• FDA, die „Food and Drug Administration“ in den USA, unterstützt kleine Unternehmen und die Industrie.

• ICH, die „International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use“, bringt Gesundheitsbehörden und die pharmazeutische Industrie zusammen, um wissenschaftliche und technische Aspekte der Registrierung von Medikamenten zu erörtern.

Kapazitäten werden skalierbar: Produziert wird nur bei Bedarf. Lieferketten werden disrumpiert, Produktion als „Continous Flow“ organisiert. UNA FORMULA: Weltweit wird die gleiche Formulierung verwendet.60 (3) Network 2.0 (industriell), Network 4.0 (Crowd) 2.0: Das Beispiel des Artemisinin für die Herstellung von Malaria-Mitteln zeigt, wie Wissenschaft, Industrialisierung, Fermentation, Chemie und Pharma ineinandergreifen und in Rekordzeit eine industrielle Versorgung aufgestellt haben. Bislang geschieht dies auf drei Kontinenten (USA, Europa, Afrika) mit 5 Stakeholdern (UCLA, BMGF, HUVEPHARMA, SANOFI, WHO) und einer Zulassung. Network 4.0 (Crowd): Alternativ könnte Artemisinin Malaria dezentral produziert werden.61 Wissenschaftler und Farmer wären in der Lage, mithilfe von 2000 kontinuierlich arbeitenden Mikroreaktoren zusammenzuarbeiten. Die Zahl der Stakeholder ist jetzt noch nicht absehbar. Das wesentliche Risiko besteht darin, dass es dann 2000 Hersteller gäbe, die alle eine Zulassung bräuchten. Darauf sind die Arzneimittelbehörden nicht vorbereitet und die Frage der Qualitätssicherung wird ungleich aufwendiger.

60 Dies ist bei Weitem nicht Usus. Sehr häufig verwendet man aus Kosten- oder pharmakologischen Gründen unterschiedliche Formulierungen bei verschiedenen Dosisstärken. Die Tatsache, dass sehr häufig in verschiedenen Ländern unterschiedliche Formulierungen eingesetzt werden, kann mit Historie, Verfügbarkeit von Formulierungshilfsstoffen oder einfach lokaler Findigkeit zu tun haben. Das Fehlen von Standardisierung macht den regulatorischen Prozess aufwendig und eine Qualitätssicherung auf lokaler Ebene notwendig. Vorstellbar ist, dass überall auf der Welt die gleichen Tabletten eingesetzt werden könnten, was die Reaktivität drastisch erhöhen würde. 61 Laut Prof. Dr. Peter H. Seeberger, Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Allerdings sind die Kosten der pharmazeutischen Industrie nicht bekannt bzw. das von ihm verwendete Ausgangsmaterial ist nicht industriell verfügbar. Daher gibt es keinen Marktpreis.

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Network 2.0 – 4.0 (Pharma) Agilität von Unternehmen 2.0: Leistungsfähigkeit der Wertschöpfungskette; sollen die existierenden Materialströme auf der Grundlage der gegenwärtig existierenden oder zukünftiger Mengen reorganisiert werden? Zu berücksichtigen ist das starke Trägheitsmoment der existierenden Netzwerke. Network 4.0 (Pharma): Agilität 4.0 (?): (Process and information performance? Macht das „Mantra“: „Produziere, wo du die Produkte brauchst?“ mehr Sinn als eine ausgefeilte Lieferkette? Disruptive Technologien wären gegebenenfalls verfügbar und müssten disruptiv umgedeutet werden (Ein Hochtemperatur-Extruder in jeder Stadt? Ein Tablettenschneider (Tablet Cutter) in jeder Apotheke? 3-D-Drucker: in den Apotheken, bei den Patienten?). Auch hier müssen zuerst die regulatorischen Voraussetzungen geschaffen werden. Und es sollten Zusatznutzen gegenüber den Gefahrenmomenten abgewogen werden (z. B. Fälschungssicherheit, Compliance). Verpackung und Transport verbrauchen Ressourcen, erzeugen aber keinen Wert (Muda); darüber hinaus gibt es ökologische Gründe, z. B. den CO₂-Footprint zu reduzieren. Wer sagt, dass dies unmöglich ist, sollte sich damit befassen, dass Coca Cola 2020 die „PlantBottle“ auf den Markt bringen will. Warum tut das Unternehmen das? (4) Digitaler Kundenzugang 2.0 – 4.0 Strategisch relevante Fragen der Version 2.0: Wer ist der Kunde, der Patient oder Kostenträger? Soll eine schlanke Produktion wie in der Automobilindustrie angestrebt werden?62 Oder eine schlanke Produktion wie in der Lebensmittelindustrie oder in Logistikunternehmen? Digitaler Kundenzugang 4.0: Können wir zum Kostenträger via den Patienten gelangen? Pharma als eine Marke, die Loyalität/Kundenbindung erzeugt und Anbieter von hochwertigen Medikamenten („Value Provider“). Technology 4.0. Ist die Pharmafabrik 4.0 eine ausschließliche Technologiediskussion? Die Devise vieler Pharmaunternehmen für die nächsten Jahre lautet: „Lasst uns Pharma 2.0 richtig machen. Lasst uns den Rückstand zu anderen Industrien aufholen!“63 Der Weg wird durch folgende Stichworte markiert: „Agilität 2.0”,

62 „Wie lange vorher muss man sein Auto bestellen? Wer wäre bereit, ebenso lange auf seine Medikamente zu warten?“ „Niemand wartet auf Joghurt!“ 63 Braun 2015.

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„Responsiveness“ (vom Lagerbestand zur Taktzeit), API (Application Programming Interface) in Taktzeit, die Verschwendung (Muda) und Ladung (Load) beherrscht, Ziel eines schlanken („lean”) Pharmaproduzenten (Pull-Systeme), papierlose Produktion, Freigabe in Echtzeit, PAT (Process Analytical Technology), „Smart Company”. „Die neuen Herausforderungen betreffen die gesamte Wertschöpfungskette der Chemieindustrie„, sagt Roland-Berger-Partner Alexander Keller. „In einem anwendungsgetriebenen Umfeld werden das Verständnis für den Kunden und die Zusammenarbeit mit ihm immer wichtiger, um Mehrwert zu schaffen und langfristig wettbewerbsfähig zu sein. Chemieunternehmen sollten auch von den erheblichen Vorteilen von Industrie 4.0 profitieren: Sie erlaubt eine erheblich effizientere und auf den Kunden abgestimmte Produktion, einschließlich der Nutzung von Kundendaten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Nur Unternehmen, die die entstehenden Möglichkeiten voll ausnutzen, werden langfristig erfolgreich sein.”64 Zusammengefasst: Die zukünftige europäische chemische Industrie wird integriert, modular, verteilt, global vernetzt und in Symbiose mit anderen Industrien und Siedlungsgebieten sein. Beide Studien, die VDI-Studie 2014 und die Roland-Berger-Studie II 2015, weisen auf die Kopplung von kleineren, eher selbstständigen Einheiten hin, die digital gesteuert werden, aber nicht zentral, sondern netzwerkverteilt und algorithmisch gekoppelt. Neben den – vorhandenen – Basiskompetenzen unterscheidet die Roland-Berger-Studie II 2015 für die letzte Stufe „Chemie 4.0" zwischen wettbewerbsfähigen und wettbewerbskritischen Faktoren: Wettbewerbsstarke Komponenten der chemischen Industrie im Chemie 4.0-Prozess sind:

• Verankern von Beweglichkeit und Führerschaft: Geschäftsportfolio/technologische Führerschaft/Forschung/Optimierung des F&E-Portefeuilles/Produktanlauf/Qualitätsverantwortung/Flexibilität der Lieferkette

• Intensivierung und Digitalisierung der Branchenorganisation: Prozessintensivierung/Produktentwicklung/vorbeugende Instandhaltung/individualisierte

64 Roland Berger Strategy Consultants 2015 mit Bezug auf die Roland-Berger-Studie II 2015.

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Massenfertigung/Komplexitätsmanagement/Digitalisierung von Vertrieb und Ablaufplanung

• Flexibilität der Ausgangsstoffe: Zugriff auf vielfältige Ausgangsstoffe/Flexibilität bei Ausgangsstoffen/Energiekreislauflösungen (zur Flexibilität bei Ausgangsstoffen wird präzisiert: fossile Rohstoffe, biobasierte Rohstoffe, Präzisionslandwirtschaft, Kreislaufwirtschaft; neben der Liste der Zukunftsressourcen: Wind, alternative/unkonventionelle Energiequellen, Sonnenenergie, Erdwärme)

Wettbewerbskritische Komponenten der chemischen Industrie im Chemie-4.0-Prozess sind:

• Anwendungsorientierte Wertangebote: Marktkenntnis/tief greifendes Kundenverständnis/Entwicklung des Geschäftsmodells/Technologie: von der Idee zum Produkt/Anwendungsführerschaft/strategisches Marketing

• Verkaufen der Lösung: technisches Marketing/größte Kundennähe/Vernetzung65

Im Endausbau bzw. Zielfokus dieses Chemie-4.0-Prozesses stehen die Themen: Mass Customization/Customer Needs and Trends/Customer/Internet of Things.66 Man sieht, wie ein anderes Denken, ein Netzdenken, die Innovationsrichtung sich von der Produktionstechnologie auf die Netz- und Kundenprozesse verschiebt. Die Differenz zwischen den verschiedenen Sprachen und Logiken wird sich in die Firmen als anhaltende Spannung legen, die produktiv und proaktiv bewältigt werden muss. Dazu werden neue Kooperations- und Kommunikationsformen zwischen den verschiedenen Kompetenzen notwendig sein. Die Roland-Berger-Studie II 2015 schlägt drei Schlüsselbereiche der Entwicklung von Chemie 4.0 vor, die zu beachten sind:

• „Erstens, und obwohl bereits unterschiedliche Arten von Ausgangsstoffen verfügbar sind, muss sich jedes Unternehmen Gedanken machen, wie genau es zu einem wirklich vielfältigen Portfolio an Ausgangsstoffen kommen kann, das skalierbar ist und zum richtigen Preis Mehrwert bietet. Hierbei ist Flexibilität entscheidend, da die Grenzen zwischen Biotechnologie, Pharmazie und Chemie immer mehr verschwinden – was auch die Tür für innovative neue Ansätze aufstößt.

65 Roland-Berger-Studie II 2015: S. 12. 66 Roland-Berger-Studie II 2015: S. 13.

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• Zweitens ist sich die Chemiebranche seit Langem solcher Themen wie Prozessintensivierung, Prozesskenntnis und vorbeugende Instandhaltung bewusst. Realisieren die Unternehmen aber das volle Ausmaß und Potenzial von Digitalisierung und mobilen Informationssystemen? Die Folgen von vernetzter Logistik und betrieblicher Intelligenz? Insbesondere die Vernetzung wird für die gesamte Lieferkette immer wichtiger, um zentrale Produktionsthemen wie Late/Mass Customization und bedarfsorientierte Lieferung zu ermöglichen.

• Drittens, und das ist vielleicht am wichtigsten: Die Unternehmen müssen sich die Fähigkeiten und Kompetenzen anschauen, die sie aufbauen müssen, um wirklich enge Kundennähe in anwendungsorientierte Innovation zu übersetzen. Sie müssen die Kundenbedürfnisse genau verstehen, beweglich bleiben und die technologische Führerschaft anstreben, wenn sie erstklassige Lösungen bieten wollen und die entsprechenden innovativen Geschäftsmodelle anstreben.”67

Die Studie endet in folgendem Ausblick: die europäische chemische Industrie ist sehr gut für den Chemie-4.0-Prozess gewappnet,68 aber es mangelt an Änderungsgeschwindigkeit und Fokussierung. „Werden Verfahrensindustrie und diskrete Fertigung zwei getrennte Welten bleiben? Und wenn ja, was passiert, wenn die Kunden sich selbst ändern und weiterentwickeln? Viele der neuen digitalen und datengetriebenen Technologien, die den bevorstehenden Wandel ermöglichen werden, befinden sich noch im Entwicklungsstadium. Stimmt. Aber ist es klug zu warten, bis das ‚Endprodukt' – wie immer das auch ausschauen mag – fertig ist? Wir glauben, dass ein Abwarten die europäische Chemiebranche der Chance beraubt, zu vermeiden, weiter hinter die Chemie in Asien und letztendlich auch in Nordamerika zurückzufallen.”69 Vermutlich werden unterschiedliche Unternehmenstypen bei der digitalen Transformation eine Rolle spielen. Gegenwärtig sieht es so aus, als würde die Studie des Fraunhofer ISI in Karlsruhe70 bestätigt. Danach gibt es unterschiedliche Innovationstypen in der 67 Roland-Berger-Studie II 2015: S. 14. 68 Vgl. dazu auch die VDI-Studie 2014, die die erreichten Potenziale der chemischen Industrie aufzeigt. 69 Roland-Berger-Studie II 2015: S. 14. „Die zunehmende Diversifizierung verlangt daher auch veränderte Strukturen in Unternehmen, die in immer komplexeren internationalen Wertschöpfungsketten agieren. Als eine gegenwärtige Schwäche werden nach einer Studie von Statista (2013) die weiter optimierbaren Geschäftsprozesse (Produktionsbereich weitgehend von sonstigen Geschäftsabläufen, wie Vertrieb und Marketing, abgekoppelt) in deutschen Chemieunternehmen betrachtet” (VDI-Studie 2014, S. 17; mit Bezug auf: Statista, Handelsblatt 2014).

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chemischen Industrie, die Fein- und die Grundindustrie. Diese Unterscheidung scheint auch für das Thema der digitalen Wirtschaft relevant: Für Unternehmen der Feinchemie wie z. B. der pharmazeutische Industrie ist dieser Prozess relevanter als beispielsweise für Unternehmen der Grundindustrie, z. B. der Mineralölindustrie.

Die Chemiebranche ist von den Anfängen bis heute einer starken Wandlung unterworfen – von der Industrialisierung über Automatisierung bis heute zur Informationalisierung.

Vier Stadien der Entwicklung der chemischen Industrie71

Bis 1980: „Zeitalter der Ausgangsstoffe: das Meiste aus Ausgangsstoffen herausholen“ 1980–2000: Zeitalter der Wertschöpfungskette: Fokus auf Kerngeschäft 2000–2015: Zeitalter der Biowissenschaften: Fokus auf Spezialchemikalien und profitablem Wachstum Zeitalter der Anwendung: Chemie 4.0: 1. Flexibilität der Ausgangsstoffe wird erreicht. 2. Produktpaletten werden angepasst, um technologische Hebelwirkung zu unterstützen. 3. Kundenbedürfnisse werden in Anwendungen umgesetzt. 4. Die Organisation der Branche wird digitalisiert, um eine weitere Intensivierung und Kundennähe zu erlangen.72 Und neue Geschäftsmodelle.73 2015 – nächste Epoche

In der Chemiebranche ist es wichtig, die Prozesse kontinuierlich zu gestalten. Das heißt, die Herstellung meiner Produkte vom Anfang bis zum Ende der Kette möglichst unterbrechungsfrei durchzufahren. Dazu wird ein Werkzeug benötigt, das die Produktion basierend auf Messwerten steuert. Sensoren würden die Daten zur Weiterverarbeitung aufnehmen. Dies erlaubt mir zu wissen, welche Zwischenstufe an welcher Stelle mit welcher Qualität vorliegt und gestattet mir entsprechende Eingriffsmöglichkeiten. Für mich sind das die ersten Dinge, mit denen Industrie 4.0 die Chemiebranche unterstützen kann.”74

70 Studie des Fraunhofer ISI 2014 im Auftrag der CSSA. 71 Roland-Berger-Studie II 2015. 72 Roland-Berger-Studie II 2015: S. 11. 73 Roland-Berger-Studie II 2015: S. 10. 74 Dr. Damrath, CWK Chemiewerk Bad Köstritz, zit. In: BITKOM/Fraunhofer-Gesellschaft Studie 2014, S. 34. Im Wesentlichen sind damit dieselben Prozesse angesprochen, die in der Industrie 4.0

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Laut einer VDI-Studie (2014) ist es Ziel weiterer Entwicklungen eine „Plug & Produce“-Fähigkeit der Container und Module – d. h. Kopplungsmöglichkeiten von modularen Systemen – zu erreichen. Sie ist wesentlich für die flexible und kosteneffiziente Nutzung der Modularisierung.

Dem stehen zwei wesentliche Schwierigkeiten bei den Handlungsfeldern „Standards“ und „IT-Sicherheit“ im Wege:

• Es fehlen Standards beziehungsweise Vereinbarungen für die Schnittstellen zur Integration von Modulen in ein Prozessleitsystem. Um Module flexibel miteinander zu verbinden, werden offene Schnittstellen zu den Prozessleitsystemen benötigt.

• Die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Prozessautomatisierung und IKT, insbesondere IT-Security, ist unzureichend. Gemeinsame Arbeitsgruppen von Mitarbeitern aus der Automatisierung und der Informations- und Kommunikationstechnologie fehlen sowohl auf Unternehmensebene als auch in Forschungseinrichtungen.

Trotz der Schwierigkeiten ist nach Meinung der meisten Experten davon auszugehen, dass in 5–15 Jahren erste „Plug & Produce“-fähige Module anlagenreif sind und für Entwicklung und Aufbau von Produktionsanlagen zum Realbetrieb eingesetzt werden.75

Dieser Prozessaspekt ist nur einer von vielen, die nach der VDI-Studie (aus einer Expertenbefragung gewonnen) von 2015–2035 für die chemische Industrie bedeutsam werden:

allgemein behandelt werden. Den maßgeblichen Schlüsselbereich von Industrie 4.0 sieht Dr. Damrath in der Flexibilität der Multifunktionsanlagen: „Ich habe eine Vielzahl von Aufträgen, die keineswegs gleichmäßig eintreffen – mal kommen viele von Sorte A, mal viele der Sorte B, mal kommt alles durcheinander, mal hab ich eine Pause in der Auftragslage, die mehr oder weniger spontan eintreten kann. Auf all dies habe ich keinen direkten Einfluss, weil es meine Kunden so bestimmen. Wenn es mir gelingt, meine Kundenaufträge innerhalb kurzer Zeit so auszuwerten, dass ich effizienteste Produktabfolgen erhalte, so ließen sich die Anlagen optimal nutzen und die eigenen Lieferzeiten verkürzen. Das ist für mich ein Schlüsselbereich für Industrie 4.0 in der chemischen Industrie” (dito). 75 VDI-Studie 2014, S. 27f.

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Schematischer Vorschlag einer Agenda von zukünftigen Technologien und Anwendungen in der chemischen Industrie. Eigene Einschätzung aufgrund der Experteninterviews und Literaturanalyse.76

Die Tabelle beschreibt die anstehenden Chemie-4.0-Prozesse nach Einschätzung der Gutachter der VDI-Studie 2014. Alle folgenden Erklärungen stammen aus dieser Studie. Sie sind zudem zeitlich geordnet, d. h. danach gelistet, wann sie relevant werden im Zeitraum 2015–2035. Drei Basisprozesse laufen die ganze Zeit über fort:

• Basisprozess 1: IT-Sicherheit: höhere Vernetzung, höhere Sicherheitsanforderungen. Kontinuierlich neue komplexere Lösungen.

76 VDI-Studie 2014, S. 31.

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• Basisprozess 2: Hybridisierung von Prozessen: Durch Hybridisierung von

Produktionsprozessen, d. h. Verkürzungen von Prozessketten oder Kombination von Prozessen, können deren Komplexität verringert und Effizienzpotenziale gehoben werden. Erst durch Integration, Verschaltung und Hybridisierung von Prozessen können modular aufgebaute Anlagenkonzepte (vgl. Phase 1 als Voraussetzung) vollständig realisiert werden (Phase 3).

• Basisprozess 3: Sensorik 2015+: Die neuen Sensoren-Generationen machen es möglich, alle Prozesse zu automatisieren und algorithmisch zu steuern. Zudem gehen R & D weiter: Die Sensorik ist die technologische Basis der Chemie-4.0-Prozesse.

Die weiteren Chemie-4.0-Prozesse:

1. <Bereits begonnen> Modularisierung: Durch die Modularisierung können Anlagen flexibel an Markt- und Nachfragetrends angepasst werden. Sie betreffen vor allem zwei Bereiche: betriebsintern in Batch-Prozessen/nicht-kontinuierlicher Produktion kleiner Mengen und internationale Wertschöpfungsnetze (siehe Phase 6). Beispielhaft: das EU-F3-Factory-Projekt (Modularisierung von Chemieanlagen und Container-Modulen mit Mikroreaktoren als Bausteine für Kleinproduktionsanlagen, insbesondere für die Fein- und Spezialchemie und auch für den Pharma-Bereich, wie Speziallacke, Kosmetika, Feinlacke etc.).77 (Design-Richtlinien für „Process Equipment Container" und „Process Equipment Assemblies", Backbone-Infrastruktur zum Andocken von Container-Modulen). Durch das Baukastensystem modularer Anlagen können Skalierungseffekte bereits bei kleinen Anlagegrößen erreicht werden.78 Zusammenfügung von Modulen in großen Chemieparks, aber die Chemieparks und -anlagen werden kleiner. Bzw. finale Veredelung durch kleine modulare – und verteilte – Anlagen (bis hin zur Chemieproduktion in modularen Anlagen auf Schiffen, d. h. Produktion und Logistik sind integriert, z. B. für globale Agrarchemie).

77 Becker/Franke/Stenger 2013. 78 Zur 3-D-Druckertechnologie wird für den Chemie-4.0-Prozess gesagt, dass sie verfahrenstechnisch keine besondere Rolle spielt, aber eine Bedeutung für den künftigen Absatzmarkt der Produkte bekommen wird. Komplexe Produkte wie Batterien können bereits mit 3-D hergestellt werden. Für chemische Prozesse wird 3-D-Druck als Labortechnik genutzt, um kostengünstig, automatisiert und reproduzierbar neue Reaktionsprodukte zu synthetisieren.

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2. <Bereits begonnen> Logistik für modulare und verteilte Produktionen: Wenn verteilte Produktionen realisiert werden, wird die Logistik komplexer und algorithmisch gesteuert werden müssen. Zugleich kann die Logistik reduziert werden, z. B. durch Container-Produktionen in kleineren Ländern für lokale Märkte (vgl. auch Phase 6 + 9). Für verteilte Produktionen (Phase 8) ist die Modularisierung vorausgesetzt, zugleich entstehen neue Anforderungen an die Logistik für Edukte und Stoffströme. Hier gäbe es erst nur rudimentäre Ansätze.

3. <Bereits begonnen> Integrated Engineering: Vernetzung von Anlagen und Modulen (siehe Phase 1), z. T. im Parallelbetrieb.

4. <Bereits begonnen> Ethernet-in-the-Field: erste Ansätze von Netzwerkstandards mit gesteigerter Bandbreite. Hier werden sich schnell neue fortgeschrittenere Lösungen anbieten.

5. <2015 → > Plug & Produce: Name für die Kopplungsmöglichkeiten von modularen Systemen. Voraussetzung sind modularisierte Prozesse (Phase 1) und deren systemische Integration (Phase 3), und zwar je nach Anforderungen neu und vor allem flexibel kombinierbar. Voraussetzung: Standards für Schnittstellen. Bisher sei die Kooperation von Prozessautomatisierung und IT-Sicherheit unzureichend. Die Einrichtung von gemeinsamen Arbeitsgruppen ist notwendig. Erst in 5 bis 15 Jahren aber seien „Plug & Produce"-fähige Module anlagenreif. Bisher eher nur Insellösungen (eigentlich müsste danach der Phasenpfeil weit nach rechts verschoben werden). Ansatz für neue Geschäftsmodelle.

6. <2018 → > globale Vernetzung: Prozesse, die die Phasen 1, 2, 7 und 8 betreffen und integrieren.

7. <2018 → > globale IT-Services für vernetzte Anlagen: neben den IT-Services folgende Anforderung: Entwicklung von Standards, um eine schnelle Integration von Modulen in Prozessleitsystemen zu ermöglichen, um alle weltweiten Daten aller Anlagen eines Unternehmens kohärent zu halten. In diesem Trend versammeln sich die Big-Data-Prozesse: weltweite Vernetzung von Anlagen in Echtzeit-Überwachung und Cloud-Datenverarbeitung. Die Überwachung (z. B. Ausfall von Teilen: Ferndiagnose und Fernüberwachung) ist aber nur der Grundprozess, an den sich weitere Steuerungs- und vor allem kundenorientierte Prozesse anhängen.

8. <2022 → > verteilte Produktionen: nicht mehr zentral, sondern kundennahe Produktionen (national/global). Voraussetzung dafür sind Prozess-Modularisierungen (1).

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9. <2025 → > industrielle Symbiose mit Wohngebieten: eine Spezifikation der verteilten Produktionen. In einer verteilten Produktion (Phase 8) kann die industrielle Symbiose, die Bereitstellung und Nutzung von Stoffströmen mit anderen Industrien oder auch mit Wohnsiedlungen erfolgen. Es eröffnen sich neue Chancen für die Entwicklung einer nachhaltigen Industrie.

„Die ermittelten Trends deuten darauf hin, dass die zukünftige chemische Industrie integriert, modular, verteilt, global vernetzt und in Symbiose mit anderen Industrien und Siedlungsgebieten sein kann. Daraus entstehen Veränderungen in der Arbeitsorganisation und neue Anforderungen an die Qualifizierung.“79 Ohne dass es besonders ausgesprochen wird, zeigt sich eine starke Tendenz zur Netzwerkorganisation: Kopplung von kleineren, eher selbstständigen Einheiten, die digital gesteuert werden (d. h. nicht zentral, sondern netzwerkverteilt und algorithmisch gekoppelt). Die VDI-Studie 2014 verdeckt eher die digitalen Prozesse. Sie enthält sie implizit in ihren Phasen, macht sie aber nicht explizit. Dies tut hingegen die Roland-Berger-Studie II 2015. 4. Die Herausforderungen der digitalen Wirtschaft annehmen Wie lässt sich der digitalen Transformation gerecht werden? Die Prognose, dass die chemische Industrie erst in der „dritten Welle“ von der digitalen Transformation von Grund auf erfasst wird80, sollte nicht als Zeichen der Entwarnung missverstanden werden. Vielmehr muss den sich abzeichnenden Veränderungen sorgfältig und mit höchster Aufmerksamkeit nachgegangen werden. „Ist der gegenwärtige Ausgangspunkt „Chemie 2.0“ oder „Chemie 4.0“?“ Eine pragmatische prüfende Haltung erlaubt es den strategisch relevanten Akteuren in Branche und Unternehmen, die Gestaltungspotenziale zu nutzen. 4.1 Prognosen Der erste Punkt betrifft den Umgang mit Prognosen. Die auf dem Markt befindlichen Prognosen operieren mit Versprechen. Wenn Deutschland und Europa die Herausforderungen der digitalen Transformation annehmen, bietet sich für Deutschland ein zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von 425 Milliarden Euro bis 202581, für die europäische Industrie sind es in den nächsten zehn Jahren 1,25

79 VDI-Studie 2014, S. 32. 80 Roland-Berger-Studie I 2015, S. 24ff, VCI-Prognos-Studie, S.42ff; VDI-Studie 2014

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Billionen Euro.82 Das sind wohlgemerkt Prognosen, die die Disruption und ihre erhöhten Change-Costs nicht einrechnen (z. B. experimentelle innovative Geschäftsmodelle höherer Riskanz). Die prognostizierten Gefahren werden mit Blick auf den Verlust von Unternehmensidentität und Arbeitsplätzen gesehen. Die einen betonen die Gefahren der Übernahme von renommierten Industrie- und Dienstleistungsunternehmen durch bereichsfremde Internetunternehmen. Die anderen stellen Arbeitsplatzverluste in Millionenhöhe in den Raum. Gegenwärtig dominieren markante Prognosen den Digitalisierungsdiskurs. Dies gilt insbesondere für die Forecasts angelsächsischer Provenienz. Wir sind der Auffassung, dass weder die Prognosen mit positivem noch diejenigen mit negativem Vorzeichen geeignet sind, die digitale Transformation als Gestaltungsaufgabe zu unterstützen. Prognosen, die beispielsweise aus den USA stammen, verkennen die besonderen institutionellen und organisatorischen Arrangements von Unternehmen, Wirtschaft und Staat in Deutschland und die Bedeutung der relevanten strategischen Akteure. Stattdessen erscheint es in der gegenwärtigen Situation ertragsreicher, den Blick für transformationsrelevante Schnittstellen zu schärfen und diese ebenso aufmerksam wie dauerhaft zu beobachten. Daraus werden sich Chancen für gestalterische Interventionen ergeben. 4.2 Institutionelle und organisatorische Schnittstellen Die disruptiven Prozesse setzen an Schnittstellen unterschiedlicher Bereiche an. Es wird nicht ausreichen, die „digitale Reife“ der Unternehmen83 zu beobachten. Erforderlich ist es, der disruptiven Umgebung der Unternehmen Aufmerksamkeit zu widmen:

81 Die BITKOM/Fraunhofer-Gesellschaft Studie (2014; S. 36) schätzt konservativer 267 Milliarden Euro bis 2025. 82 Roland-Berger-Studie I 2015. Doch ist bei solchen Berechnungen Vorsicht angebracht. Die Arbeitsproduktivität, der entscheidende Wachstumsindikator, entwickelt sich schwächer als vermutet (Plickert 2015 mit Aussagen der Ökonomen Robert Gordon, Larry Summers, Tyler Crowen). Hal Varian, Chefvolkswirt bei Google, hält dagegen und sieht kein Wachstums-, aber ein Messproblem. Alle die kostenfreien Angebote im Internet, in den Apps etc. werden nicht in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung einbezogen. Was keinen Marktpreis hat, kann nicht gerechnet werden. Hal Varian gibt zu, dass manche optimistischen Prognosen übertrieben wären (dito). 83 Roland-Berger-Studie I 2015, S.27; in diesem Papier siehe Kap. 2.

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• Die Kundenbedienung (nicht nur B2C, sondern auch B2B) steht an erster

Stelle, verknüpft mit der Frage, ob man die entsprechenden Kompetenzen im Unternehmen hat.

• Nur so lässt sich die zweite entscheidende Frage angehen: Wie agil, d. h., wie schnell und radikal änderungsfähig ist die eigene Organisation? Hat man die richtigen Leute, Technologien und Prozesse dafür?84

• Ist man gewappnet, der Disruption zu begegnen? Ist man in der Lage, seine organisatorischen und Geschäftsmodelländerungen schneller als der Wettbewerber durchzuführen?

• Kann man die Wettbewerber noch zuverlässig identifizieren – wenn sie aus gänzlich anderen Branchen kommen? Der Beobachtungshorizont muss über die eigene Branche hinaus erweitert werden. Und das eigne Innovationspotenzial muss erhöht werden.

In den Unternehmen – die Stichworte lauten organisatorisches Kapital/Arbeit 4.085 – zeichnen sich „divergierende Organisationsmuster“ ab. Die Folgen der digitalen Transformation für Organisation und Arbeit sind nicht eindeutig, sondern bieten Gestaltungsmöglichkeiten:

• polarisierte Organisation mit dispositiver Ebene (hoch qualifizierte und spezialisierte Experten mit hohen Handlungsspielräumen: Ingenieure, Facharbeiter mit neuen Kompetenzen) und ausführender Ebene (abgewertete Fachkräfte, Angelernte)

• Schwarmorganisation mit übergreifender Handlungsebene (hoch qualifiziertes und spezialisiertes Personal mit hohen Handlungsspielräumen: Ingenieure, Facharbeiter mit neuen Kompetenzen)86

84 Siehe die Ausführungen zum „organisatorischen Kapital“ von Unternehmen und zu dem Potenzial von Beschäftigten, mit Unvorhersehbarem umzugehen (weiter unten). 85 Vgl. BMAS 2015. 86 Man übersieht bei diesen Listungen häufig, dass z. T. völlig neues Personal in die Unternehmen kommt (Physiker, Mathematiker, statistische Informatiker), mit anderen Arbeitsformen und ohne natürliche Kommunikationskompetenz für das bisherige Fachpersonal. Und dass diese Kompetenzen oft von extern eingefädelt werden, mit besonderen Anforderungen an das Management (Interfacemanagement). Die bisher häufig geschlossene Organisation wird sich öffnen müssen. Die BARC-Studie weist auf „das mangelnde fachliche und technische Wissen für Big Data und seine Analyse im Unternehmen hin. So klagen 53 Prozent der Befragten über fehlendes fachliches und 48 Prozent über fehlendes technisches Know-how in ihren Organisationen. 30 Prozent der Unternehmen mit Big-Data-Projekt wollen daher neue Stellen in diesem Bereich schaffen. Doch der weltweite Arbeitsmarkt kann gegenwärtig nur unzureichend diesen Wunsch nach solchen Experten erfüllen (BARC-Studie 2015: Hot Spot 4).

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Zu eruieren sind partizipative Formen der Systemgestaltung und -einführung: 1. Design des technologischen Teilsystems als Rahmenbedingung:

technologiezentriertes Design bzw. Automatisierungsdesign versus komplementäres Design bzw. „humanorientierte Arbeitsgestaltung“

2. Verlauf des Einführungsprozesses 3. Beteiligung und Partizipation der Mitarbeiter/Erhalt und Ausbau

sozialpolitischer Beschäftigungsverhältnisse Erforderlich sind:

• hohe Ressourcen sowie breites technologisches Know-how • langwierige und aufwendige Abstimmung mit bestehenden Strukturen • modular anpassbare und flexibel integrierbare CPS-Funktionen nutzen • „Organizational Co-innovation“87

Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle:

• aufgabenbezogene Schnittstellengestaltung z. B. – Aufgabenangemessenheit – Selbstbeschreibungsfähigkeit – Steuerbarkeit, Fehlertoleranz – Erwartungskonformität – Individualisierbarkeit – Lernförderlichkeit etc.

• Einfluss der Systemkonzeption bzw. Mensch-Maschine-Funktionsteilung Werden die erhöhten Anforderungen an das Arbeitsvermögen für einen erheblichen Teil der Beschäftigten durch entsprechende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen kompensiert?88 Was kommt an neuen Qualifikationen/Belastungen?89 Wir fassen die (nicht nur für die chemische Industrie) relevanten Qualifikationen für die Zukunft zusammen:

• Gute Englischkenntnisse und eine solide Basis im technischen Englisch • Profunde Informatikkenntnisse • Systemwissen und -verständnis • Entwicklung von Medienkompetenz • Für die Auszubildenden: Vermittlung von Qualifikationen wie Koordination,

Projektmanagement und kommunikative Skills, die nicht leicht automatisierbar sind.

87 Brynjolfsson/McAfee, 2014. 88 Schilcher/Diekmann 2015, S. 25f. 89 Z. B. sich permanent in neue Methoden und Arbeitsinhalte einarbeiten zu müssen, Widersprüche zwischen Handlungsanforderungen, Regeln und verfügbaren Ressourcen.

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• Hohe Aufmerksamkeitskompetenz, schnelle Eingriffskompetenz Die sozialpartnerschaftlich begleitete Umsetzung bietet gute Aussichten, dass sich tatsächlich neues organisatorisches Kapital bildet:

• Durch eine jahrzehntelang erprobte Dialogpraxis beobachtet sie frühzeitig die Entwicklung in der Branche und darüber hinaus und setzt tarifpolitische Rahmenbedingungen. Diese Tradition können die Sozialpartner auch bei der digitalen Transformation nutzen.

• In den Unternehmen ist ein sozialpartnerschaftliches Organisationskapital entstanden, das in Fragen von digitaler Organisation und digitaler Arbeit die Analyse und Entwicklung von effizienten Lösungen begünstigen kann.

4.3 Nationale und europäische Governance Das „Bündnis Zukunft der Industrie“90 hat eine Reihe von strategischen Zielen benannt:

• Steigerung der Akzeptanz der Industrie • Stärkung der Investitionen und kräftiger Schub für die deutsche Wirtschaft in

Richtung Industrie 4.0 • Investitionen in Innovationen, innovative Industrie nur mit motivierten und

qualifizierten Beschäftigten und Fachkräften • Politik: zielführende Rahmenbedingungen, um etwa private Investitionen in

die industrielle Weiterentwicklung zu fördern • Breitband-Ausbau (fehlende Standards für Datenübertragungen in der

Industrie) • Ausgestaltung der Wertschöpfungsketten der Zukunft • Zukunft der Arbeit in Industrie und industrienahen Dienstleistungen – zum

Nutzen der Beschäftigten und der Industrie (Humanisierung der Arbeitswelt, bessere Vereinbarkeit Familie/Beruf). Gute Arbeit, tariflich abgesicherte Löhne, Mitbestimmungsrechte, Sozialpartnerschaft

BMWi und BMBF91 haben vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine Dialogplattform Industrie 4.0 ins Leben gerufen. Sie soll diese Unternehmen

90 Siehe die „Gemeinsame Erklärung“ auf der Website des BMWi www.bmwi.de. 91 BMWi, BMBF, Startschuss zur Gründung der Plattform Industrie 4.0, gemeinsame Pressemitteilung 16.3.2015.

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für die digitalisierte Zukunft vorbereiten und einen intensiven und zielorientierten Dialog der beteiligten Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und Politik zum Thema „Industrie 4.0“ ermöglichen. Durch die gemeinsame Erörterung und Analyse von möglichen Hindernissen in der Implementierung sollen die Rahmenbedingungen von allen Beteiligten aktiv mitgestaltet werden. Die EU-Kommission wird den „digitalen Binnenmarkt“ entwickeln:

• Europaweite Koordination voranbringen – Investitionsprogramme wie der Juncker-Plan sind konsequent auf die Förderung der digitalen Transformation auszurichten. Im Rahmen eines EU-weit abgestimmten Vorgehens gilt es, Cluster, Kooperationen und Zusammenschlüsse durch eine europäische Wirtschaftsallianz zu ermutigen und die über Europa verstreuten Kompetenzen in einem virtuellen Digital Valley zusammenzuschließen (europäisches Pendant zum Silicon Valley).

• Die Standardisierung der digitalen Ökonomie muss Interoperabilität und

Skaleneffekte erzeugen. Branchenregeln spielen eine zentrale Rolle, um industrielle Kompetenzen auch künftig in Wettbewerbsvorteile übersetzen zu können. Diese Standards sollten die deutschen und europäischen Unternehmen rasch festlegen und gemeinsam geeignete Plattformen für den Austausch von Ideen, Wissen und Erfahrung schaffen (z. B. Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) der Bundesregierung).

• Der Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur bildet das Rückgrat einer

vernetzten Wirtschaft (Breitbandnetze, Sicherung einer hohen Servicequalität). Der z. T. fehlende Breitbandausbau ist ein starker Wettbewerbsnachteil für gerade kleine und mittlere Unternehmen, die sich über die Clouds in den Industrie-4.0-Prozess einschalten müssen.

5. Schluss Die Branchen und Märkte sind in Bewegung. Eindeutig wird die Digital Revolution große Änderungen mit sich bringen, und zwar über die Technologie in alle Dimensionen der Wirtschaft: Arbeit, Organisation, Management, Logistik, Vertrieb, Einkauf etc. Über die Änderungsgeschwindigkeiten ist man sich uneinig. Aber niemand ist davor gefeit, sich Gedanken zu machen, wenn Entwicklungen –

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schnell und disrupt – eintreten, schon jetzt alternative Strategien bereitzuhalten. Abwarten und auf seine bisherigen Kompetenzen zu vertrauen, ist eine riskante Herangehensweise. Man braucht alternative Szenarios, die man nicht immer mit den vorhandenen Kompetenzen allein vorbereiten kann. Und man braucht eine Aufmerksamkeit (Awareness), was passieren könnte – und zwar nicht nur in der eigenen Branche, sondern durch Wettbewerber, die aus ganz anderen Dimensionen kommen können. Das Management wird mit neuen Herausforderungen konfrontiert, die zum Teil jenseits ihrer bisherigen Erfahrungen liegen: Die Organisationen müssen änderungsfähiger aufgestellt werden, die Beschäftigten brauchen neue Kompetenzen, Marktbeobachtungen und Früherkennung von Szenarien werden notwendiger denn je, Komplexität und Investitionsrisiken steigen, die Änderungen werden stärker forschungs- und technologieabhängig. Wir gehen in eine neue Phase der Wirtschaftsentwicklung.

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Die CSSA ist eine gemeinsame Initiative der Chemie-Sozialpartner Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. (BAVC) und IG BCE. Ihre Handlungsfelder sind der Demografische Wandel, Weiterbildung und Wirtschaftsethik. Die CSSA trägt ihrerseits zur Vertiefung der Sozialpartnerschaft in der Chemie-Industrie bei. Dafür haben BAVC und IG BCE im August 2008 die Vereinbarung „Verantwortliches Handeln in der Sozialen Marktwirtschaft“ (Ethik-Kodex) unterzeichnet und damit den sogenannten Wittenberg-Prozess ins Leben gerufen.

The CSSA is a joint initiative of the chemical social partners Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. (BAVC) and IG BCE. Their fields of activity are the demographic change, education and business ethics. The CSSA in turn contributes to the deepening of social partnership in the chemical industry. But have BAVC and IG BCE in August 2008 signed the agreement "responsible action in the social market economy" (code of ethics) and thus the so-called Wittenberg process launched.